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Thomas Kick. Ewald Scher - Rainer Hampp Verlag

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<strong>Thomas</strong> <strong>Kick</strong>, <strong>Ewald</strong> <strong>Scher</strong>m*<br />

Individualisierung in der Personalentwicklung (PE)<br />

1. Ausgangssituation und Problemstellung<br />

2. Individualisierung als Leitbild der PE<br />

2.1 Der Begriff der Individualisierung<br />

2.2 Ziele und Anforderungskriterien einer Individualisierung<br />

3. Personalentwicklung (PE)<br />

3.1 Begriff und Ziel der PE<br />

3.2 Phasenmodell der PE<br />

4. Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung in der PE<br />

4.1 Individualisierungsansätze in der PE<br />

4.2 Ergebnisse der Analyse<br />

5. Schlußfolgerungen und offene Probleme<br />

Die steigenden Anforderungen an die Mitarbeiter und die Folgen des<br />

Wertewandels dürfen in der PE nicht unberücksichtigt bleiben. Die<br />

Konsequenz bildet deshalb - ausgehend von einer stärkeren<br />

Berücksichtigung der Ziele der einzelnen Mitarbeiter in der Unternehmung<br />

- eine Individualisierung der PE. Dazu werden zunächst der Begriff<br />

"Individualisierung" definiert und Anforderungskriterien vorgestellt, die<br />

diese Individualisierung konkretisieren. Diese Kriterien werden dann auf<br />

die PE-Bedarfsermittlung, die PE-Maßnahmen und die PE-Erfolgskontrolle<br />

angewendet, um Individualisierungspotentiale aufzuzeigen. Auch wenn eine<br />

Reihe offener Probleme bestehen bleibt und der "optimale"<br />

Individualisierungsgrad nicht generell bestimmt werden kann, erscheint<br />

eine stärkere Individualisierung in der PE als ein Schritt in die<br />

"richtige" Richtung.


1. Ausgangssituation und Problemstellung<br />

Neben dem aufgrund technologischer Entwicklungen sowie zunehmender Spezialisierung<br />

und Professionalisierung der Tätigkeiten gestiegenen Bedarf<br />

an PE stellt sich die Situation heute anders als vor dem Wertewandel dar.<br />

Sie ist durch individuell sehr unterschiedliche und instabile Wertemuster<br />

gekennzeichnet (vgl. Noelle-Neumann/Strümpel 1984; Schmidtchen 1984),<br />

deren jeweilige Veränderungsrichtung nicht vorhersagbar ist. Diese<br />

differenzierte Wertesituation erfordert eine Berücksichtigung in der PE.<br />

Erstens entspricht die Verhaltenskompetenz des einzelnen nicht<br />

selbstverständlich diesen Wertemustern; Selbstbestimmung, Individualität,<br />

Kreativität, Kommunikation u.ä. können nicht ohne weiteres gelebt werden.<br />

Daher müssen Qualifikation und Kompetenz durch PE gesteigert werden (vgl.<br />

von Rosenstiel 1991, 117-119). Zweitens gilt als allgemein anerkannt, daß<br />

die Motivation der Mitarbeiter um so größer ist, je stärker individuelle<br />

Bedürfnisse angesprochen werden. Es erscheint somit plausibel, daß eine<br />

individuell abgestimmte PE die Leistungsmotivation und damit den<br />

Lernerfolg erhöht; außerdem dürfte eine Einbeziehung der Mitarbeiter eine<br />

höhere Effizienz der drei Phasen der PE (PE-Bedarfsermittlung, PE-Maßnahmengestaltung,<br />

PE-Erfolgskontrolle) gewährleisten.<br />

Abb. 1:<br />

Konzeptioneller Bezugsrahmen<br />

Die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse wurde zwar bereits als<br />

Problem der PE erkannt (vgl. z.B. Strube 1982; Drumm 1989c, 9), jedoch<br />

fehlt bisher eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen<br />

einer Individualisierung der PE. Der konzeptionelle Bezugsrahmen dazu<br />

kann wie in Abb. 1 aufgespannt werden. Die Anforderungskriterien an eine<br />

Individualisierung (s. Kap. 2.2), die in finaler Beziehung zu den<br />

situationsadäquaten und interdependenten Zielen der Unternehmung und des<br />

Mitarbeiters stehen, dienen dabei zur Ermittlung des Individualisierungsgrads<br />

in den drei Phasen der PE. (Abb. 1)


2. Individualisierung als Leitbild der PE<br />

2.1 Der Begriff der Individualisierung<br />

Individualisierung ist einerseits als ein mehrdimensionaler<br />

Gestaltungsprozeß zu verstehen, der dem Mitarbeiter größere Freiräume zum<br />

Denken und Handeln eröffnen soll, und stellt andererseits einen<br />

graduellen Gestaltungsansatz dar, durch den die zu gestaltenden Elemente<br />

in unterschiedlicher Reichweite und Intensität verändert werden (vgl.<br />

Hamel 1989, 60-61). Individualisierung setzt sich integrativ aus zunehmender<br />

Destandardisierung und zunehmender Delegation zusammen (s. Abb.<br />

2). Destandardisierung bedeutet Übergang von Generalisierung über<br />

Typisierung zu Spezialisierung; destandardisiert werden Inhalt und<br />

Instrumentarium des Individualisierungsgegenstands. Delegation bedeutet<br />

Übergang von Fremdbestimmung über Mitbestimmung zu Selbstbestimmung;<br />

delegiert werden Entscheidung und Verantwortung des<br />

Individualisierungsgegenstands.<br />

Abb. 2:<br />

Individualisierung in der PE<br />

Individualisierung in der PE stellt eine Kombination der Ausprägungen der<br />

beiden Dimensionen Destandardisierung und Delegation über die drei Phasen<br />

der PE-Bedarfsermittlung, PE-Maßnahmengestaltung und PE-Erfolgskontrolle<br />

dar. Der Individualisierungsgrad der PE insgesamt ergibt sich integrativ<br />

aus den Destandardisierungs- und den Delegationsausprägungen je Phase.<br />

2.2 Ziele und Anforderungskriterien einer Individualisierung<br />

Oberstes Ziel der Unternehmung muß auch bei einer Individualisierung die<br />

Sicherung des Fortbestands und des Erfolgs der Unternehmung bleiben.<br />

Daneben gewinnen aber die Ziele des einzelnen Mitarbeiters wie<br />

Selbstverwirklichung, -verantwortung, -bestimmung und -abstimmung<br />

zunehmend an Bedeutung. Eine Orientierung ausschließlich an


Mitarbeiterzielen würde aber einer Verschwendung von Unternehmungsressourcen<br />

gleichkommen, weshalb sich eine Individualisierung an<br />

Unternehmungs- und Mitarbeiterzielen gleichzeitig zu orientieren hat.<br />

Konflikte zwischen beiden Zielkategorien sind im Rahmen von<br />

Aushandlungsprozessen und Zielkompromissen zu lösen (vgl. Strube 1982,<br />

48-49). Die aus einer Individualisierung in der PE resultierenden<br />

Gestaltungsspielräume des einzelnen Mitarbeiters hängen allerdings nicht<br />

nur von der Orientierung an beiden Zielkategorien, sondern auch vom<br />

unternehmungsinternen Kontext und hier insbesondere von den<br />

Personalstrategien der Unternehmung ab.<br />

Im folgenden werden Anforderungskriterien, die aus verschiedenen Ansätzen<br />

der Individualisierung (Schanz 1977; Ulich 1978; Reiß 1981; Franke 1982;<br />

Drumm 1989a, 306-320; Hamel 1989; Marr 1989) abgeleitet wurden (vgl. <strong>Kick</strong><br />

1992, 34-57), vorgestellt und heuristisch auf die PE übertragen. Da sie<br />

in finaler Beziehung zu den Unternehmungs- und Mitarbeiterzielen stehen,<br />

gewährleistet Ihre Einhaltung eine hohe ökonomische und soziale Effizienz<br />

sowie eine Maximierung des Nutzwerts der zu individualisierenden<br />

Handlungsalternativen. Mitarbeiterziele, die den sozialen Zielen der<br />

Unternehmung entsprechen, können allerdings nur dann als handlungsleitend<br />

für die Unternehmung gelten, wenn durch ihre Erreichung auch ein<br />

positiver Zielbeitrag zu den ökonomischen Zielen der Unternehmung<br />

gesichert ist. Die in den folgenden sieben Anforderungskriterien sich<br />

widerspiegelnden Gestaltungsspielräume des Mitarbeiters tragen über ihre<br />

motivationale Wirkung zur Leistungssicherung und Produktivitätssteigerung<br />

des einzelnen und damit der gesamten Unternehmung bei. Die Relevanz<br />

einzelner Anforderungskriterien ist aber je nach Gewichtung der Ziele unterschiedlich.<br />

(1) Flexibilisierung<br />

Individuell unterschiedlichen Eigenschaften und Vorgehensweisen muß durch<br />

variable Gestaltungsspielräume innerhalb einer Handlungsalternative<br />

Rechnung getragen werden.<br />

(2) Differenzierung<br />

Aufgrund individuell unterschiedlicher Persönlichkeitsfaktoren müssen<br />

jedem Mitarbeiter gleichzeitig verschiedene Handlungsalternativen zur<br />

Auswahl gestellt werden.<br />

(3) Dynamisierung<br />

Die Dynamik der Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen, muß durch<br />

Durchlässigkeit und Veränderbarkeit der Handlungsalternativen im<br />

Zeitablauf gewährleistet sein.<br />

(4) Autonomisierung<br />

Jeder einzelne muß fachlich, zeitlich, organisatorisch und sozial so in<br />

die Gestaltung von Handlungsalternativen einbezogen werden, daß aktive<br />

Mitwirkungsmöglichkeiten in Form von Entscheidungs- und<br />

Kontrollkompetenzen sowie Partizipationsmöglichkeiten bestehen oder<br />

geschaffen werden.<br />

(5) Handlungsorientierung<br />

Bei der individuellen Ausgestaltung von Handlungsalternativen ist der<br />

Mitarbeiter als Stelleninhaber zu verstehen, dessen rationale Erfüllung<br />

der Stellenaufgabe gewährleistet sein muß.<br />

(6) Kohärenz<br />

Bei der Transformation von Handlungsalternativen sind inhaltliche<br />

Kontinuitätssprünge zu vermeiden sowie Konsistenz und Eindeutigkeit zu<br />

gewährleisten.<br />

(7) Ganzheitlichkeit<br />

Die Gestaltung der Handlungsalternativen darf nur in Abhängigkeit von<br />

unternehmungsexternen und -internen Einflußfaktoren sowie des gesamten<br />

alternativenspezifischen Kontextes erfolgen.<br />

Diese Anforderungskriterien konkretisieren die beiden Dimensionen der<br />

Individualisierung - Destandardisierung und Delegation - insofern, als


Autonomisierung explizit die Dimension Delegation erfaßt, während die<br />

anderen sechs Kriterien auf die Dimension Destandardisierung abstellen.<br />

3. Personalentwicklung (PE)<br />

3.1 Begriff und Ziel der PE<br />

PE ist die Erweiterung und Verbesserung aller derjenigen Kenntnisse und<br />

Fähigkeiten des Personals, die in der Unternehmung zur Erreichung der<br />

Unternehmungsziele gegenwärtig und zukünftig genutzt werden können, wobei<br />

individuelle Zielsetzungen - als Nebenbedingungen - zu beachten sind<br />

(vgl. Drumm 1989a, 219; auch Neuberger 1991, 1-6). Es geht dabei um den<br />

Ausbau von Kenntnissen und Fähigkeiten, die in der Unternehmung benötigt<br />

werden, aber auch um interpersonale und apersonale Aspekte (vgl.<br />

Neuberger 1991, 27-39) (erstes Ziel); d.h. PE darf nicht Selbstzweck<br />

sein, sondern muß ökonomischen Prinzipien genügen, da sonst Ressourcen<br />

verschwendet werden. Als zweites Ziel muß zur Erhöhung der<br />

Lernbereitschaft die Erfüllung der individuellen Zielsetzungen der<br />

Mitarbeiter gegeben sein, da die Entwicklung lernunwilliger Mitarbeiter<br />

weder effektiv noch effizient sein kann. In diesem zweiten Ziel liegt die<br />

grundsätzliche Begründung für eine Individualisierung in der PE. Die<br />

institutionelle Verstetigung des Lernens, die Drumm (1989a, 220) als<br />

drittes Ziel nennt, steht in keinem Widerspruch zu den ersten beiden<br />

Zielen und ist unmittelbar einsichtig, wenn man sich das schnelle<br />

Veralten von Wissen in vielen Branchen betrachtet.<br />

3.2 Phasenmodell der PE<br />

Ermittlung des PE-Bedarfs<br />

Zur Ermittlung des PE-Bedarfs sind in einem ersten Schritt die<br />

gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen zu bestimmen, die die<br />

Entwicklungsziele aus der Sicht der Unternehmung darstellen (vgl. Drumm<br />

1989a, 123-138). Den zweiten Schritt bildet die Ermittlung des<br />

gegenwärtigen und zukünftigen qualitativen Personalbestands hinsichtlich<br />

Kenntnissen sowie physischen, kognitiven, psychischen und sozialen Fähigkeiten.<br />

Da als Entwicklungsadressat nur der in Frage kommt, dessen<br />

Entwicklungspotential, d.h. die maximal erwerbbaren Kenntnisse und<br />

Fähigkeiten, größer oder zumindest gleich dem PE-Bedarf ist, muß versucht<br />

werden, diese Obergrenzen zu ermitteln, auch wenn hier enge Grenzen<br />

gesetzt sind (vgl. Drumm 1989a, 225). In einem dritten Schritt ist es<br />

notwendig, den PE-Bedarf aus der Sicht des einzelnen Mitarbeiters<br />

abzufragen; er kann ergänzend zu dem aus Unternehmungssicht erforderlichen<br />

PE-Bedarf treten oder bei einem Zielkonflikt eine Korrektur dieses<br />

bedingen (vgl. Drumm 1989a, 225).<br />

Auswahl geeigneter PE-Maßnahmen<br />

Die Auswahl von PE-Maßnahmen muß sich an dem festgestellten PE-Bedarf, in<br />

dem Unternehmungs- und Individualziele zum Ausdruck kommen, sowie an den<br />

Ressourcen der Unternehmung orientieren. Die konkrete Auswahl einzelner<br />

Maßnahmen hängt ab von der Art des PE-Bedarfs, von der Transparenz der<br />

verfügbaren Entwicklungsmaßnahmen hinsichtlich Lernzielen, -inhalten, -<br />

methoden und Vermittlungserfolg sowie von dem Zeitbedarf und den Kosten<br />

der einzelnen Maßnahme. Es ergeben sich dabei erhebliche Probleme.<br />

Maßnahmen externer Anbieter können verglichen mit unternehmungsinternen<br />

PE-Maßnahmen nur schwer hinsichtlich ihrer Eignung und Qualität beurteilt<br />

werden. Dagegen fällt die Ermittlung der relevanten Kosten für externe<br />

Maßnahmen wesentlich leichter als für interne, da für letztere keine<br />

Marktpreise existieren und ein großer Anteil an fixen Kosten nahezu<br />

willkürlich geschlüsselt werden muß. Hilfestellung können nur<br />

Plausibilitätsüberlegungen hinsichtlich der Kosten sowie Erfahrungswerte<br />

hinsichtlich der Maßnahmeneignung - nicht zuletzt als Rückkopplung aus<br />

der Erfolgskontrolle - bieten.<br />

Kontrolle des PE-Erfolgs<br />

Die Aufgaben einer Kontrolle des PE-Erfolgs verändern sich mit<br />

zunehmendem Planungshorizont. Während bei kurzfristigen Maßnahmen ein<br />

Vergleich des Entwicklungsergebnisses mit dem ermittelten PE-Bedarf noch


ausreicht, werden bei längerfristigen Maßnahmen Kontrollen der Gültigkeit<br />

ursprünglich angenommener oder gesetzter Prämissen sowie des<br />

Entwicklungsfortschritts notwendig (vgl. Drumm 1989a, 231-232). Ergebnisund<br />

Fortschrittskontrolle können in eine Input- (Kosten), eine Output-<br />

(Lernerfolg, Lerntransfererfolg) sowie eine Effizienzkontrolle (PE-Erfolg<br />

zu PE-Kosten) unterschieden werden. Während auf der Inputseite die<br />

verursachungsgerechte Zurechnung von Kosten Schwierigkeiten bereitet<br />

(vgl. <strong>Scher</strong>m 1992, 313-319), ist auf der Outputseite die Ermittlung des<br />

Lerntransfererfolgs noch kaum gelöst. Somit fehlen auch für die<br />

Effizienzkontrolle zuverlässige Informationen. Die Erreichung<br />

individueller Ziele kann dagegen problemlos bei den PE-Adressaten abgefragt<br />

werden (vgl. Drumm 1989a, 232). Kennzahlen, die den PE-Aufwand<br />

z.B. zu Gesamtumsatz oder -personalaufwand in Beziehung setzen, oder<br />

Korrelationen zwischen Unternehmungserfolg und Bildungsarbeit, die als<br />

Ersatz für fehlende anderweitige Beurteilungsmöglichkeiten herangezogen<br />

werden, haben keinerlei begründbare Aussagefähigkeit (vgl. <strong>Scher</strong>m 1992,<br />

317).<br />

4. Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung in der PE<br />

4.1 Individualisierungsansätze in der PE<br />

Ermittlung des PE-Bedarfs<br />

Individualisierung der PE-Bedarfsermittlung zielt auf die Einhaltung der<br />

eingangs formulierten Anforderungskriterien ab. In den in einem ersten<br />

Schritt aufgedeckten Sollqualifikationen, die den PE-Zielen der<br />

Unternehmung entsprechen, spiegelt sich das Anforderungskriterium<br />

Handlungsorientierung wider. D.h. eine vollständige und rationale<br />

Erfüllung der Stellenaufgabe durch den Mitarbeiter ist nur bei Erfüllung<br />

bzw. Erreichung der Sollqualifikationen gewährleistet. PE-Inhalte sind<br />

deshalb auf die Sollqualifikationen auszurichten, allerdings müssen neben<br />

Fachwissen auch Nutzungsmöglichkeiten und Anwendungsregeln des Wissens<br />

sowie rechtliche, soziale und persönliche Themen zum PE-Inhalt gehören<br />

(Ganzheitlichkeit) (vgl. Kettgen 1989, 17-19). Eine aktive Mitwirkung der<br />

Mitarbeiter (Autonomisierung) bei der Ermittlung der Sollqualifikationen<br />

ist dann erforderlich, wenn nicht ausschließlich personenunabhängige<br />

Stellenaufgaben vorliegen oder es den "one best way" der Aufgabenerfüllung<br />

nicht gibt. Durch Erläuterung der zugrundeliegenden<br />

Szenarien kann eine situationsbezogene und nachvollziehbare Erklärung der<br />

Sollqualifikationen gegeben und damit deren Bedeutung für den Mitarbeiter<br />

entsprechend dem Kohärenzkriterium aufgezeigt werden.<br />

Der zweite Schritt umfaßt die Ermittlung des gegenwärtigen und<br />

zukünftigen qualitativen Personalbestands. Eine aktive Mitwirkung der<br />

Mitarbeiter gemäß dem Anforderungskriterium Autonomisierung liegt bisher<br />

allerdings nicht vor. Gleichwohl differieren Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

und vor allem die Obergrenzen der Entwicklungspotentiale der Mitarbeiter.<br />

Im Gegensatz zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen der<br />

qualitativen Personalbestandsermittlung, bei der vom einzelnen<br />

Mitarbeiter abstrahiert und auf Personalkategorien abgestellt wird (vgl.<br />

Drumm 1989a, 157-160), muß bei der Ermittlung von Entwicklungspotentialen<br />

mit Hilfe der in der Literatur diskutierten Indikatoren, wie z.B.<br />

Kontinuität der Leistungsentwicklung, Leistungsabweichungen oder<br />

Leistungsgefälle (vgl. Strube 1982, 106), stärker auf den einzelnen<br />

Mitarbeiter eingegangen werden. Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit<br />

und Kohärenz sind in diesem Schritt nicht relevant.<br />

Schließlich ist im dritten Schritt der PE-Bedarf aus Sicht des einzelnen<br />

Mitarbeiters, d.h. individuelle PE-Bedürfnisse und -Ziele, zu ermitteln.<br />

Hier wird dem Kriterium der Autonomisierung Rechnung getragen. Im Rahmen<br />

von z.B. Beschwerdewesen oder Mitarbeitergesprächen können die<br />

individuellen Entwicklungswünsche - wenngleich nicht problemlos (vgl.<br />

Strube 1982, 122-132) - unter aktiver Einbeziehung des einzelnen<br />

festgestellt werden. Ebenso sind in diesem Schritt die Kriterien Ganzheitlichkeit<br />

und Kohärenz erfüllt, da in den individuellen PE-Zielen der


Wunsch nach situationsbezogenen, überschneidungsfreien und<br />

nachvollziehbaren PE-Inhalten (Kohärenz) sowie der Wunsch nach<br />

Entwicklung nicht allein des Fachwissens (Ganzheitlichkeit) implizit<br />

verankert sind, wenn selbstverantwortliche und aktive Mitarbeiter<br />

unterstellt werden. Das Kriterium Handlungsorientierung ist in diesem<br />

Schritt nicht relevant.<br />

Den Kriterien Flexibilisierung, Differenzierung und Dynamisierung wird<br />

dann entsprochen, wenn den Mitarbeitern bei der PE-Bedarfsermittlung<br />

Freiheitsgrade bei der Anwendung eines Instruments, d.h. keine<br />

vollständige Strukturierung und Standardisierung, und Wahlmöglichkeiten<br />

zwischen verschiedenen, geeigneten Instrumenten (Befragung<br />

schriftlich/mündlich, Tätigkeitsbeschreibung, Checklisten u.ä.) gewährt<br />

sowie Veränderungen der aus der Mitarbeiterperspektive relevanten Anforderungsmerkmale<br />

im Zeitablauf berücksichtigt werden.<br />

Im Ergebnis setzt sich der tatsächliche PE-Bedarf aus einer positiven<br />

Deckungslücke - zwischen Anforderungsvektor und Kenntnis- und<br />

Fähigkeitsvektor - sowie den individuellen PE-Zielen zusammen.<br />

Wichtigstes Kriterium ist hier die Autonomisierung, da dadurch die<br />

individuellen PE-Ziele berücksichtigt werden, die Entwicklungsbereitschaft<br />

des Mitarbeiters erhöht wird (vgl. Schanz 1992, 18-<br />

20) und eine Schließung der Deckungslücke ohne Widerstand des<br />

Mitarbeiters möglich ist. Einer umfassenden Partizipation des einzelnen<br />

bei der PE-Bedarfsermittlung sind allerdings verschiedene Grenzen gesetzt<br />

(vgl. Berthel 1983, 48-49; Drumm 1989c, 9).<br />

Gestaltung und Auswahl von PE-Maßnahmen<br />

Individualisierung der Gestaltung und Auswahl von PE-Maßnahmen erfordert<br />

ebenfalls die Einhaltung der oben angeführten Anforderungskriterien.<br />

Aufgrund der Notwendigkeit einer ressourcendeterminierten Gestaltung und<br />

Auswahl der PE-Maßnahmen kann allerdings eine ausschließliche<br />

Selbstselektion von PE-Maßnahmen (vgl. Drumm 1989c, 9; Schanz 1992, 14)<br />

nicht angestrebt werden, d.h. Selbstbestimmung und Spezialisierung der<br />

PE-Maßnahmen sind wenig realistisch.<br />

(1) "PE-into-the-job"<br />

"Into-the-job"-Maßnahmen (vgl. Conradi 1983, 37-64), wie z.B. Duale Berufsausbildung,<br />

Anlernausbildung, Traineeprogramme oder berufliche<br />

Vollzeitschulen, gehen der zukünftigen Arbeitstätigkeit voraus, weshalb<br />

Handlungsorientierung hier nicht sichergestellt werden kann. Dagegen<br />

beinhalten diese Maßnahmen hinsichtlich der Kriterien Flexibilisierung,<br />

Differenzierung und Dynamisierung eingeschränkte<br />

Individualisierungspotentiale. Diese werden aber durch die Berufs- und<br />

Arbeitgeberwahl sowie durch rechtliche und betriebliche Regelungen und<br />

Verordnungen stark determiniert (vgl. <strong>Kick</strong> 1992, 191-196). Gleiches gilt<br />

für das Kriterium Autonomisierung, das in Abhängigkeit von der<br />

Schulbildung des einzelnen unterschiedliche Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

lediglich in der Form der Auswahl zwischen verschiedenen "into-the-job"-<br />

Maßnahmen eröffnet. Die Kriterien Ganzheitlichkeit und Kohärenz sind<br />

leichter einzuhalten, allerdings hängt dies von den (Lehr-)Inhalten der<br />

Maßnahmen ab.<br />

"Into-the-job"-Maßnahmen, die die Einführung neuer Mitarbeiter in die<br />

Unternehmung zum Gegenstand haben (vgl. Neuberger 1991, 122-144), dürften<br />

dagegen recht weitgehende Individualisierungspotentiale enthalten. Sie<br />

müssen flexibel, differenziert, dynamisiert, handlungsorientiert,<br />

autonomisiert, ganzheitlich und kohärent gestaltet werden, damit die<br />

Sozialisation der einzelnen Mitarbeiter in der Unternehmung erfolgreich<br />

sein kann.<br />

(2) "PE-on-the-job"<br />

PE-Maßnahmen "on-the-job" (vgl. Conradi 1983, 65-71), wie z.B. Assistenz,<br />

Stellvertretung, Übernahme von Sonder- oder Projektaufgaben, Coaching,<br />

Mentoring oder Counseling (vgl. Wunderer 1988, 437; Mentzel 1992, 2211-<br />

2214), umfassen eine Weiterqualifizierung auf unternehmungsinternen


Tätigkeitsfeldern. Sie beziehen den Mitarbeiter bewußt und aktiv in die<br />

Vermittlung des Lernstoffs ein (vgl. Mentzel 1992, 2210). Der Mitarbeiter<br />

trägt gemeinsam mit seinen Vorgesetzten die Hauptverantwortung für das<br />

Lernen am Arbeitsplatz (vgl. Wunderer 1988, 437). Handlungsorientierung<br />

ist dadurch grundsätzlich erfüllt. Es liegt zwar keine Selbstbestimmung,<br />

aber zumindest Mitbestimmung vor (Autonomisierung). Möglichkeiten zur<br />

variablen Ausgestaltung einzelner PE-Maßnahmen (Flexibilisierung) sind im<br />

Grunde gegeben, weil sie an individuelle Lerntempi sowie individuelle<br />

Denk- und Vorstellungsprozesse angepaßt werden müssen (vgl. Mentzel 1992,<br />

2212, 2218). Sie hängen allerdings von den Vereinbarungen zwischen dem<br />

PE-Adressaten und Vorgesetzten ab. Einzelne PE-Maßnahmen sind auf<br />

spezielle Mitarbeiterkategorien, z.B. Führungs- und<br />

Führungsnachwuchskräfte oder neue Mitarbeiter zugeschnitten (Differenzierung)<br />

(vgl. Mentzel 1992, 2212-2214). Einem Wechsel zwischen "on-thejob"-Maßnahme<br />

steht - unter Beachtung der individuellen Voraussetzungen -<br />

im allgemeinen nichts im Weg (Dynamisierung). PE-Maßnahmen können<br />

hinsichtlich Dauer und Inhalt kombiniert, erweitert oder aufeinander<br />

abgestimmt werden (vgl. Mentzel 1992, 2213). Ferner gilt, daß die<br />

Einhaltung der Kriterien Ganzheitlichkeit und Kohärenz vom Inhalt der PE-<br />

Maßnahmen abhängig ist. Sie erfordern die Vermittlung von Nutzungsmöglichkeiten<br />

und Anwendungsregeln des Wissens, von Verfahren zur<br />

Überprüfung und Erzeugung des Wissens sowie von Informationen, die<br />

nachvollziehbar und potentiell von Bedeutung für ein sinnhaftes Lernen<br />

sind. Insgesamt können "on-the-job"-Maßnahmen weitgehende<br />

Individualisierungsansätze beinhalten. Wichtigste Grenzen ihrer Umsetzung<br />

sind die begrenzten personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen<br />

einer Unternehmung (vgl. Mentzel 1992, 2219).<br />

(3) "PE-near-the-job"<br />

Lernstatt und Qualitätszirkel (vgl. z.B. Deppe 1989) sind klassische PE-<br />

Maßnahmen "near-the-job". Wichtigstes Prinzip ist die aktive Beteiligung<br />

aller Teilnehmer, die jeweils hierarchisch gleichgestellt sind (vgl.<br />

Deppe 1989, 42-46, 89-91, 123). Die Selbst- bzw. Mitbestimmung erstreckt<br />

sich auf die Festlegung der zu diskutierenden Themen (Autonomisierung).<br />

Flexibilisierung und Dynamisierung sind insofern gewährleistet, als die<br />

Dauer, die Teilnehmerzahl und die zu behandelnden Themen bei Lernstatt<br />

und bei Qualitätszirkel variieren können. Dem Kriterium Differenzierung<br />

wird dadurch Rechnung getragen, daß das Lernstattkonzept für Mitarbeiter<br />

mit gleicher Arbeitserfahrung eingesetzt wird; Qualitätszirkel dagegen<br />

sind für Mitarbeiter mit gleichartiger Arbeitsaufgabe konzipiert (vgl.<br />

Einsiedler/Knura 1984, 754). Handlungsorientierung, Ganzheitlichkeit und<br />

Kohärenz hängen von den in Lernstatt und Qualitätszirkel behandelten<br />

Themen ab. Eine strikte Handlungsorientierung liegt allerdings aufgrund<br />

des Grundgedankens beider Maßnahmen nicht vor. PE-Maßnahmen "near-thejob"<br />

können relativ breite Individualisierungsansätze enthalten, deren<br />

vollständige Nutzung wiederum durch die begrenzten personellen, zeitlichen<br />

und finanziellen Ressourcen sowie durch fehlende organisatorische<br />

Voraussetzungen be- oder verhindert werden kann.<br />

(4) "PE-off-the-job"<br />

PE-Maßnahmen "off-the-job" (vgl. Conradi 1983, 74-122) sind<br />

Qualifizierungsmaßnahmen, die außerhalb des Tätigkeitsfelds vollzogen<br />

werden, wie z.B. Seminare, Lehrgänge, Fallstudien, Plan- und<br />

Rollenspiele, gruppendynamische Verfahren sowie Moderations- und<br />

Kreativitätstechniken (vgl. Mentzel 1992, 2214-2217). Das Kriterium<br />

Autonomisierung ist nur rudimentär erfüllt, weil der einzelne Mitarbeiter<br />

- wenn überhaupt - lediglich zwischen diesen PE-Maßnahmen wählen kann.<br />

Dauer, Inhalt und Ablauf sind durch "curriculare" und "didaktische"<br />

Vorgaben festgelegt (vgl. Conradi 1983, 75-76). Dadurch ist auch der<br />

Flexibilisierungsspielraum innerhalb einzelner Maßnahmen stark<br />

eingeschränkt. Das Differenzierungskriterium ist grundsätzlich nicht<br />

eingehalten. Allerdings muß sehr wohl nach den Lernvoraussetzungen der


Teilnehmer differenziert werden (vgl. Conradi 1983, 89-94; Franke 1982,<br />

11). Dem Kriterium Dynamisierung wird in Ansätzen entsprochen, wenn nicht<br />

ausschließlich einzelne Maßnahmen, sondern mehrere Maßnahmen, die<br />

aufeinander aufbauen oder sich ergänzen, zur Anwendung gelangen. Ferner<br />

sind Verbesserungen aktueller oder zukünftiger PE-Maßnahmen jederzeit und<br />

unmittelbar durchzuführen (vgl. Conradi 1983, 97, 110).<br />

Individualisierungsansätze der "off-the-job"-Maßnahmen stehen hinter<br />

denjenigen der "on-the-job"- und "near-the-job"-Maßnahmen zurück. Hinzu<br />

kommt, daß aufgrund des Problems der Übertragung des im Lernfeld Erlernten<br />

auf das Tätigkeitsfeld das Kriterium Handlungsorientierung nicht<br />

sicher erfüllt ist. Die (Lehr-)Inhalte der Maßnahmen determinieren dabei<br />

wiederum die Einhaltung von Ganzheitlichkeit und Kohärenz, wobei die<br />

Vermutung der weitgehenden Einhaltung dieser beiden Kriterien aufgrund<br />

der "curricularen" Vorgaben plausibel erscheint.<br />

(5) "PE-out-of-the-job"<br />

PE-Maßnahmen "out-of-the-job" (vgl. Conradi 1983, 130-150) sind<br />

betriebliche Maßnahmen, die der Vorbereitung der Mitarbeiter auf den<br />

beruflichen Ruhestand dienen. Exemplarisch kann an dieser Stelle auf<br />

Maßnahmen zeitflexibler Übergänge in den Ruhestand verwiesen werden, von<br />

denen einzig die Varianten des gleitenden Übergangs in den Ruhestand (s.<br />

auch Conradi 1983, 147-150) recht weitgehende Individualisierungsansätze<br />

bieten. Sie erfüllen die sieben Anforderungskriterien (vgl. <strong>Kick</strong> 1992,<br />

200-202). Die anderen, bei Schönholzer (vgl. 1979, 100-102) aufgeführten,<br />

nicht zeitflexiblen Maßnahmen sollten auf die individuellen familiären,<br />

gesundheitlichen und finanziellen Besonderheiten jedes Mitarbeiters<br />

einzeln eingehen. Allerdings sind sie gleichzeitig "off-the-job"-<br />

Maßnahmen und damit wenig individualisiert sowie in ihren<br />

Realisationsmöglichkeiten aufgrund personeller, finanzieller und arbeitsorganisatorischer<br />

Voraussetzungen (vgl. Conradi 1983, 150) begrenzt.<br />

Eine besondere Rolle in dieser Gruppe von Maßnahmen spielt das Outplacement,<br />

dessen Grundgedanke die individuelle, auf den freizusetzenden<br />

Mitarbeiter ausgerichtete Unterstützung bei der Suche nach einer neuen<br />

Beschäftigung in einer anderen Unternehmung ist (vgl. Mayerhofer 1989).<br />

Outplacement-Strategien müssen demnach weitgehend flexibel,<br />

differenziert, dynamisiert und autonomisiert sein. Daß in einem<br />

individuell zugeschnittenen Trainingsprogramm Inhalte mit Handlungsorientierung,<br />

Ganzheitlichkeit und Kohärenz unabdingbar sind, ist plausibel,<br />

da nur dann davon ausgegangen werden kann, daß eine neue<br />

Beschäftigungsmöglichkeit gefunden wird.<br />

Jede PE-Maßnahme der fünf Kategorien muß neben den PE-Zielen die individuellen<br />

Lernvoraussetzungen berücksichtigen. Vor dem Hintergrund obiger<br />

Analyseergebnisse berücksichtigen "on-the-job"- und "near-the-job"-<br />

Maßnahmen diese und PE-Ziele am besten. Dies trifft weniger für "off-thejob"-Maßnahmen<br />

zu. Die "into-the-job"- und "out-of-the-job"-Maßnahmen<br />

berücksichtigen sie nur sehr eingeschränkt; außerdem sind sie nicht zu<br />

den klassischen PE-Maßnahmen zu zählen. Ein Schritt zur Überwindung<br />

möglicher Widerstände und zur Berücksichtigung individueller<br />

Lernvoraussetzungen und PE-Ziele ist das gleichzeitige Angebot<br />

verschiedener PE-Maßnahmen aus allen fünf Kategorien durch die<br />

Unternehmung gemäß dem Cafeteria-Prinzip (vgl. Drumm 1989c, 9). Damit<br />

wird die freie Auswahl des Mitarbeiters zwischen PE-Maßnahmen innerhalb<br />

eines vorgegebenen Budgets und vorgegebener Tauschrelationen ermöglicht,<br />

allerdings schränken Probleme der Festlegung dieses Budgets und<br />

intersubjektiv vergleichbarer Tauschrelationen die Eignung dieses<br />

Ansatzes ein.<br />

Kontrolle des PE-Erfolgs<br />

Bei einer Individualisierung der Erfolgskontrolle in der PE muß vor allem<br />

das Kriterium der Autonomisierung berücksichtigt werden, d.h. es sind<br />

Partizipationsmöglichkeiten der PE-Adressaten zu schaffen. Dies ist aus<br />

zwei Gründen erforderlich: Zum einen verfolgt PE in der hier definierten


Form nicht nur Unternehmungs-, sondern auch Individualziele. Damit wird<br />

es notwendig, die Erreichung der individuellen Zielsetzungen, z.B. im<br />

Rahmen eines Mitarbeitergesprächs, zu überprüfen. Zum anderen kann ein<br />

Außenstehender, z.B. der Vorgesetzte, eine Maßnahme nicht hinsichtlich<br />

aller Aspekte des definierten PE-Bedarfs bewerten oder Erfolgsdeterminanten<br />

wie Trainer/Referenten, Lernsituation oder PE-Programm<br />

einschätzen. Es werden jedoch die Probleme der Erfolgskontrolle unterund<br />

die Möglichkeiten der objektiven Selbstkontrolle der Mitarbeiter<br />

überschätzt, wenn z.B. Papmehl und Baldin (1989, 813) als Ziel eines<br />

Bildungscontrolling die eigenverantwortliche Evaluation von PE-Maßnahmen<br />

sehen. Daher ist es notwendig, daß Unternehmung und Mitarbeiter die<br />

Kontrolle des PE-Erfolgs durchführen, um auf der Grundlage der<br />

Rückkopplung dieser Ergebnisse die PE in Zukunft effektiv und effizient<br />

gestalten zu können. Nach dem Kriterium der Ganzheitlichkeit muß es sich<br />

dabei um eine Kontrolle der PE-Maßnahmen hinsichtlich der gesamten<br />

Deckungslücke handeln. Mit der Kontrolle der Umsetzbarkeit des Gelernten<br />

bei der Aufgabenerfüllung wird dagegen der Handlungsorientierung Rechnung<br />

getragen.<br />

Die Berücksichtigung der Kriterien Flexibilisierung, Differenzierung und<br />

Dynamisierung zieht hier individuelle Variationsmöglichkeiten innerhalb<br />

eines Kontrollinstruments sowie die individuelle Möglichkeit eines<br />

Wechsels zwischen verschiedenen Kontrollinstrumenten nach sich. Ferner<br />

erfordert sie eine Anpassung der Erfolgskontrolle an Veränderungen<br />

hinsichtlich der unternehmerischen und individuellen PE-Ziele und PE-<br />

Bedarfe oder hinsichtlich Abweichungen, die sich bei den Maßnahmen im<br />

Rahmen der Umsetzung des Erlernten ergeben.<br />

4.2 Ergebnisse der Analyse<br />

Die Analyse der Phasen der PE zeigt, daß PE ohne Individualisierung<br />

undenkbar ist, andererseits aber eine vollständige Individualisierung in<br />

den drei Phasen nicht Ziel einer ökonomischen, an Unternehmungszielen<br />

orientierten PE sein kann. Eine völlige Übereinstimmung individueller und<br />

unternehmerischer Ziele ist jedoch nur in Ausnahmefällen zu erwarten,<br />

deshalb müssen beide Gruppen von Zielen von Anfang an und ggf. in Form<br />

von Zielkompromissen verfolgt werden. Da die Einhaltung der hier<br />

vorgestellten (finalen) Anforderungskriterien an eine Individualisierung<br />

die Erreichung der ökonomischen und individuellen Zielsetzungen fördert,<br />

sollte sie auch im Rahmen einer "Meta"-Kontrolle regelmäßig überprüft<br />

werden. Dabei kann es hilfreich sein, wenn Mitarbeiter die Möglichkeit<br />

haben, auf nicht genutzte Individualisierungspotentiale und fehlende<br />

Partizipation hinzuweisen sowie Verbesserungsvorschläge zu machen.<br />

Es läßt sich festhalten, daß nicht allgemeingültig vorgegeben werden<br />

kann, welcher Individualisierungsgrad, d.h. welcher Ausprägungsgrad der<br />

beiden Dimensionen Destandardisierung und Delegation "gemessen" durch die<br />

Einhaltung der Anorderungskriterien, anzustreben ist. Vielmehr kann<br />

dieser nur einzelfallspezifisch und nicht unabhängig von den jeweiligen<br />

Rahmenbedingungen bestimmt werden. Tendenziell kann jedoch davon<br />

ausgegangen werden, daß der Individualisierungsgrad von Phase zu Phase<br />

nur zunehmen oder konstant bleiben kann. Wenig sinnvoll und konsistent<br />

erscheint dagegen ein hoher Individualisierungsgrad, d.h. weitgehende<br />

Einhaltung aller Anforderungskriterien, in der Phase der PE-<br />

Bedarfsermittlung und nur ein mittlerer oder geringer<br />

Individualisierungsgrad, d.h. geringere Einhaltung der<br />

Anforderungskriterien, in den Phasen der Gestaltung und Auswahl der PE-<br />

Maßnahmen und der PE-Erfolgskontrolle.<br />

5. Schlußfolgerungen und offene Probleme<br />

Zusammenfassend muß noch auf drei Problemkreise hingewiesen werden. Erstens<br />

löst auch eine stärkere Individualisierung der PE nicht alle<br />

Probleme, die bei der Bestimmung des PE-Bedarfs und des<br />

Entwicklungspotentials sowie der Kontrolle des Lerntransfererfolgs<br />

bestehen. Den bekannten Methoden sind enge Grenzen gesteckt und die


<strong>Verlag</strong>erung dieser Aufgaben allein auf die Mitarbeiter überschätzt deren<br />

Fähigkeiten und die Möglichkeit einer objektiven Selbstkontrolle. Jedoch<br />

darf nicht übersehen werden, daß die Informationsgrundlage durch die<br />

Einbeziehung des einzelnen Mitarbeiters in jeder Phase und das PE-<br />

Ergebnis durch die höhere Motivation verbessert werden. Die<br />

Individualisierung darf daher nicht als zusätzliches Problemfeld, sondern<br />

muß als ein Schritt zur Lösung der bestehenden Probleme der PE gesehen<br />

werden.<br />

Zweitens kann nicht generell unterstellt werden, daß alle Mitarbeiter<br />

klare Vorstellungen von ihren Entwicklungszielen oder ihrem<br />

Entwicklungspotential haben und keine Konflikte zwischen Unternehmungsund<br />

Individualzielen bestehen (s. auch Drumm 1989c, 9). Auch der Versuch,<br />

die Kompetenz der Mitarbeiter für die Selbstbestimmung zu erhöhen,<br />

scheitert möglicherweise an fehlenden Fähigkeiten und der Bereitschaft,<br />

sich langfristige Entwicklungsziele zu setzen; tendenziell ist beides um<br />

so eher zu erwarten, je höher qualifiziert und hochrangiger die<br />

Mitarbeiter sind. Trotz dieser Probleme würde es aber für die PE einen<br />

wesentlichen Schritt in die "richtige" (= individualisierte) Richtung<br />

bedeuten, wenn die Praxis die hier aufgedeckten und in der Literatur<br />

teilweise seit langem diskutierten Individualisierungspotentiale<br />

konsequent aufgreifen und die Mitarbeiter, wie oben aufgezeigt, auf allen<br />

Ebenen in die erforderlichen Entscheidungen miteinbeziehen würde.<br />

Drittens wächst mit zunehmendem Individualisierungsgrad der<br />

Koordinationsbedarf in der PE. Da keinesfalls ausschließlich auf eine<br />

Selbstabstimmung der Mitarbeiter abgestellt werden kann, können aufgrund<br />

dieses gestiegenen Koordinationsaufwands durchaus Grenzen einer<br />

Individualisierung in der PE erreicht werden.<br />

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* Dr. <strong>Thomas</strong> <strong>Kick</strong>, Jg. 1962, bis 31.12.92 Wiss. Assistent, Institut<br />

für BWL, Universität Regensburg, ab 1.1.93 Bayerische Vereinsbank AG,<br />

München.<br />

Arbeitsgebiete: Individuelles Lebensarbeitszeitmanagement,<br />

Arbeitszeitmanagement für KMU.<br />

Dr. <strong>Ewald</strong> <strong>Scher</strong>m, Jg. 1960, Wiss. Assistent, Institut für BWL,<br />

Universität Regensburg.<br />

Arbeitsgebiete: u.a. Internationales Personalmanagement,<br />

Personalcontrolling.<br />

nalmanagement, Personalcontrolling.

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