DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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Gegenüber: Michael Bleyenberg:<br />
Spero Lucem, 2002/03<br />
Statt mit Farbe auf Leinwand ‚malte‘<br />
Michael Bleyenberg dieses Bildnis<br />
eines Kreuzes mit Licht. Anders als<br />
klassische Altarbilder greift ‚Spero<br />
Lucem‘ – deutsch: ‚ich erhoffe Licht‘<br />
– aktiv in den Raum ein. Wie es gesehen<br />
wird, hängt entscheidend vom<br />
Standpunkt des Betrachters ab.<br />
Ein interessanter Aspekt an der Holographie ist,<br />
dass der materielle Bildträger und die Position des<br />
(virtuellen) Abbildes im Raum nicht identisch sind.<br />
Wie gehen Sie mit diesem Phänomen in Ihren Arbeiten<br />
um?<br />
Wenn Licht die menschliche Haut berührt, erzeugt<br />
es auf den ersten Blick einen intensiven, aber oberflächlichen<br />
ästhetischen Effekt. Doch die Auswirkungen<br />
dieser ‚Berührung’ gehen weit tiefer, unter<br />
die Oberfläche. Sehen Sie hier Parallelen zu Ihrer<br />
eigenen Arbeit?<br />
Neue Qualitäten des Lichts ermöglichen aber auch dynamischere Wirkungsprozesse.<br />
Sie sind Ergebnis fortschreitender technischer Entwicklungen im<br />
Bereich der Photonik und in der Bautechnologie. Beispiele sind prismatische<br />
Folien und spezielle, auch von mir genutzte Projektionsfolien, die das Umgebungslicht<br />
ausblenden und nur auf das künstliche Projektionslicht reagieren.<br />
Für den Einsatz meiner Arbeit mit diesen Medien in der Architektur bedeutet<br />
dies, dass das Licht oder die Lichtkunst mit der Architektur interferiert.<br />
Sie spielt mit den Oberflächen und den Strukturen, unterstützt Transparenz<br />
oder konterkariert und unterminiert Masse und Bauvolumen. Die Wahrnehmung<br />
von Stabilität wird scheinbar, und nur optisch, in Frage gestellt, aber<br />
letztlich dadurch intensiviert.<br />
Gerade in der Kombination mit Glasflächen, Fenstern und Fassaden entfalten<br />
die von mir genutzten Folien ihre Wirkung. Daneben ermöglichen sie die<br />
gleichzeitige ästhetische Formung des einfallenden Lichts und die optisch-ästhetische<br />
Signalwirkung nach außen. Ein Beispiel hierfür ist mein im Jahr 2000<br />
fertig gestelltes holographisches Wandbild ‚Augenfeuer/Eyefire’ bei der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn. Im lichtdurchfluteten Sitzungssaal<br />
des Hauptgebäudes, das in den 50er-Jahren von Sep Ruf entworfen wurde,<br />
werden weitreichende Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Mit dem<br />
Anbau eines Ergänzungsgebäudes war der freie Blick von dort auf die Rheinaue<br />
und das gegenüberliegende Siebengebirge von einer 13 x 5 m großen Betonwand<br />
zugestellt. Die Idee, diesen Ausblick virtuell mit Hilfe der Holographie<br />
wieder herzustellen, war nur mit prismatischen Folien möglich, die, auf Spiegel<br />
montiert, die Wandfläche bedecken. Der große ‚Wandspiegel’ hat zwei Funktionen:<br />
einerseits die Rekonstruktion des Hologramms (durch Transmission<br />
und Spiegelung des von vorn einfallenden Rekonstruktionslichts) und andererseits<br />
die optische Öffnung des Raums. Das Hologramm scheint zwischen den<br />
Gebäuden zu schweben. Darüber hinaus wird es in den Fensterfronten des gegenüberliegenden<br />
Sitzungssaales gespiegelt, wobei sich durch die veränderte<br />
Wahrnehmungsgeometrie des Betrachters Form und Farbe verändern. Das Hologramm<br />
und sein Spiegelbild überschreiten die Grenzen des reinen Wandbildes<br />
zu einem komplexen Lichtkorpus, der das gesamte Gebäude definiert.<br />
Bildträger und Abbild zusammen sind ‚das Hologramm’. Das Abbild erscheint<br />
aber an einer anderen Stelle im Raum als der Bildträger. Dies ist sicherlich ein<br />
immer wieder spektakulärer Anblick, besonders bei einer Rekonstruktion mit<br />
Laserlicht. Dies ist auch das Phänomen, das zu vielen fantastischen, aber unrealistischen<br />
Spekulationen über die Holographie geführt hat. Wenn es gelänge,<br />
die technischen Voraussetzungen in der Laborsituation auch für größere Produktionen<br />
zu gewährleisten, wären große holographische Lichtinstallationen<br />
als Applikation in und um die Architektur denkbar, Räume, wie sie zum Beispiel<br />
Stanislaw Lem im Roman ‚Transfer‘ beschreibt oder M. C. Escher in seinen ‚unmöglichen<br />
Bildern‘ und Metamorphosen.<br />
Eigentlich ist es jetzt schon möglich, ähnliche Effekte aus Kombinationen mit<br />
Spiegeln, optischen Linsen und Projektionen zu verwirklichen. Aus meiner Praxis<br />
weiß ich aber, wie schwer es ist, Auftraggeber davon zu überzeugen. Mehrmals<br />
sind Entwürfe abgelehnt worden mit der Begründung, man könne sich<br />
nicht vorstellen, dass mein Vorschlag realisierbar sei.<br />
Natürlich ist für den bildenden Künstler die visuelle Wirkung konstitutiv, sie<br />
ist aber bestimmt nicht oberflächlich. Die Wirkung des Lichts auf die Psyche<br />
und seine Bedeutung für die Gesundheit sind mir bewusst. All meine erwähnten<br />
Versuche mit und über Licht beschränkten sich allerdings auf seine<br />
Wirkung auf unsere Wahrnehmung. Wir suchen die Sonne und sehnen uns danach,<br />
wenn wir länger darauf verzichten müssen. Wir fühlen uns wohl im Licht.<br />
Auch ich möchte die Menschen in ein „angenehmes Licht tauchen“, wobei der<br />
Wohlfühleffekt sich nicht rein emotional einstellt, sondern auch als ein Ergebnis<br />
von geistiger, meditativer Auseinandersetzung.<br />
Mein Objekt ‚Spero Lucem’ wurde vom Bildungswerk der Erzdiözese Köln<br />
in Auftrag gegeben und der Kirchengemeinde St. Agnes in Köln als Dauerleihgabe<br />
überlassen. Als Auflage erklärt sich die Gemeinde bereit, die Arbeit an<br />
andere Kirchen des Erzbistums auszuleihen. ‚Spero Lucem’ ist dann Anlass<br />
für zahlreiche unterschiedliche Bildungsaktivitäten, Seminare, Meditationen,<br />
Gesprächsgruppen etc., an denen ich auch gelegentlich beteiligt bin. Die meistens<br />
positiven bis euphorischen Reaktionen auf die Lichtskulptur erinnern<br />
mich daran, dass das eigentliche, idealistische Ziel von Bildung der Zustand<br />
von Glück ist. In meinem Fall hat das Licht, beziehungsweise die Art, wie ich<br />
es gestalte und präsentiere, möglicherweise seinen Anteil daran.<br />
FOTO: MICHAEL BLEYENBERG<br />
68 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05