06.01.2014 Aufrufe

Daniela Rastetter - Rainer Hampp Verlag

Daniela Rastetter - Rainer Hampp Verlag

Daniela Rastetter - Rainer Hampp Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 171<br />

konservative Autoritäten, paßten zur NS-Ideologie, die eine extrem geschlechterpolarisierende<br />

und Frauen abwertende Politik betrieb. Hans Blüher (1919) nahm in seinem<br />

Werk „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ die Gedanken von Schurtz<br />

auf, sah aber anders als jener eine im Freudschen Sinne zur Homoerotik sublimierte Sexualität<br />

als eigentliche Triebkraft des Männerbundes, an dessen Spitze ein charismatischer<br />

Führer zu stehen hatte. Erst der Männerbund, so Blüher, befreie den Mann zu voller<br />

schöpferischer Tätigkeit, während hingegen die Familie destruktiv wirke.<br />

Die Indienstnahme der Ideen von Schurtz und Blüher durch die Faschisten führte<br />

dazu, daß der Begriff Männerbund und die Diskussion darum nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

aus Deutschland verschwanden. Dabei ist mit dem Diskurs um den Männerbund<br />

keineswegs der Männerbund selbst gestorben; vielmehr kann in Foucaultschem Sinn<br />

von einem Verschwinden der Diskurse gesprochen werden, die wegen ihrer Verstrickung<br />

in die NS-Ideologie Ablehnung oder Mißtrauen erzeugt hätten. Völger und von<br />

Welck behaupten in ihrer Untersuchung sogar, daß „offenbar die Zahl und Machtfülle<br />

von Männerbünden mit der Komplexität von Gesellschaften steigt: Nirgends gibt es<br />

mehr Männerbünde als in der ‘westlichen Welt’ mit ihrer durch und durch organisierten,<br />

aufgefächerten Verteilung der Macht“ (1990, S.XXII).<br />

Industrialisierung und die seit Mitte des 19. Jahrhunderts staatlich zugelassene<br />

Vereinigungsfreiheit in Deutschland ermöglichten es Männerbünden, nicht nur in privaten<br />

Gemeinschaften, in Militär, Kirche oder Politik tätig zu werden, sondern auch in kapitalistischen<br />

Organisationen, deren Herrschaftsstruktur sich dafür anbietet, bündisch<br />

abgesichert zu werden. Der Männerbund paßt sich dabei den neuen Ordnungsschemata<br />

an – Rationalität, Zweckgerichtetheit, Kooperation und Vernetzung mit anderen Bünden<br />

– ohne die alten aufgeben zu müssen, die gerade die Organisation als Vergemeinschaftung<br />

reproduzieren: personelle Ausgrenzung verbunden mit Prüfungs- und Aufnahmeprozeduren,<br />

Sicherung der Herrschaft durch Geheimnispflege und Monopolisierung<br />

von Wissen, und Verstärken der Polarisierung zwischen Mitgliedern und Nicht-<br />

Mitgliedern. Neben den mystisch (Kirche, Geheimgesellschaften) und an alten „männlichen“<br />

Tugenden orientierten (Militär, Sportmannschaften) Männerbünden traten somit<br />

zahlreiche moderne Männerbünde mit neuen Inhalten und Zielen in Erscheinung, die<br />

dazu führen, daß es in der westlichen Industriegesellschaft eine besonders hohe Anzahl<br />

von Männerbünden gibt.<br />

Was moderne Männerbünde der westlichen Industriegesellschaften jedoch von früheren<br />

unterscheidet, ist der Umstand, daß sie an einem Wendepunkt angekommen sind,<br />

der sie dazu veranlaßt, freiwillig oder gezwungenermaßen Frauen in ihre Reihen aufzunehmen<br />

bzw. neue Legitimationen für deren Ausschluß zu finden. Denn aufgrund gesellschaftlichen<br />

Wandels hin zu mehr Gleichheit zwischen Männern und Frauen und<br />

verstärkter Beteiligung von Frauen an allen gesellschaftlichen Positionen tun sich Männerbünde<br />

immer schwerer, ihre Prinzipien zu verteidigen.<br />

4. Funktionen von Männerbünden<br />

In der Analyse archaischer Männerbünde wurde die zentrale Funktion von Fruchtbarkeitsriten<br />

entdeckt und daraus gefolgert, daß die Verbrüderung der Männer mit Gebärneid<br />

auf die Frauen zu tun hat (vgl. Ptak-Wiesauer 1989). Während die Funktion der<br />

171

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!