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Howard F. Gospel Wie Phönix aus der Asche? Die Wiederbelebung ...

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402 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

<strong>Howard</strong> F. <strong>Gospel</strong> *<br />

<strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>?<br />

<strong>Die</strong> <strong>Wie</strong><strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung in Großbritannien **<br />

In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von Län<strong>der</strong>n den Versuch unternommen,<br />

ein System wie<strong>der</strong> einzuführen, das die Berufs<strong>aus</strong>bildung an ein Beschäftigungsverhältnis<br />

koppelt. Großbritannien ist hierfür eines <strong>der</strong> jüngsten Beispiele: die<br />

Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung (Mo<strong>der</strong>n Apprenticeship) forcierte das Beschäftigungsverhältnis<br />

als Instrument zur Entwicklung von beruflichen Fähigkeiten. <strong>Die</strong>ser Artikel untersucht<br />

nun das Konzept und die praktische Umsetzung dieses Programms bis zum heutigen<br />

Tag. Obwohl einige optimistische Schlußfolgerungen gezogen werden können, ist die<br />

Quantität und die Qualität <strong>der</strong> Ausbildung im Rahmen dieser Initiative eher kritisch zu<br />

betrachten. <strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung wird als die wahrscheinlich letzte Möglichkeit angesehen,<br />

die an ein Beschäftigungsverhältnis gekoppelte betriebliche Erst<strong>aus</strong>bildung<br />

wie<strong>der</strong>aufleben zu lassen.<br />

In recent years attempts have been made to revive apprenticeship training in a<br />

number of countries. Britain is one of the latest examples: here a major attempt has<br />

been made to revive the employment-based route to skill formation in the form of the<br />

so-called Mo<strong>der</strong>n Apprenticeship. This article examines the design and operation<br />

of this programme to date. While some optimistic conclusions are drawn, there are<br />

worries in terms of the quantity and quality of training un<strong>der</strong> the initiative. The Mo<strong>der</strong>n<br />

Apprenticeship is seen as being probably the last opportunity in Britain to revive the<br />

employment-based route to initial training.<br />

______________________________________________________________________<br />

* Professor Dr. <strong>Howard</strong> <strong>Gospel</strong>, Jg. 1946. Management Centre, King´s College, London, und<br />

Centre for Economic Performance, London School of Economics. Arbeitsgebiete: Industrielle<br />

Beziehungen, Human Resource Management und Berufs<strong>aus</strong>bildung..<br />

Ich möchte dem Centre for Economic Performance an <strong>der</strong> London School of Economics für<br />

die finanzielle Unterstützung dieses Projektes danken und beson<strong>der</strong>s Steve Bradley, <strong>der</strong> mir<br />

bei den Statistiken in Abbildung 1 behilflich war.<br />

** Artikel eingegangen: 9.1.98 / revidierte Fassung eingegangen und akzeptiert: 13.5.98.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 403<br />

Vergleichbare Versuche, die Berufs<strong>aus</strong>bildung auf nationaler und lokaler Ebene<br />

wie<strong>der</strong>zubeleben, haben in den letzten Jahren in einer ganzen Reihe von Län<strong>der</strong>n, wie<br />

Frankreich, Spanien, Italien und den USA stattgefunden. <strong>Die</strong>s ist jeweils durch verschiedene<br />

Faktoren beeinflußt worden. So wuchs in allen Län<strong>der</strong>n die Überzeugung,<br />

daß die Entwicklung von beruflichen Fähigkeiten einen signifikanten Einfluß auf die<br />

nationale wirtschaftliche Leistung hatte. In einigen Län<strong>der</strong>n kam die Besorgnis wegen<br />

<strong>der</strong> Jugendarbeitslosigkeit und des gestörten Verhältnisses zu Bildung, Ausbildung und<br />

Arbeit hinzu. In allen industrialisierten Gesellschaften än<strong>der</strong>t sich zwar <strong>der</strong> Bedarf an<br />

neuen Fähigkeiten, daneben haben die Fähigkeiten <strong>der</strong> mittleren Qualifikationsstufe (intermediate<br />

skills), die traditionell häufig durch eine Berufs<strong>aus</strong>bildung erworben wurden,<br />

jedoch nicht an Bedeutung verloren. Vielmehr gab es ein beträchtliches Interesse an<br />

dem deutschen System <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung, welches – zu recht o<strong>der</strong> nicht, das sei dahingestellt<br />

– für viele Beobachter Modellcharakter hat. <strong>Die</strong> Versuche, das System <strong>der</strong><br />

Berufs<strong>aus</strong>bildung wie<strong>der</strong>zubeleben, waren jedoch in den seltensten Fällen erfolgreich.<br />

(Organisation for Economic Co-operation and Development 1994; Finegold 1993).<br />

In Großbritannien war die Lehre traditionell die gebräuchlichste formale Methode,<br />

gewerbliche Arbeiter <strong>aus</strong>zubilden. Ebenso diente sie als zentrales Instrument, um Fähigkeiten<br />

<strong>der</strong> mittleren Qualifikationsstufe zu entwickeln. Seit den späten sechziger Jahren<br />

und während <strong>der</strong> siebziger Jahre hat die Bedeutung <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung jedoch<br />

abgenommen (siehe Abbildung 1). In den achtziger Jahren haben die Unternehmen generell<br />

wenig unternommen, um dieses System zu erhalten. Gleichzeitig stand die damalige<br />

konservative Regierung einer Ausbildungsform, die die Gewerkschaften unterstützten,<br />

sehr mißtrauisch gegenüber. Seit den frühen achtziger Jahren spitzte sich die Diskussion<br />

zu, ob und inwieweit Großbritannien hinter seinen Hauptkonkurrenten bei <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung beruflicher Fähigkeiten, vor allem auf <strong>der</strong> mittleren Qualifikationsebene, zurückbleibe.<br />

Durch eine bedeutende Än<strong>der</strong>ung ihres Parteiprogramms im Herbst 1993<br />

führte die konservative Regierung die sogenannte Mo<strong>der</strong>ne Berufs<strong>aus</strong>bildung ein. <strong>Die</strong>se<br />

ist seitdem ein wichtiger Bestandteil des Bildungsprogramms <strong>der</strong> Labour Regierung.<br />

Britische und auch <strong>aus</strong>ländische Unternehmen, die in Großbritannien operieren, müssen<br />

dies nun als eine Chance, aber auch als eine Einschränkung ihrer Ausbildungsgrundsätze<br />

und -praktiken erkennen.<br />

1. Der Hintergrund<br />

Während <strong>der</strong> sechziger und siebziger Jahre wurden Versuche unternommen, das<br />

britische Ausbildungssystem zu reformieren und zu erweitern. Das Gesetz zur gewerblichen<br />

Ausbildung 1964 (Industrial Training Act), die damit verbundene dreiseitig besetzte<br />

Ausbildungskammer 1 (Industrial Training Board) und auch das gesetzlich verankerte<br />

Subventionssystem unterstützten das Ausbildungssystem, indem sie eine Aufteilung <strong>der</strong><br />

Kosten zwischen den Arbeitgebern anstrebten (Senker 1992). In einigen Branchen, wie<br />

zum Beispiel im Maschinenbau und in <strong>der</strong> chemischen Industrie, wurde die Ausbildung<br />

dahingehend reformiert, daß modulare Ausbildungsmethoden entwickelt, <strong>der</strong> Umfang<br />

1<br />

In den Ausbildungskammern waren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und <strong>der</strong><br />

Staat vertreten.


404 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

<strong>der</strong> Ausbildung außerhalb des Arbeitsplatzes erhöht und neue Normen eingeführt wurden,<br />

die ein „Zeitabsitzen“ (time serving) verhin<strong>der</strong>n sollten. In verschiedenen Branchen,<br />

aber auch innerhalb einzelner Branchen, verlief die Entwicklung sehr unterschiedlich.<br />

Zudem war <strong>der</strong> Versuch, die Lehre auch auf neue Berufe <strong>aus</strong>zudehnen, weitgehend<br />

erfolglos. Rückblickend ist wohl zu sagen, daß hier eine Chance verpaßt und das britische<br />

System <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung damit nicht so grundlegend reformiert wurde, wie es in<br />

Deutschland <strong>der</strong> Fall war. 2 Zur damaligen Zeit war das Berufs<strong>aus</strong>bildungssystem in Großbritannien<br />

zusätzlich an<strong>der</strong>en tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>aus</strong>gesetzt.<br />

Abb. 1: Auszubildende als prozentualer Anteil an <strong>der</strong> Beschäftigung im weiterverarbeitenden<br />

Gewerbe, im Maschinenbau, im Baugewerbe und im <strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />

— . — Baugewerbe, …… Maschinenbau, —— weiterverarbeitende Gewerbe, - - - - <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

Quelle: Zahlen des Department for Employment von 1964-90, Zahlen des Labour Force Survey<br />

von 1979-96. Der Maschinenbau umfaßt Metallerzeugung und -verarbeitung, Maschinenbau und<br />

die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen. Im verarbeitenden Gewerbe sind <strong>der</strong> Maschinenbau<br />

und an<strong>der</strong>e verarbeitende Gewerbe zusammengefaßt. Der <strong>Die</strong>nstleistungsektor setzt<br />

sich <strong>aus</strong> dem Transportwesen mit zugehöriger Logistik, dem Gastgewerbe, dem öffentlichen Personennahverkehr,<br />

dem Kredit- und Versicherungsgewerbe und <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung zusammen.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> steigenden Jugendarbeitslosigkeit führte die Regierung<br />

eine Reihe von Programmen ein, um die Berufs<strong>aus</strong>bildung zu för<strong>der</strong>n. Das wichtigste<br />

dieser neu eingeführten Programme war das <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung (Youth Training)<br />

von 1983. Innerhalb dieses Programms wurde den Auszubildenden eine staatliche Unterstützung<br />

gezahlt, in einem Beschäftigungsverhältnis standen sie jedoch in <strong>der</strong> Regel<br />

nicht. <strong>Die</strong> Initiative <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung mag rückblickend dazu geführt haben, daß<br />

2<br />

1969 reformierte und erweiterte das Berufsbildungsgesetz in Westdeutschland die nationale<br />

Rahmengebung und zielte darauf ab, die Ausbildungsstandards zu erhöhen.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 405<br />

viele, die unter normalen Umständen keine Lehre absolviert hätten, an einer formalen<br />

Ausbildung teilnahmen. Das Programm war aber beson<strong>der</strong>s darauf <strong>aus</strong>gerichtet, die Jugendarbeitslosigkeit<br />

zu lin<strong>der</strong>n, so daß ein Großteil <strong>der</strong> Ausbildung auf geringem Niveau<br />

stattfand. <strong>Die</strong>s brachte bei jungen Leuten und Arbeitgebern den staatlichen Programmen<br />

einen schlechten Ruf ein. Einige Firmen, die zuvor Ausbildungsplätze angeboten<br />

hatten, ersetzten diese durch die für die Firmen günstigeren Arbeitsplätze des Jugend<strong>aus</strong>bildungsprogramms.<br />

An<strong>der</strong>e Firmen hingegen benutzten die Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

als Selektionsverfahren, indem sie <strong>aus</strong>gewählte Auszubildende nach einer gewissen Zeit<br />

als normale Auszubildende übernahmen. Bis in die späten achtziger Jahre waren schätzungsweise<br />

zwei Drittel <strong>der</strong> Auszubildenden im ersten Jahr im Jugend<strong>aus</strong>bildungsprogramm<br />

beschäftigt (Payne 1995: 78). Das Konzept <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung för<strong>der</strong>te somit<br />

einerseits die Berufs<strong>aus</strong>bildung durch die Subventionen des Staates, untergrub sie aber<br />

an<strong>der</strong>erseits durch die angebotene staatliche Alternative.<br />

<strong>Die</strong> konservative Regierung führte ab 1979 eine ganze Reihe von Initiativen ein,<br />

die nach den Prinzipien <strong>der</strong> freien Marktwirtschaft operierten und die einen tiefgreifenden,<br />

wenn auch manchmal gegenläufigen Effekt auf das System <strong>der</strong> Berufsbildung und<br />

-<strong>aus</strong>bildung <strong>aus</strong>übten. Bezüglich <strong>der</strong> Bildung versuchte die Regierung zum einen die<br />

berufliche Ausrichtung <strong>der</strong> Schulen anzuregen, was aber nur eine eingeschränkte Auswirkung<br />

hatte. Zum an<strong>der</strong>en versuchte sie, die Rate <strong>der</strong>jenigen zu erhöhen, die weiter<br />

zur Schule gehen. <strong>Die</strong>s führte zu einem beträchtlichen Anstieg <strong>der</strong> Teilnahmeraten (siehe<br />

Abbildung 2) (Green/Steedman 1996). Auf dem Gebiet <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung wurden<br />

die meisten <strong>der</strong> dreiseitig besetzten Ausbildungskammern aufgelöst und die Mehrzahl<br />

<strong>der</strong> Subventionsregelungen aufgehoben und durch ein, von Arbeitgebern geleitetes,<br />

freiwilliges System <strong>der</strong> Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung (Training and Enterprise Councils)<br />

ersetzt. <strong>Die</strong>se Räte setzten sich <strong>aus</strong> Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Arbeitgeber <strong>der</strong> Privatwirtschaft auf<br />

lokaler Ebene zusammen, die mit <strong>der</strong> Koordination <strong>der</strong> Ausbildung und <strong>der</strong> Einführung<br />

<strong>der</strong> staatlichen Programme beauftragt waren. Auf <strong>der</strong> sektoralen Ebene wurden die früher<br />

vom Management und den Gewerkschaften gemeinsam geleiteten Ausbildungskammern<br />

(training boards) durch gewerbliche Ausbildungsorganisationen (Industrial<br />

Training Organisations) ersetzt, die wie<strong>der</strong>um größtenteils von den Arbeitgebern dominiert<br />

wurden. Im Zusammenhang mit Laisser-faire-Ideen wurden mehrere Maßnahmen<br />

eingeführt, um die Bezahlung und die sonstigen Vergütungen <strong>der</strong> jungen Leute zu kürzen.<br />

Weiterhin wurden Privatanbieter von Ausbildungsprogrammen geför<strong>der</strong>t, und den<br />

jungen Leuten wurden Ausbildungsgutscheine gewährt, die dann auf dem Markt gegen<br />

eine staatlich genehmigte Ausbildung einget<strong>aus</strong>cht werden sollten. In einer bedeutenden<br />

Reform des Qualifikationssystems wurde ab 1986 ein neues System eines Klassifikationsschemas<br />

<strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen (National Vocational Qualifications)<br />

eingeführt. Hier<strong>aus</strong> entwickelte sich ein Rahmen von Standards, <strong>der</strong> auf den sogenannten<br />

„Kompetenzen“ basierte, d.h. solchen Fähigkeiten Arbeitsaufgaben <strong>aus</strong>zuführen,<br />

die eine Arbeitskraft im Rahmen ihrer praktischen Arbeit nachweisen kann. Es<br />

war beabsichtigt, damit ein nationales und rationalisiertes System zu entwickeln, das die<br />

Qualifikationen transparent und übertragbar macht und sie einem fünfstufigen Ranking<br />

(die erste Ebene ist Einstiegsebene, die fünfte Ebene ist <strong>der</strong> höchste Abschluß) zuordnet<br />

(Jessup 1990; Beaumont 1995). Kritiker beurteilen die Auswirkungen dieser neuen


406 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Qualifikationen auf die Qualität <strong>der</strong> Ausbildung als größtenteils negativ und sprechen<br />

<strong>der</strong> Auswirkung auf die Quantität <strong>der</strong> Ausbildung einen eher kleinen Effekt zu (Smithers<br />

1993; Robinson 1996). Es wurde dann ein zusätzliches Set an Qualifikationen eingeführt:<br />

die allgemeinen nationalen Berufsqualifikationen (General National Vocational<br />

Qualifications), um für diejenigen, die weiterhin zur Schule gehen, eine berufliche Alternative<br />

zum traditionellen Abitur (A–levels) zu bieten. 3<br />

Zu dieser Zeit war die Anzahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze, die in späten sechziger Jahren<br />

zu sinken begann, weiterhin rückläufig. <strong>Wie</strong> in Abbildung 1 erkennbar, waren die<br />

drastischsten Rückgänge <strong>der</strong> Ausbildungsplätze in den späten sechziger und den frühen<br />

siebziger Jahren sowie Mitte <strong>der</strong> achtziger und neunziger Jahre zu verzeichnen. Abbildung<br />

2 zeigt, daß sich die Teilnehmer an <strong>der</strong> weiterführenden Bildung und den staatlichen<br />

Programmen <strong>aus</strong> einem größeren Anteil <strong>aus</strong> jüngeren Leuten zusammensetzten.<br />

Abb. 2: Bildungs- und Arbeitsmarkttätigkeiten <strong>der</strong> männlichen und weiblichen 16-18-Jährigen<br />

in Großbritannien von 1979-96<br />

—— Beschäftigte, - - - - in weiterführen<strong>der</strong> Bildung, …… arbeitslos,<br />

— . —in <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung beschäftigt, —o— Auszubildende<br />

Quelle: Education Statistics for the UK (verschiedene Ausgaben) und Labour Force Survey für die<br />

Auszubildendenzahlen.<br />

Es gab eine Reihe von Gründen für den Rückgang von Ausbildungsplätzen. Auf<br />

<strong>der</strong> Angebotsseite war man <strong>der</strong> Auffassung, daß junge Leute in Großbritannien weniger<br />

3<br />

Es wurde die Meinung vertreten, daß diese Alternative schon in Form von verschiedenen<br />

traditionellen Institutionen wie <strong>der</strong> Städte und Stände (City and Guilds) o<strong>der</strong> Geschäfts- und<br />

Technologiebildungszentren (Business and Technology Education Council) existierte, welche<br />

auch zur Zufriedenheit zu funktionieren schienen.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 407<br />

gewillt seien, eine Lehre zu beginnen, da sie es vorzogen, in <strong>der</strong> Vollzeit-Schulbildung<br />

(full-time education) zu bleiben. <strong>Die</strong>s scheint mit dem großen Rückgang an Auszubildenden<br />

in den frühen neunziger Jahre zu korrelieren, jedoch gibt es keine klaren Anhaltspunkte<br />

dafür, daß Ausbildungen seit den späten sechziger Jahren weniger attraktiv<br />

wurden. Auch ist es nicht <strong>der</strong> Fall, daß alle jungen Leute die Schule fortsetzen o<strong>der</strong> zur<br />

Universität gehen wollen. <strong>Die</strong> Arbeitgeber vertraten die Meinung, daß <strong>der</strong> Rückgang<br />

<strong>der</strong> traditionellen Gewerbe und <strong>der</strong> technische Fortschritt die Nachfrage nach Auszubildenden<br />

einschränkte. Offensichtlich sind einige Gewerbe, wie zum Beispiel das <strong>der</strong><br />

Drucker, eingegangen o<strong>der</strong> haben an Bedeutung verloren. <strong>Die</strong> Abnahme <strong>der</strong> Auszubildendenzahlen<br />

ist jedoch auch im Verhältnis zur Beschäftigung in jedem Sektor immer<br />

noch deutlich. <strong>Die</strong> Gewerkschaften sind <strong>der</strong> Meinung, daß durch die Einschränkung des<br />

gewerkschaftlichen Einflusses und des Verbreitungsgrades <strong>der</strong> Tarifvertragsverhandlungen<br />

eine Stütze <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung beseitigt wurde. <strong>Die</strong>se Erklärung klingt zwar<br />

pl<strong>aus</strong>ibel, ist aber auch etwas problematisch, da <strong>der</strong> Rückgang an Ausbildungsplätzen in<br />

Großbritannien nicht stark mit dem Rückgang des gewerkschaftlichen Einflusses korreliert.<br />

Gewerkschaften mögen bei <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Ausbildungsorganisation eine wichtige<br />

Rolle spielen, im allgemeinen haben sie jedoch ein zu geringes Mitspracherecht, um<br />

Ausbildungsplätze schaffen o<strong>der</strong> erhalten zu können. Von <strong>der</strong> Arbeitgeberseite wurde<br />

das überzeugen<strong>der</strong>e Argument vorgebracht, daß die Firmen seit den späten sechziger<br />

Jahren <strong>aus</strong> verschieden Gründen weniger gewillt waren, neue Auszubildende aufzunehmen.<br />

Durch die gestiegenen Auszubildendenlöhne und -gehälter, die verlängerten<br />

Ausbildungszeiten und die kürzere effektive und produktive Arbeitszeit stiegen die<br />

Kosten eines Ausbildungsplatzes (Ryan 1993).<br />

Der fehlgeschlagene Versuch, das System grundlegend zu reformieren, ließ die<br />

Ausbildung als Form <strong>der</strong> Berufsvorbereitung für die Arbeitgeber vor dem Hintergrund<br />

des wachsenden technischen Wandels und des Konkurrenzdruckes immer unattraktiver<br />

werden. Im Zusammenhang mit gestiegenen Unsicherheiten auf dem Absatzmarkt und<br />

erhöhten Arbeitslosigkeitsraten seit den siebziger Jahren entschieden sich viele Firmen<br />

für die kurzfristige Variante, nicht selbst <strong>aus</strong>zubilden. Sie strebten danach, ihre Arbeitskräfte<br />

vom externen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Nur in den Fällen, in denen die Ausbildung<br />

von jungen Leuten unvermeidbar war, schlossen einige Arbeitgeber informelle<br />

Betriebsvereinbarungen ab, während sich an<strong>der</strong>e den staatlich finanzierten Programmen<br />

des Jugend<strong>aus</strong>bildung zuwandten. Somit wurde sowohl das Engagement <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

geschwächt als auch das breite Angebot an Ausbildungsplätzen eingeschränkt.<br />

Schließlich ist noch hinzuzufügen, daß die Regierung seit den frühen achtziger Jahren<br />

die Berufs<strong>aus</strong>bildung mißbilligte und ihre Unterstützung einstellte. Verschiedenste Regierungsberichte<br />

<strong>der</strong> frühen achtziger Jahre stellten als Nachteile <strong>der</strong> Ausbildung die<br />

Assoziation mit den Gewerkschaften, das „Absitzen“ von Zeit und die einschränkenden<br />

Verfahrensweisen auf dem Arbeitsmarkt (restrictive labour practices) her<strong>aus</strong> (Central<br />

Policy Review Staff 1980; Manpower Services Commission 1981). <strong>Die</strong> Kräfte <strong>der</strong> freien<br />

Marktwirtschaft, die Betriebsvereinbarungen von Firmen und staatliche Interventionen<br />

haben somit das heikle Gleichgewicht gestört, von dem branchenspezifische Ausbildungsplätze<br />

abhängig zu sein scheinen.


408 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Vor diesem Hintergrund kündigte die konservative Regierung 1993 eine Revision<br />

ihrer Einstellung zur Berufs<strong>aus</strong>bildung an und gab durch eine wichtige Initiative den<br />

Startschuß für das Programm <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung.<br />

2. Das Konzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung<br />

<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung wurde konzipiert, um sowohl traditionelle als auch neue<br />

Elemente zu vereinen. Auf den traditionellen Ausbildungen basierend, machte das Konzept<br />

eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Auszubildendem zur<br />

Auflage, worin die gegenseitigen Rechte und Pflichten spezifiziert wurden. <strong>Die</strong>ser Vertrag<br />

sollte die Ausbildung, die Qualifikationen und die Verpflichtung zum Abschluß <strong>der</strong><br />

Ausbildung gewährleisten. 4 <strong>Die</strong> Vereinbarung an sich stellte eine gegenseitige und langfristige<br />

Verpflichtung dar, die Ausbildungsblöcke entsprechend umfangreich zu gestalten<br />

und die Verfahren, Phasen und Ergebnisse <strong>der</strong> Ausbildung festzulegen. Der Vertrag<br />

mußte jeweils von dem lokalem Rat für Ausbildung in Firmen unterschrieben werden,<br />

mit <strong>der</strong> Erwartung, daß im Falle einer Firmenauflösung des Arbeitgebers ein alternativer<br />

Ausbildungsplatz gefunden würde. Eine logische Folge dieses vom Arbeitgeber<br />

dominierten Vertrages war <strong>der</strong> Arbeitnehmerstatus <strong>der</strong> Auszubildenden während <strong>der</strong><br />

Ausbildung. Hierin wurde ein Weg gesehen, den Arbeitgeber zu verpflichten, und<br />

gleichzeitig diente es als Mittel, um junge Leute anzuwerben. Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung<br />

war, daß die Auszubildenden keine staatliche Unterstützung erhielten, son<strong>der</strong>n<br />

von ihrem Arbeitgeber ein Gehalt beziehen sollten.<br />

Jede Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung war einem sektoralem Rahmen zugeordnet, <strong>der</strong> auf dem<br />

nationalen Klassifikationsschema basierte. Für die Befürworter des Programms stellte<br />

<strong>der</strong> Trend weg vom reinen „Zeitabsitzen“ und hin zum Erlangen von konkreten Fähigkeiten<br />

einen <strong>aus</strong>schlaggebenden und effektiven Weg dar, Zeitverschwendung zu vermeiden<br />

und Ergebnisse von hoher Qualität zu garantieren. Obwohl kein spezifischer<br />

zeitlicher Rahmen festgelegt wurde, ging man davon <strong>aus</strong>, daß die durchschnittliche<br />

Ausbildungszeit drei Jahre betragen würde. Innerhalb des Rahmens <strong>der</strong> nationalen beruflichen<br />

Ausbildung sollte eine Ausbildung mit <strong>der</strong> dritten Ebene abgeschlossen werden,<br />

die im akademischen System dem Erreichen von zwei A–levels 5 entsprach. Es<br />

wurde auch <strong>der</strong> Vorschlag gemacht, einige Ausbildungsplätze einer höheren Ebene<br />

dann zuzuordnen, wenn sie technische, aufsichtsführende und leitende Fähigkeiten vermittelten.<br />

In <strong>der</strong> weiteren Ausarbeitung des Konzeptes wurden zu dem Ziel <strong>der</strong> aufgabenspezifischen<br />

Fähigkeiten des Systems <strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen<br />

noch Schlüsselqualifikationen wie Rechnen, Kommunikation, Informationstechnologien,<br />

das Problemlöseverhalten und persönliche Fertigkeiten wie Gruppenarbeit hinzugefügt.<br />

<strong>Die</strong>se Qualifikationsangebote strebten eine breite Grundbildung für den Auszubildenden<br />

an.<br />

4<br />

5<br />

Indirekt schien dies weiterhin eine Verpflichtung <strong>der</strong> Arbeitgeber anzudeuten, den Auszubildenden<br />

nach erfolgreichem Abschluß behilflich zu sein, einen festen Job zu finden.<br />

Erworben werden die A-levels an den weiterführenden Zweigen <strong>der</strong> allgemeinen Schulen<br />

(Sixth Form Colleges) o<strong>der</strong> an speziellen Colleges (Sixth Form College, College of Further<br />

Education). In <strong>der</strong> Regel werden ca. 3 bis 4 A-levels studiert.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 409<br />

<strong>Die</strong> Schlüsselqualifikationen scheinen identisch mit denen <strong>der</strong> allgemeinen nationalen<br />

beruflichen Qualifikationen. Der theoretische Ausbildungsteil sollte durch eine<br />

weiterführende Bildungsinstitution (educational colleges) o<strong>der</strong> durch Privatanbieter an<br />

bestimmten Wochentagen o<strong>der</strong> im Blocksystem angeboten werden. Es wurde weiterhin<br />

angestrebt, durch die Ausbildung eine Grundlage für das Wechseln zwischen verschiedenen<br />

Ausbildungszweigen zu bieten und ein Aufsteigen in <strong>der</strong> Hierarchie <strong>der</strong> nationalen<br />

beruflichen Qualifikationen zu ermöglichen. Ebenso sollte gewährleistet werden,<br />

daß ein späterer Wechsel zur Hochschule möglich wäre. Somit war es Ziel <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung, in Anlehnung an die alte Form <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung, allgemeine Fähigkeiten<br />

zu vermitteln, die auf dem berufsfachlichen Arbeitsmarkt angewendet werden<br />

können. Im Gegensatz zu den traditionellen Berufs<strong>aus</strong>bildungen war es ein Kennzeichen<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung, eine breite Bildungsgrundlage zu legen und den Wechsel<br />

zwischen den verschieden Berufszweigen zu ermöglichen.<br />

Man erwartete, daß die Auszubildenden im ersten Lehrjahr zwischen sechzehn und<br />

siebzehn Jahren alt sein würden. In den folgenden Jahren wurde dann eine sogenannte<br />

verkürzte Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung (Accelerated Mo<strong>der</strong>n Apprenticeship) für die Achtzehnbis<br />

Neunzehnjährigen eingeführt, die schon die Ebene <strong>der</strong> allgemeinen nationalen beruflichen<br />

Qualifikationen o<strong>der</strong> das Abitur erreicht hatten. Von diesen Auszubildenden<br />

wurde erwartet, daß sie die dritte Ebene <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung in achtzehn Monaten erreichen<br />

können. Somit konnten sowohl die Auszubildenden <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung<br />

in den universitären Bildungsweg einsteigen als auch umgekehrt Schüler <strong>aus</strong> <strong>der</strong> weiterführenden<br />

Schulbildung in das Ausbildungsprogramm wechseln. Das Streben nach größerer<br />

Flexibilität wurde durch die aufkommende Vorstellung, daß das britischen System<br />

alternative aber miteinan<strong>der</strong> verbundene Wege in <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung anbieten sollte,<br />

unterstützt (Department for Trade and Industry (DTI) 1994). Ursprüngliches Ziel war<br />

es, die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung in einem großen Spektrum von Branchen anzubieten und<br />

den Verbreitungsgrad über die Branchen hin<strong>aus</strong> <strong>aus</strong>zudehnen, die traditionell Ausbildungsmöglichkeiten<br />

anboten, wie z.B. <strong>der</strong> Maschinenbau und die Baubranche. In dieser<br />

Hinsicht versuchte die Initiative, die Berufs<strong>aus</strong>bildung in Anlehnung an das breiter <strong>aus</strong>gelegte<br />

deutsche System zu gestalten. Zusätzlich sollte das Programm <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

Frauen und ethnischen Gruppen bessere Chancen bieten. <strong>Die</strong>se hatten oft schlechtere<br />

Zugangsmöglichkeiten zu Ausbildungsplätzen und haben <strong>aus</strong> diesem Grunde auch<br />

häufig keine Ausbildungen absolviert.<br />

Ein grundlegendes Ziel <strong>der</strong> Ausbildungsinitiative war es, den Arbeitgebern einen<br />

Eigentümerstatus zu vermitteln, <strong>der</strong> wie bereits in den vorhergegangenen Reformen <strong>der</strong><br />

konservativen Regierung als die Übertragung von Führung und Kontrolle über die Auszubildenden<br />

verstanden werden kann. <strong>Die</strong>s wurde als notwendig erachtet, um das Engagement<br />

<strong>der</strong> Unternehmen zu för<strong>der</strong>n und um zu verhin<strong>der</strong>n, daß das Programm nur als<br />

ein weiteres staatliches För<strong>der</strong>programm für Arbeitslose angesehen würde. Aus diesem<br />

Grund hatten die von Arbeitgebern geleiteten Ausbildungskammern die Aufgabe, den<br />

Rahmen des Ausbildungsprogramms zu entwerfen. Im weiteren Verlauf sollten dann die<br />

ebenfalls von Arbeitgeberseite geleiteten Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung die Realisierung<br />

auf <strong>der</strong> lokalen Ebene vornehmen. Weiterführenden beruflichen Bildungsinstitutionen<br />

(vocational education colleges), traditionellen Zertifizierungsgremien und vor allem den


410 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Gewerkschaften wurde eine weniger bedeutende Rolle zugeschrieben. Innerhalb des nationalen<br />

Rahmens <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung konnten die einzelnen Arbeitgeber die innerbetriebliche<br />

Ausbildung ihren firmenspezifischen Bedingungen anpassen. Von entscheiden<strong>der</strong><br />

Bedeutung war hierbei, daß <strong>der</strong> Arbeitgeber den Ausbildungslohn bezahlte und<br />

einen Teil <strong>der</strong> Ausbildungskosten übernahm.<br />

Schließlich wurde bekanntgegeben, daß – obwohl <strong>der</strong> Hauptteil <strong>der</strong> Kosten von<br />

den Firmen getragen werden mußte – staatliche Fonds verfügbar gemacht würden, um<br />

die Entwicklung des Programms zu finanzieren und um so zu den Kosten <strong>der</strong> außerbetrieblichen<br />

Ausbildung beizutragen. Zum ersten Mal wurde somit das wichtige Prinzip<br />

<strong>der</strong> staatlichen Unterstützung für eine Teilzeit-Schulbildung (part-time education) und<br />

Ausbildung <strong>der</strong> beschäftigten jungen Leute eingeführt. Einen wesentlichen Teil des<br />

Konzeptes stellte die Finanzierung <strong>der</strong> Ausbildungen durch neue Ausbildungsgutscheine<br />

für Jugendliche (Youth Credits) dar. Man glaubte, daß diese auf dem Markt <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chbaren<br />

Gutscheine die Motivation <strong>der</strong> jungen Leute verstärke, eine Ausbildung zu<br />

machen, und die Bereitschaft <strong>der</strong> Arbeitgeber för<strong>der</strong>e, Auszubildende aufzunehmen.<br />

Das Geld sollte durch die Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung verwaltet werden, die die jeweilige<br />

Höhe <strong>der</strong> Unterstützung mit dem Arbeitgeber vereinbaren mußten, um lokale Flexibilität<br />

zu gewährleisten.<br />

3. <strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung in <strong>der</strong> Praxis<br />

Mehr als siebzig Bereiche, und damit <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> britischen Industrie und des<br />

Handels, haben bis heute das Programm <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung eingeführt o<strong>der</strong> befinden<br />

sich zumindest in <strong>der</strong> Entwicklungsphase. In einigen Branchen, wie <strong>der</strong> des Maschinenb<strong>aus</strong><br />

und <strong>der</strong> Elektroinstallation, konnte das Ausbildungsprogramm auf <strong>der</strong><br />

Grundlage einer schon länger existierenden Vereinbarung eingeführt werden. An<strong>der</strong>e<br />

Bereiche hingegen, wie <strong>der</strong> des Einzelhandels, <strong>der</strong> Informationstechnologie und <strong>der</strong><br />

kaufmännische Bereich mußten sich <strong>der</strong> weit<strong>aus</strong> schwierigeren Aufgabe stellen, die<br />

Rahmenbedingungen völlig neu auf <strong>der</strong> Basis von existierenden, nicht festgelegten Qualifikationen<br />

o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Basis von alten Vereinbarungen <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung zu konzipieren.<br />

Zu Beginn des Jahres 1996 wurde die verkürzte Mo<strong>der</strong>ne Berufs<strong>aus</strong>bildung in<br />

das Hauptprogramm integriert. Es wurde befürchtet, daß ein gekürztes Programm und<br />

die Tatsache, daß die Auszubildenden älter als ursprünglich angestrebt waren, die<br />

Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Initiative untergraben würden (Ernest & Young: Dezember 1995).<br />

Es ist unklar, mit welchen Beträgen die Regierung das Programm finanziell unterstützte<br />

und in welcher Höhe Ausbildungssubventionen an die Firmen gezahlt wurden.<br />

1994 wurde angekündigt, daß mehr als 1,35 Mrd. Pfund über die nächsten drei Jahre<br />

verfügbar gemacht werden würden, um die Rahmenbedingungen zu schaffen und die<br />

Ausbildungsgutscheine für Jugendliche für die außerbetriebliche Ausbildung zu gewähren.<br />

<strong>Die</strong>se Summe wurde jedoch teilweise durch Kürzung <strong>der</strong> Mittel für an<strong>der</strong>e Programme,<br />

wie zum Beispiel das <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung, und eine bloße Umverteilung <strong>der</strong><br />

finanziellen Unterstützung von an<strong>der</strong>en Programmen auf die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung aufgebracht.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Arbeitgebersubventionen wurden die Entscheidungsbefugnisse<br />

auf die Räte für Berufsbildung übertragen, wodurch die einzelnen Beträge abhängig<br />

vom jeweiligen Rat und <strong>der</strong> Berufsgruppe variieren. Das Ministerium für Arbeit und


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 411<br />

Bildung (Department for Education and Employment) setzt Zielgrößen für die Räte fest.<br />

<strong>Die</strong>se wie<strong>der</strong>um entscheiden dann, mit welchen Beträgen sie die jeweiligen Programme<br />

unterstützen. Sie haben somit einen gewissen Spielraum bei ihren Entscheidungen. Sie<br />

können beispielsweise die eher schwer zu besetzenden Ausbildungsplätze im Maschinenbau<br />

o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Informationstechnologie subventionieren, o<strong>der</strong> sie unterstützen die<br />

ohnehin beliebten Ausbildungsplätze im Friseurhandwerk o<strong>der</strong> im Einzelhandel. Arbeitgeber<br />

scheinen in diesem Entscheidungsprozeß nur geringfügige Einflußmöglichkeiten<br />

<strong>aus</strong>üben zu können. Im Durchschnitt deckt die staatliche Unterstützung – auf einen<br />

Ausbildungsplatz bezogen – ca. 6.000 Pfund <strong>der</strong> durchschnittlichen Gesamtkosten von<br />

25.000 Pfund einer dreijährigen Ausbildung ab. 6 <strong>Die</strong>ser Betrag ist ungefähr doppelt so<br />

hoch wie die Subventionen, die für die Jugend<strong>aus</strong>bildung gezahlt wurden. <strong>Wie</strong> wir weiter<br />

unten sehen werden, mag dies immer noch unzureichend sein, um Arbeitgeber <strong>aus</strong><br />

den Sektoren anzuziehen, in denen die Kosten <strong>der</strong> außerbetrieblichen Ausbildung beson<strong>der</strong>s<br />

hoch sind.<br />

Wegen des zweifelhaften Rufs <strong>der</strong> staatlichen Programme und <strong>der</strong> wachsenden<br />

Präferenz für den Weg <strong>der</strong> schulischen Bildung wurde anfänglich befürchtet, daß die<br />

jungen Leute nicht <strong>aus</strong>reichend Interesse an dieser Form <strong>der</strong> Ausbildung hätten. In <strong>der</strong><br />

Praxis war es jedoch in den meisten Fällen recht einfach, Jugendliche anzuwerben, und<br />

<strong>der</strong> durchschnittliche Grad an schulischer Vorbildung <strong>der</strong> Auszubildenden im ersten<br />

Lehrjahr war hoch. Viele dieser Auszubildenden wären sonst weiterhin zur Schule gegangen<br />

o<strong>der</strong> hätten die universitäre Laufbahn eingeschlagen. Ein beträchtlicher Anteil<br />

an Auszubildenden <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung wechselte jedoch in die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung,<br />

so daß im Endeffekt 40% <strong>der</strong> Auszubildenden in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

kamen. Wenn die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze künftig gesteigert und<br />

gleichzeitig die Qualität konstant gehalten werden soll, müssen mehr Auszubildende mit<br />

höheren schulischen Qualifikationen eingestellt o<strong>der</strong> die Qualifikationen <strong>der</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

stammenden Leute aufgewertet werden. Das durchschnittliche Anfangsalter<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Auszubildenden (Mo<strong>der</strong>n Apprentices) liegt über siebzehn<br />

Jahren, was den Wunsch <strong>der</strong> Arbeitgeber nach hohen Bildungsstandards wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

<strong>Die</strong> Ziele <strong>der</strong> Chancengleichheit scheinen unglücklicherweise nicht erfüllt worden zu<br />

sein, da nur 3% <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>aus</strong> ethnischen Min<strong>der</strong>heiten stammen und nur<br />

39% Frauen sind, die sich zudem noch in den traditionellen Frauenberufen konzentrieren.<br />

7 Bezüglich ihres Status ist zu sagen, daß 95% in einem Beschäftigungsverhältnis<br />

stehen. Ausnahmen sind hauptsächlich in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>pflege, im kaufmännischen Bereich<br />

und in <strong>der</strong> Baukonstruktion (engineering construction) zu finden. <strong>Die</strong> Höhe <strong>der</strong> Bezahlung<br />

variiert zwischen dem minimalen Zuschuß für Jugend<strong>aus</strong>bildung von 29,50 Pfund<br />

und einem maximalen Betrag von 165 Pfund pro Woche, den einige Auszubildenden im<br />

Maschinenbau beziehen, wobei die durchschnittliche Bezahlung bei 76 Pfund pro Wo-<br />

6<br />

7<br />

Financial Times, 24. März 1997<br />

<strong>Die</strong> Zahlen sind <strong>der</strong> Datenbank des Ressorts für Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung entnommen.


412 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

che liegt. 8 Marsden und Ryan (1995) argumentierten in diesem Zusammenhang, daß die<br />

Mo<strong>der</strong>nen Auszubildenden als Anreizfunktion für die Arbeitgeber keinen Beschäftigungsstatus<br />

haben und nur einen geringen Lohn beziehen sollten, wie es in Deutschland<br />

üblich ist. Aufgrund <strong>der</strong> Erfahrungen, die in Großbritannien mit <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

gemacht wurden, scheint es jedoch notwendig, den Beschäftigungsstatus beizubehalten,<br />

um Auszubildende anzuziehen und im Programm zu halten.<br />

Aus verschiedenen Umfragen geht hervor, daß <strong>der</strong> fehlende Beschäftigungsstatus<br />

eine große Unzufriedenheit unter den Auszubildenden hervorrief (Unwin/Wellington<br />

1996). In Bezug auf das Arbeitsentgelt schlugen Marsden und Ryan (1995) vor, einen<br />

Betrag festzulegen, <strong>der</strong> irgendwo zwischen <strong>der</strong> geringen Unterstützung <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

und <strong>der</strong> höheren Entlohnung von bis zu über 100 Pfund die Woche liegt, die in<br />

einigen traditionellen Ausbildungen gezahlt wird. Unter diesen Umständen scheint eine<br />

durchschnittliche Bezahlung, mit Ausnahme einiger höherer Löhne in Branchen wie <strong>der</strong><br />

des Maschinenb<strong>aus</strong>, <strong>der</strong> richtige Weg zu sein.<br />

In mehr als 75% <strong>der</strong> Firmen gibt es formale Vereinbarungen über Ausbildungspläne,<br />

die die Phasen, den außerbetrieblichen Teil und die Ergebnisse <strong>der</strong> Ausbildung festsetzen<br />

(Ernst & Young: Oktober 1995). In wenigen Fällen, wie zum Beispiel in einigen<br />

Chemieunternehmen, findet das erste Lehrjahr <strong>aus</strong>schließlich in einer weiterführenden<br />

Bildungsinstitution statt. In diesen Fällen ist <strong>der</strong> mangelnde Bezug zum Arbeitsplatz eine<br />

Enttäuschung für die betroffenen jungen Leute (Unwin/Wellington 1996). Lei<strong>der</strong> ist<br />

es noch nicht möglich abzuschätzen, welcher Prozentsatz <strong>der</strong>jenigen, die eine Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

abschließen, einen festen Arbeitsplatz entwe<strong>der</strong> in ihrem Ausbildungsbetrieb<br />

o<strong>der</strong> bei einem an<strong>der</strong>en Arbeitgeber finden. <strong>Die</strong>s wird sicherlich ein bedeuten<strong>der</strong><br />

Test des langfristigen Erfolges des Programms sein. 9<br />

Aus wissenschaftlichen Untersuchungen konnte die eindeutige Schlußfolgerung<br />

gezogen werden, daß mehr als zwei Drittel <strong>der</strong> <strong>aus</strong>bildenden Arbeitgeber ihre Bereitschaft<br />

erklärten, verstärkt Mo<strong>der</strong>ne Auszubildende aufzunehmen und das Programm<br />

an<strong>der</strong>en Firmen weiterzuempfehlen. <strong>Die</strong> Auszubildenden scheinen darüber hin<strong>aus</strong> mit<br />

ihrem Ausbildungsprogramm sehr zufrieden zu sein (Ernst & Young: Oktober 1995). Es<br />

bleibt jedoch erfor<strong>der</strong>lich, diese überwiegend positiven staatlichen Untersuchungsergebnisse<br />

zu hinterfragen und die quantitativen und qualitativen Ergebnisse detaillierter<br />

zu betrachten.<br />

Vom quantitativen Standpunkt <strong>aus</strong> gesehen wurde angestrebt, daß sich jährlich<br />

zwischen 60.000 und 70.000 Mo<strong>der</strong>ne Auszubildende qualifizieren. Als klares Ziel waren<br />

zwischen 150.000 und 200.000 Mo<strong>der</strong>ne Auszubildende vorgesehen (DTI 1994;<br />

Bayliss 1994: 24). Als weiteres Ziel sollte – auf <strong>der</strong> Basis von 1992-93 – die Zahl <strong>der</strong><br />

jungen Leute, die an staatlich geför<strong>der</strong>ter Berufs<strong>aus</strong>bildung teilnehmen und die dritte<br />

8<br />

9<br />

<strong>Die</strong> höchste durchschnittliche Bezahlung gab es im Maschinenbau mit 88 Pfund und in <strong>der</strong><br />

chemischen Industrie mit 83 Pfund. Der niedrigste Durchschnitt wurde in <strong>der</strong> Verwaltung<br />

mit 45 Pfund und in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>pflege mit 41 Pfund die Woche bezahlt (Ernst & Young, Februar<br />

1995: 18).<br />

Zumindest kurzfristig gesehen sollte mit einer hohen Prozentzahl zu rechnen sein, da die<br />

Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung zu Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwungs eingeführt wurde.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 413<br />

Ebene <strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen erreichen, bis Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre<br />

verdreifacht werden. 10 Während das Hauptziel des Programms darin lag, fortgeschrittene<br />

berufliche Fähigkeiten <strong>aus</strong>zubilden, gab es an<strong>der</strong>e, ehrgeizigere Absichten, technisches<br />

und unternehmerisches Wissen und Kenntnisse von Führung zu vermitteln.<br />

Tatsächlich ist den Zahlen <strong>der</strong> Tabelle 1 ein eher bescheidenes Resultat zu entnehmen.<br />

Bis zum Juli 1997 begannen in England und Wales insgesamt 114.833 junge Leute<br />

eine Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung. <strong>Die</strong> Zielvorstellungen sind somit nicht erreicht worden, obwohl<br />

die Zahlen <strong>der</strong> Auszubildenden zunahmen. Wird nun daneben die Rate an Ausbildungsabbrüchen<br />

von 15% in Betracht gezogen, so wird es bis über die Jahrhun<strong>der</strong>twende<br />

hin<strong>aus</strong> dauern, bis die Zielvorgabe erreicht ist. Bezüglich Abbildung 1 ist zu sagen,<br />

daß die Einführung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung nicht den Rückgang <strong>der</strong> Auszubildendenzahlen<br />

aufhalten konnte. <strong>Wie</strong> schon zuvor erwähnt, stammt ein wesentlicher Anteil<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Auszubildenden <strong>aus</strong> dem Programm <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung. <strong>Die</strong>s zeigt<br />

sich nach Einführung des neuen Programms an dem schrumpfenden Anteil <strong>der</strong> Sechszehn-<br />

bis Achtzehnjährigen in <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung. 11 Durch eine Differenzierung nach<br />

Bereichen werden weitere Probleme sichtbar. Über 40% <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Auszubildenden<br />

sind in den traditionellen Zweigen beschäftigt: 13,4% im Maschinenbau, 13,2% im<br />

Baugewerbe und in <strong>der</strong> Elektrobranche, 7,7% bei <strong>der</strong> Instandhaltung und Wartung von<br />

Kraftfahrzeugen und 7,3% im Friseurgewerbe. <strong>Die</strong> größten, nicht-traditionellen Bereiche<br />

sind <strong>der</strong> kaufmännische Bereich mit 14,6% <strong>der</strong> Auszubildenden, <strong>der</strong> Einzelhandel<br />

mit 10,5%, das Gesundheits- und Sozialwesen und die Kin<strong>der</strong>pflege mit zusammen<br />

8,9% und das Gastgewerbe mit 7,4%. Eher enttäuschend sind die Gebiete <strong>der</strong> Informationstechnologie<br />

die 2,0% <strong>der</strong> Auszubildenden beschäftigen, die Chemie- und damit<br />

verbundene Industrien mit 0,6%, Textil und Bekleidung mit 0,3% und Telekommunikation<br />

ebenso mit 0,3%, obwohl einige dieser Branchen behaupten würden, daß ihre Programme<br />

noch sehr neu sind. 12<br />

10<br />

11<br />

12<br />

Als Basis wurden hierbei die sieben% <strong>der</strong> Auszubildenden genommen, die auf <strong>der</strong> dritten<br />

o<strong>der</strong> vierten Qualifikationsebene <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung abschlossen (Robinson 1996: 19).<br />

<strong>Die</strong> Anzahl <strong>der</strong> Auszubildenden in <strong>der</strong> Altersgruppe fiel laut den Bildungsstatistiken (Education<br />

Statistics) des Ministeriums für Arbeit und Bildung um ein Prozent (1996: 44). Es<br />

muß vielleicht zu Gute gehalten werden, daß eine Abbruchrate von sechzehn Prozent besser<br />

als die Abbruchrate <strong>der</strong> traditionellen Ausbildungen mit 20 zu 25% ist, und die Rate <strong>der</strong><br />

Ausbildungsabbrecher in <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung noch höher ist (Payne 1995: 51-52).<br />

In <strong>der</strong> Anlaufphase <strong>der</strong> Ausbildung gab es einige überraschende geographische Verteilungen.<br />

In Kent waren nämlich 63% <strong>der</strong> Auszubildenden im Friseurgewerbe beschäftigt, während<br />

es im gleichen Gewerbe in Essex keine Auszubildenden gab; in Tyneside waren 47%<br />

<strong>der</strong> Auszubildenden im Einzelhandel tätig wohingegen die benachbarte Gegend Teeside nur<br />

7% im Einzelhandel <strong>aus</strong>bildete (Observer, 16. Juni 1996, unveröffentlichtes Material des<br />

Ministeriums für Arbeit und Bildung zitierend). Es ist nicht klar, inwieweit diese Unterschiede<br />

weiter fortbestanden.


414 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Tab. 1. Gesamtzahl <strong>der</strong> Anfänger einer Mo<strong>der</strong>nen Berufs<strong>aus</strong>bildung in England bis Ende Juli<br />

1997<br />

Anfängerzahlen in Prozent<br />

Buchhaltung 2770 2.4<br />

Landwirtschaft 1026 0.9<br />

Luftfahrt 213 0.2<br />

Bus und Reisebus 211 0.2<br />

Kaufmännischer Bereich 16791 14.6<br />

Chemische Industrie 650 0.6<br />

Baugewerbe 10491 9.1<br />

Elektroinstallation 4649 4.1<br />

Elektrobranche 196 0.2<br />

Maschinenbau 15359 13.4<br />

Stahlgewerbe 157 0.1<br />

Friseurgewerbe 8376 7.3<br />

Immobilienmakler 501 0.4<br />

Gesundheits- und Sozialwesen und<br />

10099 8.9<br />

Kin<strong>der</strong>pflege<br />

Gastgewerbe 8442 7.4<br />

Informationstechnologien 2296 2.0<br />

Herstellen von Kraftwagen und Kraftwagenteilen<br />

8899 7.7<br />

Speditionsbranche 249 0.2<br />

Druckgewerbe 1103 1.0<br />

Herstellen von Möbeln 304 0.3<br />

Einzelhandel 12099 10.5<br />

Reisebranche 2123 1.8<br />

Textil und Bekleidung 156 0.3<br />

Sport und Erholung 1168 1.0<br />

Weitere Branchen 6505 5.7<br />

Gesamtzahl <strong>der</strong> Ausbildungsanfänger<br />

(69 Branchen)<br />

114833 100<br />

Quelle: Ministerium für Arbeit und Bildung. Der Maschinenbau umfaßt die Verarbeitung, den<br />

Schiffbau und die <strong>Die</strong>nstleistung im Sinne von Ingenieurtätigkeiten; das Baugewerbe umfaßt die<br />

Bauindustrie, Baukonstruktion, Installation von Rohren und Leitungen, Heizung und Belüftung.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 415<br />

Manche Firmen haben das Konzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung benutzt, um wie<strong>der</strong><br />

in die Ausbildung einzusteigen, an<strong>der</strong>en Firmen gab es den Anstoß zum ersten Mal <strong>aus</strong>zubilden.<br />

Viele Unternehmen haben jedoch lediglich Ausbildungsplätze, die sie sowieso<br />

finanziert hätten o<strong>der</strong> die in den ersten zwei Lehrjahren durch das Programm <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung<br />

unterstützt worden wären, durch Mo<strong>der</strong>ne Ausbildungsplätze ersetzt.<br />

Führende Firmen in <strong>der</strong> Maschinenbaubranche, wie zum Beispiel Rolls Royce, British<br />

Aerospace, Rover und Ford, haben möglichst viele bestehende Ausbildungsplätze nach<br />

Programmen wie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung umbenannt. In ähnlicher Weise haben Arbeitgeber<br />

<strong>der</strong> Baubranche, die ihre Ausbildungsplätze in den ersten zwei Jahren über die<br />

Jugend<strong>aus</strong>bildung finanzierten, nun zur Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung gewechselt. Somit besteht<br />

die berechtigte Sorge, daß eine zwar unbekannte, aber vermutlich bedeutende Zahl<br />

an Ausbildungen dieser Natur ist. Zur Jahrhun<strong>der</strong>twende werden Auszubildende <strong>aus</strong> allen<br />

Programmen zusammengefaßt wahrscheinlich nur 10% <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>der</strong> Sechszehn-<br />

bis Achtzehnjährigen <strong>aus</strong>machen. Im Endeffekt bedeutet dies, daß sich die Auszubildendenzahlen<br />

auf <strong>der</strong> Basis von 1992-93 wenig o<strong>der</strong> auch gar nicht gesteigert haben.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> erreichten Qualifikationen können einige vorsichtige Schlußfolgerungen<br />

gezogen werden. In <strong>der</strong> Vergangenheit erreichten manche Auszubildende <strong>der</strong><br />

traditionellen Ausbildung nur die zweite Ebene <strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen,<br />

und nur 11% <strong>der</strong>jenigen, die eine Jugend<strong>aus</strong>bildung abschlossen, erreichten die<br />

dritte Ebene (Robinson 1996: 19). Zudem zeigte die erste Umfrage unter Arbeitgebern,<br />

daß 58% <strong>der</strong> <strong>aus</strong>bildenden Unternehmen die Auszubildenden nicht für die dritte Ebene<br />

o<strong>der</strong> ihr Äquivalent <strong>aus</strong>bildeten (Ernst &Young, Oktober 1995). Das Konzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung kann somit einerseits dazu beitragen, das Qualifikationsniveau zu<br />

heben und dem Ausbildungsprogramm neue Schlüsselqualifikationen zuzufügen. Wenn<br />

man jedoch die oben abgebildeten Zahlen in Betracht zieht, ist an<strong>der</strong>erseits unwahrscheinlich,<br />

daß es gelingt, die Anzahl <strong>der</strong> Auszubildenden, die die dritte Qualifikationsstufe<br />

abgeschlossen haben, bis zur Jahrhun<strong>der</strong>twende zu verdreifachen. Noch unwahrscheinlicher<br />

ist es, daß die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung eine durchschlagende Auswirkung auf<br />

die technischen Qualifikationen und Führungsfähigkeiten <strong>der</strong> vierten Ebene hat.<br />

In Bezug auf die qualitativen Aspekte können ebenfalls verschiedene Schlußfolgerungen<br />

gezogen werden. Für die konservative Regierung stellte die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung<br />

zweifellos einen bedeutenden Ansatz zur Qualitätssteigerung und eine <strong>Wie</strong><strong>der</strong>einführung<br />

des „Goldstandards“ für eine Ausbildung am Arbeitsplatz in Großbritannien<br />

dar (DE, Employment Gazette, April 1994: 99). <strong>Die</strong>se Sichtweise teilt auch die neue<br />

Labour Regierung.<br />

Sicherlich ist es als positiv zu bewerten, daß das neue Ausbildungskonzept bei den<br />

jungen Leuten offensichtlich großes Ansehen genießt und daß die Bildungsstandards<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsanfänger auch als gut befunden wurden. Durch die Einführung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung im Zusammenhang mit den nationalen beruflichen Qualifikationen<br />

haben einige Bereiche die Gelegenheit bekommen, ihre Ausbildungsinhalte noch einmal<br />

zu überdenken. Für manchen Sektoren hieß dies, an bestehende Grundlagen anzuknüpfen.<br />

In <strong>der</strong> chemischen Industrie beispielsweise wurde in den achtziger Jahren eine Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

mit konkreten Zielsetzungen, mit <strong>der</strong> Vermittlung breitgefächerter Fähigkeiten<br />

sowie einer größeren Integration von weiterführen<strong>der</strong> Bildung eingeführt. Im


416 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Touristikbereich wurden schon Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre neue Vereinbarungen getroffen.<br />

In an<strong>der</strong>en Branchen hingegen wurde erst durch die Einführung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung die Ausbildung verbessert und erweitert. Für die Informationstechnologien<br />

und den Einzelhandel zum Beispiel wurden neue Rahmenbedingungen entwickelt. Zusätzlich<br />

mag die Betonung <strong>der</strong> standardisierten Programme zu größerer Transparenz<br />

und Übertragbarkeit geführt haben. In dieser Hinsicht ist die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung dem<br />

Versuch überlegen, die Ausbildung auf informelle Weise betriebsintern zu verbessern,<br />

da auf diesem Weg die Ausbildung nicht zertifizierbar und schwierig zu übertragen ist<br />

und zu einer Verschwendung von Fähigkeiten führen könnte (Marsden 1995). Gegenüber<br />

den traditionellen Ausbildungen, bei denen Schwierigkeitsstufen und Ergebnisse<br />

erheblich variierten, stellt <strong>der</strong> neue Ansatz ebenfalls eine Verbesserung dar, obwohl<br />

auch die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung, wie sich her<strong>aus</strong>stellen wird, beträchtliche Schwankungen<br />

zuläßt. <strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung mag sich auch auf die Weise positiv <strong>aus</strong>wirken,<br />

daß sie eine Grundlage und ein Sprungbrett zur weiteren Bildung darstellt. Beispielsweise<br />

wird das Konzept im Einzelhandel von manchen großen Supermärkten als Aufstiegsweg<br />

zu Management-Positionen genutzt (Industrial Relations Service, Juni/Juli<br />

1995). Bei Rover bietet die Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung die Möglichkeit, zwischen handwerklichen,<br />

technischen und Schülerprogrammen zu wechseln, was innerhalb <strong>der</strong> traditionellen<br />

Ausbildungen nicht möglich war (Huddleston 1996). 13<br />

Doch wird das neue Ausbildungssystem auch hinsichtlich <strong>der</strong> Ausbildungsqualität<br />

kritisiert. <strong>Die</strong> Kritik bezieht sich konkret auf den Rahmen <strong>der</strong> nationalen beruflichen<br />

Qualifikationen, die Qualität <strong>der</strong> Ausbil<strong>der</strong> und Prüfer und das Finanzierungssystem.<br />

Erstens wurde behauptet, daß das nationale Klassifikationssystem den Schwerpunkt viel<br />

mehr darauf legt, daß die Auszubildenden zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes<br />

Aufgabenpaket <strong>aus</strong>zuführen vermögen, als daß sie größere Kenntnis des Branchenhintergrundes<br />

und dessen allgemeineren theoretischen Zusammenhangs erlangen<br />

(Smithers 1993; Senker 1996; Wolf 1994). Das zweite Argument besagt, daß eine nationale<br />

Rahmengebung <strong>der</strong> Kompetenzen nicht die verschiedenen Zusammenhänge, <strong>aus</strong><br />

denen her<strong>aus</strong> die Aufgaben gelöst werden, berücksichtigen kann, ohne sich abstrakter<br />

und komplexer zu gestalten. <strong>Die</strong>s wie<strong>der</strong>um läßt das Ausbildungsgerüst immer weniger<br />

transparent für das Management erscheinen, das dann sein Vertrauen in das Programm<br />

verliert. Drittens gibt es Probleme mit dem Unterricht und <strong>der</strong> Beurteilung und somit<br />

Probleme, die Qualität im jetzigen System zu gewährleisten. In <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> britischen<br />

Firmen gibt es nicht die Gruppe <strong>der</strong> erfahrenen Ausbil<strong>der</strong> und Meister, die zum<br />

Beispiel eine Schlüsselfunktion im deutschen System einnehmen. Es ist viertens anzumerken,<br />

daß das Prüfen <strong>der</strong> Auszubildenden häufig von <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Arbeitsproben<br />

abhängt, die hauptsächlich von internen Prüfern abgenommen werden. <strong>Die</strong>se Prüfer<br />

können trotz ihrer Zertifizierung und <strong>der</strong> Gebundenheit an Standards, die die jeweiligen<br />

Ausbildungsorganisationen festsetzen, nicht qualifiziert genug sein, die Schlüsselqualifikationen<br />

zu bewerten. Zudem mögen sie geneigt sein, ihre eigenen Auszubildenden<br />

13<br />

Ein weiterer positiver Aspekt war das sogenannte Modell für alle Altersgruppen (all-age<br />

model), das im Maschinenbau konstruiert wurde, um die Rahmengebung für <strong>Wie</strong><strong>der</strong><strong>aus</strong>bildung<br />

und eine Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer zu nutzen.


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 417<br />

durchzubringen. <strong>Die</strong> Resultate <strong>der</strong> Ausbildung könnten <strong>aus</strong> diesem Grund von Unternehmen<br />

zu Unternehmen variieren. Deshalb besteht die Gefahr, daß die im alten System<br />

vorhandenen Probleme <strong>der</strong> Konsistenz und <strong>der</strong> Transparenz weiter fortbestehen. Abschließend<br />

ist auch noch das Finanzierungssystem als problematisch einzuschätzen. <strong>Die</strong><br />

Finanzierung <strong>der</strong> außerbetrieblichen Ausbildung ist an Ergebnisse gekoppelt, d.h., daß<br />

Ausbil<strong>der</strong> nur dann bezahlt werden, wenn ihre Auszubildenden auch die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Kompetenzen erlangt haben. Hier wird ein Anreiz geschaffen, Kandidaten trotz unzulänglicher<br />

Kenntnisse bestehen zu lassen.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Kritik haben Regierung und Arbeitgeber Än<strong>der</strong>ungen<br />

und Anpassungen vorgenommen. In dem Versuch, die allgemeine Bildungsbasis <strong>der</strong><br />

Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung zu vergrößern, wurden sogenannte Schlüsselqualifikationen eingeführt,<br />

die eine breitere theoretische Grundlage und ein breiteres Verständnis gewährleisten<br />

sollten. Es gibt allerdings große Unterschiede in <strong>der</strong> Art und Weise, wie die<br />

Schlüsselqualifikationen vermittelt werden, und ob diese zertifiziert werden. <strong>Die</strong> Arbeitgeber<br />

sind weiterhin über den Umfang und die Finanzierung dieser Komponente besorgt.<br />

Durch rigoroses externes Testen wurden verspätete Versuche gemacht, das Abprüfen<br />

<strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen und <strong>der</strong> Schlüsselqualifikationen zu<br />

vereinfachen und somit zu verbessern. Konfrontiert mit inhaltlichen Defiziten ihrer<br />

Ausbildung, haben Firmen sich dem Rahmen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung auf verschiedene<br />

Weise angepaßt, um ihre Ausbildung praxisbezogener und in manchen Fällen auch<br />

anspruchsvoller zu gestalten. <strong>Die</strong> Firma Ford stellt beispielsweise in ihrer Ausbildung<br />

umfassen<strong>der</strong>e inhaltliche Anfor<strong>der</strong>ungen, die bestimmte Standards und breitgefächerte<br />

Fähigkeiten garantieren soll. Im Gegensatz zu den meisten Firmen hat Ford auch sein<br />

für vier Jahre konzipiertes Ausbildungsprogramm und die Übernahmegarantie bei erfolgreichem<br />

Abschluß beibehalten. In einer Reihe von Branchen wie dem Maschinenbau,<br />

<strong>der</strong> chemischen Industrie und <strong>der</strong> Instandhaltung von Bussen wurde die Vermittlung<br />

<strong>der</strong> traditionellen neben <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen<br />

aufrechterhalten. Hierdurch sollte gewährleistet werden, daß die Fähigkeiten und<br />

Kenntnisse <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>aus</strong>reichend breit sind. 14 <strong>Die</strong> Elektroinstallation bestand<br />

auf ihren traditionellen Qualifikationen und ihren eigenen Prüfungskriterien.<br />

In an<strong>der</strong>en Fällen mögen sich die Anpassungen an die Rahmenvorgaben weniger<br />

positiv <strong>aus</strong>wirken und sich durch vermin<strong>der</strong>te Variabilität und sinkende Transparenz<br />

<strong>aus</strong>zeichnen. Das System <strong>der</strong> nationalen beruflichen Qualifikationen ist zum Beispiel im<br />

Gastgewerbe dahingehend vereinfacht worden, daß die Arbeitgeber das Programm ihren<br />

individuellen Anfor<strong>der</strong>ungen anpassen können. Große Firmen tendieren tatsächlich dazu,<br />

dies durchzuführen (Personnel Today, 14.3.1995; Training, Oktober 95: 4).<br />

4. Fazit<br />

Das Konzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung ist ein bedeuten<strong>der</strong> Versuch, die berufliche<br />

Ausbildung zur Erlangung von fortgeschrittenen beruflichen Fähigkeiten eng an die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des Arbeitsmarktes zu knüpfen. Es stellt darüber hin<strong>aus</strong> auch einen Versuch<br />

dar, das System <strong>der</strong> dualen Erfahrung am Arbeitsplatz und <strong>der</strong> außerbetrieblichen<br />

14<br />

Siehe Anmerkung 1.


418 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

Bildung auf neue Gebiete des Arbeitsmarktes <strong>aus</strong>zudehnen. Das Grundkonzept <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung beruht sowohl auf dem traditionellen britischen System als auch auf<br />

dem deutschen System <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung, und es ist durch einige größtenteils neue<br />

Ideen und Praktiken beeinflußt worden.<br />

Allgemein gesehen hat die Erlangung von Fähigkeiten <strong>der</strong> mittleren Qualifikationsstufe<br />

über den Weg <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung bestimmte Vorteile gegenüber eines auf<br />

Firmen-, Staats- o<strong>der</strong> Schulbasis beruhenden Weges. Im Vergleich zu diesen bietet die<br />

Berufs<strong>aus</strong>bildung einerseits die Aussicht auf eine breitgefächerte Ausbildung und an<strong>der</strong>erseits<br />

größere Transparenz über die gelernten Fähigkeiten. Hierdurch wie<strong>der</strong>um mögen<br />

sich die Fähigkeiten <strong>der</strong> Wirtschaft besser zuordnen und eine Verschwendung von<br />

Fertigkeiten im Falle eines Arbeitsplatzwechsels vermeiden lassen. <strong>Die</strong> Versorgung<br />

über den internen Arbeitsmarkt kann die Firmen tatsächlich dazu anregen, mehr in die<br />

Qualifikation ihrer Arbeitnehmer zu investieren, da die Ergebnisse <strong>der</strong> Ausbildung mit<br />

weniger Risiko verbunden sind und die Ausbildung <strong>der</strong> Arbeitnehmer in die firmenspezifische<br />

Personalplanung integriert werden kann (Sako 1991). <strong>Die</strong>se internen Systeme<br />

schließen aber definitionsgemäß die potentiellen externen Arbeitnehmer <strong>aus</strong> und können<br />

zu größtenteils firmenspezifisch vermittelten Fähigkeiten führen. Wenn diese internen<br />

Arbeitsmärkte so unterschiedlich verbreitet sind wie in Großbritannien, kommt es zu einer<br />

punktuellen Konzentration hochqualifizierter Arbeitnehmer in einer Wirtschaft von<br />

ansonsten weniger qualifizierten Arbeitnehmer. Insgesamt wird somit das Niveau <strong>der</strong><br />

Ausbildung wohl nicht verbessert (Marsden/Ryan 1991; <strong>Gospel</strong> 1992: 156-158).<br />

Wegen <strong>der</strong> höheren Teilnehmerraten (fast zwei Drittel <strong>der</strong> Sechzehn- bis Achtzehnjährigen<br />

befinden sich in <strong>der</strong> Vollzeitbildung und ein Drittel geht weiterführend zur<br />

Universität) wird teilweise die Meinung vertreten, daß Großbritannien schon den staatlich<br />

geprägten Weg zur beruflichen Bildung eingeschlagen habe (Green/Steedman<br />

1996; Soskice 1993). Zudem kann argumentiert werden, daß <strong>der</strong> schulische bzw. universitäre<br />

Weg die Aussicht auf gleiche Zugangsbedingungen, bessere langfristige nationale<br />

Koordination und eine breitere Ausbildung in mathematischen, sprachlichen und<br />

Computerkenntnissen verspricht.<br />

Der Standpunkt jedoch, daß Großbritannien weiter diesen Weg nehmen sollte und<br />

daß Schul- und Universitätsabsolventen die fortgeschrittenen beruflichen Fähigkeiten<br />

leisten sollen, kann durch eine Reihe von Gegenargumenten entkräftet werden. Erstens<br />

strebt ein beträchtlicher Teil <strong>der</strong> Jugendlichen den schulischen Weg <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung<br />

gar nicht an. <strong>Die</strong>se Gruppe muß in den Fähigkeiten <strong>der</strong> mittleren Qualifikationsstufe<br />

<strong>aus</strong>gebildet werden, die für eine erfolgreiche mo<strong>der</strong>ne Volkswirtschaft von essentieller<br />

Bedeutung sind. Britische Schulen und Universitäten sind zweitens ungenügend<br />

mit Lehrpersonal und Möglichkeiten <strong>aus</strong>gestattet, um solche Fertigkeiten zu vermitteln,<br />

und die Auszubildenden können auf dem schulischen Weg keine notwendigen beruflichen<br />

Erfahrungen sammeln. Drittens wird durch diesen Ansatz die Ausbildungsverantwortung<br />

zu weit vom Arbeitsplatz entfernt und in die Hände <strong>der</strong> Regierung gelegt, die<br />

einerseits an<strong>der</strong>e Zielvorstellungen vertritt und an<strong>der</strong>erseits von Ressourcen abhängig<br />

sein könnte, die das Ausbildungsprogramm komplizierter machen.<br />

Der Ausbildungsweg über den Arbeitsmarkt, den die mo<strong>der</strong>ne Ausbildung wie<strong>der</strong>zubeleben<br />

und <strong>aus</strong>zudehnen versucht, bietet einige Vorteile. Investitionen <strong>der</strong> Arbeitge-


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 419<br />

ber in potentielle mobile Auszubildende werden unterstützt, und die Verantwortung für<br />

die Ausbildung liegt in den Händen <strong>der</strong> Arbeitgeber, die wohl am besten bestimmen<br />

können sollten, welche Qualifikationen von Bedeutung sind. Zudem ist das System potentiell<br />

flexibel und kann somit auf die Kräfte des Marktes reagieren. <strong>Die</strong> Ausbildung<br />

kann breite und übertragbare Fähigkeiten vermitteln, die sich am technischen Wandel<br />

orientieren. Sie ist in diesem Sinne Programmen wie <strong>der</strong> Jugend<strong>aus</strong>bildung überlegen.<br />

<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>ne Ausbildung hat damit potentielle Vorteile gegenüber den traditionellen<br />

Ausbildungen, da sie weniger durch berufliche Abgrenzungen eingeschränkt ist, mehr<br />

Berufe miteinbezieht und mehr Bewegung zwischen Ausbildungen und fortgeschrittener<br />

Bildung zuläßt.<br />

Für den Arbeitgeber verursacht die Berufs<strong>aus</strong>bildung aber auch Kosten: Stellt man<br />

den Auszubildendenlohn dem Facharbeiterlohn jeweils in Relation zum Arbeitsergebnis<br />

gegenüber, zeigt sich, daß Auszubildende kostenintensiver für den Arbeitgeber sind.<br />

Wenn die Zeitspanne <strong>der</strong> produktiven Arbeit in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung verkürzt<br />

wird, steigen die Kosten für den Arbeitgeber. <strong>Die</strong> Kosten des außerbetrieblichen Unterrichts<br />

werden im Rahmen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung durch Subventionen reduziert.<br />

Steigen jedoch Quantität und Qualität <strong>der</strong> Ausbildung, kann die finanzielle Unterstützung<br />

nicht sämtliche Kosten <strong>der</strong> außerbetrieblichen Ausbildung abdecken. Zusätzlich<br />

entstehen bei <strong>der</strong> Ausbildung am Arbeitsplatz auch dadurch Kosten, daß Arbeitsabläufe<br />

den Auszubildenden angepaßt werden und qualifizierte Arbeiter einen Teil ihrer Arbeitszeit<br />

für das Anlernen <strong>der</strong> Auszubildenden aufbringen müssen. Opportunitätskosten<br />

<strong>der</strong> Ausbildung entstehen dadurch, daß die Arbeitgeber sonst qualifizierte Arbeitskräfte<br />

<strong>aus</strong> dem externen Arbeitsmarkt angeworben hätten und ihr Geld in die Produktionsanlagen<br />

hätten investieren können. <strong>Die</strong> <strong>Wie</strong><strong>der</strong>beschaffungskosten entstehen Arbeitgebern<br />

durch ein Abwerben ihrer Auszubildenden von nicht <strong>aus</strong>bildenden Firmen, die es sich<br />

leisten können, einen höheren Lohn zu zahlen. Natürlich müssen diese Kosten gegen die<br />

Kosten <strong>der</strong> Personalbeschaffung vom externen Arbeitsmarkt in Relation gesetzt werden.<br />

<strong>Die</strong>s än<strong>der</strong>t jedoch nichts an <strong>der</strong> Tatsache, daß die Berufs<strong>aus</strong>bildung beträchtliche<br />

Grundkosten verursacht. 15 Hierdurch entsteht die Gefahr, daß <strong>der</strong> berufliche Ausbildungsweg<br />

entwe<strong>der</strong> den externen Zwängen den Marktes o<strong>der</strong> einer un<strong>aus</strong>geglichenen<br />

Mischung <strong>aus</strong> freien Märkten, internen Arbeitsmärkten und staatlicher Ausbildung erliegt.<br />

<strong>Die</strong>s kann sich wie<strong>der</strong>um sehr negativ auf die Qualität und die Quantität <strong>der</strong> Ausbildung<br />

<strong>aus</strong>wirken. Auf <strong>der</strong> makroökonomischen Ebene mag es zu Engpässen in <strong>der</strong><br />

Produktion und zu Lohnsteigerungen gefolgt von deflationärer Politik kommen.<br />

<strong>Die</strong> wirklichen Stärken <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung liegen im Beschäftigungsstatus,<br />

in <strong>der</strong> Ausdehnung <strong>der</strong> Ausbildung auf mehrere Berufsgruppen und <strong>der</strong> potentiell größeren<br />

Transparenz und Übertragbarkeit. Bezüglich <strong>der</strong> Durchführung des Ausbildungsprogramms<br />

gibt es auch einige vielversprechende Ausblicke, insbeson<strong>der</strong>e das Ansehen<br />

des Programms bei den jungen Leuten. Durch einige Faktoren, wie z.B. die Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung,<br />

brancheninterne Rahmenvorgaben und staatliche Subventionen, ist das<br />

Konzept wesentlich unterstützt worden. An<strong>der</strong>erseits gibt es jedoch auch Schwachpunkte<br />

in <strong>der</strong> Ausbildungsinitiative. <strong>Die</strong> Quantität <strong>der</strong> Ausbildung ist abhängig von <strong>der</strong> Be-<br />

15<br />

Für eine Abschätzung <strong>der</strong> Ausbildungskosten siehe Jones (1986) und Hogarth et al. (1996).


420 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

reitschaft <strong>der</strong> Arbeitgeber, <strong>der</strong> Konzentration in bestimmten Sektoren und <strong>der</strong> Anzahl an<br />

begonnenen Ausbildungen. <strong>Die</strong> Ausbildungsqualität hingegen hängt von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong><br />

vermittelten Qualifikationen und Zertifizierungen und <strong>der</strong> Vergleichsmöglichkeit <strong>der</strong><br />

Standards in und zwischen den einzelnen Sektoren ab. <strong>Die</strong>se Schwächen sind Teil eines<br />

übergeordneten Problems des Marktversagen und <strong>der</strong> fehlenden institutionellen Verbindung<br />

im britischen Berufs<strong>aus</strong>bildungssystems.<br />

<strong>Die</strong> Hauptgründe für das Marktversagen sind bei den Arbeitgebern zu suchen, da<br />

nur eine unzureichende Zahl an Unternehmen qualitativ gute Ausbildungsplätze anzubieten<br />

scheint. Für die Arbeitgeber selbst ergeben sich die Probleme <strong>der</strong> hohen Ausbildungskosten<br />

und des „Trittbrettfahrens“, die unmittelbar miteinan<strong>der</strong> verbunden sind.<br />

<strong>Die</strong> Kosten <strong>der</strong> Ausbildung sind trotz <strong>der</strong> finanziellen staatlichen Unterstützung <strong>der</strong> außerbetrieblichen<br />

Ausbildung nicht unbedeutend. <strong>Die</strong>s trifft beson<strong>der</strong>s in Branchen wie<br />

dem Maschinenbau und <strong>der</strong> chemischen Industrie zu, wo Auszubildendenlohn und Ausbildungskosten<br />

sehr hoch sind (Jones 1986; Hogarth et al. 1996). Durch die Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung, die Fähigkeiten transparenter und übertragbarer zu gestalten,<br />

sind die Kosten beson<strong>der</strong>s hoch, da das Risiko des Trittbrettfahrens steigt. Konsequenterweise<br />

werden Firmen entmutigt, Auszubildende aufzunehmen, o<strong>der</strong> es besteht ein<br />

Anreiz, die Ausbildung weniger transparent und eher firmenspezifisch zu gestalten und<br />

somit den Weg <strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung zu unterminieren. Aus einem an<strong>der</strong>en Blickwinkel<br />

betrachtet, handelt es sich hier um ein Problem <strong>der</strong> Kostenaufteilung. Wenn in allgemeine<br />

und übertragbare Fähigkeiten investiert werden soll, bedarf es einer Aufteilung<br />

<strong>der</strong> Kosten zwischen Arbeitgeber und Auszubildenden (Stevens 1994). Dem Umverteilen<br />

<strong>der</strong> Kosten durch niedrigere Löhne und produktivere Arbeit auf Seiten <strong>der</strong> Auszubildenden<br />

sind jedoch Grenzen gesetzt, wenn weiterhin gute Bewerber <strong>aus</strong>gesucht und<br />

eine qualitativ gute Ausbildung angeboten werden soll. Der Staat sollte sich verstärkt<br />

durch höhere o<strong>der</strong> gezieltere Unterstützung <strong>der</strong> Ausbildung o<strong>der</strong> Subvention des Lohnes<br />

an den Kosten beteiligen. Dem Abwälzen <strong>der</strong> Kosten auf den Staat und <strong>der</strong> gleichzeitigen<br />

Beibehaltung eines auf <strong>der</strong> Wirtschaft basierenden Systems sind aber auch Grenzen<br />

gesetzt. Aus diesem Grund sollten die Kosten zwischen einer größeren Anzahl von Arbeitgebern<br />

aufgeteilt werden. Wenn alle o<strong>der</strong> die meisten Arbeitgeber sich an den Ausbildungskosten<br />

beteiligen, braucht keiner einen Wettbewerbsnachteil zu befürchten. In<br />

Großbritannien existieren jedoch keine adäquaten Mechanismen, um das Risiko und die<br />

Kosten unter den Arbeitgebern aufzuteilen.<br />

In Län<strong>der</strong>n wie Deutschland, Österreich, <strong>der</strong> Schweiz und bis zum gewissen Grad<br />

auch Australien, in denen das Ausbildungssystem eine relativ große Rolle spielt, gibt es<br />

Vereinbarungen, die das Konzept <strong>der</strong> Ausbildung unterstützen und zu einer Kostenteilung<br />

beitragen. Von entscheidener Bedeutung sind hier verschiedene Formen <strong>der</strong> Organisation<br />

zwischen den Firmen und Abkommen, die für die gesamte Wirtschaft relevant<br />

sind. In Deutschland werden durch die Institutionen <strong>der</strong> Industrie- und Handelskammern<br />

und <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände eine gemeinsame Linie festgelegt und Druck <strong>aus</strong>geübt,<br />

um Ausbildung zu unterstützen und ein Trittbrettfahren <strong>der</strong> Unternehmen zu unterbinden.<br />

In Australien haben die gesamtwirtschaftlich verpflichtenden Festsetzungen <strong>der</strong><br />

Löhne und Bedingungen traditionell geholfen, das Ausbildungssystem zu regulieren. Im<br />

Gegensatz dazu hat sich in Großbritannien <strong>der</strong> Einfluß <strong>der</strong> Arbeitgeberverbände und <strong>der</strong>


<strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98) 421<br />

Ausbildungsabkommen zwischen den Firmen über die letzten zwanzig Jahre hinweg<br />

stetig verringert. Lokale Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung und die Nationalen Ausbildungsorganisationen<br />

(National Training Organisations) sind teilweise konzipiert worden, um<br />

dieser Entwicklung entgegenzuwirken. <strong>Die</strong>se verschiedenen Organisationen haben bis<br />

zum heutigen Tag in unterschiedlichem Maße dazu beigetragen, ein <strong>aus</strong>bildungsför<strong>der</strong>ndes<br />

Netzwerk von Arbeitgebern aufzubauen. 16<br />

Im Vergleich zu <strong>der</strong> Rolle, die die Arbeitnehmerverbände in Deutschland bei <strong>der</strong><br />

Konzeption und <strong>der</strong> Durchführung eines regulativen nationalen Rahmens gespielt haben,<br />

waren die britischen Arbeitnehmerverbände nur wenig an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung beteiligt. Der britische Gewerkschaftsbund (Trade Union Congress)<br />

hat die Einführung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung begrüßt, und ein Teil <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

war mit in die Gestaltung <strong>der</strong> Rahmengebung einbezogen, beson<strong>der</strong>s im Maschinenbau,<br />

in <strong>der</strong> Elektroinstallation, in <strong>der</strong> Stahlbranche und im Druckergewerbe. An<strong>der</strong>e Gewerkschaften<br />

hingegen fühlten sich nur unzureichend einbezogen. <strong>Wie</strong> so oft in Großbritannien,<br />

ist die gewerkschaftliche Beteiligung beim Überwachen <strong>der</strong> Einhaltung von<br />

Vereinbarungen auf Firmenebene am geringsten (Heyes 1993; TUC 1995). Im Gegensatz<br />

hierzu spielt in Deutschland die Arbeitnehmerbeteiligung eine wesentliche Rolle.<br />

Auf <strong>der</strong> nationalen Ebene nehmen die Gewerkschaften an <strong>der</strong> Konzeption von Abkommen<br />

über die Berufs<strong>aus</strong>bildung und die Ausbildungsstandards teil, auf <strong>der</strong> Firmenebene<br />

überwachen Betriebsräte die Anwendung <strong>der</strong> vereinbarten Regeln. Auf den britischen<br />

Hintergrund übertragen stellt sich hier für das Management und die Regierung die richtungspolitische<br />

Frage, ob Arbeitnehmervertreter das Recht haben sollten, Vereinbarungen<br />

über die betriebliche Ausbildung mitzugestalten und mitzuverabschieden. <strong>Die</strong>se<br />

Frage <strong>der</strong> politischen Linie ist noch nicht von <strong>der</strong> neuen Labour Regierung gelöst worden.<br />

In den Län<strong>der</strong>n, in denen das Berufs<strong>aus</strong>bildungssystem eine große Rolle spielt, ist<br />

auch dem Staat als Garant für eine entsprechende rechtliche und regulative Rahmengebung<br />

eine zentrale Rolle zuzuschreiben. In Großbritannien hat die Berufs<strong>aus</strong>bildung in<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Zeit nie staatliche Unterstützung erfahren und in den achtziger Jahren waren<br />

die existierenden Institutionen <strong>der</strong> Deregulierung <strong>aus</strong>gesetzt. In <strong>der</strong> Praxis jedoch<br />

sollte in den Fällen, in denen die Arbeitgeberorganisationen und die Gewerkschaften<br />

nur wenig Einfluß <strong>aus</strong>üben, die staatliche Rahmensetzung <strong>aus</strong>gedehnt werden, um die<br />

Firmen zur Ausbildung zu verpflichten o<strong>der</strong> die Ausbildungskosten zu verteilen. <strong>Wie</strong><br />

eingangs <strong>aus</strong>geführt, wurde durch das Subventionssystem <strong>der</strong> sechziger und siebziger<br />

Jahre <strong>der</strong> Versuch unternommen, die Ausbildungskosten aufzuteilen und das Trittbrettfahren<br />

zu vermeiden. Zur damaligen Zeit wurde das System von Arbeitgebern dahingehend<br />

kritisiert, daß es zu bürokratisch sei und zu hohe Verwaltungskosten verursache.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wurde bestätigt, daß dem System nicht genügend Anlaufzeit gewährt<br />

und daß es durch die Einführung von Ausnahmen und einer geän<strong>der</strong>ten politischen<br />

Linie <strong>der</strong> Regierung geschwächt wurde (Senker 1992). Heute besteht daher kein<br />

großer Anreiz für das britische Management und die britischen Politiker, zu einem sol-<br />

16<br />

Es ist vorgeschlagen worden, daß die Räte für Berufs<strong>aus</strong>bildung besser koordiniert und mit<br />

den lokalen Industrie- und Handelskammern zusammengelegt werden sollen.


422 <strong>Gospel</strong>. <strong>Wie</strong> <strong>Phönix</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Asche</strong>? (ZfP 4/98)<br />

chen Ansatz zurückzukehren. An<strong>der</strong>erseits ist es ebenso problematisch, einem von Arbeitgeberseite<br />

geführten Laissez-faire-Ansatz zum Erfolg zu verhelfen.<br />

Abschließend bleibt festzuhalten, daß es Probleme und Wi<strong>der</strong>sprüche im Konzept<br />

und <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen Ausbildung gibt. <strong>Die</strong>se schlagen sich sowohl im<br />

Umfang als auch in <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Ausbildung nie<strong>der</strong>. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zeigen<br />

sich durch<strong>aus</strong> einige positive Auswirkungen, und gewisse Erfolge können verzeichnet<br />

werden. Wenn eine staatlich geför<strong>der</strong>te Berufs<strong>aus</strong>bildung nicht adäquat ist und die Personalbeschaffung<br />

von Firmen über den internen Arbeitsmarkt unterschiedlich gehandhabt<br />

wird, empfiehlt sich ein gutes Ausbildungssystem. Das Programm <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nen<br />

Ausbildung stellt wahrscheinlich für Großbritannien die letzte Möglichkeit dar, das System<br />

<strong>der</strong> Berufs<strong>aus</strong>bildung wie<strong>der</strong> aufleben zu lassen und einen effektiven berufsfachlichen<br />

Arbeitsmarkt für viele verschiedene Fähigkeiten <strong>der</strong> mittleren Qualifikationsstufe<br />

zu schaffen.<br />

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