Daniela Rastetter - Rainer Hampp Verlag
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<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 167<br />
<strong>Daniela</strong> <strong>Rastetter</strong> *<br />
Männerbund Management.<br />
Ist Gleichstellung von Frauen und Männern trotz wirksamer<br />
archaischer Gegenkräfte möglich? **<br />
Weder veränderte Ausgangsbedingungen (angeglichene Bildung, Verfall normativer<br />
Lebensbiographien, individualisierte Lebensläufe, geringe Kinderzahl etc.) noch<br />
neue Managementkonzepte oder gezielte Fördermaßnahmen konnten viel daran ändern,<br />
daß die Zahl der Frauen in Führungspositionen nach wie vor gering ist. Im Beitrag<br />
wird argumentiert, daß dafür ein vormodernes, gar archaisches Prinzip verantwortlich<br />
ist: der Männerbund. Es wird nicht nur gezeigt, daß Männerbünde in unserer modernen<br />
Gesellschaft nach wie vor existieren und wie sie wirken, sondern auch, daß sie konstitutives<br />
Merkmal von Managements sind und sich sogar gegen explizite Organisationspolitik<br />
stellen. Da aber auch am Männerbund gesellschafts- und arbeitsmarktpolitische<br />
Entwicklungen nicht vorbeigehen, muß er sich mit der Integration von Frauen auseinandersetzen.<br />
Es wird deshalb der Frage nachgegangen, wie neue Kooperationsstrukturen<br />
etabliert, Abwehrstrategien des Männerbundes verhindert und vorprogrammierte<br />
Konflikte zwischen den Geschlechtern verringert werden können.<br />
The number of women in leadership positions has remained small, in spite of a<br />
change in underlying conditions (e.g. access to equal education, freedom of opportunities,<br />
more liberal lifestyles, having fewer children), new management concepts, and<br />
special opportunity programs for women. In this paper I argue that an old, even<br />
archaic factor is responsible for this: the male network. I shall demonstrate that these<br />
male networks continue to exist and analyze how they work in our modern day society.<br />
I shall also show that male networks are a basic element of management, which resists<br />
even explicit organizational policy. However, since the male network is also subject to<br />
societal and labor market developments it has been forced to deal with the integration<br />
of women into the workplace. The paper explores how new structures of cooperation<br />
are established, how defense strategies of male networks can be avoided and how<br />
preprogrammed gender conflicts can be diminished.<br />
______________________________________________________________________<br />
* Dr. <strong>Daniela</strong> <strong>Rastetter</strong>, Dipl.Psych., wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Psychologie<br />
I der WiSo-Fakultät, Universität Augsburg.<br />
Arbeitsschwerpunkte: geschlechtervergleichende Organisationsforschung, Personalauswahl,<br />
Emotionsarbeit im Dienstleistungsbereich. Wichtige Veröffentlichungen Sexualität und<br />
Herrschaft in Organisationen. Opladen1994; Personalmarketing, Bewerberauswahl und Arbeitsplatzsuche.<br />
Stuttgart1996.<br />
** Artikel eingegangen und akzeptiert: Februar 1998.<br />
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168 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
1. Einleitung<br />
In der Managementforschung wird in den letzten zwei Jahrzehnten die Frage untersucht,<br />
warum trotz Ansteigens der Zahl weiblicher Beschäftigter in mittleren Positionen<br />
von Unternehmen sehr wenige Frauen in höheren und höchsten Hierarchiestufen zu finden<br />
sind (z.B. Ostner 1992, Engelbrech 1994, Hadler 1997). Betriebswirtschaftliche<br />
Überlegungen sprechen eigentlich für die vermehrte Beschäftigung von Frauen, da die<br />
Ablehnung vorhandener „Humanressourcen“ zu einer Verringerung des möglichen Profits<br />
beiträgt, hochqualifiziertes Personal suboptimal alloziert wird und „Return-on-<br />
Investments“ mangelhaft erfüllt werden (Hadler 1997). Zudem hat eine Reihe von Management-Ansätzen<br />
den Gewinn aus der Beschäftigung möglichst unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen<br />
erarbeitet, nicht zuletzt im Hinblick auf die ebenso vielfältigen<br />
(künftigen) Konsumentengruppen; insbesondere das sog „Managing Diversity“-<br />
Konzept“ (z.B. Emmerich/Krell 1997) macht auf diesen Aspekt aufmerksam; aber auch<br />
andere human resource – Ansätze zielen darauf ab, potentielle Personalressourcen besser<br />
einzusetzen und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.<br />
Noch unverständlicher wird die asymmetrische Geschlechterverteilung in Führungspositionen,<br />
wenn man die offizielle Unternehmenspolitik betrachtet: Es sind oftmals<br />
keine diskriminierenden Mechanismen zu erkennen; im Gegenteil gibt es zahlreiche<br />
Frauenfördermaßnahmen sowie ernstgemeinte Bestrebungen, qualifizierte Frauen<br />
im Unternehmen zu halten, mit dem Ziel, Kenntnisse und Fähigkeiten aller Beschäftigten<br />
voll zu nutzen (Ihlefeld-Bolesch 1995, Osse/Dick 1995).<br />
All dies hat jedoch nicht zu der erhofften Erhöhung der Zahl von Frauen in Führungspositionen<br />
geführt. Resignativ wird konstatiert, daß Führungspositionen offensichtlich<br />
Männerdomänen sind, die – warum auch immer – äußerst stabil und veränderungsresistent<br />
zu sein scheinen. Der Begriff der Männerdomäne hat jedoch keine Erklärungskraft,<br />
sondern beschreibt nur den Zustand. Ein anderes Konzept kann dagegen<br />
besser erklären, warum Männer in Führungspositionen unter sich bleiben: der Männerbund.<br />
Während die Männerdomäne rein quantitativ definiert ist, zeichnet sich der Männerbund<br />
durch bestimmte Funktionen und Ziele aus, die auf dem Prinzip der Vergemeinschaftung<br />
beruhen. Der Männerbund ist daher ein konstitutives Element des Managements<br />
einer Organisation. Es soll deshalb zunächst untersucht werden, wie Männerbünde<br />
entstehen und inwiefern sich die Mechanismen klassischer Männerbünde in modernen<br />
Männerdomänen wiederfinden.<br />
Eine Folge des Männerbundes besteht darin, daß die aufgrund gesellschaftlicher<br />
Veränderungen und betriebspolitischer Maßnahmen forcierte Aufnahme von Frauen ins<br />
Management zu Verunsicherung und Konflikten zwischen den Geschlechtern führt und<br />
die Integration weiterer Frauen erschwert – und in vielen typischen Männerdomänen ist<br />
die Anzahl der Frauen sogar wieder rückläufig! Immer neue Fördermaßnahmen durchzusetzen,<br />
wird an der Barriere des Männerbundes so lange scheitern, wie dieser seine<br />
Privilegien zu sichern versucht. Eine weitere zu klärende Frage ist deshalb, wie in Zukunft<br />
Frauen und Männer kooperieren können, ohne in den Teufelskreis von Fremdund<br />
Selbstausgrenzung zu geraten.<br />
168
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 169<br />
2. Die Männerdomäne<br />
Im allgemeinen werden all jene Organisationen, Organisationssegmente, hierarchischen<br />
Ebenen oder auch Branchen Männerdomänen genannt, in denen rein quantitativ<br />
überwiegend Männer tätig sind. Es existiert zwar kein allgemein verbindliches Abgrenzungskriterium,<br />
ab welchem Prozentsatz von einer Männerdomäne gesprochen werden<br />
kann, aber nach Kanter (1993) erscheint ein Richtwert von bis zu 15% Frauen sinnvoll.<br />
Männerdomänen lassen sich sowohl in horizontaler Segmentierung (verschiedene<br />
Branchen sind überwiegend männlich oder weiblich besetzt), als auch in vertikaler<br />
Schichtung festmachen. Vertikal ist Hierarchie einer der wichtigsten geschlechtertrennenden<br />
Faktoren, und da die meisten Organisationen hierarchisch aufgebaut sind, ist die<br />
asymmetrische Geschlechterverteilung über Hierarchien praktisch überall vorzufinden.<br />
In der Männerdomäne Management sind die Zahlenangaben über den Anteil von<br />
Frauen in Führungspositionen je nach Abgrenzungskriterien unterschiedlich. Für die<br />
vorliegende Themenstellung ist dies allerdings weniger gravierend, weil – egal wie Management<br />
und Führungsebenen definiert und eingeteilt werden – der Anteil der Frauen<br />
lediglich im mittleren Management von mittelständischen Unternehmen die 15%-Marke<br />
leicht übersteigt, während er im Top-Management von Großunternehmen nur 3,2% beträgt<br />
(Hadler 1997, S.312). Aber Frauen sind nicht nur quantitativ in Führungspositionen<br />
benachteiligt, sondern verdienen, wenn sie in Führungspositionen sind, im Vergleich<br />
zu ihren männlichen Kollegen weniger Geld, empfinden mehr Streß und Überlastung<br />
durch familiäre und sonstige private Verpflichtungen, bekommen weniger nach<br />
außen repräsentative Aufgaben sowie weniger attraktive Angebote für ihre weitere berufliche<br />
Entwicklung (Collinson/Hearn 1996, S.2; Hadler 1997, S.313).<br />
3. Von der Männerdomäne zum Männerbund<br />
In einigen organisationstheoretischen Ansätzen taucht der Begriff der Vergemeinschaftung<br />
als Element einer Organisationsstruktur auf (vgl. Türk 1995). Im Ansatz von<br />
Türk beruht Vergemeinschaftung auf Mitgliedschaft und Grenzziehung nach außen. Die<br />
staatlich zugelassene Vereinigungsfreiheit läßt eine Fülle von Organisationen entstehen,<br />
die durch Vergemeinschaftung personelle Aus- und Eingrenzungen vornehmen und somit<br />
soziale Ungleichheit reproduzieren. Interne Gesamt- oder Subkulturen bilden eine<br />
spezifische Solidarität und Loyalität aus, die auf kollektive Interessenwahrung gegenüber<br />
Nicht-Mitgliedern abzielen. D.h., Organisationen können nur entstehen, wenn klar<br />
ist, wer Mitglied ist und wer nicht, so daß Interessen und Ressourcen gegenüber Nichtmitgliedern<br />
gewahrt werden können. Dadurch werden die ausgeschlossenen gesellschaftlichen<br />
Gruppen marginalisiert, und zwar nicht nur durch Nicht-Teilhabe an den<br />
Vorteilen, die eine solidarische Gemeinschaft verspricht, sondern auch mangels alternativer<br />
Artikulationsmöglichkeiten ihrer Interessen innerhalb einer Organisationsgesellschaft.<br />
Vergemeinschaftung wird in diesen Ansätzen jedoch nicht konkretisiert, die Kriterien<br />
der Mitgliedschaft bleiben offen. Eines der wichtigsten Kriterien personeller Einund<br />
Ausgrenzung ist aber, wie zu zeigen sein wird, das Geschlecht. Es stabilisiert und<br />
reproduziert Männerbünde, und zwar sowohl klassische und explizite Bünde (z.B. Bur-<br />
169
170 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
schenschaften, Männerorden, Freimaurer) als auch die im Management von Organisationen<br />
versteckten Bünde.<br />
Zunächst soll der Begriff des Männerbundes genauer dargestellt werden. Männerbünde<br />
sind<br />
„(...) Zusammenschlüsse von Männern, die freiwillig und bewußt geschlossen<br />
wurden.(...) Mit der Mitgliedschaft in einem Männerbund ist die Anerkennung von<br />
Werten und geistigen Zielen verbunden, die häufig eine Überhöhung des in der jeweiligen<br />
Gesellschaft geltenden Wertesystems darstellen. Wesentliche Charakteristika sind<br />
zudem eine gewisse Esoterik mit der Aura des Geheimnisvollen, ein Aufnahmeritus<br />
(Initiation) und eine hierarchische Struktur. (...) Prestige und Einfluß sind (fast) immer<br />
eng mit der Mitgliedschaft in einem Männerbund verknüpft.“ (Völger/von Welck 1990,<br />
S.XXI).<br />
Als gemeinsame Merkmale von Männerbünden gelten:<br />
der schwierige Zugang: die Aufnahme ist an Bedingungen und besondere Initiationsgepflogenheiten<br />
gebunden, die Zugehörigkeit zum Männerbund ist ein Privileg;<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
ein selbst verordnetes strenges Reglement;<br />
Prinzipien und Werte, die oft Brüderlichkeit und Gleichheit heißen und durch<br />
(meist) latente Homosexualität, Frauenfeindlichkeit, Kameradschaft angesichts des<br />
Todes, Bereitschaft zu Verschwörung, Außenseitertum und Opfer gekennzeichnet<br />
sind;<br />
strenge Hierarchien trotz der Huldigung der Brüderlichkeit;<br />
Ausschluß von Frauen.<br />
Der Begriff „Männerbund“ ist ein originär deutscher, 1 der 1902 von dem Ethnologen<br />
Heinrich Schurtz in seinem Werk „Altersklassen und Männerbünde – Eine Darstellung<br />
der Grundformen der Gesellschaft“ geprägt wurde. Er vertrat darin die These, daß<br />
der Frau ein Familientrieb und dem Mann ein Geselligkeitstrieb zu eigen seien, was dazu<br />
führe, daß die Frau für Ehe und Familie zuständig, „der Mann dagegen der Vertreter<br />
aller Arten des rein geselligen Zusammenschlusses und damit der höheren sozialen<br />
Verbände“ sei (1902, S.IV). Es lassen sich demnach Bindungen aufgrund der Blutsverwandtschaft,<br />
die auf geschlechtliche Fortpflanzung zurückgehen (hier steht die Frau im<br />
Zentrum), und Bindungen aufgrund des rein geselligen Zusammenschlusses, die der<br />
Mann vertritt, unterscheiden. Männerbünde sind nach Schurtz die Träger höherer sozialer<br />
Entwicklung und relativ autonom gegenüber gesellschaftlichen Autoritäten. Sie traten<br />
zu Schurtz’ Zeit in den verschiedensten Formen auf – angefangen von formlosen<br />
Freundschaftsgruppen geringen Umfangs bis hin zu kleinen und großen Bünden innerhalb<br />
von Politik und Militär mit beträchtlichem Einfluß (König 1990). Die Idee des<br />
Männerbundes floß zunächst in die Wandervogel-Ideologie ein – eine männlich dominierte<br />
Jugend-Bewegung vor und nach dem Ersten Weltkrieg –, und später in präfaschistische<br />
soldatische Freikorps-Verbände und Nazi-Gruppen wie Hitlerjugend, SS und<br />
SA. Archaischer Initiationskult und Germanenkult, gepaart mit der Rebellion gegen<br />
1<br />
Im Englischen wird das Wort „Männerbund“ als Fremdwort verwendet.<br />
170
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 171<br />
konservative Autoritäten, paßten zur NS-Ideologie, die eine extrem geschlechterpolarisierende<br />
und Frauen abwertende Politik betrieb. Hans Blüher (1919) nahm in seinem<br />
Werk „Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft“ die Gedanken von Schurtz<br />
auf, sah aber anders als jener eine im Freudschen Sinne zur Homoerotik sublimierte Sexualität<br />
als eigentliche Triebkraft des Männerbundes, an dessen Spitze ein charismatischer<br />
Führer zu stehen hatte. Erst der Männerbund, so Blüher, befreie den Mann zu voller<br />
schöpferischer Tätigkeit, während hingegen die Familie destruktiv wirke.<br />
Die Indienstnahme der Ideen von Schurtz und Blüher durch die Faschisten führte<br />
dazu, daß der Begriff Männerbund und die Diskussion darum nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
aus Deutschland verschwanden. Dabei ist mit dem Diskurs um den Männerbund<br />
keineswegs der Männerbund selbst gestorben; vielmehr kann in Foucaultschem Sinn<br />
von einem Verschwinden der Diskurse gesprochen werden, die wegen ihrer Verstrickung<br />
in die NS-Ideologie Ablehnung oder Mißtrauen erzeugt hätten. Völger und von<br />
Welck behaupten in ihrer Untersuchung sogar, daß „offenbar die Zahl und Machtfülle<br />
von Männerbünden mit der Komplexität von Gesellschaften steigt: Nirgends gibt es<br />
mehr Männerbünde als in der ‘westlichen Welt’ mit ihrer durch und durch organisierten,<br />
aufgefächerten Verteilung der Macht“ (1990, S.XXII).<br />
Industrialisierung und die seit Mitte des 19. Jahrhunderts staatlich zugelassene<br />
Vereinigungsfreiheit in Deutschland ermöglichten es Männerbünden, nicht nur in privaten<br />
Gemeinschaften, in Militär, Kirche oder Politik tätig zu werden, sondern auch in kapitalistischen<br />
Organisationen, deren Herrschaftsstruktur sich dafür anbietet, bündisch<br />
abgesichert zu werden. Der Männerbund paßt sich dabei den neuen Ordnungsschemata<br />
an – Rationalität, Zweckgerichtetheit, Kooperation und Vernetzung mit anderen Bünden<br />
– ohne die alten aufgeben zu müssen, die gerade die Organisation als Vergemeinschaftung<br />
reproduzieren: personelle Ausgrenzung verbunden mit Prüfungs- und Aufnahmeprozeduren,<br />
Sicherung der Herrschaft durch Geheimnispflege und Monopolisierung<br />
von Wissen, und Verstärken der Polarisierung zwischen Mitgliedern und Nicht-<br />
Mitgliedern. Neben den mystisch (Kirche, Geheimgesellschaften) und an alten „männlichen“<br />
Tugenden orientierten (Militär, Sportmannschaften) Männerbünden traten somit<br />
zahlreiche moderne Männerbünde mit neuen Inhalten und Zielen in Erscheinung, die<br />
dazu führen, daß es in der westlichen Industriegesellschaft eine besonders hohe Anzahl<br />
von Männerbünden gibt.<br />
Was moderne Männerbünde der westlichen Industriegesellschaften jedoch von früheren<br />
unterscheidet, ist der Umstand, daß sie an einem Wendepunkt angekommen sind,<br />
der sie dazu veranlaßt, freiwillig oder gezwungenermaßen Frauen in ihre Reihen aufzunehmen<br />
bzw. neue Legitimationen für deren Ausschluß zu finden. Denn aufgrund gesellschaftlichen<br />
Wandels hin zu mehr Gleichheit zwischen Männern und Frauen und<br />
verstärkter Beteiligung von Frauen an allen gesellschaftlichen Positionen tun sich Männerbünde<br />
immer schwerer, ihre Prinzipien zu verteidigen.<br />
4. Funktionen von Männerbünden<br />
In der Analyse archaischer Männerbünde wurde die zentrale Funktion von Fruchtbarkeitsriten<br />
entdeckt und daraus gefolgert, daß die Verbrüderung der Männer mit Gebärneid<br />
auf die Frauen zu tun hat (vgl. Ptak-Wiesauer 1989). Während die Funktion der<br />
171
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Frau als Gebärende und Nährende immer klar ersichtlich war, war der Beitrag der Männer<br />
hierzu lang unbekannt oder unbewußt und darüber hinaus marginal, so daß sie für<br />
den Aufbau emergenter soziokultureller Ordnung eine zunächst untergeordnete Rolle<br />
spielten (Lipp 1990, S.33). Das männliche Geschlechtswesen bedurfte einer Hervorhebung,<br />
die das weibliche nicht brauchte. Nach dieser ethnopsychoanalytischen These ist<br />
der Männerbund zum Zweck exklusiver Sinnstiftung etabliert worden. Seine institutionelle<br />
Befestigung hatte eine Marginalisierung und einen Machtverlust von Frauen und<br />
deren Ansprüchen zur Folge.<br />
Sinnstiftung beginnt jedoch schon früher, nämlich beim Aufbau einer männlichen<br />
Identität, die durch die Identifikation mit anderen Männern und spezifischen „Männlichkeiten“<br />
stabilisiert wird. Die Analyse unterschiedlicher Männlichkeiten wurde von<br />
der sog. Männerforschung geleistet (z.B. Seidler 1994), die zeigt, daß ein bestimmtes<br />
Männlichkeitsbild dominant in der Gesellschaft wurde, während andere unterdrückt und<br />
verleugnet werden. Dieses Bild sog. hegemonialer Männlichkeit (vgl. Connell 1987,<br />
Bilden 1991) ist durch Stereotypen wie Initiative, Stärke, Rationalität oder Autonomie<br />
charakterisiert und schließt andere Bilder und Entwürfe von Männlichkeit aus<br />
(Hearn/Collinson 1994). Die Beiträge von David Knights/Darren McCabe und Jeff<br />
Hearn/David Collinson in diesem Heft liefern Beispiele für den Niederschlag hegemonialer<br />
Männlichkeit in betrieblichen Arbeitsprozessen, während die Analyse von Jörg<br />
Maas (ebenfalls in diesem Heft) die Diskriminierung jener Männer zeigt, die nicht dem<br />
herrschenden Männlichkeitsbild entsprechen. Indem sie eine sexuelle Orientierung haben,<br />
die mit Verweiblichung, Passivität und Schwäche assoziiert wird, bedrohen sie die<br />
Identitätsbildung der anderen Männer, die sich über Verbündung in ihrer Männlichkeit<br />
stark und handlungsmächtig fühlen wollen. Je stärker „hegemonial männliche“ Männer<br />
„weibliche“ Anteile von Schwäche, Angst und Zweifel verleugnen, desto rigider müssen<br />
sie andere mit „falschen“ Männlichkeiten sowie Frauen ausgrenzen und ablehnen.<br />
Die sinnstiftende Funktion des Männerbundes benötigt ein Wertsystem, auf Grund<br />
dessen männliche Tätigkeiten höher bewertet werden als weibliche, und daran knüpft<br />
sich nach Erdheim/Hug (1990, S.56) die Aufspaltung von Arbeit und Sinngebung bzw.<br />
von alltäglicher lebenserhaltender Arbeit und höheren rituellen, Werte erhaltenden Tätigkeiten,<br />
die weniger mit materiellen Erzeugnissen als mit Trophäen, Beuten, Ehrenabzeichen,<br />
Rängen, Titeln und ähnlichem sichtbar werden.<br />
Der Männerbund bietet die exklusive Chance, ohne Frauen tätig zu werden und<br />
ohne Frauen Ergebnisse herzustellen. Dies führte dazu, daß in den auf Dauer gestellten<br />
Bünden Wissen, Macht und Geld akkumuliert und den Nichtmitgliedern vorenthalten<br />
werden konnten. Neben der Sinnstiftung hat der Männerbund deshalb noch eine weitere,<br />
weniger psychologische als materielle Funktion: die der Herrschaftssicherung durch<br />
Ressourcenakkumulation und -wahrung. Das Männerbund-Konzept argumentiert im<br />
Gegensatz zum Konzept der Vergemeinschaftung jedoch nicht nur herrschaftstheoretisch,<br />
sondern auch identitätstheoretisch.<br />
Aus beiden Punkten folgt das in allen Männerbünden ausgeprägte Abgrenzungsbedürfnis<br />
gegenüber Frauen, das nicht selten zu kuriosen Begründungen führt, weshalb im<br />
betreffenden Verband, im Team oder in der Organisationseinheit keine Frauen anzutreffen<br />
sind: Frauen stören die Gruppenharmonie, verderben die Geselligkeit, das Mitein-<br />
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<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 173<br />
ander gerät aus den Fugen, die Charakterbildung kann nicht funktionieren usw. (zit. in<br />
<strong>Rastetter</strong> 1994, S.253). Ein auf männlicher Seite starkes Differenzbedürfnis zwischen<br />
den Geschlechtern wurde im übrigen bereits für die Phase der Sozialisation festgestellt<br />
(z.B. Tyrell 1986).<br />
5. Männerbund Management<br />
In Arbeitsorganisationen läßt sich die Aufspaltung zwischen Arbeit und Sinngebung<br />
wiederfinden: Bei Führungseliten vermitteln Statussymbole (Dienstwagen, Büroausstattung,<br />
Kleidung, Auszeichnungen...) nach außen die Wichtigkeit der Existenz von<br />
Führungskräften, deren Tätigkeiten häufig nicht dingfest zu machen sind. Damit einher<br />
gehen rituelle Handlungen: lange Sitzungen in repräsentativen Räumen unter Ausschluß<br />
der Öffentlichkeit; aufwendige Nachwuchsrekrutierung durch Assessment Center in<br />
teuren Hotels, mit einer Inszenierung von vielfältigen Prüfungsprozeduren; Geheimnistuerei<br />
in Form von internen Papieren, bewußter Informationszurückhaltung und Bildung<br />
von Seilschaften... All diese symbolischen, sinngebenden Mechanismen („symbolic management“)<br />
sind in der einschlägigen Literatur ausführlich analysiert worden (z.B. Neuberger<br />
1990; 1995). Das Gros der produktiven Arbeiten, das Herstellen von Erzeugnissen<br />
an sich, verrichtet das Fußvolk, d.h. die Arbeiter und Arbeiterinnen, die ihrerseits<br />
geschlechtsspezifischen Arbeitsplätzen zugewiesen werden.<br />
Einer der wichtigsten Mechanismen bei Männerbünden sind gemäß Definition die<br />
Grenzziehung nach außen und die Regelung der Aufnahme neuer Mitglieder. Für die<br />
Aufnahmeprozeduren wird der Begriff „Initiationsriten“ gewählt, der auf den reglementierenden<br />
und rituellen Charakter der Integration neuer Mitglieder hinweist. In Initiationsriten<br />
nimmt der Kandidat eine neue Identität an, die durch äußere Zeichen wie<br />
Gewand, Haarschnitt oder Uniform unterstrichen wird. Bestimmte Eignungsprüfungen<br />
gewährleisten, daß nur die passenden Anwärter akzeptiert werden. Gleichzeitig wird der<br />
Neuling entindividualisiert und hat den Werten und Zielen des Bundes zu folgen, wofür<br />
ihm etwas Höherwertiges versprochen wird.<br />
Aufnahme- und Ausleseverfahren heutiger Organisationen können durchaus mit archaischen<br />
Initiationsriten verglichen werden: Je höher eine Position in der Hierarchie<br />
der Organisation, desto weniger abgegrenzt ist das Aufgabenfeld und desto weniger Regeln<br />
existieren, die handlungsleitend und Erfolg messend wären (Neuberger 1990, Kanter<br />
1993). Je größer aber die Unsicherheit ist, desto größer ist die Notwendigkeit, eine<br />
homogene, vertrauenswürdige Gruppe zu bilden. Wenn Macht und Privilegien an diejenigen<br />
weitergegeben werden, die dazupassend und vertraut erscheinen, können gleichzeitig<br />
Selbstwertgefühl und Prestige durch Spiegelung und Bestätigung gestärkt werden.<br />
Heute geht es für den Kandidaten, der Aufnahme begehrt, mehr denn je darum,<br />
sich den Prüfungen der bereits Etablierten willig zu unterziehen und von den auswählenden<br />
Organisationsmitgliedern als passend empfunden zu werden (<strong>Rastetter</strong> 1996,<br />
S.291). Objektive Auswahlkriterien existieren in den seltensten Fällen und werden häufig<br />
nur als Alibi für scheinbare Rationalität eingesetzt (Kompa 1995). Denn die immer<br />
komplexeren und sich immer schneller wandelnden Aufgaben können nicht mehr mit<br />
herkömmlichen Eignungstests – auch nicht mit Assessment Centers – erfaßt werden, da<br />
häufig nicht einmal feststeht, welche Anforderungen in Zukunft auf den Stelleninhaber<br />
173
174 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
zukommen. Die Folge davon ist, daß die Auswählenden jemanden suchen, der ihnen so<br />
flexibel und vertrauenswürdig erscheint, daß er sich den jeweiligen Gegebenheiten anpaßt,<br />
und der das Gefühl vermittelt, Schwierigkeiten mit ihnen zu meistern. Dazu ist es<br />
nötig, ihn auf das Team einzuschwören, ihn ins Team zu „initiieren“, so daß er sich der<br />
Gruppe verpflichtet fühlt. Nicht von ungefähr sind deshalb sogenannte Loyalitätsprüfungen<br />
und Prüfungen der Werteübereinstimmung bei der Rekrutierung von Führungsnachwuchs<br />
im Kommen (Hanft 1991; <strong>Rastetter</strong> 1996, S.34).<br />
So vollzieht sich eine homosoziale Reproduktion der Führung, d.h. die Reproduktion<br />
von immer Gleichem innerhalb der „männlichen Klonanstalten“, die Schaffung<br />
neuer Führungskräfte nach dem Bilde der alten, eine Art Wiedergeburt ohne Frau, wie<br />
in kultischen Fruchtbarkeitsritualen archaischer Männerbünde, bei denen symbolische<br />
Gebärhandlungen vollzogen werden.<br />
Jedoch läßt sich Verläßlichkeit weder durch die Rekrutierung immer gleicher Typen<br />
noch durch bloße Intuition diagnostizieren, so daß die Strategie der homosozialen<br />
Auswahl nicht garantiert zum Erfolg führt. Im Gegenteil bringt es homosoziale Inzucht<br />
mit sich, daß alles nur noch aus einer, der einheitlichen und geeinigten Perspektive betrachtet<br />
wird. Dadurch können neue Probleme entstehen, die wiederum Komplexität erhöhen,<br />
Unsicherheit verstärken und die Angst vor unvorhergesehenen Ereignissen erhöhen.<br />
Der permanente Versuch, Komplexität in den Griff zu bekommen und die Kontrolle<br />
zu bewahren (ein typischer Bestandteil hegemonialer Männlichkeit, siehe auch den<br />
Beitrag von Knights/McCabe in diesem Heft), verstellt den Blick für innovative Lösungsmöglichkeiten.<br />
Eine stabile Welt ist damit nicht zu erschaffen, und Männer werden<br />
auch in Zukunft damit beschäftigt sein, mehr Sicherheit innerhalb der Unsicherheit<br />
herzustellen, womit neue Unsicherheiten entstehen.<br />
Zudem weist das Management innerhalb der Organisation und nach außen eine hohe<br />
Ressourcen- und Machtakkumulation auf, die durch bündisches Verhalten gesichert<br />
werden kann. Manager sind zwar nicht die Kapitaleigner, durch ihre Funktion als Stellvertreter<br />
der Unternehmenseigentümer sind sie aber darauf bedacht, sich private Profite<br />
mit Hilfe von gemeinschaftlicher Produktion anzueignen. Dies gelingt um so besser, je<br />
gefestigter sie in ihrer Position sind und je bessere Aussichten sie auf noch lukrativere<br />
Angebote haben – was wiederum unter anderem von geeigneten Netzwerken und Seilschaften<br />
abhängt. Da Vertrauen in einer auf kapitalistischen Prinzipien ausgerichteten<br />
Organisation aber stets prekär und brüchig ist, kann sich niemand auf eine lebenslange<br />
sichere Position verlassen; Unsicherheit und Angst spielen also auch bei der Sicherung<br />
der Ressourcen eine große Rolle.<br />
6. Begehren und Distanz im Männerbund<br />
Im Männerbund-Konzept läßt sich ein offensichtlicher Widerspruch erkennen: Das<br />
Management ist durch Hierarchien, Machtungleichgewichte, Konkurrenz, strategisches<br />
Handeln und profitorientierte Zielsetzung geprägt; ausgerechnet in diesem Milieu sollen<br />
sich Solidarität, Brüderlichkeit und gemeinschaftliches Handeln entwickeln? Der Widerspruch<br />
läßt sich auflösen: Lebensfeindliche, bedrohliche Prinzipien lassen Angst<br />
aufkommen, die durch Zusammenschluß und gegenseitige Hilfe verringert werden<br />
kann. Die beschriebenen Organisationsprinzipien sind männlich typisiert, Männer müs-<br />
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<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 175<br />
sen sich diesen Anforderungen stellen und darin ihre Geschlechtsidentität aufbauen. Da<br />
dies nie vollständig gelingen kann, brauchen sie die Hilfe der anderen Männer um sie<br />
herum. Diese Hilfesuche ist keineswegs nur instrumenteller Natur, sondern zentraler<br />
Bestandteil der Stabilisierung des eigenen Selbst. Und sie ist nicht nur homosozial, sondern<br />
homoerotisch im Sinne eines gegenseitigen Begehrens (Roper 1996): Indem der<br />
Mann andere Männer begehrt, wird er auch selbst in seiner Männlichkeit begehrt und<br />
bestätigt. Erst dadurch wird er seiner Aufgabe gerecht, das Management als Fiktion einer<br />
rationalen, asexuellen, entkörperlichten Arbeitskraft zu reproduzieren, die für die<br />
männliche Manageridentität notwendig ist. Prinzipien der Brüderlichkeit und strenge<br />
Hierarchien schließen sich deshalb keineswegs aus, im Gegenteil sind sie in allen Männerbünden<br />
vorzufinden, und nicht zufällig wird der Wert der Kameraderie gerade in der<br />
hierarchisch strengen Organisation des Militärs hochgehalten.<br />
Die älteren Männer ziehen sich Nachfolger heran, von denen sie im Gegenzug Gehorsam<br />
und Unterordnung erwarten (Roper 1996). Fratriarchale (Herrschaft der Brüder)<br />
und patriarchale (Herrschaft der Männer) Strukturen gehen Hand in Hand, und gerade<br />
die im Männerbund geforderte partielle Entindividualisierung der Mitglieder macht die<br />
Huldigung der charismatischen Meister möglich. Entindividualisierung begegnet man<br />
im Management nicht nur in Gestalt gleichförmiger äußerer Erscheinung, sondern auch<br />
in Form mangelnder Kritik, fehlender eigenständiger Meinungen und der Tendenz, zugunsten<br />
der bevorstehenden Aufgaben und Ziele die eigene Befindlichkeit und Gesundheit<br />
oder die Bedürfnisse von Angehörigen hintan zu stellen.<br />
Homosoziales Begehren birgt allerdings eine große Gefahr: Es könnte homosexuell<br />
werden. Dies darf jedoch weder nach herrschendem Männlichkeits- und Managerstereotyp<br />
noch nach den Gesetzen des modernen Arbeitsprozesses passieren, in dem Sexualität<br />
soweit verbannt wurde, daß ungestörtes Arbeiten möglich ist (Burrell 1993). Denn<br />
erst durch die Trennung der Lebenssphären und die Zuweisung bestimmter Funktionen<br />
zu bestimmten Sphären – nämlich Erotik, Bindung und Sexualität ins Private und Arbeit,<br />
Ökonomie und Zweckgerichtetheit ins Nichtprivate – konnten Organisationen mit<br />
definierten Zielen entstehen (<strong>Rastetter</strong> 1994, S.110ff; Türk 1995, S.37ff). Die Trennung<br />
in Leben und Arbeit wurde seit der Industrialisierung in der gesamten Arbeitsorganisation<br />
durchgesetzt, erfuhr aber eine nochmalige Spaltung in Kopf und Hand: Die „Hand“<br />
waren die ArbeiterInnen, deren unüberlegtes und ungezieltes Werken vom einem<br />
„Kopf“, dem Management, geplant und überwacht werden mußte. Der Kopf sollte frei<br />
von Trieben, störenden Gefühlen und körperlichen Empfindungen arbeiten. Da der<br />
Mensch aber immer als ganzes samt Gefühlen und Körper in der Organisation präsent<br />
ist, ist die Verbannung der Sexualität eine immerwährende und nie zu lösende Aufgabe.<br />
Das heißt, die durch Ausschluß eines Geschlechts automatisch hergestellte Nähe unter<br />
den Mitgliedern muß kontrolliert werden, was durch eine streng reglementierte Binnenordnung<br />
erreicht wird, mit deren Hilfe sexuelle Impulse sublimiert und ritualisiert ausgelebt<br />
werden.<br />
Unerwünschte Sexualität wird erstens durch die Abwertung homosexueller Orientierung<br />
bzw. den Ausschluß von sich zur Homosexualität bekennenden Männern verbannt,<br />
was im Militär und in der katholischen Kirche besonders deutlich wird. Auch in<br />
Wirtschaftsorganisationen werden homosexuelle Männer immer wieder mit Diskrimi-<br />
175
176 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
nierung oder gar Ausschluß konfrontiert (vgl. Maas in diesem Heft). Homosexuelle stellen<br />
die größte Gefahr für die prekäre Mischung aus homosozialem Begehren und Homophobie<br />
dar (d.h. der irrationalen Angst vor und der Intoleranz von Homosexualität,<br />
vgl. Herek 1986), aber auch andere unerwünschte „Männlichkeiten“ (z.B. mangelnde<br />
Berufs- und Karriereorientierung, „neue Väter“) müssen durch Aufnahmeprüfungen und<br />
Regeln der Mitgliedschaft ausgesondert werden. Im Männerbund tradieren sich deshalb<br />
hegemoniale Männlichkeit und polarisierte Geschlechterbilder bis heute in besonders<br />
ausgeprägter Form.<br />
Kontrolle der Sexualität unter Männern geschieht zweitens über das Bestärken heterosexueller<br />
Normen: In Gesprächen und Witzen kann man sich als heterosexuell präsentieren<br />
und gleichzeitig Frauen abwerten (vgl. Collinson 1992, S.103ff); Sexwitze<br />
und sexistische Sprüche sind deshalb in praktisch allen Männerdomänen vorzufinden<br />
(Lach/Gwartney-Gibbs 1993; Gruber et al. 1996). Heterosexuelle Normen werden zudem<br />
bei Festivitäten mit Damenbegleitung und bei der Vorstellung der Ehefrau (oft bei<br />
Politikern, manchmal auch bei Bewerbern für Führungspositionen) mit Leben gefüllt.<br />
Frauen werden in Männerbünden zu symbolischen Vermittlerinnen männlicher Heterosexualität<br />
– entweder als periphere Figuren der Männergruppen (als Bedienungen,<br />
Empfangsdamen, Prostituierte etc.) oder als Erzählfiguren in Geschichten und Witzen.<br />
Der Homosexuelle und die Frau werden im Männerbund als die „anderen“ konstruiert<br />
(vgl. Jacques Lacans und Simone de Beauvoirs Begriff der Frau als der „anderen“), die<br />
als Gegenbild (der Homosexuelle) bzw. als Komplementärfiguren (die Frau) die hegemoniale<br />
Männlichkeit des Männerbunds widerspiegeln.<br />
Zusammenfassend kann rekapituliert werden: Im Management finden sich die allgemeinen<br />
Merkmale von Männerbünden wieder.<br />
- Der Zugang ist mit Initiationsritualen verbunden, die dem Neuling vermitteln, daß<br />
seine Zugehörigkeit zur Führungselite ein Privileg darstellt.<br />
- Es existieren gleichzeitig starre Hierarchien, die Gehorsam und Unterwürfigkeit<br />
verlangen, und auf dem Prinzip der Gleichheit basierende Netzwerke und Solidaritäten<br />
(manchmal auch Verschwörungen), die einen ausgrenzenden Schulterschlußeffekt<br />
haben.<br />
- Die so entstandene Kameraderie ist nicht nur homosozial, sondern homoerotisch<br />
im Sinne eines gegenseitigen mann-männlichen Begehrens.<br />
- Ein Reglement von Verhaltensweisen und Umgangsformen verhindert eine allzu<br />
intime Nähe unter den Mitgliedern, die den höheren Zielen des Männerbundes zuwiderlaufen<br />
würde. Diese Ziele erfordern nicht nur Opfer (Gesundheit, Freizeit,<br />
Mußestunden, Zeit für die Familie), sondern auch eine gewisse Entindividualisierung<br />
der Mitglieder (Gleichschaltung der äußeren Erscheinung, der Meinungen,<br />
der Lebensstile).<br />
- Der Ausschluß der Frauen (und unpassender Männer) ist nach wie vor Bestandteil<br />
des Männerbundes, funktioniert aber nicht mehr per Dekret, sondern durch andere,<br />
subtilere Strategien.<br />
176
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 177<br />
7. Strategien des Männerbundes<br />
Derzeit ist zu beobachten, daß es seit der Verschlechterung der wirtschaftlichen<br />
Lage in Deutschland um das Thema der Frau in Führungsposition still geworden ist,<br />
und daß die Euphorie der siebziger und achtziger Jahre über steigende Zahlen mächtiger<br />
Frauen gedämpft ist. Konkurrenz, Karrierismus und Egoismus scheinen in Zeiten größerer<br />
Arbeitsplatzunsicherheit mehr Bedeutung zu gewinnen und das Management von<br />
Unternehmen noch kalkulierter, menschenfeindlicher und profitorientierter handeln zu<br />
lassen als je zuvor. Da aber auch Manager nicht vor ihrer eigenen Wegrationalisierung<br />
gefeit sind, ist diese härtere Gangart, die ein rigides Bild traditioneller Männlichkeit<br />
präsentiert, auch als Versuch zu werten, das eigene Selbstbild als erfolgreichen Mann<br />
aufrechtzuerhalten und gleichzeitig unerwünschte Konkurrenz von Seiten der Frauen<br />
abzuwehren, die ausgerechnet in einer Krisenzeit mit den Männern um rare Arbeitsplätze<br />
kämpfen wollen.<br />
Der Männerbund lebt aber nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum, sondern muß<br />
sich den historischen und sozialen Entwicklungen stellen. Er hat nicht nur den Skandal<br />
der Diskriminierung einer gut ausgebildeten Arbeitnehmergruppe zu legitimieren, sondern<br />
auch die ökonomische Verschwendung an Humanressourcen. Beide Argumente<br />
bedrohen den archaischen Männerbund und zwingen ihn, vormals unakzeptable Mitglieder<br />
aufzunehmen. Fatalerweise reagiert er darauf mit verstärktem Zusammenhalt<br />
statt steigender Offenheit, eine Tendenz, die er ohne die neuen Bedrohungen womöglich<br />
nicht (mehr) nötig hätte. In dieser Konstellation wird die durch vermehrte Zusammenarbeit<br />
erhoffte Erweiterung der Geschlechterrollen einer verstärkten Polarisierung weichen.<br />
Männerbünde sind verzweifelt darum bemüht, ihre Reviere zu behaupten, obwohl<br />
oder gerade weil nicht selten die Unternehmenspolitik dagegen spricht. Zuweilen müssen<br />
sie es hinnehmen, daß ihnen Frauen als Kolleginnen zur Seite gestellt werden. Für<br />
diese Fälle haben sie andere Maßnahmen entwickelt, denn zu ausschließenden Mechanismen<br />
des Männerbundes zählt nicht nur der Ausschluß von Personen aus der Organisation<br />
oder von bestimmten Arbeitsplätzen, sondern auch der Ausschluß anwesender<br />
Personen aus informellen oder internen Treffen bzw. Gruppierungen, der sog. interne<br />
Ausschluß. Dieser wird immer wichtiger, je weniger legitim es ist, Frauen von vornherein<br />
aus einem Bereich auszusondern. 2 Mit dem internen Ausschluß werden Information<br />
und Kenntniserweiterung der Ausgeschlossenen verhindert, womit er zum typischen<br />
Mechanismus heutiger Männerbünde gegen die Integration der Frau wird (Friedel-<br />
Howe 1990, Kanter 1993). Dabei schließen sich Männer noch enger als Gruppe zusammen,<br />
um die Distanz zur Frau zu vergrößern. Frauen mit Aufstiegswillen sprechen<br />
demzufolge immer wieder das Problem der informellen Netzwerke der Männer und des<br />
Nicht-Eingeweiht-Werdens in wichtige Informationen an, das zu ihrem Ausschluß trotz<br />
Mitgliedschaft führt (Sheppard 1989; <strong>Rastetter</strong> 1994, S.261). Nicht die Arbeit an sich<br />
bereitet diesen Frauen deshalb das meiste Kopfzerbrechen, sondern Interaktionsstile,<br />
2<br />
Gisler und Emmenegger (in diesem Band) zeigen interne Ausschlußprozesse am Beispiel<br />
der Institution Universität, indem sie auf das Konzept der sozialen Schließung zurückgreifen.<br />
177
178 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
Kultur und Umgangsformen (Martin 1996). Marshall (1995) fand beispielsweise folgende<br />
Gründe für Frauen in Führungspositionen, ihre Position aufzugeben: männliche<br />
Organisationskultur (feindschaftlicher Umgang, Isolation), die Suche nach einem ausgeglichenerem<br />
Leben und das Aufgeben von demotivierenden Rollen und Aufgaben.<br />
Die befragten Frauen fühlten sich isoliert, ausgeschlossen, attackiert und permanent<br />
nach männlichen Kriterien beurteilt.<br />
Analog zum physischen Ausschluß funktioniert der interne Ausschluß über die Bestärkung<br />
der Geschlechterpolaritäten, deren wirksamste Durchsetzungsmittel in das Feld<br />
der sexuellen Belästigung fallen. In Männerdomänen wird Distanzierung durch Belästigungsverhalten<br />
betrieben, das mögliche Angleichung, Verständigung und Nähe zwischen<br />
den Geschlechtern verhindert. In der Tat finden die meisten und die gravierendsten<br />
Belästigungsfälle in Männerdomänen statt, und zwar nicht von Vorgesetzten, sondern<br />
von gleichrangigen Kollegen ausgehend (Gruber et al. 1996, Holzbecher 1996).<br />
Aber nicht nur manifeste sexuelle Belästigung, sondern die Sexualisierung der<br />
Frau schlechthin trägt dazu bei, sie auf Distanz zu halten, abzuwerten und gleichzeitig<br />
Kameraderie im Männerbund zu pflegen. Sexualisierung bedeutet, daß die Frau in erster<br />
Linie in ihrer sexuell-erotischen Rolle, weniger in ihrer Rolle als Fachfrau und Führungskraft<br />
gesehen und dementsprechend behandelt wird. Damit wird auch ihre Tätigkeit<br />
sexualisiert: Es wird von ihr erwartet, die zwischenmenschlichen Kontakte zu regeln,<br />
ein angenehmes Arbeitsklima herzustellen und die anwesenden Männer mit<br />
Charme und schönem Äußeren zu erfreuen. Hier ist im übrigen ein Grund dafür zu finden,<br />
daß Frauen eher nach innen orientierte Aufgabenbereiche haben als mit Außenkontakten,<br />
Reisen und Repräsentation verbundene Tätigkeiten.<br />
Erleichtert wird die Sexualisierung der Frau und ihrer Tätigkeit durch eine lockere,<br />
informelle Atmosphäre, wie sie in Führungskreisen gerne nach außen dargestellt wird.<br />
Obwohl es überall in Organisationen Nischen und Spielräume für Sexualität gibt (<strong>Rastetter</strong><br />
1994, S.162ff), ist sie doch leichter dort auszuleben, wo wenig Überwachung,<br />
viele informelle Treffen (Arbeitsessen, Reisen, private Besprechungen) und große<br />
Handlungsspielräume existieren. Die Definitionsmacht über die Art der Sexualität haben<br />
jene, die in der Mehrheit, in den mächtigeren Positionen oder mit mehr Legitimität<br />
ausgestattet sind. Sexualisierte Diskurse oder Handlungen bestärken Männer nicht nur<br />
in ihrer Männlichkeit, sondern fördern ihr Zusammengehörigkeitsgefühl über hierarchische<br />
Grenzen, Klassen- oder Rassenschranken hinweg. Vereinzelte Frauen in Männerdomänen<br />
haben kaum die Möglichkeit, mit Gegendiskursen zu antworten; sie können<br />
sich höchstens individuell wehren, der Erfolg hängt von persönlichen Fähigkeiten und<br />
situativen Gegebenheiten ab.<br />
8. Der Männerbund und die Frauen<br />
Die Rolle der Frauen im Männerbund wurde bis jetzt als relativ passiv beschrieben.<br />
Frauen waren lediglich symbolisch als die „anderen“ bzw. real als die in der Peripherie<br />
wirkenden Komplementärgestalten ihrer bündisch organisierten Männer in Erscheinung<br />
getreten. Ihre aktive stabilisierende Funktion für den Männerbund ist aber<br />
schon deshalb nicht zu verleugnen, weil dieser ohne ihr Zutun nicht lange existieren<br />
könnte. Es stellt sich also die Frage, inwiefern Frauen von der Existenz der Männerbün-<br />
178
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 179<br />
de profitieren. Womöglich verringern auch sie eigene Unsicherheiten mit dem anderen<br />
Geschlecht, wenn sie zu jenem auf Distanz gehen, und schaffen eigene Kompetenz- und<br />
Machtbereiche (innerhalb der Familie oder der Organisation des Haushaltes). Bis heute<br />
am wichtigsten ist aber wohl, daß sie als Partnerinnen einflußreicher Männer abgeleiteten<br />
Status und Schutz durch den Männerbund erfahren. Damit stabilisieren sie ihre<br />
weibliche Identität, die in unserer Gesellschaft nach wie vor auch davon abhängt, daß<br />
ein statushoher männlicher Lebenspartner vorgewiesen wird.<br />
Es kommt nicht von ungefähr, daß Frauen in dem Maße Interesse an bisher typisch<br />
männlichen Arbeitsplätzen entwickeln, wie präformierter Lebenssinn und normierter<br />
weiblicher Lebensentwurf im Verschwinden begriffen sind. Die zunehmende Anzahl<br />
von Frauen, die in Männerdomänen eindringen wollen, beweist, daß ihnen die direkten<br />
Privilegien (oder auch Belastungen) des Männerbunds attraktiver als die abgeleiteten<br />
erscheinen. Die Tendenz zur Individualisierung innerhalb der Gesellschaft bedeutet, daß<br />
es für Frauen immer riskanter wird, sich auf dauerhafte „verbundene Leben“ mit Männern<br />
und den daraus abgeleiteten Status und Lebensstandard zu verlassen. Frauen wollen<br />
in führende Positionen, dafür sprechen nicht nur ihre Ausbildungswege und Lebensentwürfe,<br />
sondern auch Studien wie die bereits zitierte, die belegen, daß Aufgaben und<br />
Qualifikationen in Führungspositionen für Frauen die geringsten Probleme darstellen.<br />
Es liegt auf der Hand, daß es in Zukunft nicht darum gehen kann, Schonräume für<br />
Frauen zu errichten, sondern daß Kooperation und Konkurrenz zwischen den Geschlechtern<br />
zur Normalität werden müssen. Noch gibt es jedoch keine normative Regelung<br />
von gemischtgeschlechtlicher Zusammenarbeit, denn in der neuartigen Situation<br />
der Kooperation der Geschlechter werden wieder zwei Welten vermischt, die in einem<br />
langen mühsamen Prozeß vorher getrennt worden waren – Arbeitsorganisation und Sexualität.<br />
Dadurch entstehen Konflikte und Unsicherheiten bezüglich Sexualität und Erotik,<br />
denn Männer und Frauen haben Angst, (sexuelle) Grenzen nicht einzuhalten. Innerhalb<br />
bestimmter Muster wird zwar sexuelles Verhalten in Organisationen besonders bei<br />
Männern toleriert (Beziehungen mit untergebenen Frauen, sexuelle Belästigung), aber<br />
die Grenzen werden immer unbestimmter, je neuartiger die Form der Zusammenarbeit<br />
zwischen Frauen und Männern wird. Zudem bieten sich Frau-Mann-Beziehungen geradezu<br />
als Zielobjekt für Mikropolitik an, da in ihnen das „Nicht-Organisationale“, Nicht-<br />
Rationale bereits angelegt ist (Neuberger 1993) – es drohen Gerüchte und Rufmorde.<br />
Damit im Zusammenhang steht eine Neubestimmung der Interaktion mit dem anderen<br />
Geschlecht, denn gelernte Umgangsformen werden nunmehr obsolet: Höflichkeit, Herablassung,<br />
Sich Aufspielen, Beschützen, Erobern, Aktivitäten setzen usw. von Seiten<br />
der Männer; sich helfen lassen, auf Initiative warten, sich zurückziehen, Bewunderung<br />
für den Mann usw. von Seiten der Frauen.<br />
Männlichkeit, die sich über Beruf und Erfolg definiert, wird bedroht und in Zweifel<br />
gezogen, wenn Frauen Kolleginnen und Vorgesetzte werden. Denn Frauen, die als<br />
Gleichgestellte akzeptiert werden, fallen als Bewunderinnen männlicher Leistungen aus.<br />
Viele Männer fürchten, daß mit dem Eintritt einer Frau ins Management die Kollegialität<br />
unter den Männern bedroht ist und sie zu Rivalen werden.<br />
179
180 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
9. Was ist zu tun?<br />
Um an der gegenwärtigen Lage etwas zu verändern, wird der Ruf nach einer konkreten<br />
Gleichstellungspolitik immer lauter, und es fehlt nicht an elaborierten Konzepten<br />
zur Entwicklung und Implementierung von Gleichstellungsmaßnahmen (siehe dazu der<br />
von Gertraude Krell herausgegebene Band „Chancengleichheit durch Personalpolitik“<br />
1997). Verschiedene AutorInnen haben aber auch nachgewiesen, wie offizielle Maßnahmen<br />
unterlaufen oder mangelhaft umgesetzt werden (z.B. Riegraf 1996). Staatliche<br />
und politische Richtlinien sind höchstwahrscheinlich um so schwieriger durchzusetzen,<br />
je gewichtiger die Rolle von Männerbünden ist. Männerbündische Strategien werden<br />
jedoch nur zum Teil überlegt und geplant durchgeführt – den Männern ist es oftmals gar<br />
nicht bewußt, daß sie Frauen diskriminieren (im ursprünglichen Wortsinn: daß sie einen<br />
Unterschied machen, daß sie Differenzen zwischen sich und den Frauen bilden). Mit<br />
gutem Gewissen finden sie rationale Gründe für die Abwesenheit von Frauen in ihrer<br />
Abteilung oder in ihrer Arbeitsgruppe. Oftmals wird diese Tatsache ehrlich bedauert,<br />
denn Männerbünde bestehen nicht nur aus gegenseitigen Schulterklopfen und Witze<br />
reißen, aus Treffen am Golfplatz und Abendessen im örtlichen Männerclub, sondern<br />
haben auch ihre Kosten: ein ständiges Sich-Beweisen als „richtiger“ Mann, möglichst<br />
wenig Schwäche und Selbstzweifel zeigen, wenig Zeit für die Familie, Angst vor Verlust<br />
der privilegierten Position, Anpassungsdruck an die herrschende Kultur (z.B. über Zoten<br />
lachen, sich für Sport interessieren, keine Kritik üben). Es scheint so, als wären Opfer<br />
notwendig, um den Bund aufrecht erhalten zu können: Man opfert seine Gesundheit, seine<br />
Familie, seine innere Ruhe und Gelassenheit, aber auch sein Gefühl für Gerechtigkeit den<br />
Frauen gegenüber, um vermeintlich Höheres und Wichtigeres zu erringen.<br />
Man könnte zu dem resignativen Schluß kommen, daß gegen diese psychodynamischen<br />
Prozesse kein Kraut gewachsen sei. Jedoch ist Männlichkeit keine determinierte<br />
fixe Struktur, sondern veränderlich und dynamisch – das zeigen allein die unterschiedlichen<br />
Formen von Männlichkeit, die im Laufe der historischen Entwicklung vorherrschend<br />
waren. Heute muß ein rechter Mann beispielsweise keine große Körperkraft<br />
mehr vorweisen, um in die Eliten aufgenommen zu werden. Die Frage ist also, wie es<br />
Männern möglich gemacht werden kann, ihre abwehrenden und ausgrenzenden Strategien<br />
aufzugeben zugunsten offeneren, gerechteren und moderneren Handlungsweisen,<br />
ohne sich in ihrer Männlichkeit bedroht zu fühlen. Im Rahmen dieses Beitrags können<br />
nur einige Ideen dazu vorgestellt werden, die im folgenden Abschnitt in Vorschläge auf<br />
der Makroebene (staatliche und betriebliche Maßnahmen) und auf der Mikroebene (individuelles<br />
Handeln) eingeteilt sind.<br />
1) Makroebene<br />
Wenn Gleichstellungspolitik wirksam sein soll, muß sie sehr konsequent und mit<br />
verbindlichen Vorgaben durchgesetzt werden, um jenen Personen, die politische Leitlinien<br />
im Konkreten umzusetzen haben, zu helfen, ihre eigene unbewußte Abwehr zu<br />
überwinden. Denn häufig läuft folgendes Schema ab: Weibliche und männliche Kandidaten<br />
sind in der engsten Auswahl, es wird hin und her diskutiert, und zum Schluß entscheidet<br />
man sich für einen Mann, natürlich nicht ohne rationale Argumente dafür parat<br />
zu haben. Auch jene, die eigentlich nichts gegen die Einstellung einer Frau einzuwen-<br />
180
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 181<br />
den hätten, scheuen sich, ihren Mitarbeitern eine Frau als Kollegin zuzumuten, weil sie<br />
damit das fratriarchale Prinzip und den Männerbund zerstören würden.<br />
Ein kleiner Zwang von oben würde indessen den Betroffenen (Männern wie Frauen)<br />
helfen, sich aneinander zu gewöhnen und normale (d.h. nicht unbedingt harmonische,<br />
aber auch keine ausgrenzenden) Kooperationsbeziehungen zu entwickeln. Denn<br />
typische Konflikte und Unsicherheiten, wie sie oben genannt wurden, entstehen unter<br />
anderem aufgrund fehlenden täglichen Umgangs miteinander; je höher Männer aufsteigen,<br />
desto weniger Frauen kennen sie als Kolleginnen und desto mehr in Zuarbeiterfunktion<br />
(Sekretärinnen, Assistentinnen) und in privaten Rollen (Ehefrau, Geliebte,<br />
Tochter...). Sie kommen im Lauf der Zeit zu dem Schluß, daß sie für ihre männliche<br />
Identität Frauen in diesen Rollen – und in keinen anderen – brauchen.<br />
An dieser Stelle werden viele LeserInnen einwenden, daß Zwang doch eher zu<br />
schlechtem Betriebsklima und mikropolitischen Gegenmaßnahmen führt. Ich behaupte<br />
das Gegenteil: Der Männerbund stellt sich selbst in Frage, wenn er bereitwillig Frauen<br />
aufnimmt; er gibt damit zu, doch Frauen zu brauchen und reagiert mit vermehrtem Zusammenschluß<br />
und internem Ausschluß den Frauen gegenüber, um sein Selbstbild zu<br />
wahren. Die Folgen sind Konflikte in der Zusammenarbeit, sowie Frustration, womöglich<br />
Resignation bei den Frauen. Diese Situation scheint bereits vielerorts eingetreten zu<br />
sein: Den ersten Frauen in Männerdomänen folgen nicht unbedingt neue und mehr, sondern<br />
im Gegenteil wird ihre Zahl geringer. Offensichtlich haben diese Vorreiterinnen<br />
schlechte Erfahrungen vermittelt oder keine ermutigenden Vorbilder abgegeben. Sind<br />
die Frauen jedoch aufgrund gleichstellungspolitischer Maßnahmen rekrutiert oder befördert<br />
worden, ist der Männerbund davon entlastet, diese Entscheidung vor sich selbst<br />
zu rechtfertigen.<br />
Es muß jedoch eine genügend große Anzahl von Frauen in einer Männerdomäne<br />
tätig sein. Kanter (1993) fand in ihren Untersuchungen heraus, daß ein Anteil von mehr<br />
als 30 Prozent Frauen notwendig sei, um eine negative Dynamik ihres Minderheitenstatus<br />
zu verhindern. Vereinzelte Frauen werden leicht Opfer unbewußter und bewußter<br />
männlicher Mikropolitik und können nur individuell reagieren; es wird ihnen schwerfallen,<br />
eine neue Linie im Umgang und in der Kooperation mit Männern zu entwickeln,<br />
die auf Dauer gestellt ist und nicht nur vom guten Willen der konkreten Beteiligten abhängt.<br />
Eine Gruppe von Frauen bildet zwar nicht notwendigerweise einen „Frauenbund“<br />
aus – eine solche Strategie haben Frauen nicht gelernt, es fehlt die lange Tradition und<br />
Erfahrung, auf die Männerbünde zurückblicken können. Die weibliche Identität hat es<br />
kaum nötig, sich durch Verbündung unter Frauen zu stabilisieren. So ist es bedauerlich,<br />
aber naheliegend, daß sich einzelne Frauen eher mit dem Männerbund solidarisieren als<br />
mit anderen einzelnen Frauen; schließlich ist dieser nicht nur der sicherere Partner, sondern<br />
er verspricht auch auf der zwischengeschlechtlichen Ebene eine gewisse Anerkennung.<br />
Zudem ist der Abbau geschlechtsspezifischer bzw. -hierarchischer Arbeitsteilung<br />
in allen Bereichen dringend notwendig. Die Folge solcher Arbeitsteilung ist die Vergeschlechtlichung<br />
von Tätigkeiten: Bestimmte Tätigkeiten werden mit einem Geschlecht<br />
verknüpft, so daß erst eine Denkbarriere überwunden werden muß, um sich einen<br />
Angehörigen des anderen Geschlechts bei dieser Tätigkeit vorzustellen. Solche<br />
181
182 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
Schemata werden zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen, wenn mangels Frauen auf<br />
bestimmten Arbeitsplätzen die damit verbundene Tätigkeit männlich wird, was dazu<br />
führt, daß für freie Stellen die Rekrutierung von Frauen nicht in Betracht gezogen wird.<br />
Der Abbau geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung ist verbunden mit einer Flexibilisierung<br />
der Geschlechtsrollen, die es Frauen und Männern erlaubt, ihre Handlungsspielräume<br />
und Denkgewohnheiten zu erweitern.<br />
2) Mikroebene<br />
Frauen haben – wie zu erwarten ist – mit allen Merkmalen des Männerbundes große<br />
Probleme: die strengen, meist ungeschriebenen Reglements im Umgang der Mitglieder,<br />
die teilweise Entindividualisierung des Einzelnen zugunsten des Bundes und der zu<br />
erwartenden Gewinne, die gleichzeitig existierende Brüderlichkeit und Konkurrenz,<br />
Kameraderie und Hierarchie, und natürlich die latent oder offen bestehende Frauenfeindlichkeit<br />
mit den damit verbundenen sexistischen Äußerungen, der Witz- und Gesprächskultur<br />
sowie der Strategie des internen Ausschlusses.<br />
Um Frauen den Umgang mit dem Männerbund zu erleichtern, sollten sie zunächst<br />
ihre eigene Rolle reflektieren. Frauen als aktive Unterstützerinnen von Männerbünden<br />
drängen Männer in typisch männliche Rollen, haben stereotype Erwartungshaltungen an<br />
Männer und bringen nichttraditionell lebenden Männern nicht immer Bewunderung<br />
entgegen. Jedoch unterliegen natürlich auch und insbesondere Frauen geschlechtsspezifischen<br />
Erwartungen, die es ihnen schwer machen, aus ihrer Rolle der zweiten Instanz<br />
hinter dem Mann und der Familienfrau auszubrechen. Diese Rolle ist seit langer Zeit<br />
einstudiert und bringt zumindest die Anerkennung als Frau. Alles Neue – sich mit Männern<br />
messen, sich neue Kompetenzen aneignen, die Kinder anderen (dem Vater?) überlassen<br />
– macht verständlicherweise Angst und verspricht nicht unbedingt Erfolg. Frauen<br />
brauchen deshalb alle Unterstützung von politischer Seite, um nichttraditionelle Wege<br />
nicht nur zu beschreiten, sondern auch konsequent durchzuhalten.<br />
Vor allem aber müssen sich Frauen der Funktionen und Strategien von Männerbünden<br />
bewußt werden. Allzu oft setzen sie auf ihre Fachkompetenz und investieren<br />
enorme Energien in die Lösung von Sachfragen und in ihren persönlichen Leistungsoutput,<br />
ohne zu erkennen, daß es darum vielleicht gar nicht geht. Männerbündische Mechanismen<br />
zu durchschauen hilft, besser auf sie zu reagieren oder sie für sich zu nutzen.<br />
Frauen könnten sich beispielsweise auf einen zu erwartenden Schulterschluß der Männer<br />
vorbereiten und eine eigene Strategie aufbauen, wofür eine weibliche Solidarität<br />
nicht schaden würde. Je mehr Frauen zusammenarbeiten, desto größer ist die Chance,<br />
daß eine Verbündung unter Frauen Vorteile bringt, desto besser können sie sich kollektiv<br />
gegen sexistisches Verhalten wehren, und vor allem: Sie bringen eine größere Bandbreite<br />
von „Weiblichkeiten“ mit. Und darum soll es in Zukunft gehen: Männer und<br />
Frauen sollen in all ihrer Verschiedenheit (die unter Frauen, unter Männern und zwischen<br />
Männern und Frauen herrscht) lernen, miteinander so umzugehen, daß Kooperation<br />
möglich ist. Eine Situation soll entstehen, in der Sexualität nicht verbannt ist (denn<br />
das ist zwischen Menschen niemals möglich), aber in der sie nicht auf Kosten einer<br />
Gruppe existiert, als Sexismus diskriminierend wirkt oder derart eingeteilt wird, daß<br />
manche mehr sexuelle Freiheiten genießen als andere.<br />
182
<strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98) 183<br />
Wenn sich Männer auf neue Kooperations- und Umgangsformen einstellen (müssen),<br />
werden alte Reglements und Gepflogenheiten in Frage gestellt, neue Arrangements<br />
ausprobiert. Auch für Männer gilt es, sich männerbündischer Tendenzen bewußt<br />
zu werden, um die eigenen oft automatisch ablaufenden Verhaltensmuster zu verändern.<br />
Damit haben auch Männer die Chance, enge und rigide Männlichkeitsvorstellungen zu<br />
verlassen und sich eine größere Vielfalt von Handlungsweisen anzueignen. Schließlich<br />
könnten sie Vorteile aus einer geschlechtergerechten Strategie ziehen: weniger zeitliche<br />
Opfer (weil Frauen eventuell die Notwendigkeit überlanger Sitzungen und Diskussionen<br />
in Frage stellen), eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (weil nicht mehr automatisch<br />
jemand für die Versorgung der Familie bereitsteht), heterogenere Vorgehensweisen<br />
bei der Lösung von Problemen (weil unterschiedlichere Personen vielfältigere<br />
Ideen produzieren), mehr Offenheit gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppierungen,<br />
mehr Gerechtigkeit und Demokratie. Und wären nicht viele Männer froh, wenn<br />
sie ohne Angst vor Nachteilen am Arbeitsplatz in Erziehungsurlaub gehen oder ihre Arbeitszeit<br />
reduzieren könnten?<br />
Idealerweise sollte diese Art von Bewußtseinsbildung durch betriebliche Maßnahmen<br />
unterstützt werden, die es Frauen und Männern erlauben, über Probleme und Konflikte<br />
zu reden und eigene Ängste bezüglich der neuen Situation abzubauen. Denkbar<br />
sind Selbsterfahrungsgruppen, Persönlichkeitstrainings bzw. Entwicklungsmaßnahmen<br />
speziell für Männer, in denen sie ihre Vorstellungen von Männlichkeit und Mannsein<br />
reflektieren. Für Frauen müßten neben ähnlichen Gruppen, in denen sie ihre Erwartungen<br />
an sich und Männer analysieren, vermehrt Schulungen („Männerbundtrainings“)<br />
angeboten werden, in denen sie Selbstdarstellung, Argumentation, strategisches Handeln<br />
und Konfliktbewältigung lernen.<br />
10. Ausblick<br />
Gemeinschaftsbildung scheint ein bereits früh entstandenes Bestreben von Männern<br />
zu sein, das darin besteht, sich von Frauen abzugrenzen und eigene Sinninhalte und<br />
Machträume zu entfalten. Deren herrschaftliche Funktion ergibt sich schon alleine daraus,<br />
daß zur Sicherung der „männlichen“ Tätigkeiten, Ordnungen und Neuentwicklungen<br />
die Nicht-Mitglieder abwertet und die neuen Wissensbestände oder Ideen diesen<br />
vorenthalten werden müssen. Die Wurzel des Männerbundes scheint jedoch eher im<br />
Aufbau und der Stabilisierung der männlichen Identität zu liegen, die für ihre anspruchsvollen<br />
und eng umgrenzten Inhalte nicht nur gleichgesinnte Andere braucht,<br />
sondern auch eine reglementierte Binnenorganisation, die das fragile Gebäude aus Begehren<br />
und Distanz nicht zusammenstürzen läßt. Der Ausschluß der Frauen muß mit deren<br />
Devaluierung und mit der Überhöhung der Männer verbunden werden. Je intensiver<br />
aber die Abgrenzungspolitik zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern betrieben<br />
wird, desto größer wird wiederum die Unsicherheit im Umgang mit der jeweils anderen<br />
Gruppe und desto tiefer wird die Kluft zwischen beiden.<br />
Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist Aufgabe der staatlichen und betrieblichen<br />
Politik, der gesellschaftlichen Kräfte, die Fortschritte hin zu mehr Gerechtigkeit zwischen<br />
den Geschlechtern in Gang bringen können, sowie aller Frauen und Männer, die<br />
sich ihrer geschlechtsrollenfixierten Handlungsweisen bewußt werden wollen.<br />
183
184 <strong>Rastetter</strong>: Männerbund Management (ZfP 2/98)<br />
In diesem Beitrag konnten nur einige Reflexionen darüber angestellt werden, wie<br />
eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern vor dem Hintergrund<br />
männerbündischer Kräfte hergestellt werden kann. In der deutschsprachigen Managementforschung<br />
wird die Bedeutung von Männlichkeit kaum untersucht (weshalb in diesem<br />
Heft bewußt ein Schwerpunkt darauf gelegt wurde), der Männerbund-Gedanke jedoch<br />
praktisch ignoriert, was dazu führt, daß produktionslogische und effizienzorientierte<br />
Ansätze, zu denen auch der Managing Diversity – Ansatz zählt, einen zu großen<br />
Stellenwert erhalten. Eine Integration mit psychologischer bzw. psychoanalytischer<br />
Forschung zu Geschlechtsidentität und – spezifischer – zum Aufbau und zur Veränderung<br />
dessen, was in unserer Gesellschaft als Männlichkeit gilt, wäre vonnöten.<br />
Literatur<br />
Bilden, Helga (1991): Geschlechtsspezifische Sozialisation. In: Hurrelmann, Klaus/Ulich, Dieter<br />
(Hg.): Neues Handbuch der Sozialisationsforschung, (4.Aufl.). Weinheim, Basel: Beltz,<br />
S.279-301.<br />
Blüher, Hans (1919): Die Rolle der Erotik in der männlichen Gesellschaft. Jena: Diederichs.<br />
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