Daniela Rastetter - Rainer Hampp Verlag

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06.01.2014 Aufrufe

174 Rastetter: Männerbund Management (ZfP 2/98) zukommen. Die Folge davon ist, daß die Auswählenden jemanden suchen, der ihnen so flexibel und vertrauenswürdig erscheint, daß er sich den jeweiligen Gegebenheiten anpaßt, und der das Gefühl vermittelt, Schwierigkeiten mit ihnen zu meistern. Dazu ist es nötig, ihn auf das Team einzuschwören, ihn ins Team zu „initiieren“, so daß er sich der Gruppe verpflichtet fühlt. Nicht von ungefähr sind deshalb sogenannte Loyalitätsprüfungen und Prüfungen der Werteübereinstimmung bei der Rekrutierung von Führungsnachwuchs im Kommen (Hanft 1991; Rastetter 1996, S.34). So vollzieht sich eine homosoziale Reproduktion der Führung, d.h. die Reproduktion von immer Gleichem innerhalb der „männlichen Klonanstalten“, die Schaffung neuer Führungskräfte nach dem Bilde der alten, eine Art Wiedergeburt ohne Frau, wie in kultischen Fruchtbarkeitsritualen archaischer Männerbünde, bei denen symbolische Gebärhandlungen vollzogen werden. Jedoch läßt sich Verläßlichkeit weder durch die Rekrutierung immer gleicher Typen noch durch bloße Intuition diagnostizieren, so daß die Strategie der homosozialen Auswahl nicht garantiert zum Erfolg führt. Im Gegenteil bringt es homosoziale Inzucht mit sich, daß alles nur noch aus einer, der einheitlichen und geeinigten Perspektive betrachtet wird. Dadurch können neue Probleme entstehen, die wiederum Komplexität erhöhen, Unsicherheit verstärken und die Angst vor unvorhergesehenen Ereignissen erhöhen. Der permanente Versuch, Komplexität in den Griff zu bekommen und die Kontrolle zu bewahren (ein typischer Bestandteil hegemonialer Männlichkeit, siehe auch den Beitrag von Knights/McCabe in diesem Heft), verstellt den Blick für innovative Lösungsmöglichkeiten. Eine stabile Welt ist damit nicht zu erschaffen, und Männer werden auch in Zukunft damit beschäftigt sein, mehr Sicherheit innerhalb der Unsicherheit herzustellen, womit neue Unsicherheiten entstehen. Zudem weist das Management innerhalb der Organisation und nach außen eine hohe Ressourcen- und Machtakkumulation auf, die durch bündisches Verhalten gesichert werden kann. Manager sind zwar nicht die Kapitaleigner, durch ihre Funktion als Stellvertreter der Unternehmenseigentümer sind sie aber darauf bedacht, sich private Profite mit Hilfe von gemeinschaftlicher Produktion anzueignen. Dies gelingt um so besser, je gefestigter sie in ihrer Position sind und je bessere Aussichten sie auf noch lukrativere Angebote haben – was wiederum unter anderem von geeigneten Netzwerken und Seilschaften abhängt. Da Vertrauen in einer auf kapitalistischen Prinzipien ausgerichteten Organisation aber stets prekär und brüchig ist, kann sich niemand auf eine lebenslange sichere Position verlassen; Unsicherheit und Angst spielen also auch bei der Sicherung der Ressourcen eine große Rolle. 6. Begehren und Distanz im Männerbund Im Männerbund-Konzept läßt sich ein offensichtlicher Widerspruch erkennen: Das Management ist durch Hierarchien, Machtungleichgewichte, Konkurrenz, strategisches Handeln und profitorientierte Zielsetzung geprägt; ausgerechnet in diesem Milieu sollen sich Solidarität, Brüderlichkeit und gemeinschaftliches Handeln entwickeln? Der Widerspruch läßt sich auflösen: Lebensfeindliche, bedrohliche Prinzipien lassen Angst aufkommen, die durch Zusammenschluß und gegenseitige Hilfe verringert werden kann. Die beschriebenen Organisationsprinzipien sind männlich typisiert, Männer müs- 174

Rastetter: Männerbund Management (ZfP 2/98) 175 sen sich diesen Anforderungen stellen und darin ihre Geschlechtsidentität aufbauen. Da dies nie vollständig gelingen kann, brauchen sie die Hilfe der anderen Männer um sie herum. Diese Hilfesuche ist keineswegs nur instrumenteller Natur, sondern zentraler Bestandteil der Stabilisierung des eigenen Selbst. Und sie ist nicht nur homosozial, sondern homoerotisch im Sinne eines gegenseitigen Begehrens (Roper 1996): Indem der Mann andere Männer begehrt, wird er auch selbst in seiner Männlichkeit begehrt und bestätigt. Erst dadurch wird er seiner Aufgabe gerecht, das Management als Fiktion einer rationalen, asexuellen, entkörperlichten Arbeitskraft zu reproduzieren, die für die männliche Manageridentität notwendig ist. Prinzipien der Brüderlichkeit und strenge Hierarchien schließen sich deshalb keineswegs aus, im Gegenteil sind sie in allen Männerbünden vorzufinden, und nicht zufällig wird der Wert der Kameraderie gerade in der hierarchisch strengen Organisation des Militärs hochgehalten. Die älteren Männer ziehen sich Nachfolger heran, von denen sie im Gegenzug Gehorsam und Unterordnung erwarten (Roper 1996). Fratriarchale (Herrschaft der Brüder) und patriarchale (Herrschaft der Männer) Strukturen gehen Hand in Hand, und gerade die im Männerbund geforderte partielle Entindividualisierung der Mitglieder macht die Huldigung der charismatischen Meister möglich. Entindividualisierung begegnet man im Management nicht nur in Gestalt gleichförmiger äußerer Erscheinung, sondern auch in Form mangelnder Kritik, fehlender eigenständiger Meinungen und der Tendenz, zugunsten der bevorstehenden Aufgaben und Ziele die eigene Befindlichkeit und Gesundheit oder die Bedürfnisse von Angehörigen hintan zu stellen. Homosoziales Begehren birgt allerdings eine große Gefahr: Es könnte homosexuell werden. Dies darf jedoch weder nach herrschendem Männlichkeits- und Managerstereotyp noch nach den Gesetzen des modernen Arbeitsprozesses passieren, in dem Sexualität soweit verbannt wurde, daß ungestörtes Arbeiten möglich ist (Burrell 1993). Denn erst durch die Trennung der Lebenssphären und die Zuweisung bestimmter Funktionen zu bestimmten Sphären – nämlich Erotik, Bindung und Sexualität ins Private und Arbeit, Ökonomie und Zweckgerichtetheit ins Nichtprivate – konnten Organisationen mit definierten Zielen entstehen (Rastetter 1994, S.110ff; Türk 1995, S.37ff). Die Trennung in Leben und Arbeit wurde seit der Industrialisierung in der gesamten Arbeitsorganisation durchgesetzt, erfuhr aber eine nochmalige Spaltung in Kopf und Hand: Die „Hand“ waren die ArbeiterInnen, deren unüberlegtes und ungezieltes Werken vom einem „Kopf“, dem Management, geplant und überwacht werden mußte. Der Kopf sollte frei von Trieben, störenden Gefühlen und körperlichen Empfindungen arbeiten. Da der Mensch aber immer als ganzes samt Gefühlen und Körper in der Organisation präsent ist, ist die Verbannung der Sexualität eine immerwährende und nie zu lösende Aufgabe. Das heißt, die durch Ausschluß eines Geschlechts automatisch hergestellte Nähe unter den Mitgliedern muß kontrolliert werden, was durch eine streng reglementierte Binnenordnung erreicht wird, mit deren Hilfe sexuelle Impulse sublimiert und ritualisiert ausgelebt werden. Unerwünschte Sexualität wird erstens durch die Abwertung homosexueller Orientierung bzw. den Ausschluß von sich zur Homosexualität bekennenden Männern verbannt, was im Militär und in der katholischen Kirche besonders deutlich wird. Auch in Wirtschaftsorganisationen werden homosexuelle Männer immer wieder mit Diskrimi- 175

174 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />

zukommen. Die Folge davon ist, daß die Auswählenden jemanden suchen, der ihnen so<br />

flexibel und vertrauenswürdig erscheint, daß er sich den jeweiligen Gegebenheiten anpaßt,<br />

und der das Gefühl vermittelt, Schwierigkeiten mit ihnen zu meistern. Dazu ist es<br />

nötig, ihn auf das Team einzuschwören, ihn ins Team zu „initiieren“, so daß er sich der<br />

Gruppe verpflichtet fühlt. Nicht von ungefähr sind deshalb sogenannte Loyalitätsprüfungen<br />

und Prüfungen der Werteübereinstimmung bei der Rekrutierung von Führungsnachwuchs<br />

im Kommen (Hanft 1991; <strong>Rastetter</strong> 1996, S.34).<br />

So vollzieht sich eine homosoziale Reproduktion der Führung, d.h. die Reproduktion<br />

von immer Gleichem innerhalb der „männlichen Klonanstalten“, die Schaffung<br />

neuer Führungskräfte nach dem Bilde der alten, eine Art Wiedergeburt ohne Frau, wie<br />

in kultischen Fruchtbarkeitsritualen archaischer Männerbünde, bei denen symbolische<br />

Gebärhandlungen vollzogen werden.<br />

Jedoch läßt sich Verläßlichkeit weder durch die Rekrutierung immer gleicher Typen<br />

noch durch bloße Intuition diagnostizieren, so daß die Strategie der homosozialen<br />

Auswahl nicht garantiert zum Erfolg führt. Im Gegenteil bringt es homosoziale Inzucht<br />

mit sich, daß alles nur noch aus einer, der einheitlichen und geeinigten Perspektive betrachtet<br />

wird. Dadurch können neue Probleme entstehen, die wiederum Komplexität erhöhen,<br />

Unsicherheit verstärken und die Angst vor unvorhergesehenen Ereignissen erhöhen.<br />

Der permanente Versuch, Komplexität in den Griff zu bekommen und die Kontrolle<br />

zu bewahren (ein typischer Bestandteil hegemonialer Männlichkeit, siehe auch den<br />

Beitrag von Knights/McCabe in diesem Heft), verstellt den Blick für innovative Lösungsmöglichkeiten.<br />

Eine stabile Welt ist damit nicht zu erschaffen, und Männer werden<br />

auch in Zukunft damit beschäftigt sein, mehr Sicherheit innerhalb der Unsicherheit<br />

herzustellen, womit neue Unsicherheiten entstehen.<br />

Zudem weist das Management innerhalb der Organisation und nach außen eine hohe<br />

Ressourcen- und Machtakkumulation auf, die durch bündisches Verhalten gesichert<br />

werden kann. Manager sind zwar nicht die Kapitaleigner, durch ihre Funktion als Stellvertreter<br />

der Unternehmenseigentümer sind sie aber darauf bedacht, sich private Profite<br />

mit Hilfe von gemeinschaftlicher Produktion anzueignen. Dies gelingt um so besser, je<br />

gefestigter sie in ihrer Position sind und je bessere Aussichten sie auf noch lukrativere<br />

Angebote haben – was wiederum unter anderem von geeigneten Netzwerken und Seilschaften<br />

abhängt. Da Vertrauen in einer auf kapitalistischen Prinzipien ausgerichteten<br />

Organisation aber stets prekär und brüchig ist, kann sich niemand auf eine lebenslange<br />

sichere Position verlassen; Unsicherheit und Angst spielen also auch bei der Sicherung<br />

der Ressourcen eine große Rolle.<br />

6. Begehren und Distanz im Männerbund<br />

Im Männerbund-Konzept läßt sich ein offensichtlicher Widerspruch erkennen: Das<br />

Management ist durch Hierarchien, Machtungleichgewichte, Konkurrenz, strategisches<br />

Handeln und profitorientierte Zielsetzung geprägt; ausgerechnet in diesem Milieu sollen<br />

sich Solidarität, Brüderlichkeit und gemeinschaftliches Handeln entwickeln? Der Widerspruch<br />

läßt sich auflösen: Lebensfeindliche, bedrohliche Prinzipien lassen Angst<br />

aufkommen, die durch Zusammenschluß und gegenseitige Hilfe verringert werden<br />

kann. Die beschriebenen Organisationsprinzipien sind männlich typisiert, Männer müs-<br />

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