„Biographisches Arbeiten in der Grundbildung ... - Grundbildung.de
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„Biographisches Arbeiten in der Grundbildung – neues Wissen und neue Materialien für die Biographiearbeit im Kurs“ Diese Fortbildung entstand im Rahmen des Verbundprojektes Verbleibsstudie zur biographischen Entwicklung (ehemaliger) Teilnehmer/innen an Alphabetisierungskursen im Teilprojekt Praxisentwicklung beim Deutschen Volkshochschulverband e.V. in Bonn. Für wertvolle Hinweise danken wir Frau Adelgard Steindl.
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<strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong><br />
– neues Wissen und neue Materialien für die<br />
Biographiearbeit im Kurs“<br />
Diese Fortbildung entstand im Rahmen <strong>de</strong>s Verbundprojektes Verbleibsstudie zur<br />
biographischen Entwicklung (ehemaliger) Teilnehmer/<strong>in</strong>nen an Alphabetisierungskursen<br />
im Teilprojekt Praxisentwicklung beim Deutschen Volkshochschulverband e.V. <strong>in</strong><br />
Bonn.<br />
Für wertvolle H<strong>in</strong>weise danken wir Frau A<strong>de</strong>lgard Ste<strong>in</strong>dl.
Inhaltsverzeichnis<br />
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/<strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
Zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>s Thema<br />
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/<strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
H<strong>in</strong>weise zur Gestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung<br />
PowerPo<strong>in</strong>t- Folien<br />
Biographisches <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong> – neues Wissen und neue Materialien<br />
für die Biographiearbeit im Kurs“<br />
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/<strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
Tra<strong>in</strong>ermaterial mit Kommentaren zu <strong>de</strong>n Folien<br />
Kursmaterial<br />
Fotoroman „Schweißperlen“ mit und ohne Text<br />
Kursmaterial<br />
Audio CD mit Interviewauszügen<br />
Kursmaterial<br />
Audio CD mit Vertonung zum Partiellen Out<strong>in</strong>g
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/ <strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
Zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong>s Thema<br />
1. Biographie zwischen Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung<br />
Die eigene Lebensgeschichte ist heute vielleicht wichtiger <strong>de</strong>nn je. Das liegt zu e<strong>in</strong>em wesentlichen<br />
Teil daran, dass sich die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten Menschen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten<br />
zwei Jahrzehnten stark verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t haben. Wir suchen öfter als früher Arbeit und konkurrieren<br />
dabei mit vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Längst führt nicht mehr e<strong>in</strong> bestimmtes Ausbildungsprofil <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en bestimmten Beruf: Vielmehr s<strong>in</strong>d wir häufig gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, mit unserer ganzen Biographie<br />
zu argumentieren, um unsere Eignung für e<strong>in</strong>e bestimmte Arbeitsstelle zu beweisen. Unsere<br />
Mobilität führt aber auch zu immer neuen Kontakten und neuen Alltagssituationen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
wir uns mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> bekannt machen und dabei naturgemäß <strong>de</strong>n An<strong><strong>de</strong>r</strong>en über uns berichten.<br />
Ähnlich wirkt sich die Internet-Kommunikation aus. Reale und virtuelle Begegnungen<br />
veranlassen uns, unsere Wer<strong>de</strong>gänge kommunizierbar zu machen. Und damit s<strong>in</strong>d wir selbst<br />
bereits mitten im ‚biographischen <strong>Arbeiten</strong>’.<br />
Wenn wir an<strong><strong>de</strong>r</strong>en beschreiben, wer wir s<strong>in</strong>d, spielt unsere Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolge und<br />
Misserfolge auf unserem Bildungsweg oft e<strong>in</strong>e große Rolle. Polemisch ausgedrückt: Wir spüren,<br />
dass unser Sozialprestige zum e<strong>in</strong>en von <strong>de</strong>n absolvierten Etappen formalen Lernens<br />
abhängt und zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en davon, ob wir glaubhaft machen können, dass die <strong>in</strong> unsere Bildung<br />
<strong>in</strong>vestierten Mittel auch lohnend angelegt waren. Nur: E<strong>in</strong>en kurzen, gera<strong>de</strong>n Wer<strong>de</strong>gang<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gut bezahlten Dauerjob können heute nur noch wenige vorweisen. Denn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Arbeitsmarkt programmiert Umwege und gelegentlich auch Sackgassen. Das betrifft<br />
Menschen auf allen Bildungsniveaus.<br />
Für Menschen auf allen Bildungsniveaus - auch für diejenigen, die bislang kaum persönlichen<br />
Gew<strong>in</strong>n aus unserem Bildungssystem ziehen konnten – stellt die eigene Biographie<br />
also e<strong>in</strong>e Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung dar, die weit über das h<strong>in</strong>ausgeht, was zum Beispiel bei e<strong>in</strong>em<br />
Bewerbungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g geübt wird. Bevor ich me<strong>in</strong>en Wer<strong>de</strong>gang zum Beispiel gezielt im H<strong>in</strong>blick<br />
auf e<strong>in</strong> Stellenangebot e<strong>in</strong>em Arbeitgeber darstelle, muss ich mich selbst davon überzeugen,<br />
dass me<strong>in</strong>e persönliche Geschichte mich befähigt, neue Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen zu bewältigen.<br />
Will sagen: Ich muss mir erst e<strong>in</strong>mal im Kopf e<strong>in</strong>e brauchbare Biographie schreiben.<br />
Das kann gelernt wer<strong>de</strong>n, und darum ist Biographisches <strong>Arbeiten</strong> auch e<strong>in</strong> wichtiges Thema<br />
für pädagogisch Tätige.<br />
2. Biographisches <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> pädagogischen Praxis und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> pädagogischen Praxis verfolgt Biographisches <strong>Arbeiten</strong> immer das Ziel, Lernbereitschaft<br />
und Freu<strong>de</strong> am Lernen zu wecken und zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wer zu e<strong>in</strong>er Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen<br />
Biographie kommen möchte, die zum Lernen und Weiterlernen motiviert, sollte im Laufe <strong>de</strong>s<br />
Lebens erreichte eigene Lernerfolge jenseits formaler Erfolgskriterien kennen.<br />
Daran orientieren sich Kursleiten<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Alphabetisierung schon lange: Sie gehen nicht nur<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmerorientierung und <strong>de</strong>s Lebensweltbezugs auf die aktuelle Situation<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf ihre persönliche Geschichte e<strong>in</strong>.<br />
Diese Ausrichtung geht auf Pionier<strong>in</strong>nen und Pioniere <strong><strong>de</strong>r</strong> Alphabetisierungsarbeit <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
1980er und 1990er Jahren zurück. Lehren<strong>de</strong> wie Lernen<strong>de</strong>, so schrieben Elisabeth Fuchs-<br />
Brün<strong>in</strong>ghoff und Monika Pfirrmann, müssten sich die Be<strong>de</strong>utung <strong>in</strong>dividueller Biographie für<br />
Lernprozesse, aber auch für das Ausbleiben von Lernprozessen bewusst machen:<br />
1
„Bildungsarbeit mit Erwachsenen zu machen, heißt konfrontiert zu se<strong>in</strong> mit <strong>de</strong>n lebensgeschichtlich<br />
bed<strong>in</strong>gten Lernhaltungen und Lernstrategien je<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen. Sie wer<strong>de</strong>n virulent<br />
im aktuellen Lerngeschehen, vielfach ohne dass sie <strong>de</strong>n Beteiligten bewusst s<strong>in</strong>d o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre<br />
Wirkung erkannt wird. E<strong>in</strong> Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Entstehungsgeschichten dieser<br />
Haltungen und Strategien ist u.E. jedoch – auf seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehren<strong>de</strong>n wie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n<br />
– e<strong>in</strong>e entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Voraussetzung, um e<strong>in</strong>e bessere E<strong>in</strong>schätzung dafür zu bekommen,<br />
wann Lernen erfolgreich ist und wann nicht“.<br />
„E<strong>in</strong> umfassen<strong>de</strong>s Lernverständnis begreift das Lernverhalten e<strong>in</strong>er Person im Zusammenhang<br />
mit ihrer Geschichte, ihren Erfahrungen und Gefühlen, ihrem Selbst- und Weltbild. Die<br />
S<strong>in</strong>nhaftigkeit <strong>de</strong>s Nicht-Lernens kann <strong>de</strong>shalb nur aus <strong>de</strong>m Gesamt dieser Faktoren heraus<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, ebenso wie die Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Lernverhaltens e<strong>in</strong>e Korrektur <strong>de</strong>s<br />
Selbstbil<strong>de</strong>s erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t und Auswirkungen auf das gesamte Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n zeitigen<br />
kann. E<strong>in</strong>e Schlüsselfunktion kommt hierbei <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung zwischen Lehren<strong>de</strong>n und Lernen<strong>de</strong>n<br />
zu, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> vergangene Lernerfahrungen aktualisiert wer<strong>de</strong>n und somit potenziell für e<strong>in</strong>e<br />
Bearbeitung offenstehen.“ 1<br />
Konsens besteht bei ExpertInnen für Alphabetisierung und <strong>Grundbildung</strong> über das Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freiwilligkeit: Unbed<strong>in</strong>gte Voraussetzung für Biographisches <strong>Arbeiten</strong> ist die Bereitschaft<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> TeilnehmerInnen dazu.<br />
Die aktuelle pädagogische Forschung unterschei<strong>de</strong>t zwischen „pädagogischer Biographiearbeit“<br />
und „Biographieorientierung“. Daniela Rothe erklärt dies so:<br />
„In unserer Gesellschaft wird <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel von uns verlangt, dass wir unser Leben <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen und sozialen Umwelt selbst gestalten und dabei alte und<br />
neue Erfahrungen <strong>in</strong> unserer Lebensgeschichte verknüpfen und auf diese Weise subjektiven<br />
S<strong>in</strong>n herstellen. Auch wenn <strong>in</strong> Lernprozessen solche biographischen Konstruktionen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regel nicht im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund stehen, haben sie doch erheblichen E<strong>in</strong>fluss darauf, was und<br />
auch wie gelernt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Von pädagogischer Biographiearbeit ist vor allem dann die Re<strong>de</strong>, wenn durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz<br />
ganz konkreter Metho<strong>de</strong>n (z.B. sogenannter biographischer Übungen) lebensgeschichtliche<br />
Erfahrungen explizit zum Gegenstand <strong>de</strong>s Lernens wer<strong>de</strong>n, d.h. wenn Prozesse biographischer<br />
Selbstreflexion pädagogisch angeleitet, unterstützt und begleitet wer<strong>de</strong>n. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />
wer<strong>de</strong>n dabei e<strong>in</strong> ganz spezifischer Ausschnitt o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e Phase <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensgeschichte, bestimmte<br />
(typische) Situationen o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Thema und se<strong>in</strong>e Entwicklung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensgeschichte<br />
fokussiert. Diese Form <strong><strong>de</strong>r</strong> biographischen Selbstreflexion wird beispielsweise für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sem<strong>in</strong>arsituation <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwachsenenbildung genutzt, um die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung<br />
mit bestimmten Sem<strong>in</strong>ar<strong>in</strong>halten mit <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen zu verknüpfen. Angeleitete<br />
biographische Selbstreflexion kann aber auch <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gruppensituationen, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Beratung und Begleitung e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />
Biographieorientierung steht für e<strong>in</strong>e grundlegen<strong>de</strong> Orientierung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Haltung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> pädagogischen<br />
Arbeit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass professionelle pädagogische Praxis die<br />
biographische Dimension von Lern- und Bildungsprozessen anerkennt und daran anschließt.<br />
Biographieorientierung ist auch dann angemessen und möglich, wenn aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s <strong>in</strong>stitutionellen Kontexts die Anleitung von Prozessen biographischer<br />
Selbstreflexion nicht möglich o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht angemessen ist (z.B. weil Freiwilligkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme<br />
nicht gewährleistet wer<strong>de</strong>n kann).“<br />
Für bei<strong>de</strong> Formen – pädagogische Biographiearbeit und Biographieorientierung <strong>in</strong> pädagogischen<br />
Arbeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n – müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt se<strong>in</strong>: Fachliches Wissen<br />
(z.B. über Biographie als e<strong>in</strong>e Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Verschränkung zwischen Individuum und Gesell-<br />
1 Fuchs-Brün<strong>in</strong>ghoff, Elisabeth/Pfirrmann, Monika (1992): Ansichten von Lernen – Lernansichten.<br />
PAS, Deutscher Volkshochschulverband. Frankfurt a.M., S. 9; Dies. (1993): Bericht <strong>de</strong>s Projektes<br />
'Soziale und personale Kompetenzen als Basisqualifikation <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwachsenenbildung'. PAS, Deutscher<br />
Volkshochschulverband. Frankfurt a.M., S. 57.<br />
2
schaft, über die biographische Dimension von Lernprozessen, über das Verhältnis von Biographie<br />
und Institution, die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Erzählens), Professionalität, das Wissen über die<br />
Möglichkeiten und Grenzen biographieorientierter Arbeit unter <strong>de</strong>n jeweiligen <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gen sowie eigene Erfahrungen mit biographischer Selbstreflexion <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer<strong>in</strong> bzw. <strong>de</strong>s Teilnehmers und ihre fachliche Reflexion s<strong>in</strong>d unabd<strong>in</strong>gbar.“ 2<br />
3. Die Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Gegenstand dieser Fortbildung ist nicht e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Biographischen<br />
<strong>Arbeiten</strong>s. Die hier präsentierte Fortbildung konzentriert sich vielmehr auf e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Aspekt Biographischen <strong>Arbeiten</strong>s im Alphabetisierungs- und <strong>Grundbildung</strong>skurs.<br />
Forscher<strong>in</strong>nen und Forscher an <strong><strong>de</strong>r</strong> Goethe-Universität Frankfurt a. M., <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Hamburg<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> TU Chemnitz, <strong><strong>de</strong>r</strong> Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong> sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibniz-Universität<br />
Hannover haben <strong>in</strong> <strong>de</strong>n letzten Jahren auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage zahlreicher Interviews Biographien<br />
von Menschen untersucht, die als Erwachsene lesen und schreiben lernen. 3 Die Studien<br />
belegen, dass viele Menschen mit Lese- und Schreibproblemen ihren Bildungsweg unter<br />
schlechten Bed<strong>in</strong>gungen begonnen haben. Sie zeigen aber auch, was diese Menschen dazu<br />
bewegt, als Erwachsene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Alphabetisierungskurs zu gehen. Und sie kommen zu <strong>de</strong>m<br />
Schluss, dass sich durch <strong>de</strong>n Kurs vielleicht nicht gleich alles, aber doch e<strong>in</strong>iges im Leben<br />
dieser Menschen än<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Wir glauben, dass diese Erkenntnisse zum Wer<strong>de</strong>gang von Menschen mit Lese- und<br />
Schreibproblemen nicht nur für Kursleiten<strong>de</strong> (<strong>in</strong>sbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e diejenigen, die sich rasch <strong>in</strong> das<br />
Gebiet Alphabetisierung und <strong>Grundbildung</strong> e<strong>in</strong>arbeiten möchten), son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für Lernen<strong>de</strong><br />
von Interesse s<strong>in</strong>d. Die eigene Geschichte vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens- und Bildungswege<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>er zu sehen und zu reflektieren, kann helfen, auf Distanz zu stigmatisieren<strong>de</strong>n<br />
Normen zu gehen. Es veranlasst auch dazu, darüber nachzu<strong>de</strong>nken, warum solche Normen<br />
gesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
In dieser Fortbildung möchten wir die neuen Forschungsergebnisse zu <strong>de</strong>n Wer<strong>de</strong>gängen<br />
von Menschen, die als Erwachsene lesen und schreiben lernen, zunächst Kursleiten<strong>de</strong>n vorstellen.<br />
Wir möchten aber auch dazu anregen, sie im Kurs zum Thema zu machen. Die Beschäftigung<br />
mit <strong>de</strong>n Wer<strong>de</strong>gängen vieler Menschen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Situation kann das Verhältnis<br />
zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursleiter<strong>in</strong>/<strong>de</strong>m Kursleiter und <strong><strong>de</strong>r</strong>/<strong>de</strong>m e<strong>in</strong>zelnen Lernen<strong>de</strong>n entlasten.<br />
Das ist notwendig, weil die Grenze zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> notwendigen Ausrichtung <strong>de</strong>s Lernprozesses<br />
auf das Individuum und e<strong>in</strong>er psychologischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar psychotherapeutischen Betreuung<br />
<strong>de</strong>s Individuums, die nicht Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursleiter<strong>in</strong>/<strong>de</strong>s Kursleiters se<strong>in</strong> kann, leicht verschwimmt.<br />
2 Dausien, Bett<strong>in</strong>a (2008): Lebenslanges Lernen als Leitl<strong>in</strong>ie für die Bildungspraxis? Überlegungen zur<br />
pädagogischen Konstruktion von Lernen aus biographietheoretischer Sicht, <strong>in</strong>: Herzberg, Heidrun<br />
(Hrsg.): Lebenslanges Lernen. Theoretische Perspektiven und empirische Befun<strong>de</strong> im Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erwachsenenbildung, Frankfurt a. M., u.a., S. 151-174;<br />
Rothe, Daniela (2008): Pädagogische Biographiearbeit. E<strong>in</strong> Wissenschafts-Praxis-Projekt zur Professionalisierung<br />
pädagogischen Han<strong>de</strong>lns. In: Kirchhof, Steffen/Schulz, Wolfgang (Hrsg.): Biografisch<br />
lernen & lehren. Flensburg. S. 147-167.<br />
3 Diese Forschungsarbeiten entstan<strong>de</strong>n im Rahmen <strong>de</strong>s Verbundprojekts Verbleibsstudie zur biographischen<br />
Entwicklung (ehemaliger) Teilnehmer/-<strong>in</strong>nen an Alphabetisierungskursen. Die vier forschen<strong>de</strong>n<br />
Teilprojekte <strong>in</strong> diesem Verbund wur<strong>de</strong>n geleitet von Prof. Dr. Sandra Deneke (Leibniz<br />
Universität Hannover), Dr. Birte Egloff (Goethe-Universität Frankfurt a. M.), Prof. Dr. Anke Grotlüschen<br />
(Universität Hamburg), Prof. Dr. Dr. h. c. Ra<strong>in</strong>er Lehmann (Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong>)<br />
sowie Prof. Dr. Sab<strong>in</strong>e Schmidt-Lauff (TU Chemnitz). Das Teilprojekt „Praxisentwicklung“, das diese<br />
Fortbildung ausgearbeitet hat, war beim Deutschen Volkshochschul-Verband angesie<strong>de</strong>lt. Die<br />
Verbleibsstudie wur<strong>de</strong> geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t vom Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isterium für Bildung und Forschung.<br />
3
Die Beobachtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler stützen sich auf Aussagen<br />
von Lernen<strong>de</strong>n über sich selbst. Sie zeigen bei aller Deutlichkeit <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Darstellung ungünstiger,<br />
mitunter diskrim<strong>in</strong>ieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensumstän<strong>de</strong>, dass sich die biographisch relevanten<br />
Erfahrungen von Menschen mit Lese- und Schreibproblemen e<strong>in</strong>fachen Zuordnungen<br />
entziehen. E<strong>in</strong> gutes Beispiel dafür ist die Er<strong>in</strong>nerung an die Schulzeit, die für viele <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewten<br />
sowohl negativ als auch positiv besetzt ist. Die Mehr<strong>de</strong>utigkeit, die die Forschungsergebnisse<br />
spiegeln, for<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Kursleiter<strong>in</strong>, <strong>de</strong>n Kursleiter als Impulsgeber, nicht als Therapeuten.<br />
Auch wenn die Forschung vieles bestätigt, was erfahrene Kursleiter<strong>in</strong>nen und Kursleiter<br />
schon wissen: Für Kursleiter<strong>in</strong>nen und Kursleiter wie auch für die Lernen<strong>de</strong>n ist es wichtig,<br />
dass wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse zu <strong>de</strong>n Lebenswegen und Lebenssituationen<br />
von Menschen mit Lese- und Schreibproblemen vorliegen und bekannt wer<strong>de</strong>n. Schließlich<br />
geht es letztlich auch darum, die eigene Leistung als Lehren<strong>de</strong> wie als Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alphabetisierung selbstbewusst nach außen darstellen und so auf bessere Arbeits- und<br />
Lernbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>zuwirken zu können.<br />
4
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/ <strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
H<strong>in</strong>weise zur Gestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung<br />
Als Sem<strong>in</strong>are<strong>in</strong>stieg bietet es sich im Anschluss an die Begrüßung und Vorstellung Ihrer<br />
Person an, zunächst verschie<strong>de</strong>ne Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu klären, z.B. Pausenzeiten,<br />
Ansprache (du/Sie). Kennen die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer (im Folgen<strong>de</strong>n meist TN)<br />
sich bereits o<strong><strong>de</strong>r</strong> macht e<strong>in</strong>e kurze Vorstellungsrun<strong>de</strong> S<strong>in</strong>n?<br />
Als E<strong>in</strong>stieg kann dann e<strong>in</strong> Blitzlicht helfen, Erwartungen <strong><strong>de</strong>r</strong> TN an die Fortbildung abzufragen,<br />
nach positiven Erfahrungen, offenen Fragen, Wünschen und Vorschlägen etc. zu<br />
fragen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Blitzlicht-Metho<strong>de</strong> äußert sich je<strong>de</strong>/r TN <strong><strong>de</strong>r</strong> Reihe nach <strong>in</strong> 2 bis 3 Sätzen,<br />
ohne dass die TN <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Diskussion e<strong>in</strong>steigen.<br />
Dann kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung vorgestellt wer<strong>de</strong>n. Dazu dient auch die Inhaltsübersicht<br />
auf Folie 4 <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> PowerPo<strong>in</strong>t-Präsentation.<br />
Anschließend können Sie „<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Stoff e<strong>in</strong>steigen“. Die Informationen im ersten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fortbildung s<strong>in</strong>d umfangreich. Grundlage für Ihren Vortrag s<strong>in</strong>d die Folien <strong><strong>de</strong>r</strong> PowerPo<strong>in</strong>t-<br />
Präsentation. Zu je<strong><strong>de</strong>r</strong> Folie gibt es e<strong>in</strong>en Kommentar, an <strong>de</strong>m Sie sich bei Ihrem Vortrag<br />
orientieren können.<br />
Die Folien f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmermappe wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, die je<strong><strong>de</strong>r</strong> und je<strong>de</strong>m zu Beg<strong>in</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Sem<strong>in</strong>ars ausgehändigt wer<strong>de</strong>n sollte. So s<strong>in</strong>d Mitschriften und Notizen an <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Stellen möglich.<br />
Entschei<strong>de</strong>n Sie, ob Sie mit Hilfe verschie<strong>de</strong>ner Sammeltechniken, wie Kartenabfrage,<br />
M<strong>in</strong>d-Mapp<strong>in</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuruflisten, danach fragen möchten, was die TN aus ihrer Unterrichtserfahrung<br />
unter „Biographischem <strong>Arbeiten</strong>“ verstehen. Es bietet sich an, dies zu Beg<strong>in</strong>n abzufragen<br />
und die Auffassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> TN mit <strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Folie dargestellten Auffassungen<br />
zu vergleichen. Wenn Sie e<strong>in</strong>e solche Befragung <strong><strong>de</strong>r</strong> TN zum Biographischen <strong>Arbeiten</strong> als<br />
E<strong>in</strong>stieg wählen, sollten Sie das Bild, das sich abzeichnet, zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt im<br />
Verlauf <strong>de</strong>s Sem<strong>in</strong>ars noch e<strong>in</strong>mal heranziehen. Es kann dann zu <strong>de</strong>n präsentierten Forschungsergebnissen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> biographischen Entwicklung von Menschen <strong>in</strong> <strong>Grundbildung</strong>skursen<br />
<strong>in</strong> Bezug gesetzt wer<strong>de</strong>n. Als Präsentations- und Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ationsmedien bieten<br />
sich dazu e<strong>in</strong>e P<strong>in</strong>nwand, Flipchart o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tafel an.<br />
Um <strong>de</strong>n Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmern <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung e<strong>in</strong>e aktivere Rolle zu geben,<br />
können Sie die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong>in</strong> diesem ersten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung <strong>in</strong><br />
Gruppen arbeiten lassen. Dafür bil<strong>de</strong>n Sie zwei Gruppen. Je<strong>de</strong> davon erarbeitet sich anhand<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Folien <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Präsentation e<strong>in</strong>en Teil <strong>de</strong>s unter „Vermittlung aktueller<br />
Erkenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten“<br />
angebotenen Stoffs:<br />
- Gruppe 1: „Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund“<br />
- Gruppe 2: „Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ und „Motive<br />
für die Kursteilnahme“.<br />
Geben Sie e<strong>in</strong>en klaren Zeitrahmen für die Gruppenarbeit vor (unser Vorschlag: 30 M<strong>in</strong>uten),<br />
und achten Sie darauf, dass er e<strong>in</strong>gehalten wird.<br />
Die bei<strong>de</strong>n Gruppen sollten nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppenarbeitsphase die Inhalte <strong>de</strong>m Plenum präsentieren.<br />
Dazu können sie verschie<strong>de</strong>ne Medien nutzen, zum Beispiel e<strong>in</strong> selbst erstelltes Plakat.
Kapitel 4 („Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung“) präsentieren Sie selbst <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Vortrags.<br />
Unter Punkt 5 („Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> – die Quadratur <strong>de</strong>s<br />
Kreises?“) sollten Sie mit Thesen und weiteren Fragen e<strong>in</strong>e Diskussion e<strong>in</strong>leiten, sie mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ieren<br />
und am Schluss die Ergebnisse kurz zusammenfassen.<br />
Für <strong>de</strong>n zweiten Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung, die Vorstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursmaterialien, bietet sich erneut<br />
e<strong>in</strong>e Arbeitsphase <strong>in</strong> Gruppen an.<br />
Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> Sie entschei<strong>de</strong>n sich - möglicherweise <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppengröße - für<br />
drei Gruppen, die je e<strong>in</strong>en Bereich übernehmen. Anschließend könnte die Kle<strong>in</strong>gruppe <strong>de</strong>n<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en das jeweils behan<strong>de</strong>lte Praxismaterial vorstellen.<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> Sie lassen e<strong>in</strong>e so genannte Murmelphase zu. Dabei beraten sich jeweils die Sitznachbarn<br />
über alle Materialien. Anschließend wird <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Großgruppe geme<strong>in</strong>sam diskutiert.<br />
Es kann hilfreich se<strong>in</strong>, Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion direkt zu visualisieren.<br />
Falls es im Verlauf <strong>de</strong>s Sem<strong>in</strong>ars zu e<strong>in</strong>em regen Erfahrungsaustausch kommt, beachten<br />
Sie Re<strong>de</strong>zeitbegrenzungen und geben eventuell Signale.<br />
Zum Abschluss kann sich e<strong>in</strong>e kurze Feedback-Run<strong>de</strong> lohnen. S<strong>in</strong>d die TN zufrie<strong>de</strong>n, konnten<br />
sie Neues für die tägliche Arbeit im Kurs lernen?<br />
Entlassen Sie Ihre Sem<strong>in</strong>arteilnehmer<strong>in</strong>nen und –teilnehmer mit e<strong>in</strong>em guten Gefühl, <strong>de</strong>nn<br />
die meisten wollen effektiv lernen, etwas Verwendbares für ihren Alltag mitnehmen und sich<br />
selbst als Person entwickeln.<br />
Quellen:<br />
Wei<strong>de</strong>nmann, Bernd (2001): Erfolgreiche Kurse und Sem<strong>in</strong>are. Professionelles Lernen mit<br />
Erwachsenen. 4. Auflage. We<strong>in</strong>heim und Basel<br />
Lipp, Ulrich; Will, Hermann (2002): Das große Workshop-Buch. Konzeption, Inszenierung<br />
und Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ation von Klausuren, Besprechungen und Sem<strong>in</strong>aren. 6. Auflage. We<strong>in</strong>heim<br />
und Basel
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
<strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Grundbildung</strong> – neues Wissen und neue<br />
Materialien für die Biographiearbeit im<br />
Kurs“
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Biographisches <strong>Arbeiten</strong> ist mehr als Teilnehmerorientierung.<br />
„Bildungsarbeit mit Erwachsenen zu machen, heißt konfrontiert zu se<strong>in</strong><br />
mit <strong>de</strong>n lebensgeschichtlich bed<strong>in</strong>gten Lernhaltungen und Lernstrategien<br />
je<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen.“ Fuchs-Brün<strong>in</strong>ghoff/Pfirrmann (1992), S. 9<br />
„Von pädagogischer Biographiearbeit ist vor allem dann die Re<strong>de</strong>, wenn<br />
durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz ganz konkreter Metho<strong>de</strong>n (z.B. sogenannter<br />
biographischer Übungen) lebensgeschichtliche Erfahrungen explizit zum<br />
Gegenstand <strong>de</strong>s Lernens wer<strong>de</strong>n, d.h. wenn Prozesse biographischer<br />
Selbstreflexion pädagogisch angeleitet, unterstützt und begleitet wer<strong>de</strong>n.“<br />
Rothe, nach Dausien (2008), Rothe (2008)
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung<br />
funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
‣ Profil: Geschlecht, Alter, familiäre Situation<br />
‣ Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
‣ H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
‣ Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
‣ Angst vor Stigmatisierung<br />
‣ „Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
‣ „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
‣ Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
‣ Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> - die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
1. Fotoroman „Schweißperlen“<br />
2. Audio- CD mit Interviewauszügen<br />
‣ „Man braucht Mut zum Lernen“<br />
‣ „An<strong><strong>de</strong>r</strong>s läuft das nicht“<br />
‣ „Nur weil man nicht lesen und schreiben kann, ist man nicht blöd“<br />
3. Schaubild „Partielles Out<strong>in</strong>g“
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung<br />
funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
‣ Profil: Geschlecht, Alter, familiäre Situation<br />
‣ Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
‣ H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
‣ Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
‣ Angst vor Stigmatisierung<br />
‣ „Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
‣ „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
‣ Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
‣ Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> - die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Geschlecht<br />
• Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer liegt etwas<br />
höher als <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
(Männer 56%, Frauen 44%).<br />
• Dies entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschlechterverteilung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bevölkerung im unteren<br />
Bildungsbereich.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Alter<br />
• Breites Altersspektrum: zwischen<br />
17 und 76 Jahren<br />
• Größte Altersgruppe: 45- bis 54-<br />
Jährige<br />
• Jüngere Teilnehmer unter 25<br />
Jahren sche<strong>in</strong>en schwer zu<br />
erreichen zu se<strong>in</strong>.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Familiäre Situation<br />
• Die Mehrheit ist ledig (53%).<br />
• 36% leben alle<strong>in</strong>. Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alle<strong>in</strong>leben<strong>de</strong>n ist damit <strong>de</strong>utlich<br />
höher als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleichsgruppe<br />
(14 Prozent).<br />
• Entsprechend ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
e<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Partner Zusammenleben<strong>de</strong>n<br />
niedriger als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergleichsgruppe (38 Prozent<br />
gegenüber 70 Prozent).<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn<br />
• Nur knapp e<strong>in</strong> Viertel hat e<strong>in</strong>e<br />
Regelschule besucht (24%).<br />
• 76% s<strong>in</strong>d zur Son<strong><strong>de</strong>r</strong>-/<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>schule gegangen.<br />
• 30% verfügen über e<strong>in</strong>en formalen<br />
Abschluss.<br />
• Grün<strong>de</strong> für e<strong>in</strong>en Schulabbruch<br />
liegen hauptsächlich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n zu<br />
hohen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen (53%).<br />
• Die Schulerfahrungen s<strong>in</strong>d<br />
heterogen.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Wer<strong>de</strong>gang: Berufsweg<br />
• Die Mehrzahl verfügt nicht über<br />
e<strong>in</strong>e berufliche Ausbildung.<br />
Immerh<strong>in</strong> haben 16% e<strong>in</strong>en<br />
anerkannten Ausbildungsberuf.<br />
• Der Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwerbstätigkeit ist<br />
une<strong>in</strong>heitlich<br />
(Beschäftigungsquote von<br />
be<strong>in</strong>ahe 50%, Arbeitslosenquote<br />
von 29% mit vornehmlich<br />
Langzeitarbeitslosigkeit).<br />
• Die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigten<br />
arbeitet <strong>in</strong> Vollzeit (74%).<br />
• Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit übt<br />
<strong>Arbeiten</strong> mit niedrigen<br />
Qualifikationsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen aus.<br />
47% s<strong>in</strong>d als ungelernte Arbeiter<br />
tätig.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
• Grün<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n Schriftspracherwerb aus Kursteilnehmersicht beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t haben, s<strong>in</strong>d:<br />
‣ Elternhaus bzw. Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />
‣ Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule<br />
‣ Sonstige Grün<strong>de</strong>: eigenes Verhalten, Veranlagungen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ereignisse<br />
• Der am häufigsten genannte Grund waren das Elternhaus bzw. Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
K<strong>in</strong>dheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> am zweithäufigsten genannte Grund die Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule.<br />
• Beispiele für Bed<strong>in</strong>gungen im Elternhaus bzw. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit: „Vernachlässigung“,<br />
„Misshandlung“, „Aufgaben <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie“, „K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit“, „K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heim“<br />
• Beispiele für Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule: „Lehrer haben sich nicht gekümmert, man<br />
wur<strong>de</strong> nicht beachtet o<strong><strong>de</strong>r</strong> man wur<strong>de</strong> gehänselt, Stress, Schulwechsel,<br />
rausgeflogen“<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
• Familiäre und schulische Bed<strong>in</strong>gungen wirken zusammen.<br />
• Die sozioökonomische Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Herkunftsfamilie war meist schwierig.<br />
• Nicht selten erlebten die Befragten Gewalt <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Formen.<br />
• „Diskrim<strong>in</strong>ierungskont<strong>in</strong>uität“ <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule: Die im Elternhaus erfahrene Ablehnung<br />
setzte sich fort („Sitzenbleiben“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> Degradierungen).<br />
• Der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Erwerbstätigkeit stellt e<strong>in</strong>e Möglichkeit dar, <strong>de</strong>n durch ungünstige<br />
familiäre und schulische Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>itiierten Lebensverlauf („Lei<strong>de</strong>nsweg“) zu<br />
durchbrechen.<br />
Reese In: Egloff/ Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Pape In: Egloff/Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Egloff In: Egloff/ Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Von Rosenbladt/Bilger (2011)<br />
Döbert-Nauert (1985). Zitiert <strong>in</strong>: Egloff (1997)
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung<br />
funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
‣ Profil: Geschlecht, Alter, familiäre Situation<br />
‣ Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
‣ H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
‣ Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
‣ Angst vor Stigmatisierung<br />
‣ „Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
‣ „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
‣ Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
‣ Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> - die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
Vermei<strong>de</strong>n:<br />
„Weil ich vom Arbeitsamt immer Maßnahmen gekriegt habe, wo ich äh ... jetzt<br />
irgendwie was mit Lesen und Schreiben machen musste o<strong><strong>de</strong>r</strong> Mathematik<br />
und so. Und, na ja, früher hatte ich eben wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachen richtig Angst<br />
gehabt und dann b<strong>in</strong> ich nach ner Weile nicht mehr da h<strong>in</strong>gegangen und<br />
so.“ (Herr Michaelis*)<br />
Ausre<strong>de</strong> nutzen:<br />
„Und das is immer auf´n Arbeitsamt, wenn du sachst: Ach, ich hab heute keene<br />
Brille mit. Können Sie das mal machen? Das is bei mir immer die Ausre<strong>de</strong>,<br />
wenn ich auf´n Arbeitsamt b<strong>in</strong> und ich muss was ausfüllen: Ach, ich hab<br />
heute keene Brille mit! Dabei is me<strong>in</strong>e Brille <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tasche.“ (Frau Balian)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
Erhöhte Merkfähigkeit:<br />
„Da mussten wir so, äh, Fleisch verpacken, nicht? Da stand auch drauf: Mett,<br />
Schwe<strong>in</strong>ebraten, Leber. Das war für mich ja schon <strong><strong>de</strong>r</strong> Horror <strong><strong>de</strong>r</strong> Nation,<br />
ne? Aber, da war ich dreie<strong>in</strong>halb Jahre und da habe ich mir das immer<br />
schön gemerkt, wo die D<strong>in</strong>ger waren, zum Re<strong>in</strong>schieben. Das Gedächtnis<br />
hat immer mitgeholfen.“ (Frau Peters*)<br />
Hilfsmittel benutzen:<br />
„SMS schreibt man ja heutzutage mit T9, die machen ja die Wörter selber<br />
schon fast, da kann man kaum Fehler machen (lacht). Ist schon<br />
erleichternd.“ (Herr Franke)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Angst vor Stigmatisierung<br />
„[…] aber nicht jetzt, nicht, nicht, äh, äh, (Räuspern) Angst, so wie soll ich das<br />
sagen, wenn ich da zu viel Fehler dr<strong>in</strong> hab, das wür<strong>de</strong> mir Angst machen.<br />
Was die dann da rauf gucken und: „Oh Gott, was ist das <strong>de</strong>nn für E<strong>in</strong>er“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> was.“ (Herr Werner*)<br />
„Weil ich dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nke, ja, füllst das aus, schreibst das h<strong>in</strong> und die liest<br />
das dann da durch und dann <strong>de</strong>nken die: Was sitzt <strong>de</strong>nn da für´n Idiot? Da<br />
hab ich natürlich Panik vor sowas.“ (Herr Werner)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Die „normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
„[…] musst ich die T1 ausfüllen, […] das hat natürlich für´n Normalen, für Sie<br />
jetzt wür<strong>de</strong> das vielleicht zehn M<strong>in</strong>uten se<strong>in</strong>. Den Zettel auszufüllen. Für<br />
mich hat das ne Stun<strong>de</strong> gekostet. Weil ich nachschlagen musste wie das<br />
geschrieben wird.“ (Herr Werner*)<br />
„Richtig. Und war ganz gut, so. Me<strong>in</strong>e Schwester hat auch gesagt, dass ich<br />
das gut gemacht habe. Mit ihr habe ich auch immer geübt. Für Nicht-<br />
Schreiber, also nicht rechnen, äh lesen und schreiben war’s ganz gut.“<br />
(Herr Thomas)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
„Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
• Funktionale Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten wählen aus, wem sie von<br />
ihrem Problem erzählen und vor wem sie es geheim halten.<br />
• Grün<strong>de</strong> für e<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d frühere Erfahrungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erwartete Folgen.<br />
• E<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g kann Vor- und Nachteile haben.<br />
Nienkemper/Bonna (2010)
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Partielles Out<strong>in</strong>g am Beispiel von Frau Peters (52 Jahre)<br />
„Me<strong>in</strong>e Schwiegermutter hat<br />
gesagt: ‚Du gehst jetzt zur<br />
Rechtschreibung? Dann bist<br />
du ja doof.‘ Die hat das aber<br />
nicht so geme<strong>in</strong>t, wie sie das<br />
gesagt hat.“<br />
„[…] me<strong>in</strong> Exmann weiß das.<br />
Und me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wissen das,<br />
dass ich das nicht kann.“<br />
„Von me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
die Klassenlehrer<strong>in</strong>nen<br />
wissen es bei<strong>de</strong>, […].<br />
Wollte ich nur, wenn<br />
die mal Hausaufgaben<br />
haben, wo ich <strong>de</strong>nen<br />
nicht mithelfen<br />
kann[…].“<br />
„Wenn ich für<br />
e<strong>in</strong>en Euro arbeiten<br />
müsste, <strong>de</strong>nn stelle ich<br />
mich irgendwie blö<strong>de</strong> und<br />
sag: ‚Ich kann ja gar nicht<br />
lesen was da steht‘.“<br />
„Und da hatte ich<br />
e<strong>in</strong>en Kollegen, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das wohl<br />
spitz bekommen. […] Und dann<br />
haben sie gesagt: ‚Drüben, da ist<br />
jemand, die kann nicht<br />
richtig lesen‘.“<br />
Name und Stimme wur<strong>de</strong>n verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Schaubild: Akzeptanzstudie, Universität<br />
Hamburg<br />
„O<strong><strong>de</strong>r</strong> da, wo ich jetzt<br />
arbeite, das muss da ke<strong>in</strong>er<br />
wissen. Weil <strong>de</strong>nn heißt es<br />
auch: ‚Die ist ja blö<strong>de</strong> hier,<br />
die kann ja noch nicht<br />
e<strong>in</strong>mal richtig lesen und<br />
schreiben‘.“
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung<br />
funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
‣ Profil: Geschlecht, Alter, familiäre Situation<br />
‣ Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
‣ H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
‣ Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
‣ Angst vor Stigmatisierung<br />
‣ „Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
‣ „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
‣ Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
‣ Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> - die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I.3Motivationzur KusrteilnahmeMmmmAJMpoaspid<br />
Mmmmm<br />
Motive für die Kursteilnahme iapoidasipo<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Quelle: AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt-Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung<br />
funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
‣ Profil: Geschlecht, Alter, familiäre Situation<br />
‣ Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
‣ H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
‣ Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
‣ Angst vor Stigmatisierung<br />
‣ „Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
‣ „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
‣ Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
‣ Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz im Biographischen <strong>Arbeiten</strong> - die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
Abbildung: Genannte Teilhabebereiche <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Interviews <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis- und Folgebefragung im Vergleich (<strong>in</strong> %),<br />
Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzstudie, Universität Hannover<br />
Crosskategorie: Selbstbewusstse<strong>in</strong>, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
• Fortschritte im Lesen<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
• Fortschritte im Schreiben<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
• Der Kurse<strong>in</strong>tritt markiert e<strong>in</strong> punktuell beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Ereignis.<br />
• Der Kursbesuch<br />
‣ ist e<strong>in</strong>gewoben <strong>in</strong> das Alltagsgeschehen.<br />
‣ erfolgt (oft über viele Jahre) lebensbegleitend, wird jedoch nicht<br />
unmittelbar als lebensverän<strong><strong>de</strong>r</strong>nd wahrgenommen, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />
umfassen<strong>de</strong>n Wendung (etwa <strong>in</strong> Bezug auf berufliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozioökonomische<br />
Verhältnisse).<br />
‣ zeigt sich nicht als l<strong>in</strong>eares Durchlaufen e<strong>in</strong>er Bildungsmaßnahme<br />
mit klarem Abschluss. Beispielsweise unterbrechen viele<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong>de</strong>n Kurs und nehmen ihn später<br />
erneut auf .<br />
‣ erstreckt sich oft über viele Jahre.<br />
Jochim/Schimpf (2010)
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
‣Lediglich e<strong>in</strong> Viertel (26%) nahm zum<br />
Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung zum ersten Mal an<br />
e<strong>in</strong>em Alphabetisierungskurs teil.<br />
Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Kursteilnahme<br />
(Welle 1, N=524)<br />
‣E<strong>in</strong> knappes Viertel (22%) besuchte bereits im<br />
Frühjahr 2009 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 2008 e<strong>in</strong>en Kurs.<br />
‣39% <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten haben vor 2007 an<br />
m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens e<strong>in</strong>em Kurs teilgenommen. Davon<br />
besuchte ca. e<strong>in</strong> Drittel <strong>de</strong>n Kurs seit zehn<br />
Jahren o<strong><strong>de</strong>r</strong> länger.<br />
vor 2007<br />
N= 185<br />
35%<br />
2007<br />
N= 84<br />
16%<br />
Herbst 2009<br />
N=137<br />
26%<br />
Frühjahr 2009<br />
N= 46<br />
2008 9%<br />
N= 67<br />
13%<br />
‣70% aller Befragten nahmen regelmäßig am<br />
Kurs teil, 30% haben „zwischendurch Pausen<br />
gemacht“.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt-Universität
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
• Mögliche Grün<strong>de</strong> für langjährige Teilnahme:<br />
‣ „Freiheitszugew<strong>in</strong>n“: Kurs als fester Lebensbestandteil mit<br />
stabilisieren<strong><strong>de</strong>r</strong> und stärken<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung<br />
‣ „Zugemutete Emanzipation“: verstärkte gesellschaftliche Teilhabe und<br />
selbstständige Lebensführung als normative Erwartung. Nicht zu<br />
erfüllen<strong>de</strong> Emanzipationserwartung kann zu langjähriger Teilnahme<br />
führen.<br />
‣ „Neue Abhängigkeit“: Umgang zwischen Kursleiter<strong>in</strong>nen bzw.<br />
Kursleitern und Teilnehmer<strong>in</strong>nen bzw. Teilnehmern als Spannungsfeld<br />
von professioneller Distanz und <strong>in</strong>dividuellen Ansprüchen<br />
Egloff/Jochim/Schimpf (2009)
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> –<br />
die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?
Für die Tra<strong>in</strong>er<strong>in</strong>/<strong>de</strong>n Tra<strong>in</strong>er<br />
Tra<strong>in</strong>ermaterial mit Kommentaren zu <strong>de</strong>n Folien<br />
<strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong> – neues Wissen und neue Materialien<br />
für die Biographiearbeit im Kurs“
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Biographisches <strong>Arbeiten</strong> ist mehr als Teilnehmerorientierung.<br />
„Bildungsarbeit mit Erwachsenen zu machen, heißt konfrontiert zu se<strong>in</strong><br />
mit <strong>de</strong>n lebensgeschichtlich bed<strong>in</strong>gten Lernhaltungen und Lernstrategien<br />
je<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen.“ Fuchs-Brün<strong>in</strong>ghoff/Pfirrmann (1992), S. 9<br />
„Von pädagogischer Biographiearbeit ist vor allem dann die Re<strong>de</strong>, wenn<br />
durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz ganz konkreter Metho<strong>de</strong>n (z.B. sogenannter<br />
biographischer Übungen) lebensgeschichtliche Erfahrungen explizit zum<br />
Gegenstand <strong>de</strong>s Lernens wer<strong>de</strong>n, d.h. wenn Prozesse biographischer<br />
Selbstreflexion pädagogisch angeleitet, unterstützt und begleitet wer<strong>de</strong>n.“<br />
Rothe, nach Dausien (2008), Rothe (2008)<br />
Kursleiter<strong>in</strong>nen und Kursleiter <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Alphabetisierung und <strong>Grundbildung</strong> erfahren oft viel<br />
über <strong>de</strong>n <strong>in</strong>dividuellen Lebensweg ihrer Kursteilnehmer<strong>in</strong>nen und Kursteilnehmer. Ihr Wissen<br />
darüber fließt <strong>in</strong> die Beratung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n, aber auch <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Unterricht e<strong>in</strong>. Die Kursleiter<strong>in</strong>,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kursleiter orientiert sich nicht nur an aktuellen Erfahrungen und Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Teilnehmer, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nimmt auch Bezug auf ihre Vergangenheit.<br />
Wie die meisten Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gera<strong>de</strong> Wer<strong>de</strong>gänge selten gewor<strong>de</strong>n s<strong>in</strong>d,<br />
setzen sich Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Alphabetisierung und <strong>Grundbildung</strong> auch von sich aus mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eigenen Biographie und Lerngeschichte ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>: Sie leisten „biographische Alltagsarbeit“.<br />
Kursleiter<strong>in</strong>nen und Kursleiter können sie dabei e<strong>in</strong> Stück weit unterstützen.<br />
Dabei ist es für Lernen<strong>de</strong> wie für Lehren<strong>de</strong> wichtig, <strong>de</strong>n Zusammenhang zu kennen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m<br />
die vielen <strong>in</strong>dividuellen Geschichten stehen. Dazu soll diese Fortbildung beitragen<br />
Forscher<strong>in</strong>nen und Forscher an fünf Universitäten und Hochschulen <strong>in</strong> Deutschland haben <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n letzten Jahren auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage zahlreicher Interviews Biographien von Menschen untersucht,<br />
die als Erwachsene lesen und schreiben lernen. Was sie herausgefun<strong>de</strong>n haben,<br />
wird <strong>in</strong> dieser Fortbildung vermittelt. Dabei erhalten die teilnehmen<strong>de</strong>n Kursleiter<strong>in</strong>nen und<br />
Kursleiter auch Materialien für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz im Kurs. Anhand dieser Materialien können Kursleiter<strong>in</strong>nen<br />
und Kursleiter die Erkenntnisse darüber, wie Biographie und Schriftsprachkompetenz<br />
mite<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong> verflochten s<strong>in</strong>d, auch mit <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n diskutieren.<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler<br />
Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
Profil: Alter, Geschlecht, familiäre Situation<br />
Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn und Berufsweg<br />
H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
2. Umgang mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
Angst vor Stigmatisierung<br />
„Die normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
„Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
4. Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
5. Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> – die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?<br />
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
1. Fotoroman „Schweißperlen“<br />
2. Audio- CD mit Interviewauszügen<br />
„Man braucht Mut zum Lernen“<br />
„An<strong><strong>de</strong>r</strong>s läuft das nicht“<br />
„Nur weil man nicht lesen und schreiben kann, ist man nicht blöd“<br />
3. Schaubild „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
3
1. Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen: Profil, Wer<strong>de</strong>gang, H<strong>in</strong>tergrund<br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Geschlecht<br />
• Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer liegt etwas<br />
höher als <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen<br />
(Männer 56%, Frauen 44%).<br />
• Dies entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschlechterverteilung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bevölkerung im unteren<br />
Bildungsbereich.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Den hier vorgestellten Daten liegen wissenschaftliche Studien zugrun<strong>de</strong>, die zwischen 2008<br />
und 2011 im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sm<strong>in</strong>isteriums für Bildung und Forschung durchgeführt wur<strong>de</strong>n.<br />
Bei diesen Erhebungen stellten die Interviewer<strong>in</strong>nen und Interviewer die Fragen mündlich<br />
und notierten die Antworten. O<strong><strong>de</strong>r</strong> die Interviews wur<strong>de</strong>n aufgezeichnet.<br />
In vier Projekten wur<strong>de</strong>n entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> ausführliche Interviews mit wenigen Personen geführt, <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>nen diese viel frei erzählen konnten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> weitgehend standardisierte Interviews mit vielen<br />
Personen.<br />
Wir stellen hier zuerst Ergebnisse e<strong>in</strong>er Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Kategorie mit weit über 500<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer an Alphabetisierungskursen <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkshochschulen <strong>in</strong> ganz<br />
Deutschland vor. Dabei han<strong>de</strong>lte es sich nicht um Alphabetisierungskurse im DaF/DaZ-<br />
Bereich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um Kurse vorwiegend für Personen mit Deutsch als Muttersprache. Insgesamt<br />
nehmen rund 11.000 Menschen im Jahr an solchen Kursen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> VHS teil. Die Interviewpartner<strong>in</strong>nen<br />
und –partner wur<strong>de</strong>n so ausgewählt, dass ihre Aussagen für alle Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Teilnehmern an Alphabetisierungskursen <strong><strong>de</strong>r</strong> VHS repräsentativ s<strong>in</strong>d.<br />
Auf dieser ersten Folie wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauen und Männer an <strong>de</strong>n Kursteilnehmen<strong>de</strong>n<br />
dargestellt und mit <strong>de</strong>m Frauen- und Männeranteil <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung im unteren Bildungsbereich<br />
<strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong>sgesamt verglichen.<br />
Erläuterung zu „Bevölkerung im unteren Bildungsbereich“: Damit s<strong>in</strong>d Personen mit Hauptschulabschluss,<br />
mit Son<strong><strong>de</strong>r</strong>-/För<strong><strong>de</strong>r</strong>schulabschluss o<strong><strong>de</strong>r</strong> ohne Schulabschluss geme<strong>in</strong>t. Die<br />
4
Daten zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleichsgruppe „Bevölkerung im unteren Bildungsbereich“ stammen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Studie „Adult Education Survey“ von 2010 und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung damit durchgeführten „Level-One-Studie“<br />
(leo.). Die leo.-Studie ermittelte erstmals die Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> erwachsenen funktionalen<br />
Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung Deutschlands: Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich um 7,5 Millionen Menschen, von <strong>de</strong>nen 4,5 Millionen Deutsch als Muttersprache<br />
haben und <strong>in</strong> Deutschland zur Schule gegangen s<strong>in</strong>d.<br />
5
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Alter<br />
• Breites Altersspektrum: zwischen<br />
17 und 76 Jahren<br />
• Größte Altersgruppe: 45- bis 54-<br />
Jährige<br />
• Jüngere Teilnehmer unter 25<br />
Jahren sche<strong>in</strong>en schwer zu<br />
erreichen zu se<strong>in</strong>.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Außer <strong>de</strong>n Jügeren s<strong>in</strong>d auch die Älteren (über 55 Jahren) verhältnismäßig ger<strong>in</strong>g vertreten.<br />
Die 45-54-Jährigen machen 37 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer an Alphabetisierungskursen<br />
aus.<br />
Vorschlag für Fragen an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung: Reagieren<br />
Angehörige verschie<strong>de</strong>ner Altersgruppen unter <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Ihren Kursen unterschiedlich<br />
auf die Thematisierung von Biographie im Kurs?<br />
6
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Profil: Familiäre Situation<br />
• Die Mehrheit ist ledig (53%).<br />
• 36% leben alle<strong>in</strong>. Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Alle<strong>in</strong>leben<strong>de</strong>n ist damit <strong>de</strong>utlich<br />
höher als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleichsgruppe<br />
(14 Prozent).<br />
• Entsprechend ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> mit<br />
e<strong>in</strong>er Partner<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Partner Zusammenleben<strong>de</strong>n<br />
niedriger als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergleichsgruppe (38 Prozent<br />
gegenüber 70 Prozent).<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Diese Befragungsergebnisse <strong>de</strong>uten darauf h<strong>in</strong>, „dass es für <strong>de</strong>n Personenkreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer/-<strong>in</strong>nen<br />
an Alphabetisierungskursen schwerer als für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Menschen ist, e<strong>in</strong>e Partnerschaft<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensgeme<strong>in</strong>schaft aufzubauen“.<br />
Die Kursteilnehmen<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Interviews auch gefragt, wen sie um Hilfe bäten, wenn<br />
sie wegen ihrer Lese- und Schreibprobleme im Alltag auf Schwierigkeiten stießen. Genannt<br />
wur<strong>de</strong>n die Partner<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Partner, Eltern, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Familienmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und Freun<strong>de</strong>. Arbeitskolleg<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitskollegen wur<strong>de</strong>n relativ selten als unterstützen<strong>de</strong> Personen genannt.<br />
Vorschlag für Frage an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung: Wie hoch<br />
schätzen Sie Ihren eigenen Anteil als unterstützen<strong>de</strong> Person für Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />
Ihres Kurses e<strong>in</strong>?<br />
7
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Wer<strong>de</strong>gang: Schullaufbahn<br />
• Nur knapp e<strong>in</strong> Viertel hat e<strong>in</strong>e<br />
Regelschule besucht (24%).<br />
• 76% s<strong>in</strong>d zur Son<strong><strong>de</strong>r</strong>-/<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>schule gegangen.<br />
• 30% verfügen über e<strong>in</strong>en formalen<br />
Abschluss.<br />
• Grün<strong>de</strong> für e<strong>in</strong>en Schulabbruch<br />
liegen hauptsächlich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n zu<br />
hohen Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen (53%).<br />
• Die Schulerfahrungen s<strong>in</strong>d<br />
heterogen.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen, die e<strong>in</strong>e Son<strong><strong>de</strong>r</strong>- bzw. För<strong><strong>de</strong>r</strong>schule besucht haben, ist bei <strong>de</strong>n<br />
hier befragten Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen höher als bei <strong>de</strong>n Menschen im unteren<br />
Bildungsbereich <strong>in</strong>sgesamt.<br />
Zwei Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten haben die Schule abgebrochen. Die Er<strong>in</strong>nerung an die eigene<br />
Schulzeit ist jedoch ke<strong>in</strong>eswegs ausschließlich negativ besetzt. Die roten Balken im unteren<br />
Schaubild markieren negative Schulerfahrungen, die blauen positive. Immerh<strong>in</strong> 49 Prozent<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten gaben an, die Aussage „Ich hatte Spaß am Schulunterricht“ treffe auf sie zu.<br />
Zur Metho<strong>de</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung: Die im Schaubild wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegebenen Aussagen wur<strong>de</strong>n vorgelesen,<br />
und die Befragten gaben jeweils an, ob die Aussage auf sie zutreffe.<br />
8
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Wer<strong>de</strong>gang: Berufsweg<br />
• Die Mehrzahl verfügt nicht über<br />
e<strong>in</strong>e berufliche Ausbildung.<br />
Immerh<strong>in</strong> haben 16% e<strong>in</strong>en<br />
anerkannten Ausbildungsberuf.<br />
• Der Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Erwerbstätigkeit ist<br />
une<strong>in</strong>heitlich<br />
(Beschäftigungsquote von<br />
be<strong>in</strong>ahe 50%, Arbeitslosenquote<br />
von 29% mit vornehmlich<br />
Langzeitarbeitslosigkeit).<br />
• Die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigten<br />
arbeitet <strong>in</strong> Vollzeit (74%).<br />
• Die überwiegen<strong>de</strong> Mehrheit übt<br />
<strong>Arbeiten</strong> mit niedrigen<br />
Qualifikationsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen aus.<br />
47% s<strong>in</strong>d als ungelernte Arbeiter<br />
tätig.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Der Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitslosen liegt bei <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen <strong>de</strong>utlich höher<br />
als bei <strong>de</strong>n Menschen im unteren Bildungsbereich <strong>in</strong>sgesamt (29 Prozent gegenüber 12<br />
Prozent). Bemerkenswert ist jedoch, dass trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Bee<strong>in</strong>trächtigung durch mangeln<strong>de</strong> Leseund<br />
Schreibkenntnisse sowie häufige gesundheitliche Probleme die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong><br />
Alphabetisierungskursen erwerbstätig ist. „Die relativ hohe Beschäftigungsquote erklärt sich<br />
teilweise aus öffentlichen För<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Unterstützungsmaßnahmen für benachteiligte Personengruppen,<br />
darunter auch die Arbeit <strong>in</strong> Beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>tenwerkstätten und bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beschäftigungsträgern“<br />
(von Rosenbladt/Bilger, Erwachsene <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkshochschulen,<br />
37-38). Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer an Alphabetisierungskursen s<strong>in</strong>d<br />
<strong>de</strong>utlich seltener <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Privatwirtschaft beschäftigt als die Menschen im unteren Bildungsbereich<br />
<strong>in</strong>sgesamt (47 Prozent gegenüber 83 Prozent). „Ganz überwiegend han<strong>de</strong>lt es sich bei<br />
<strong>de</strong>n Beschäftigungsverhältnissen um stabile, seit m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens zwei Jahren bestehen<strong>de</strong> Arbeitsverhältnisse<br />
(78 Prozent)“ (von Rosenbladt/Bilger, Erwachsene <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen,<br />
39).<br />
9
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
• Grün<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n Schriftspracherwerb aus Kursteilnehmersicht beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t haben, s<strong>in</strong>d:<br />
Elternhaus bzw. Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit<br />
Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule<br />
Sonstige Grün<strong>de</strong>: eigenes Verhalten, Veranlagungen, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ereignisse<br />
• Der am häufigsten genannte Grund waren das Elternhaus bzw. Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
K<strong>in</strong>dheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> am zweithäufigsten genannte Grund die Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule.<br />
• Beispiele für Bed<strong>in</strong>gungen im Elternhaus bzw. <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit: „Vernachlässigung“,<br />
„Misshandlung“, „Aufgaben <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Familie“, „K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit“, „K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heim“<br />
• Beispiele für Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule: „Lehrer haben sich nicht gekümmert, man<br />
wur<strong>de</strong> nicht beachtet o<strong><strong>de</strong>r</strong> man wur<strong>de</strong> gehänselt, Stress, Schulwechsel,<br />
rausgeflogen“<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Nach<strong>de</strong>m wir uns e<strong>in</strong>ige Punkte <strong>in</strong> Profil und Wer<strong>de</strong>gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Alphabetisierungskursen<br />
angesehen haben, beschäftigen wir uns nun mit möglichen biographischen Ursachen<br />
von Analphabetismus. Lesen und Schreiben soll <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundschule erlernt wer<strong>de</strong>n.<br />
Es gibt jedoch Bed<strong>in</strong>gungen, die dies erheblich erschweren.<br />
Welche Ursachen für ihre Lese- und Schreibprobleme sehen die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />
an Alphabetisierungskursen selbst?<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer an Alphabetisierungskursen wur<strong>de</strong>n gefragt, ob es abgesehen<br />
von gesundheitlichen Problemen Grün<strong>de</strong> gegeben habe, die das Lesen- und Schreibenlernen<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t hätten. Dabei wur<strong>de</strong>n v.a. Erfahrungen <strong>in</strong> Elternhaus und<br />
Schule als Ursachen für die unzureichen<strong>de</strong> Schriftsprachkompetenz genannt.<br />
Unter „sonstige Grün<strong>de</strong>“ wur<strong>de</strong>n bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auswertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhebung ganz unterschiedliche<br />
Aussagen zusammengefasst, z. B. „Konzentrationsschwierigkeiten“, Unfall <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit,<br />
Faulheit.<br />
10
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
H<strong>in</strong>tergrund: K<strong>in</strong>dheitserfahrungen und Schriftspracherwerb<br />
• Familiäre und schulische Bed<strong>in</strong>gungen wirken zusammen.<br />
• Die sozioökonomische Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Herkunftsfamilie war meist schwierig.<br />
• Nicht selten erlebten die Befragten Gewalt <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Formen.<br />
• „Diskrim<strong>in</strong>ierungskont<strong>in</strong>uität“ <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule: Die im Elternhaus erfahrene Ablehnung<br />
setzte sich fort („Sitzenbleiben“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> Degradierungen).<br />
• Der E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Erwerbstätigkeit stellt e<strong>in</strong>e Möglichkeit dar, <strong>de</strong>n durch ungünstige<br />
familiäre und schulische Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>itiierten Lebensverlauf („Lei<strong>de</strong>nsweg“) zu<br />
durchbrechen.<br />
Reese In: Egloff/ Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Pape In: Egloff/Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Egloff In: Egloff/ Grotlüschen, Hrsg. (2011)<br />
Von Rosenbladt/Bilger (2011)<br />
Döbert-Nauert (1985). Zitiert <strong>in</strong>: Egloff (1997)<br />
Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler versuchen zu ermitteln, wie Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />
Herkunftsfamilien von Menschen mit Lese- und Schreibproblemen und <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule zusammengewirkt<br />
haben.<br />
Zu <strong>de</strong>n familiären Bed<strong>in</strong>gungen gehören nicht nur die Lebensumstän<strong>de</strong> und Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Betroffenen <strong>in</strong> ihrer eigenen K<strong>in</strong>dheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Lebensumstän<strong>de</strong> und Erfahrungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Eltern. Erwachsene mit Lese- und Schreibproblemen berichteten <strong>in</strong> Befragungen von mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zuwendung, Gleichgültigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ignoranz, aber auch von Gewalt seitens ihrer Eltern.<br />
Solche Erfahrungen können sich negativ auf das Lernen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule auswirken (vgl.<br />
Egloff 1997, S. 134). Nicht selten waren aber bereits die Eltern ihrerseits ähnlichen Lei<strong>de</strong>nsprozessen<br />
ausgesetzt. Viele Eltern verfügten selbst nicht über e<strong>in</strong>en Schulabschluss (Egloff<br />
1997; Pape 2011, S. 10).<br />
Die Forschung spricht h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergabe von Illiteralität von e<strong>in</strong>em prototypischen<br />
sozialen Kreislauf (Reese 2011).<br />
Die wirtschaftliche Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Herkunftsfamilie war oft schwierig. Die Aufmerksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern<br />
war auf die elementare Grundversorgung gerichtet. (Egloff 1997, S. 132). Häufig verschärfte<br />
e<strong>in</strong>e hohe K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>zahl die schwierige ökonomische Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> Familien (Pape<br />
2011, S. 10). Auch K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>arbeit kam vor (Egloff 1997, 135).<br />
Vom Schule<strong>in</strong>tritt erhofften sich viele Betroffene allerd<strong>in</strong>gs zunächst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
ihrer Lebenssituation. Zu Beg<strong>in</strong>n herrschte tatsächlich auch e<strong>in</strong>e „Schonfrist“ und die K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erhielten die Aufmerksamkeit, die sie zuhause nicht erfuhren. Mit zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> Wichtigkeit<br />
<strong>de</strong>s Schriftspracherwerbs und <strong>de</strong>s Leistungspr<strong>in</strong>zips waren jedoch Leistungsabfälle zu verzeichnen,<br />
die sich <strong>in</strong> Degradierungen (Überweisung <strong>in</strong> die Son<strong><strong>de</strong>r</strong>schule) o<strong><strong>de</strong>r</strong> im „Sitzenbleiben“<br />
auswirkten (Egloff 1997, S. 136-137).<br />
11
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Die schulischen Probleme wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Eltern <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel gleichgültig aufgenommen,<br />
aber es fielen auch <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong> Bemerkungen. (vgl. Pape 2011, S. 10).<br />
So stellte sich e<strong>in</strong>e „Diskrim<strong>in</strong>ierungskont<strong>in</strong>uität“ e<strong>in</strong> (vgl. Döbert-Nauert 1985, S. 42 <strong>in</strong>: Egloff<br />
1997, S. 141), das heißt, die im Elternhaus erfahrene Ablehnung setzte sich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule<br />
fort. Die Befragten erlebten Gewalt, Ignoranz o<strong><strong>de</strong>r</strong> Demütigungen vonseiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitschüler<br />
und Mitschüler<strong>in</strong>nen, aber auch Herabsetzungen durch Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer (Egloff 1997,<br />
S. 141-143)<br />
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Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
2.Umgang <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursteilnehmen<strong>de</strong>n mit Situationen, die Schriftsprachkompetenzen erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
Vermei<strong>de</strong>n:<br />
„Weil ich vom Arbeitsamt immer Maßnahmen gekriegt habe, wo ich äh ... jetzt<br />
irgendwie was mit Lesen und Schreiben machen musste o<strong><strong>de</strong>r</strong> Mathematik<br />
und so. Und, na ja, früher hatte ich eben wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachen richtig Angst<br />
gehabt und dann b<strong>in</strong> ich nach ner Weile nicht mehr da h<strong>in</strong>gegangen und<br />
so.“ (Herr Michaelis*)<br />
Ausre<strong>de</strong> nutzen:<br />
„Und das is immer auf´n Arbeitsamt, wenn du sachst: Ach, ich hab heute keene<br />
Brille mit. Können Sie das mal machen? Das is bei mir immer die Ausre<strong>de</strong>,<br />
wenn ich auf´n Arbeitsamt b<strong>in</strong> und ich muss was ausfüllen: Ach, ich hab<br />
heute keene Brille mit! Dabei is me<strong>in</strong>e Brille <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tasche.“ (Frau Balian)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg<br />
Stellen Defizite im Lesen und Schreiben Weichen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Biographie? Was bisher über H<strong>in</strong>tergrund<br />
und Wer<strong>de</strong>gang von Menschen mit Lese- und Schreibproblemen gesagt wur<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>utet darauf h<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs ist es nicht leicht, die Auswirkungen verschie<strong>de</strong>ner Formen von<br />
Benachteiligung genau zu unterschei<strong>de</strong>n, eben weil <strong><strong>de</strong>r</strong> unzureichen<strong>de</strong> Erwerb von Leseund<br />
Schreibkenntnissen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong>dheit oft mit wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen<br />
Problemen e<strong>in</strong>hergeht.<br />
Auf je<strong>de</strong>n Fall bed<strong>in</strong>gen mangeln<strong>de</strong> Lese- und Schreibkenntnisse Situationen und Erfahrungen,<br />
die sich häufig wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen. Und die Betroffenen entwickeln Strategien für <strong>de</strong>n Umgang<br />
mit diesen Situationen. Dabei spielt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wunsch, mangeln<strong>de</strong> Lese- und Schreibkenntnisse<br />
zu verbergen, die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Rolle.<br />
Solche Strategien sehen zum Beispiel so aus, dass entsprechen<strong>de</strong> Situationen vermie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> dass die verlangte Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibleistung mittels e<strong>in</strong>er Ausre<strong>de</strong> an e<strong>in</strong>e<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person <strong>de</strong>legiert wird.<br />
13
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Strategien im Umgang mit Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
Erhöhte Merkfähigkeit:<br />
„Da mussten wir so, äh, Fleisch verpacken, nicht? Da stand auch drauf: Mett,<br />
Schwe<strong>in</strong>ebraten, Leber. Das war für mich ja schon <strong><strong>de</strong>r</strong> Horror <strong><strong>de</strong>r</strong> Nation,<br />
ne? Aber, da war ich dreie<strong>in</strong>halb Jahre und da habe ich mir das immer<br />
schön gemerkt, wo die D<strong>in</strong>ger waren, zum Re<strong>in</strong>schieben. Das Gedächtnis<br />
hat immer mitgeholfen.“ (Frau Peters*)<br />
Hilfsmittel benutzen:<br />
„SMS schreibt man ja heutzutage mit T9, die machen ja die Wörter selber<br />
schon fast, da kann man kaum Fehler machen (lacht). Ist schon<br />
erleichternd.“ (Herr Franke)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg<br />
E<strong>in</strong>e an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Möglichkeit besteht dar<strong>in</strong>, sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zu stellen und sie mittels<br />
eigener Fähigkeiten zu bewältigen, z. B., <strong>in</strong><strong>de</strong>m man sich etwas merkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong><strong>de</strong>m man genau<br />
das Wort, das man beispielsweise auf e<strong>in</strong>em Scheck e<strong>in</strong>tragen muss, übt und dann anwen<strong>de</strong>t.<br />
Quelle: Nienkemper/Bonna 2010.<br />
Die Strategien s<strong>in</strong>d bislang unpubliziert und wer<strong>de</strong>n im Dissertationsvorhaben von Barbara<br />
Nienkemper (Universität Hamburg) weiter erforscht.<br />
14
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Angst vor Stigmatisierung<br />
„[…] aber nicht jetzt, nicht, nicht, äh, äh, (…) Angst, so wie soll ich das sagen,<br />
wenn ich da zu viel Fehler dr<strong>in</strong> hab, das wür<strong>de</strong> mir Angst machen. Was die<br />
dann da rauf gucken und: „Oh Gott, was ist das <strong>de</strong>nn für E<strong>in</strong>er“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> was.“<br />
(Herr Werner*)<br />
„Weil ich dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nke, ja, füllst das aus, schreibst das h<strong>in</strong> und die liest<br />
das dann da durch und dann <strong>de</strong>nken die: Was sitzt <strong>de</strong>nn da für´n Idiot? Da<br />
hab ich natürlich Panik vor sowas.“ (Herr Werner)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg<br />
Außer<strong>de</strong>m ist es <strong>de</strong>nkbar, dass die Hilfe an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Personen <strong>in</strong> Anspruch genommen wird,<br />
entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> um die Verantwortung vollständig abzugeben o<strong><strong>de</strong>r</strong> um sich etwas zeigen zu lassen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs geht diese Strategie immer zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st mit e<strong>in</strong>em teilweisen E<strong>in</strong>geständnis <strong>de</strong>s<br />
eigenen Problems e<strong>in</strong>her.<br />
Quelle: Nienkemper/Bonna 2010.<br />
Vorschlag für Frage an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortbildung: Haben Sie <strong>de</strong>n<br />
E<strong>in</strong>druck, dass sich solche Ängste bei <strong>de</strong>n Lernen<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Ihren Kursen mit zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schriftsprachkompetenz verr<strong>in</strong>gern?<br />
15
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Die „normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“<br />
„[…] musst ich die T1 ausfüllen, […] das hat natürlich für´n Normalen, für Sie<br />
jetzt wür<strong>de</strong> das vielleicht zehn M<strong>in</strong>uten se<strong>in</strong>. Den Zettel auszufüllen. Für<br />
mich hat das ne Stun<strong>de</strong> gekostet. Weil ich nachschlagen musste wie das<br />
geschrieben wird.“ (Herr Werner*)<br />
„Richtig. Und war ganz gut, so. Me<strong>in</strong>e Schwester hat auch gesagt, dass ich<br />
das gut gemacht habe. Mit ihr habe ich auch immer geübt. Für Nicht-<br />
Schreiber, also nicht rechnen, äh lesen und schreiben war’s ganz gut.“<br />
(Herr Thomas)<br />
• Die Namen <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewpartner/<strong>in</strong>nen wur<strong>de</strong>n geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die Anonymität zu gewährleisten.<br />
Interviewauszüge: Akzeptanzstudie, Universität Hamburg<br />
Was genau wird eigentlich befürchtet für <strong>de</strong>n Fall, dass die Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreibschwäche<br />
ent<strong>de</strong>ckt wird?<br />
Herr Werner sagte im Interview:<br />
„[…] aber nicht jetzt, nicht, nicht, äh, äh, (Räuspern) Angst, so wie soll ich das sagen, wenn<br />
ich da zu viel Fehler dr<strong>in</strong> hab, das wür<strong>de</strong> mir Angst machen. Was die dann da rauf gucken<br />
und: „Oh Gott, was ist das <strong>de</strong>nn für E<strong>in</strong>er“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> was.“<br />
Der Ausdruck „so E<strong>in</strong>er“ ist unspezifisch. Später sagt Herr Werner aber Folgen<strong>de</strong>s:<br />
„Weil ich dann wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nke, ja, füllst das aus, schreibst das h<strong>in</strong> und die liest das dann da<br />
durch und dann <strong>de</strong>nken die: Was sitzt <strong>de</strong>nn da für´n Idiot? Da hab ich natürlich Panik vor<br />
sowas.“<br />
Herr Werner sieht offenbar e<strong>in</strong>e Trennl<strong>in</strong>ie zwischen <strong>de</strong>n Menschen, die fehlerfrei schreiben<br />
können und <strong>de</strong>n Menschen, die dies nicht können: Dabei geht er davon aus, dass diese<br />
Grenze von <strong>de</strong>njenigen gezogen wird, die schreiben können. Die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen bezeichnen<br />
diese Trennl<strong>in</strong>ie als „normative Schwelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachkompetenz“.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Angst vor Ent<strong>de</strong>ckung han<strong>de</strong>lt es sich also vermutlich vor allem um Angst davor, zu<br />
e<strong>in</strong>er bestimmten Gruppe von Menschen bzw. zu e<strong>in</strong>em gesellschaftlich nicht respektierten<br />
Milieu gezählt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Quelle: Nienkemper/Bonna 2010.<br />
16
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
„Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
• Funktionale Analphabet<strong>in</strong>nen und Analphabeten wählen aus, wem sie von<br />
ihrem Problem erzählen und vor wem sie es geheim halten.<br />
• Grün<strong>de</strong> für e<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d frühere Erfahrungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erwartete Folgen.<br />
• E<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g kann Vor- und Nachteile haben.<br />
Nienkemper/Bonna (2010)<br />
Wie gehen die Betroffenen mit ihrer Angst davor, bei Ent<strong>de</strong>ckung ihrer Lese- und Schreibprobleme<br />
e<strong>in</strong>em nicht respektierten, „unteren“ Milieu zuordnet zu wer<strong>de</strong>n, um? Was tun sie<br />
<strong>in</strong> Situationen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen Strategien wie Vermei<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Delegieren nicht funktionieren?<br />
Die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen haben e<strong>in</strong>e alternative Strategie beobachtet, die sie als „partielles<br />
Out<strong>in</strong>g“ bezeichnen:<br />
„Personen, die Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m Lesen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreiben haben, outen sich nicht<br />
zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt <strong>in</strong> ihrem Leben als funktionale Analphabet<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> Analphabet gegenüber<br />
allen Personen ihres sozialen Umfel<strong>de</strong>s, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie wählen begrün<strong>de</strong>t aus, gegenüber wem<br />
sie wie <strong>de</strong>tailliert ihrer Schwäche e<strong>in</strong>gestehen. Die Auswahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Personen, die e<strong>in</strong>geweiht<br />
wer<strong>de</strong>n, kann sowohl bewusst als auch unbewusst getroffen wer<strong>de</strong>n. In je<strong>de</strong>m Fall gibt es<br />
e<strong>in</strong>e subjektiv vernünftige Begründung dafür, weshalb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Lebensbereich<br />
gegenüber e<strong>in</strong>er bestimmten Person die Schwierigkeiten thematisiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> verheimlicht wer<strong>de</strong>n.“<br />
Es kann allerd<strong>in</strong>gs auch passieren, dass es zu e<strong>in</strong>em unfreiwilligen Out<strong>in</strong>g kommt. Je nach<strong>de</strong>m,<br />
welche Konsequenzen diese Situation hat, wird das Han<strong>de</strong>ln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren, ähnlichen<br />
Situation entsprechend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.“<br />
(Nienkemper/Bonna 2010)<br />
Die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen weisen also darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Ereignis,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n e<strong>in</strong> komplexer Prozess ist. Die Betroffenen wägen die Vor- und Nachteile e<strong>in</strong>es Out<strong>in</strong>gs<br />
immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ab. Das belegt die nächste Folie.<br />
Quelle:<br />
Nienkemper/ Bonna (2010)<br />
17
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Partielles Out<strong>in</strong>g am Beispiel von Frau Peters (52 Jahre)<br />
„Me<strong>in</strong>e Schwiegermutter hat<br />
gesagt: ‚Du gehst jetzt zur<br />
Rechtschreibung? Dann bist<br />
du ja doof.‘ Die hat das aber<br />
nicht so geme<strong>in</strong>t, wie sie das<br />
gesagt hat.“<br />
„[…] me<strong>in</strong> Exmann weiß das.<br />
Und me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wissen das,<br />
dass ich das nicht kann.“<br />
„Von me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Klassenlehrer<strong>in</strong>nen<br />
wissen es bei<strong>de</strong>, […].<br />
Wollte ich nur, wenn die<br />
mal Hausaufgaben haben,<br />
wo ich <strong>de</strong>nen nicht<br />
mithelfen kann[…].“<br />
„Wenn ich für<br />
e<strong>in</strong>en Euro arbeiten<br />
müsste, <strong>de</strong>nn stelle ich<br />
mich irgendwie blö<strong>de</strong> und<br />
sag: ‚Ich kann ja gar nicht<br />
lesen was da steht‘.“<br />
„Und da hatte ich<br />
e<strong>in</strong>en Kollegen, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das wohl<br />
spitz bekommen. […] Und dann<br />
haben sie gesagt: ‚Drüben, da ist<br />
jemand, die kann nicht<br />
richtig lesen‘.“<br />
Name und Stimme wur<strong>de</strong>n verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Schaubild: Akzeptanzstudie, Universität<br />
Hamburg<br />
„O<strong><strong>de</strong>r</strong> da, wo ich jetzt<br />
arbeite, das muss da ke<strong>in</strong>er<br />
wissen. Weil <strong>de</strong>nn heißt es<br />
auch: ‚Die ist ja blö<strong>de</strong> hier,<br />
die kann ja noch nicht<br />
e<strong>in</strong>mal richtig lesen und<br />
schreiben‘.“<br />
Wie „partielles Out<strong>in</strong>g“ konkret aussieht, zeigen die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen am Beispiel e<strong>in</strong>er<br />
ihrer Interviewpartner<strong>in</strong>nen.<br />
Frau Peters ist 52 Jahre alt und nimmt an e<strong>in</strong>em Lese- und Schreibkurs teil. In ihrem Umfeld<br />
wissen e<strong>in</strong>ige über ihr Problem Bescheid – aber nicht alle.<br />
„In <strong>de</strong>n familiären Bereichen hat sie Transparenz hergestellt und lebt mit <strong>de</strong>n Konsequenzen“:<br />
[…] me<strong>in</strong> Exmann weiß das. Und me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wissen das, dass ich das nicht kann.<br />
„Die Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Graubereich, es gibt e<strong>in</strong>zelne E<strong>in</strong>geweihte“:<br />
Von me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n die Klassenlehrer<strong>in</strong>nen wissen es bei<strong>de</strong>, […]. Wollte ich nur, wenn die<br />
mal Hausaufgaben haben, wo ich <strong>de</strong>nen nicht mithelfen kann[…].<br />
„Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Arbeitsstelle hält sie ihr Lese- und Schreibproblem geheim“:<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> da, wo ich jetzt arbeite, das muss da ke<strong>in</strong>er wissen. Weil <strong>de</strong>nn heißt es auch: ‚Die ist ja<br />
blö<strong>de</strong> hier, die kann ja noch nicht e<strong>in</strong>mal richtig lesen und schreiben.“<br />
Das tut sie aus gutem Grund, <strong>de</strong>nn sie hat auf ihrer früheren Arbeitsstelle negative Erfahrungen<br />
gemacht:<br />
Und da hatte ich e<strong>in</strong>en Kollegen, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das wohl spitz bekommen. […] Und dann haben sie<br />
gesagt: ‚Drüben, da ist jemand, die kann nicht richtig lesen‘.<br />
Manchmal kann es aber auch Vorteile haben, die Schwäche zuzugeben. Frau Peters hält<br />
sich das Out<strong>in</strong>g gegenüber <strong>de</strong>m Fallmanager <strong><strong>de</strong>r</strong> ARGE noch offen:<br />
Wenn ich für e<strong>in</strong>en Euro arbeiten müsste, <strong>de</strong>nn stelle ich mich irgendwie blö<strong>de</strong> und sag: ‚Ich<br />
kann ja gar nicht lesen was da steht‘.<br />
Quelle: Nienkemper/ Bonna (2010)<br />
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Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
3. Motive für die Kursteilnahme<br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Teil I.3Motivationzur KusrteilnahmeMmmmAJMpoaspid<br />
Mmmmm<br />
Motive für die Kursteilnahme iapoidasipo<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Quelle: AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt-Universität<br />
Was bewegt Menschen, nicht nur ausgewählten Personen von ihren Lese- und Schreibproblemen<br />
zu erzählen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Alphabetisierungskurs e<strong>in</strong>zutreten?<br />
Die Grün<strong>de</strong>, warum jemand e<strong>in</strong>en Alphabetisierungskurs besucht, s<strong>in</strong>d vielschichtig. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Folie ausgewerteten Befragung bezeichneten die Interviewten im Schnitt 9 von 16<br />
möglichen Grün<strong>de</strong>n, die ihnen vorgeschlagen wur<strong>de</strong>n, als „voll zutreffend“. Die Motive für<br />
<strong>de</strong>n Besuch e<strong>in</strong>es Alphabetisierungskurses lassen sich <strong>in</strong> persönliche, soziale und berufliche<br />
glie<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Persönliche Grün<strong>de</strong> (grün markiert)<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an e<strong>in</strong>em Alphabetisierungskurs erhoffen sich fast alle Befragten (94 Prozent),<br />
im Alltag besser zurecht zu kommen. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>schränkungen, die Lese- und<br />
Schreibprobleme mit sich br<strong>in</strong>gen, ersche<strong>in</strong>t das logisch. So traut sich nur je<strong>de</strong>/je<strong><strong>de</strong>r</strong> Dritte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Kursteilnehmen<strong>de</strong>n zu, Angelegenheiten mit Ämtern, Behör<strong>de</strong>n und Versicherungen<br />
selbst zu regeln. Nur 58% erledigen ihre Bankgeschäfte selbst.<br />
90 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> befragten Frauen und Männer wollen sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursteilnahme beweisen,<br />
dass sie noch etwas lernen können. Dieses Motiv e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sische Motivation zum Ausdruck,<br />
also das Bestreben, etwas um se<strong>in</strong>er selbst willen zu tun, zum Beispiel weil es Spaß macht,<br />
eigene Interessen befriedigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>e Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung darstellt. E<strong>in</strong>e solche Motivation<br />
kann <strong>de</strong>n Lernerfolg för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
19
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
E<strong>in</strong> sehr häufig genannter Grund für <strong>de</strong>n besuch e<strong>in</strong>es Alphabetisierungskurses ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wunsch nach mehr Eigenständigkeit (84 Prozent). Interessant im H<strong>in</strong>blick auf <strong>de</strong>n vorh<strong>in</strong><br />
erörterten Umgang mit Lese- und Schreibproblemen und das Out<strong>in</strong>g ist, dass immerh<strong>in</strong> 64<br />
Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten <strong>de</strong>n Kurs besuchen, um ke<strong>in</strong>e Angst vor Ent<strong>de</strong>ckung mehr haben zu<br />
müssen.<br />
Soziale Teilhabe (blau markiert)<br />
84 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten erhoffen sich, Briefe und Postkarten ohne die Hilfe an<strong><strong>de</strong>r</strong>er verfassen<br />
zu können. Viele möchten auch Zeitschriften und Büchern lesen (78 Prozent). Fast je<strong>de</strong>/je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Dritte sieht im Kurs die Chance, Menschen, <strong>de</strong>nen es genauso geht, kennen zu lernen<br />
(63 Prozent). Das unterstreicht die vielfältigen Funktionen <strong>de</strong>s Kurses als Raum für Kontakte,<br />
Austausch und Lernen, mit <strong>de</strong>nen wir uns gleich noch befassen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Möglichkeit, mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Kommunikationsmittel zu nutzen, wie PC/Internet (59 Prozent)<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> SMS (54 Prozent), stellen für die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten ebenfalls e<strong>in</strong>en Anreiz für die<br />
Teilnahme an e<strong>in</strong>em Kurs dar. 30 Prozent gaben an, (eigenen) K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
helfen o<strong><strong>de</strong>r</strong> vorlesen zu wollen.<br />
Berufliche Teilhabe (rot markiert)<br />
Am stärksten ausgeprägt ist das Motiv, am Arbeitsplatz besser zurechtzukommen, (65 Prozent).<br />
Je<strong>de</strong>/je<strong><strong>de</strong>r</strong> Dritte möchte durch <strong>de</strong>n Kursbesuch leichter Arbeit f<strong>in</strong><strong>de</strong>n (35 Prozent).<br />
Immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Viertel betrachtet die Kursteilnahme als Voraussetzung für berufliche Weiterbildung<br />
an. Das Nachholen e<strong>in</strong>es Schulabschlusses sowie die Hoffnung auf bessere Chancen<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Suche nach e<strong>in</strong>em Ausbildungsplatz s<strong>in</strong>d von untergeordneter Be<strong>de</strong>utung. Dies dürfte<br />
mit <strong>de</strong>m ger<strong>in</strong>gen Anteil an jungen Menschen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stichprobe zusammenhängen: Lediglich<br />
acht Prozent s<strong>in</strong>d unter 25 Jahren alt).<br />
Quellen:<br />
Lehmann/Fickler-Stang/Maué (2010)<br />
Rosenbladt/Bilger (2010)<br />
20
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Der Kurs und se<strong>in</strong>e Wirkung<br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
Abbildung: Genannte Teilhabebereiche <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Interviews <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis- und Folgebefragung im Vergleich (<strong>in</strong> %),<br />
Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzstudie, Universität Hannover<br />
Crosskategorie: Selbstbewusstse<strong>in</strong>, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Alphabetisierungskurs das Leben? In mancher H<strong>in</strong>sicht ja, haben die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong> über 20 beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausführlichen Interviews mit Kursteilnehmen<strong>de</strong>n an e<strong>in</strong>er<br />
Volkshochschule festgestellt.<br />
• E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch die Kursaufnahme ist größeres Selbstbewusstse<strong>in</strong>.<br />
Auch Kursanfänger berichten bereits davon, dass sie sich seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufnahme <strong>de</strong>s Kurses<br />
„sicherer“ im Umgang mit Schriftsprache fühlen. Fortgeschrittene Teilnehmen<strong>de</strong> berichten<br />
von e<strong>in</strong>er größeren Selbstständigkeit durch das im Kurs Gelernte.<br />
Beispiele: Nadia (20 J.) sagt: „Genau, aber […] hier habe ich gesehen, es gibt Leute, die<br />
schlechter s<strong>in</strong>d als ich im Schreiben. Und dann habe ich gesehen: Ich b<strong>in</strong> nicht die<br />
Schlechteste.“<br />
Nico (38 J.) benutzt sogar <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Term<strong>in</strong>us, als er erklärt: „Hat wirklich viel<br />
gebracht, ne? Ich trete jetzt mehr selbstbewusster auf, ne?“<br />
• Während vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursaufnahme Vermeidungsstrategien im Umgang mit Schriftsprache<br />
vorherrschten, beg<strong>in</strong>nen die Teilnehmen<strong>de</strong>n nun, schriftsprachliche Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
im Alltag zu bewältigen. (...)<br />
• Alle Teilnehmen<strong>de</strong>n berichten von Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen im Bereich „Grund- und Weiterbildung“.<br />
Ihnen wer<strong>de</strong>n Lernerfolge im <strong>Grundbildung</strong>sbereich <strong>de</strong>utlich, die zu e<strong>in</strong>er erhöhten<br />
Lernmotivation führen. Dennoch trauen sich viele Kursteilnehmen<strong>de</strong> nicht, e<strong>in</strong>e Weiterbildung<br />
außerhalb <strong>de</strong>s <strong>Grundbildung</strong>sbereichs aufzunehmen. (…)<br />
21
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Weitere häufig thematisierte Teilhabebereiche, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sich Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen vollziehen, s<strong>in</strong>d<br />
z.B. „Mediennutzung“ und „Haushaltsführung“.<br />
Beispiel: Die Orientierung im Kaufhaus durch Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> H<strong>in</strong>weisschil<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Informationen<br />
durch das Lesen <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Post s<strong>in</strong>d für Nico (38 J.) von Wichtigkeit: „Die die Post<br />
durchzulesen zu können, das ist das schönste. Weil <strong>de</strong>nn, wenn irgendwas ist mal, dass ich<br />
hier Post kriege, selbst e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Werbung, dass man äh äh weiß […], was weg kann<br />
und was wir dann wirklich sagen: Hallo, da musst du mal h<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> was, vielleicht noch was<br />
weiter erklären noch, ne? Dass man das Bescheid weiß dann auch.“<br />
• Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n geschlechtsspezifische Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schriftsprachverwendung <strong>in</strong><br />
<strong>de</strong>n Bereichen „Familie und Partnerschaft“, „Haushaltsführung“ und „Mediennutzung“<br />
festgestellt: Weibliche Kursteilnehmen<strong>de</strong> berichten häufiger als männliche Kursteilnehmen<strong>de</strong><br />
von Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Bereichen „Familie und Partnerschaft“ und „Haushaltsführung“.<br />
Männliche Kursteilnehmen<strong>de</strong> haben offenbar weniger Scheu o<strong><strong>de</strong>r</strong> wer<strong>de</strong>n eher<br />
dazu ermutigt, am Computer zu arbeiten und im Internet zu surfen.<br />
Beispiele: Sab<strong>in</strong>e (62 J.) berichtet: „Wenn ich <strong>de</strong>nn äh bei <strong>de</strong>n dreien [Tochter und zwei<br />
Enkelk<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>] b<strong>in</strong> und äh ähm – ich sollte dann etwas vorlesen, äh dann habe ich mich<br />
doch schon e<strong>in</strong> bisschen sicherer gefühlt und kriegte nicht gleich, also das habe ja auch<br />
gekriegt, das gleich so die Kehle zug<strong>in</strong>g und na ja, also du kannst ja jetzt nicht we<strong>in</strong>en,<br />
wenn die da s<strong>in</strong>d, ne? Ähm also das ist e<strong>in</strong> bisschen besser gewor<strong>de</strong>n, weil ja dieses<br />
Kloßgefühl nicht da ist, ne?“<br />
Norman (24 J.) schil<strong><strong>de</strong>r</strong>t: „Ja sozusagen durch <strong>de</strong>n Kurs habe ich mehr Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />
und halt setzt mich vielleicht mal h<strong>in</strong> und schreibe irgendwas im Internet o<strong><strong>de</strong>r</strong> mal<br />
Email schreiben o<strong><strong>de</strong>r</strong> so [kurze Pause] ja.“<br />
Julia (52 J.) gibt im Gegensatz zu Norman an: „So Computer und sowas, also das ist ja<br />
noch schwieriger, weil ich kann ja noch nicht mal n Vi<strong>de</strong>orecor<strong><strong>de</strong>r</strong> (lachend) so, weil ich<br />
immer Angst habe, was falsch da mache.“<br />
Die „gefühlten“ Kompetenzerweiterungen führten zu e<strong>in</strong>er besseren Bewältigung schriftsprachlicher<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung neuer Bewältigungsstrategien <strong>in</strong> Alltagssituationen.<br />
• Häufig bleiben aber auch bewährte Bewältigungsstrategien (z.B. Vermeidung schriftsprachlicher<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen) neben <strong>de</strong>n neu erworbenen (….) erhalten. Zeitungen<br />
und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bücher wer<strong>de</strong>n z.B. mit <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>weis „Das ist nicht me<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g“ nicht gelesen.<br />
Schreib- und Leseaufgaben wer<strong>de</strong>n z.T. nach wie vor <strong>de</strong>m Partner überlassen.<br />
Die Resignation, sich nicht aus <strong>de</strong>n Abhängigkeiten befreien zu können, ist z.T. sehr groß<br />
und belastend:<br />
Beispiel: „Mhmmhm. Ja Ja . Ja, im Gegensatz zu m me<strong>in</strong>em Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> liest natürlich<br />
gerne, ne? Ja, aber da ist es halt auch so, er sagt ja auch immer, ich soll ihm vorlesen.<br />
Aber es ist mir e<strong>in</strong>fach pe<strong>in</strong>lich, ich lese e<strong>in</strong> Stück und - ja für mich ist das dann so, dass<br />
ich so viel stottere o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonst etwas. Vielleicht wür<strong>de</strong> er gar nichts sagen, bloß wenn er<br />
äh dann irgendwie sagt: Das Wort ist falsch […] o<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> äh er sagt es mir richtig, ja.<br />
Dann fange ich schon an zu we<strong>in</strong>en, ne? Das ist eben das Problem, ne?“ (Sab<strong>in</strong>e, 62<br />
J.).“<br />
Quelle: Pape In: Report (3/2011); Reese In: Egloff/Grotlüschen (2011)<br />
22
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Subjektiv erlebte Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen durch <strong>de</strong>n Kursbesuch<br />
• Fortschritte im Lesen<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
• Fortschritte im Schreiben<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt Universität<br />
Auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhebung unter mehr als 500 Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmern an Alphabetisierungskursen<br />
bun<strong>de</strong>sweit wur<strong>de</strong> gefragt, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursbesuch bewirkt. Die Schaubil<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zeigen, wie die Befragten die Entwicklung ihrer Lese- und Schreibkenntnisse seit <strong>de</strong>m E<strong>in</strong>tritt<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Kurs beurteilen.<br />
Die obere Grafik zeigt „die Eigene<strong>in</strong>schätzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursteilnehmen<strong>de</strong>n h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Lernfortschritte<br />
im Lesen. Die Jahreszahlen stellen hierbei die erstmalige Teilnahme an e<strong>in</strong>em<br />
Alphabetisierungskurs dar. Deutlich wird, dass subjektiv empfun<strong>de</strong>ne Fortschritte <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmen<strong>de</strong>n<br />
am größten bei <strong>de</strong>njenigen s<strong>in</strong>d, die zwischen 2005 und 2007 ihren ersten Kurs<br />
absolviert haben.<br />
Nach <strong>de</strong>m gleichen Aufbau ist die folgen<strong>de</strong> Grafik im Bezug zum subjektiv beurteilten<br />
Schreibfortschritt gestaltet. Hier ist ebenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleich zwischen Erstteilnahme an e<strong>in</strong>em<br />
Alphabetisierungskurs <strong>in</strong> Bezug zu <strong>de</strong>n Fortschritten gesetzt, die <strong>de</strong>n Kursteilnehmen<strong>de</strong>n<br />
ihrer Me<strong>in</strong>ung nach gelungen s<strong>in</strong>d. Auch hier beurteilen nur wenige Lernen<strong>de</strong> ihre Fortschritte<br />
negativ, (…) und auch hier wird <strong>de</strong>utlich, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> subjektiv empfun<strong>de</strong>ne Lernfortschritt am<br />
größten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmen<strong>de</strong>n zwischen 2005 und 2007 ist.“<br />
„Theoretisch müsste mit Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursteilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong>er, die ‚große Fortschritte’<br />
erleben, ansteigen. Dies ist zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, jedoch lediglich bis h<strong>in</strong> zu <strong>de</strong>n Teilnehmern, die<br />
seit zwei bis vier Jahren e<strong>in</strong>en Kurs besuchen.“<br />
Quellen:<br />
Lehmann/Fickler-Stang/Maué (2010)<br />
Rosenbladt/Bilger (2010)<br />
23
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
• Der Kurse<strong>in</strong>tritt markiert e<strong>in</strong> punktuell beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Ereignis.<br />
• Der Kursbesuch<br />
ist e<strong>in</strong>gewoben <strong>in</strong> das Alltagsgeschehen.<br />
erfolgt lebensbegleitend, wird jedoch nicht unmittelbar als<br />
lebensverän<strong><strong>de</strong>r</strong>nd wahrgenommen, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er umfassen<strong>de</strong>n<br />
Wendung (etwa <strong>in</strong> Bezug auf berufliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozio-ökonomische<br />
Verhältnisse).<br />
zeigt sich nicht als l<strong>in</strong>eares Durchlaufen e<strong>in</strong>er Bildungsmaßnahme<br />
mit klarem Abschluss. Beispielsweise unterbrechen viele<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer <strong>de</strong>n Kurs und nehmen ihn später<br />
erneut auf .<br />
erstreckt sich oft über viele Jahre.<br />
Jochim/Schimpf (2010)<br />
Menschen besuchen <strong>de</strong>n Alphabetisierungskurs also auch über lange Zeit, ohne dass sie<br />
noch große Lernfortschritte spüren wür<strong>de</strong>n. Das kann verschie<strong>de</strong>ne Grün<strong>de</strong> haben. Unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>em kann es darauf h<strong>in</strong>weisen, dass die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Kurses über das Lesen- und<br />
Schreiblernen h<strong>in</strong>ausgeht.<br />
Nicht alle im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Studien Befragten maßen <strong>de</strong>m Kurs die gleiche Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
Viele aber machten <strong>de</strong>utlich, dass <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurs fester Bestandteil ihres Alltags ist.<br />
Die Gegenüberstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> lebensbegleiten<strong>de</strong>n Funktion <strong>de</strong>s Kurses, die die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />
und Wissenschaftler beobachten, von e<strong>in</strong>er lebensverän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Funktion, die Außenstehen<strong>de</strong><br />
vielleicht von e<strong>in</strong>em Alphabetisierungskurs erwarten wür<strong>de</strong>n, ver<strong>de</strong>utlicht <strong>de</strong>n<br />
Stellenwert <strong>de</strong>s Kurses <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Biographie <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer.<br />
Diese nicht so sehr ziel- wie prozessorientierte lebensbegleiten<strong>de</strong> Funktion br<strong>in</strong>gt oft e<strong>in</strong>e<br />
langjährige Kursteilnahme mit sich.<br />
24
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
Lediglich e<strong>in</strong> Viertel (26%) nahm zum<br />
Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragung zum ersten Mal an<br />
e<strong>in</strong>em Alphabetisierungskurs teil.<br />
Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Kursteilnahme<br />
(Welle 1, N=524)<br />
E<strong>in</strong> knappes Viertel (22%) besuchte bereits im<br />
Frühjahr 2009 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 2008 e<strong>in</strong>en Kurs.<br />
39% <strong><strong>de</strong>r</strong> Befragten haben vor 2007 an<br />
m<strong>in</strong><strong>de</strong>stens e<strong>in</strong>em Kurs teilgenommen. Davon<br />
besuchte ca. e<strong>in</strong> Drittel <strong>de</strong>n Kurs seit zehn<br />
Jahren o<strong><strong>de</strong>r</strong> länger.<br />
vor 2007<br />
N= 185<br />
35%<br />
2007<br />
N= 84<br />
16%<br />
Herbst 2009<br />
N=137<br />
26%<br />
Frühjahr2009<br />
N= 46<br />
2008 9%<br />
N= 67<br />
13%<br />
70% aller Befragten nahmen regelmäßig am<br />
Kurs teil, 30% haben „zwischendurch Pausen<br />
gemacht“.<br />
AlphaPanel, TNS Infratest/Humboldt-Universität<br />
Diese Zahlen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> bun<strong>de</strong>sweiten Erhebung unter über 500 Kursteilnehmer<strong>in</strong>nen und –<br />
teilnehmern belegen noch e<strong>in</strong>mal, dass die Kursteilnahme häufig zur Konstante wird.<br />
25
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Funktion <strong>de</strong>s Kurses als sozialer Raum<br />
• Mögliche Grün<strong>de</strong> für langjährige Teilnahme:<br />
„Freiheitszugew<strong>in</strong>n“: Kurs als fester Lebensbestandteil mit<br />
stabilisieren<strong><strong>de</strong>r</strong> und stärken<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung<br />
„Zugemutete Emanzipation“: verstärkte gesellschaftliche Teilhabe und<br />
selbstständige Lebensführung als normative Erwartung. Nicht zu<br />
erfüllen<strong>de</strong> Emanzipationserwartung kann zu langjähriger Teilnahme<br />
führen.<br />
„Neue Abhängigkeit“: Umgang zwischen Kursleiter<strong>in</strong>nen bzw.<br />
Kursleitern und Teilnehmer<strong>in</strong>nen bzw. Teilnehmern als Spannungsfeld<br />
von professioneller Distanz und <strong>in</strong>dividuellen Ansprüchen<br />
Egloff/Jochim/Schimpf (2009)<br />
Wie hängen grundlegen<strong>de</strong> Erfahrungen, die Lernen<strong>de</strong> <strong>in</strong> ihrem Alphabetisierungskurs machen,<br />
und die häufig zu beobachten<strong>de</strong> lange Kursteilnahme zusammen?<br />
Der Blick auf die Motive für <strong>de</strong>n Besuch e<strong>in</strong>es Alphabetisierungskurses hat gezeigt, dass<br />
e<strong>in</strong>e große Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer sich von ihrem Kursbesuch mehr<br />
Eigenständigkeit verspricht. Und tatsächlich empf<strong>in</strong><strong>de</strong>n viele von ihnen e<strong>in</strong>en Freiheitszugew<strong>in</strong>n<br />
durch die Teilnahme am Alphabetisierungskurs.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wird an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer dieser Kurse auch die Erwartung<br />
herangetragen, dass sie sich nunmehr gesellschaftlich <strong>in</strong>tegrieren und emanzipieren müssten.<br />
Von dieser Erwartung fühlen sich Kursteilnehmer<strong>in</strong>nen und Kursteilnehmer möglicherweise<br />
überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Der E<strong>in</strong>druck, <strong>de</strong>n an sie gestellten Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nicht gerecht wer<strong>de</strong>n<br />
zu können, und die daraus resultieren<strong>de</strong> Unsicherheit könnten e<strong>in</strong>en längeren Verbleib im<br />
Kurs bewirken.<br />
Dazu beitragen könnten auch Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten im Verhältnis zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursleiter<strong>in</strong> bzw.<br />
<strong>de</strong>m Kursleiter und <strong>de</strong>n Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmern an Alphabetisierungskursen beitragen.<br />
Von Kursleiter<strong>in</strong>nen und Kursleitern wird oft großes persönliches Engagement und<br />
die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit Lebensgeschichte und Lebenssituation je<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmers,<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelnen Teilnehmer<strong>in</strong> verlangt. Hier begeben sich Kursleiter<strong>in</strong>nen und<br />
Kursleiter <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat auf e<strong>in</strong>e Gratwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung zwischen professioneller Distanz und <strong>in</strong>dividuellen<br />
Ansprüchen. Darum s<strong>in</strong>d regelmäßige Supervision und kollegiale Beratung wichtig (s.<br />
auch Basisqualifizierung Alphabetisierung/<strong>Grundbildung</strong>. Konzept, 14-16).<br />
26
Teil I: Vermittlung aktueller Kenntnisse über die biographische Entwicklung funktionaler Analphabet<strong>in</strong>nen<br />
und Analphabeten an Kursleiten<strong>de</strong><br />
Fortbildung <strong>„Biographisches</strong> <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Grundbildung</strong>“<br />
Professionelle Distanz beim Biographischen <strong>Arbeiten</strong> –<br />
die Quadratur <strong>de</strong>s Kreises?<br />
Die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen (Lern-)biographie ist für erfolgreiches Lernen wichtig.<br />
Wichtig ist aber auch, dass Lernen<strong>de</strong> ihre erworbenen Lese- und Schreibkompetenzen<br />
langfristig für die Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, weniger persönlichen Themen nutzen.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne kann die Beschäftigung mit entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Faktoren <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Biographie von<br />
Menschen <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Situation – Erwachsenen, die nicht richtig lesen und schreiben<br />
können“ – Brücken bauen. Denn hier lässt sich (auto)biographisches Interesse mit vielen<br />
Fragen zu unserer Gesellschaft, unserem Bildungssystem, unserem Wirtschaftsleben verb<strong>in</strong><strong>de</strong>n.<br />
Darum wer<strong>de</strong>n im Folgen<strong>de</strong>n Materialien vorgestellt, die e<strong>in</strong>ige <strong><strong>de</strong>r</strong> eben präsentierten Forschungsergebnisse<br />
für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz im Kurs aufbereiten.<br />
27
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
Fotoroman „Schweißperlen“<br />
Der Fotoroman beschreibt Schlüsselsituationen, die Schriftsprachkompetenz erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Es<br />
wird ver<strong>de</strong>utlicht, wie funktionale Analphabeten häufig mit diesen Situationen umgehen. Die<br />
Schlüsselszenen sowie die Figur <strong>de</strong>s Protagonisten wur<strong>de</strong>n <strong>in</strong> Orientierung an Forschungsergebnissen<br />
aus <strong>de</strong>m Verbundprojekt „Verbleibsstudie zur biographischen Entwicklung<br />
(ehemaliger) Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer an Alphabetisierungskursen“ entworfen.<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können<br />
• ihre Lesekenntnisse erweitern und vertiefen;<br />
• darüber diskutieren, wie funktionale Analphabeten häufig mit Schlüsselsituationen<br />
umgehen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen Schriftsprachkompetenz erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist;<br />
• e<strong>in</strong>e alternative Handlung entwickeln;<br />
• komplett neue Texte zu <strong>de</strong>n Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n schreiben – dafür steht e<strong>in</strong>e textfreie Variante zur<br />
Verfügung.<br />
I<strong>de</strong>en für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz im Kurs<br />
E<strong>in</strong>zelne Schlüsselsituationen können im Kurs mit verteilten Rollen gelesen wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können <strong>de</strong>n Fotoroman o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur e<strong>in</strong>zelne Schlüsselsituationen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> das En<strong>de</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel-, Partner- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppenarbeit schreibend, erzählend, zeichnend<br />
und fotografierend fortsetzen o<strong><strong>de</strong>r</strong> variieren. Auch kann e<strong>in</strong> eigener Fotoroman <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel-,<br />
Partner- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppenarbeit im Kurs erstellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Mögliche Fragen an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />
• „Wie geht Günther mit dieser Situation um?“<br />
• „Haben Sie I<strong>de</strong>en, was Günther vielleicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s machen könnte?“<br />
• „Wie reagiert … (Monika, Jenny)?“<br />
• „Schreiben/ Zeichnen/ Erzählen/ Fotografieren Sie die Geschichte weiter.“<br />
28
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
Interviewauszüge<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Forschungsprojekts „Qualitative Biographiestudie zur Lebenssituation (ehemaliger)<br />
Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung subjektiver<br />
Deutungen“, das Teil <strong>de</strong>s Verbundprojekts „Verbleibsstudie“ ist, wur<strong>de</strong>n Interviews mit Lernen<strong>de</strong>n<br />
<strong>in</strong> Alphabetisierungskursen geführt.<br />
Auszüge aus diesen Interviews stellen wir Ihnen als Audio-Datei zur Verfügung. Diese Auszüge<br />
wur<strong>de</strong>n neu vertont, damit die Anonymität <strong><strong>de</strong>r</strong> Interviewten gewahrt bleibt. Sie können<br />
so im Kurs e<strong>in</strong>gesetzt wer<strong>de</strong>n. Hier s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Anregungen, wie die Texte genutzt wer<strong>de</strong>n<br />
könnten.<br />
Ines: „Man braucht Mut zum Lernen“<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können darüber diskutieren,<br />
• wie negative Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Lernen durch positive Erfahrungen korrigiert wer<strong>de</strong>n<br />
können - die Interviewte wur<strong>de</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule ausgelacht, erfuhr aber später Unterstützung<br />
von Vere<strong>in</strong>skollegen;<br />
• was „Mut zum Lernen“ be<strong>de</strong>utet;<br />
• wodurch „Mut zum Lernen“ geweckt und unterstützt wird.<br />
Lothar-Emil: „An<strong><strong>de</strong>r</strong>s läuft das nicht“<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können<br />
• über unterschiedliche Erwartungen an <strong>de</strong>n Kurs sprechen - während Martha ke<strong>in</strong>e<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Erwartungen hatte, erwartete Lothar-Emil vom Kurs e<strong>in</strong>e Lebenswen<strong>de</strong>;<br />
• darüber diskutieren, was sie von sich selbst, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe und vom Kursleiter o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kursleiter<strong>in</strong> erwarten, z. B. welche Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>in</strong> verschie<strong>de</strong>nen Lebensbereichen<br />
(beruflich, privat etc.) sie sich vom Kursbesuch versprechen;<br />
• die Realisierbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Erwartungen diskutieren.<br />
Martha: „Gelobt wur<strong>de</strong> ich nie“<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können<br />
• über unterschiedliche Erwartungen an <strong>de</strong>n Kurs sprechen - Lothar-Emil erwartete von<br />
<strong>de</strong>m Kurs e<strong>in</strong>e Lebenswen<strong>de</strong>, während Martha ke<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Erwartungen hatte;<br />
• überlegen, warum Martha <strong><strong>de</strong>r</strong> Kursbesuch <strong>de</strong>nnoch etwas be<strong>de</strong>utet;<br />
• die Realisierbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Erwartungen diskutieren.<br />
Tobias: „Nur weil man nicht lesen und schreiben kann, ist man nicht blöd“<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können<br />
• diskutieren, was Selbstvertrauen ist und woher es kommt;<br />
• <strong>in</strong> Eigenreflexion und im Austausch mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lebensbereiche benennen, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
Selbstvertrauen entwickelt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
29
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
I<strong>de</strong>en für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz im Kurs<br />
E<strong>in</strong>zelne Interviews können geme<strong>in</strong>sam im Kurs gehört und entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen<br />
Zielsetzung ausgewertet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Interviewauszüge können dazu anregen, eigene Interviews mit unterschiedlichen thematischen<br />
Schwerpunkten zu führen. So kann beispielsweise e<strong>in</strong>e eigene Audio-CD <strong>in</strong> Partnero<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gruppenarbeit erstellt wer<strong>de</strong>n.<br />
Mögliche Fragen an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />
• „Wie wür<strong>de</strong>n Sie Tobias’ Lebense<strong>in</strong>stellung beschreiben?“<br />
• „Haben Sie I<strong>de</strong>en, woher Ines weitere Unterstützung erhalten kann?“<br />
• „Fallen Ihnen Bereiche e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen sich durch <strong>de</strong>n Kursbesuch etwas verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t?“<br />
„Welche Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen könnten das se<strong>in</strong>?“<br />
• „Welches Thema eignet sich noch für e<strong>in</strong> Interview? Schreiben/Nehmen Sie das Interview<br />
auf.“<br />
30
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
Schaubild „Partielles Out<strong>in</strong>g“<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Verbundprojekts „Verbleibsstudie“ (Teilprojekt „Akzeptanzstudie“) haben<br />
Prof. Dr. Anke Grotlüschen, Dipl.-Päd. Franziska Bonna und Dipl.-Päd. Barbara Nienkemper<br />
e<strong>in</strong> Phänomen erforscht, das die Wissenschaftler<strong>in</strong>nen „partielles Out<strong>in</strong>g“ nennen.<br />
„Personen, die Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>m Lesen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schreiben haben, outen sich nicht<br />
zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt <strong>in</strong> ihrem Leben als funktionale Analphabet<strong>in</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> Analphabet gegenüber<br />
allen Personen ihres sozialen Umfel<strong>de</strong>s, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie wählen begrün<strong>de</strong>t aus, gegenüber wem<br />
sie wie <strong>de</strong>tailliert ihrer Schwäche e<strong>in</strong>gestehen. Die Auswahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Personen, die e<strong>in</strong>geweiht<br />
wer<strong>de</strong>n, kann sowohl bewusst als auch unbewusst getroffen wer<strong>de</strong>n. In je<strong>de</strong>m Fall gibt es<br />
e<strong>in</strong>e subjektiv vernünftige Begründung dafür, weshalb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Lebensbereich<br />
gegenüber e<strong>in</strong>er bestimmten Person die Schwierigkeiten thematisiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> verheimlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Es kann allerd<strong>in</strong>gs auch passieren, dass es zu e<strong>in</strong>em unfreiwilligen Out<strong>in</strong>g kommt. Je nach<strong>de</strong>m,<br />
welche Konsequenzen diese Situation hat, wird das Han<strong>de</strong>ln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren, ähnlichen<br />
Situation entsprechend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. (…)<br />
So etwa hat Frau Peters <strong>in</strong> <strong>de</strong>n familiären Bereichen Transparenz hergestellt und lebt mit<br />
<strong>de</strong>n Konsequenzen. Die Schule <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Graubereich, es gibt e<strong>in</strong>zelne E<strong>in</strong>geweihte.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> aktuellen Arbeitsstelle hält sie ihre Schwächen aufgrund negativer Erfahrungen<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> vorherigen Arbeitsstelle geheim. Das Out<strong>in</strong>g kann aber auch Vorteile haben.<br />
Gegenüber <strong>de</strong>m Fallmanager <strong><strong>de</strong>r</strong> ARGE nämlich hält sich Frau Peters das Out<strong>in</strong>g noch offen<br />
(vgl. Schaubild ‚Partielles Out<strong>in</strong>g’).“<br />
Quelle:<br />
Nienkemper/Bonna (2010)<br />
31
Teil II: E<strong>in</strong>führung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialien für die Arbeit im Kurs<br />
Partielles Out<strong>in</strong>g<br />
am Beispiel von Frau Peters (52 Jahre)*:<br />
„Me<strong>in</strong>e Schwiegermutter hat<br />
gesagt: ‚Du gehst jetzt zur<br />
Rechtschreibung? Dann bist<br />
du ja doof.‘ Die hat das aber<br />
nicht so geme<strong>in</strong>t, wie sie das<br />
gesagt hat.“<br />
„[…] me<strong>in</strong> Exmann weiß das.<br />
Und me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> wissen das,<br />
dass ich das nicht kann.“<br />
„Von me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Klassenlehrer<strong>in</strong>nen<br />
wissen es bei<strong>de</strong>, […].<br />
Wollte ich nur, wenn die<br />
mal Hausaufgaben<br />
haben, wo ich <strong>de</strong>nen<br />
nicht mithelfen kann[…].“<br />
„Wenn ich für<br />
e<strong>in</strong>en Euro arbeiten<br />
müsste, <strong>de</strong>nn stelle ich<br />
mich irgendwie blö<strong>de</strong> und<br />
sag: ‚Ich kann ja gar nicht<br />
lesen was da steht‘.“<br />
„Und da hatte ich<br />
e<strong>in</strong>en Kollegen, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das wohl<br />
spitz bekommen. […] Und dann<br />
haben sie gesagt: ‚Drüben, da ist<br />
jemand, die kann nicht<br />
richtig lesen‘.“<br />
„O<strong><strong>de</strong>r</strong> da, wo ich jetzt<br />
arbeite, das muss da ke<strong>in</strong>er<br />
wissen. Weil <strong>de</strong>nn heißt es<br />
auch: ‚Die ist ja blö<strong>de</strong> hier,<br />
die kann ja noch nicht<br />
e<strong>in</strong>mal richtig lesen und<br />
schreiben‘.“<br />
* Name und Stimme wur<strong>de</strong>n verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
= Die Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong>/und Schreibschwierigkeiten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Lebensbereich bekannt.<br />
= Die Lese- o<strong><strong>de</strong>r</strong>/und Schreibschwierigkeiten s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>zelnen Personen bekannt.<br />
= Niemand <strong>in</strong> diesem Lebensbereich weiß von <strong>de</strong>n Schwierigkeiten.<br />
Die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer können<br />
• <strong>de</strong>n Begriff „partielles Out<strong>in</strong>g“ kennenlernen;<br />
• erfahren, was hier „partiell“ be<strong>de</strong>utet - e<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g kann gegenüber e<strong>in</strong>zelnen Personen<br />
bzw. <strong>in</strong> bestimmten Lebensbereichen erfolgen, während das Lese- und Schreibproblem<br />
gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Personen bzw. <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lebensbereichen weiter geheim<br />
gehalten wird;<br />
• erfahren, dass e<strong>in</strong> Out<strong>in</strong>g aus subjektiven Grün<strong>de</strong>n erfolgt, und über solche Grün<strong>de</strong><br />
diskutieren;<br />
• <strong>de</strong>n Zusammenhang zwischen Out<strong>in</strong>g und <strong><strong>de</strong>r</strong> Angst vor Ent<strong>de</strong>ckung diskutieren;<br />
• Vor- und Nachteile e<strong>in</strong>es Out<strong>in</strong>gs diskutieren.<br />
I<strong>de</strong>en für <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>satz im Kurs<br />
Das Schaubild kann als E<strong>in</strong>stieg gewählt wer<strong>de</strong>n, um <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Kursgesprächs Kenntnisse<br />
zum partiellen Out<strong>in</strong>g zu erwerben. Die Teilnehmen<strong>de</strong>n erf<strong>in</strong><strong>de</strong>n <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zel-/Partnero<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gruppenarbeit e<strong>in</strong>e Lebensbiographie/ Geschichte zum partiellen Out<strong>in</strong>g.<br />
• Unbekannte Begriffe wie „partiell“ und „Out<strong>in</strong>g“ sollten erläutert wer<strong>de</strong>n.<br />
Mögliche Fragen an die Teilnehmer<strong>in</strong>nen und Teilnehmer<br />
• „Was fällt Ihnen auf? Welche Be<strong>de</strong>utung haben die Kreise?“<br />
• „Welche Grün<strong>de</strong> nennt Frau Peters für das Offenlegen ihrer Lese- und Schreibprobleme,<br />
welche dagegen?“<br />
• „Fallen Ihnen weitere Grün<strong>de</strong> dafür e<strong>in</strong>, Lese- und Schreibprobleme geheim zu halten?“<br />
32
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