Oswald Neuberger - Rainer Hampp Verlag
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wird). Vielleicht steht in einem anderen Sinn der Mensch im Mittelpunkt,<br />
weil er wichtige Bezugsgröße für Alternativrechnungen ist: Wenn andere<br />
Faktorkombinationen günstiger, sicherer, billiger, effizienter sind, dann<br />
wird der unbequeme, sperrige, eigensinnige Faktor Mensch sukzessiv ersetzt<br />
werden (wobei natürlich die Vorteile dieses Faktors genauso in<br />
Rechnung zu stellen sind: seine Elastizität, Flexibilität, Lernfähigkeit,<br />
Kreativität usw.).<br />
Das (reflexive, empfindungsfähige, bewußtseinsfähige) Subjekt kann die<br />
Unternehmung imaginieren, symbolisieren, phantasieren als<br />
gegenüberstehende "Ganzheit". Das selbstreferentielle Subjekt kann sich<br />
in seinen systembezogenen Leistungen irritiert fühlen durch Umwelt-<br />
Einflüsse (hier: Vorgänge im System Unternehmen) oder durch<br />
interpersonelle Beziehungsstörungen, fehlenden Konsens usw. In der<br />
Selbsterfahrung können Erfahrungen wie Angst, Freude, Leid, Entfremdung,<br />
Trauer seinen Zustand charakterisieren und als "Störung" oder<br />
"Bereicherung" erfahren werden. Werden diese Erfahrungen external<br />
attribuiert, also der Umwelt (hier: dem Unternehmen zugeschrieben), dann<br />
kann diese Problem-Definition (!) oder Attribution problemlösende<br />
Aktionen des Subjekts begründen (z.B. Fehlzeiten, Identifikation,<br />
Leistungsrestriktion, Motivationsschub, Rückzug ...). Diese Subjekt-<br />
Aktionen sind Gegenstand der Selbstbeobachtung und -beschreibung des<br />
Systems Unternehmung und werden - beim Überschreiten von Toleranzgrenzen<br />
- "erfaßt" und beantwortet (sei es durch "Personalwesen" oder<br />
"Personalarbeit").<br />
Dem steht nun als ein "nicht-kolonialisierter Rest" jener Bereich der<br />
Persönlichkeit gegenüber, der sich widerspenstig gegen<br />
Vereinnahmungsversuche zeigt. Menschen haben ein unveräußerliches Recht<br />
auf Eigen-Art, Eigen-Wert und Eigen-Sinn, das sie auch fortwährend<br />
wahrnehmen. Die Elemente, aus denen sich Subjektivität bildet und die sie<br />
formt, sind Gedanken, Gefühle, Erlebnisse, Erfahrungen, Empfindungen,<br />
Phantasien, Handlungsimpulse, Pläne usw. Jeder Mensch hat seinen eigenen<br />
Stil, zu denken, zu spüren und zu handeln und diese Besonderheit macht<br />
sich trotz und neben aller vereinheitlichenden Reglementierung und<br />
sozialer Vereinbarung geltend, zumindest als ein Anspruch, der<br />
systemischen und intersubjektiven Integrationsversuchen ebenso sehr<br />
Widerstand leistet wie er sie - gerade deshalb - herausfordert.<br />
Stünde tatäschlich "der Mensch" im Mittelpunkt, dann müßte sich für jeden<br />
einzelnen Mitarbeiter unter anderem das folgende feststellen lassen: Er<br />
hat einen interessanten, sicheren, gutbezahlten, gesunden usw.<br />
Arbeitsplatz! Wenn alles Bemühen um den Mitarbeiter kreiste, müßte sich<br />
das auch im unternehmerischen Ziel- und Controlling-System widerspiegeln;<br />
die Erreichung oder Verfehlung "menschlicher" Ziele müßte<br />
operationalisiert, dokumentiert, mit Konsequenzen verbunden, einklagbar<br />
sein. Davon sind wir weit entfernt, weil finanzwirtschaftliche Ziel- und<br />
Meßgrößen ganz eindeutig im Vordergrund stehen. Insofern ist die beliebte<br />
Formulierung "Der Mensch steht im Mittelpunkt" entweder eine Verbrämungsund<br />
Beschwichtigungsformel oder ein unerreichbares Ziel - eine jener<br />
Utopien, die die betrieblichen Pragmatiker, stolz auf ihren sogenannten<br />
Realismus, immer so abschätzig kommentieren.<br />
Jedenfalls re-agieren sowohl Subjekt wie Unternehmen auf je spezifisch<br />
diagnostizierte "Probleme" mit Aktionen, die die Probleme beseitigen<br />
sollen. Das Ergebnis wird wiederum beobachtet und führt bei Erfolg zur<br />
Stabilisierung des Prozesses und seiner Wiederanwendung, bei Mißerfolg<br />
zur erneuten Suche nach einer erfolgreicheren Strategie.