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26 GESUNDHEIT & FORSCHUNG KIMCL: Grazer Labordiagnostik bei weltweit größter Hausarztstudie Wie gesund sind Deutsche? Mittwoch, 17. September, 12.00 Uhr. Ein Lieferwagen randvoll bepackt mit rund 15000 Röhrchen von 3000 Patienten aus 400 deutschen allgemeinärztlichen und internistischen Ordinationen fährt vor. In Windeseile werden die Päckchen entladen und in den Laborbereich 2 des Klinischen Instituts für medizinische und chemische Labordiagnostik (KIMCL) gebracht. Dort warten 30 technische Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte darauf, dass es endlich losgeht. Vor ihnen liegt die vermutlich anstrengendste Woche des Jahres. Die Bestimmungen sollen schon bis Freitag, 19. September fertig sein. Warum diese Eile? Der Grund ist einfach, dann werden weitere 20.000 Röhrchen von 4000 Patienten erwartet und die Einsender wollen alle Befunde so rasch als möglich. Ist das zu schaffen? Studie DETECT Inzwischen ist klar: Es ist geschafft! Die Probenlawine hat das KIMCL nicht unvorbereitet getroffen. Alle Proben stammen von Teilnehmern der Studie DETECT, einem bislang weltweit beispiellosen Vorhaben der Versorgungsforschung. Das Akronym steht für Diabetes and Cardiovascular Risk-Evaluation: Targets and Essential Data for Commitment of Treatment. DETECT ist die weltweit bisher größte Hausarztstudie zum Versorgungsstatus von Patienten mit Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie wird in Deutschland unter der Klinischen Leitung der Technischen Universität Dresden und mit Unterstützung der Firma Pfizer Deutschland durchgeführt. Das KIMCL Graz stellt die gesamte Laborlogistik und -analytik für diese Studie zur Verfügung. Forschungsergebnisse und Praxis Umstellung der Lebensweise und medikamentöse Therapie beachtliche Erfolge erzielt werden können. Eines der Ziele von DETECT ist es, herauszufinden, warum Erkenntnisse der medizinischen Forschung in der allgemeinen täglichen Praxis manchmal nur lückenhaft umgesetzt werden. Daneben soll DETECT erstmals wirklich repräsentative Daten zum Vorkommen und zur Behandlung von Stoffwechselstörungen wie erhöhten Blutfetten oder Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen liefern, um eine Basis für rationale Planungen im Gesundheitswesen zu haben. 80 000 Patienten dokumentiert Zu diesem Zweck haben am 16. und 18. September 2003 rund 3.500 Hausärzte in Deutschland das Diagnoseund Behandlungsprofil von insgesamt nahezu 80.000 Patienten dokumentiert. Gleichzeitig haben auch alle Patienten einen Fragebogen zu ihren soziodemographischen Daten, ihren Beschwerden und ihren Einstellungen zu ausgewählten Krankheitsbildern ausgefüllt. Bei 7500 Teilnehmern wurden Blutentnahmen vorgenommen, um kardiovaskulär relevante Laborwerte wie Blutfette, Glukose und Entzündungsmarker zu messen. Alle diese Proben wurden am KIMCL Graz analysiert. Mitarbeiter und Geräte in vollem Einsatz Das stellte alle Mitarbeiter vor bisher unbekannte Herausforderungen. Monatelang wurden Logistik und Ablauf im Labor in allen Einzelheiten geplant und simuliert. Eigens für die Organisation von DE- TECT wurde ein Zusatz zum Laborinformationssystem programmiert, das auf einem gesonderten Rechner installiert ist und für die schnelle Übermittlung der Befunde sorgt. Vielfältige Ausfallszenarien wurden durchgespielt, nichts dem Zufall überlassen. Nur so konnte sichergestellt werden, dass an den „heißen Tagen“ alles klappte. Vier Tage lang drehten sich zehn Laborzentrifugen gleichzeitig, waren Personal und Gerätschaften rund um die Uhr im Einsatz. Von jedem Patienten wurden acht Rückstellproben erzeugt, das machte 60.000 Röhrchen, die bei –80 o Celsius tiefgefroren werden. Und schließlich war dafür Sorge zu tragen, dass die Proben der Patienten am LKH in der gewohnten Qualität und Schnelligkeit bearbeitet wurden. Es geht weiter Damit ist die Studie aber keineswegs zu Ende. Jetzt gilt es, gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Wittchen an der Technischen Universität Dresden die ermittelten Laborwerte mit den Ergebnissen der Befragungen von Ärzten und Patienten zusammenzuführen und statistisch aufzubereiten. Man darf darauf gespannt sein, wie gesund Deutschland wirklich ist. Im September 2004 werden alle Teilnehmer, bei denen Laboruntersuchungen vorgenommen wurden, noch einmal untersucht. Damit soll herausgefunden werden, ob sich an Lebensgewohnheiten, Risikofaktoren und Behandlungen etwas geändert hat. ■ Dr. med. Franz Freisinger, Claudia Mayer, Mag. Eva Fauland, Prof. Dr. med. Andreas Tiran, Prof. Dr. med. Winfried März (Vorstand, KIMCL) Kardiovaskuläre Erkrankungen sind neben Krebserkrankungen die häufigsten Todesursachen in den Industrienationen. Daran hat sich auch in den letzten Jahren leider wenig geändert, obwohl Ärzten und Patienten klar ist, dass durch Beeinflussung der bekannten Risikofaktoren, Dezember 2003 Studentische Hilfskräfte beim Etikettieren der Proben. Von links: Prof. Dr. Winfried März , Mag. Eva Fauland, Prof. Dr. Andreas Tiran. Menschen helfen Menschen

GESUNDHEIT & FORSCHUNG 27 Europäisches Projekt für kinderradiologisches Bilddatensystem Grazer Klinik ist Partner Unter der Leitung einer in Rom ansässigen Wissenschafts-Managementorganisation zusammen mit einem industriellen Partner aus dem EDV-Bereich wurden für ein europäisches Projekt kinderradiologische Centers of Excellence definiert. Ausgewählt wurden die wissenschaftliche Stiftung mit angeschlossenem Kinderspital Giannina Gaslini, Genua, das Erasme Hospital in Brüssel, das Children’s Hospital Great Ormond Street in London und die Klinische Abteilung für Kinderradiologie Graz. Beteiligt an dem Projekt sind weiters Wissenschaftler auf dem Gebiete der computerassistierten Diagnostik und der Telemedizin. Diagnostische Entscheidungshilfe und Diagnose-Netzwerk Hauptzweck dieses Projektes ist es, ein kinderradiologisches Bilddatensystem zu erstellen. Dieses soll als diagnostische Entscheidungshilfe fungieren mit dem übergeordneten Ziel, die Qualität der Diagnose in der Kinderradiologie signifikant anzuheben. Erreicht wird dies durch eine kontinuierlich weiterentwickelte interaktive Bilddatenbank von Fällen mit gesicherter Diagnose. Die Forschung und Entwicklung soll sich darauf konzentrieren, dass mit dieser Datenbank auch die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose angegeben werden soll. Ein weiteres Ziel ist die Implementierung eines Netzwerkes teleradiologischer computerunterstützter Diagnostik, spezialisiert auf bildgebende Diagnostik bei Kindern. Privatrechtliche Stiftung als Partner Ein wesentlicher Partner ist eine privatrechtliche Stiftung, die zum Zwecke der Förderung der Exzellenz in der Kinderheilkunde gegründet wurde. Der Sitz dieser Institution ist in Genua. Wissenschaftliche Ziele sind unter anderem „statistical learning, information fusion, statistical indexing and feature sensitivity analysis“. ■ Univ.-Prof. Dr. Richard Fotter, Vorstand der Univ.Klinik für Radiologie und Leiter der Klinischen Abteilung für Kinderradiologie am LKH-Univ.Klinikum Graz E-Mail: richard.fotter@uni-graz.at Menschen helfen Menschen Dezember 2003

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GESUNDHEIT & FORSCHUNG<br />

KIMCL: Grazer Labordiagnostik bei weltweit größter Hausarztstudie<br />

Wie gesund sind Deutsche?<br />

Mittwoch, 17. September, 12.00<br />

Uhr. Ein Lieferwagen randvoll bepackt<br />

mit rund 15000 Röhrchen von<br />

3000 Patienten aus 400 deutschen allgemeinärztlichen<br />

und internistischen Ordinationen<br />

fährt vor. In Windeseile werden<br />

die Päckchen entladen und in den<br />

Laborbereich 2 des Klinischen Instituts für<br />

medizinische und chemische Labordiagnostik<br />

(KIMCL) gebracht. Dort warten<br />

30 technische Mitarbeiter und studentische<br />

Hilfskräfte darauf, dass es endlich<br />

losgeht. Vor ihnen liegt die vermutlich anstrengendste<br />

Woche des Jahres. Die Bestimmungen<br />

sollen schon bis Freitag, 19.<br />

September fertig sein. Warum diese Eile?<br />

Der Grund ist einfach, dann werden<br />

weitere 20.000 Röhrchen von 4000 Patienten<br />

erwartet und die Einsender wollen<br />

alle Befunde so rasch als möglich. Ist das<br />

zu schaffen?<br />

Studie DETECT<br />

Inzwischen ist klar: Es ist geschafft! Die<br />

Probenlawine hat das KIMCL nicht unvorbereitet<br />

getroffen. Alle Proben stammen<br />

von Teilnehmern der Studie DETECT, einem<br />

bislang weltweit beispiellosen Vorhaben<br />

der Versorgungsforschung. Das<br />

Akronym steht für Diabetes and Cardiovascular<br />

Risk-Evaluation: Targets and Essential<br />

Data for Commitment of Treatment.<br />

DETECT ist die weltweit bisher<br />

größte Hausarztstudie zum Versorgungsstatus<br />

von Patienten mit Diabetes mellitus<br />

und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie<br />

wird in Deutschland unter der Klinischen<br />

Leitung der Technischen Universität Dresden<br />

und mit Unterstützung der Firma Pfizer<br />

Deutschland durchgeführt. Das<br />

KIMCL Graz stellt die gesamte Laborlogistik<br />

und -analytik für diese Studie zur<br />

Verfügung.<br />

Forschungsergebnisse<br />

und Praxis<br />

Umstellung der Lebensweise und medikamentöse<br />

Therapie beachtliche Erfolge erzielt<br />

werden können. Eines der Ziele von<br />

DETECT ist es, herauszufinden, warum Erkenntnisse<br />

der medizinischen Forschung<br />

in der allgemeinen täglichen Praxis<br />

manchmal nur lückenhaft umgesetzt werden.<br />

Daneben soll DETECT erstmals wirklich<br />

repräsentative Daten zum Vorkommen<br />

und zur Behandlung von Stoffwechselstörungen<br />

wie erhöhten Blutfetten oder<br />

Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen<br />

liefern, um eine Basis für rationale Planungen<br />

im Gesundheitswesen zu haben.<br />

80 000 Patienten dokumentiert<br />

Zu diesem Zweck haben am 16. und<br />

18. September 2003 rund 3.500<br />

Hausärzte in Deutschland das Diagnoseund<br />

Behandlungsprofil von insgesamt nahezu<br />

80.000 Patienten dokumentiert.<br />

Gleichzeitig haben auch alle Patienten<br />

einen Fragebogen zu ihren soziodemographischen<br />

Daten, ihren Beschwerden<br />

und ihren Einstellungen zu ausgewählten<br />

Krankheitsbildern ausgefüllt. Bei<br />

7500 Teilnehmern wurden Blutentnahmen<br />

vorgenommen, um kardiovaskulär<br />

relevante Laborwerte wie Blutfette, Glukose<br />

und Entzündungsmarker zu messen.<br />

Alle diese Proben wurden am<br />

KIMCL Graz analysiert.<br />

Mitarbeiter und Geräte in<br />

vollem Einsatz<br />

Das stellte alle Mitarbeiter vor bisher unbekannte<br />

Herausforderungen. Monatelang<br />

wurden Logistik und Ablauf im Labor<br />

in allen Einzelheiten geplant und simuliert.<br />

Eigens für die Organisation von DE-<br />

TECT wurde ein Zusatz zum Laborinformationssystem<br />

programmiert, das auf einem<br />

gesonderten Rechner installiert ist<br />

und für die schnelle Übermittlung der Befunde<br />

sorgt. Vielfältige Ausfallszenarien<br />

wurden durchgespielt, nichts dem Zufall<br />

überlassen. Nur so konnte sichergestellt<br />

werden, dass an den „heißen Tagen“ alles<br />

klappte. Vier Tage lang drehten sich<br />

zehn Laborzentrifugen gleichzeitig, waren<br />

Personal und Gerätschaften rund um<br />

die Uhr im Einsatz.<br />

Von jedem Patienten wurden acht Rückstellproben<br />

erzeugt, das machte 60.000<br />

Röhrchen, die bei –80 o Celsius tiefgefroren<br />

werden. Und schließlich war dafür<br />

Sorge zu tragen, dass die Proben der Patienten<br />

am LKH in der gewohnten Qualität<br />

und Schnelligkeit bearbeitet wurden.<br />

Es geht weiter<br />

Damit ist die Studie aber keineswegs zu<br />

Ende. Jetzt gilt es, gemeinsam mit der Arbeitsgruppe<br />

von Prof. Wittchen an der<br />

Technischen Universität Dresden die ermittelten<br />

Laborwerte mit den Ergebnissen<br />

der Befragungen von Ärzten und Patienten<br />

zusammenzuführen und statistisch aufzubereiten.<br />

Man darf darauf gespannt<br />

sein, wie gesund Deutschland wirklich<br />

ist. Im September 2004 werden alle Teilnehmer,<br />

bei denen Laboruntersuchungen<br />

vorgenommen wurden, noch einmal untersucht.<br />

Damit soll herausgefunden werden,<br />

ob sich an Lebensgewohnheiten, Risikofaktoren<br />

und Behandlungen etwas<br />

geändert hat.<br />

■<br />

Dr. med. Franz Freisinger, Claudia Mayer, Mag.<br />

Eva Fauland, Prof. Dr. med. Andreas Tiran, Prof.<br />

Dr. med. Winfried März (Vorstand, KIMCL)<br />

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind neben<br />

Krebserkrankungen die häufigsten<br />

Todesursachen in den Industrienationen.<br />

Daran hat sich auch in den letzten Jahren<br />

leider wenig geändert, obwohl Ärzten<br />

und Patienten klar ist, dass durch Beeinflussung<br />

der bekannten Risikofaktoren,<br />

Dezember 2003<br />

Studentische Hilfskräfte beim Etikettieren<br />

der Proben.<br />

Von links: Prof. Dr. Winfried März ,<br />

Mag. Eva Fauland, Prof. Dr.<br />

Andreas Tiran.<br />

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