MSTFA und MSTFA-D9 – unverzichtbare Werkzeuge für ... - GTFCh
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Toxichem Krimtech 2012;79(3):137<br />
<strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong> <strong>MSTFA</strong>-D 9 <strong>–</strong> <strong>unverzichtbare</strong> <strong>Werkzeuge</strong> <strong>für</strong> die<br />
massenspektrometrische Strukturaufklärung<br />
Dieter Urbach<br />
B<strong>und</strong>eskriminalamt (BKA), KT 12 <strong>–</strong> Zentrale Analytik II, 65173 Wiesbaden<br />
1. Einführung<br />
Für die massenspektrometrische Strukturaufklärung ist eine Derivatisierung zu einem <strong>unverzichtbare</strong>n<br />
Werkzeug geworden. Das Anwendungsspektrum ist nicht nur auf die Derivatisierung<br />
niedermolekularer Verbindungen begrenzt, sondern hat sich allgemein bei der Strukturaufklärung<br />
durchgesetzt, auch <strong>für</strong> Substanzen im hochmolekularen Bereich [1].<br />
Eines der am häufigsten verwendeten Derivatisierungsmittel <strong>für</strong> Analysen mittels Gaschromatographie/Massenspektrometrie<br />
(GC/MS) ist N-Methyl-N-tri-methylsilyltrifluoracetamid<br />
(<strong>MSTFA</strong>). Es wurde von Donike im Jahre 1969 erstmals beschrieben [2]. <strong>MSTFA</strong> führt unpolare<br />
Trimethylsilyl-Schutzgruppen (TMS) in polare Verbindungen ein <strong>und</strong> reduziert auf<br />
diese Weise die polaren Wechselwirkungen zwischen den Analytmolekülen. Dadurch werden<br />
die Verdampfung dieser Moleküle bei niedrigeren Temperaturen ermöglicht <strong>und</strong> thermische<br />
Zerfallsreaktionen im Injektor oder auf der GC-Säule verhindert. Durch die damit verbesserten<br />
chromatographischen Eigenschaften sind die TMS-Derivate sehr gut <strong>für</strong> die qualitative<br />
<strong>und</strong> quantitative GC bzw. die GC/MS-Analyse geeignet. Im Folgenden soll besonders auf die<br />
Leistungsfähigkeit des Derivatierungsmittels <strong>MSTFA</strong> eingegangen werden, wenn es in Kombination<br />
mit seiner deuterierten Form <strong>für</strong> die Strukturaufklärung [3] eingesetzt wird.<br />
2. Herstellung der Derivate<br />
Die Herstellung der TMS-Derivate ist einfach. Die Probe wird in einem aprotischen Lösemittel<br />
gelöst, mit <strong>MSTFA</strong> versetzt <strong>und</strong> ca. 10 - 20 min bei 60 - 80°C im Sandbad temperiert.<br />
Bei geringem Probeneinsatz kann die Zugabe von wenigen µL <strong>MSTFA</strong> ausreichend sein. Das<br />
Derivatisierungsmittel muß aber stets im Überschuss zugesetzt werden. Alternativ kann<br />
<strong>MSTFA</strong> sogar als Lösemittel eingesetzt werden, da es hervorragende Lösungseigenschaften<br />
<strong>für</strong> die sich bildenden TMS-Derivate besitzt. Ein weiterer Vorteil eines großen Überschusses<br />
an Derivatisierungsmittel besteht darin, dass nach Injektion polare Zentren im GC-System<br />
kurzzeitig deaktiviert werden. Für die quantitative Analyse ist der zusätzliche Einsatz von<br />
Katalysatoren [4] zu empfehlen. Generell können die Lösungen ohne weitere Aufreinigung<br />
direkt auf die GC-Säule injiziert werden. Die Derivatisierungstechnik wird idealerweise in<br />
Kombination mit leicht polaren bis unpolaren GC-Kapillarsäulen verwendet.<br />
Aufgr<strong>und</strong> seiner hohen Reaktivität lässt sich <strong>MSTFA</strong> [5] mit fast allen Verbindungen mit den<br />
funktionellen Gruppen <strong>–</strong>OH, <strong>–</strong>COOH, =NH, <strong>–</strong>NH 2 <strong>und</strong> <strong>–</strong>SH umsetzen. Abbildung 1 zeigt die<br />
Reaktion von <strong>MSTFA</strong> mit einem Alkohol. Hierbei entstehen das Trimethylsilylderivat des<br />
Alkohols <strong>und</strong> N-Methyltrifluor-acetamid (MTFA).<br />
<strong>MSTFA</strong><br />
F<br />
F<br />
F<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
O N<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
+ R-OH<br />
CH 3<br />
+<br />
R<br />
O<br />
Si<br />
CH 3<br />
F<br />
F<br />
O<br />
F<br />
NH<br />
MTFA<br />
CH 3<br />
Abb. 1. Beispielhafte Reaktion von <strong>MSTFA</strong> mit einem Alkohol.<br />
CH 3
Toxichem Krimtech 2012;79(3):138<br />
3. MS-Fragmente der <strong>MSTFA</strong>-Derivate<br />
Alle Verbindungen, in denen die reaktiven Wasserstoffatome in einem Molekül gegen TMS-<br />
Schutzgruppen getauscht werden, zeigen im Massenspektrum ein Trimethylsilyl-Fragmention<br />
mit m/z 73 (Abb. 2). Bei’m deuterierten <strong>MSTFA</strong> sind alle neun Wasserstoffatome der drei<br />
Methylgruppen der TMS-Gruppe durch neun Deuterium-Atome ersetzt. Deshalb besitzt das<br />
deuterierte TMS-Fragmention eine Masse von 82 u.<br />
+ 3 C<br />
D 3 C<br />
H Si CH 3<br />
Si CD 3<br />
CH 3<br />
CD 3<br />
m/z 73 m/z 82<br />
Abb. 2. Fragmentionen der TMS-Schutzgruppe <strong>und</strong> der deuterierten TMS Schutzgruppe.<br />
Die Massenspektren der derivatisierten Verbindungen enthalten weitere <strong>für</strong> die Strukturaufklärung<br />
wertvolle Informationen, auf die im Folgenden eingegangen wird.<br />
4. Sauerstoff-Silylierung<br />
Bei einer einfachen Silylierung von Alkoholen, Säuren <strong>und</strong> auch der Enol-Form von Ketonen<br />
<strong>und</strong> Aldehyden [6,7], tritt das Fragmention mit m/z 75 mit unterschiedlichen Intensitäten auf.<br />
Bei Verwendung der deuterierten Form besitzt dieses Fragmention entsprechend die Masse<br />
81 u (Abb. 3).<br />
H O<br />
Si + CH 3<br />
HO<br />
Si + CD 3<br />
CH 3<br />
CD 3<br />
m/z 75 m/z 81<br />
Abb. 3. Fragmentionen von TMS-Derivaten sauerstoffhaltiger Verbindungen.<br />
Abbildung 4 zeigt das Elektronenstoß-Massenspektrum von 2-Phenoxyethanol, 2-Phenoxyethanol-TMS<br />
<strong>und</strong> des deuterierten Silylderivates. In der Abb. 4b erkennt man, dass durch die<br />
Silylierung das Molekülion des Phenoxyethanols um 72 Masseneinheiten auf die Masse<br />
210 u, sowie auf die Masse 219 u durch die Verwendung von deuteriertem <strong>MSTFA</strong>, verschoben<br />
wird (Abb. 4c). In den Massenspektren der derivatisierten Verbindungen tritt eine charakteristische<br />
Methylgruppenabspaltung (alpha-Spaltung) ausgehend von den Molekülradikalkationen<br />
auf, die durch die Abspaltung von 15 Masseneinheiten bzw. 18 Masseneinheiten<br />
in der deuterierten Form charakterisiert wird. Allgemein lässt sich daraus ableiten, dass alle<br />
Fragmente in deuterierten Massenspektren im Vergleich zu den Massenspektren des normalen<br />
<strong>MSTFA</strong> mit einem Massenshift von 6 oder 9 u, Strukturelemente der TMS-Schutzgruppe enthalten.<br />
Dementsprechend verschiebt sich auch das Fragmention m/z 75 im Spektrum der Abb. 4b um<br />
6 u nach m/z 81 im Spektrum 4c <strong>und</strong> bestätigt damit die Sauerstoffsilylierung (Abb. 3). Die<br />
Intensität dieses Fragments kann allerdings sehr unterschiedlich ausfallen, weist aber beim<br />
Auftreten immer eine Sauerstoffsilylierung sicher nach. Zusätzlich beobachtet man in den<br />
beiden derivatisierten Spektren die typischen Fragmentionen <strong>für</strong> die Silylierung bei m/z 73<br />
sowie m/z 82, deuteriert silyliert.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):139<br />
Abb. 4. Massenspektrum von a) 2-Phenoxyethanol, b) 2-Phenoxyethanol-TMS <strong>und</strong> c) 2-Phenoxyethanol-TMS-D<br />
9 .<br />
Sind weitere Sauerstoff- oder Stickstoffatome mit einem oder mehreren reaktiven Wasserstoffatomen<br />
in einem Molekül verfügbar, dann wird zusätzlich das Fragmention mit m/z 147<br />
gebildet (Abb. 5). In diesen Fällen ist u. U. das Dimethylhydroxysilyl-Fragmention (m/z 75)<br />
im Massenspektrum nicht vorhanden.<br />
C<br />
H 3<br />
C<br />
Si<br />
O<br />
H 3 CH 3<br />
Si + CH 3<br />
D 3 C<br />
D 3 C<br />
Si<br />
O<br />
Si + CD 3<br />
CH 3<br />
CD 3<br />
CD 3<br />
m/z 147 m/z 162<br />
Abb. 5. Di-TMS-Ether-Fragmentionen.<br />
5. Carbonsäure-Derivatisierung<br />
Als Beispiel zeigen die Massenspektren der derivatisierten Benzoesäure wiederum deutlich<br />
die Molekülradikalkationen bei den Massen 194 u (Abb. 6a) bzw. 203 u, deuteriert silyliert<br />
(Abb. 6b). Dabei tritt zwischen der mit <strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong> der deuterierten Form eine Massendifferenz<br />
von 9 u auf, während nach der typischen Methylgruppenabspaltung (179 u in Abb. 6a<br />
bzw. 185 u in Abb. 6b) eine Massendifferenz von sechs Masseneinheiten auftritt. Weiterhin
Toxichem Krimtech 2012;79(3):140<br />
beobachtet man die typischen Fragmente <strong>für</strong> die Silylierung (73 u bzw. 82 u) <strong>und</strong> die Sauerstoffsilylierung<br />
(75 u bzw. 81 u) in den Spektren.<br />
Im Massenspektrum der silylierten Benzoesäure fällt besonders die hohe Intensität des Ions<br />
mit m/z 135 auf. Eine Zuordnung zu einem Strukturteil ist ohne die Einbeziehung des Spektrums<br />
des deuterierten <strong>MSTFA</strong>-Derivates nicht einfach. Fragment m/z 135 (Abb. 6a) wird im<br />
Massenspektrum der deuterierten Verbindung um sechs Masseneinheiten nach m/z 141 (Abb.<br />
6b) verschoben. Aufgr<strong>und</strong> dieser Massenverschiebung muss man davon ausgehen, dass das<br />
Fragment m/z 141 noch Si(CD 3 ) 2 (28 u + 2 x 18 u = 64 u) beinhaltet. Zieht man nun die 64<br />
Masseneinheiten der Dimethylsilylgruppe von der Masse des Fragmentions ab, dann ergibt<br />
sich daraus ein rechnerischer Rest von 77 u, der nur vom Aromaten stammen kann.<br />
100<br />
80<br />
Abb. 6a<br />
O<br />
C +<br />
C +<br />
105<br />
135<br />
-44 u<br />
179<br />
O<br />
O<br />
CH 3<br />
Si + CH 3<br />
60<br />
77<br />
40<br />
H 3 C<br />
HO<br />
Si + CH 3<br />
Si + CH 3<br />
CH 3<br />
180<br />
O<br />
O<br />
CH 3 Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
20<br />
100<br />
0<br />
80<br />
CH3<br />
136 194<br />
51 75<br />
181<br />
45<br />
106 137<br />
43 73 89<br />
+6 u +6 u<br />
185<br />
Abb. 6b<br />
141<br />
105<br />
Relative Ab<strong>und</strong>ance<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
77<br />
D3C<br />
Si + CD 3<br />
HO<br />
Si 186<br />
+ CD 3<br />
CD +9 u<br />
3<br />
CD 3<br />
142<br />
+6 u<br />
51 82<br />
187<br />
50 81<br />
106<br />
76 93<br />
143<br />
40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />
m/z<br />
+9 u<br />
203<br />
Abb. 6. Massenspektrum von a) Benzoesäure-TMS <strong>und</strong> b) Benzoesäure-TMS-D 9 .<br />
Die Massendifferenz von 44 u zwischen den Ionen der Methylgruppenabspaltung m/z 185<br />
<strong>und</strong> m/z 141 kann dann nur durch eine Neutralteilchenabspaltung von Kohlendioxid (CO 2 )<br />
hervorgerufen werden. Diese Abspaltung tritt bei den meisten monosilylierten Säuren auf <strong>und</strong><br />
ist mit einer Umlagerungsreaktion verb<strong>und</strong>en (Abb. 7), wie man nach Derivatisierung mit<br />
deuteriertem <strong>MSTFA</strong> erkennen kann.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):141<br />
O<br />
O<br />
CD 3<br />
O<br />
Si<br />
CD 3 CD 3<br />
CD 3<br />
- CD 3 - CO 2<br />
O<br />
CD 3 Si + Si + CD 3<br />
CD 3<br />
m/z 203 m/z 185 m/z 141<br />
Abb. 7. MS-Fragmente der Benzoesäure-TMS-D 9 .<br />
6. Derivatisierung einer Enol-Form<br />
Ketone <strong>und</strong> Aldehyde können bei Keto-Enol-Tautomerie ebenso mit <strong>MSTFA</strong> reagieren. Bei<br />
Derivatisierung der Enol-Form des Benzylmethylketons (Abb. 8) entstehen zwei Derivate, die<br />
sich chromatographisch trennen lassen. Normalerweise unterscheiden sich die resultierenden<br />
Massenspektren der beiden Isomere jedoch sehr wenig. Diese Reaktionen sind in der Regel<br />
ohne Katalysator unvollständig, sodass im Chromatogramm auch noch das <strong>und</strong>erivatisierte<br />
Keton erscheint.<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
O<br />
CH 3<br />
OH<br />
CH 2<br />
+ <strong>MSTFA</strong><br />
O<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
CH 2<br />
OH<br />
O<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
Abb. 8. Silylierung der Enol-Form von Benzylmethylketon.<br />
7. Derivatisierung von Stickstoffverbindungen<br />
Amine mit einem oder zwei austauschbaren Wasserstoffen, wie z. B. Amphetamin (Abb. 9),<br />
zeigen häufig im Massenspektrum nicht eindeutig die Molmasse an. Das [M] +* Ion, m/z 135<br />
zeigt nur eine geringe Intensität <strong>und</strong> ist kleiner als das [M-1] + Ion (m/z 134), das scheinbar die<br />
Molmasse andeutet. Bei der Strukturaufklärung einer unbekannten Verbindung kann es dadurch<br />
in Kombination mit der Stickstoffregel zu einer Fehlinterpretation kommen, denn die<br />
Masse 134 u deutet dann darauf hin, dass die Struktur kein Stickstoffatom oder eine gerade<br />
Anzahl von Stickstoffatomen beinhaltet. Wenn man davon ausgeht, dass sie kein Stickstoff<br />
enthält, dann wäre auch eine sauerstoffhaltige Verbindung denkbar.<br />
Auch das Fragmention mit der Masse 44 u, das den Basispeak in dem Massenspektrum der<br />
Abb. 9 bildet, lässt sich strukturell nicht eindeutig zuordnen. Es könnte sich sowohl um das in<br />
Abb. 10 beschriebene stickstoffhaltige Ion handeln oder auch um ein Radikalkation eines Aldehyds,<br />
das durch eine McLafferty-Umlagerung [8] gebildet wird.<br />
Durch die Derivatisierung der Aminofunktion des Amphetamins mit <strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong> der alpha-<br />
Spaltung in der Ionenquelle entsteht aus dem Ion 44 u das Ion mit der Masse 116 u (Abb. 10<br />
<strong>und</strong> 11). Im Gegensatz dazu würde sich ein Aldehyd ohne Katalysator nur unvollständig derivatisieren<br />
lassen. Da an dieser Stelle keine McLafferty-Umlagerung mehr möglich ist, würde<br />
aus m/z 44 ein ungerades Fragment entstehen <strong>und</strong> zusätzlich m/z 75 zu sehen sein.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):142<br />
100<br />
44<br />
90<br />
80<br />
NH 2<br />
Relative Ab<strong>und</strong>ance<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
91<br />
CH 3<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
65<br />
39 115 120<br />
42 63 77 89<br />
103 117<br />
45 51<br />
73<br />
80 134<br />
30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140<br />
m/z<br />
Abb. 9. Massenspektrum von Amphetamin.<br />
NH +<br />
CH 3<br />
OH +<br />
Si<br />
CH 3 CH 3 CH 3<br />
CH 3 CH 2<br />
+<br />
NH 2<br />
m/z 44 m/z 116 m/z 44<br />
Abb. 10. Fragment eines Amins ohne <strong>und</strong><br />
mit Silylierung nach alpha-Spaltung <strong>und</strong><br />
eines Aldehyds nach McLafferty-Umlagerung.<br />
Das Fragmention 44 u wird eindeutig in die Masse 116 u überführt. Dies wird nach <strong>MSTFA</strong>-<br />
D 9 -Derivatisierung durch die Bildung des Fragmentions m/z 125 bestätigt. Ebenfalls treten<br />
auch nicht die <strong>für</strong> die Sauerstoffsilylierung typischen Ionen bei m/z 75 bzw. m/z 81 auf.<br />
Durch die Derivatisierung wird in dem vorliegenden Fall aber leider auch nicht die Molmasse<br />
sichtbar. Nahezu alle silylierten Verbindungen zeigen ausgehend von der Molmasse die Abspaltung<br />
einer Methyl-Gruppe aus der eingeführten TMS-Schutzgruppe (Abb. 4, 6 <strong>und</strong> 11).<br />
Ausgehend von dieser Beobachtung <strong>und</strong> dem Auftreten der Ionen bei m/z 192 im TMS-Derivat,<br />
sowie m/z 198 im D 9 -TMS-Derivat (mit einer Massenverschiebung von 6 Masseneinheiten)<br />
erkennt man in Abb. 11, dass die Molmasse des derivatisierten Amphetamins bei Masse<br />
207 u bzw. bei 216 u liegen muss.<br />
Des weiteren kann man durch das Spektrum des TMS-D 9 -Derivates erkennen, dass eine weitere<br />
alpha-Spaltung einer Methylgruppe, die kein Deuterium enthält, an dem alpha-Kohlenstoffatom<br />
der Aminofunktion stattfindet <strong>und</strong> das Fragmention 201 u bildet. Dieses Ion beinhaltet<br />
noch alle neun Deuteriumatome der Schutzgruppe.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):143<br />
100<br />
116<br />
x5<br />
80<br />
Abb. 11a<br />
M + . = 207 u<br />
91 116<br />
192<br />
60<br />
40<br />
73<br />
192<br />
NH<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
CH 3 192<br />
Relative Ab<strong>und</strong>ance<br />
20<br />
100<br />
0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
45 100<br />
91<br />
175<br />
59<br />
65<br />
135<br />
206<br />
125<br />
Abb. 11b<br />
+9 u<br />
+9 u<br />
82<br />
+6 u<br />
+9 u<br />
198<br />
+9 u<br />
50<br />
65 91<br />
106<br />
141<br />
181<br />
201<br />
215<br />
40 60 80 100 120<br />
m/z<br />
140 160 180 200<br />
M + . = 216 u<br />
91 125<br />
198<br />
NH<br />
CD 3<br />
Si<br />
CD 3<br />
CH 3<br />
CD 3 201<br />
Abb. 11. Massenspektrum von a) Amphetamin-TMS, b) Amphetamin<strong>–</strong>TMS-D 9 .<br />
8. Identifizierung einer unbekannten Verbindung nach Derivatisierung mit <strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>MSTFA</strong>-D 9<br />
Zur Demonstration der Leistungsfähigkeit der Derivatisierungstechnik soll abschließend ein<br />
Beispiel einer unbekannten Verbindung behandelt werden, die sich scheinbar in der <strong>und</strong>erivatisierten<br />
Form zersetzt <strong>und</strong> nicht chromatographisch trennen lässt. Nach der Silylierung mit<br />
<strong>MSTFA</strong> zeigt das Chromatogramm zwei Peaks, deren Massenspektren in (Abb. 12a <strong>und</strong> 13a)<br />
dargestellt sind.<br />
Die beiden Massenspektren unterscheiden sich in der Molmasse um 72 u, der Differenz einer<br />
TMS-Gruppe. Die Fragmente m/z 75 <strong>und</strong> m/z 147 in beiden Spektren deuten auf mindestens<br />
zwei austauschbare Wasserstoffe <strong>und</strong> Sauerstoffsilylierung hin. Die ungeraden Molmassen<br />
zeigen nach der Stickstoffregel eine ungerade Anzahl von Stickstoffatomen im Molekül an.<br />
Die Molmasse der Ausgangssubstanz kann aber aus beiden Spektren nicht errechnet werden,<br />
da die Anzahl der ausgetauschten aktiven Wasserstoffe nicht erkennbar ist.<br />
Die Derivatisierung mit deuteriertem <strong>MSTFA</strong> führt zu den in Abb. 12b <strong>und</strong> 13b dargestellten<br />
Massenspektren. Im Massenspektrum der ersten Substanz mit dem Molekülradikalkationen<br />
bei m/z 385 (Abb. 12a), wird dieses um 27 Masseneinheiten nach m/z 412 verschoben (Abb.<br />
12b). Das bedeutet, dass in das Molekül drei TMS-Schutzgruppen eingeführt wurden. Daraus<br />
lässt sich die Molmasse der Ausgangsverbindung errechnen, (385 u <strong>–</strong> 3 x 72 u = 169 u) die<br />
somit 169 g/mol beträgt. Bei der zweiten Verbindung wird das Molekülradikalkation von<br />
m/z 457 um 36 u nach Masse 493 u verschoben. Auch in diesem Fall führen die Berechnungen<br />
der Molmasse (457 u - 4 x 72 u = 169 u) auf eine Molmasse von 169 g/mol.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):144<br />
100<br />
Abb. 12a<br />
211<br />
240<br />
268<br />
80<br />
60<br />
73<br />
144<br />
225<br />
40<br />
42<br />
160<br />
20<br />
100<br />
0<br />
75 135<br />
147 195<br />
45 254<br />
103<br />
295<br />
258<br />
Abb. 12b<br />
286<br />
370<br />
385<br />
Relative Ab<strong>und</strong>ance<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
42<br />
+6 u<br />
50<br />
82<br />
81<br />
+9 u<br />
112<br />
+15 u<br />
150<br />
+9 u<br />
50 100 150 200 250 300 350 400<br />
m/z<br />
Abb. 12. MS-Spektren der ersten unbekannten Verbindung a) silyliert, b) deuteriert silyliert.<br />
Gesucht wird nun eine Substanz, die vermutlich vier aktive Wasserstoffe besitzt, davon einen<br />
oder mehrere an Sauerstoff <strong>und</strong> vermutlich einen an Stickstoff geb<strong>und</strong>en. Die Reaktion von<br />
<strong>MSTFA</strong> mit aktiven N-Wasserstoffen ist ohne Katalysator unter den oben beschriebenen Reaktionsbedingungen<br />
nicht immer vollständig, besonders bei sterischer Hinderung. Daraus resultieren<br />
die beiden unterschiedlichen Derivatisierungsstufen der Ausgangssubstanz.<br />
+15 u<br />
226<br />
+18 u<br />
169<br />
241<br />
+24 u<br />
142 162<br />
394<br />
+27 u<br />
207<br />
272<br />
313<br />
412<br />
100<br />
Abb. 13a<br />
340<br />
80<br />
60<br />
232<br />
312<br />
40<br />
73<br />
298<br />
20<br />
100<br />
0<br />
80<br />
147<br />
42 225<br />
442 457<br />
115 195<br />
283<br />
75<br />
414<br />
+9 u<br />
82<br />
+18 u<br />
Abb. 13b<br />
250<br />
367<br />
+27 u<br />
Relative Ab<strong>und</strong>ance<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
339<br />
+15 u<br />
325<br />
162<br />
42<br />
+33 u +36 u<br />
81<br />
50<br />
124<br />
307<br />
493<br />
475<br />
65 447<br />
50 100 150 200 250 300 350 400 450 500<br />
m/z<br />
Abb. 13. MS-Spektren der zweiten unbekannten Verbindung a) silyliert, b) deuteriert silyliert.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):145<br />
Mit der errechneten Molmasse von 169 u wurde eine Recherche in verschiedenen Datenbanken<br />
durchgeführt. Die Überprüfung der erhaltenen Vorschläge in Verbindung mit den Informationen<br />
aus den Massenspektren führt zu dem Herbizid Glyphosat (Abb. 14).<br />
O<br />
OH<br />
NH<br />
O<br />
OH<br />
P<br />
OH<br />
Abb. 14. Das Herbizid Glyphosat (M = 169 u C 3 H 8 NO 5 P).<br />
.<br />
Eine Überprüfung einzelner Fragmente, auch in Verbindung mit der Stickstoffregel <strong>und</strong> der<br />
Massenverschiebung der deuterierten Derivate, bestätigt das Ergebnis (Abb. 15).<br />
Glyphosat-TMS 3 M = 385 u C 12 H 32 NO 5 PSi 3 Glyphosat-TMS 4 M = 457 u C 15 H 40 NO 5 PSi 4<br />
H 3<br />
C<br />
H 3<br />
C<br />
Si<br />
H 3<br />
C<br />
O<br />
O<br />
160<br />
211<br />
O<br />
O<br />
NH<br />
P<br />
O<br />
268<br />
H 3<br />
C<br />
Si<br />
H 3<br />
C<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
H 3<br />
C<br />
H 3<br />
C<br />
Si<br />
H 3<br />
C<br />
O<br />
H 3<br />
C<br />
H 3<br />
C<br />
CH 3<br />
O<br />
Si<br />
O<br />
O<br />
N<br />
P<br />
340<br />
232<br />
O<br />
H 3<br />
C<br />
Si<br />
H 3<br />
C<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
Si<br />
CH 3<br />
CH 3<br />
Abb.15. Strukturformeln der unterschiedlichen Silylierungsstufen von Glyphosat.<br />
9. Schlussfolgerung<br />
Nicht jedes Labor besitzt Massenspektrometer mit MS/MS-Möglichkeiten oder hochauflösende<br />
Geräte. Mit Hilfe des Derivatisierungsmittels <strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong> seiner deuterierten Form<br />
ist es möglich, mit niederauflösenden Massenspektrometern zusätzliche Informationen <strong>für</strong><br />
eine erfolgreiche Strukturaufklärung unbekannter Verbindungen zu gewinnen. Natürlich gibt<br />
es auch andere Derivatisierungsreagenzien die ähnliche Ergebnisse liefern. Der Vorteil von<br />
<strong>MSTFA</strong> allerdings besteht darin, dass sich die Retentionszeiten der silylierten <strong>und</strong> der deuteriert<br />
silylierten Derivate nur um wenige Sek<strong>und</strong>en unterscheiden. Die deuterierten Derivate<br />
eluieren etwas früher, befinden sich aber im gleichen Zeitfenster. Diese Eigenschaft kann entscheidend<br />
sein, wenn nur eine geringe Konzentration einer aufzuklärenden Substanz neben<br />
vielen Matrixbestandteilen enthalten ist.<br />
Ein weiterer Vorteil ist, dass bei derivatisierbaren Verbindungen meistens auf eine weitere<br />
Messung mit schonender Ionisierung, z. B. chemische Ionisierung, verzichtet werden kann, da<br />
nahezu in allen Fällen nach Derivatisierung mit <strong>MSTFA</strong> <strong>und</strong> seiner deuterierten Form die<br />
Molmasse der Ausgangssubstanz errechnet werden kann.
Toxichem Krimtech 2012;79(3):146<br />
10. Referenzen<br />
[1] Spengler B, Lützenkirchen F, Kaufmann R. On-target deuteration for peptide sequencing<br />
by laser mass spectrometry. Org. Mass Spectrom. 1993;28:1482-1490.<br />
[2] Donike M. N-Methyl-N-trimethylsilyl-trifluoracetamid, ein neues Silylierungsmittel aus<br />
der Reihe der silylierten Amide. J Chromatogr 1969;42:103.<br />
[3] Urbach D. Improved detection and identification using <strong>MSTFA</strong>/<strong>MSTFA</strong>-<strong>D9</strong> derivatization.<br />
Reporter, Sigmar-Aldrich 2012, U.S. Vol. 30.1, 14-15.<br />
[4] Donike M, Zimmermann J. Zur Darstellung von Trimethylsilyl-, Triethylsilyl- <strong>und</strong> tert.<br />
Butyl-dimethylsilyl-enoläthern von Ketosteroiden <strong>für</strong> gaschromatographische <strong>und</strong> massenspektrometrische<br />
Untersuchungen. J.Chromatogr 1980;202:483-486.<br />
[5] Blau K, King G. Handbook of Derivatives for Chromatographie. Verlag Heyden 1977:<br />
152-194.<br />
[6] Ende M, Luftmann H. Unerwartete Reaktionsprodukte von N-Methyl-N-trimethylsilyltrifluracetamid<br />
(<strong>MSTFA</strong>) mit Aldehyden. Tetrahedron 1984;40:5167-5170.<br />
[7] Little JL. Artifacts in trimethylsilyl derivatisation reactions and ways to avoid them. J<br />
Chromatogr A 1999;844:1-22.<br />
[8] McLafferty FW, Turecek F. Interpretation von Massenspektren. Spektrum Akademischer<br />
Verlag Heidelberg 1995: 82-84.<br />
Abstract<br />
Derivatization is commonly used to identify and quantify known and unknown compo<strong>und</strong>s<br />
using mass spectrometry. It is not limited to small molecules. Even peptides can be derivatized<br />
for these purposes.<br />
Silylation has been proven to be a helpful tool for GC/MS analysis of organic compo<strong>und</strong>s.<br />
One of the favored utilized reagents is N-Methyl-N-(trimethylsilyl)-trifluoroacetamide<br />
(<strong>MSTFA</strong>), because it can be used to derivatize most of the functional groups with exchangeable<br />
hydrogens commonly fo<strong>und</strong> in organic compo<strong>und</strong>s. Thus, a nonpolar trimethylsilyl<br />
(TMS) substituent will be added to the analytes, which improves the chromatographic separation<br />
and the thermal stability in the injector or on the column. Specific fragment ions in mass<br />
spectra indicate either it is an O- or N-silylation. In some cases it is unclear precisely how<br />
many of the molecule functional groups are affected by the derivatization reaction, especially<br />
when dealing with unknown compo<strong>und</strong>s. Using deuterated <strong>MSTFA</strong> (<strong>MSTFA</strong>-D 9 ) helps to<br />
overcome this problem because the molecular mass of the <strong>MSTFA</strong>-D 9 derivative increases by<br />
exactly 9 mass units for each derivatized functional group. Thus, it is possible to calculate the<br />
molecular mass of the original compo<strong>und</strong> by taking the mass shift in the <strong>MSTFA</strong>/<strong>MSTFA</strong>-D 9<br />
spectra into account. A further advantage is that both derivatives - TMS and TMS-D 9 - elute<br />
within the same time frame which facilitate the interpretation.