DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
In unserem Zeitalter erfuhr die Bildtechnik viele radikale Veränderungen. Die<br />
Mondbilder und die Aufnahmen der NASA von der Mars-Oberfläche, einst spektakulär<br />
und mysteriös, sind mittlerweile auf jeden Heimcomputer herunterzuladen.<br />
In Nullkommanichts lassen sich Satellitenaufnahmen unseres Planeten<br />
auf jeden Bildschirm projizieren, angefangen von Bildern des Irak-Kriegs bis<br />
hin zu Aufnahmen unseres eigenen Hauses per Google Earth. Luftbilder sind<br />
zum Bestandteil unserer visuellen Kommunikation geworden. Satellitenbilder<br />
und Luftaufnahmen sind Beispiele für fotografische Kartierung und Oberflächendarstellung,<br />
können aber gleichzeitig zur selektiven Überwachung genutzt<br />
werden. Für mich waren Satellitenbilder und topographische Karten stets eine<br />
Quelle der Inspiration, wenngleich die Kartendarstellung notwendigerweise<br />
immer vom kartierten Gegenstand abweicht: Sie ist eine parallele Realität.<br />
Der Fotograf Garry Winogrand sagte einmal: „Die Fotografie ist nicht das fotografierte<br />
Objekt – vielmehr ein anderes, neues Faktum.“ Die Fotografie erfasst<br />
nicht die Realität, sondern das Wesen – sie wird zum Schöpfungsmythos<br />
und Versuch, der Welt Sinn abzugewinnen.<br />
FOTOS: DAVID MAISEL<br />
Ihre Fotografien in den ‚Black Maps‘ und dem ‚Lake<br />
Project‘ offenbaren eine verstörende, trügerische<br />
Ästhetik. Was auf den ersten Blick anmutend ist,<br />
erweist sich bei genauerer Betrachtung als grauenvoll<br />
und gefährlich. Sehen Sie hier Analogien zu unserem<br />
täglichen Leben und Konsumverhalten?<br />
Themen wie Verführung und Täuschung haben mein Denken und meine Arbeiten<br />
nachhaltig beeinflusst, vor allem beim Lake Project. Alltäglich sehen wir<br />
uns mit neuen und verlockenden Konsumangeboten konfrontiert – sei es der<br />
jahrelang begehrte Neuwagen, der iPod oder der Flachbildschirm. Meiner Meinung<br />
nach lassen wir uns von diesen Wünschen und begehrten Objekten trügen,<br />
da sie uns nicht wirklich befriedigen, sondern unser Verlangen nur noch weiter<br />
schüren. So betrügen wir schließlich auch die Natur, indem wir sie ausbeuten<br />
und ausnutzen – in dem vergeblichen Bemühen, unser maßloses und unstillbares<br />
Verlangen zu erfüllen. Dieser Prozess spiegelt sich in meinen Bildern wider: Sie<br />
sind eindrucksvoll und anregend, von fesselnder Schönheit. Dringt man jedoch<br />
unter die augenscheinliche Schönheit der Bilder, erkennt man den Bildgegenstand<br />
als einen vergifteten, gewissermaßen aufgegebenen Ort der Verwüstung,<br />
so dass auch hier eine Art Betrug vorliegt. Wir als Gesellschaft aber sind Komplizen<br />
bei der Umweltzerstörung – die Verlockung führt zum Betrug.<br />
Auch hier werden also Verlockung und Trug miteinander verflochten: Der<br />
Betrachter lässt sich möglicherweise von den Farben und Formen der Bilder<br />
verführen, fühlt sich dann aber auf eine gewisse Weise betrogen, sobald der<br />
Bildgegenstand deutlich wird. Wir fordern der Umwelt ständig Tribute ab; die<br />
Parallelen zu der Art und Weise, wie wir uns von der Konsumgier verführen<br />
und schließlich betrügen lassen, sind offensichtlich. Ja, ich will einen Geländewagen,<br />
einen Flachbildschirm, und … hoppla! Weg ist die Ozonschicht, das<br />
stelle man sich mal vor!<br />
Ein wenig zum Hintergrund: Owens Lake, Gegenstand des Lake Project, ist<br />
ein Gebiet an der Ostseite der Sierra Mountains, an dem sich einst ein See über<br />
150 Quadratmeilen erstreckte. 1913 wurde der Owens River zum Aquädukt<br />
im Owens Valley umgeleitet, um die florierende Wüstenstadt Los Angeles mit<br />
Wasser zu versorgen. 1926 war der See vollkommen trockengelegt und hinterließ<br />
riesige Ablagerungen von Mineralien und Salzschichten. Nach der Austrocknung<br />
des Sees wirbelten starke Winde im Tal mikroskopische Partikel<br />
aus dem trockenen Seebett auf und formierten sich zu Stürmen aus krebserregendem<br />
Staub. Das Seebett entwickelte sich zum größten Verursacher von<br />
Feinstaubverschmutzung in den USA – hier werden jährlich 300.000 Tonnen<br />
Arsen, Kadmium, Chrom, Chlorgas, Schwefel und andere Materialien ausgestoßen.<br />
Die Mineralkonzentration in dem kläglichen Wasserrestbestand des<br />
Owens Lake ist so unnatürlich hoch, dass hier überall Bakterien und andere Organismen<br />
gedeihen, die das verbleibende Wasser tief blutrot färben.<br />
Während meiner Arbeit an diesem Projekt im Jahr 2001 ergriffen das Umweltamt<br />
und die Behörde für Wasser- und Stromversorgung der Stadt Los Angeles<br />
auf Grund eines neuen Gesetzes neue Maßnahmen, um das Gebiet erneut<br />
umzustrukturieren. Zur Vermeidung toxischer Staubstürme wurde ein Großteil<br />
des Seebetts in eine riesige Flutungszone umgewandelt, die sich wie die versunkene<br />
Stadt Atlantis aus dem Seebett erhebt. Nach der Fertigstellung meines<br />
Luftprojekts besichtigte ich die Oberfläche des Seebetts auch aus der Erdperspektive<br />
und besuchte das Kontrollzentrum, in dem der Salzgehalt und die relative<br />
Feuchtigkeit in der Be- und Entwässerungsanlage überprüft und gemessen<br />
werden, die sich kreuz und quer über 60.000 Meilen durch die Flutungszone<br />
zieht. Auf den Computerbildschirmen traten die bekannten Formen der Flutungszone<br />
zu Tage, aufgenommen durch Luftfotografie und Satellitenbilder.<br />
Meine Aufnahmen haben eine Vermittlungsfunktion. So richten die Fotografien<br />
im ‚Lake Project‘ das Augenmerk zwar auf einen speziellen Ort – den<br />
Owens Lake -, sind aber ebenso mehrdeutig als neue geografische Psycho-<br />
35