Oswald Neuberger - Rainer Hampp Verlag

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06.01.2014 Aufrufe

hier von Steuerungsmedien die Rede ist, dann ist folgendes gemeint: Im Unternehmen müssen Akteure ( genauer: Handlungen und Erwartungen) berechenbar miteinander verbunden werden, um zu gewährleisten, daß Handlungen in der ökonomisch besten (oder in sinnvoller, produktiver, effektiver) Form ausgeführt und aufeinander bezogen werden. Diese Ko-Ordination kann erfolgen durch Sprache, aber auch durch den Einsatz von Macht, Gewalt oder Zwang, durch den Tausch von Geld gegen Leistung, durch Herausbildung verbindlicher Wertnormen, durch sozialen Einschluß und Zugehörigkeit usw. In kapitalistischen Marktwirtschaften ist das dominante (nicht das einzige) Steuerungsmedium Geld. Transaktionen müssen sich letztlich rechtfertigen können, ob und wie sehr sie dazu betragen, daß das Kapitalverwertungsziel erreicht wird (wobei Grenzbedingungen - z.B. Recht - zu beachten sind). Im Personalwesen schlägt sich das konkret darin nieder, daß die Personalkosten (als der in manchen Branchen größte Kostenblock überhaupt) von fundamentaler Bedeutung ist für das Gesamtergebnis, so daß versucht werden muß, auch hier produktiv und effizient zu wirtschaften und das heißt ständig nach kostengünstigeren Lösungen zu suchen. Dabei werden die spezifischen Eigenheiten des Faktors Personal in Rechnung zu stellen sein: Personal kann man nicht wie Maschinen einfach abschreiben und abbauen, es geht nicht ins Eigentum des Unternehmens über, Personal ist in seinem Einsatz zeitlich beschränkt, weniger disponibel und mobil, schlechter berechenbar und kompliziert bewertbar, eigen-sinnig usw. Der Umgang mit Personen in Rollen erfordert neben den standardisierten und typisierten Lösungsschemata Adhoc-Strategien. Personalarbeit kann andere als (eigentlich) vorgeschriebene Wege gehen; das Vorhandensein dieser Möglichkeit belegt, daß es keinen Determinismus, sondern Handlungsspielräume und Optionen gibt. Gerade wenn etablierte Schemata versagen, müssen Systeme über Einrichtungen verfügen, die es ihnen erlauben, sich an neue Situationen anzupassen (zu verlernen) und gespeicherte Lösungen durch neue zu ersetzen. Es gibt also grundsätzlich (der Komplexität und Kontingenz der betrieblichen Leistungsprozesse geschuldet oder gedankt) Freiheitsgrade. Aus den Intransparenzen und Widersprüchen der Leistungsprozesse werden fortwährend neue Chancen und Risiken geboren, auf die z.T. nicht mit standardisierten Routinen geantwortet werden kann. Wäre die Personalfunktion allein auf die formalisierten Problemlösungen angewiesen ("Personalwesen"), würde sie Gefahr laufen, schnell unangepaßt und unökonomisch zu werden. Es besteht also eine beständig aktive Spannung zwischen Personalwesen und Personalarbeit, die als fruchtbarer Gegensatz von Verfestigung (Personalwesen) und Verflüssigung (Personalarbeit) beschrieben werden kann. Die beiden Pole bedürfen einander: kein "System" des Personalwesens funktionierte, wenn nicht Anwender und Betroffene es interpretierten, mit gesundem Menschenverstand handhabten, in Sonderfällen außer Kraft setzten oder sinnvoll modifizierten. Genauso fehlte aber der Personalarbeit das Skelett, gäbe es keine Richtlinien, Normen, Formulare, Verfahrenswege. In einem Unternehmen muß es Befreiung von stets erneuter Konsensfindung geben, es muß auf einen Bodensatz weitgehend fraglos akzeptierter Situationsdefinitionen und Handlungsschemata zurückgegriffen werden können. Neue Lösungen werden möglicherweise von einzelnen ersonnen und angewandt, sie müssen aber, um durchgesetzt werden zu können, sozial akzeptiert werden. Es muß also der Anschluß an systemische Operationsmodi gefunden werden; die anderen Akteure müssen sich darauf einstellen (können), sie erwarten (können), sie als Prämissen ihrer eigenen Entscheidungen akzeptieren (können). Personalwesen ist im wesentlichen auf die verallgemeinerte Bindungswirkung gegründet. Sind Aktionen nicht

anschließbar, werden sie als "Fremdkörper" buchstäblich eliminiert, ausgegrenzt, abgestoßen. Damit werden einmal mehr Prozeß und Notwendigkeit der sozialen Validierung sichtbar: Wirklichkeit und Problemdefinition sind keine automatischen Prozesse, sondern müssen durchgesetzt und verbindlich gemacht werden können und dominante Interessen befriedigen. Um das bislang Gesagte zusammenzufassen: Die Unternehmung beobachtet sich fortwährend mit vorgegebenen Semantiken selbst und reagiert mit ebenso vorgegebenen Routinen auf Abweichungen (Personalwesen); sie hat auch für nicht standardisierte Problemfälle Ausweichlösungen oder kreative Neuerungen verfügbar (Personalarbeit), mit denen sie Ersatz- oder Nebenroutinen, die sich bewähren, lokal zuläßt oder gar fordert. III. Paradigma der Subjektivität (identitätstheoretische Perspektive) Dem System Unternehmen, das aus Handlungen, Kommunikationen, Entscheidungen etc. - jedenfalls nicht aus Menschen - besteht, kann das System Mensch gegenübergestellt werden. Der einzelne ist nicht Teil der Unternehmung und er interessiert auch nicht als "ganzer" Mensch mit Körper, Geist und Seele. Der "ganze" Mensch ist prinzipiell nicht erfaßbar; zu ihm gehörte etwa der Blutkreislauf, die Träume, die religiösen Haltungen, die Hobbies, die Beziehungen zu Eltern und Verwandten .... Dem Betrieb ist fast alles davon gleichgültig; er interessiert sich primär für den wirksamen Leistungsbeitrag. Für die Behandlung körperlicher Erkrankungen z.B. hat das System Unternehmen normalerweise keine inhaltlichen Hilfen (außer "Krankschreibung") vorgesehen. Nur wenn irgendwelche anderen Aspekte des Menschen den Leistungsbeitrag stören (z.B. aggressives Werben für eine Glaubensgemeinschaft im Betrieb, das Unruhe unter der Belegschaft auslöst), wird der Betrieb aktiv. Durch diese Überlegungen soll verdeutlicht werden, daß "der Mensch" nicht Mittelpunkt des Unternehmens ist. Was ist schon "der Mensch"? Er tritt wie der wandlungsfähige Meergott Proteus je nach Gelegenheit in verschiedenen Gestalten auf, nämlich z.B. als - Arbeitgeber und Arbeitnehmer, - Produzent und Konsument, - Unternehmensinterner und Unternehmensexterner, - Mit-Mensch (Du, Alter-Ego) und Mittel-Mensch (Objekt, Ware, Instrument) ... Hat etwa der Mensch "Arbeitgeber" dieselben Interessen wie der Mensch "Arbeitnehmer"? Und wenn nicht, wer von beiden Menschen steht dann im Mittelpunkt? Würde "der Mensch" in jeder der genannten sich widersprechenden Sichtweisen im Mittelpunkt stehen, d.h. die Aktionen des Systems determinieren, wäre dieses handlungsunfähig. Der Mensch als reflexives Subjekt und Aktionszentrum ist insofern - wie Luhmann schon vor 25 Jahren festgestellt hat - Umwelt des Systems Unternehmung. Zum System Unternehmung gehören gehören nicht "ganze Menschen", sondern Handlungen, die an andere Handlungen angeschlossen werden; Handlungen - nicht Menschen - wären dann Element des Systems. Element ist nur, was durch selbstreferentielle Operationen des System erzeugt wird (Autopoiesis). Das System Unternehmen kann Handlungen (Entscheidungen, Kommunikationen etc.) erzeugen, jedoch nicht Menschen. Aber es benutzt für diese Erzeugungsarbeit Menschen und "schlachtet" sie demgemäß aus (ähnlich wie beim Stoffwechsel fremdes Eiweiß nicht einfach eingelagert, sondern erst zerlegt und dann in geeigneter Form integriert

hier von Steuerungsmedien die Rede ist, dann ist folgendes gemeint: Im<br />

Unternehmen müssen Akteure ( genauer: Handlungen und Erwartungen) berechenbar<br />

miteinander verbunden werden, um zu gewährleisten, daß Handlungen<br />

in der ökonomisch besten (oder in sinnvoller, produktiver, effektiver)<br />

Form ausgeführt und aufeinander bezogen werden. Diese Ko-Ordination kann<br />

erfolgen durch Sprache, aber auch durch den Einsatz von Macht, Gewalt<br />

oder Zwang, durch den Tausch von Geld gegen Leistung, durch Herausbildung<br />

verbindlicher Wertnormen, durch sozialen Einschluß und Zugehörigkeit usw.<br />

In kapitalistischen Marktwirtschaften ist das dominante (nicht das<br />

einzige) Steuerungsmedium Geld. Transaktionen müssen sich letztlich<br />

rechtfertigen können, ob und wie sehr sie dazu betragen, daß das<br />

Kapitalverwertungsziel erreicht wird (wobei Grenzbedingungen - z.B. Recht<br />

- zu beachten sind). Im Personalwesen schlägt sich das konkret darin<br />

nieder, daß die Personalkosten (als der in manchen Branchen größte<br />

Kostenblock überhaupt) von fundamentaler Bedeutung ist für das<br />

Gesamtergebnis, so daß versucht werden muß, auch hier produktiv und<br />

effizient zu wirtschaften und das heißt ständig nach kostengünstigeren<br />

Lösungen zu suchen. Dabei werden die spezifischen Eigenheiten des Faktors<br />

Personal in Rechnung zu stellen sein: Personal kann man nicht wie<br />

Maschinen einfach abschreiben und abbauen, es geht nicht ins Eigentum des<br />

Unternehmens über, Personal ist in seinem Einsatz zeitlich beschränkt,<br />

weniger disponibel und mobil, schlechter berechenbar und kompliziert<br />

bewertbar, eigen-sinnig usw.<br />

Der Umgang mit Personen in Rollen erfordert neben den standardisierten<br />

und typisierten Lösungsschemata Adhoc-Strategien. Personalarbeit kann<br />

andere als (eigentlich) vorgeschriebene Wege gehen; das Vorhandensein<br />

dieser Möglichkeit belegt, daß es keinen Determinismus, sondern<br />

Handlungsspielräume und Optionen gibt. Gerade wenn etablierte Schemata<br />

versagen, müssen Systeme über Einrichtungen verfügen, die es ihnen<br />

erlauben, sich an neue Situationen anzupassen (zu verlernen) und<br />

gespeicherte Lösungen durch neue zu ersetzen. Es gibt also grundsätzlich<br />

(der Komplexität und Kontingenz der betrieblichen Leistungsprozesse<br />

geschuldet oder gedankt) Freiheitsgrade. Aus den Intransparenzen und<br />

Widersprüchen der Leistungsprozesse werden fortwährend neue Chancen und<br />

Risiken geboren, auf die z.T. nicht mit standardisierten Routinen<br />

geantwortet werden kann. Wäre die Personalfunktion allein auf die<br />

formalisierten Problemlösungen angewiesen ("Personalwesen"), würde sie<br />

Gefahr laufen, schnell unangepaßt und unökonomisch zu werden.<br />

Es besteht also eine beständig aktive Spannung zwischen Personalwesen und<br />

Personalarbeit, die als fruchtbarer Gegensatz von Verfestigung<br />

(Personalwesen) und Verflüssigung (Personalarbeit) beschrieben werden<br />

kann. Die beiden Pole bedürfen einander: kein "System" des Personalwesens<br />

funktionierte, wenn nicht Anwender und Betroffene es interpretierten, mit<br />

gesundem Menschenverstand handhabten, in Sonderfällen außer Kraft setzten<br />

oder sinnvoll modifizierten. Genauso fehlte aber der Personalarbeit das<br />

Skelett, gäbe es keine Richtlinien, Normen, Formulare, Verfahrenswege. In<br />

einem Unternehmen muß es Befreiung von stets erneuter Konsensfindung<br />

geben, es muß auf einen Bodensatz weitgehend fraglos akzeptierter<br />

Situationsdefinitionen und Handlungsschemata zurückgegriffen werden<br />

können.<br />

Neue Lösungen werden möglicherweise von einzelnen ersonnen und angewandt,<br />

sie müssen aber, um durchgesetzt werden zu können, sozial akzeptiert<br />

werden. Es muß also der Anschluß an systemische Operationsmodi gefunden<br />

werden; die anderen Akteure müssen sich darauf einstellen (können), sie<br />

erwarten (können), sie als Prämissen ihrer eigenen Entscheidungen<br />

akzeptieren (können). Personalwesen ist im wesentlichen auf die<br />

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