Was ist guter Grundschulunterricht ? Qualitätsstandards für den ...
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Lehren und Lernen<br />
Kindheit heute<br />
Kinder leben heute in einer anderen Welt als noch vor ca. 20 Jahren (Struck, 1996 und<br />
Beck, 1997). Da <strong>ist</strong> zum einen die Zunahme an „Ein-Kind-Familien“, die erhöhte Erwerbstätigkeit<br />
beider Elternteile, eine neue Vielfalt an Familienkonstellationen (Leben<br />
mit einem Stiefelternteil, mit Stiefgeschw<strong>ist</strong>ern, mit 2 Vätern oder 2 Müttern....) bzw. die<br />
zunehmende Zahl Alleinerziehender.<br />
Die Kinder haben selten noch Gelegenheit auf Straßen oder freien Plätzen zu spielen,<br />
wodurch es nur noch selten zu Spielen in größeren Gruppen kommt. Me<strong>ist</strong> kommt es<br />
nur zu „Ein-Kind-Spielkontakten“ mit Gleichaltrigen. Auf der anderen Seite nehmen die<br />
Kinder zunehmend institutionalisierte Freizeitangebote wahr, wodurch es zu vollen<br />
Terminkalendern auch schon bei 6-jährigen kommt. Diese Art von Freizeitangeboten<br />
schließt zudem ärmere Kinder häufig aus.<br />
Einige Schulanfänger haben schon ein eigenes Fernsehgerät auf dem Zimmer, fast alle<br />
aber Kassettenrekorder, viele haben einen Gameboy oder sogar eine Playstation,<br />
manche auch schon einen Computer. Für manche Kinder sind diese Geräte die Hauptspielpartner,<br />
mit ihnen verbringen sie einen Großteil der Freizeit.<br />
Darüber hinaus hat sich das Erziehungsbild bzw. haben sich die Erziehungsnormen<br />
gewandelt. Erziehung <strong>ist</strong> heute sehr viel liberaler. Viele Eltern fühlen sich inzwischen<br />
(z.B. auch durch die zusätzliche berufliche Belastung) mit der Erziehung ihrer Kinder<br />
überfordert. Heute <strong>ist</strong> die Beziehung zum Kind häufig wichtiger als die Erziehung. Zudem<br />
kommt es durch die kulturelle und soziale Mischung in Schule und Familie zu einer<br />
Pluralisierung des Erziehungsstils und der vermittelten Werte.<br />
Insgesamt kann man von einer Verarmung der Kindheit sprechen: Die Kinder sind häufig<br />
arm an Arbeits- und Verantwortungserfahrung, (vor allem in <strong>den</strong> Städten) arm an<br />
gefahrloser Erkundung der Umwelt und somit arm an eigenständiger Bewegungsfreiheit,<br />
arm an „Straßensozialisation“, arm an Geschw<strong>ist</strong>ern, arm an Bezugspersonen,<br />
einige auch zuwendungsarm, arm an erzieherischem Widerstand (Kinder machen etwas<br />
falsch und keiner sagt was).<br />
Hinzu kommt, dass die Kinder bei ihrer Einschulung einen Altersunterschied von bis zu<br />
3 Jahren aufweisen. Die Unterschiede in ihrer Entwicklung sind z. T. noch größer, und<br />
auch von Fach zu Fach weisen die Kinder unterschiedliche Entwicklungsniveaus auf.<br />
„Den typischen Schulanfänger gibt es nicht: ... Die Begabung, der Wissensstand, das<br />
Verständnis <strong>für</strong> Schrift, das Zahlenverständnis und die motorische Geschicklichkeit sowie<br />
das Konzentrationsvermögen und die Arbeitsgeschwindigkeit sind beim einzelnen<br />
Kind verschie<strong>den</strong> ausgeprägt.“ (Kultusmin<strong>ist</strong>erium Ba<strong>den</strong>-Württemberg, 2002). Auch<br />
Klafki (1992) betont, dass durch die veränderte Gesellschaft (Medienpräsenz, größerer<br />
Aktionsradius, Schnelllebigkeit etc.) bei heutigen SchulanfängerInnen die Differenzierung<br />
der verschie<strong>den</strong>en Dimensionen der kindlichen Persönlichkeit bereits begonnen<br />
hat, und diese Persönlichkeitsfacetten stehe oft in Spannung zueinander, offenbaren<br />
Widersprüche und Unstimmigkeiten.<br />
Eine heutige Kindheit läuft also viel individueller ab als vor etwa 20 Jahren und die<br />
Schnelligkeit der Veränderung hat zugenommen. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes,<br />
dass die Möglichkeit einer sonderpädagogischen Förderung in<br />
einer Regelschule verfassungsrechtlich geboten <strong>ist</strong>, muss der Unterricht sich auch auf<br />
diese <strong>für</strong> Regelklassen neue SchülerInnengruppe einstellen (Zöllner, 2002).<br />
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