03.01.2014 Aufrufe

Landtagswahl NRW 2010 Wirtschaftspolitische Programme im ...

Landtagswahl NRW 2010 Wirtschaftspolitische Programme im ...

Landtagswahl NRW 2010 Wirtschaftspolitische Programme im ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong><br />

<strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug<br />

aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

Bündnis 90 / Die Grünen: Zukunftsplan für <strong>NRW</strong> 2<br />

1 Grüner Zukunftsplan für <strong>NRW</strong> 3<br />

2 ZUKUNFTSFÄHIGES <strong>NRW</strong>: GRÜNES WIRTSCHAFTSWUNDER 20 MACHT<br />

MEHR MÖGLICH 9<br />

SPD: Unser <strong>NRW</strong>. Mutig. Herzlich. Gerecht. 36<br />

1 Eine folgenreiche Weichenstellung 36<br />

2 Neue Perspektiven für die soziale Sicherheit in <strong>NRW</strong> 37<br />

3 Gute Arbeit für alle 41<br />

4 Ökologisches Wachstum und Innovation 45<br />

5 Demokratische Gesellschaft, starke Kommunen 57<br />

Die Linke: Wahlprogramm DIE LINKE. <strong>NRW</strong> – <strong>Landtagswahl</strong> <strong>2010</strong> 62<br />

1 Präambel Original sozial - konsequent solidarisch 62<br />

2 Umverteilen – Schutzschirm für Menschen 72<br />

3 Sozialer und ökologischer Umbau 83<br />

4 Alternativen von LINKS - neue Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik 95<br />

5 Öffentlich statt Privat – öffentliche Daseinsvorsorge stärken 100<br />

CDU Neue Sicherheit und Solidarität – Nordrhein-Westfalen 2020<br />

Landespolitische Leitsätze der CDU Nordrhein-Westfalen 102<br />

1 [Einleitung] 102<br />

2 Wachstum schafft Arbeit 104<br />

3 Beschäftigungssicherheit für viele 105<br />

4 Für starke Kommunen 107<br />

5 Handeln mit Gewinn für Umwelt und Wirtschaft 108<br />

FDP Aufsteigerland <strong>NRW</strong> Programm der FDP zur <strong>Landtagswahl</strong> am 9. Mai<br />

<strong>2010</strong> 111<br />

1 Präambel 111<br />

2 Aufstieg durch Wachstum 113<br />

3 Aufstieg durch Effizienz 137


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

2<br />

Bündnis 90 / Die Grünen:<br />

Zukunftsplan für <strong>NRW</strong><br />

Inhalt<br />

GRÜNER ZUKUNFTSPLAN FÜR <strong>NRW</strong><br />

• Wichtige Weichenstellungen 8<br />

• Unsere Grundwerte 9<br />

• Der Grüne Zukunftsplan in Kürze 11<br />

• 200.000 neue Jobs für <strong>NRW</strong> 16<br />

ZUKUNFTSFÄHIGES <strong>NRW</strong>: GRÜNES WIRTSCHAFTSWUNDER<br />

• 1. Nachhaltige Wirtschaft 21<br />

• 2. Kl<strong>im</strong>aschutz und bezahlbare Energie durch Energiewende 33<br />

• 3. Zukunft sozial gerecht und solide finanzieren 45<br />

• 4. Für lebendige und handlungsfähige Kommunen 51<br />

KLUGES <strong>NRW</strong>: RECHT AUF BILDUNG FÜR ALLE<br />

• 1. Kitas: Kinder brauchen mehr 58<br />

• 2. Schule der Zukunft: leistungsstark – vielfältig – gerecht 63<br />

• 3. Qualifizierte Ausbildung für alle 76<br />

• 4. Lebensbegleitendes Lernen durch gute Weiterbildung 78<br />

• 5. Demokratische Hochschulen: Ke<strong>im</strong>zellen für ein innovatives Land 80<br />

ÖKOLOGISCHES <strong>NRW</strong>: SCHUTZ FÜR MENSCH UND UMWELT<br />

• 1. Wertvolles Naturerbe schützen 88<br />

• 2. Tiere brauchen Rechte 92<br />

• 3. Grundrecht „gesund leben“ 93<br />

• 4. Verbraucherinnen und Verbraucher mächtig machen 99<br />

• 5. Ländlicher Raum: starke grüne Impulsregionen für <strong>NRW</strong> 103<br />

• 6. Mobilität – ökologische und soziale Verkehrswende einleiten 107<br />

SOZIALES <strong>NRW</strong>: FÜR GERECHTIGKEIT UND ZUSAMMENHALT<br />

• 1. Zugang zu „guter“ und angemessener Arbeit 116<br />

• 2. Armut bekämpfen – Teilhabe sichern 122<br />

• 3. Selbstbest<strong>im</strong>mt leben <strong>im</strong> Alter 124<br />

• 4. Selbstbest<strong>im</strong>mt leben mit Pflege und Assistenz 127<br />

• 5. Menschen mit Behinderungen Teilhabe und Selbstbest<strong>im</strong>mung sichern 130<br />

• 6. Gesundheitspolitik für alle 134<br />

• 7. Die soziale Stadt für alle 143<br />

DEMOKRATISCHES <strong>NRW</strong>: STARK FÜR FREIHEITSRECHTE UND GLEICHBE-<br />

RECHTIGUNG<br />

• 1. Bürgerrechte stärken – Sicherheit rechtsstaatlich gestalten 150<br />

• 2. Mehr Demokratie wagen – die Macht der Bürgerinnen und Bürger stärken 158<br />

• 3. Freiheit und Demokratie digital – Qualität und Vielfalt sichern 163<br />

• 4. Antidiskr<strong>im</strong>inierungspolitik und Antidiskr<strong>im</strong>inierungsarbeit in <strong>NRW</strong> 169<br />

• 5. Geschlechterdemokratie für alle: Politik für Frauen und Männer 170


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

3<br />

• 6. Gleichberechtigte Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender<br />

179<br />

• 7. Im Herzen Europa(s) – für ein aktives und solidarisches <strong>NRW</strong> 182<br />

• 8. Eine-Welt-Politik – gemeinsame Verantwortung <strong>im</strong> Zeitalter der Globalisierung 184<br />

MENSCHLICHES <strong>NRW</strong>: VIELFALT IST REICHTUM<br />

• 1. Familien der Zukunft – Kinder fördern, Eltern stärken 188<br />

• 2. Kinder- und Jugendförderung der Zukunft beteiligen<br />

• statt ausgrenzen 192<br />

• 3. Kulturelle Vielfalt als Chance begreifen 195<br />

• 4. Weltanschauliche und religiöse Vielfalt in <strong>NRW</strong> stärken 202<br />

• 5. Grüne Kulturpolitik in <strong>NRW</strong> 203<br />

• 6. Mehr Sport und Bewegung – für ein bewegtes <strong>NRW</strong> 208<br />

1 Grüner Zukunftsplan für <strong>NRW</strong><br />

1.1 Wichtige Weichenstellungen für <strong>NRW</strong><br />

Unser Land steht vor wichtigen Weichenstellungen. Zahlreiche Krisen, die Sie ganz konkret<br />

spüren und sehen können, erfordern durchdachte Antworten.<br />

Die Kl<strong>im</strong>akrise kommt schleichend, aber mit Macht – die nächsten zehn Jahre entscheiden,<br />

wie mächtig sie wird. Wir geben radikale Antworten, weil nur sie den Kl<strong>im</strong>awandel<br />

begrenzen. Schwarz-Gelb hat dagegen das Rad zurückgedreht und macht Klientelpolitik<br />

für große Energiekonzerne und die Großindustrie. Wenn aber <strong>NRW</strong> nicht umsteuert, wird<br />

ganz Deutschland die Kl<strong>im</strong>aziele verpassen.<br />

Die Finanz- und Wirtschaftskrise kam plötzlich, aber nicht überraschend. Banken und<br />

Spekulanten, Marktradikalismus und Privatisierungswahn haben eine riesige Blase geschaffen,<br />

die geplatzt ist. Wir wollen mit durchgreifenden Regeln für die Finanzmärkte<br />

verhindern, dass eine neue Blase entsteht.<br />

Unser überholtes, sozial ungerechtes und leistungsfeindliches Bildungssystem schadet<br />

<strong>NRW</strong>. Schwarz-Gelb hat das Aussortieren weiter verschärft. Das wollen wir stoppen: mit<br />

mehr Qualität in den Kitas, längerem gemeinsamem Lernen an Schulen der Zukunft, besserem<br />

Studium ohne Gebühren. Nordrhein-Westfalen braucht alle Talente: Starke Bildung<br />

für ein starkes Land!<br />

Die soziale Spaltung verstärkt sich weiter. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich<br />

weiter. Was Schwarz-Gelb in <strong>NRW</strong> etwa mit der, durch den Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft<br />

LEG vorangetriebenen Demontage des sozialen Wohnungsbaus und<br />

dem Ende der Arbeitslosenzentren betrieben hat, setzt die Bundesregierung fort: Unsinnige<br />

Steuergeschenke werden bei den Sozialleistungen eingespart. <strong>NRW</strong> muss ein starkes<br />

Gegengewicht gegen diese unsoziale Politik setzen.<br />

Unsere Kommunen stehen vor dem Finanzkollaps. Nur noch 44 von 394 Städten und<br />

Gemeinden haben ausgeglichene Haushalte. Schwarz-Gelb betrügt die Kommunen systematisch<br />

um Milliarden-Einnahmen. Wir wollen das stoppen! Die Kommunen sind unsere<br />

Lebensader und brauchen eine langfristige, solide und vor allem verlässliche Finanzperspektive.<br />

Schwarz-Gelb passt nicht zu Nordrhein-Westfalen. Weil sich diese Landesregierung den<br />

großen Herausforderungen nicht stellt und ihnen nicht gewachsen ist. Es reicht nicht,<br />

wenn Ministerpräsident Rüttgers schöne Worte findet. Entscheidend ist das Spiel „auf‘m<br />

Platz“.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

4<br />

Als Grüne wissen wir: Die Krisen lassen sich nicht voneinander trennen. Die Antworten<br />

und Lösungen auf alle Krisen müssen zusammengedacht werden.<br />

Der Kampf gegen den Kl<strong>im</strong>awandel bietet <strong>im</strong>mense Chancen für eine neue Wirtschaftsund<br />

Finanzpolitik. Gute Bildung ist der Schlüssel sowohl für ein wirtschaftsstarkes Land,<br />

als auch für den sozialen Zusammenhalt in <strong>NRW</strong>. Und gute Bildung ist zudem der Schlüssel<br />

für unsere nachfolgenden Generationen, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen<br />

zu können.<br />

Die bisher vom Bund aufgelegten Konjunkturprogramme haben diesen Weitblick nicht.<br />

Sie setzen allein auf Maßnahmen, deren Kosten wir in den folgenden Jahren zu tragen<br />

haben, deren Wirkungen aber nur kurzfristig und wenig nachhaltig sind. Stattdessen bedürfte<br />

es massiver Anreize für ökologische und energieeffiziente Formen der Mobilität<br />

und energetischer Gebäudesanierung. Wenn wir kommunale Gebäude, Schulen und<br />

Hochschulen energetisch sanieren, packen wir Wirtschaftskrise, Kl<strong>im</strong>akrise, Bildungskrise<br />

und Kommunalkrise zusammen an.<br />

Wenn <strong>NRW</strong> den Anschluss an die ökologische industrielle Revolution verpasst, werden die<br />

Arbeitsplätze der Zukunft in den Ländern entstehen, die heute schon verstehen, dass die<br />

Zukunft von Wirtschaft und Wohlstand grün sein muss. Darum wollen wir Grünen in <strong>NRW</strong><br />

einen ökologischen Aufbruch in der Wirtschafts-, Finanz-, Bildungs- und Sozialpolitik –<br />

den Green New Deal.<br />

Wir müssen in eine nachhaltige Infrastruktur investieren, in eine ökologische Wirtschaft,<br />

in mehr Bildung, in einen erneuerten sozialen Ausgleich. Dieser Green New Deal – unser<br />

Grüner Zukunftsplan für <strong>NRW</strong> – schafft neue Arbeitsplätze, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit<br />

unseres Landes, führt zu mehr Kl<strong>im</strong>aschutz, entfaltet alle Potentiale und stärkt den<br />

gesellschaftlichen Zusammenhalt.<br />

1.2 UNSERE GRUNDWERTE<br />

Wir sind die Partei der Nachhaltigkeit in <strong>NRW</strong>. Nachhaltigkeit verbindet ökologische, soziale<br />

und wirtschaftliche Entwicklung. Uns als Partei der Ökologie ist der Schutz von<br />

Mensch und Umwelt das zentrale Anliegen. Mensch und Umwelt sind durch unser derzeitiges<br />

Wirtschaften mit seinem industriellen Raubbau gefährdet. Wir zerstören dabei die<br />

natürlichen Ressourcen unserer Erde. Das ist unverantwortlich und ökonomisch absurd.<br />

Denn wir entziehen uns selbst dabei die Grundlagen. Um das zu verhindern, brauchen wir<br />

eine gesellschaftliche und politische Diskussion über unsere Werte, unsere Art zu leben<br />

und zu wirtschaften.<br />

Diese Diskussion aktiv mit zu gestalten und daraus politische Konzepte zu entwickeln, ist<br />

für uns <strong>NRW</strong>-Grüne eine große Herausforderung, der wir uns stellen wollen.<br />

Wir sind die Partei des Kl<strong>im</strong>aschutzes und der Kl<strong>im</strong>apolitik in <strong>NRW</strong>. Nichts weniger als ein<br />

radikaler Wandel unserer Wirtschaft sowie teilweise auch unserer Werte und unserer Lebensweise<br />

sind erforderlich, wenn wir die Kl<strong>im</strong>afolgen begrenzen und auch in Zukunft nur<br />

annähernd unseren jetzigen Lebensstandard erhalten wollen. Wir setzen auf eine „Drei-E-<br />

Strategie“: Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung. Wir wollen<br />

<strong>NRW</strong> zum Land der Erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung machen, statt<br />

auf neue großindustrielle CO2-Schleudern zu setzen.<br />

Wir sind die Partei der grünen industriellen Revolution in <strong>NRW</strong>. Mit einem ökologischen<br />

Umsteuern in der Wirtschaftspolitik können wir das grüne Wirtschaftswunder schaffen.<br />

Dadurch gibt es die Chance auf zusätzliche 200.000 Arbeitsplätze. <strong>NRW</strong> als industrielles<br />

Kernland der Bundesrepublik hat hier besondere Pflichten und Chancen. Nur ein nachhaltiges<br />

<strong>NRW</strong> ist ein zukunftsfähiges <strong>NRW</strong>. Allein mit einer deutlichen Steigerung der energetischen<br />

Gebäudesanierung sind für <strong>NRW</strong> zusätzliche 100.000 Arbeitsplätze möglich –<br />

bei gleichzeitigen <strong>im</strong>mensen Einsparungen von Energie und CO2 in unseren Gebäuden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

5<br />

Wir sind die Partei der Bildungsgerechtigkeit in <strong>NRW</strong>. Nur ein bildungsgerechtes <strong>NRW</strong> ist<br />

ein zukunftsfähiges <strong>NRW</strong>. Denn Gerechtigkeit fängt für uns bei den Kindern an. Jedes<br />

Kind hat das Recht auf gute Bildung. Politik hat die Pflicht, dieses Recht von der Kita bis<br />

zur Hochschule zu verwirklichen. Nur Menschen mit guter Bildung werden klug und nachhaltig<br />

handeln! Wir wollen die Qualität der Kitas verbessern. Wir wollen zusammen mit<br />

den Beteiligten vor Ort Schulen der Zukunft gründen: mit längerem gemeinsamem Lernen<br />

bis zum Ende der Pflichtschulzeit. Und wir wollen die sozial ungerechten Studiengebühren<br />

abschaffen.<br />

Wir sind die Partei für moderne Wohlfahrtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit in <strong>NRW</strong>.<br />

Wir wollen allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, gesundheitlicher Beeinträchtigung,<br />

physischer und psychischer Behinderung, Alter, Armut, sexueller Identität oder<br />

Herkunft – Zugang zu den zentralen gesellschaftlichen Ressourcen verschaffen: zu Arbeit,<br />

Bildung, kulturellem Leben und demokratischer Mitbest<strong>im</strong>mung. Diese Teilhabegerechtigkeit<br />

prägt unsere Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie. Und wir<br />

sind die Partei, die in einer globalisierten Wirtschaft auch die Gerechtigkeitsfrage global<br />

stellt.<br />

Wir sind die Partei der Bürgerrechte in <strong>NRW</strong>. Der Rechtsstaat hat die Freiheitsrechte aller<br />

zu achten und zu gewährleisten. Freiheit, die wir meinen, steht für die Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

des Einzelnen ohne staatliche Kontrolle und Überwachung. Wir wenden uns gegen den<br />

Abbau von Bürger- und Freiheitsrechten und wollen, dass sich jede und jeder an politischen<br />

Entscheidungen beteiligen kann. Denn die demokratische Teilhabe aller sichert die<br />

Entwicklungsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wir sind die Partei, für die die Bekämpfung<br />

von Rassismus in all seinen Formen ein zentraler Grundwert ihrer Politik ist.<br />

Wir Grünen wollen in diesem Sinne mit Ihrer St<strong>im</strong>me <strong>im</strong> Rücken für ein nachhaltiges, bildungsgerechtes,<br />

soziales und demokratisches Nordrhein-Westfalen kämpfen.<br />

1.3 DER GRÜNE ZUKUNFTSPLAN IN KÜRZE<br />

1.3.1 Nachhaltiges <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, für ein zukunftsfähiges <strong>NRW</strong> einzutreten.<br />

Wir Grünen treten konsequent dafür ein, mit nachhaltigem Wirtschaften dauerhaft die<br />

Lebensgrundlagen zu erhalten. Deshalb stehen wir für ökologische Verantwortung und<br />

wirtschaftliche Vernunft.<br />

Wir wollen eine einfache und nachhaltige Landesplanung unter Berücksichtigung der demografischen<br />

Entwicklung in einem europäischen und globalisierten Kontext.<br />

Wir Grünen wollen <strong>NRW</strong> zum Ausgangspunkt für die notwendige neue grüne Industrielle<br />

Revolution machen. So kann <strong>NRW</strong> mit seinen industriellen Stärken beispielhaft für die<br />

Bewältigung der Kl<strong>im</strong>a- und Umweltschutzprobleme werden. Nur so kann es seine Chancen<br />

für zukunftsfähige und sichere Arbeitsplätze nutzen. 200.000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />

sind mit dem Green New Deal möglich.<br />

Zentraler Teil des Green New Deal ist unsere „Drei-E-Strategie“ gegen den Kl<strong>im</strong>awandel.<br />

Drei-E-Strategie heißt: Bei den Energien setzen wir auf Erneuerbare, Effizienz und Einsparung.<br />

Wir wollen bis 2020 den Anteil der Erneuerbaren bei der Stromerzeugung auf 22 Prozent<br />

erhöhen. Das größte Potential hat in <strong>NRW</strong> die Windkraft. Bis 2020 wollen wir die Windstromproduktion<br />

verfünffachen.<br />

Bei den Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ist die dezentrale Kraft-Wärme-<br />

Kopplung (KWK) das wichtigste Element. KWK meint die gleichzeitige, dezentrale Produktion<br />

von Strom und Wärme. Solche Kraftwerke erreichen Wirkungsgrade von 90 Prozent<br />

und mehr. <strong>NRW</strong> ist mit seiner dichten Besiedlung und energieintensiven Industrie hervor-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

6<br />

ragend für einen starken Ausbau der KWK geeignet. Unser Ziel für 2020: Mit KWK sollen<br />

33 Prozent unseres Stromes erzeugt werden. Der Ausbau der KWK ist eine der zentralen<br />

Herausforderungen der Landespolitik, um die Kl<strong>im</strong>aziele zu erreichen.<br />

Bei der Einsparung von Energie setzen wir auf energetische Gebäudesanierung und die<br />

Einsparung von Strom.<br />

Energetische Gebäudesanierung schützt das Kl<strong>im</strong>a und spart Energiekosten. Wir Grünen<br />

wollen die jährliche Sanierungsquote von derzeit deutlich unter einem Prozent auf drei<br />

Prozent erhöhen. Wir wollen die Sanierung von etwa 200.000 Wohnungen pro Jahr unterstützen.<br />

Neue Kohlekraftwerke blockieren den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir Grünen<br />

sind die Garanten dafür, diese CO2-Schleudern zu verhindern. Die Macht der Großkonzerne<br />

wollen wir – etwa durch eine unabhängige Netzgesellschaft – beschränken.<br />

Wir brauchen ein ehrgeiziges „Umweltwirtschaftsprogramm <strong>NRW</strong>“, in dem Gesetze, Förderprogramme<br />

und Beratung gebündelt werden.<br />

1.3.2 Bildungsgerechtigkeit für <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, für ein kluges, bildungsgerechtes <strong>NRW</strong><br />

einzutreten.<br />

Bildung bedeutet das Herausbilden einer Persönlichkeit, das Miteinanderlernen, Erziehung<br />

zur Demokratie und das Erlernen sozialer Kompetenzen. Eine gute Bildung ist ein entscheidender<br />

Baustein für Chancengleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie, sozialen Zusammenhalt,<br />

für die persönliche Zukunft und die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Bildung<br />

heißt: Lernen ein ganzes Leben lang.<br />

Für die Jüngsten wollen wir das Beste. Gute Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern<br />

ist der Schlüssel zur Zukunft. Deshalb sollen alle Kinder opt<strong>im</strong>al gefördert werden.<br />

Dafür brauchen wir in allen Einrichtungen höchste Qualität.<br />

Unser Schulsystem sollte Kinder und Jugendliche ermutigen und stärken – statt sie zu beschämen<br />

und zu verängstigen. Deshalb wollen wir Grünen die leistungsstarke Schule der<br />

Zukunft schaffen. Wir stehen für gemeinsames Lernen bis zum Ende der Pflichtschulzeit,<br />

ohne den Dauerdruck durch Turbo-Abi. Wir wollen die Ganztagsschulen ausbauen und<br />

Schule als Lern- und Lebensort gestalten. Wir wollen eine neue Schulkultur voller Respekt,<br />

Wertschätzung und Beteiligung. Diese Schule der Zukunft kann nur „von unten“<br />

wachsen, mit den Städten und Gemeinden, <strong>im</strong> Konsens mit möglichst vielen Beteiligten.<br />

Nach der Schule brauchen unsere Jugendlichen eine Ausbildung – und zwar alle. Deshalb<br />

brauchen wir ein Recht auf Ausbildung.<br />

Und wir sagen ganz klar: Die Studiengebühren müssen weg! Sie erschweren massiv den<br />

Bildungsaufstieg. Außerdem wollen wir die Freiheit von Forschung und Lehre sowie Demokratie<br />

und Mitbest<strong>im</strong>mung an unseren Hochschulen wieder herstellen. Den Bologna-<br />

Prozess wollen wir korrigieren. Und wir wollen ausreichend Studienplätze – auch für den<br />

doppelten Abiturjahrgang 2013.<br />

1.3.3 Mensch und Umwelt schützen<br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, Menschen und Umwelt in <strong>NRW</strong> zu schützen.<br />

Der Schutzgedanke ist seit jeher einer der Grünen Gründungs<strong>im</strong>pulse und bleibt unser<br />

politischer Markenkern. Wir Grünen stehen konsequent dafür, nicht weiter mit Raubbau<br />

und Verschwendung kurzfristige Profite zu machen, sondern mit nachhaltigem Wirtschaften<br />

dauerhaft die Lebensgrundlagen zu erhalten.<br />

In <strong>NRW</strong> stehen etwa 50 Prozent der Arten auf der Roten Liste. Deshalb wollen wir den<br />

Arten zerstörenden Flächenverbrauch stoppen. Die Vorrang-Politik für Kies- und Sandab-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

7<br />

bau wollen wir beenden. Wir setzen uns für neue Nationalparks ein und für ein Biotopverbundsystem<br />

auf 15 Prozent der Landesfläche. Wir wollen die naturnahe Gewässerentwicklung<br />

forcieren und den Wald schützen – während Schwarz-Gelb ihn verkauft und privatisiert.<br />

Unser agrarpolitisches Ziel ist die Förderung einer bäuerlichen Landwirtschaft mit ihren<br />

vielfältigen Leistungen und positiven Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Wir wollen<br />

einen massiven Ausbau des Ökolandbaus und eine gentechnikfreie Landwirtschaft ohne<br />

Tierquälerei. In der Agrarförderung wollen wir die einseitige Bevorzugung der Großbetriebe<br />

durch die Flächenprämie beenden. Mit neuen Fördermodellen, die Umweltverträglichkeit<br />

und Arbeitsaufwand berücksichtigen, werden wir die bäuerliche Landwirtschaft in<br />

<strong>NRW</strong> stärken.<br />

Umweltschutz ist <strong>im</strong>mer auch Gesundheitsschutz. Deshalb treten wir Grünen für eine flächendeckende<br />

Lärmschutzplanung ein. Lärmschutz hat für uns Vorrang vor betriebswirtschaftlichen<br />

Interessen. Auch deshalb lehnen wir Subventionen für den Luftverkehr ab.<br />

Die BAYER-CO-Pipeline wollen wir stoppen. Langfristig müssen wir jede Einleitung von<br />

gefährlichen Stoffen ins Wasser unterbinden.<br />

Wir brauchen gesunde und sichere Lebensmittel. Dazu setzen wir Grünen auf die Macht<br />

der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir brauchen mehr Transparenz, Informationsrechte<br />

und Kennzeichnungspflichten. Die Namen schwarzer Schafe müssen konsequent<br />

veröffentlicht werden. Den Verbraucherschutzorganisationen wollen wir erweiterte Klagerechte<br />

geben. Telefonabzocke wollen wir ebenso stoppen wie Drückermethoden am<br />

Bankschalter.<br />

Für ein ökologisches <strong>NRW</strong> braucht es eine Verkehrswende. Wir treten für ein über Stadtund<br />

Gemeindegrenzen hinausgehendes Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr<br />

ein. Eine Ausbauoffensive für Busse und<br />

Bahnen mit einem ausgeweiteten Fahrtenangebot und der Modernisierung von Haltepunkten<br />

und Bahnhöfen bringt Verbesserungen für Millionen Pendlerinnen und Pendler:<br />

für entspanntes, pünktliches Reisen und saubere Luft.<br />

Wir stehen auf der Seite der Radfahrerinnen und Radfahrer. Radverkehr ist Kl<strong>im</strong>a- und<br />

Gesundheitsschutz. Deshalb: Parallel laufende Radwege müssen für alle neuen und sanierten<br />

Bundes- und Landesstraßen selbstverständlich sein.<br />

1.3.4 Soziales <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, für soziale Gerechtigkeit in <strong>NRW</strong> zu kämpfen.<br />

<strong>NRW</strong> war lange Zeit das stolze soziale Gewissen Deutschlands. Wir Grünen wollen dafür<br />

sorgen, dass das wieder so wird. Und da reicht Rüttgers’ Sozialgerede nicht aus, sondern<br />

das muss ganz konkret in der Landespolitik geschehen.<br />

Arme Kinder sind für unser Land nicht hinnehmbar! 800.000 Kinder und Jugendliche sind<br />

in <strong>NRW</strong> von Armut betroffen. Auf Bundesebene brauchen wir endlich eigene Regelsätze<br />

für Kinder – und nicht höheres Kindergeld für die Reichen!<br />

Alle Menschen brauchen: Bildung und Arbeit, ein ausreichendes Einkommen, Schutz vor<br />

gesundheitlichen Risiken, eine solidarische Absicherung der Kosten von Krankheit, Behinderung<br />

und Pflege – und die Chance, ihr Leben selbstbest<strong>im</strong>mt gestalten zu können. Das<br />

ist das A und O Grüner Sozialpolitik.<br />

Soziale Gerechtigkeit umfasst noch mehr: Die 200.000 Arbeitsplätze des Green New Deal<br />

sind dazu ebenso ein Beitrag wie gute Bildung für alle. Bildung ist der beste Schutz vor<br />

Armut.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

8<br />

1.3.5 Demokratisches <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, die Demokratie in unserem Land zu stärken.<br />

Dafür brauchen wir Sie: Wir setzen auf Sie, auf die Bürgerinnen und Bürger, auf Ihre Beteiligung<br />

auf dem Weg für ein grünes <strong>NRW</strong>. Sie sind die Basis für ein starkes Land.<br />

Weil wir das ernst meinen, treten wir überzeugt für mehr Demokratie ein. Wir wollen die<br />

Zust<strong>im</strong>mungswahl bei den Wahlen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landrätinnen<br />

und Landräte. Wir wollen, dass Sie Ihre Volksvertreterinnen und Volksvertreter gezielt<br />

wählen können, statt einfach nur vorgegebene Listen abzunicken. Wir wollen Sie<br />

zwischen den Wahlen über wichtige Fragen abst<strong>im</strong>men lassen.<br />

Wir Grünen wollen die Macht der Bürgerinnen und Bürger in <strong>NRW</strong> stärken. Wir handeln<br />

nach der Max<strong>im</strong>e: Ihr Konto, Ihr Telefon, Ihr Computer gehört Ihnen, nicht den Sicherheitsbehörden.<br />

Nach unserem Verständnis hat der Staat Vertrauen und betrachtet Menschen-<br />

und Bürgerrechte als Garanten und nicht als Gefährdung der inneren Sicherheit.<br />

Das gilt auch und gerade <strong>im</strong> digitalen und vernetzten Zeitalter.<br />

Entscheidend für die Demokratie in unserem Land sind die Städte und Gemeinden. Sie<br />

sind die Ke<strong>im</strong>zellen der Demokratie. Wir wollen die Städte und Gemeinden endlich wieder<br />

mit ausreichenden Finanzmitteln ausstatten: Damit Schw<strong>im</strong>mbäder und Theater nicht<br />

schließen müssen und die Kommunen nicht ausbluten.<br />

1.3.6 Vielfältiges <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan verpflichten wir uns, für die reiche Vielfalt unseres Landes einzutreten.<br />

Vielfalt ist eine der größten Stärken von Nordrhein-Westfalen. Sie ist Teil unserer Identität.<br />

In erster Linie speist sich die Vielfalt von Nordrhein-Westfalen aus der Vielfalt der<br />

Menschen in unserem Land. Deshalb ist Integration für uns ein Kernpunkt der nordrheinwestfälischen<br />

Landespolitik. Wir wollen, dass sich die zuwandernden und zugewanderten<br />

Nordrhein-Westfalen auch hier zu Hause fühlen und ihr Potential ausschöpfen.<br />

Zur Vielfalt gehören verschiedene Religionen und Weltanschauungen ebenso wie unterschiedliche<br />

Hautfarben, ethnische Zugehörigkeiten, sexuelle Orientierungen und Familienformen.<br />

Der Respekt vor der Unterschiedlichkeit sowie die Akzeptanz von Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

und Würde des einzelnen Menschen waren und sind der Motor für uns Grüne, uns<br />

für die Gleichberechtigung aller Menschen einzusetzen.<br />

Für die Gleichberechtigung von Frauen werden wir weiterhin überzeugt streiten. Ganz<br />

konkret gehören dazu Quoten an den Hochschulen und in Aufsichtsräten.<br />

1.4 200.000 NEUE JOBS FÜR <strong>NRW</strong><br />

Mit unserem Zukunftsplan – dem Green New Deal für <strong>NRW</strong> – können wir in den nächsten<br />

fünf Jahren die Voraussetzungen für mindestens 200.000 neue Jobs schaffen. Grundgedanke<br />

dabei ist: Wir ziehen jetzt Investitionen vor, die wir mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit<br />

unseres Landes und den Kl<strong>im</strong>awandel langfristig sowieso machen müssten. Konkret<br />

wollen wir:<br />

30.000 neue Jobs durch erneuerbare Energien und Ressourceneffizienz:<br />

Wir wollen den Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis 2020<br />

auf mindestens 22 Prozent ausweiten und den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung auf<br />

33 Prozent der Stromerzeugung erhöhen. Dadurch entstehen vor allem Arbeitsplätze<br />

be<strong>im</strong> Bau der verschiedenen Energieversorgungsanlagen, denn da verfügt <strong>NRW</strong> über<br />

eine besondere Stärke. Aber auch das ausführende Handwerk und innovative Dienstleister<br />

werden durch den Ausbau erneuerbarer Energien in starkem Maße profitieren.<br />

100.000 neue Jobs bei der Gebäudesanierung:


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

9<br />

Rund 85 Prozent der 8,3 Millionen Wohnungen in <strong>NRW</strong> haben einen energetischen<br />

Sanierungsbedarf und entsprechen zum großen Teil nicht mehr den aktuellen Energie-<br />

und Wärmeschutzstandards. Hier wird in erheblichem Ausmaß Energie verschwendet.<br />

Bei einer Sanierungsquote von drei Prozent pro Jahr können die neuen<br />

Arbeitsplätze vor allem <strong>im</strong> örtlichen Bauhandwerk entstehen.<br />

30.000 neue Jobs durch Investitionen in Bildung und Betreuung:<br />

Die Köpfe unserer Kinder sind unsere wichtigste Ressource. Zusätzliches Geld nur in<br />

Beton zu stecken, ist zu wenig. Deshalb wollen wir massiv in die Qualität unserer Bildungsangebote<br />

investieren. An oberster Stelle steht dabei der Ausbau von Ganztagsschulen.<br />

Zudem wollen wir für ein verbindliches und qualitativ hochwertiges Angebot<br />

an frühkindlicher Betreuung sorgen.<br />

30.000 neue Jobs durch Investitionen in ein sozial gerechtes Gesundheitssystem:<br />

Wir sehen <strong>im</strong> Gesundheitsbereich kein <strong>im</strong>mer höhere Kosten verursachendes Problemfeld,<br />

sondern ein wirtschaftliches und soziales Innovationsthema. Investitionen in<br />

Gesundheit sind kein Negativposten. Im Gegenteil, der Gesundheitssektor und der<br />

Pflegebereich gehören zu den Wirtschaftszweigen mit den größten Wachstumsraten.<br />

Die demografische Entwicklung, die steigende Lebenserwartung und der medizinische<br />

Fortschritt führen zu einer stetig zunehmenden Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen.<br />

10.000 neue Jobs <strong>im</strong> sozialen Arbeitsmarkt:<br />

Wir haben den Anspruch, uns auch um jene zu kümmern, die seit längerem ohne<br />

Chance auf eine Rückkehr ins Erwerbsleben sind. So sind allein in <strong>NRW</strong> zurzeit ca.<br />

250.000 langzeitarbeitslose Menschen dauerhaft vom Arbeitsmarkt abgeschnitten und<br />

von sozialer Ausgrenzung bedroht. Sie wollen wir durch langfristig geförderte sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung wieder integrieren.<br />

Diese 200.000 neuen Jobs sind aus unserer Sicht nur das Min<strong>im</strong>um dessen, was<br />

möglich ist. Wenn wir an den entscheidenden Stellen die Weichen richtig stellen,<br />

dann sind weitaus mehr neue Jobs möglich. Und wir müssen dazu die Weichen in allen<br />

Politikfeldern richtig stellen.<br />

2 ZUKUNFTSFÄHIGES <strong>NRW</strong>: GRÜNES WIRTSCHAFTSWUNDER<br />

20 MACHT MEHR MÖGLICH<br />

Wir Grünen wollen, dass <strong>NRW</strong> zum Ausgangspunkt für die notwendige grüne<br />

Industrielle Revolution wird. <strong>NRW</strong> kann mit seinen industriellen Stärken ein<br />

Kompetenzzentrum für die Bewältigung der Kl<strong>im</strong>a- und Umweltschutzprobleme<br />

sein. Und nur so kann es seine Chancen für zukunftsfähige<br />

und sichere Arbeitsplätze nutzen.<br />

Wir Grünen treten konsequent dafür ein, mit nachhaltigem Wirtschaften dauerhaft unsere<br />

Lebensgrundlagen zu erhalten. Wir wollen Schluss machen mit maßlosem Raubbau, mit<br />

Verschwendung von Ressourcen und kurzfristiger Profitgier. Wir wollen ökologische Verantwortung<br />

und wirtschaftliche Vernunft zusammenbringen und zu erfolgreichen Partnern<br />

machen.<br />

Gegen die Krise setzen wir einen Aufbruch in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik –<br />

den Green New Deal. Das heißt: Investieren in die Infrastrukturen der Zukunft, in eine<br />

ökologische Wirtschaft, in mehr Bildung, in einen erneuerten sozialen Ausgleich. Nur<br />

dann hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln keinen gigantischen Schuldenberg,<br />

sondern etwas, worauf sie aufbauen können, um so den schrittweisen Wandel unserer<br />

Wertschöpfungsbasis hin zu einer humanen und ökologischen Wirtschaft zu erreichen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

10<br />

Unser Green New Deal schafft neue Arbeitsplätze und bringt wirtschaftlichen Erfolg heute<br />

und morgen.<br />

<strong>NRW</strong> ist ein traditionsreiches Industrieland, historisch geprägt von Kohle, von Stahl- und<br />

Stromerzeugung, mit herausragenden Stärken, unter anderem <strong>im</strong> Anlagenbau und in der<br />

Chemie.<br />

In einem Ranking der 27 EU-Staaten würde Nordrhein-Westfalen, gemessen an der Wirtschaftsleistung,<br />

Platz 7 einnehmen, <strong>im</strong> weltweiten Vergleich Platz 25. Es ist daher ein<br />

Land mit guten Voraussetzungen, um die nächste Stufe des Strukturwandels hin zu einer<br />

ökologisch und sozial geprägten Wirtschaft erfolgreich bewältigen und damit <strong>im</strong> internationalen<br />

Wettbewerb bestehen zu können.<br />

Die Zukunft der industriellen Arbeitsplätze in <strong>NRW</strong>, gerade in der Exportwirtschaft, hängt<br />

von einer verstärkten Orientierung auf Nachhaltigkeit, auf Kl<strong>im</strong>aschutz sowie auf Ressourcen-<br />

und Energieeffizienz ab. Die Chancen für zukünftige Arbeitsplätze liegen zunehmend<br />

in den mittelständisch geprägten Betrieben, die in den weltweit wachsenden<br />

Märkten für ressourcen- und energieeffiziente Techniken und Produkte hervorragende<br />

Chancen haben. Nur mit einer konsequenten Ausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften<br />

sind wir gut gerüstet, um uns dem permanenten Standortwettbewerb, dem ganze Staaten<br />

und auch regionale Wirtschaftsräume in der globalisierten Welt ausgesetzt sind, zu<br />

stellen. Gleichzeitig tragen wir so dazu bei, den ökologischen Kollaps unseres Planeten<br />

abzuwenden.<br />

2.1 NACHHALTIGE WIRTSCHAFT<br />

Grüne Wirtschaftspolitik beruht auf dem Leitbild der nachhaltigen Wirtschaft.<br />

Sie basiert auf einer Wirtschaftsordnung, die soziale Gerechtigkeit und den<br />

Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zum Ziel hat. Sie geht von dem<br />

Grundsatz aus, dass wirtschaftlicher und technologischer Fortschritt allen zugute<br />

kommen muss und nicht nur einigen wenigen.<br />

Um auf die vor uns liegenden Herausforderungen die richtigen Antworten zu finden, sind<br />

die alten ideologischen Lösungsmuster ungeeignet. Weder mit den eind<strong>im</strong>ensionalen Rezepturen<br />

neoliberaler Marktanbetung noch mit dem nicht minder naiven Glauben an eine<br />

allumfassende staatliche Planungs- und Steuerungsfähigkeit wird es gelingen, die vor uns<br />

liegenden Herausforderungen in den Griff zu bekommen. Auch die einseitige Fixierung<br />

auf quantitatives Wirtschaftswachstum widerspricht den Erfordernissen für nachhaltiges<br />

Wirtschaften: Wir brauchen einen kritischen Wachstumsdiskurs in der Gesellschaft. Aufgabe<br />

einer Politik, die auf nachhaltiges Wirtschaften setzt, ist es daher, wirtschaftspolitische<br />

Konzepte für qualitatives Wachstum zu erarbeiten.<br />

Erfolgreiche Marktwirtschaft braucht einen starken staatlichen Rahmen. Ein „entfesselter“<br />

Kapitalismus zerstört nicht nur die ökologischen und sozialen Grundlagen, sondern, wie<br />

die Finanzmarktkrise gezeigt hat, auch die eigenen ökonomischen Grundlagen. Märkte<br />

ohne Regulierung sind ein gefährlicher neoliberaler Wunschtraum und enden in der Realität<br />

in Krisen oder Monopolstrukturen. Deshalb geht es nicht um das „Ob“, sondern um<br />

das „Wie“ staatlicher Regulierung – nämlich für mehr Wettbewerb und Förderung von<br />

kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) anstelle der Förderung von Monopolstrukturen,<br />

für die effiziente Nutzung anstelle der Verschwendung natürlicher Ressourcen, für<br />

statt gegen Innovation und technologischem Fortschritt.<br />

Mit Grüner Wirtschaftspolitik sind Staat und Gesellschaft hier stärker gefordert sind,<br />

transparent und dauerhaft einen Rahmen für unsere Marktwirtschaft auf der Grundlage<br />

einer klaren Werteorientierung zu setzen. Unser Leitbild ist nicht der Laissez-faire-Staat,<br />

der <strong>im</strong> Nachhinein seine Steuerzahler die Zeche zahlen lässt.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

11<br />

Zu Grüner Wirtschaftspolitik gehört deshalb auch die Erkenntnis, dass der Staat in der aktuellen<br />

Krise nicht jedes Unternehmen retten kann. Er würde sich finanziell übernehmen<br />

und den Wettbewerb grundlegend verfälschen. Hilfen für die Wirtschaft werden wir daran<br />

messen, ob sie einen sozial-ökologischen Umbau befördern oder nicht. Sinnvoll regulierte<br />

Märkte sind ein effizientes Instrument, wenn es darum geht, Ressourcen wirkungsvoll<br />

einzusetzen und Innovationen zu fördern. Für die Zukunft brauchen wir diese Dynamik,<br />

um die Produktivität unserer Wirtschaft <strong>im</strong> Hinblick auf den Energieverbrauch und die<br />

Nutzung der natürlichen Ressourcen grundlegend zu verbessern. Dafür ist es auch erforderlich,<br />

in Sektoren wie der Energiewirtschaft dem Wettbewerb wieder Geltung zu verschaffen<br />

und Monopole zu beseitigen.<br />

Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass der Markt durch einen leistungsfähigen öffentlichen<br />

und gemeinwirtschaftlichen Sektor ergänzt wird.<br />

2.1.1 „Privat vor Staat“ ist der falsche Weg<br />

Die Landesregierung aus CDU und FDP hat es sich unter der Parole „Privat vor Staat“<br />

zum Ziel gemacht, die Privatisierung in <strong>NRW</strong> auszuweiten und ihr den Vorrang vor staatlicher<br />

Daseinsvorsorge einzuräumen. Das halten wir für falsch.<br />

Im Gegenteil, mit ihrer Festlegung auf „Privat vor Staat“ hat sie alte, längst zugeschüttete<br />

Gräben wieder aufgerissen und Menschen gegeneinander in Stellung gebracht. Statt<br />

über ein modernes Schul- und Bildungssystem die Weichen für einen erfolgreichen Weg<br />

<strong>NRW</strong>s in die moderne Wissensgesellschaft zu stellen, hält sie in unverantwortlicher Weise<br />

an einem auf Selektion ausgerichteten System fest und gefährdet damit die Zukunft unserer<br />

Kinder, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.<br />

Und überall dort, wo die CDU-FDP-Landesregierung mit Hilfe eines konsequenten Eingreifens<br />

Monopole aufbrechen und mehr Wettbewerb schaffen könnte, geht sie auf Tauchstation.<br />

In der Energiepolitik beispielsweise tritt sie zwar in ihren Hochglanzbroschüren<br />

für mehr Wettbewerb ein, ihr konkretes Handeln jedoch sieht anders aus. Da positioniert<br />

sie sich – sei es be<strong>im</strong> Emissionshandel, sei es bei der Zukunft der Kohlekraftwerke – strikt<br />

an der Seite der großen Konzerne. Die Streichung der Best<strong>im</strong>mungen zu erneuerbaren<br />

Energien und zur Energieeffizienz aus dem Landesentwicklungsprogrammgesetz durch<br />

Schwarz-Gelb ist ein überdeutliches Beispiel.<br />

Die schwarz-gelbe Knebelung der Stadtwerke ist bundesweit einmalig und leitet das Sterben<br />

der Stadtwerke ein. Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen muss darum wiederhergestellt<br />

und mit dem europäischen Recht in Einklang gebracht werden. So wollen<br />

wir zur Herstellung eines echten Wettbewerbs auf dem Energiemarkt, den sich die vier<br />

großen Energieanbieter aufteilen, den kommunalen Stadtwerken umfassende Handlungsmöglichkeiten<br />

über Gebiets- und Landesgrenzen hinaus eröffnen. Nur so sind Wettbewerb<br />

und eine umweltfreundlichere Energiepolitik möglich.<br />

Wir Grünen treten für eine Balance zwischen privater Unternehmenstätigkeit und öffentlich<br />

wie gemeinwirtschaftlich erbrachter Leistung ein. Wir wollen private Investitionen, wo<br />

sie möglich sind, und wollen öffentliche Daseinsvorsorge erhalten, wo es nötig ist. Der §<br />

107 ff. der Gemeindeordnung muss so reformiert werden, dass Kommunen echte Wettbewerbsstrukturen<br />

herstellen können. Dies gilt für wichtige Produkte und Dienstleistungen,<br />

die ansonsten nicht <strong>im</strong> erforderlichen Umfang und/oder zu einem angemessenen<br />

Preis bereitgestellt werden können.<br />

Wenn <strong>im</strong>mer möglich und sinnvoll, sollten zivilgesellschaftliche Organisationsmöglichkeiten,<br />

insbesondere Genossenschaften, gestärkt werden. So sind z. B.<br />

Wohnungen in kommunalem und genossenschaftlichem Besitz ein wichtiges Instrument<br />

gegen soziale Ausgrenzung. Um ideologisch motivierte Privatisierungen zu verhindern,<br />

muss die schwarz-gelbe Änderung des § 107 GO <strong>NRW</strong>, der die wirtschaftliche Betätigung<br />

der Kommunen stark einschränkt, wieder rückgängig gemacht werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

12<br />

Wir verteidigen das Recht der Kommunen, Gebietskörperschaften bereitzustellen, und<br />

das Recht des Landes, selbst öffentliche Güter zur Verfügung zu stellen, wo private Anbieter<br />

versagen. Besonders unterstützen wir den wachsenden Sektor sozialer und solidarischer<br />

Ökonomie. Genossenschaften, soziale Unternehmen und Regionalvermarktungsinitiativen<br />

machen Wirtschaft, ohne sich nur an der Rendite zu orientieren.<br />

Zu einer nachhaltigen Wirtschaft gehören soziale Arbeitsverhältnisse. Wir wollen, dass<br />

der Arbeitgeber „Land <strong>NRW</strong>” mit gutem Beispiel vorangeht. Heute ist das Gegenteil der<br />

Fall: Unter CDU und FDP n<strong>im</strong>mt die Leiharbeit in der Landesverwaltung und den Landesbetrieben<br />

zu. Bereits <strong>im</strong> letzten Jahr wurden <strong>im</strong> Umfang von knapp 4 Millionen Euro Leiharbeitskräfte<br />

beschäftigt, insbesondere in Bereichen, in denen gleichzeitig Stellen abgebaut<br />

wurden.<br />

Für uns ist Leiharbeit, bei der die Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter schlechter bezahlt<br />

werden als ihre Kolleginnen und Kollegen, keine Alternative zu regulären Beschäftigungsverhältnissen.<br />

2.1.2 Wissen ist die Zukunft<br />

<strong>NRW</strong> ist eine Region, die ihre Wettbewerbsfähigkeit in der globalisierten Welt weder aus<br />

der Realisierung eines niedrigen Lohnniveaus noch aus der besonderen Verfügbarkeit eines<br />

zukunftsweisenden Rohstoffes beziehen kann. Die Zukunft <strong>NRW</strong>s liegt vielmehr in der<br />

Erschließung der Ressource „Wissen“. Dies bedeutet: Nur über die fortwährende Entwicklung<br />

von Innovationen werden Produkte und Dienstleistungen aus <strong>NRW</strong> auf den nationalen<br />

und internationalen Märkten bestehen können.<br />

Für uns Grüne steht fest: Umweltfreundliche Technologie ist der Markt der Zukunft. Wir<br />

wollen <strong>NRW</strong> zu einer Marke für Energie-, Ressourcen- und Materialeffizienz machen. Mit<br />

diesem Profil werden unsere Unternehmen auch auf internationalen Märkten eine Vorreiterrolle<br />

einnehmen und so zukunftsorientierte Arbeitsplätze anbieten können.<br />

Gleichzeitig ist <strong>NRW</strong> ein Land mit einem starken industriellen Kern. Der Anteil der industriellen<br />

Wertschöpfung ist in <strong>NRW</strong> überproportional hoch. Vor dem Hintergrund <strong>im</strong>mer<br />

kürzerer Produktlebenszyklen bekommen Forschung und Neuentwicklungen einen <strong>im</strong>mer<br />

höheren Stellenwert. Industrie und Wissen müssen enger zusammenwachsen.<br />

2.1.2.1 Mehr Anstrengungen für Qualifizierung und Forschung<br />

Gut qualifizierte Fachkräfte sind das Fundament der grünen Wirtschaft. Bereits heute<br />

stellen Ingenieure 30 Prozent aller Beschäftigten bei den grünnahen Dienstleistungen.<br />

Hier zeichnet sich ein gravierender Fachkräftemangel ab. Deutschland ist eines der<br />

Schlusslichter in Europa be<strong>im</strong> Ingenieursnachwuchs, denn schon jetzt kann für jede zehnte<br />

Ingenieurin und jeden zehnten Ingenieur, die in Rente gehen, kein Nachfolger gefunden<br />

werden. Wir brauchen mehr Anstrengungen bei der Ausbildung und einen leichteren<br />

Zugang zu Studiengängen, keine Hürden wie Studiengebühren.<br />

Um „grüne“ Fachkräfte zu gewinnen, wäre es ein wichtiger Schritt, die Ausbildungsgänge<br />

der grünen Ökonomie zu bündeln und führende Köpfe grüner Forschung anzuwerben.<br />

Wir wollen, dass <strong>NRW</strong> einen international ausstrahlenden Forschungsschwerpunkt für<br />

„grüne Wissenschaften“ entwickelt. Dazu soll die Einrichtung eines grünen Forschungsschwerpunktes<br />

geprüft werden, der grüne Wissenschafts- und Technologiekompetenz<br />

bündelt. Um die Forschungskooperation zwischen Hochschulen und Umwelttechnologieunternehmen<br />

herzustellen oder zu intensivieren, soll die Profilierung eines geeigneten<br />

Technologieparkes als „grüner Technologiepark“ erfolgen. Damit soll der Weg zwischen<br />

Grundlagenforschung und Anwendung verkürzt werden.<br />

Auch bei der beruflichen Ausbildung gibt es viel zu tun: In den vergangenen Jahren sind<br />

neue Ausbildungsprofile aus dem Feld der grünen Ökonomie entstanden. Hier braucht es


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

13<br />

eine entschiedene Initiative, um Schulabsolventinnen und -absolventen – auch aus bildungsfernen<br />

Verhältnissen – klare Perspektiven zu bieten.<br />

Der Fachkräftemangel kann zur größten Wachstumsbremse für die grüne Wirtschaft werden.<br />

Gleichzeitig werden die Arbeitslosenzahlen als Folge der Krise wieder ansteigen. Arbeitskraftangebot<br />

und -nachfrage klaffen auseinander. Das Land muss die Anstrengungen<br />

in der Fort- und Weiterbildung verstärken, um Fachkräften mit Erfahrung in traditionellen<br />

Zweigen neue Chancen zu bieten.<br />

Darum wäre es aber fahrlässig, auf die Erfahrung der Generation der über Fünfzigjährigen<br />

zu verzichten. Gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Arbeitgeberverbänden,<br />

der Politik und weiteren gesellschaftlichen Gruppierungen werden<br />

wir <strong>Programme</strong> entwickeln, die Frühverrentung vermeiden und generationenübergreifende<br />

Belegschaften zum Ziel haben.<br />

Durch Gesundheitsvorsorge und altersgerechte Arbeitsprozesse und -zeiten wollen wir<br />

den Arbeitsmarkt für alle Generationen öffnen und Erfahrung mit Innovation verbinden.<br />

Deshalb muss neben einer Verbesserung der Gesundheitsvorsorge die fortlaufende Weiterbildung<br />

der Beschäftigten <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen, um so Teilnahme am technischen<br />

Fortschritt und an neuen Arbeitsprozessen unabhängig vom Alter zu gewährleisten. Wichtig<br />

sind uns auch Modelle mit flexiblem Übergang in den Ruhestand.<br />

2.1.3 Grüne Gesundheitswirtschaft ausbauen<br />

Die Vielzahl von Krankenhäusern, Universitätskliniken sowie Einrichtungen und Praxen<br />

der ambulanten Versorgung bildet einen bedeutenden Arbeitsmarkt in <strong>NRW</strong>. Die Landespolitik<br />

muss sich den Herausforderungen dieses Arbeitsmarktes stellen und zukunftsfähige<br />

Rahmenbedingungen ermöglichen. Angesichts des schon bestehenden Fachkräftemangels<br />

kommt dabei Fragen der angemessenen Entlohnung für gesundheits- und pflegebezogene<br />

Dienstleistungen, der Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf <strong>im</strong>mer größere Bedeutung zu.<br />

2.1.4 Umweltwirtschaftsprogramm für <strong>NRW</strong><br />

<strong>NRW</strong> ist schon heute ein Hightech-Land des Umweltschutzes. Wir Grünen wollen mit<br />

neuen umweltschonenden Technologien und umweltfreundlichen Produkten die Exportchancen<br />

der nordrhein-westfälischen Wirtschaft weiter ausbauen. Wir sind davon überzeugt,<br />

dass hier die Märkte der Zukunft liegen. Ein Umweltwirtschaftsprogramm ist daher<br />

die beste Form der Wirtschaftsförderung für unser Land.<br />

Wir wollen einen Produktionsprozess, der alle Stoffe effizient und schonend einsetzt.<br />

Denn gerade bei der Herstellung werden zurzeit noch große Mengen an Rohstoffen und<br />

Energie vergeudet. Hier bleiben viele Potentiale ungenutzt, die wir nutzen wollen: durch<br />

den Einsatz neuer Technologien, durch die Verwendung anderer Werkstoffe und Materialien,<br />

aber auch durch schlichte Prozessopt<strong>im</strong>ierung, das heißt durch eine ressourcenschonende<br />

Neuorganisation der betrieblichen Abläufe.<br />

Für uns ist dabei klar: Ressourceneffizienz bedingt niedrigere Stückkosten und führt somit<br />

zu einem grundlegenden Kostenvorteil. Denn: Wer z. B. best<strong>im</strong>mte Emissionen oder Giftstoffe<br />

<strong>im</strong> Zuge der Produktion erst gar nicht entstehen lässt, der muss später auch nicht<br />

mit viel Geld in nachgeschaltete Filter- und Reinigungsanlagen investieren. Und wer seine<br />

Abwässer auffängt, sie reinigt und zur Wärmegewinnung einsetzt, kann bei der Energiebeschaffung<br />

gewaltig sparen.<br />

Für uns bedeutet eine innovationsorientierte und moderne Umweltpolitik, von vornherein<br />

ökologische Folgeschäden der industriellen Produktion zu vermeiden, um so Umweltverschmutzung<br />

zu bekämpfen. Eine solche Politik beinhaltet, ambitionierte Umweltstandards<br />

zu setzen sowie systematisch innovative Produkte und Produktionsverfahren zu fördern.<br />

Wir setzen auf eine moderne Umweltpolitik, die Energie und Ressourcen am effizien-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

14<br />

testen nutzt, schadstoffarme Produkte und Produktionsverfahren anbietet und mit anspruchsvollen<br />

Umwelttechnologien präsent ist, damit wir künftig auf den Weltmärkten eine<br />

Vorreiterrolle einnehmen.<br />

Im Umweltschutz und in der Umwelttechnik sind in <strong>NRW</strong> mehr als 3.500 Unternehmen<br />

mit über 260.000 Beschäftigten aktiv. Damit liegt die Branche nach Umsatz und Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern auf den vorderen Plätzen in <strong>NRW</strong>. Die Umweltwirtschaft besteht<br />

vor allem aus kleinen und mittleren Unternehmen. Als Grüne haben wir in <strong>NRW</strong> in<br />

der Vergangenheit zu der bislang führenden Rolle in diesem Sektor beigetragen. Um diese<br />

weltweite Führungsrolle beizubehalten und sogar auszubauen, ist es notwendig, dafür<br />

aktiv die Rahmenbedingungen zu verbessern.<br />

Deshalb brauchen wir ein ehrgeiziges „Umweltwirtschaftsprogramm <strong>NRW</strong>“, in dem Gesetze,<br />

Förderprogramme und Beratung gebündelt werden. Damit wollen wir insbesondere<br />

fünf Leitmärkte für <strong>NRW</strong> entwickeln:<br />

1. Energieeffizienz/erneuerbare Energien<br />

2. Rohstoff- und Materialeffizienz<br />

3. nachhaltige Wasserwirtschaft<br />

4. Kreislauf-/Entsorgungswirtschaft<br />

5. neue Mobilität<br />

2.1.5 Einstieg in die Ressourcenwirtschaft schaffen<br />

Der weltweite Ressourcenverbrauch ist von 1980 mit 40,6 Milliarden Tonnen bis zum Jahr<br />

2002 auf 55 Milliarden Tonnen angestiegen, Tendenz weiter stark steigend. Die Materialkosten<br />

der Industrie betragen 40-50 Prozent der Gesamtkosten.<br />

Zentrales Element einer Grünen Politik ist daher eine auf Energie- und Ressourcenschutz,<br />

Schadstoff- und Abfallvermeidung ausgerichtete Produktionskette. Wir wollen zum einen<br />

langlebige und reparable Produkte aus umweltverträglichen Materialien, zum anderen<br />

Produkte, die biologisch abbaubar oder gut recycelbar sind. Dabei sollen die regionalen<br />

Stoffflüsse besonders berücksichtigt werden. Zur Erschließung der Material- und Rohstoffpotentiale<br />

soll ein Förderprogramm namens „Ressourcen-Contracting“ eingerichtet<br />

werden.<br />

<strong>NRW</strong> wird <strong>im</strong> globalen Wettstreit um ökologische Innovationen nur bestehen können,<br />

wenn die diesbezüglichen Anstrengungen von Wissenschaft und Wirtschaft seitens der<br />

Politik durch innovationsfördernde Rahmenbedingungen flankiert werden. Dazu wollen<br />

wir unter anderem Initiativen für Forschung und Lehre <strong>im</strong> Bereich der Ressourcen-<br />

Effizienz unterstützen und diese in dem Netzwerk einer „virtuellen Ressourcen-<br />

Hochschule“ bündeln. Die erfolgreiche Effizienzagentur <strong>NRW</strong> wollen wir als flächendeckendes<br />

Angebot in <strong>NRW</strong> ausbauen. Das Ziel der Vermeidung ist nur durch konsequente<br />

Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz und Umstellung der Produktions- und Produktpolitik<br />

erreichbar. Ziel ist, rohstoff- und energiearme Produkte zu entwickeln, deren Bestandteile<br />

geeignet sind, in biologischen und technischen Nährstoffkreisläufen zu zirkulieren<br />

und so positive Effekte für Umwelt und Gesundheit haben. Dies bedeutet den starken<br />

Ausbau des produkt- und produktionsintegrierten Umweltschutzes sowie die Förderung<br />

umweltfreundlicher und innovativer Technologien, z. B. nachwachsender Rohstoffe. In<br />

diesem Sinne ist die Produktverantwortung der Hersteller über den gesamten Lebenszyklus<br />

eines Produkts auszubauen.<br />

2.1.6 Wirtschaftsförderung Grün denken<br />

Wir wollen die nordrhein-westfälische Wirtschaftsförderung mit ihrer Clusterpolitik neu<br />

ausrichten (Cluster sind Netzwerke von Produzentinnen und Produzenten, Zuliefererinnen<br />

und Zulieferern, Forschungseinrichtungen, Dienstleisterinnen und Dienstleistern, Hand-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

15<br />

werkerinnen und Handwerkern und verbundenen Institutionen mit einer gewissen inhaltlichen<br />

und regionalen Nähe zueinander). Wir wollen die Nachhaltigkeitspotentiale in jedem<br />

Cluster verbessern. Kriterien wie Energie- und Ressourceneffizienz, Umstieg auf erneuerbare<br />

Rohstoffe, die Vermeidung und ggf. das Ersetzen von kritischen Stoffen und<br />

Emissionen, nachhaltig und langfristig ausgerichtetes Management, aber auch Familienfreundlichkeit<br />

sollen in alle Cluster Einzug halten.<br />

Wir Grünen wollen die gesamte Wirtschaft grün fundieren. Zudem wollen wir eine Anpassung<br />

der Ziele, Maßnahmen und Werte der klassischen Wirtschaftsförderung an die genannten<br />

Kriterien.<br />

Weiteren Erneuerungsbedarf bei der Wirtschaftsförderung sehen wir insbesondere bei<br />

der Flächenbewirtschaftung, wo es zu deutlich weniger Versiegelung und zur Verringerung<br />

der Transportströme kommen muss, sowie be<strong>im</strong> Baurecht, das die Vorgaben zu<br />

Licht- und Wärmeeffizienz deutlich verschärfen sollte. Sinnvolle Anreize zur Ansiedlung<br />

von neuen Unternehmen und zur Gewerbeflächenausweisung müssen durch eine neue<br />

Landesplanung 2025 erfolgen. Momentan graben sich die Kommunen gegenseitig das<br />

Wasser ab. Der fortschreitende Flächenverbrauch durch neue Gewerbegebiete, während<br />

gleichzeitig frei werdende Grundstücke in bestehenden Gewerbegebieten ungenutzt bleiben,<br />

steht einer nachhaltigen Flächennutzung entgegen. Die Subventionierung der Gewerbeflächenpreise<br />

in den Kommunen muss aufhören. Stattdessen sind intelligente und<br />

zeitgemäße Modelle zur Flächenbereitstellung zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen.<br />

Grüne Beschaffung steht heute auch bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Tagesordnung,<br />

weil Rohstoff- und Energiekosten in der Industrie knapp 40 Prozent der Kosten<br />

ausmachen. Auch Bund, Länder und Gemeinden, die zusammengenommen der größte<br />

Einkäufer in der Bundesrepublik sind, haben hier einen enormen Hebel in der Hand, um<br />

Nachfrage zu erzeugen, Vorbildfunktion zu erfüllen und eigene Sparpotentiale zu generieren.<br />

Darum muss die Beschaffung des gesamten Bedarfs der Städte, Gemeinden und Landesverwaltungen<br />

am Ziel der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.<br />

Einkaufsgemeinschaften von Land und Kommunen können Marktmacht bündeln. Ziel der<br />

öffentlichen Beschaffung soll es sein, Benchmarks zu setzen, an denen sich Unternehmen<br />

und Haushalte orientieren können. Grundsätzlich wollen wir, dass die Landesverwaltung<br />

sich am Ziel der kl<strong>im</strong>aneutralen Verwaltung ausrichtet.<br />

2.1.7 Vorfahrt für kleine und mittlere Unternehmen<br />

In Teilen der Bevölkerung wird <strong>NRW</strong> vor allem mit großen Konzernen in Verbindung gebracht.<br />

Dies ist – auch wenn viele der 30 DAX-Unternehmen in <strong>NRW</strong> behe<strong>im</strong>atet sind –<br />

nur der kleinere Teil der Wahrheit. Denn <strong>NRW</strong> ist ein Land des Mittelstandes. 99,7 Prozent<br />

der nordrhein-westfälischen Unternehmen sind mittelständisch, also Unternehmen<br />

mit bis zu 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz bis 50 Millionen Euro. In diesen<br />

Unternehmen werden ca. 70 Prozent aller Arbeitsplätze und ca. 80 Prozent aller Ausbildungsplätze<br />

des Landes angeboten.<br />

Die kleinen und mittleren Unternehmen sind der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit unseres<br />

Landes. Mit ihrer schlanken Planungs- und Produktionsstruktur verfügen sie über eine<br />

hohe betriebliche Flexibilität und sind so in der Lage, Markttrends schnell aufzugreifen<br />

und neue Produkte zu entwickeln. Gezielte Hilfestellungen wollen wir ihnen bei der Frage<br />

des Technologietransfers geben. Denn letztlich ist nicht die Produktion <strong>im</strong>mer neuen Wissens<br />

das Problem, sondern die Transformation des verfügbaren Wissens unmittelbar in<br />

die Unternehmen. Aus diesem Grund fordern wir die Vorhaltung von Patentscouts. Diese<br />

sollen die in den Patentdatenbanken verfügbaren Patente systematisch prüfen, anwen-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

16<br />

dungsorientiert vorselektieren und über Auktionen und Börsen gezielt den kleinen und<br />

mittleren Unternehmen zugänglich machen.<br />

Wir Grünen wollen in <strong>NRW</strong> bis 2012 auch in den ländlichen Regionen eine flächendeckende<br />

Breitbandversorgung realisieren, denn Unternehmen in Regionen, die von dieser<br />

Technologie abgeschnitten sind, werden zunehmend ins Hintertreffen geraten. Dort, wo<br />

Wirtschaftlichkeitserwägungen der Anbieter Lückenschlüsse bislang verhindert haben,<br />

wollen wir Fördermittel der EU, des Bundes und – wenn erforderlich – auch des Landes<br />

bereitstellen.<br />

2.1.8 Das Handwerk auf grünen Boden stellen<br />

Viele der kleinen und mittelständischen Unternehmen in <strong>NRW</strong> gehören dem Handwerk<br />

an. Wir Grünen wissen, dass viele Handwerksbetriebe eine wichtige Rolle be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

einnehmen. Eine energieeffizient geplante Immobilie hilft der Umwelt und bei der<br />

effektiven Bereitstellung von Wirtschaftsgütern. Gerade in <strong>NRW</strong> mit seinem hohen Bestand<br />

an sanierungsbedürftigen Bauten gibt es großen Nachholbedarf. Aber auch <strong>im</strong> Bereich<br />

von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern, von Wärmepumpen und cleveren Heizungssystemen<br />

werden umwelt- und energieschonende Produkte <strong>im</strong>mer wichtiger. Auch hier<br />

werden kompetente Handwerkerinnen und Handwerker als Partner für ihre Kunden benötigt.<br />

Wir wollen diese Partnerschaften fördern und ausbauen. Das Handwerk muss umwelt-<br />

und energieschonende Produkte liefern können, die die Kunden wünschen. Gleichzeitig<br />

müssen in der Ausbildung zu Handwerksberufen und in der Weiterbildung die Bereiche<br />

Umwelt und Kl<strong>im</strong>aschutz ins Zentrum rücken, da sie sich zunehmend zu einer wirtschaftlichen<br />

Standortfrage für Unternehmen entwickelt haben. Immer mehr Kundinnen<br />

und Kunden wünschen Produkte, die fair gehandelt und kl<strong>im</strong>averträglich produziert wurden.<br />

Dies wollen wir fördern und ausbauen. Deswegen müssen <strong>im</strong> Bereich Ausbildung<br />

und Weiterbildung entscheidende Weichen gestellt werden. Auch hier gilt: Fragen zu<br />

Umwelt und Kl<strong>im</strong>a müssen in das Zentrum der beruflichen Bildung gerückt werden.<br />

Handwerksbetriebe sind eine Stütze der lokalen und regionalen Wirtschaft, führen Gewerbesteuer<br />

an die Kommune ab und bieten vielen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz.<br />

Handwerkerinnen und Handwerker bieten ihre Dienste meist vor Ort an und leben vor<br />

Ort, kennen somit die regionalen Besonderheiten. Deswegen fordern wir, dass bei öffentlichen<br />

Ausschreibungen die regionalen Handwerksbetriebe stärker berücksichtigt werden<br />

können. Nicht <strong>im</strong>mer ist der billigste Anbieter der günstigste!<br />

2.1.9 Kreditversorgung muss verlässlich sein<br />

Unternehmen brauchen verlässliche Partner in der Kreditwirtschaft. Dies gilt in besonderem<br />

Maße für kleine und mittlere Unternehmen, da sich diese nicht über den Kapitalmarkt<br />

finanzieren können und auf den klassischen Weg der Fremdfinanzierung, nämlich den<br />

Kredit, angewiesen sind. Sie brauchen Partner, die ihnen für Erweiterungsinvestitionen<br />

oder Betriebsmittelfinanzierungen die nötigen Kredite zur Verfügung stellen. Sie brauchen<br />

Partner, die nicht in jedem Mittelständler ein erhöhtes Ausfallrisiko, sondern einen Aktivposten<br />

für die Region sehen, der langfristig auch aus Sicht der Bank eine attraktive Geschäftsverbindung<br />

verspricht. Und sie brauchen Partner, die sich auch in Phasen konjunktureller<br />

Schwäche nicht aus der Kreditversorgung zurückziehen.<br />

Wir stehen uneingeschränkt zum Hausbankenprinzip. Wir Grünen sagen: Die Kreditvergabe<br />

muss durch die Banken erfolgen. Dies ist ihre volkswirtschaftliche Aufgabe.<br />

2.1.10 Innovation ist nicht nur männlich, jung und deutsch<br />

Wirtschaftliche Dynamik ist das Produkt neuer Ideen. Neue Ideen kommen von innovativen<br />

Unternehmen sowie von Existenzgründerinnen und -gründern, die mit ebendiesen<br />

neuen Ideen in den Markt eintreten. Damit diese Kette funktionieren kann, bedarf es<br />

gründungsfreundlicher Rahmenbedingungen. Dazu zählen ein dichtes Netz ortsnaher Be-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

17<br />

ratungsstellen, schnelle und unbürokratische Verfahren der Gewerbeanmeldung, gründungsbegleitende<br />

Coachingangebote und die Verfügbarkeit passgenauer Mikrofinanzierungen,<br />

die bei Bedarf auch in Form von Stufenkrediten ausgegeben werden.<br />

<strong>NRW</strong> verfügt dank der rot-grünen Anstrengungen seit Mitte der 1990er Jahre über eine<br />

sehr gute Gründungsinfrastruktur. Die CDU-FDP-Landesregierung hat hier jedoch durch<br />

die Einführung der Startercenter sowohl Gründerinnen und Gründer als auch Gründungsberaterinnen<br />

und -berater verunsichert. So konnte eine Einbindung der kommunalen<br />

Wirtschaftsförderungsgesellschaften erst durch massiven Druck aus den Regionen sichergestellt<br />

werden. Gänzlich außen vor blieben die zwischenzeitlich aufgelösten Regionalstellen<br />

Frau und Beruf sowie die Beratungseinrichtungen für Migrantinnen. Dabei bestehen<br />

gerade bei Migrantinnen und Migranten besondere Gründungspotentiale, da diese in dem<br />

Schritt zur Selbstständigkeit eine Chance zu beruflicher Freiheit sowie sozialem Aufstieg<br />

sehen. Wir wollen deshalb bestehende Beratungs- und Förderungsangebote ausbauen,<br />

um mehr Migrantinnen und Migranten auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen<br />

zu können, und insgesamt frauenorientierte Beratung wieder flächendeckend anbieten.<br />

Gesellschaftliche Vielfalt (Diversity) in den Belegschaften fördert neue innovative Lösungen<br />

und bringt ökonomischen Gewinn.<br />

2.1.10.1 Mehr Jobs und Karriere für Frauen<br />

Der verstärkte Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt hat in der Vergangenheit zu gesellschaftlichem<br />

Fortschritt und zu enormen Wachstumsschüben geführt. Doch nach wie vor<br />

findet man Frauen <strong>im</strong> Wesentlichen nur auf den unteren oder allenfalls mittleren Unternehmensebenen.<br />

Selbst topqualifizierte Frauen des mittleren Managements schaffen es<br />

nur sehr selten bis ganz an die Spitze, so dass die Männer hier nach wie vor fast unter<br />

sich sind. Im Ergebnis werden enorme Potentiale verschenkt, was vor dem Hintergrund<br />

der demografischen Entwicklung in seinen Folgen <strong>im</strong>mer gravierender wird. Alle Frauen<br />

müssen unabhängig von ihrem Bildungs- und Ausbildungsstand Zugang zu qualifizierter<br />

Aus- und Fortbildung erhalten. Dies gilt insbesondere für Frauen ohne Schulabschluss<br />

und mit geringer Qualifizierung. Firmen und Staat sind in der Verantwortung, diese Angebote<br />

zu schaffen. Frauen, die nach Familienphasen in den Beruf zurückkehren, dürfen<br />

bei Eingliederungsmaßnahmen und Qualifizierung nicht länger diskr<strong>im</strong>iniert werden.<br />

Geradezu typisch ist die Situation in den Aufsichtsräten der großen Kapitalgesellschaften.<br />

Denn nur vier Prozent der von Seiten der Anteilseigner zu besetzenden Aufsichtsratspositionen<br />

in börsennotierten Unternehmen sind derzeit mit Frauen besetzt. Deutschland<br />

n<strong>im</strong>mt damit be<strong>im</strong> Anteil der Frauen in Aufsichtsräten einen beschämenden drittletzten<br />

Platz <strong>im</strong> europäischen Ranking ein. Vor diesem Hintergrund halten wir die Einführung einer<br />

verbindlichen Quotenregelung für unverzichtbar, über die die Präsenz und Teilhabe<br />

von Frauen in diesen Gremien Schritt für Schritt erhöht wird. Dabei sollen bis 2013 zunächst<br />

25 Prozent, bis 2017 dann 40 Prozent und bis 2021 schließlich die Hälfte der Aufsichtsräte<br />

deutscher Aktiengesellschaften Frauen sein. Im Vorgriff auf die von uns angestrebte<br />

bundeseinheitliche Regelung wollen wir zum frühestmöglichen Zeitpunkt entsprechende<br />

Maßnahmen für die landeseigenen und kommunalen Betriebe umsetzen. Wir<br />

Grünen wollen auch die Akzeptanz von Frauen in ehemals männerdominierten Handwerksberufen<br />

fördern. Handwerkerin zu sein, das ist dank Grüner Politik heute kein Novum<br />

mehr. Nicht das Geschlecht ist entscheidend für einen Beruf, sondern nur die Fertigkeit.<br />

Allerdings bestehen weiterhin Vorurteile gegenüber Frauen in „typischen“ Männerberufen.<br />

Wünsche von jungen Frauen, in männerdominierte Berufe zu gehen, wollen wir<br />

unterstützen und fördern.<br />

2.1.11 EU-Fördermittel in die sozial-ökologische Wirtschaft<br />

Die Fördergelder der EU sind eine wesentliche Finanzierungsquelle der Wirtschaftsförderung<br />

in <strong>NRW</strong>. Die Verwendung dieser Mittel wollen wir einem sozial-ökologischen Check


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

18<br />

unterziehen. Sie sollen konsequent dazu eingesetzt werden, den sozial-ökologischen Umbau<br />

der <strong>NRW</strong>-Wirtschaft zu fördern.<br />

Wir sind davon überzeugt, dass eine verstärkte Vergabe der EU-Fördermittel auf der<br />

Grundlage von Wettbewerben sinnvoll und richtig ist, wenn der Rahmen sozial und ökologisch<br />

gesetzt ist. Wettbewerbe schaffen eine Anreizfunktion und führen dazu, dass die<br />

Qualität der geförderten Projekte in der Breite zun<strong>im</strong>mt. Mit Hilfe von Wettbewerben lassen<br />

sich die verkrusteten Strukturen der Vergangenheit mit ihrer „Leuchtturmphilosophie“<br />

und ihren „regionalen Förderseilschaften“ aufbrechen. Unter dem Strich verkörpern sie<br />

ein Instrumentarium, das in seinem Charakter den Anforderungen einer modernen Wissensgesellschaft<br />

entspricht und insgesamt deutlich transparenter ist.<br />

Doch hat es die CDU-FDP-Landesregierung bislang nicht verstanden, ihre richtige Grundsatzentscheidung<br />

dazu handwerklich solide umzusetzen. So ist der Zeitraum zwischen<br />

Projekteinreichung und Bewilligungsbescheid zu lang. Außerdem erhalten jene, deren<br />

Projekte nicht berücksichtigt werden, keine qualifizierten Rückmeldungen – mit der Folge,<br />

dass sie mit Blick auf zukünftige Projekteinreichungen nicht aus ihren Fehlern lernen<br />

können.<br />

Wir Grüne wollen, dass die Mittel besser den Mittelstand erreichen. Für kleine und mittlere<br />

Unternehmen sind die Bewerbungsverfahren vielfach zu aufwendig. Zudem befürchten<br />

sie, mit der Einreichung ihrer Projektideen ihr besonderes Know-how an (in den Jurys<br />

vertretene) Wettbewerber zu verlieren. Nachbessern wollen wir durch die Einführung von<br />

„Stand-by-Wettbewerben“. Mit dieser Wettbewerbsform sollen in Bereichen, die für <strong>NRW</strong><br />

und das Profil seiner Wirtschaft besonders wichtig sind, Projektideen nicht nur zu best<strong>im</strong>mten<br />

Zeiten, sondern fristunabhängig <strong>im</strong> gesamten Förderzeitraum eingereicht werden<br />

können.<br />

2.1.11.1 Ruhrgebiet zur ökologischen Vorzeigeregion machen<br />

Das Ruhrgebiet hat das Zeug zu einer ökologischen Vorzeigeregion in Europa. Das vorhandene<br />

Know-how in den Bildungs- und Forschungseinrichtungen und den Unternehmen<br />

des Ruhrgebietes, etwa für eine gesunde, lebenswerte Stadtregion mit einem guten<br />

öffentlichen Nahverkehr und umweltfreundlichen, dezentralen und erneuerbaren Energiesystemen,<br />

wollen wir durch die Schaffung einer grünen Metropole Ruhr gezielt fördern.<br />

Dazu soll der Regionalverband Ruhr zu einer wirksamen Klammer der Städte werden. Zur<br />

besseren demokratischen Legit<strong>im</strong>ation sollen die Verbandsversammlung und der Verbandsdirektor<br />

<strong>im</strong> Zuge der Kommunalwahl direkt gewählt werden.<br />

2.1.11.2 Touristische Potentiale nutzen<br />

Der Tourismus ist ein Zukunftsmarkt für <strong>NRW</strong>. Wir wollen vor allem die „Regionalität“ und<br />

„Unverwechselbarkeit“ der Landschaften in <strong>NRW</strong> als touristische Chance betonen und ihnen<br />

Geltung verschaffen, durch sanften und nachhaltigen Tourismus die Regionen stärken<br />

und die Umwelt in ihrer jetzigen Form erhalten. Bei der Förderung regionaler touristischer<br />

Projekte müssen eine wirtschaftliche Tragfähigkeit über den Förderzeitraum hinaus<br />

und die Beachtung des Nachhaltigkeitsgedankens besser gewährleistet sein. Öffentliche<br />

Gelder für umweltzerstörende Investitionen dürfen heute nicht mehr fließen. Touristische<br />

Infrastruktur, insbesondere das landesweite Radwegenetz, muss in Verantwortung des<br />

Landes weiter ausgebaut und gepflegt werden. Das gemeinsame Tourismusmarketing für<br />

<strong>NRW</strong> muss weiter opt<strong>im</strong>iert werden, um <strong>im</strong> nationalen und internationalen Wettbewerb<br />

wahrgenommen zu werden.<br />

2.1.12 Wir wollen<br />

• dass <strong>NRW</strong> zum Ausgangspunkt für die notwendige grüne industrielle Revolution wird.<br />

Deshalb treten wir für ein ehrgeiziges „Umweltwirtschaftsprogramm <strong>NRW</strong>“ ein, in


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

19<br />

dem Gesetze, Förderprogramme und Beratung gebündelt und mit dem innovative<br />

Produkte und Produktionsverfahren gefördert werden;<br />

• „grüne Fachkräfte“ für die Arbeitsplätze der Zukunft ausbilden und so die technologische<br />

Vorreiterrolle unseres Landes auch in der „grünen Wirtschaft“ der Zukunft sichern;<br />

• die Chancen von Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen und der Generation<br />

der über Fünfzigjährigen auf dem Arbeitsmarkt gezielt verbessern, denn ihre Kompetenz<br />

wird gebraucht;<br />

• eine flächendeckende Breitbandversorgung gewährleisten, damit innovative Unternehmen<br />

auch auf dem Land entstehen können;<br />

• die EU-Fördermittel an sozial-ökologischen Zielen orientieren.<br />

2.2 KLIMASCHUTZ UND BEZAHLBARE ENERGIE DURCH<br />

ENERGIEWENDE<br />

Der Kl<strong>im</strong>aschutz ist eine der zentralen Herausforderungen unseres Jahrhunderts.<br />

Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen,<br />

befürchten Expertinnen und Experten teils katastrophale Folgen. Bereits<br />

jetzt sind weltweit negative Auswirkungen auf Ökosystem und Menschen<br />

sichtbar. Gerade die Bereiche Energie- und Stromerzeugung sind es, deren<br />

ökologischer Umbau in vollem Gange ist und weiter befördert werden muss.<br />

Traditionell ist <strong>NRW</strong> ein Land mit großen Unternehmen zur Energie- und<br />

Stromerzeugung. In den letzten Jahren hat sich zunehmend eine Industrie<br />

entwickelt, deren Kernkompetenz bei den alternativen Energien liegt.<br />

Im Energiesektor liegen die größten Einsparpotentiale an Treibhausgasen, die größten<br />

Potentiale für innovative und zukunftstaugliche Technologien und auch große Potentiale<br />

für die industriellen Arbeitsplätze der Zukunft. Doch diese Zukunftsmärkte sind nicht<br />

mehr standortgebunden. Wenn <strong>NRW</strong> die erneuerbaren Energien weiter blockiert und nur<br />

die „Dinosaurier“ der Branche hofiert, werden hier die Arbeitsplätze in der konventionellen<br />

Stromerzeugung langfristig verschwinden und Jobs <strong>im</strong> Umfeld der erneuerbaren<br />

Energien werden nicht entstehen. Sie wandern dorthin, wo sie gewollt sind und wo die<br />

Bedingungen besser sind. <strong>NRW</strong> wird aus politischer Ignoranz langsam, aber sicher deindustrialisiert.<br />

Eine verantwortungsvolle Energiepolitik senkt dagegen die Treibhausgase,<br />

entwickelt erneuerbare Energieträger und schafft bzw. erhält Arbeitsplätze.<br />

2.2.1 Herausforderung Kl<strong>im</strong>aschutz und Verknappung der<br />

Ressourcen<br />

Zwei Themen werden in den nächsten Jahrzehnten energiepolitisch dominieren: der Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

und die vom Erdöl ausgehende Ressourcenverknappung. Die Bundesregierung<br />

hat das Ziel, die Emissionen der Treibhausgase bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren.<br />

Auf dem G8-Gipfel <strong>im</strong> Juli 2009 in Italien hat sie zugesagt, die Emissionen bis 2050 um<br />

80 Prozent zu mindern. Die Kl<strong>im</strong>aforschung sagt uns, dass das nicht ausreichen wird, um<br />

die Erderwärmung zu begrenzen. Notwendig ist eine Verminderung der Emissionen in<br />

den Industriestaaten von bis zu 90 oder sogar 95 Prozent gegenüber dem Stand von<br />

1990.<br />

Das heißt, mindestens die drei großen Bereiche Strom, Gebäude und Verkehr müssen bis<br />

2050 vollständig auf emissionsfreie Alternativen umgestellt sein. Die Stromerzeugung<br />

muss komplett auf regenerative Energien umgestellt, das Passivhaus als Standard für<br />

Neu- und zu sanierende Altbauten eingeführt und der Verkehr auf ökologisch verträgliche<br />

Formen und auf aus regenerativen Energien gewonnene Elektromobilität ausgerichtet<br />

werden. Dies sind wirklich revolutionäre Veränderungsprozesse, aber sie sind überle-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

20<br />

bensnotwendig. Nur wir Grünen kämpfen mit aller Kraft dafür, diese Alternativen durchzusetzen.<br />

Auch die dann noch übrig bleibenden zulässigen Emissionen werden wir nicht leichtfertig<br />

verbrauchen können. Es gibt sogenannte prozessbedingte Emissionen beispielsweise aus<br />

der Stahlerzeugung, der Zementindustrie, der Chemie, dem Anlagenbau und der Landwirtschaft,<br />

die zwar reduziert, aber nicht völlig abgeschafft werden können. Für diese ab<br />

einem best<strong>im</strong>mten Punkt nicht weiter zu reduzierenden Emissionen brauchen wir die verbleibenden<br />

geringen Freiräume.<br />

2.2.2 <strong>NRW</strong> Kompetenz in der Stromerzeugung geht verloren<br />

Fünf Jahre CDU-FDP-Energiepolitik in <strong>NRW</strong> waren fünf verlorene Jahre für den Kl<strong>im</strong>aschutz,<br />

für erneuerbare Energien, für die Kraft-Wärme-Kopplung und für die Gebäudesanierung.<br />

Die genannten Herausforderungen spielen in der Politik der Landesregierung<br />

keine wirklich spürbare Rolle. Wer so fahrlässig mit den Zukunftspotentialen der erneuerbaren<br />

Energien und der Effizienztechnik umgeht, verhindert technische Innovationen und<br />

verpasst Zukunftsmärkte. Andere <strong>im</strong> Wettbewerb mit <strong>NRW</strong> stehende Regionen Deutschlands<br />

und Europas gehen in diesen Bereichen intelligenter vor.<br />

Nordrhein-Westfalen hat bis heute eine seiner technischen Kernkompetenzen in der<br />

Stromerzeugung durch Kohle-Großkraftwerke. Durch die wirtschaftlichen Erfordernisse,<br />

durch die Verknappung der Rohstoffe, aber auch durch eine ökologischere Politik werden<br />

in den nächsten vierzig Jahren große Kohlekraftwerke durch dezentrale, erneuerbare<br />

Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung ersetzt werden müssen. Und dann wird auch<br />

diese alte, bisher gefragte <strong>NRW</strong> Kompetenz <strong>im</strong>mer unbedeutender. Die neuen Bereiche<br />

dezentraler mittelständischer Stromerzeugung (einschließlich der gesamten modernen,<br />

sich verändernden Verteilsysteme) werden die alten Kraftwerke ersetzen müssen. Diese<br />

neuen Kernkompetenzen sind aber nicht an die alten, historisch durch die Kohlevorräte in<br />

<strong>NRW</strong> begründeten Standorte gebunden. Deshalb droht <strong>NRW</strong> hier ein Verlust an Wissen<br />

und damit an Arbeitsplatzpotentialen, die von anderen Regionen gerne übernommen<br />

werden.<br />

Die derzeitige <strong>NRW</strong>-Landesregierung betreibt mit ihrem auf neue Großkraftwerke konzentrierten<br />

Einsatz in Wirklichkeit eine Politik, die eine schleichende Deindustrialisierung<br />

Nordrhein-Westfalens zur Folge hat.<br />

2.2.3 „Drei E-Strategie“ für das <strong>NRW</strong>-Kl<strong>im</strong>a 2020<br />

Drei E in der Energiepolitik stehen seit langem für erneuerbare Energien, für bessere Effizienz<br />

und für Energiesparen. Dies sind die Schlüsselbegriffe für die Reduzierung der<br />

Treibhausgase. Industrieregionen wie <strong>NRW</strong> haben dabei große Bedeutung und vor allem<br />

eine Vorbildfunktion. Deshalb hat die Grüne Landtagsfraktion <strong>im</strong> Mai 2008 unter dem Titel<br />

„<strong>NRW</strong> Kl<strong>im</strong>a 2020“ ein von der Firma EUtech durchgerechnetes und mit konkreten<br />

Maßnahmen hinterlegtes Energie- und Kl<strong>im</strong>akonzept für <strong>NRW</strong> vorgelegt. Die Studie<br />

kommt zu dem Ergebnis, dass „mit angemessenem Aufwand und großem politischem<br />

Willen“ eine Reduzierung aller Treibhausgase um 25 Prozent bis 2020 gegenüber 1990<br />

(von 344 auf 256 Millionen Tonnen CO2) in <strong>NRW</strong> möglich wäre. Sie zeigt auch, dass eine<br />

40-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen in <strong>NRW</strong> bis 2020 möglich ist, dazu<br />

aber – ganz besonders <strong>im</strong> Bereich der Energiewirtschaft – „extreme Umstrukturierungen“<br />

erforderlich sein würden. Wir Grünen in <strong>NRW</strong> haben diesen geforderten politischen<br />

Willen und kämpfen dafür, die Treibhausgase und damit die Folgen des Kl<strong>im</strong>awandels zu<br />

reduzieren.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

21<br />

2.2.3.1 Kraft-Wärme-Kopplung revolutioniert die Stromversorgung<br />

Der Bereich, in dem wir am dringendsten Investitionen brauchen, ist die Kraft-Wärme-<br />

Kopplung (KWK) – also die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme. Sie erreicht<br />

Wirkungsgrade von 90 Prozent und mehr, während die derzeit in <strong>NRW</strong> in Bau und Planung<br />

befindlichen Kohle-Kondensationskraftwerke Wirkungsgrade von gerade einmal gut<br />

40 Prozent haben. Der Ausbau einer dezentralen Struktur mit hocheffizienten KWK-<br />

Anlagen ist deshalb einer der wesentlichen Beiträge zur Erreichung der Kl<strong>im</strong>aschutzziele.<br />

Deutschland plant, bis 2020 25 Prozent des Stroms durch KWK zu erzeugen.<br />

Obwohl <strong>NRW</strong> mit seiner Bevölkerungs- und Industriedichte hervorragende Voraussetzungen<br />

für eine hohe KWK-Quote besitzt, beträgt diese hierzulande nur etwa 10 Prozent und<br />

ist damit so niedrig wie der Bundesdurchschnitt. Beispiele einer konsequenten KWK-<br />

Ausbaupolitik in Ländern wie Dänemark und den Niederlanden zeigen, dass KWK-Quoten<br />

von über 50 Prozent möglich sind. In <strong>NRW</strong> zeigt die Stadt Lemgo, dass eine KWK-Quote<br />

von 73 Prozent bei wettbewerbsfähigen Preisen für Strom und Wärme möglich ist. Verbal<br />

bekennt sich die <strong>NRW</strong>-Landesregierung <strong>im</strong>mer wieder zum Ausbau der KWK, doch in der<br />

Praxis geschieht nichts. Sie agiert sogar geradezu lächerlich und sucht in einer gemeinsamen<br />

Arbeitsgruppe mit E.ON und RWE in ausgewählten Zielgebieten nach Wärmeverbrauchern.<br />

Dafür hat die jetzige Landesregierung bereits fünf Jahre gebraucht und will<br />

erst in der nächsten Legislaturperiode ein Gutachten zum Ausbau der Kraft-Wärme-<br />

Kopplung in <strong>NRW</strong> vorlegen.<br />

<strong>NRW</strong> ist mit seiner dichten Besiedlung und energieintensiven Industrie für einen starken<br />

Ausbau der KWK besonders geeignet. Deshalb fordern wir, dass <strong>NRW</strong> bis 2020 seinen<br />

KWK-Anteil an der Bruttostromerzeugung von jetzt zehn auf 33 Prozent steigert. Den<br />

Ausbau der KWK sehen wir als eine der zentralen Herausforderungen der Landespolitik<br />

zur Erreichung der Kl<strong>im</strong>aschutzziele.<br />

2.2.3.2 Gebäude dämmen, nicht die Umgebung heizen<br />

Das Heizen unserer Wohnungen verbraucht <strong>im</strong>mer noch viel mehr Energie, als dazu nötig<br />

wäre. Rund 85 Prozent der 8,3 Millionen Wohnungen in <strong>NRW</strong> haben einen energetischen<br />

Sanierungsbedarf, das heißt, sie könnten mit einer besseren Wärmedämmung und nach<br />

anderen baulichen Veränderungen wesentlich weniger Energie verbrauchen. Be<strong>im</strong> derzeitigen<br />

Tempo der Sanierungen wird es mehr als 100 Jahre dauern, bis der gesamte Wohnungsbestand<br />

einmal durchsaniert ist. Da dank einer entsprechenden Sanierung bis zu 70<br />

Prozent der Heizkosten eingespart werden können, kann dies auch dabei helfen, den<br />

Kaufkraftabfluss für teure Öl- und Gas<strong>im</strong>porte (derzeit über 60 Milliarden Euro jährlich in<br />

Deutschland) erheblich zu vermindern.<br />

Die Zahl der energetisch sanierten Wohnungen in <strong>NRW</strong> ist <strong>im</strong> letzten und vorletzten Jahr<br />

gegenüber 2006 deutlich zurückgegangen, die Sanierungsrate liegt zurzeit bei weniger<br />

als einem Prozent des Gebäudebestandes pro Jahr. Gerechnet auf die Einwohnerzahl,<br />

rangierte <strong>NRW</strong> 2007 in diesem Bereich abgeschlagen auf dem siebten Platz unter den<br />

zehn West-Ländern – weit hinter den Spitzenreitern Baden-Württemberg, Schleswig-<br />

Holstein und Bayern. Die Landesregierung untern<strong>im</strong>mt dagegen nichts. Eigene Akzente,<br />

die über Beratungsangebote hinausgehen, gibt es praktisch nicht.<br />

Der energetischen Gebäudesanierung kommt eine zentrale Rolle be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz, aber<br />

auch bei der Reduzierung von Energiekosten zu. Wir Grünen streben eine Erhöhung der<br />

jährlichen Sanierungsquote von derzeit deutlich unter einem auf drei Prozent an. Wir wollen<br />

die Sanierung von etwa 200.000 Wohnungen pro Jahr unterstützen. Vor dem Hintergrund<br />

rückläufiger Neubautätigkeit ist die Gebäudesanierung gerade für das Bauhandwerk<br />

ein gut angelegtes Konjunkturprogramm. Weitere Maßnahmen zur Reduzierung<br />

des Wärmebedarfs sind die Förderung des Ausbaus von Nahwärmenetzen <strong>im</strong> Be-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

22<br />

stand sowie die Verabschiedung eines Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWärmeG) nach<br />

dem Vorbild von Baden-Württemberg. Für den Neubaubereich soll der Passivhausstandard<br />

verbindlich werden. Bei der Sanierung von landeseigenen Gebäuden dient der Passivhausstandard<br />

als Orientierung. Eine Abweichung von dieser Norm muss <strong>im</strong> Einzelfall<br />

begründet werden.<br />

2.2.3.3 Weniger Strom verbrauchen<br />

Bis 2020 ist eine Reduzierung des Stromverbrauchs um durchschnittlich 17 Prozent möglich.<br />

Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass dieses Potential vollständig ausgenutzt wird.<br />

Dabei gibt es die größten Einsparmöglichkeiten <strong>im</strong> Bereich der privaten Haushalte (minus<br />

33 Prozent). Insbesondere ist der Ersatz eines Großteils der rund 450.000 elektrischen<br />

Nachtspeicherheizungen in <strong>NRW</strong> bis 2020 ein entscheidendes Handlungsfeld zur Erreichung<br />

dieses Einsparziels. Aber auch die Modernisierung von Haushaltsgeräten und Gebäudetechnik<br />

oder der Einsatz von Energiesparlampen tragen zum Stromsparen bei und<br />

sollen durch das Land <strong>NRW</strong> unterstützt werden. Wir wollen, dass es auch Menschen mit<br />

sehr geringem Einkommen möglich wird, sich Energiespargeräte anzuschaffen.<br />

2.2.3.4 Sonne, Wind und Wasser machen die Energie der Zukunft<br />

Wir Grünen fordern, dass <strong>NRW</strong> seine Anstrengungen be<strong>im</strong> Ausbau der dezentralen Energieversorgung<br />

mit erneuerbaren Energien deutlich steigert.<br />

Der Beitrag dieser Energieform wird sich in <strong>NRW</strong> bis 2020 vervielfachen, liegt aber <strong>im</strong>mer<br />

noch deutlich unter den Zielen für Deutschland. Nach unserem Willen sollen die Energieträger<br />

der Zukunft, basierend auf Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, bis 2020 einen<br />

Anteil von mindestens 22 Prozent an der Stromerzeugung erreichen. Uns geht es um den<br />

Ausbau aller Formen der erneuerbaren Energien. Jedoch sind deutliche Unterschiede <strong>im</strong><br />

Wachstum in den nächsten Jahren zu erwarten.<br />

In <strong>NRW</strong> kann sich der Anteil der Windenergie an der Stromproduktion bis 2020 gegenüber<br />

heute auf 15 Prozent verfünffachen. Die Windkraft besitzt in <strong>NRW</strong> mit Abstand vor<br />

den anderen erneuerbaren Energien das größte bis 2020 erschließbare Potential. Diese<br />

Steigerung ist durch den Ersatz kleiner älterer Anlagen durch leistungsstärkere Windkraftwerke<br />

(Repowering) und eine Ausweitung der Windkraftkonzentrationszonen von<br />

derzeit 0,85 Prozent auf 1,5 Prozent der Landesfläche möglich. Um das Ziel zu erreichen,<br />

müssen vor allem die Höhenbeschränkungen aufgegeben werden, wie sie heute in <strong>NRW</strong><br />

vielerorts vorhanden sind. Die Entscheidung über die Windkraftkonzentrationsflächen soll<br />

bei den Kommunen bleiben, aber unsinnige Restriktionen durch die Landesregierung, wie<br />

die grundsätzliche Ausweisung von Wald als Tabuzone, müssen aufgehoben werden. Der<br />

Vorrang für erneuerbare Energien muss wieder <strong>im</strong> Landesplanungsrecht fortgesetzt werden.<br />

Die gleichzeitige Erzeugung von Wärme wäre allerdings keine Rechtfertigung für<br />

den Bau neuer Kohlekraftwerke. Neuinvestitionen müssen in neue Technologien gehen,<br />

um von den fossilen und atomaren Brennstoffen wegzukommen.<br />

Für uns Grüne ist eine Politik des Abschiebens der Verantwortung für den Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien nach dem Motto „Windkraft in der Nordsee und Solarenergie in der<br />

Sahara“ nicht akzeptabel. Windparks in der Nordsee und Großprojekte in der Sahara sind<br />

mit Milliardeninvestitionen nur für die großen Stromkonzerne machbar und kein Ersatz für<br />

die dezentrale und mittelständische Stromerzeugung über die Erneuerbaren Energien.<br />

Sogar nach dem Willen der Bundesregierung sollen die erneuerbaren Energien in den<br />

kommenden zehn Jahren einen Anteil von mindestens 30 Prozent an der Stromerzeugung<br />

in Deutschland übernehmen. Dieser Ausbau kann aber in 2020 nicht enden, sondern<br />

muss nach dem Willen der Grünen in den nächsten Jahrzehnten bis zur Vollversorgung<br />

mit erneuerbaren Energien fortgesetzt werden. Durch die Schaffung einer dezentralen<br />

Versorgungsstruktur mit intelligenten Netzen entstehen völlig neue Kompetenzbereiche


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

23<br />

und Arbeitsplätze in der Stromwirtschaft. Ein Beispiel ist die Kooperation von VW und<br />

Lichtblick. Mittels moderner Kommunikationstechniken können Produktion und Verbrauch<br />

effizient abgest<strong>im</strong>mt, überschüssiger Strom kann durch neue Verfahren gespeichert und<br />

bei Bedarf wieder abgegeben und durch intelligente Zähler transparent abgerechnet werden.<br />

Wir wollen <strong>NRW</strong> von einer Region der 1.000-MW-Kohlekraftwerke in eine Modellregion<br />

der dezentralen Stromversorgung mit intelligenten Netzen („Smart Grids“) verwandeln.<br />

2.2.4 Strom und Wärme durch Sonne, Erdwärme und Biomasse<br />

Neben der Windenergie besitzen in <strong>NRW</strong> auch Sonne, Erdwärme und Biomasse ein beachtliches<br />

Potential zur Energieerzeugung. Bis 2020 können sie zusammen mindestens<br />

sieben Prozent des Strombedarfs in <strong>NRW</strong> decken. Die Erschließung dieses Potentials ist<br />

ohne den Fortbestand des von den Grünen durchgesetzten Erneuerbare-Energien-<br />

Gesetzes (EEG) nicht vorstellbar.<br />

Bei der Biomasse gilt es, das große Potential der bisher ungenutzten Pflanzen- und Bioabfälle<br />

aus Haushalten, Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe gezielt für die Energieerzeugung<br />

zu nutzen. So wird bisher nur ein Bruchteil des kommunal eingesammelten Bioabfalls<br />

zur Strom- und Wärmeproduktion durch Biogas eingesetzt. Hinzu kommen der naturverträgliche<br />

Anbau von Energiepflanzen in Mischkulturen und die Nutzung großer Mengen<br />

bisher ungenutzter Resthölzer als Hackschnitzel und Holzpellets aus unseren Wäldern.<br />

Damit in <strong>NRW</strong> die regional sehr unterschiedlichen Potentiale der Biomasse identifiziert<br />

und erschlossen werden können, muss das Land verstärkt entsprechende Studien<br />

auf regionaler und lokaler Ebene fördern und Projekte anstoßen. Der Boom der Fotovoltaik,<br />

der Stromerzeugung aus der Sonne, macht schon heute aus zehntausenden Dächern<br />

in <strong>NRW</strong> kleine Kraftwerke, die mehr Strom erzeugen können, als das Haus verbraucht.<br />

Absehbar wird Solarstrom günstiger als der Strom des Versorgers sein, so dass<br />

Millionen von Solardächern in <strong>NRW</strong> heute keine Utopie, sondern unser politisches Ziel<br />

sind.<br />

Im Wärmebereich hat Grüne Politik solarthermischen Anlagen, Holzpelletheizungen und<br />

effizienten Wärmepumpen Einlass in zehntausende Häuser verschafft. Nun gilt es, den<br />

Erneuerbaren bei den Heizungen mit einem Erneuerbare-Wärme-Gesetz für Alt- und<br />

Neubauten den breiten Durchbruch in <strong>NRW</strong> zu ermöglichen. Was CDU und FDP in Baden-<br />

Württemberg längst beschlossen haben, wird von der gleichen Koalition in <strong>NRW</strong> seit Jahren<br />

blockiert. Damit wollen wir Schluss machen.<br />

2.2.5 Kohle und Atom verhindern den Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

2.2.5.1 Kohlekraftwerke stehen gegen erneuerbare Energien<br />

und Kraft-Wärme-Kopplung<br />

Wenn die Entwicklung weiter läuft wie bisher, wird die Leistung des fossilen Kraftwerksparks<br />

durch Neubauprojekte und den Weiterbetrieb von Bestandsanlagen von heute 28<br />

Gigawatt auf 32 Gigawatt <strong>im</strong> Jahr 2020 zunehmen. Gleichzeitig will die Bundesregierung<br />

die CO2 Emissionen um 40 Prozent absenken. Das kann nicht beides funktionieren. Ein<br />

Neubau von Kohlekraftwerken ist zur Deckung des Strombedarfs in 2020 nicht erforderlich.<br />

Im Gegenteil: Die Konkurrenz der Stromproduktion aus Kohlekraftwerken wird den<br />

aus Kl<strong>im</strong>aschutzgründen unerlässlichen Ausbau der Kraft-Wärme-gekoppelten Stromerzeugung<br />

verhindern und damit die Erreichung der Kl<strong>im</strong>aschutzziele unmöglich machen.<br />

Dies gilt erst recht für den Zeitraum nach 2020, wenn das Ziel einer Emissionsminderung<br />

um 80 Prozent durch Kohlekraftwerke, die in den nächsten Jahren in Betrieb gehen und<br />

mindestens 50 Jahre laufen werden, kaum mehr zu erreichen sein wird. Deshalb setzen<br />

wir uns wie viele Menschen in <strong>NRW</strong> auch gegen den Neubau von Kohlekraftwerken ein.<br />

Während in Kopenhagen die Staats- und Regierungschefs von 192 Staaten um gemein-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

24<br />

same Kl<strong>im</strong>aschutzziele rangen, hat die Regierung Rüttgers den Kl<strong>im</strong>aschutz kurzerhand<br />

aus der Landesentwicklungsplanung gestrichen, um den Bau von neuen Kohlekraftwerken<br />

rechtlich abzusichern. Hier wurde wieder einmal der Kl<strong>im</strong>aschutz den Profitinteressen<br />

der großen Energiekonzerne geopfert. Wir wollen diese Streichung rückgängig<br />

machen und setzen uns dafür ein, dass in <strong>NRW</strong> verbindliche Kl<strong>im</strong>aschutzziele festgeschrieben<br />

werden. Dazu gehört auch, dass der Kl<strong>im</strong>aschutz als Aufgabe <strong>im</strong> Umweltministerium<br />

verankert wird und nicht wie bisher <strong>im</strong> Wirtschaftsministerium.<br />

2.2.5.2 CO2 gehört nicht unter Tage<br />

Die Abscheidung der CO2-Emissionen aus den Verbrennungsabgasen (Sequestrierung)<br />

und deren Einlagerung unter Tage (Carbon Dioxide Capture and Storage, kurz CCS) sollen<br />

nach den Wünschen der großen Energieversorger die Fortsetzung der Kohleverstromung<br />

in <strong>NRW</strong> gewährleisten. Dagegen leisten wir entschiedenen Widerstand. Da in<br />

Nordrhein-Westfalen keine geeigneten Lagerstätten zur Verfügung stehen, beabsichtigt<br />

die Landesregierung, das in <strong>NRW</strong> anfallende CO2 über eine Entfernung von ca. 500 km<br />

zu transportieren und in Schleswig-Holstein endzulagern. Allein für den Transport des aus<br />

der Braunkohleverstromung stammenden CO2 wären acht Pipelines mit einem Durchmesser<br />

von je 800 mm erforderlich. In Schleswig-Holstein gibt es verständlicherweise<br />

deutlichen Widerstand gegen dieses Vorhaben der <strong>NRW</strong>-Landesregierung. Schließlich<br />

wollen die Norddeutschen ihr Bundesland nicht zum CO2-Mülle<strong>im</strong>er anderer Länder machen.<br />

Auch in <strong>NRW</strong> wird es massiven Widerstand gegen die Verlegung von CO2-Pipelines<br />

geben. Allein die Braunkohle in <strong>NRW</strong> emittiert täglich 255.000 Tonnen CO2, eine Million<br />

Tonnen alle vier Tage. Derartige Mengenströme unterirdisch sicher für eine Million Jahre<br />

zu lagern, ist außerhalb technischer Realitäten.<br />

Dabei ist heute noch mehr als fraglich, ob diese Technik überhaupt funktionieren wird.<br />

Sicher ist nur, dass enorme Umrüstungen an den vorhandenen Kraftwerken vorgenommen<br />

werden müssten, die einem Neubau in Kosten und Aufwand gleichkämen. Die ohnehin<br />

schon schlechten Wirkungsgrade dieser Kraftwerke würden nochmals erheblich sinken<br />

und noch mehr CO2 würde erzeugt werden. Mit CCS und der damit verbundenen unterirdischen<br />

Lagerung gäbe es – wie bereits be<strong>im</strong> Atommüll – ein weiteres Endlagerproblem<br />

für die Ewigkeit, welches wir nachfolgenden Generationen hinterlassen würden. Zu<br />

einem sozialverträglichen Auslaufen der Braunkohleverstromung bis spätestens 2045 gibt<br />

es deshalb keine Alternative. Der Aufschluss neuer Braunkohletagebaue einschließlich der<br />

Errichtung neuer Kraftwerke ist nicht mit den Zielen des Kl<strong>im</strong>aschutzes und den Erfordernissen<br />

einer nachhaltigen Energie- und Umweltpolitik vereinbar.<br />

2.2.5.3 Klare Verantwortung für Bergbauschäden<br />

Wir Grünen stehen zum beschlossenen Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau. Eine Revision<br />

des Ausstiegs und einen aus Steuermitteln finanzierten dauerhaften Sockelbergbau<br />

lehnen wir ab. Wir werden darauf achten, dass für die Alt- und Ewigkeitslasten des Steinund<br />

Braunkohlebergbaus nicht die vom Bergbau betroffenen Menschen und Kommunen<br />

oder die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen müssen, sondern die Verursacher<br />

bzw. ihre Rechtsnachfolger. Das gilt auch für die Schäden, die nach Einstellung des<br />

Bergbaus durch den Wiederanstieg des Grundwassers entstehen. Die Bergschäden, die<br />

die für den Braunkohleabbau erforderliche weiträumige Grundwasserabsenkung verursachen,<br />

sind bisher viel zu wenig beachtet worden. Deshalb muss nach dem Beispiel der<br />

unabhängigen Schlichtungsstelle für Bergschäden <strong>im</strong> Steinkohlebergbau eine solche auch<br />

in der Braunkohle eingerichtet werden. Wir treten für ein umfassend modernisiertes Bundesberggesetz<br />

ein, das den zehntausenden in <strong>NRW</strong> von Bergschäden betroffenen Menschen<br />

erheblich mehr Rechte einräumt als bisher. So wollen wir beispielsweise, dass nicht<br />

die Betroffenen, sondern die Bergbauunternehmen nachvollziehbar nachweisen müssen,<br />

ob ein Gebäudeschaden durch den Bergbau verursacht worden ist oder nicht.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

25<br />

2.2.5.4 Kein Ausstieg aus dem Ausstieg<br />

Beinahe <strong>im</strong> Wochenrhythmus werden von Mitgliedern der <strong>NRW</strong>-Landesregierung oder der<br />

Regierungsfraktionen Forderungen nach Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke erhoben,<br />

obwohl in <strong>NRW</strong> seit 15 Jahren kein AKW mehr am Netz ist. Selbst der Neubau von<br />

AKW wird von der FDP inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Mit zukunftsfähiger Energiepolitik<br />

und Kl<strong>im</strong>aschutz hat das nichts zu tun, denn selbst für kühnste Atomlobbyisten<br />

ist klar, Atomkraft wird in <strong>NRW</strong> auf absehbare Zeit keine Rolle spielen. Schon einmal in<br />

den 1970er und 1980er Jahren suchte eine <strong>NRW</strong>-Landesregierung ihr Heil in der Atomkraft.<br />

Mit Milliarden-Subventionen aus Steuergeldern wurden die bekannten Atom-<br />

Abenteuer in Kalkar, Hamm-Uentrop und Jülich finanziert, ohne dass diese Projekte einen<br />

nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung geleistet hätten. Die Beseitigung dieser<br />

Altlasten wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen und Milliarden Euro kosten. Wir Grüne<br />

meinen: Statt sich aus der Verantwortung zu stehlen, müssen sich die Stromkonzerne<br />

an diesen Kosten beteiligen.<br />

Mit der Urananreicherungsanlage Gronau und dem Brennelementezwischenlager in Ahaus<br />

befinden sich in <strong>NRW</strong> allerdings zwei wichtige Glieder der atomaren Brennstoffkette. Deren<br />

Betrieb wollen wir so schnell wie möglich beenden.<br />

2.2.6 Neue Wege in der Energiewirtschaft<br />

2.2.6.1 Einnahmen aus dem Emissionshandel müssen nach<br />

<strong>NRW</strong> zurückfließen<br />

44 Prozent der vom Emissionshandel in Deutschland erfassten Emissionen entstehen in<br />

<strong>NRW</strong>. Daher werden auch von den in Zukunft zu erwartenden Einnahmen des Bundes in<br />

Höhe von zehn bis zwölf Milliarden Euro jährlich etwa fünf Milliarden Euro aus <strong>NRW</strong><br />

kommen. Statt sich dafür einzusetzen, dass diese Mittel für Kl<strong>im</strong>aschutzmaßnahmen auch<br />

in unser Land fließen, hat die Landesregierung über Jahre auf EU- und Bundesebene alle<br />

Kraft darauf verwandt, dass die Stromkonzerne die Rechte weiterhin kostenlos geschenkt<br />

bekommen. Wir Grünen verfolgen eine andere Politik. Wir wollen einen angemessenen<br />

Anteil der Einnahmen aus dem Emissionshandel für die notwendigen Maßnahmen zur<br />

Gebäudesanierung, zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und zur Energieeinsparung<br />

einsetzen.<br />

2.2.6.2 Energie muss bezahlbar bleiben<br />

Hohe Energiepreise sind eine sozialpolitische Herausforderung, denn sie treffen vor allem<br />

Menschen mit geringem Einkommen. Eine Grundversorgung mit Energie, die zum Leben<br />

und zur sozialen Teilhabe am Leben unerlässlich ist, muss sichergestellt werden. Die geltenden<br />

Tarife der Stromanbieter sind weder ökologisch noch sozial. Einerseits können<br />

sich <strong>im</strong>mer mehr Menschen selbst einen Mindestverbrauch nicht mehr leisten. Andererseits<br />

wird hoher Energieverbrauch vielfach noch durch die Tarifgestaltung belohnt. Das<br />

muss sich ändern. Wir wollen eine Tarifgestaltung, die einen geringen Energieverbrauch<br />

begünstigt. Darüber hinaus brauchen wir ein Verbot von Gas- und Stromsperren für einkommensschwache<br />

Haushalte, die regelmäßige Anpassung der ALG-II-Sätze an die steigenden<br />

Energiekosten und eine aufsuchende Energieberatung.<br />

2.2.6.3 Mehr Wettbewerb in der Energiewirtschaft<br />

Die Energiepolitik in <strong>NRW</strong> ist von einer mittelstandsfeindlichen Struktur geprägt. In der<br />

Gas- und Stromversorgung findet Wettbewerb praktisch nicht statt. Neue Marktteilnehmer<br />

werden be<strong>im</strong> Marktzutritt behindert. Die Konsequenz der Dominanz von E.ON und<br />

RWE ist der fehlende Wettbewerb, daraus folgen überhöhte Preise, eine unzureichende<br />

Innovationsdynamik und massive Behinderungen be<strong>im</strong> Ausbau erneuerbarer Energien.<br />

Was wir brauchen, sind wettbewerbsfördernde Maßnahmen und keinen unter der ideologischen<br />

Fahne „Privat vor Staat“ geführten Kreuzzug gegen die Stadtwerke.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

26<br />

2.2.6.4 Trennung von Netz und Erzeugung<br />

Die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien unterliegt Schwankungen. Deswegen<br />

müssen die Energienetze wachsen und intelligenter werden. „Super Grids“ können lokale<br />

und regionale Fluktuationen ausgleichen und Zugang zu großen Stromspeichern ermöglichen.<br />

„Smart Grids“ ermöglichen eine dezentrale Einspeisung und Speicherung und können<br />

Anreize bieten, die Nachfrage effizient anzupassen. Die heutigen Hochspannungsnetze<br />

von RWE und E.ON sind veraltet und auf zentrale Atom- und Kohlekraftwerke ausgelegt.<br />

Die Energieversorger haben kein Interesse daran, das zu ändern.<br />

Was wir brauchen, ist eine Trennung von Stromerzeugung und Höchstspannungsverteilung,<br />

ist eine Trennung des Gashandels vom Besitz der Gashochdrucknetze. Wir brauchen<br />

eine von den Energiekonzernen unabhängige Netzgesellschaft. So wie die Autobahnen<br />

nicht BMW und Da<strong>im</strong>ler gehören, so sollten auch die Netze nicht E.ON und RWE gehören.<br />

Sie sollten allen Marktteilnehmern ohne Zugangsbehinderungen zur Verfügung stehen.<br />

E.ON und Vattenfall haben be<strong>im</strong> Stromübertragungsnetz den ersten Schritt gemacht,<br />

RWE und EnBW müssen folgen. Dafür setzen wir uns ein.<br />

2.2.6.5 Entflechtung der Stromkonzerne<br />

Auch nach einer Abtrennung der Netze würde der Markt weiter von den genannten vier<br />

Oligopolisten (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) dominiert, weil sie über mehr als 80<br />

Prozent der Kraftwerkskapazitäten verfügen. Echter Wettbewerb setzt deshalb eine weitergehende<br />

Entflechtung der Stromkonzerne voraus. Der Vorschlag aus Hessen, die Konzerne<br />

gesetzlich zur Abgabe von Kraftwerken zu zwingen, ist ein sinnvolles Instrument,<br />

um die notwendige Entflechtung der Konzerne voranzubringen.<br />

2.2.6.6 Stadtwerke stärken – den Wettbewerb fördern<br />

Wettbewerb auf dem Energiemarkt braucht starke neue Akteure. Der Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien hat tausende KWK-, Solar- und Windanlagenbetreiber zu Energieunternehmern<br />

gemacht. Diesen Trend wollen wir durch Unterstützung der Kommunen, z. B.<br />

bei der Erstellung sogenannter Solardachkataster und verlässlicher Rahmenbedingungen,<br />

fortführen. Außerdem wollen wir die kommunalen Stadtwerke als Wettbewerber am<br />

Markt stärken. Wir lehnen neue Beteiligungen der vier großen Energiekonzerne an kommunalen<br />

Stadtwerken ab und unterstützen Initiativen des Bundeskartellamtes hinsichtlich<br />

der Verpflichtung zum Verkauf von Stadtwerke-Anteilen. Vor diesem Hintergrund ist es<br />

begrüßenswert, wenn in Städten und Gemeinden in <strong>NRW</strong> zunehmend über eine<br />

Rekommunalisierung der Energieversorgung nachgedacht wird. Wir werden diese Entwicklung<br />

fördern und unterstützen.<br />

2.2.7 Wir wollen<br />

• in der Energiepolitik alle Zeichen auf die „Drei-E-Strategie“ setzen (Erneuerbare , Effizienz,<br />

Energiesparen). Dies sind die Schlüsselbegriffe für die Reduzierung der Treibhausgase<br />

und für die Wirtschaftskompetenz der Zukunft;<br />

• ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) nach Baden-Württemberger Vorbild, damit<br />

Kl<strong>im</strong>aschutztechnik auch in Altbauten zum Einsatz kommt;<br />

• durch die Sanierung der vielen Millionen Altbauten in <strong>NRW</strong> Energie einsparen und effizienter<br />

nutzen sowie für den Einsatz erneuerbarer Energien besondere Anreize setzen;<br />

• den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung als eine der zentralen Herausforderungen der<br />

Landespolitik zur Erreichung der Kl<strong>im</strong>aschutzziele und wollen deren Anteil bis 2020<br />

von jetzt zehn auf 33 Prozent steigern;<br />

• den Ausstieg aus der Atomenergie und langfristig den Ausstieg aus den fossilen<br />

Energieträgern;


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

27<br />

• durch die vollständige Trennung von Energieerzeugung und Liefernetzen Anreize für<br />

die Modernisierung der Netze schaffen und damit den weiteren Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien ermöglichen;<br />

• die Stromkonzerne entflechten und mehr Wettbewerb in den Energiemarkt bringen;<br />

• die Gründung und den Erhalt von nachhaltig ausgerichteten Stadtwerken und von<br />

dezentralen Energieversorgungsstrukturen unterstützen;<br />

• keine CCS-Exper<strong>im</strong>ente zu Lasten anderer Bundesländer und nachfolgender Generationen.<br />

2.3 ZUKUNFT SOZIAL GERECHT UND SOLIDE FINANZIEREN<br />

Wir Grünen wollen eine Haushalts- und Finanzpolitik, die sozial gerecht ist und<br />

die gegenüber zukünftigen Generationen Verantwortung zeigt. Die Zukunftsfähigkeit<br />

der Finanzpolitik ist nur gegeben, wenn es ihr gelingt, die ökologische<br />

und soziale Substanz des Landes auszubauen und die natürlichen Lebensgrundlagen<br />

zu erhalten. Dazu wollen wir nachhaltiges Wirtschaftswachstum<br />

für einen ökologischen Umbau fördern sowie in Bildungs- und Chancengerechtigkeit<br />

investieren. Die Grünen setzen klare Prioritäten für einen sozial gerechten<br />

und solide finanzierten Haushalt.<br />

2.3.1 Rüttgers’ Haushaltspolitik gescheitert<br />

2.3.1.1 Fast alle finanziellen Versprechen gebrochen<br />

Seit 2005 haben CDU und FDP nahezu alle finanziell bedeutsamen Versprechen gebrochen.<br />

Statt die Haushalte zu konsolidieren, haben sie neue Rekordschulden aufgebaut.<br />

Statt für eine bessere Finanzierung der Landesaufgaben auf Bundesebene zu streiten,<br />

setzen sie sich für weitere Einnahmeverluste des Landes und der Kommunen zur Finanzierung<br />

von Abwrackprämie und Steuergeschenken ein. Rüttgers’ Regierung hat in jedem<br />

Jahr neue Schulden aufgehäuft. Selbst 2008, als die Steuereinnahmen sprudelten, haben<br />

sie mehr als eine Milliarde zusätzliche Schulden gemacht. Die Regierung hat bei den Einkommen<br />

der Landesbediensteten (Polizisten, Lehrer etc.) fast eine Milliarde gekürzt,<br />

massive Kürzungen gab es auch in den Bereichen sozialer Ausgleich und Ressourcenschutz.<br />

Die Zuschüsse für Busse und Bahnen wurden um dreistellige Millionenbeträge pro<br />

Jahr zusammengestrichen. Vor allem aber gibt es milliardenschwere Kürzungen bei den<br />

Kommunen.<br />

2.3.1.2 Rekordverschuldung und trübe Zukunftsaussichten<br />

Trotzdem wird <strong>NRW</strong> am Ende des Jahres <strong>2010</strong> eine Rekordverschuldung von über 130<br />

Milliarden Euro und dramatische Aussichten für die Zukunft beklagen müssen. Die vorgesehenen<br />

Steuerentlastungen der Bundesregierung führen jährlich zu einem Minus von<br />

mindestens 600 Millionen Euro <strong>im</strong> Etat. Die gesamten Steuergeschenke, die FDP und<br />

Union <strong>im</strong> Bund umsetzen wollen, kosten die Landeskasse jährlich mehr als zwei Milliarden<br />

Euro.<br />

Allein der Verzicht auf das Ende 2009 verabschiedete Steuerentlastungspaket würde <strong>NRW</strong><br />

einen Einnahmeverlust von 885 Millionen Euro jährlich ersparen. Mit diesem Geld wäre<br />

ein Verzicht auf die bildungsfeindlichen Studiengebühren und die Kompensation der sozial<br />

ungerechten Kindertagesstättenbeiträge möglich.<br />

2.3.1.3 Raubzug durch kommunale Kassen<br />

Das Land hat 2008 <strong>im</strong> Vergleich zum Jahr 2004 8,2 Milliarden Euro oder 34 Prozent mehr<br />

an Steuern eingenommen. Die Ausgaben für die Städte und Kommunen stiegen <strong>im</strong> gleichen<br />

Zeitraum aber nur um 15 Prozent. Sie wurden also strukturell um mindestens 1,3<br />

Milliarden Euro schlechter gestellt als 2004. Die rote Linie für das politisch Verantwortbare<br />

gegenüber der kommunalen Selbstverantwortung wurde von der Regierung Rüttgers


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

28<br />

damit überschritten. Sie trägt demnach in hohem Maße zum Bankrott vieler Städte und<br />

Gemeinden in <strong>NRW</strong> bei.<br />

2.3.1.4 Schuldenregel soll von größten Schuldenbergen ablenken<br />

Die jetzt in der Föderalismuskommission von Bund und Ländern unter dem großen Beifall<br />

der FDP verabschiedete Schuldenbremse ist eines der größten Täuschungsmanöver in der<br />

Geschichte der Finanzpolitik. In einer Zeit, in der der Bund in nur drei Jahren 250 Milliarden<br />

Euro zusätzliche Schulden machen will, legt die neue Regel die Schulden auf allenfalls<br />

zehn Milliarden Euro fest. Ähnliches gilt für die einzelnen Bundesländer. Entweder ist<br />

diese Regel ein schlichtes Täuschungsmanöver, oder es wird zum größten Sozialabbau in<br />

der Geschichte unseres Landes kommen.<br />

2.3.2 Grüne Haushaltspolitik<br />

Wir Grünen wollen, dass der Staat handlungs- und leistungsfähig bleibt. Dazu muss er<br />

über eine ausreichende, also den Aufgaben angemessene Einnahmebasis verfügen, er<br />

muss effizient wirtschaften und seine Ausgaben dort senken, wo es ökologisch und sozial<br />

vertretbar ist. Nur so können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass vermehrt<br />

Geld in Forschung, Bildung und Ausbildung, für sozialen Ausgleich, für die Förderung des<br />

Umwelt- und Kl<strong>im</strong>aschutzes und für wirtschaftliche Innovationen fließen kann.<br />

Wir halten es für vertretbar, Schulden für echte Zukunftsinvestitionen zu machen. Diejenigen,<br />

die diese Schulden bezahlen – nämlich spätere Generationen – müssen von diesen<br />

Investitionen profitieren können. Investitionen in Elektromobilität statt in die Abwrackprämie,<br />

Ausbau der Ganztagsschulen statt Turbo-Abi, Förderung der Gesundheitsdienstleistungen<br />

statt illegaler Pflegetourismus, Verbesserung des Verbraucherschutzes statt<br />

Erhalt von Monopolstrukturen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Steuer- und Abgabenaufkommen<br />

muss insbesondere für Länder und Kommunen deutlich gesteigert<br />

werden. Nicht nachhaltige Subventionen müssen abgebaut werden. Dabei setzen wir uns<br />

für eine Entlastung bei den Sozialabgaben <strong>im</strong> unteren Einkommensbereich durch einen<br />

degressiven Tarif und zugleich für eine Erhöhung der Steuern auf hohe Einkommen und<br />

Vermögen ein.<br />

Wir setzen uns für eine Ausweitung der Betriebs- und Außenprüfung ein, da sie zu mehr<br />

Steuereinnahmen und mehr Steuergerechtigkeit führt. Wir wollen eine echte Verfolgung<br />

von betrügerischer Hinterziehung oder von rücksichtsloser Verschwendung des Steuergeldes,<br />

nicht eine Behandlung solcher Vergehen als „Kavaliersdelikt“.<br />

2.3.2.1 Modernisierungshilfen für Betriebe in Not<br />

Betrieben, die nur durch die Finanzkrise in Not gerieten, strukturell aber gesund sind,<br />

muss mit Bürgschaften und anderen staatlichen Leistungen geholfen werden, die Krise zu<br />

bewältigen. Fördermittel und alle Finanzhilfen müssen unter dem Blickwinkel der Effizienz<br />

und unter Einbeziehung aller Kriterien der Nachhaltigkeit (Wirtschaft, Soziales, Umwelt)<br />

auf den Prüfstand gestellt werden. Sie müssen zielgerichtet auf die Modernisierung und<br />

die Erneuerung unserer Wirtschaft konzentriert werden und dürfen nicht zum Erhalt alter,<br />

nicht überlebensfähiger Strukturen verwendet werden.<br />

2.3.2.2 Gegen Schattenhaushalte, für mehr Transparenz<br />

Grüne setzen sich für mehr Transparenz bei der Hauhaltsaufstellung und für eine effektive<br />

Überwachung des Haushaltsvollzugs ein. Die zunehmende Einführung von Schattenhaushalten,<br />

z. B. für die Absicherung der Risiken der WestLB, erschweren die Übersicht<br />

über die tatsächliche Verschuldungslage des Landes. Die volle Integration des Wohnungsbauvermögens<br />

in Höhe von dann knapp 18 Milliarden Euro in die <strong>NRW</strong>.Bank wird<br />

von uns entschieden abgelehnt. Dies führt zu weniger Kontrollmöglichkeiten der Öffentlichkeit<br />

und bietet die Basis für mehr Finanzspekulationen zu Lasten des Wohnungs-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

29<br />

bauvermögens. Außerdem vergrößert sich auch der Spielraum für einen gigantischen<br />

Schattenhaushalt. Genau diese Art der Finanzierung war die Grundlage für die weltweiten<br />

Fehlspekulationen und die folgende, uns noch <strong>im</strong>mer hart treffende Wirtschafts- und Finanzkrise.<br />

Wir wollen die Haushalts- und Finanzpolitik der Geschlechtergerechtigkeit verpflichten<br />

und deshalb das „Genderbudgeting“ einführen.<br />

2.3.2.3 Für Subventionsabbau und ökologische Lenkungsinstrumente<br />

Wir wollen die Steinkohlebeihilfen deutlich schneller absenken als die jetzige Landesregierung.<br />

Wir wollen überhöhte Förderungen (z. B. zugunsten der Landwirtschaftskammer)<br />

ebenso abschmelzen wie die Ausnahmen vom Wasserentnahmeentgelt (z. B. für den<br />

Braunkohleabbau). Wir setzen uns für die Einführung einer Kiesabgabe ein, um den<br />

Raubbau an der Landschaft zu min<strong>im</strong>ieren und gleichzeitig Mittel für die Bekämpfung der<br />

Folgen einzunehmen. Weitere Möglichkeiten zur Verringerung des Flächenverbrauchs sehen<br />

wir in der Einführung einer Versiegelungsabgabe und einer Entsiegelungsprämie.<br />

2.3.2.4 Steuereinnahmen verbessern<br />

Die Verbesserung der Steuereinnahmen ist eine zentrale Herausforderung, damit die<br />

staatlichen Aufgaben <strong>im</strong> notwendigen Maße erfüllt werden können. Hier sind Landes- und<br />

Bundespolitik auf das Engste miteinander verzahnt.<br />

Die Bildungsausgaben in Deutschland müssen in den nächsten Jahren deutlich gesteigert<br />

werden, um den zentralen Herausforderungen unseres Landes gerecht werden zu können.<br />

Doch statt die Länder, denen dieser Politikbereich als wichtigste Aufgabe zugewiesen<br />

wurde, mit mehr Geld auszustatten, werden diese durch die Steuergeschenke der<br />

schwarz-gelben Bundesregierung weiter massiv in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt.<br />

2.3.2.5 Erträge aus Kapital- und Vermögen berücksichtigen<br />

Statt Steuergeschenke zu verteilen, müssen die Zukunftsausgaben insbesondere von jenen<br />

getragen werden, die über stärkere finanzielle Schultern verfügen – nicht umgekehrt.<br />

Nach den Plänen der Bundesregierung tragen Geringverdiener, Länder und Kommunen<br />

die Last, damit Vermögende, große Unternehmen und Erben weniger Steuern zahlen<br />

müssen. Aus Grüner Sicht müssen stattdessen Erträge aus Kapital und Vermögen deutlich<br />

stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden.<br />

Der Bund sollte wieder die Möglichkeit der direkten Steuerung von eigenen Förderprogrammen<br />

bekommen. Die verschiedenen staatlichen Ebenen müssen über dauerhafte<br />

und verlässliche Einnahme- und Steuerungskompetenzen verfügen. An dieser Stelle hat<br />

die Föderalismusreform unter maßgeblicher Mitwirkung der <strong>NRW</strong>-Landesregierung massiv<br />

versagt. Statt geeignete Steuerkompetenzen auf die Länder zu übertragen, wurde die<br />

Einnahmebasis noch weiter abgeschwächt und eine völlig wirklichkeitsfremde Schuldenregel<br />

eingeführt.<br />

Wir setzen uns dafür ein, dass die Vermögenssteuer verfassungskonform reaktiviert, die<br />

Erbschaftssteuer auf eine breitere Einnahmebasis gestellt und Finanzumsätze direkt besteuert<br />

werden. Die Gewerbesteuer muss als wichtigste Einnahmebasis der Kommunen<br />

erhalten bleiben und zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer erweitert werden.<br />

2.3.2.6 Soli Ost in Bildungssoli umwandeln<br />

Wir betrachten Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden.<br />

Um das Land und die Kommunen bei den wichtigen Bildungsaufgaben zu unterstützen,<br />

fordern wir, den Soli Ost in einen Bildungssoli umzuwandeln.<br />

Aus dem Solidaritätszuschlag stehen überschüssige Einnahmen zur Verfügung. Diese soll<br />

der Bund nach Abzug der Altschuldenhilfe für die besonders finanzschwachen Länder in


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

30<br />

allen Ländern für Bildung einsetzen. Ab <strong>2010</strong> stehen bis 2019 Mittel in Höhe von 23 Milliarden<br />

Euro zur Verfügung. Für Nordrhein-Westfalen würde dies nach den üblichen Verteilungsschlüsseln<br />

eine Summe von etwa 5,06 Milliarden Euro – also etwa 500 Millionen Euro<br />

pro Jahr – ausmachen. Wir wollen uns über den Bundesrat für einen solchen Bildungssoli<br />

einsetzen.<br />

2.3.3 Sparkassen als Motor der Finanzpolitik<br />

Sparkassen sind für eine wohnungsnahe Finanzversorgung der Bevölkerung und der mittelständischen<br />

Wirtschaft von grundlegender Bedeutung. Sie sind der Motor einer dezentralen<br />

und nachhaltigen Finanzpolitik. Sie sind keine „Schönwetter-Banken“, die ihre Angebote<br />

nur in Metropolen, aber nicht auf dem Land vorhalten, oder ihren mittelständischen<br />

Partnern nur in konjunkturell guten Zeiten zur Seite stehen. Insofern sind starke<br />

und leistungsfähige Sparkassen für die Zukunft unseres Landes unverzichtbar.<br />

Deshalb haben wir uns auch <strong>im</strong> Schulterschluss mit einem breiten gesellschaftlichen<br />

Bündnis vehement gegen die Versuche von CDU und FDP gewehrt, die Strukturmerkmale<br />

des nordrhein-westfälischen Sparkassensystems, z. B. durch eine organisatorische Verzahnung<br />

einzelner Sparkassen mit der WestLB, entscheidend zu verändern.<br />

Gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise haben sich die Sparkassen als ein besonderer<br />

Stabilitätsfaktor erwiesen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass <strong>im</strong> Zuge der massiven<br />

Einbrüche in der mittelständischen Wirtschaft auch Sparkassen zunehmend an ihre Belastungsgrenze<br />

gelangen werden. Insofern lehnen wir weitere finanzielle Forderungen an<br />

die Sparkassen in Verbindung mit aktuell anstehenden WestLB-Rettungsaktionen eindeutig<br />

ab.<br />

Eine zukunftsfähige Sparkassenstruktur erfordert einen Gremienzuschnitt, der dem Verwaltungsrat<br />

eine substanzielle Kontrolltätigkeit ermöglicht. Dies ist zurzeit nicht uneingeschränkt<br />

gegeben. Insofern fordern wir eine deutliche Stärkung der Kontrollrechte des<br />

Verwaltungsrates. Zudem wollen wir mehr Transparenz, z. B. durch eine individuelle Veröffentlichung<br />

der Vorstandsvergütungen. Und wir wollen, dass Sparkassen be<strong>im</strong> Verbraucherschutz<br />

und auch be<strong>im</strong> Vertrieb nachhaltiger Produkte mehr tun. Da Sparkassen<br />

eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung von Maßnahmen zur energetischen Sanierung<br />

des Gebäudebestands zufällt, erwarten wir, dass sie stärker als andere Institute die entsprechenden<br />

KfW-Förderkredite anbieten.<br />

2.3.3.1 Konsolidierung des Landesbankensektors erreichen<br />

Wir treten für eine Konsolidierung des Landesbankensektors ein. Dabei wollen wir die<br />

Aufgaben der Förderpolitik vom sonstigen Bankengeschäft trennen. Neben diesem Fördergeschäft<br />

ist es aber erforderlich, den Sparkassen ein Dachinstitut zur Verfügung zu<br />

stellen, das jene Geschäfte abwickelt, die das Kerngeschäft eines regionalen Dienstleisters<br />

übersteigen, aber zum erforderlichen Leistungsangebot einer solchen Bank gehören<br />

müssen. Allerdings sollte die Vielzahl der Landesbanken nach und nach auf ein Institut<br />

reduziert werden. Dabei sind die bestehenden Risiken so abzusichern, dass sie das Zukunftsgeschäft<br />

der Sparkassen nicht belasten. Dazu gehört auch, dass die derzeit bestehenden<br />

zusätzlichen Altrisiken der WestLB vom Land <strong>NRW</strong> abgedeckt werden müssen, da<br />

die Sparkassen zu weiteren Rettungsschirmen nicht in der Lage sind. Es stünde sonst ein<br />

Zusammenbruch ausgerechnet des ansonsten stabilen öffentlichen Bankensektors bevor.<br />

Unter diesem Zusammenbruch würde eine Vielzahl von Kleinsparerinnen und -sparern<br />

und von kleineren und mittleren Unternehmen leiden. Diese müssen für Verluste aus<br />

weltweiten Spekulationsgeschäften der WestLB büßen. Ein neues Sparkassen-Dachinstitut<br />

sollte sich auf das absolute Kerngeschäft beschränken.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

31<br />

2.3.4 Wir wollen<br />

• die Mittel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in einen ökologischen Umbau und<br />

in Bildungs- und Chancengerechtigkeit investieren;<br />

• Schulden nur dann vertreten, wenn dafür echte Zukunftsinvestitionen in Bildung und<br />

Kl<strong>im</strong>averträglichkeit getätigt werden, wenn also unsere Kinder und Enkel davon profitieren;<br />

• verbesserte Steuereinnahmen zur Finanzierung der Staatsausgaben, die insbesondere<br />

für Länder und Kommunen deutlich gesteigert werden müssen. Subventionen, insbesondere<br />

umweltschädliche, müssen abgebaut werden. Unter anderem soll der Soli<br />

Ost in einen Bildungssoli umgewandelt werden;<br />

• Betrieben, die nur durch die Finanzkrise in Not gerieten, strukturell aber gesund sind,<br />

mit Bürgschaften und anderen staatlichen Leistungen helfen, die Krise zu bewältigen;<br />

• mehr Transparenz bei der Hauhaltsaufstellung, eine effektive Überwachung des<br />

Haushaltsvollzugs und uns gegen die zunehmende Einführung von Schattenhaushalten<br />

einsetzen.<br />

2.4 FÜR LEBENDIGE UND HANDLUNGSFÄHIGE KOMMUNEN<br />

Kommunen und ihre Unternehmen stehen für Gemeinwohlorientierung, Teilhabe,<br />

gesellschaftliche Verantwortung und Solidarität. Kommunen sind der<br />

Ort, an dem Bürgerbeteiligung, freiwilliges Engagement und Formen demokratischer<br />

Teilhabe unmittelbar gelebt und erfahren werden können. Deshalb<br />

stehen wir für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, für mehr Bürgerbeteiligung<br />

und für starke Kommunen ein, die ihren Bürgerinnen und Bürgern<br />

Leistungen der öffentlichen Daseinsfürsorge zur Verfügung stellen. Diese<br />

herausragende Aufgabe können die Kommunen aber nur vor dem Hintergrund<br />

einer verlässlichen Kommunalfinanzierung erbringen.<br />

2.4.1 Städte und Gemeinden vor dem Abgrund<br />

Viele Kommunen in <strong>NRW</strong> konnten auch in den Zeiten des Konjunkturhochs trotz massiver<br />

eigener Einsparbemühungen aufgrund ihrer Altschulden ihre Ausgaben nicht decken,<br />

sondern mussten weitere Kredite aufnehmen. Diese Situation hat die Landesregierung<br />

durch massive Eingriffe in die Kommunalfinanzierung verschärft. Für eine Rückführung<br />

von Schulden bestanden anders als in anderen Bundesländern dagegen in der Regel keine<br />

Möglichkeiten. Dies traf insbesondere auf Kommunen in strukturschwachen Gebieten<br />

und mit langjährigen Nothaushalten zu. Gleichzeitig stehen die Kommunen in <strong>NRW</strong> vor<br />

einer dramatischen Finanzsituation. Infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise, der auf<br />

Bundesebene <strong>im</strong> Rahmen der Konjunkturprogramme beschlossenen Maßnahmen und der<br />

noch zu erwartenden Steuersenkungen der neuen Bundesregierung in Milliardenhöhe<br />

wird es ab <strong>2010</strong> für die Kommunen in <strong>NRW</strong> zu drastischen Einnahmeeinbrüchen sowie zu<br />

Mehrausgaben durch gestiegene Soziallasten kommen.<br />

Gerade in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise kommt der kommunalen Daseinsvorsorge<br />

ein besonderer Stellenwert zu. Die Kommunen tragen und gestalten zahlreiche<br />

Dienstleistungen und Hilfen für Menschen, die von der Krise betroffen sind. Besonders<br />

große Bedeutung haben soziale Leistungen für Langzeitarbeitslose, die Leistungen der<br />

Integration, der Bildung und der Betreuung von Kindern.<br />

Die umfangreichen Investitionsmittel, die den Kommunen durch das Bundeskonjunkturprogramm<br />

zur Verfügung stehen, sind nur ein erster Baustein, um den Investitionsstau in<br />

den Kommunen aufzulösen. Die Kommunen müssen endlich wieder in die Lage versetzt<br />

werden, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen zu können, ohne sich durch die<br />

laufenden Kosten zusätzlich zu verschulden. Darüber hinaus kann das in der Verfassung<br />

verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung nur dann zum Tragen kommen, wenn


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

32<br />

auch ein Spielraum für freiwillige Aufgaben bleibt. Die Kommunen brauchen eine auskömmliche<br />

Finanzierung nach transparenten und verlässlichen Kriterien.<br />

2.4.1.1 Kommunalfeindliche Landesregierung<br />

CDU und FDP in <strong>NRW</strong> bilden die kommunalfeindlichste Landesregierung, die es je gab.<br />

Sie hat den Städten und Gemeinden eine Vielzahl zusätzlicher Lasten aufgebürdet und<br />

ihnen gleichzeitig Geld in gigantischer Höhe vorenthalten. Außerdem stranguliert die<br />

Kommunalaufsicht in den Händen des FDP-Innenministers die Kommunen mit einem<br />

wirklichkeitsfernen Haushaltsrecht und n<strong>im</strong>mt ihnen dadurch jeden Handlungsspielraum.<br />

Die Haushalte der Kommunen brechen jetzt überall ein. Was zunächst vor allem die mittleren<br />

und größeren Städte in strukturschwächeren Räumen betraf, ist mittlerweile ein<br />

landesweites Phänomen. Allerdings droht in den strukturschwächeren Regionen – wie<br />

dem Ruhrgebiet oder dem Bergischen Land – jetzt die Überschuldung der Städte. Dies ist<br />

außer der falschen Politik des Bundes zu einem überwiegenden Teil dem Raubzug der<br />

schwarz-gelben Landesregierung durch die kommunalen Kassen zuzuschreiben.<br />

Die Liste der Eingriffe, mit denen das Land den Kommunen Finanzmittel vorenthält, ist<br />

lang. So fällt die Grunderwerbssteuer jetzt vollständig dem Land zu (minus 170-180 Millionen<br />

Euro pro Jahr). CDU und FDP haben die Beteiligung der Kommunen an den Einheitslasten<br />

laut Verfassungsgericht extrem überzogen (minus 450 Millionen Euro in<br />

2006). Das Land leitet die Kostenbeteiligung des Bundes am Ausbau der U3-Plätze <strong>im</strong><br />

Kinderbetreuungsbereich nicht an die Kommunen weiter (minus 45 Millionen in 2009).<br />

Die Beteiligung des Landes an den Elternbeiträgen ist weggefallen (minus 84,5 Millionen<br />

Euro pro Jahr). Der Anteil des Bundes an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-<br />

Bezieherinnen und -Bezieher wird nur schleppend weitergeleitet (minus 220 Millionen Euro<br />

pro Jahr). Die Beteiligung der Städte und Gemeinden an den Investitionskosten für<br />

Krankenhäuser wurde verdoppelt (minus 110 Millionen Euro pro Jahr). Hinzu kommen<br />

Kürzungen für Zuschüsse für Busse und Bahnen, insbesondere bei der Beförderung von<br />

Schülerinnen und Schülern, und weitere Einzelmaßnahmen.<br />

Alles in allem ist zu konstatieren, dass das Land die Kommunen Jahr für Jahr um mindestens<br />

etwa 1,5 Milliarden Euro schlechter stellt, als dies vor Regierungsantritt von CDU<br />

und FDP der Fall war. Bei einem Gesamtvolumen des Gemeindefinanzierungsgesetzes<br />

(GFG) von etwa 7,5 Milliarden Euro sind dies <strong>im</strong>merhin 20 Prozent. Angesichts der Tatsache,<br />

dass die kommunalen Kassenkredite jährlich um einen in dieser Höhe vergleichbaren<br />

Betrag ansteigen, wird deutlich, dass die kommunale Finanzkrise durch das aktive Regierungshandeln<br />

von CDU und FDP verursacht ist.<br />

Hinzu kommt, dass von vielen Mehrbelastungen <strong>im</strong> Sozialbereich gerade jene Kommunen<br />

besonders betroffen sind, denen es ohnehin schon sehr schlecht geht. CDU und FDP haben<br />

also mit ihrer Politik das soziale Gefälle zwischen den Städten noch massiv verschärft.<br />

Weitere Einnahmeverluste in Höhe von mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr<br />

müssen die Kommunen nach Angaben des Innenministeriums dank der aktuellen Steuergeschenke<br />

des Bundes verkraften. Die Kommunen in <strong>NRW</strong> stehen vor einer dramatischen<br />

Finanzsituation, denn zu den Belastungen durch entzogene Einnahmen kommen erhebliche<br />

Mehrausgaben durch gestiegene Soziallasten hinzu.<br />

2.4.1.2 Kassenkredite der Kommunen trotz Steuermehreinnahmen<br />

auf Rekordhoch<br />

Sichtbares Zeichen für die schlechte Finanzlage der Kommunen ist der neue Rekordstand<br />

bei den Kassenkrediten (Kassenkredite dienen der Liquiditätssicherung der Kommunen<br />

und führen ähnlich wie der Dispokredit des Privathaushaltes zu hohen Zinsbelastungen).<br />

Die Höhe dieser Kredite aller Kommunen in <strong>NRW</strong> lag bei Regierungsantritt der Koalition<br />

noch bei 10,2 Milliarden Euro. Ende 2008 waren es bereits 14,8 Milliarden, und es ist davon<br />

auszugehen, dass die Summe dieser Kredite Mitte <strong>2010</strong> bei fast 20 Milliarden Euro


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

33<br />

liegen wird. Das ist eine Verdopplung in fünf Jahren. <strong>NRW</strong> ist mit etwa der Hälfte der gesamten<br />

Kassenkredite absoluter und trauriger Spitzenreiter in Deutschland.<br />

2.4.2 Finanzkollaps der Städte und Gemeinden stoppen<br />

Gerade in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise kommt der kommunalen Daseinsvorsorge<br />

ein besonderer Stellenwert zu. Die Kommunen tragen und gestalten zahlreiche<br />

Dienstleistungen und Hilfen für die von der Krise bedrohten und betroffenen Menschen.<br />

Besonders große Bedeutung haben in schwierigen Zeiten die sozialen Leistungen für<br />

Langzeitarbeitslose, die Leistungen der Integration, der Bildung und der Betreuung von<br />

Kindern.<br />

Bund und Land müssen ihrer Verantwortung für einen sozialen Föderalismus wieder gerecht<br />

werden und einen deutlich höheren Anteil an der Finanzierung der Soziallasten<br />

übernehmen. Gleichzeitig muss ein gerechtes Steuersystem eingeführt werden, das die<br />

Reicheren stärker belastet, um notwendige Investitionen in Bildung, Betreuung und sozialen<br />

Ausgleich finanzieren zu können.<br />

Der kommunale Finanzausgleich muss so verändert werden, dass die Kommunen endlich<br />

einen Anteil aus den Gemeinschaftssteuern erhalten, der dem hohen Kommunalisierungsgrad<br />

von öffentlichen Aufgaben in <strong>NRW</strong> gerecht wird.<br />

2.4.2.1 Nothaushaltskommunen wieder handlungsfähig machen<br />

Auch in den Zeiten des Konjunkturhochs und trotz massiver Konsolidierungsbemühungen<br />

konnten viele Kommunen in <strong>NRW</strong> aufgrund ihrer Altschulden ihre Ausgaben nicht decken.<br />

Sie mussten zusätzlich weitere Kassenkredite aufnehmen, um ihre laufenden Aufgaben zu<br />

erfüllen. Dies traf insbesondere auf die Kommunen in strukturschwachen Gebieten und<br />

mit langjährigen Nothaushalten zu.<br />

Statt mit drastischen kommunalaufsichtlichen Verfügungen die Lage oftmals noch zu verschlechtern,<br />

muss ein Maßnahmenpaket des Landes den Kommunen wieder Handlungsperspektiven<br />

eröffnen. Gekoppelt an den Nachweis eigener Sparbemühungen, muss eine<br />

Altschuldenhilfe her. Wir wollen dazu ein Sondervermögen des Landes von zunächst fünf<br />

Milliarden Euro bilden, das durch eine Anleihe finanziert werden soll. Damit werden die<br />

kurzfristigen Kredite in langfristig abzubauende Schulden umgewandelt. Es darf nicht<br />

sein, dass das Land sich hinter der kommunalen Selbstverwaltung verschanzt und ausschließlich<br />

auf die Eigenbemühungen der Kommunen verweist. Denn etliche Kommunen<br />

aus den strukturschwachen Regionen des Ruhrgebiets und des Bergischen Dreiecks sind<br />

trotz intensivster Einsparanstrengungen nicht in der Lage, mittelfristig zu einem ausgeglichenen<br />

Haushalt zu kommen. Einige von ihnen werden bei der Umstellung auf das „Neue<br />

Kommunale Finanzmanagement“ (NKF) eine negative Eröffnungsbilanz vorlegen müssen<br />

und sind damit nach den Regeln der Gemeindeordnung überschuldet. Bei vielen anderen<br />

Kommunen wird die Überschuldung spätestens in den nächsten zwei Jahren festzustellen<br />

sein.<br />

2.4.2.2 Förderung von finanzschwachen Kommunen in Ost<br />

und West sichern, Solidarlasten auf den Prüfstand<br />

stellen<br />

Die Regelungen des Solidarpakts II führen dazu, dass die Kommunen in <strong>NRW</strong> durch die<br />

erhöhte Gewerbesteuerumlage noch bis 2019 zu den Kosten der deutschen Einheit herangezogen<br />

werden. Damit zahlen auch Kommunen aus <strong>NRW</strong> – zumeist kassenkreditfinanziert<br />

– in den Strukturwandel von Kommunen in den neuen Bundesländern ein. Die<br />

Regelungen des Solidarpakts II müssen spätestens mit Wirkung des Jahres 2011 so verändert<br />

werden, dass der Finanzlage von Kommunen mit vergleichbarer Finanz- und<br />

Strukturschwäche Rechnung getragen wird. Dazu gehört, dass die Kommunen in <strong>NRW</strong> in


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

34<br />

den kommenden Jahren schrittweise von Zahlungsverpflichtungen <strong>im</strong> Rahmen der erhöhten<br />

Gewerbesteuerumlage entlastet werden.<br />

2.4.2.3 Für eine solidarische und zukunftsfähige Gemeindefinanzpolitik<br />

Wer die kommunale Handlungsfähigkeit und die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und<br />

Bürger nicht nur in Sonntagsreden <strong>im</strong> Munde führt, muss den Kommunen wieder die<br />

Kraft zur Selbsthilfe geben. Vor allem müssen die Kommunen verbriefte eigene Einnahmemöglichkeiten<br />

erhalten. Das Land muss gesetzlich verpflichtet werden, in steuerlich<br />

besseren Zeiten Rücklagen für die Kommunen zu bilden. Das Gesamtvolumen für den Finanzausgleich<br />

zwischen dem Land und den Kommunen muss grundsätzlich nach transparenten<br />

und verlässlichen Kriterien abgeleitet und verteilt werden.<br />

Wir Grünen treten dafür ein, dass das Land seine Regelungen zur Haushaltswirtschaft<br />

grundlegend überarbeitet. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Vorgaben wirtschaftlich<br />

sinnvolles Verhalten der Kommunen weiterhin ermöglichen sowie die Kommunen<br />

nicht von Förderprogrammen des Landes und des Bundes ausschließen. Die vom<br />

Verfassungsgericht festgestellten Überzahlungen bei den Kosten der deutschen Einheit<br />

müssen ohne Abzug erstattet werden. Ein transparentes Verfahren muss sicherstellen,<br />

dass es künftig zu keiner Überzahlung mehr kommt.<br />

Infolge der Finanznot vieler Gemeinden haben etliche Kämmereien in <strong>NRW</strong> riskante Geldgeschäfte<br />

abgeschlossen, unter anderem, um an zinsgünstige Kredite zu kommen. Diese<br />

sogenannten Derivat- und Swap-Geldgeschäfte waren oftmals Teil einer kommunalen<br />

Kredit- und Zinsmanagementstrategie. Gerade Kommunen mit großen Finanzierungsproblemen<br />

und hohen Kassenkreditvolumen haben in der Vergangenheit auf diese Formen<br />

des Zinssicherungsmanagements gesetzt. Doch die damit verbundenen Finanzprodukte<br />

der Banken sind mit erheblichen und oft auch wenig transparenten Risiken verbunden.<br />

Viele Städte in <strong>NRW</strong> haben dadurch Verluste in Millionenhöhe erlitten. Um dies in Zukunft<br />

zu verhindern, soll die Kommunalaufsicht derartig riskante Geldgeschäfte in Zukunft kontrollieren<br />

und gegebenenfalls verbieten.<br />

Ein wichtiger Aspekt Grüner Finanzpolitik ist es, dass das Land die Regelungen zur<br />

Konnexität strikt einhält. Das heißt, es darf Aufgaben und Lasten nicht ohne angemessenen<br />

finanziellen Ausgleich auf die Kommunen abwälzen. Dies gilt auch für Gesetze, die<br />

bereits in den Jahren 2005 bis 2008 beschlossen wurden, z. B. <strong>im</strong> Rahmen der Veränderungen<br />

bei Umwelt- und Versorgungsverwaltung.<br />

Nicht zuletzt sollen die Sozialhilfeträger bei den Kosten für Eingliederungsmittel für Menschen<br />

mit Behinderung durch ein Bundesteilhabegesetz entlastet werden.<br />

2.4.3 Fairer Umgang mit Kommunen<br />

Auf Landesebene setzen wir uns für einen Anteil an den Gemeinschaftssteuern ein, der<br />

dem Grad der Kommunalisierung von Aufgaben entspricht. Wir wollen den Kommunen,<br />

die aus eigener Kraft nicht mehr zu genehmigungsfähigen Haushalten kommen können,<br />

mit einem Sonderprogramm zur Entschuldung verhelfen. Diese Kommunen sollen bei den<br />

Kosten für Zinsen und Tilgung von Altschulden entlastet werden. An diese Altschuldenhilfe<br />

müssen Bedingungen und der Nachweis von Eigenbemühungen geknüpft werden.<br />

Wir wollen den bereits unter Rot-Grün eingeführten Regelungen zur Konnexität endlich<br />

Geltung verschaffen und auch <strong>im</strong> Bundesrecht entsprechende Regelungen durchsetzen.<br />

Es muss grundsätzlich gelten, dass das Land Bundesmittel für kommunale Aufgaben ungeschmälert<br />

weiterleitet. Die kommunalaufsichtlichen Regelungen dürfen nicht länger<br />

wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Handeln der Kommunen behindern.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

35<br />

2.4.4 Wir wollen<br />

• die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und treten für mehr Bürgerbeteiligung<br />

und starke Kommunen ein, die ihren Bürgerinnen und Bürgern Leistungen der<br />

öffentlichen Daseinsfürsorge zur Verfügung stellen;<br />

• eine Altschuldenhilfe;<br />

• eine verlässliche Finanzierung der Kommunen;<br />

• den Finanzausgleich zwischen dem Land und den Kommunen neu ordnen und transparent<br />

machen;<br />

• dass das Land und der Bund das Konnexitätsprinzip einhalten, also die Kosten dafür<br />

tragen, wenn es Aufgaben an die Kommunen übertragen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

36<br />

SPD:<br />

Unser <strong>NRW</strong>. Mutig. Herzlich. Gerecht.<br />

Inhalt<br />

Einleitung: Eine folgenreiche Weichenstellung 03<br />

I. Neue Perspektiven für die soziale Sicherheit in <strong>NRW</strong> 04<br />

II. Gute Arbeit für alle 09<br />

Gute Arbeit schaffen (09), Ausbildung und Qualifizierung für alle (10), Neue Arbeit durch Innovation (11),<br />

Betriebs- und Personalräte und ihre Mitbest<strong>im</strong>mung stärken (12), Selbstständige besser absichern (12),<br />

Familiengerechte Arbeitsbedingungen fördern (12), Datenschutz ist Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

(13)<br />

III. Beste Bildung für alle 13<br />

Bildungsgerechtigkeit durch Gebührenfreiheit und höhere Bildungsausgaben (13), Eine neue Schul- und<br />

Lernkultur (14), Bildung von Anfang an (14), Länger gemeinsam lernen (15), Die Gemeinschaftsschule –<br />

Schule der Zukunft (15), Schulen werden zu Häusern des Lernens und des Lebens (15), Abitur nach 12<br />

und 13 Jahren (16), Berufskollegs zu beruflichen Kompetenzzentren ausbauen (17), Inklusion als Ziel (17),<br />

Zukunftsweisende Lehrerausbildung (17), Unser Sofortprogramm für bessere Bildung (18), Gute Hochschulen<br />

(18), Unsere vorrangige Ziele für die Hochschulen (19), Weiterbildung gewährleisten (21)<br />

IV. Ökologisches Wachstum und Innovation 22<br />

Die Menschen stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt unseres politischen Handelns (22), Die Industrie bleibt Fundament<br />

unserer Wirtschaft (22), Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz (23), Leitmärkte für ökologische Industriepolitik<br />

(24), Sofortprogramm Kl<strong>im</strong>aschutz (25), Innovative Politik für eine gute Zukunft (27), Kleine und mittelständische<br />

Unternehmen, Selbstständige und Handwerk als Beschäftigungsmotor (27), Unwelt, Arbeit und<br />

soziale Gerechtigkeit gehören für uns zusammen (28), Lärm und Feinstaub reduzieren (28), <strong>NRW</strong> als Wasserland<br />

Nr.1 – Masterplan Wasser <strong>NRW</strong> umsetzen (29), Boden schützen und Flächenverbrauch reduzieren<br />

(30), Biologische Vielfalt schützen (31), Den Tierschutz verbessern (32), Verbraucherinnen und Verbrauchen<br />

schützen und ihre Rechte sichern (33), Verkehrspolitik (34), Luftverkehr (36)<br />

V. Solidarische Gesellschaft 37<br />

Familie ist da, wo Kinder sind (37), Kinderarmut überwinden (37), Generationensolidarität stärken. Demografischen<br />

Wandel gestalten (38), Das solidarische Gesundheitswesen sichern und stärken (40), Politik für<br />

Menschen mit Behinderung (42), Gleichberechtigt leben (42), Integration voranbringen (43)<br />

VI. Eine gemeinsame Kultur 44<br />

Kulturelle Teilhabe für alle (44), Sicherung der finanziellen Grundlagen (45), Eine Kultur wechselseitiger<br />

Anerkennung (46), Sport ist Teil unserer Alltagskultur (46), Medienpolitik für die Demokratie (47), Digitale<br />

Teilhabe und Sicherheit (47)<br />

VII. Demokratische Gesellschaft, starke Kommunen 50<br />

Kommunale Demokratie stärken (50), Kommunalfinanzen in Ordnung bringen (51), Eine nachhaltige Steuer-<br />

und Finanzpolitik (52), Der Staat als Partner der Bürger (54), Wohnen braucht Sicherheit (54), Stadt<br />

und Land – neue Allianz für die Zukunft (55), Ehrenamt ermöglicht soziales Leben (57), Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

(57), Gemeinsam gegen Rechts (58), Direkte Demokratie stärken (58), Den öffentlichen<br />

Dienst zukunftsfest machen (58), Mitbest<strong>im</strong>mung stärken (59), In Sicherheit und Frieden leben (59),<br />

<strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Bund, in Europa und der Einen Welt (61), Eine-Welt-Politik gestalten (62), In <strong>NRW</strong> den Wechsel<br />

wählen (63)<br />

Aufruf: Leistungsfähiger Staat, Politik für die Menschen 65<br />

1 Eine folgenreiche Weichenstellung<br />

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dieses Land gemeinsam mit seinen<br />

Menschen über Jahrzehnte erfolgreich gestaltet. Mit Hannelore Kraft werdenwir eine<br />

Ministerpräsidentin stellen, die als Nachfolgerin erfolgreicher sozialdemokratischer Minis-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

37<br />

terpräsidenten wie Johannes Rau menschliche, glaubwürdige und nachhaltige Politik wieder<br />

möglich macht.<br />

Gemeinsam haben wir Sozialdemokraten und die Bürger unseres Landes denschwierigen<br />

Strukturwandel gemeistert. Nordrhein-Westfalen war ein Land von Kohle und Stahl, heute<br />

ist es ein Land mit Kohle und Stahl. Dabei haben wir Arbeit und Umwelt nie als Gegensatz<br />

begriffen. Die Förderung zukunftsweisender Umwelttechnologien haben wir als<br />

Jobmotor genutzt. Früh haben wir die dichteste Hochschul- und Forschungslandschaft in<br />

Europa geschaffen. <strong>NRW</strong> ist ein Land des ökologischen Fortschritts und des Wissens geworden.<br />

Als Wissens-, Industrie- und Exportregion sehen wir uns politisch wie geografisch<br />

in der Mitte Europas. Die Chancen Europas müssen wir in <strong>NRW</strong> jedoch stärker nutzen.<br />

Wir haben in die Stärke unserer Städte und Gemeinden investiert. Vor Ort konnten sich<br />

die Menschen auf ein tragfähiges soziales Netz verlassen und Lebensqualität <strong>im</strong> Alltag erfahren.<br />

Unsere Verteidigung der Bürger- und Freiheitsrechte hat das Landgeprägt.<br />

Nordrhein-Westfalen war bis vor kurzem das soziale Gewissen der Bundesrepublik.<br />

Unter den CDU-FDP-Regierungen in Land und Bund ist das soziale Kl<strong>im</strong>a in unserem Land<br />

kälter geworden. Der Ausstieg aus dem Prinzip der Solidarität hat begonnen, <strong>im</strong>mer größere<br />

Teile der sozialen Sicherheit sollen privatisiert werden.<br />

Viele Menschen erleben dies tagtäglich. Sozialer Aufstieg wird für <strong>im</strong>mer mehr Menschen<br />

zu einem Ziel, das sie nicht mehr erreichen können. Das werden wirändern.<br />

Wir sorgen dafür, dass Nordrhein-Westfalen wieder zu einer Wir-Gesellschaft wird, in der<br />

nicht die stärksten Ellenbogen zählen, sondern ein faires Miteinander aller. Die Solidarität<br />

der Generationen und soziale Gerechtigkeit müssen die entscheidenden Maßstäbe unseres<br />

Zusammenlebens werden. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen sind verlässlich und<br />

haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.<br />

Nordrhein-Westfalen war und bleibt eine Einwanderungsregion. Die Zukunft unseres Landes<br />

ist ohne die Einwanderer und ihre Kinder nicht denkbar. Wir sind die Partei, die als<br />

erste eine konsequente Integrationspolitik angepackt hat. Wir setzen alles daran, dass<br />

die soziale und ethnische Herkunft nicht mehr die Lebenschancen eines Menschen best<strong>im</strong>mt.<br />

Wir wissen, dass der Landespolitik Grenzen gesetzt sind. Aber sie hat auch große Spielräume.<br />

Wir sind entschlossen, sie tatkräftig für eine neue Politik zu nutzen.<br />

Ebenso wichtig aber ist, dass sich die <strong>im</strong> Bund gesetzten Rahmenbedingungen durch die<br />

falsche schwarz-gelbe Politik nicht weiter verschlechtern. Sie zielt, wie ihre verantwortungslose<br />

Steuerpolitik zeigt, auf eine nachhaltige Schwächung der Handlungsfähigkeit<br />

des Staates. Die milliardenschweren Steuergeschenke für die Reichen, die in Berlin schon<br />

fest eingeplant sind, werden durch umfassenden Sozialabbau bezahlt werden, wenn sich<br />

Schwarz-Gelb durch die Wahlen in <strong>NRW</strong> bestätigt fühlen und damit auf eine verlässliche<br />

Mehrheit <strong>im</strong> Bundesrat stützen könnte.<br />

Dazu darf es <strong>im</strong> Interesse der Bürger unseres Landes und der gesamten Republik nicht<br />

kommen. Es geht um die Sicherung der Handlungsfähigkeit des Staates für eine solidarische<br />

Gesellschaft, für eine menschengerechte Sozialpolitik und für ökologischen Fortschritt.<br />

Die <strong>Landtagswahl</strong>en in <strong>NRW</strong> haben daher eine große strategische Bedeutung für<br />

die Zukunft unseres Landes.<br />

2 Neue Perspektiven für die soziale Sicherheit in <strong>NRW</strong><br />

2.1 Die Fliehkräfte werden stärker<br />

Nordrhein-Westfalen steht vor einer wichtigen Entscheidung, vor einer Weichenstellung:<br />

In welcher Gesellschaft wollen wir künftig leben? Wie schaffen wir wirtschaftliche Dyna-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

38<br />

mik und Wohlstand, ohne faire Teilhabe und soziale Sicherung preiszugeben? Wie verbinden<br />

wir Leistung und Gerechtigkeit? Kurz: Wie gewinnen wir eine gute Zukunft?<br />

Nordrhein-Westfalen ist ein reiches Land - reich an wunderschönen Landschaften, vielfältigen<br />

Regionen, lebenswerten, pulsierenden und sicheren Städten. Aber vor allem ist es<br />

reich an sympathischen und fleißigen Frauen und Männern, die anpacken können und<br />

das Herz auf dem rechten Fleck haben. Die Sozialdemokratie in <strong>NRW</strong> macht eine Politik,<br />

die zu den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes passt – leistungsbewusst und solidarisch.<br />

Immer mehr Menschen erkennen, dass das Wertegefüge in unserem Land in eine Schieflage<br />

geraten ist. Gier und purer Egoismus breiten sich aus. Die Fliehkräfte in der Gesellschaft<br />

werden stärker, Solidarität und Mitmenschlichkeit werden schwächer. Unser Regierungsprogramm<br />

richtet sich deshalb an alle, die unser Land wieder gerechter und<br />

menschlicher machen, die soziale Fairness und gesellschaftliche Solidarität stärken wollen.<br />

Die Zahl der großen Vermögen wächst. Zugleich steigt die Zahl der Armen ständig, insbesondere<br />

die der armen Kinder. Die Mitte unserer Gesellschaft ist bedroht, <strong>im</strong>mer mehr<br />

ihrer Angehörigen fürchten den sozialen Abstieg. Die Zahl der Bedürftigen n<strong>im</strong>mt zu, sozialer<br />

Aufstieg wird <strong>im</strong>mer schwieriger.<br />

2.2 Verlust der Zukunftsperspektive<br />

Die Mittelschicht, die die alte Bundesrepublik geprägt hat, rang um sozialen Aufstieg<br />

durch Fleiß und eigene Leistung. Sie hat sich angestrengt, hart gearbeitet, für ein Häuschen<br />

gespart, sich in Vereinen engagiert, sich selbstbewusst soziales Ansehen erworben.<br />

Das Wichtigste aber war ihr, dass es ihre Kinder noch besser haben sollten, durch bessere<br />

Bildung, durch eigene Anstrengungen, durch die Wahrnehmung von Chancen, die ihnen<br />

eine faire Gesellschaft bietet. An diesen Hoffnungen hat sich auch heute nichts geändert,<br />

aber sie werden <strong>im</strong>mer seltener erfüllt.<br />

Viele Menschen in unserem Land sehen keine Zukunftsperspektiven für sich und vor allem<br />

für ihre Kinder. Für viele ist der Weg zum Aufstieg versperrt, weil es keine Chancengleichheit<br />

gibt. Dies gilt nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund. Wir sind auf dem<br />

Weg in die blockierte Gesellschaft. Im nordrhein-westfälischen Schulsystem kommen<br />

neun Absteiger auf nur einen Aufsteiger. Auf der Bildungsleiter in Nordrhein-Westfalen<br />

gibt es fast nur noch eine Richtung: nach unten!<br />

2.3 Gescheiterte Schulpolitik<br />

Wir haben nicht alles richtig gemacht, aber die „neue“ Schulpolitik der schwarzgelben<br />

Landesregierung ist gescheitert. Das ist das vernichtende Urteil fast aller Betroffenen.<br />

Viele Eltern fragen inzwischen: "Was tut ihr unseren Kindern an?" Viel zu viele Schülerinnen<br />

und Schüler bleiben auf der Strecke. Sie sind dem Druck und dem neuen Tempo<br />

nicht gewachsen. Eltern verzweifeln an den verbindlichen Grundschulgutachten, die Kinder<br />

schon mit neun Jahren in Schubladen einsortieren, aus denen sie nicht mehr herauskommen.<br />

Diese Kinder sitzen dann in viel zu großen Klassen ohne die nötige Förderung.<br />

Viele verzweifeln an der Umsetzung des Turbo-Abiturs, die dazu führt, dass Kinder kaum<br />

noch Kindheit haben, weil der Stress die Lebensfreude frisst. Für viele Jugendliche<br />

schließt sich die frustrierende Suche nach einem guten Ausbildungsplatz an, die viel zu<br />

oft in Warteschleifen endet. Aber auch <strong>im</strong> Studium werden die jungen Menschen dem<br />

Turbo-Druck einer falschen und fatalen Umsetzung der Bachelor- und Master-<br />

Studiengänge ausgesetzt. Dazu kommt die finanzielle Schraubzwinge durch Studiengebühren.<br />

Wir müssen diesen Druck wieder von unseren Kindern und Jugendlichen, aus unseren<br />

Familien, nehmen. Wir sind uns mit der großen Mehrheit der Bildungsexperten einig: Was


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

39<br />

unsere Kinder wirklich brauchen ist eine gute Ganztagsbetreuung, längeres gemeinsames<br />

Lernen und ein Bildungssystem ohne Hürden. Wir werden die gebührenfreie Bildung von<br />

der Kita bis zur Hochschule in Nordrhein-Westfalen verwirklichen.<br />

2.4 Unsichere Arbeitsverhältnisse<br />

Aber selbst für die, die es schaffen, gibt es keine Sicherheit mehr: Eine gute Ausbildung,<br />

ein erfolgreiches Studium sind heute keine Garantie mehr für eine gesicherte berufliche<br />

Perspektive. Die Generation Praktikum wird über Zeitverträge, Mini-Jobs oder andauernde<br />

Praktika in oftmals jahrelange Warteschleifen ohne klare Perspektive geschickt. So geht<br />

die Sicherheit in unserer Gesellschaft verloren.<br />

Unsichere Arbeitsverhältnisse, dies betrifft oft auch für Menschen mit qualifiziertem Bildungsabschluss,<br />

zunehmender Missbrauch von Zeit- und Leiharbeit sowie eine Lohnspirale<br />

nach unten prägen zunehmend den Arbeitsmarkt. Die Qualifikationen und Kompetenzen<br />

vieler Einwanderinnen und Einwanderer werden oft nicht anerkannt. Sie stehen<br />

überproportional in unsicheren Arbeitsverhältnissen. Das Normalarbeitsverhältnis droht<br />

zur Ausnahme zu werden.<br />

Es geht auch anders: Während fast alle Kapitalgesellschaften in den vergangenen Jahren<br />

ihre Belegschaften in Deutschland reduzierten, haben die kleinen und mittelständigen<br />

Familienunternehmen neue Arbeitsplätze geschaffen. Diese langfristig denkenden Unternehmer,<br />

für die Leistung und Verantwortung zählen, haben ihre Zusagen eingehalten.<br />

Auch in Krisenzeiten bemühen sie sich, ihre Belegschaften zu halten. Denn sie wissen:<br />

Ihre Innovationskraft ziehen sie aus dem Wissen, der Kreativität und Erfahrung ihrer Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. Statt allein auf die kurzfristige Steigerung der Rendite zu<br />

schauen, planen Familienunternehmen langfristig. Im Gegensatz zu vielen managementgeführte<br />

Unternehmen betrachten sie die Zahl ihrer Mitarbeiter nicht ausschließlich als<br />

Kostenfaktor.<br />

Ebenso entscheidend für den Unternehmenserfolg ist die dauerhafte Sicherung von<br />

Arbeitnehmerrechten - gerade in Zeiten der Globalisierung. Soziale Marktwirtschaft ist untrennbar<br />

verbunden mit der Teilhabe und Mitsprache von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern<br />

in den Unternehmen. Mitbest<strong>im</strong>mung, Betriebsverfassung und Personalvertretung,<br />

Tarifautonomie, Kündigungsschutz und moderner Arbeitsschutz charakterisieren<br />

den sozialen Fortschritt. Er steht der technischen Innovation nicht <strong>im</strong> Wege, sondern<br />

treibt sie voran. Es ist erwiesen: Die Arbeit von Betriebs- und Personalräten wirkt sich positiv<br />

auf Produktivität, Flexibilität und Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Verwaltung<br />

aus.<br />

Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise ist das politische Ergebnis einer Ideologie, in der<br />

nicht die Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen, sondern die Max<strong>im</strong>ierung von Profit.<br />

Wir wollen dem Einfluss dieses marktradikalen Denkens auf die Politik ein Ende setzen.<br />

Die Wirtschaft muss wieder für die Menschen da sein, nicht umgekehrt. Wir Sozialdemokraten<br />

wissen: Der Markt ist ein schlechter Herr, aber er kann ein guter Knecht sein.<br />

2.5 Der sozialdemokratische Dreiklang<br />

Zukunft gestalten bedeutet, technologische und wirtschaftliche Innovationen in Einklang<br />

mit sozialem und ökologischem Fortschritt zu bringen. Innovationen und Technologie sind<br />

kein Selbstzweck, sondern Mittel <strong>im</strong> Dienst von Menschen, Arbeit und Umwelt. Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

ist keine Bedrohung, sondern eine große Chance für Wirtschaft und Forschung in<br />

unserem Lande. Investitionen in hocheffiziente Kraftwerke und erneuerbare Energien<br />

schützen das Kl<strong>im</strong>a, senken die Kosten und sichern Arbeitsplätze.<br />

Der Dreiklang von wirtschaftlicher Dynamik, ökologischer Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit<br />

ist das Markenzeichen sozialdemokratischer Politik in <strong>NRW</strong>. Wir werden den<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz zum Fortschrittsmotor machen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

40<br />

In der einzigartigen nordrhein-westfälischen Wissenschaftslandschaft liegen vielversprechende<br />

Potenziale, die wir gemeinsam mit den in ihr Tätigen und den Unternehmen nutzen<br />

werden, um soziale und ökologische Innovationen zu fördern.<br />

Wir haben gezeigt, wie in einem gemeinsamen Kraftakt derart große und wichtige Prozesse<br />

<strong>im</strong> Sinne der Menschen in <strong>NRW</strong> politisch gesteuert werden können. Unsere Erfolge<br />

bei der Gestaltung des Strukturwandels in diesem Land sprechen für sich.<br />

2.6 Für eine faire Gesellschaft<br />

Wir wollen eine durchlässige Gesellschaft gestalten, eine Gesellschaft der fairen Regeln,<br />

in der Leistung sich auszahlt und Grundlage für eine sichere Existenz ist.<br />

Eine Gesellschaft, die auf der Basis wirtschaftlicher Stärke Gute Arbeit und Beste Bildung<br />

für alle ermöglicht. Eine leistungsstarke, solidarische und gerechte Gesellschaft, die einen<br />

handlungsfähigen Staat zum Partner hat.<br />

Steuern senken und Staatsausgaben gleichzeitig kürzen um Haushalte zu konsolidieren<br />

ist bisher in keinem Staat erfolgreich gelungen. Die Bürger in <strong>NRW</strong> erwarten für ihre bezahlten<br />

Steuern qualifizierte und nachhaltig gesicherte Dienstleistungen des Staates und<br />

der Kommunen ohne zusätzliche Beiträge oder Gebühren. Das gilt insbesondere für Bereiche<br />

vom Kindergarten über die Schulen bis hin zu den Hochschulen in öffentlicher Trägerschaft.<br />

Eine solche Perspektive für unser Land verlangt eine neue Politik. Wir haben die Kraft<br />

und den Mut, Strukturen zu verändern, statt die Menschen zu vertrösten, Almosen und<br />

Gutscheine zu verteilen und ihnen damit ihre Würde zu nehmen.<br />

Wir werden sofort umfassend in die Betreuung von Kindern und die Unterstützung von<br />

Familien investieren, statt später hohe Kosten für Sozialarbeit oder gar Strafvollzug aufzubringen.<br />

Wir werden durch die schwarz-gelbe Landesregierung erfolgte Kürzungen bei<br />

Arbeitslosenberatungsstellen, Frauenhäusern und <strong>im</strong> Landesjugendplan rückgängig machen.<br />

Wir werden jetzt großzügig in frühkindliche Bildung investieren, um nicht später für die<br />

Verlierer unseres Bildungssystems vielmehr aufwenden zu müssen.<br />

Wir werden längeres gemeinsames Lernen ermöglichen und in gute und moderne Schulen<br />

investieren, auch um nicht Verlierer <strong>im</strong> globalen Wettbewerb zu werden.<br />

Wir kämpfen für Gute Arbeit mit gerechten Löhnen, damit sich nicht Millionen Menschen<br />

auf dem Amt einen staatlichen Lohnzuschuss holen müssen, um über die<br />

Runden kommen zu können.<br />

_ Wir kümmern uns heute nachhaltig um saubere Luft, sauberes Wasser und eine intakte<br />

Umwelt, damit nicht zukünftige Generationen mit gigantischen Kosten Umweltschäden<br />

reparieren müssen, sofern das dann überhaupt noch möglich ist.<br />

Wir legen mit diesem Programm unser Zukunftskonzept für Nordrhein-Westfalen vor.<br />

Wir wollen gemeinsam mit der solidarischen Mehrheit unseres Landes eine gerechte Gesellschaft<br />

gestalten. Gemeinsinn und Fairness müssen wieder Vorrang haben. Wir stärken<br />

das 'Wir-Gefühl' und überwinden die 'Ich-Gesellschaft'. Wir wollen eine Gesellschaft, in<br />

der die Menschen <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen und nicht der Markt. Wir wollen eine Gesellschaft,<br />

von der die Menschen sagen: "Wir in Nordrhein-Westfalen halten zusammen!"<br />

2.7 Eckpunkte unseres Zukunftskonzepts<br />

_ Wir wollen neue Aufstiegschancen schaffen und Abstiegsängste überwinden: Die Schere<br />

zwischen Arm und Reich muss wieder geschlossen werden. Die sozialen Fliehkräfte in<br />

unserer Gesellschaft müssen gestoppt werden. Wir wollen die Armut <strong>im</strong> Lande überwinden,<br />

vorrangig die von Kindern.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

41<br />

_ Wir wollen die Beste Bildung für alle: Kein Kind darf zurück bleiben. Herkunft und soziale<br />

Situation dürfen nicht länger darüber entscheiden, ob ein Kind alle seine Talente und<br />

Möglichkeiten entfalten kann. Mehr Menschen müssen einen qualifizierten Bildungsabschluss<br />

erreichen. Wir werden Aufstieg über Bildung wieder möglich machen.<br />

_ Wir wollen die Integration voranbringen: Wir werden die Bedingungen für das gleichberechtigte<br />

Zusammenleben aller Menschen in unserem Land verbessern, in der Arbeitswelt,<br />

der Bildung, be<strong>im</strong> Wohnen, in der Gesellschaft und bei der politischen Teilhabe.<br />

_ Wir wollen unsere Städte, Kreise und Gemeinden stärken, damit die Menschen in<br />

Nordrhein-Westfalen gut und sicher leben können: In einer sozialen Gemeinschaft, in einer<br />

intakten Umwelt, mit einem breiten Angebot in Kultur und Sport, bestmöglich geschützt<br />

vor Gewalt und Verbrechen.<br />

_ Wir wollen die Familien stärken: Kinder sind die Zukunft unseres Landes. Kein Geld ist<br />

so gut angelegt wie das Geld, das wir in Familien, in unsere Kinder investieren.<br />

_ Wir wollen ein zukunfts- und leistungsfähiges Gesundheitswesen: Alle müssen die<br />

bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten, unabhängig von ihrer sozialen Situation<br />

und von ihrem Alter.<br />

_ Wir wollen Gute Arbeit für alle: Sichere Arbeitsplätze und Löhne, von denen die Menschen<br />

leben können. Dafür braucht <strong>NRW</strong> innovative Unternehmen mit einer qualifizierten<br />

und motivierten Belegschaft. Wir sorgen für eine zukunftsfähige Wirtschaft, die <strong>im</strong> globalen<br />

Wettbewerb die Stärken des Standortes Nordrhein- Westfalen nutzt.<br />

_ Wir wollen den Kl<strong>im</strong>aschutz zu einem Fortschrittsmotor für unser Land machen: Deshalb<br />

stoppen wir den Weg zurück in die Atomkraft, setzen auf erneuerbare Energien und<br />

ökologische Modernisierung unser Industrie. Wir wollen Natur und Umwelt in <strong>NRW</strong> schützen.<br />

Gerade in einem Industrieland mit vielen Menschen brauchen wir Rückzugsräume für<br />

Mensch und Natur.<br />

_ Wir wollen Sicherheit und Teilhabe für die Älteren in unserem Land erreichen: Länger<br />

leben zu dürfen als frühere Generationen ist eine große Chance - wir wollen die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen, dass sie selbstbest<strong>im</strong>mt genutzt werden kann. _ Wir werden<br />

das Ehrenamt in unserem Land fördern. Hunderttausende Menschen in <strong>NRW</strong> arbeiten ehrenamtlich<br />

u.a. in Kirchen, Sport-, Schützen-, He<strong>im</strong>at- und Karnevalsvereinen, Umweltinitiativen,<br />

Elternbeiräten, in der Gemeindearbeit, der freiwilligen Feuerwehr, in Einrichtungen<br />

für Kinder, Ältere, Behinderte. Sie halten unser Land zusammen und sind ein unbezahlbarer<br />

Gewinn für unsere Gesellschaft.<br />

_ Wir verteidigen den leistungsfähigen Staat: Wir dürfen die Gestaltung unserer Zukunft<br />

nicht dem Markt überlassen. Eine solidarische Gesundheitsversorgung, ein Bildungssystem<br />

der gleichen Chancen für alle, Kl<strong>im</strong>aschutz und ökologische Industrialisierung, ein<br />

Sozialstaat als Bürgerrecht, der Schutz von Freiheit und Sicherheit - kurzum eine menschenwürdige<br />

Zukunft für unser Land - verlangen einen handlungsfähigen Staat. Er muss<br />

über ausreichende Finanzmittel verfügen, um seiner gesellschaftlichen Verantwortung <strong>im</strong><br />

Dienste der Bürger gerecht zu werden.<br />

3 Gute Arbeit für alle<br />

3.1 Gute Arbeit schaffen<br />

Wir wollen Gute Arbeit für alle, Arbeit, von der die Menschen gut leben können. Wir wollen<br />

prekäre Beschäftigung in jeder Form überwinden. Wir kämpfen für den flächendeckenden,<br />

gesetzlichen Mindestlohn. Wer Vollzeit arbeiten geht, muss von seinem Lohn<br />

auch anständig leben können. Das verlangt die Würde des Menschen.<br />

Wer Mindestlöhne verweigert und weiter auf Niedriglöhne setzt, macht Menschen dauerhaft<br />

abhängig von staatlicher Hilfe – <strong>im</strong> Erwerbsleben und <strong>im</strong> Alter, weil keine ausreichenden<br />

Rentenansprüche aufwachsen können.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

42<br />

Wir werden Leiharbeitsverhältnisse rechtlich besser absichern. Neben einer Lohnuntergrenze<br />

gehört dazu auch die Stärkung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“<br />

Nach einer angemessenen Einarbeitungszeit soll für die Arbeit in demselben Unternehmen<br />

der Grundsatz „equal pay“ uneingeschränkt gelten.<br />

Beschäftigte müssen durch die Wiedereinführung des Synchronisationsverbots (Beschäftigung,<br />

die auf einen konkreten Auftrag beschränkt ist) vor moderner Tagelöhnerarbeit<br />

geschützt werden. Die konzerninterne Verleihung wollen wir begrenzen. Die Zahl der<br />

Leiharbeiter in einem Betrieb muss bei der Größe des Betriebsrats berücksichtigt werden.<br />

Wir wollen, dass Dauer, Bezahlung und Anzahl von Praktika gesetzlich geregelt werden.<br />

Berufspraktika dürfen nicht länger als willkürliche Verlängerung der Probezeit, zur Umgehung<br />

des Kündigungsschutzes und zum Lohndumping missbraucht werden.<br />

Wir werden ein neues Tariftreuegesetz beschließen. Im Einklang mit dem Vergaberecht<br />

werden wir wirksam Lohn- und Sozialdumping bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterbinden.<br />

Dazu gehört auch, dass landeseigene Betriebe auf den Einsatz von Leiharbeit<br />

möglichst verzichten.<br />

Wir stehen zum Modell der Job-Center in gemeinsamer Verantwortung von Bundesagentur<br />

und Kommunen. Hierzu streben wir eine Grundgesetzänderung an. Die notwendige<br />

Finanzausstattung hat der Bund zu tragen. Gemeinsam mit dem Bund, der Bundesagentur<br />

und den Kommunen wollen wir Arbeitsmöglichkeiten vor Ort fördern und Arbeitsplätze<br />

schaffen. Wir werden einen sozialen Arbeitsmarkt für diejenigen schaffen, die dauerhaft<br />

keine Chance zur Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt haben. Jede und jeder muss eine<br />

Chance bekommen. Dabei ist für uns zentral, dass die in diesem öffentlich geförderten<br />

Beschäftigungssektor tätigen Menschen sinnvolle Arbeit verrichten und mit ihrer Tätigkeit<br />

ihre Existenz selbst sicher können.<br />

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und das<br />

Maß notwendigen Qualifikationsbedarfs sind in Deutschland regional ganz unterschiedlich<br />

ausgeprägt. Deshalb brauchen wir eine Regionalisierung, um die Fördermaßnahmen opt<strong>im</strong>al<br />

auf die konkrete Bedarfslage anzust<strong>im</strong>men. Nur so können wir jeder und jedem Einzelnen<br />

eine konkrete Vermittlungschance bieten.<br />

Auch die regionalen Kompetenzen der Träger der Arbeitsmarktförderung werden wir<br />

stärken. Eine Abwärtsspirale zu Lasten der Qualität muss durch eine angemessene Vergabepraxis<br />

von Fördermaßnahmen unterbunden werden. Wir werden das flächendeckende<br />

Beratungsangebot des Netzwerks „Frauen & Beruf“ wieder fördern.<br />

Wir setzen uns für ein besseres Anerkennungsverfahren der von den Einwanderinnen und<br />

Einwanderern mitgebrachten akademischen und beruflichen Abschlüsse ein. Dort wo nötig,<br />

sind Anpassungs- und Nachqualifizierungen vorzunehmen. Die Kompetenzen und Fähigkeiten<br />

der Zuwanderer sind, auch angesichts des drohenden Fachkräftemangels, besser<br />

als in der Vergangenheit zu nutzen.<br />

Wir haben mit der Verlängerung der Kurzarbeit in der Wirtschafts- und Finanzkrise dafür<br />

gesorgt, dass Hunderttausende von Arbeitsplätzen erhalten worden sind. Ab Mitte <strong>2010</strong><br />

wird die Kurzarbeit in vielen Betrieben auslaufen. Wir werden Anschlussförderungen entwickeln,<br />

damit nicht pr<strong>im</strong>är die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Ende die Krisenlasten<br />

zu tragen haben.<br />

Wir finden uns nicht länger damit ab, dass Frauen in Deutschland für die gleiche<br />

Arbeit noch <strong>im</strong>mer ein Viertel weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen bekommen.<br />

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss auch hier gelten. Wir setzen<br />

Geschlechtergerechtigkeit um.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

43<br />

Als Landesregierung werden wir uns dafür einsetzen, dass die Betriebsräte das Recht erhalten,<br />

vom Arbeitgeber eine statistische Diagnose über die Gleichheit der Gehälter zu<br />

verlangen.<br />

Der arbeitsfreie Sonntag muss wieder zur Regel werden. In den Arbeitsbereichen Sicherheit<br />

und Gesundheit gilt es, arbeitnehmerfreundliche Regelungen zu treffen.<br />

Der arbeitsfreie Sonntag ist als Tag der Ruhe sowie für die familiären und sozialen Bindungen<br />

von großer Bedeutung. Auch ein Ladenöffnungsgesetz in <strong>NRW</strong> muss dem <strong>im</strong><br />

Grundgesetz verankerten Schutz von Sonn- und Feiertagen Rechnung tragen und Ausnahmen<br />

begrenzen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Sonntagsschutz<br />

macht deutlich, dass dabei auch grundlegende Fragen des gesellschaftlichen<br />

Selbstverständnisses betroffen sind.<br />

3.2 Ausbildung und Qualifizierung für alle<br />

Wir in <strong>NRW</strong> werden unseren Beitrag dazu leisten, dass in Deutschland wieder Vollbeschäftigung<br />

erreicht wird. Aus der Wirtschaft wird schon heute ein Fachkräftemangel gemeldet.<br />

Zugleich haben wir eine große Zahl arbeitsloser und nicht ausgebildeter junger<br />

Menschen zu beklagen, viele von ihnen mit Migrationshintergrund. Diesen Widerspruch<br />

müssen wir jetzt auflösen, sonst wird der demographische Wandel das Problem noch weiter<br />

verschärfen. Wir müssen alle Potenziale nutzen.<br />

Wir werden dafür sorgen, dass Wirtschaft und Politik gemeinsam Verantwortung übernehmen.<br />

Der Schlüssel liegt in besserer Bildung und Ausbildung für alle. Hierzu ist es erforderlich,<br />

dass der Übergang von der Schule in den Beruf frühzeitig in unseren Schulen<br />

vorbereitet wird.<br />

Wir fordern mehr Praxiseinblicke in der Schule, um den Berufsfindungsprozess zu unterstützen<br />

und zubegleiten.<br />

Wir wollen eine Ausbildungsgarantie für alle jungen Menschen, die jeder und jedem eine<br />

Ausbildung auf qualitativ hohem Niveau ermöglicht. Auch wenn die Schaffung von mehr<br />

Ausbildungsplätzen und die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses vor allem in der Verantwortung<br />

der Wirtschaft liegen, erfordert dies eine gemeinsame Anstrengung von Wirtschaft,<br />

Politik, Agentur für Arbeit und Berufskollegs. Dabei ist die Wirtschaft angemessen<br />

finanziell zu beteiligen. Es ist eine der dringendsten Aufgaben, wieder mehr Ausbildungsplätze<br />

<strong>im</strong> dualen System zu schaffen. Die Ausbildungsgarantie bezieht sich nicht nur auf<br />

Schulabgänger, sondern auch auf Altbewerber. Jede und jeder hat auch eine zweite<br />

Chance verdient.<br />

Die kommunalen und landeseigenen Betriebe sind bei der Ausbildung in der Pflicht. Sie<br />

müssen Standards bei der Ausbildungsqualität setzen und auch über den eigenen Bedarf<br />

hinaus ausbilden.<br />

Wir werden bis zu 5000 zusätzliche Ausbildungsplätze mit hohem Praxisanteil öffentlich<br />

finanzieren, um den Ausbildungsmarkt in der Krise zu stabilisieren. Dies ist sinnvoller, als<br />

Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Unkoordinierte und nicht zielgerichtete Fortbildungsmaßnahmen,<br />

die nur zu einer Versorgung in „Warteschleifen“ führen, lehnen wir ab. Stattdessen<br />

werden wir in Zusammenarbeit mit den örtlichen Übergangssystemen Profiling-<br />

Maßnahmen mit anschließenden passgenauen Qualifizierungsmaßnahmen unterstützen.<br />

Wir wollen kleine und mittlere Unternehmen, die <strong>im</strong> Verbund mit anderen Unternehmen<br />

oder einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte ausbilden, weiter<br />

organisatorisch und finanziell unterstützen. Der von uns initiierte Ausbildungsbonus<br />

ist auf alle unversorgten Jugendlichen auszuweiten. Dazu schlagen wir die Zahlung<br />

einer Prämie von 2000 Euro an kleine und mittlere Betriebe vor, wenn diese einen


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

44<br />

zusätzlichen Ausbildungsplatz schaffen. Weitere 2000 Euro soll das Unternehmen erhalten,<br />

wenn der Auszubildende die Kammerprüfung besteht.<br />

Der Insolvenzschutz für Auszubildende muss garantiert sein. Damit sollen Auszubildende<br />

<strong>im</strong> Fall einer Insolvenz ihres Unternehmens ihre Ausbildung reibungslos in anderen Betrieben<br />

oder nötigenfalls in staatlicher Trägerschaft fortsetzen können.<br />

3.3 Neue Arbeit durch Innovation<br />

Politik und Wirtschaft müssen gewährleisten, dass unser Land innovativ bleibt und sich<br />

neue Berufsbilder entwickeln. Wir fördern den technologischen Fortschritt, etwa <strong>im</strong> Bereich<br />

des Umwelt- und Kl<strong>im</strong>aschutzes oder der erneuerbaren Energien. In den Bereichen<br />

Erziehung, Gesundheit und Pflege und in der Kreativwirtschaft können in den nächsten<br />

Jahren zigtausende neuer Arbeitsplätze entstehen, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen<br />

schafft. Dafür werden wir sorgen.<br />

Die Menschen mit Unternehmergeist in <strong>NRW</strong> sollen wissen, dass eine regierende SPD<br />

Strukturen fördern wird, die uns <strong>im</strong> Wettbewerb voranbringen. Partner für den Fortschritt<br />

sind Wissenschaft und Wirtschaft. Hier arbeiten die Köpfe, die <strong>NRW</strong> in Forschung und<br />

Entwicklung, in Wachstum und Beschäftigung voranbringen.<br />

3.4 Betriebs- und Personalräte und ihre Mitbest<strong>im</strong>mung stärken<br />

Die Krise hat verdeutlicht, dass die Betriebsräte konsequent und erfolgreich betriebliches<br />

Krisenmanagement geleistet haben. Ihr Know-How und ihre soziale Verantwortung haben<br />

bei der Krisenbewältigung der Arbeitsplatzsicherung Vorrang vor Renditeerwartungen<br />

verschafft. Ihr Beitrag hat geholfen, Beschäftigungsverluste in der Krise gering zu halten.<br />

Künftig muss das Wissen und Können der Betriebs- und Personalräte verbindlicher in die<br />

Unternehmensentwicklung einbezogen werden.<br />

Ihre Rolle be<strong>im</strong> Antreiben und Managen von Innovationen wollen wir stärken. Um die<br />

Personal- und Betriebsräte dauerhaft in die Lage zu versetzen, diese Rolle zu spielen,<br />

wollen wir Initiativen ergreifen, um das Personalvertretungs- und das Betriebsverfassungsgesetz<br />

entsprechend zu ändern und den Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmerschaft<br />

mehr Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte gesetzlich zu sichern.<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung und Sozialpartnerschaft sind von <strong>NRW</strong> aus konzipiert und durchgesetzt<br />

worden. Weiterentwicklungen von Mitbest<strong>im</strong>mung sollten erneut von <strong>NRW</strong> ausgehen:<br />

durch Verbesserungen von Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern auch in kleinen und mittleren Unternehmen wie auf EU-Ebene.<br />

Denn Mitbest<strong>im</strong>mung in der Arbeitswelt ist Ausdruck von Menschenwürde. Zugleich fördert<br />

sie Demokratie als Lebensform.<br />

3.5 Selbstständige besser absichern<br />

Immer mehr Menschen arbeiten – als Teil ihres Lebensentwurfs oder auch unfreiwillig –<br />

als Selbstständige. Neben die klassischen freien Berufe und das Handwerk treten dabei<br />

viele weitere selbstständige Dienstleister. Unsere Sozialsysteme aber auch viele andere<br />

Best<strong>im</strong>mungen unseres Staates sind bisher nicht darauf ausgerichtet, diese Menschen zu<br />

unterstützen.<br />

Die neue Landesregierung unter Führung von Hannelore Kraft wird deshalb<br />

Initiativen – auch über den Bundesrat – ergreifen, um Selbstständige zu akzeptablen<br />

Tarifen in die Krankenversicherung einzubinden, sie in eine neu auszurichtende Arbeitslosenversicherung<br />

(„Erwerbstätigenversicherung“) aufzunehmen und ihnen die Altersabsicherung<br />

zu erleichtern.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

45<br />

Außerdem wollen wir eine Veränderung des Gewerbemietrechts. Kündigungen dürfen wie<br />

<strong>im</strong> Wohnraummietrecht nur wegen berechtigter Interessen des Vermieters möglich sein.<br />

Das schützt gerade kleinere Unternehmen vor Knebelverträgen.<br />

3.6 Familiengerechte Arbeitsbedingungen fördern<br />

Immer mehr junge Menschen hangeln sich mit teils unbezahlten Praktika, mit Minijobs,<br />

mit Leih- und Zeitarbeit oder ständig befristeten Verträgen von einer prekären Beschäftigung<br />

zur nächsten. Auf der anderen Seite erwarten Politik und Gesellschaft von genau<br />

dieser Altersgruppe die Gründung von Familien. Das passt nicht zusammen. Die SPD in<br />

Nordrhein-Westfalen kämpft für Gute Arbeit. Dazu gehören auch flexible Arbeitszeitkonten,<br />

die Förderung von Betreuungsangeboten und gesunde Arbeitsbedingungen.<br />

Der Wettbewerb um Fachkräfte wird zunehmend schwieriger. Deshalb müssen Unternehmen<br />

schon in eigenem Interesse jenseits von Gehaltszahlungen Anreize bieten. Familiengerechte<br />

Arbeitsbedingungen und betriebliche Mitbest<strong>im</strong>mung haben hierbei schon<br />

heute einen besonderen Stellenwert. Dies n<strong>im</strong>mt weiter zu.<br />

Wir können es uns nicht leisten, Potenziale ungenutzt zu lassen. Deshalb starten wir mit<br />

Wirtschaft und Gewerkschaften eine Initiative zur besonderen Förderung von älteren Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern. Auch die berufliche Fort- und Weiterbildung der<br />

Beschäftigten mit Migrationshintergrund muss ausgeweitet werden.<br />

3.7 Datenschutz ist Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

Zahlreiche Datenschutzskandale in der Wirtschaft zeigen, dass uns die moderne Informations-<br />

und Kommunikationsgesellschaft auch <strong>im</strong> Arbeitsleben vor neue Herausforderungen<br />

stellt. Eine Totalüberwachung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Arbeitsplatz<br />

darf es genauso wenig geben wie deren systematische Durchleuchtung. Der<br />

verantwortungsbewusste Umgang mit sensiblen Arbeitnehmerdaten muss in der betrieblichen<br />

Praxis <strong>im</strong>mer sichergestellt sein.<br />

Deswegen werden wir uns gegenüber der Bundesregierung für ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz<br />

einsetzen und in <strong>NRW</strong> dafür sorgen, dass der Landesdatenschutzbeauftragte<br />

ausreichendes Personal erhält, um seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen.<br />

Die Vorratsdatenspeicherung persönlicher Daten durch bzw. für Sozialleistungsträger und<br />

andere öffentliche Einrichtungen ist ebenfalls nur <strong>im</strong> Rahmen ihrer Aufgaben und in dem<br />

hierfür unumgänglichen Maß zulässig. Dies gilt auch für den elektrischen Entgeltnachweis<br />

(ELENA). Hierfür werden wir uns gegenüber der Bundesregierung einsetzen.<br />

4 Ökologisches Wachstum und Innovation<br />

4.1 Die Menschen stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt unseres politischen<br />

Handelns<br />

Wir stehen für eine Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt jedes Handelns rückt.<br />

Politik darf sich niemals an einseitigen Interessen ausrichten, sondern muss allein dem<br />

Ziel dienen, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.<br />

Wir in <strong>NRW</strong> wissen: Umweltpolitik ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Benachteiligte<br />

Haushalte leben oft in einer stärker belasteten Umwelt, in Gegenden mit hoher<br />

Luftbelastung oder an lauten Verkehrsstraßen. Verbessert sich die Umweltsituation, verbessert<br />

sich auch die soziale Lebenslage. Konsequent betriebener Kl<strong>im</strong>a- und Umweltschutz<br />

trägt damit auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei.<br />

Die SPD in Nordrhein-Westfalen verbindet ökonomische Vernunft, soziale Gerechtigkeit<br />

und ökologische Verantwortung <strong>im</strong> praktischen Regierungshandeln.<br />

Dieser Dreiklang ist unser Markenzeichen für nachhaltige Politik.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

46<br />

4.2 Die Industrie bleibt Fundament unserer Wirtschaft<br />

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über 540 Milliarden Euro <strong>im</strong> Jahr 2008 ist <strong>NRW</strong><br />

das wirtschaftlich bedeutendste Bundesland. So erwirtschaftet alleine die chemische Industrie<br />

in <strong>NRW</strong> über 30 % des Umsatzes der deutschen Chemie.<br />

Energiewirtschaft, Automobilzulieferer und der Maschinenbau beliefern aus <strong>NRW</strong> die ganze<br />

Welt. 2008 haben wir Waren <strong>im</strong> Wert von rund 172 Milliarden Euro ausgeführt.<br />

Wir wollen, dass <strong>NRW</strong> das Land der modernen Industrie wird. Dafür müssen wir neue<br />

Antworten auf neue Herausforderungen geben.<br />

Erfolgreiche Wirtschaftspolitik braucht die Bereitschaft zur gemeinsamen Anstrengung<br />

von politischem Wollen, wirtschaftlichem Können und staatlichem Handeln. Maßstab unserer<br />

Wirtschaftspolitik ist der unternehmerische Erfolg, der langfristige Wertschöpfung<br />

und Arbeitsplatzsicherung über kurzfristige Renditen und Bonuszahlungen stellt. Wir wissen,<br />

dass die allermeisten Unternehmer dies auch so sehen. Unsere moderne Wirtschaftspolitik<br />

eröffnet Chancen für Wachstum und Beschäftigung und überwindet bestehende<br />

Blockaden.<br />

Genau so wie hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht unsere Wirtschaft<br />

eine sichere Energieversorgung, eine leistungsfähige Logistik und die verschiedensten<br />

Rohstoffe, um auf dem Weltmarkt zu bestehen. Politik muss hier einen guten<br />

Rahmen setzen. Wir werden die notwendige Infrastruktur zum Erhalt und Ausbau des Industriestandorts<br />

<strong>NRW</strong> unter sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten nachhaltig<br />

neu definieren. So können wir eine wirksamere industriepolitische Allianz schmieden.<br />

Wir werden das Planungsrecht und die Genehmigungspraxis in <strong>NRW</strong> modernisieren. Wir<br />

müssen eine neue Vertrauensbasis für industrielle Großprojekte schaffen, nur dann besteht<br />

die Chance zur praktischen Umsetzung des faktisch Notwendigen. Eine gute und<br />

leistungsfähige Verwaltung ist als verlässlicher Partner für Investoren und Anwohner unverzichtbar.<br />

Die staatliche Umweltverwaltung muss wieder in die Lage versetzt werden, in<br />

Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz zu entscheiden, einheitlich in ganz <strong>NRW</strong>.<br />

Bei allen Planungsphasen und auf allen Entscheidungsebenen brauchen wir ein Höchstmaß<br />

an Transparenz nach dem verlässlichen Grundsatz: Wir machen aus Betroffenen Beteiligte.<br />

Die Wirtschaft in <strong>NRW</strong> ist so vielfältig wie das Land. Arbeitgeber und Arbeitnehmer schaffen<br />

gemeinsam Werte und sichern Arbeitsplätze, ob in großen oder kleinen Unternehmen,<br />

in Industrie oder Dienstung, <strong>im</strong> Handwerk, in der Privatwirtschaft oder unseren Stadtwerken.<br />

Wir lassen nicht zu, dass sie gegeneinander ausgespielt werden. Wir werden den<br />

Mittelstand unterstützen, ohne die Großindustrie zu vernachlässigen. Wir werden die<br />

Stadtwerke und das Handwerk fördern. Die regionalisierte Strukturpolitik stärken wir über<br />

eine bessere Verzahnung <strong>im</strong> Förderdreieck Brüssel, Berlin, Düsseldorf.<br />

Die Mittel wollen wir dort einsetzen, wo der Problemdruck am größten ist. Deshalb war<br />

der von der schwarz-gelben Regierung eingeschlagene Weg falsch, Fördermittel in landesweiten<br />

Wettbewerben zu vergeben und damit die unterschiedlichen Standortbedingungen<br />

zu ignorieren. Dies schadet nicht nur den benachteiligten Regionen, sondern<br />

ganz <strong>NRW</strong>. Die SPD wird sich insbesondere da engagieren, wo es dem ganzen Land am<br />

meisten nutzt. Wir wollen erreichen, dass zukünftig die Mittelvergabe unbürokratischer,<br />

transparenter, schneller und gerechter erfolgt als in den von der Regierung Rüttgers eingeführten<br />

bürokratischen Verfahren. Deshalb werden wir auch neue Lösungen zur Finanzierung<br />

von Eigenanteile bei Kommunen mit Nothaushalt anbieten.<br />

4.3 Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

Statistisch produziert jeder Deutsche zehnmal mehr CO2 als ein Inder und <strong>im</strong>mer noch<br />

doppelt so viel als ein Chinese. Weltweit hat jeder Mensch unabhängig von Geschlecht,


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

47<br />

Hautfarbe und Einkommen dasselbe Recht auf eine gute Entwicklung seiner persönlichen<br />

Lebensverhältnisse. Wir müssen feststellen, dass die Emissionen in Entwicklungs- und<br />

Schwellenländern zunächst noch steigen werden.<br />

Trotzdem müssen die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 gemeinsam um 25 bis 40<br />

Prozent gegenüber 1990 reduzieren und danach bis 2050 eine Absenkung um 80 bis 95<br />

Prozent erreichen. Deutschland will aber bis 2020 seine Gesamtemissionen <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu 1990 um 40 % senken. Da <strong>NRW</strong> für ca. 38 % der bundesweiten CO2-Emissionen verantwortlich<br />

ist, müssen wir be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz Vorreiter werden. Ohne <strong>NRW</strong> kann<br />

Deutschland seine Kl<strong>im</strong>aschutzziele nicht erreichen. Die letzten Jahre waren aber für den<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz verlorene Jahre: In <strong>NRW</strong> sind von 2005 bis 2007 die CO2-Emissionen um ca.<br />

2,4 % gestiegen. Diesen Trend werden wir entschlossen umkehren.<br />

In Nordrhein-Westfalen werden wir beweisen: Fortschritt entsteht, wenn wir die Herausforderungen<br />

des Kl<strong>im</strong>aschutzes beherzt meistern. Die SPD hat schon einmal gezeigt, dass<br />

"Der blaue H<strong>im</strong>mel über der Ruhr" erreicht werden kann. Jetzt gehen wir den nächsten<br />

Schritt: wir machen aus dem Ruhrgebiet eine Öko-Region, in der für Kohle, Stahl und<br />

Chemie Platz ist. Wir machen ganz <strong>NRW</strong> zum europäischen Zentrum des Fortschrittsmotors<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz. Wir nutzen die Herausforderungen des Kl<strong>im</strong>awandels als Antrieb für eine<br />

neue wirtschaftliche Dynamik und für die soziale Gestaltung des weiteren Strukturwandels.<br />

Wir wollen, dass das 21. Jahrhundert für alle Menschen eine gute Zukunft bereit hält und<br />

sich die Lebensqualität verbessert. Dazu ist verantwortungsvolle Kl<strong>im</strong>apolitik notwendig.<br />

Sie ist zu einer sozialen Frage geworden, weil viele Menschen durch hohe Energiepreise<br />

belastet sind und die Menschen mit kleinen Einkommen die Auswirkungen des Kl<strong>im</strong>awandels<br />

am stärksten spüren.<br />

Verantwortungsvolle Politik ermöglicht es allen Menschen, am Kl<strong>im</strong>aschutz mitzuwirken<br />

und möglichst wenig von der teurer werdenden Energie zu verbrauchen.<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz und wirtschaftlicher Erfolg sind in der betrieblichen Praxis schon lange kein<br />

Gegensatz mehr. Wir in Nordrhein-Westfalen verstehen den Kl<strong>im</strong>aschutz als einen Fortschrittsmotor<br />

für eine starke Wirtschaft, weil er Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit<br />

beispielhaft verbinden kann.<br />

4.4 Leitmärkte für ökologische Industriepolitik<br />

Die neue Landesregierung wird ein für die Zukunft des Landes so entscheidendes Projekt<br />

wie die ökologische Industrialisierung nicht allein den Märkten überlassen.<br />

Seine Notwendigkeit und seine Perspektiven ergeben sich ja gerade aus den historischen<br />

Ausmaßen des Marktversagens. Eben weil die Märkte von sich aus unfähig waren, bei der<br />

Entwicklung neuer Technologien die ökologischen Interessen in Rechnung zu stellen,<br />

kann die Ökologisierung der Industrie nur ein politisches Projekt sein. Sie kann freilich<br />

auch nicht gegen die Märkte zum Erfolg geführt werden, sondern nur mit den Märkten.<br />

Aber nicht indem sie den Märkten hinterherhinkt, sondern indem sie die Rahmenbedingungen<br />

und die politischen Impulse so setzt, dass die Märkte der Politik folgen. Der Staat<br />

geht als Pionier der Entwicklung voraus und setzt seine Daten in die Märkte hinein.<br />

Das ist die Strategie der ökologischen Leitmärkte. Sie müssen einer Logik der Spezialisierung<br />

folgen, die bei dem beginnt, was unser Land jetzt und künftig am besten kann.<br />

Effizienztechnologie, Solarenergie, CO2-arme Kohleverbrennung, umweltgerechte Mobilitätstechnologien<br />

sind Technikfelder, auf denen revolutionäre Fortschritte absehbar sind,<br />

die unsere eigene Industriebasis voranbringen und zukunftsfest machen und gleichzeitig<br />

Arbeitsplätze bei uns sicher machen. Sie sichern unserem Land für lange Zeit Exportchancen<br />

gerade in den Bereichen, deren Wachstum auf den Weltmärkten gewährleistet<br />

ist.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

48<br />

Dabei handelt es sich aber auch um Technologien, bei denen es in unserem eigenen Interesse<br />

darauf ankommt, für rasche weltweite Verbreitung zu sorgen, damit Umwelt und<br />

Weltkl<strong>im</strong>a sicher bleiben.<br />

4.5 Sofortprogramm Kl<strong>im</strong>aschutz<br />

Die schwarz-gelbe Landesregierung bremst be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz. Sie verspielt die Zukunft<br />

unseres Landes. In einer neuen Landesregierung mit Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin<br />

werden wir ein Sofortprogramm für <strong>NRW</strong> mit folgenden Maßnahmen umsetzen:<br />

_ Wir werden unsere Energie zukunftsfest machen und mit Hilfe von effizienten Technologien<br />

den Einsatz von Energie und Rohstoffen drastisch senken. Wir wollen die Akzeptanz<br />

der Menschen für die industrielle Produktion zurück gewinnen und dauerhaft stärken.<br />

_ Wir halten in <strong>NRW</strong> am Atomausstieg fest. Längere Laufzeiten sind ein Investitionshemmnis<br />

für unser Land, weil sie den Ausbau der erneuerbaren Energie massiv gefährden<br />

und eine Modernisierung von Kraftwerksparks verhindern. Wir werden auch keinen<br />

Neubau von Atomkraftwerken in <strong>NRW</strong> zulassen. Moderne Technologien wie CCS sichern<br />

dabei die Kl<strong>im</strong>afreundlichkeit. Wir bekennen uns so zu den Kraftwerksstandorten in <strong>NRW</strong><br />

und suchen den Dialog mit der RWE Power AG als größtem Energieproduzenten in unserem<br />

Bundesland.<br />

_ Wir werden unsere Abhängigkeit von Energie<strong>im</strong>porten verringern. Der Import von Öl,<br />

Gas, Kohle und Uran kostet uns viele Milliarden Euro jährlich. Deshalb müssen wir durch<br />

Einsparungen den Energiebedarf senken und wo <strong>im</strong>mer es möglich ist, konsequent auf<br />

he<strong>im</strong>ische Energien setzen, die die Wertschöpfung bei uns in <strong>NRW</strong> sichern. Arbeitsplätze<br />

entstehen durch he<strong>im</strong>ischen Bergbau, eigene Kraftwerke oder die Nutzung von Sonne,<br />

Wind, Wasserkraft und Biomasse. Wir werden die Anteile der regenerativen Energien<br />

deutlich steigern. Erneuerbare Energien müssen ein zentrales Kompetenzthema in <strong>NRW</strong><br />

werden. Die vorhandenen Kapazitäten in Forschung, Lehre und Produktion sind dazu weiterzuentwickeln.<br />

Daneben ist es für uns und die Unabhängigkeit unseres Industriestandorts<br />

unverzichtbar, dass wir die he<strong>im</strong>ische Braunkohle weiter planmäßig abbauen und<br />

den Sockelbergbau in der Steinkohle weiter erhalten.<br />

_ Wir werden den Stromverbrauch senken und suchen dazu den Dialog mit Energieversorgern,<br />

Städten und Gemeinden, Verbraucherzentralen und Energieagentur. Wir wollen<br />

den Menschen be<strong>im</strong> Strom sparen helfen und dazu alle Möglichkeiten nutzen, z.B. auch<br />

neue Finanzierungsmodelle für sparsamere Elektrogeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen.<br />

_ Wir organisieren den Durchbruch der erneuerbaren Energien in <strong>NRW</strong>. Nachhaltigkeit,<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz und Verteilungsgerechtigkeit sind für uns grundlegend. Derzeit liegen wir <strong>im</strong><br />

Vergleich der Bundesländer auf einem beschämenden 12. Platz. Jetzt gilt es, Hemmnisse<br />

für den Ausbau erneuerbarer Energien abzubauen. Dazu werden wir ein Programm „1<br />

Million Dächer Solarthermie“ auflegen. Alte, ineffiziente und laute Windräder wollen wir<br />

durch leisere und leistungsfähigere Anlagen ersetzen. Wir werden deshalb dem Ersetzen<br />

alter Windenergieanlagen durch modernere und effizientere Anlagen, dem sogenannten<br />

„Repowering“ von Windenenergieanlagen in <strong>NRW</strong> zum Durchbruch verhelfen und Hemmnisse<br />

des Windkraftausbaus beseitigen.<br />

_ Wir werden hocheffiziente und kl<strong>im</strong>afreundliche Kohlekraftwerke fördern. Deshalb sollen<br />

diejenigen Zuschüsse aus den Einnahmen des Emissionshandels erhalten können, die<br />

in neue hocheffiziente Kraftwerke, weitestgehend mit Kraft-Wärme- Kopplung, investieren.<br />

Wir fordern aber auch von den Betreibern die Realisierung kl<strong>im</strong>aschonender Kohlekraftwerke<br />

mit CO2-Abtrennung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage-CCS).<br />

Im Gegenzug werden wir uns dafür einsetzen dass die politischen Rahmenbedingungen<br />

dazu geschaffen werden. Nur eine saubere Kohlenutzung ist eine sinnvolle Kohlenutzung.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

49<br />

Wir werden ein Fern- und Nahwärmeprogramm für <strong>NRW</strong> auflegen, weil heute zu viel<br />

Strom in Kraftwerken erzeugt wird, die Wärme ungenutzt an die Umgebung abgeben. Wir<br />

werden uns dafür einsetzen, dass alte ineffiziente Kraftwerke schnell abgeschaltet werden<br />

und in <strong>NRW</strong> die Technik der Abscheidung von Kohlendioxid weiter forciert wird.<br />

_ Wir werden unsere Stadtwerke stärken. Wir wollen nicht, dass der Energiemarkt von<br />

den vier großen Energieversorgern beherrscht wird. Deshalb werden wir den Stadtwerken<br />

ermöglichen, sich wieder breit <strong>im</strong> Energiemarkt zu betätigen und damit den Wettbewerb<br />

zu stärken. Dazu werden wir die von der schwarz-gelben Landesregierung durchgesetzte,<br />

die Stadtwerke in ihrer wirtschaftlichen Betätigung einschränkende Änderung des § 107<br />

GO rückgängig machen.<br />

_ Wir werden in <strong>NRW</strong> den Ausbau von sauberer Elektromobilität in Verbindung mit Erneuerbaren<br />

Energien <strong>im</strong> Dialog mit den Kommunen voranbringen. Von den modernen<br />

PKW-Konzepten sind <strong>im</strong> Bereich der Elektromobilität in den nächsten Jahren die größten<br />

Fortschritte zu erwarten. Deshalb werden wir an Rhein und Ruhr <strong>im</strong> Dialog mit Autoindustrie,<br />

Energiewirtschaft und Forschung Stromtankstellen einrichten.<br />

_ Wir werden in <strong>NRW</strong> mit einem Investitionsprogramm Anreize schaffen, öffentliche Gebäude<br />

und private Wohnhäuser energetisch zu sanieren. _ Wir werden ein kommunales<br />

Konzept für die Förderung von sog. Null-Emissions- Städten (Zero-Emission-Cities) entwickeln,<br />

um Städte mit einer passiven Energiebilanz zu schaffen.<br />

_ Wir richten eine Zukunftswerkstatt „Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz“ ein. In dieser Zukunftswerkstatt<br />

arbeiten Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften zusammen. Hier<br />

wird auch die Grundlage für neue Ausbildungsberufe gelegt. Höhepunkt für Nordrhein-<br />

Westfalen ist eine internationale Weltausstellung "EXPO Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz“.<br />

Hier werden die Projekte aus der Zukunftswerkstatt gebündelt und mit bereits vorhandenen<br />

richtungweisenden Projekten in <strong>NRW</strong> (z. B. Blauer Turm Herten) zur Expo gebracht.<br />

Wir wollen die "EXPO Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz“ bis 2011 beantragen und 2015/2016<br />

durchführen.<br />

_ Der Fortschrittsmotor Kl<strong>im</strong>aschutz ist Regierungsauftrag. Als Regierung richten wir ein<br />

"Kl<strong>im</strong>akabinett" ein, das innerhalb der Landesregierung alle neuen Chancen des Kl<strong>im</strong>aschutzes<br />

bündelt. Im Landtag richten wir einen entsprechenden Sonderausschuss „Kl<strong>im</strong>aschutz“<br />

ein.<br />

4.6 Innovative Politik für eine gute Zukunft<br />

Wir werden eine Innovationsoffensive für <strong>NRW</strong> starten und damit <strong>im</strong> Umfeld von Wachstumsbranchen<br />

den gezielten Ausbau und die Stärkung landesweiter Netzwerke zwischen<br />

Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen initiieren. Wir wollen den Brückenschlag<br />

zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen, dem Handwerk und<br />

der Forschung erleichtern. Durch gezielte Förderung, z.B. in Form des Beratungs- und<br />

Innovationsschecks sollen solche Unternehmen bei Forschungseinrichtungen oder Hochschulen<br />

Unterstützung auf dem Weg zu neuen Produkten oder Prozessinnovationen durch<br />

Beratung erhalten.<br />

Der Beratungsscheck soll die Hälfte der Forschungs- und Entwicklungskosten bei einer<br />

Höchstförderung von 15.000 Euro abdecken.<br />

4.7 Kleine und mittelständische Unternehmen, Selbstständige<br />

und das Handwerk als Beschäftigungsmotor<br />

Wir stehen für eine mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik. Wir wissen: Das Handwerk<br />

ist eine wichtige Säule unseres Mittelstandes. Handwerk ist Vielfalt und Dienst am Menschen<br />

und an der Gesundheit, High Tech und künstlerisches Gestalten. Handwerk - das<br />

sind in Nordrhein-Westfalen 100 Milliarden Euro Umsatz und über eine Million Arbeitsplätze.<br />

Und das Handwerk war stets ein Ausbildungsmotor der Wirtschaft. Unser Konzept


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

50<br />

"Gutes Handwerk" sorgt für finanzielle, steuerliche und Beratungs-Hilfestellungen. Wir<br />

schaffen opt<strong>im</strong>ale Rahmenbedingungen für wirtschaftlichen Erfolg und soziale Verantwortung<br />

der Handwerksbetriebe.<br />

CDU und FDP versuchen, das organisierte Handwerk in unserem Land ideologisch zu<br />

missbrauchen. Handwerk braucht praktische Hilfe und keine ideologische Nachhilfe. Wir<br />

setzen auf praktische Hilfen und ehrliche Partnerschaft. Wir werden die Rahmenbedingungen<br />

für kleine und mittelständische Unternehmen und das Handwerk opt<strong>im</strong>ieren. Dabei<br />

gilt es, Innovationsprozesse aktiv zu unterstützen und Wissenschaft und Unternehmen<br />

zusammen zu bringen. Mit der Einrichtung von Gründerzentren wollen wir eine zielgerichtete<br />

Strukturentwicklung von Regionen beschleunigen und ein besseres Gründungskl<strong>im</strong>a<br />

erzeugen. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sind konkrete<br />

Hilfen be<strong>im</strong> Innovationsmanagement wie z.B. dem Verwerten von Patenten sinnvoll. Eine<br />

Qualifizierungsoffensive für Fachkräfte wird das Handwerk und die mittelständischen Unternehmen<br />

in ihren Ausbildungsbemühungen unterstützen. Dazu gehört insbesondere die<br />

Öffnung der Fachhochschulen für berufliche Praktiker.<br />

Wir stehen für die ortsnahe Vergabe öffentlicher Aufträge, wo <strong>im</strong>mer dies möglich ist. In<br />

der Bundesregierung haben wir die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerksleistungen<br />

durchgesetzt. Wir halten am System der öffentlichen Banken und Sparkassen auch fest,<br />

um die Kreditversorgung für Mittelstand und Handwerk sicher zu stellen.<br />

Kreditversorgung und qualifizierter Nachwuchs sind für kleine und mittelständische Unternehmen<br />

von besonderer Bedeutung. Beides ist nur sichergestellt, wenn die öffentliche<br />

Hand stark ist. Das bestmögliche Schul- und Hochschulangebot macht den Mittelstand<br />

zukunftssicher.<br />

Wir werden wieder einen Mittelstandsbeauftragten einsetzen, um die Belange der kleinen<br />

und mittleren Unternehmen ausreichend zu berücksichtigen und einen kontinuierlichen<br />

Mittelstands-Dialog <strong>im</strong> Wirtschaftsministerium etablieren.<br />

Wir setzen auf eine neue Unternehmenskultur in <strong>NRW</strong>, die soziale Verantwortung und<br />

Leistungsstolz verknüpft und als Markenzeichen zum Gegenpol einer Mentalität der Gier<br />

macht. Im Bundesrat werden wir uns für klare Regeln und Begrenzungen von Gehältern,<br />

Bonuszahlungen und Abfindungen von Managern einsetzen.<br />

4.8 Umwelt, Arbeit und soziale Gerechtigkeit gehören für uns<br />

zusammen<br />

Wir haben in <strong>NRW</strong> die besondere Situation, dass Natur und industrielle Produktion in enger<br />

Nachbarschaft liegen. Dadurch ergeben sich zwangsläufige Interessenunterschiede<br />

zwischen Ökonomie und Ökologie. Diese macht sich z.B. am Flächenverbrauch oder bei<br />

der Nutzung des Wassers bemerkbar. Die politische Aufgabe besteht darin, gesellschaftlich<br />

tragfähige Konsense zu finden, die Beschäftigung sichern, die Umwelt schützen und<br />

eine nachhaltige Entwicklung der natürlichen Lebensräume erzielen. Dazu wollen wir eine<br />

Umweltverwaltung so stärken, dass sie wieder in der Lage ist, Rechte durchzusetzen und<br />

Gesetze zu vollziehen und deren Anwendung zu kontrollieren.<br />

4.8.1 Lärm und Feinstaub reduzieren<br />

Feinstaub verursacht schwere Gesundheitsschäden und ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate<br />

infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs. Durch Feinstaub wird die<br />

durchschnittliche Lebenszeit verkürzt. Die geltenden Grenzwerte der Feinstaubbelastung<br />

werden in verkehrsreichen Straßen <strong>im</strong>mer wieder überschritten. Kommunen und Länder,<br />

in denen diese Werte nicht eingehalten werden konnten, haben inzwischen Luftreinhalteund<br />

Aktionspläne erarbeitet. Die SPD setzt sich für ein Konzept "Lärm- und Feinstaub reduzieren<br />

- Gesundheit schützen" ein. Die SPD will


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

51<br />

_ ein Lärmsanierungsprogramm auf der Landesebene, das Lärm von Flugzeugen, Fahrzeugen<br />

und von der Schiene konsequent eindämmt, _ eine nach Schadstoffausstoß und<br />

Uhrzeit gestaffelte LKW-Maut. Wir wollen endlich eine KFZ-Steuer, die ausschließlich an<br />

den Schadstoffausstoß gekoppelt ist,<br />

_ eine weitere Senkung der Emissionen aus Feuerungs- und Industrieanlagen,<br />

_ klare Regeln für Umweltzonen in <strong>NRW</strong>, denn dieser Umweltschutz ist Gesundheitsschutz<br />

für die Menschen in den betroffenen Regionen,<br />

_ eine bessere Unterstützung der Kommunen bei der Bekämpfung von Feinstaub,<br />

_ die Weiterentwicklung und Stärkung des ÖPNV unterstützen.<br />

4.9 <strong>NRW</strong> als Wasserland Nr. 1 stärken - Masterplan Wasser<br />

<strong>NRW</strong> umsetzen<br />

Sauberes Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel und für jeden Menschen unverzichtbar.<br />

Die Menschen haben ein Recht auf sauberes und gesundes Trinkwasser.<br />

Nordrhein-Westfalen verfügt über zahlreiche Wasservorkommen. Trotz hoher Siedlungsdichte<br />

und der industriell geprägten Wirtschaft verfügen 18 Millionen Menschen über eine<br />

sichere Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Die<br />

Trinkwasserversorger und Abwasserentsorger gewährleisten dies bislang auf<br />

höchstem Niveau. Trotzdem muss die Ressource Wasser kontinuierlich vor<br />

Verunreinigungen geschützt werden. Dabei müssen beispielsweise den<br />

Herausforderungen des demografischen Wandels ebenso Rechnung getragen<br />

werden wie den Veränderungen durch den Kl<strong>im</strong>awandel.<br />

Unsere Gewässer prägen sowohl die nordrhein-westfälischen Natur- als auch die<br />

Kulturlandschaft. Sie dienen vielen Tieren und Pflanzen als Lebensräume und bieten vielerorts<br />

Nahherholungsmöglichkeiten – das ist gerade in so einer dicht besiedelten Region<br />

wie <strong>NRW</strong> sehr wichtig. Die Belange von Mensch und Tourismusbranche müssen dabei <strong>im</strong><br />

Einklang mit Umweltgesichtspunkten stehen. Von der Politik gesetzte hohe Standards haben<br />

die stetige Weiterentwicklung effizienter und umweltschonender Technologien forciert.<br />

Die SPD-Landtagsfraktion hat einen Masterplan Wasser beschlossen, der die wesentlichen<br />

Herausforderungen und Handlungsfelder benennt. Die SPD setzt sich dafür ein, <strong>NRW</strong><br />

dauerhaft zum Wasserland Nr. 1 zu machen.<br />

Schwerpunkte müssen dabei auf folgende Bereiche gesetzt werden:<br />

4.9.1 Wasserforschung und Energiegewinnung<br />

Forschung und Entwicklung sind Motor des Fortschritts auf dem Gebiet der neuen Technologien<br />

in den Bereichen Trinkwasseraufbereitung und Abwasserbehandlung.<br />

Die Kompetenzen müssen ausgebaut, eine engere Verzahnung untereinander sowie mit<br />

der Wirtschaft gefördert werden. Eine auskömmliche, dauerhafte Finanzierung muss gewährleistet<br />

werden. Gleichzeitig muss in Zeiten dramatisch steigender Energiekosten und<br />

dem Bestreben, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, jede Möglichkeit zur Nutzung regenerativer<br />

Energien <strong>im</strong> Wasserbereich geprüft werden.<br />

Die Erforschung vielfältiger Technologien zur Energiegewinnung etwa <strong>im</strong> Umfeld von<br />

Kläranlagen aber auch zur gewässerverträglichen Nutzung der Wasserkraft muss forciert<br />

werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

52<br />

4.9.2 Trinkwasser/Abwasser<br />

Wasser ist Lebensmittel Nr. 1 und muss allen Bürgern in höchster Qualität zur Verfügung<br />

stehen. Der Einsatz entsprechender Technologien ist ebenso Voraussetzung wie ständige,<br />

kompetente Überwachung der Wasserqualität.<br />

Gleichzeitig muss der verantwortungsvolle, schonende Umgang mit der Ressource Wasser<br />

gewährleistet und der Eintrag von schädlichen Spurenstoffen min<strong>im</strong>iert werden. Die<br />

bestehende Infrastruktur muss daher in Stand gehalten bzw. an die sich verändernden<br />

Rahmenbedingungen angepasst werden. Die öffentliche Abwasserbeseitigung in <strong>NRW</strong> ist<br />

vorbildlich. Eine Privatisierung dieser wichtigen öffentlichen Aufgabe lehnen wir ab.<br />

4.9.3 Gewässerökologie und Freizeit<br />

Die nordrhein-westfälischen Gewässer dienen vielen Bürgern für Naherholung oder auch<br />

sportliche Betätigung. Gleichzeitig sind sie Lebensraum verschiedenster Tierund Pflanzenarten<br />

und bedürfen eines entsprechenden Schutzes. Die Interessen von Mensch und Natur<br />

müssen in ein entsprechendes Gleichgewicht gesetzt werden.<br />

4.10 Boden schützen und Flächenverbrauch reduzieren<br />

Der Boden stellt einen unvermehrbaren und unverzichtbaren Lebensfaktor dar. Er ist<br />

grundlegend für die landwirtschaftliche Produktion, er ist ein wichtiger CO2-Speicher und<br />

als Freifläche wichtig für die Erholung der Menschen - dies gilt insbesondere für eine<br />

dicht besiedelte Region wie <strong>NRW</strong>. Der Schutz des Bodens gewinnt mit Blick auf die Ressourcenknappheit,<br />

den Erhalt der biologischen Vielfalt, der sogenannten Biodiversität,<br />

und der zukünftigen landwirtschaftlichen Produktion eine wachsende<br />

Bedeutung.<br />

Durch die Versiegelung des Bodens und die Zerschneidung der Landschaft gehen täglich<br />

dauerhaft natürliche Bodenfunktionen, wie auch das Potenzial für Arten und Biotope verloren.<br />

Die Folgen sind langfristig und oftmals irreparabel: Neben der unmittelbaren Schädigung<br />

und dem Verlust fruchtbarer Böden wird der Wasserhaushalt beeinträchtigt, mit<br />

der Folge einer wachsenden Hochwassergefahr und einer gestörten Grundwasserneubildung.<br />

Biotope werden geschädigt oder zerstört, Landschaften werden zerschnitten, viele<br />

Wälder sowie agrarisch genutzte Ökosysteme sind nicht mehr oder nur noch eingeschränkt<br />

als Lebensraum für Tiere mit größeren Aktionsradien tauglich. Die verloren gehenden<br />

Äcker, Wiesen und Wälder fehlen nicht nur den Landwirten als Produktionsgrundlage,<br />

sondern sie werden zu großen Teilen versiegelt und können ihre Funktion <strong>im</strong> Umwelthaushalt<br />

nicht mehr erfüllen. Für den Menschen gehen wichtige Erholungsräume und<br />

Kulturlandschaften verloren. Diese prägen auch das Bild von He<strong>im</strong>at und stellen so auch<br />

eine große emotionale und soziale Bedeutung dar.<br />

Die SPD setzt sich dabei dafür für ein, in <strong>NRW</strong> den Flächenverbrauch drastisch zu senken<br />

Wir wollen weniger Flächen verbrauchen und die Zerschneidung von Landschaften min<strong>im</strong>ieren.<br />

Dazu brauchen wir ein gezieltes Umsetzungsprogramm für <strong>NRW</strong> mit klaren Zielen<br />

und Maßnahmen.<br />

Kernpunkte sollten sein:<br />

_ Weitere Umsetzung der Maßnahmen, die bereits <strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutzkonzept der<br />

SPDgeführten Landesregierung für die Siedlungs- und Landschaftsplanung festgelegt<br />

worden sind.<br />

_ Eine Stärkung der Städtebauförderung mit dem Ziel, die Wohnumfeldqualität in bestehenden<br />

Siedlungen spürbar zu verbessern.<br />

_ Eine verstärkte Ausrichtung aller Wirtschafts- und Agrarförderprogramme auf die Nutzung<br />

bestehender Siedlungen sowie die Wiedernutzung innerörtlicher Brachflächen und<br />

Baulücken.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

53<br />

_ Eine weitere Förderung der Aufarbeitung von Industriebrachen.<br />

_ Eine Reform des Systems der Kommunalfinanzen, um Anreize zur weiteren Ausweisung<br />

von Siedlungsflächen zu dämpfen und stattdessen die ökologische Aufwertung von Flächen<br />

zu honorieren.<br />

_ Eine Unterstützung aller Kommunen bei der Abschätzung der Kostenentwicklung von<br />

Wohnungsgebieten wie sie vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung mit<br />

dem Projekt LEANkom entwickelt wurde.<br />

_ Die Agrarpolitik des Landes muss Leistungen der Landwirtschaft zur Erhaltung der Kulturlandschaft<br />

fördern. Durch konkrete Zielvereinbarungen soll auch in <strong>NRW</strong> verstärkt der<br />

Bodenschutz und die Artenvielfalt geschützt werden.<br />

_ Eine Unterstützung der Kommunen bei einem Einstellen auf die demografischen Veränderungen<br />

und Flächen schonende Steuerung des Wettbewerbes um Einwohner. Der Naturraum<br />

der Senne ist unumstritten der wertvollste Lebensraum und das artenreichste<br />

Naturreservat von Nordrhein-Westfalen. Über 5000 Tier- und Pflanzenarten gibt es auf<br />

dem 112 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz Senne, davon allein über 1000<br />

Arten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Tierund Pflanzenarten stehen.<br />

Wir setzen uns für einen Nationalpark in der Senne ein, der <strong>im</strong> Einklang mit der Bevölkerung<br />

der Anrainerkommunen und der militärischen Nutzung verwirklicht werden soll. Dabei<br />

spricht sich die <strong>NRW</strong>SPD eindeutig gegen den Bau von Kampfdörfern oder zusätzlicher<br />

Panzerstraßen aus. Dies würde das Ökosystem der Senne in erheblichem Ausmaß<br />

schädigen und den Erhaltungszustand entscheidend verschlechtern.<br />

4.11 Biologische Vielfalt schützen<br />

In Nordrhein-Westfalen gilt der weitaus überwiegende Teil der Lebensraumtypen als gefährdet.<br />

Das Überleben zahlreicher einhe<strong>im</strong>ischer Tier- und Pflanzenarten ist mehr als<br />

ungewiss. Der Verlust biologischer Vielfalt setzt sich fort. Damit werden unsere Ökosysteme<br />

weiter geschwächt und unser regionaltypisches Naturerbe verliert zunehmend seine<br />

Identität. Höchste Zeit, dass diese schl<strong>im</strong>me Entwicklung ein Ende findet.<br />

Der Kl<strong>im</strong>awandel wird zu einer zusätzlichen Belastung der biologischen Vielfalt führen.<br />

Bereits heute lassen sich seine Auswirkungen feststellen. Die Verbreitungsgebiete von<br />

Pflanzen und Tieren verlagern sich rasant, die Ökosysteme und ihre funktionelle Zusammenhänge<br />

werden gestört und verändern sich grundlegend. Der Verlust biologischer Vielfalt<br />

wird dadurch beschleunigt, wenn die nötigen Schritte nicht unternommen werden.<br />

Die Landschaften in <strong>NRW</strong> spiegeln die Traditionen der dort lebenden Menschen wider.<br />

Das abwechslungsreiche Bild unserer He<strong>im</strong>at hat sich über Jahrhunderte aus der Arbeit<br />

der Menschen mit den natürlichen Standortbedingungen entwickelt.<br />

Unsere Kulturlandschaften zeichnen sich auch durch besondere Tier- und Pflanzenwelten<br />

aus und haben für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger eine hohe emotionale und soziale<br />

Bedeutung. Die Kulturlandschaft und damit das Gesicht unserer He<strong>im</strong>at ist durch die<br />

Industrialisierung der Landwirtschaft und den Kl<strong>im</strong>awandel bedroht. Die enorme emotionale<br />

Verbundenheit der Menschen mir ihrer Region ist bei der großen Ablehnung des<br />

Staatswaldverkaufes in der Eifel deutlich geworden.<br />

Die CDU/FDP Landesregierung in <strong>NRW</strong> hat den Naturschutz und die Landwirtschaft nur<br />

unter dem Blickwinkel industrieller Agrarbetriebe betrachtet. Wir werden die massiven<br />

Einschnitte be<strong>im</strong> Naturschutz in <strong>NRW</strong> zurücknehmen und eine „<strong>NRW</strong>Strategie zur Biologischen<br />

Vielfalt“ entwickeln, die analog zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt<br />

konkrete Ziele benennt und verwirklicht. Wir müssen alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren<br />

und bündeln, um die Gefährdung der biologischen Vielfalt <strong>im</strong> ersten Schritt zu verringern<br />

und zukünftig zu stoppen. Unser Ziel ist es, dass die biologische Vielfalt einschließlich<br />

der regionaltypischen Besonderheiten wieder zun<strong>im</strong>mt.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

54<br />

Kernpunke dieser Strategie müssen sein:<br />

_ Wir wollen, dass die Bewahrung der Kulturlandschaften als zentrale Aufgabe der Landesplanung<br />

auf regionaler und lokaler Ebene wahrgenommen wird.<br />

_ Wir wollen, dass das Schutzgebietsnetzwerk der Natura 2000 mit Managementplänen<br />

aktiv begleitet wird und hier Trittstufen für die mit dem Kl<strong>im</strong>awandel verbundene Wanderung<br />

von Arten ausgebaut werden.<br />

_ Wir wollen die Biologischen Stationen erhalten und deren Existenz dauerhaft sichern.<br />

Ziel bleibt es, in jedem Kreis mindestens eine biologische Station zu haben.<br />

_ Wir wollen das nationale Naturerbe dauerhaft bewahren. Ökologisch hochwertige Flächen<br />

<strong>im</strong> Eigentum der Öffentlichkeit sowie unser Staatswald dürfen nicht an Firmen oder<br />

Privatinvestoren verscherbelt werden. Wir wollen die Übertragung unserer landeseigenen<br />

Schutzgebietsflächen in eine Stiftung prüfen. Das Modell der "Bürgerwälder" wollen wir<br />

für die wirtschaftlich genutzten Staatswälder in <strong>NRW</strong> prüfen.<br />

4.12 Den Tierschutz verbessern<br />

Die SPD hat auf der Bundesebene durchgesetzt, dass der Tierschutz <strong>im</strong> Grundgesetz verankert<br />

wird. Tierschutz ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir würdigen daher auch das hohe<br />

Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger in den Tierschutzverbänden.<br />

Dabei stehen vor allem folgende Maßnahmen <strong>im</strong> Mittelpunkt: unserer politischen Ziele:<br />

_ Die Stärkung des Tierschutzes mittels eines Verbandsklagerechts für Tierschutzorganisationen.<br />

_ Die Reduzierung der Tierversuche, _ Die Bedingungen von Haltung und Transport<br />

landwirtschaftlicher Nutztiere tiergerechter auszugestalten; der von der SPD durchgesetzte<br />

Tierschutz-TÜV ist hierfür ein staatliches Steuerungsinstrument.<br />

4.13 Verbraucherinnen und Verbraucher schützen und Rechte<br />

sichern<br />

Spätestens seit der Finanzkrise ist klar: Der Markt allein ist nicht in der Lage, soziale und<br />

ökologische Anforderungen der Gesellschaft zu regeln. Wir werden dem Markt Schranken<br />

setzen und Anreize geben, damit sozial und ökologisch nachhaltiges Handeln belohnt<br />

wird. Für uns ist aktive Verbraucherpolitik ein zentraler Teil unserer Wirtschaftspolitik. Wir<br />

wollen Verbraucherschutz so gestalten, dass nachhaltig produzierte Waren und Dienstleistungen<br />

zu einer höheren Lebensqualität der Verbraucherinnen und Verbraucher beitragen,<br />

gesundheitliche und materielle Risiken verringert werden und die gesellschaftliche<br />

Teilhabe auch <strong>im</strong> Konsum gesichert wird.<br />

Die Daten der Verbraucherinnen und Verbrauchen müssen stärker geschützt werden. Wir<br />

stärken die Rechte von Verbrauchern als Kunden von Waren und Dienstleistungen jeglicher<br />

Art. Gerade vor dem Hintergrund globalisierter Märkte und neuer Vertriebswege wie<br />

Teleshopping und Internet müssen wir die Information und die Kompetenz der Verbraucherinnen<br />

und Verbraucher verbessern.<br />

Verbraucherrechte dürfen nicht nur auf dem Papier stehen. Sie müssen tagtäglich durchgesetzt<br />

werden. Ein Schwerpunkt sozialdemokratischer Arbeit für Verbraucherinnen und<br />

Verbraucher ist es deshalb, Verfahren und Organisationen zu stärken, damit Verbraucher<br />

zu ihrem Recht kommen. Verbraucherrechte müssen einfach und klar definiert werden,<br />

möglichst ohne Ausnahmen und Sonderregelungen. Die Verbraucher sollen sich mit<br />

Grundwissen und gesundem Menschenverstand <strong>im</strong> Geschäftsleben bewegen können,<br />

auch ohne ein Jurastudium oder ständige Rechtsberatung. Es müssen flächendeckend<br />

private und öffentliche Stellen vorhanden und in der Lage sein, die Verbraucher bei der<br />

Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen. Der Zugang zu diesen Stellen muss einfach<br />

sein. Wir kämpfen für eine verlässliche Finanzierung und den flächendeckenden Ausbau


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

55<br />

der unabhängigen Verbraucherberatung in den Verbraucherzentralen, die oft die erste<br />

und einzige Anlaufstelle für Fragen und Beschwerden sind. Darüber hinaus soll es unabhängige<br />

und für Verbraucher kostenlose Schlichtungsstellen zum Beispiel für die Bereiche<br />

Fahrgastrechte, Versicherungen oder E-Commerce-Unternehmen geben, die <strong>im</strong> Streitfall<br />

schnell und unbürokratisch helfen.<br />

Moderne Verbraucherpolitik muss besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche legen,<br />

denn hier offenbart sich ein extremes Ungleichgewicht der Kräfte. Wirtschaftliche<br />

Interessen müssen dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen untergeordnet<br />

werden. Ihre Gesundheit beeinflusst maßgeblich ihre Startchancen ins Leben.<br />

Hier muss das Vorsorgeprinzip bedingungslos gelten.<br />

Bisher verschließt sich die Konsumwelt weitgehend den Bedürfnissen vieler älterer Menschen<br />

und n<strong>im</strong>mt sie lediglich als sehr zahlungskräftige Gruppe mit entsprechenden Luxusangeboten<br />

in den Blick. Gleichzeitig hat sich eine Form der Altersdiskr<strong>im</strong>inierung und<br />

Ausgrenzung in unserer Gesellschaft breit gemacht, beispielsweise bei der Bewertung der<br />

Kreditwürdigkeit oder bei der Leserlichkeit des „Kleingedruckten" auf der Verpackung.<br />

Dies ist für uns inakzeptabel! Ältere Menschen brauchen mehr Hilfestellung <strong>im</strong> Umgang<br />

mit den für sie teilweise neuen Gepflogenheiten <strong>im</strong> Geschäftsverkehr. Sie müssen die<br />

Möglichkeit bekommen, diesen Wandel zu bewältigen und in den Genuss von Vorteilen,<br />

wie günstiger Internetangebote, zu gelangen.<br />

Wenn circa 80 Prozent der Verbraucher Gentechnik in Lebensmitteln ablehnen, ist dies<br />

ein klares Votum. Wir in der SPD nehmen diese Ängste und Bedenken der Menschen <strong>im</strong><br />

Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen ernst. Mit der Einführung der neuen<br />

„Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung auf der Bundesebene hat die SPD echte Wahlfreiheit<br />

geschaffen. Verbraucher und Verbraucherinnen können nun gezielt nachfragen und die<br />

gentechnikfreie Wirtschaft unterstützen. Wir wollen auch eine Änderung des europäischen<br />

Rechts, damit die verbindliche Einrichtung gentechnikfreier Regionen möglich wird.<br />

Wir wollen den Verbraucherschutz so gestalten, dass<br />

_ nachhaltig produzierte Waren und Dienstleistungen zu einer höheren Lebensqualität der<br />

Verbraucherinnen und Verbraucher beitragen,<br />

_ gesundheitliche und materielle Risiken verringert werden, _ gesellschaftliche Teilhabe<br />

auch <strong>im</strong> Konsum gesichert wird,<br />

_ die Menschen die Befähigung erlangen, planvoll mit Geld umgehen zu können,<br />

_ der fairer Zugang zur unabhängigen Beratung gesichert ist,<br />

_ Daten der Verbraucher stärker geschützt werden,<br />

_ faire Zugangschancen zu den Märkten öffentlicher Güter bestehen,<br />

_ mehr Arbeitsplätze zu sozial und ökologisch verträglichen Bedingungen entstehen.<br />

Wir setzen uns dafür ein, dass Ernährungs- und Verbraucherbildung als verpflichtendes<br />

Schulfach aufgenommen wird, in dem elementare Kenntnisse in Ernährung, Medienkompetenz<br />

und Finanzen vermittelt werden.<br />

4.14 Verkehrspolitik<br />

Mobilität ist essenziell für jeden Menschen. Die Verkehrspolitik ist eine Querschnittsaufgabe.<br />

Die Bereiche Arbeit, Wirtschaft, Umwelt und Soziales sind gleichermaßen von verkehrspolitischen<br />

Fragestellungen betroffen.<br />

Verkehrswege sichern das Zusammenleben der Menschen und sind die Lebensadern unserer<br />

Wirtschaft. Kein Bundesland ist so vom Funktionieren der verkehrlichen Infrastruktur<br />

abhängig, wie Nordrhein-Westfalen. Insbesondere dann, wenn der Verkehr gestört<br />

ist, merken wir, wie notwendig eine gut ausgebaute funktionierende Verkehrsinfrastruktur<br />

ist.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

56<br />

Staus verursachen in der Bundesrepublik Deutschland jährlich direkte und indirekte Kosten<br />

von 25 bis 100 Milliarden Euro. Staus sind volkswirtschaftlich schädlich, sie nerven<br />

und gefährden Verkehrsteilnehmer und die Umwelt.<br />

Ein Umsteuern ist nötig. Man muss das Umsteuern wollen. Das heißt: Konsequente Verkehrsverlagerung<br />

von der Straße auf die Schiene und die Wasserstraße. Dies betrifft gleichermaßen<br />

den Personenverkehr wie den Frachtverkehr.<br />

Deshalb sind die Kommunen aufgefordert, flächendeckende Infrastruktur nicht leichtfertig<br />

aufzugeben.<br />

Dabei wissen wir angesichts von prognostizierten Verkehrssteigerungen für den Zeitraum<br />

2005 bis 2025 von 75 Prozent, die vorrangig <strong>im</strong> Güterverkehr erfolgen werden, um die<br />

Begrenztheit der Kapazitäten auf allen Verkehrsträgern. Umso nötiger ist die effiziente<br />

Nutzung der Möglichkeiten aller Verkehrsträger. Die Wasserstraße bietet die meisten Kapazitäten,<br />

ihr folgt die Schiene. Besonders <strong>im</strong> westlichen Teil unseres Landes und <strong>im</strong><br />

Ruhrgebiet haben wir die Belastungsgrenze der Straße längst überschritten.<br />

Wir werden Straßen nur dort ausbauen, wo sie sinnvoll sind. Ortsumgehungen, Lückenschlüsse<br />

und der Ausbau von Autobahnen können zur Verkehrsvermeidung und Entlastung<br />

von Anwohnern beitragen.<br />

Den Radverkehr wollen wir fördern. Er soll eine echte Alternative zum Auto nicht nur in<br />

der Freizeit, sondern auch <strong>im</strong> Berufsverkehr werden. Die Radverkehrspolitik der Stadt<br />

Münster kann als Vorbild auch für andere Städte in unserem Land dienen. Wir wollen ein<br />

Radverkehrsnetz <strong>NRW</strong> das gleichermaßen beruflichen, touristischen und sportlichen Anforderungen<br />

gerecht wird.<br />

Wir werden die Forschung und Einführung von alternativen Antrieben und alternativen<br />

Treibstoffen unterstützen. Eine starke Rolle wird dabei die Elektromobilität spielen. Die<br />

benötigte Energie dafür soll aus erneuerbaren Quellen stammen. Gerade <strong>im</strong> neuentstehenden<br />

Bereich der Elektromobilität muss von Anfang an der gleichberechtigte Zugang<br />

aller gewährleistet sein. Dies gilt sowohl für Kunden als auch für die entsprechenden<br />

Dienstleister. Deswegen werden wir einer Monopolbildung und einer Zementierung bestehender<br />

Machtverhältnisse auf dem Strommarkt durch Regulierungsmaßnahmen vorbeugen.<br />

Jeder, der Busse und Bahnen nutzt, hilft damit der Umwelt. Verglichen mit einem PKW-<br />

Fahrer verursacht der Nutzer von Bussen und Bahnen weniger volkswirtschaftliche Kosten.<br />

Wir brauchen einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr. Busse und Bahnen<br />

müssen pünktlich, sauber und sicher sein. Unsere Einwohner müssen diese gerne benutzen<br />

wollen und als echte Alternative zum PKW begreifen.<br />

Die Kürzungen der schwarz-gelben Landesregierung bei Bussen und Bahnen werden wir<br />

zurücknehmen. Wir beginnen mit der Absicherung des Schülerverkehrs.<br />

Dies ist für die Aufrechterhaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) insbesondere<br />

in ländlichen Gebieten wichtig.<br />

Der ÖPNV muss sowohl in den Ballungsräumen als auch in der Fläche ein attraktiver<br />

Partner für die Menschen sein. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass keine weiteren<br />

Bahnstrecken still gelegt werden und unterstützen die Reaktivierung bereits still gelegter<br />

Strecken <strong>im</strong> öffentlichen Raum.<br />

Wir werden die Einführung einer Landesgesellschaft Öffentlicher Personennahverkehr<br />

prüfen. Diese könnte die Interessen der regionalen Verkehrsverbünde bündeln, um gegenüber<br />

externen Verhandlungspartnern wie der Deutschen Bahn stärker auftreten zu<br />

können.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

57<br />

Den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wollen wir stärken und seine Qualität verbessern.<br />

Dazu muss der Anteil des Landes <strong>NRW</strong> an den Bundesregionalisierungsmitteln dem<br />

Bedarf entsprechend erhöht werden.<br />

Mobilität ist ein Grundrecht. Deshalb werden wir, wie schon bisher, die Einführung von<br />

Sozialtickets unterstützen.<br />

Wir wollen den Güterverkehr auf der Wasserstraße stärken. Dafür brauchen wir mit Unterstützung<br />

des Bundes einen Ausbau unseres Kanalnetzes. Wir setzen uns für eine Novellierung<br />

des Hafensicherheitsgesetzes auf Landesebene ein. Die von schwarz-gelb beabsichtigte<br />

Verlagerung von hoheitsrechtlichen Sicherheitsaufgaben auf private und öffentliche<br />

Hafeneigentümer und -betreiber wurde von uns abgewendet. Wir brauchen<br />

wettbewerbsfähige Binnenhäfen und dürfen sie nicht schädigen. Kommunen sind aufgefordert,<br />

nicht leichtfertig Hafengebiete in Wohngebiete umzuwandeln.<br />

Den Dreiklang von Wasserstraße, Schiene und Straße wollen wir fördern. Nordrhein-<br />

Westfalen ist ökonomisch abhängig vom niederländischen Seehafen Rotterdam. Daher ist<br />

ein Ausbau der Betuwe-Linie dringend nötig. Durch den Bau des dritten Gleises wird die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der <strong>NRW</strong>-Wirtschaft gestärkt.<br />

Gleichzeitig wird so erst die Beseitigung von schienengleichen Bahnübergängen durch<br />

den Bau von Unter- und Überführungen sowie von Lärmschutz für die anwohnende Bevölkerung<br />

ermöglicht. Wir setzen uns für die weitestgehenden Sicherheitsstandards ein.<br />

Um einer einseitigen Abhängigkeit durch den Rotterdamer Hafen zu entgehen und weil<br />

der Antwerpener Hafen ein besonders wichtiger ist, brauchen wir eine leistungsfähige<br />

Schienenverkehrsverbindung von Antwerpen nach <strong>NRW</strong>. Diese muss zweigleisig und elektrifiziert<br />

sein, da nur so Kapazitäten geschaffen werden, die weiteren LKW-Verkehr vermeiden<br />

helfen. Am ehesten scheint dies eine Schienenverbindung entlang der A 52 zu<br />

gewährleisten. Dieser Meinung sind alle vier Fraktionen des Landtags von Nordrhein-<br />

Westfalen. Der Bundesverkehrsminister ist nun aufgefordert, den erklärten Willen des<br />

Parlaments in die Verhandlungen mit den Königreichen Belgien und Niederlande einzubringen.<br />

Die Interessen der Anwohner sind durch die Beseitigung von schienengleichen<br />

Bahnübergängen und Lärmschutz zu gewährleisten. Ebenfalls ist zu prüfen, ob die Strecke<br />

auch für den Personenverkehr genutzt werden kann.<br />

Einen Börsengang der Deutschen Bahn AG lehnen wir ab.<br />

4.15 Luftverkehr<br />

Noch <strong>im</strong>mer gilt das Luftverkehrskonzept <strong>2010</strong>, das unter der SPD-geführten Landesregierung<br />

ausgearbeitet worden war, unverändert. Eine Aktualisierung ist geboten. Fluggäste,<br />

Beschäftigte, Anwohner und Investoren müssen wissen, wohin die Reise in der<br />

Luftverkehrspolitik geht. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Wir werden das<br />

Luftverkehrskonzept <strong>2010</strong> <strong>im</strong> Dialog mit allen Beteiligten überarbeiten und weiterentwickeln.<br />

Der Grundgedanke des dezentralen Luftverkehrs für <strong>NRW</strong> ist und bleibt richtig. Einen<br />

Mega-Großflughafen auf der grünen Wiese lehnen wir ab. Es wird keine Direktsubventionen<br />

für Flughäfen geben.<br />

Wir wollen Innovationen <strong>im</strong> Verkehrsbereich voranbringen. Dazu gehört, dass wir offen<br />

auch für ungewöhnliche Lösungen sein wollen. Dies schließt beispielsweise die Überprüfung<br />

von "Cargo-Cap" und anderer Versuchsreihen auf Alltagstauglichkeit ein.<br />

5 Demokratische Gesellschaft, starke Kommunen<br />

5.1 Kommunale Demokratie stärken<br />

Nirgendwo wird Politik so unmittelbar wahr genommen wie in unseren Kommunen.<br />

Sie sind für die Daseinsvorsorge verantwortlich und prägen den Alltag der Menschen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

58<br />

In den Städten, Gemeinden und Kreisen gestalten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten<br />

die Politik vor Ort. Nah bei den Menschen schaffen wir die Bedingungen guter Lebensqualität,<br />

stellen uns den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, zeigen Perspektiven<br />

für eine gute Stadtentwicklung auf. Wir kämpfen für Chancengleichheit und soziale<br />

Gerechtigkeit vor Ort.<br />

Heute und künftig kommt es weiter darauf an, unsere Städte, Gemeinden und Kreise bei<br />

der Bewältigung der Zukunftsaufgaben zu unterstützen.<br />

In einem Land mit der Größe und Bevölkerungsdichte Nordrhein-Westfalens ist eine funktionstüchtige<br />

Mittelinstanz unverzichtbar. Deshalb halten wir an den bewährten fünf Bezirksregierungen<br />

an ihrem jeweiligen Amtssitz fest. Wir werden ihren Wandel von der<br />

klassischen Aufsichtsbehörde zur modernen Beratungsinstanz als Partner der Kommunen<br />

aktiv fördern. Die beiden Landschaftsverbände leisten einen herausragenden Beitrag zur<br />

sozialen und kulturellen Qualität der Regionalpolitik in unserem Land. Deshalb halten wir<br />

an ihnen fest.<br />

Zu einer lebendigen kommunalen Demokratie gehört für uns auch, die starre Einteilung in<br />

Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben der Gemeinden zu überprüfen. Diese Unterscheidung<br />

ist zumindest in den Bereichen fragwürdig, in denen strukturschwache Gemeinden<br />

auf präventive Ausgaben verzichten müssen, die das Entstehen wesentlich höherer<br />

Kosten <strong>im</strong> Bereich der Pflichtaufgaben verhindern würden, z.B. in der Jugendhilfe<br />

oder bei Investitionen zur energetischen Sanierung, die zu einer Entlastung bei pflichtigen<br />

Aufgaben führen.<br />

Zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung gehört auch eine profilierte Zusammenarbeit<br />

auf regionaler Ebene. Wir haben dem Ruhrgebiet mit dem Regionalverband (RVR)<br />

einen modernisierten regionalpolitischen Rahmen gegeben. Das Ruhrgebiet muss seinem<br />

Anspruch Metropolregion zu sein, gerecht werden. Deshalb sind wir bereit, einvernehmlich<br />

das RVR-Gesetz zu opt<strong>im</strong>ieren. Hierzu zählt für uns selbstverständlich auch die Stärkung<br />

von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung.<br />

Die SPD-geführte Landesregierung wird die kommunale Demokratie in Nordrhein- Westfalen<br />

wieder stärken. Deshalb werden wir einen Kommunalrat einführen, dem kommunale<br />

Mandatsträger, Hauptverwaltungsbeamte und die kommunalen Spitzenverbände angehören.<br />

Dieser Kommunalrat soll bei allen Gesetzesvorhaben und Verordnungen mitwirken,<br />

die die Kommunen betreffen und ein Initiativrecht dem Landtag gegenüber besitzen.<br />

Wir werden die Stichwahl für die kommunalen Personenwahlen wieder einführen. Wir<br />

werden eine gerichtsfeste Sperrklausel für kommunale Vertretungen einführen. Wir werden<br />

dafür sorgen, dass die Bürgermeister-, Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen wieder<br />

an die Kommunalwahlen gekoppelt werden.<br />

Grundsätzlich treten wir für die Zusammenlegung von Wahlterminen ein, um Kosten<br />

niedrig zu halten und eine hohe Wahlbeteiligung zu ermöglichen.<br />

5.2 Kommunalfinanzen in Ordnung bringen<br />

Die finanzielle Situation einer Vielzahl nordrhein-westfälischer Kommunen hat dramatische<br />

Züge angenommen. Durch die Umstellung auf das kaufmännische Rechnungswesen<br />

(Neues Kommunales Finanzmanagement – NKF) wird der ganze Umfang der Dramatik<br />

deutlich: Die ersten Großstädte sind bereits überschuldet, viele weitere Kommunen werden<br />

in den nächsten Jahren trotz ihrer Sparanstrengungen folgen – mit verheerenden<br />

Konsequenzen für ihre Bürgerinnen und Bürger. Dies ist nur zum Teil auf die Auswirkungen<br />

der globalen Wirtschaftskrise zurück zu führen.<br />

Insbesondere die strukturelle Entwicklung in den Großstädten des Ruhrgebiets und des<br />

Bergischen Landes dokumentiert, dass die Finanzausstattung der Kommunen unzureichend<br />

ist. Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass die Kommunen in <strong>NRW</strong> seit Jahren


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

59<br />

schlechter gestellt sind als die in anderen Bundesländern. Die Auswirkungen verschiedener<br />

Fehlentwicklungen wie die Überlastung mit Sozialausgaben treffen insbesondere die<br />

größeren Städte in <strong>NRW</strong>. Die schwarzgelbe Landesregierung hat durch die Abwälzung<br />

zahlreicher Lasten und das ungerechtfertigte Einbehalten von für die Kommunen best<strong>im</strong>mten<br />

Geldern die Lage verschärft.<br />

Wir werden die angemessene Finanzausstattung der Kommunen in der Landesverfassung<br />

verankern.<br />

Wir wollen die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen in <strong>NRW</strong> auf Dauer durch die<br />

verfassungsrechtliche Garantie (§28, Art. 2 GG) einer angemessenen an den Aufgaben<br />

der Kommune orientierten Finanzierung absichern. Dazu wird eine SPD geführte Landesregierung<br />

eine Initiative zur Änderung der Artikel 78, 79 Landesverfassung <strong>NRW</strong> ergreifen“<br />

Ohne eine solche Garantie lehnen wir eine Schuldenbremse in der Landesverfassung<br />

strikt ab. Der Zwang zum Verzicht auf Schulden würde, bei einer ungesicherten Einnahmebasis,<br />

in absehbarer Zeit nur auf Sozialabbau hinauslaufen.<br />

Wir werden verhindern, dass Städte und Gemeinden in ihrer Finanzausstattung weiter<br />

geschwächt werden. Wir werden uns aktiv dafür einsetzen, dass rasch eine Lösung für<br />

das Problem ihrer Altschulden gefunden wird.<br />

Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle für unsere Kommunen. Sie muss<br />

ohne Wenn und Aber erhalten und in der Basis verbreitert werden. Wir machen uns für<br />

eine Entlastung der Kommunen durch die Verbreiterung der Gewerbesteuerumlage stark.<br />

Längerfristig muss die Gewerbesteuer in ein umfassendes, flexibles und sozialverträgliches<br />

kommunales Finanzsystem eingebettet werden.<br />

Wir garantieren die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Eine weitere Verlagerung<br />

von Aufgaben auf die Kommunen, ohne die Bereitstellung der finanziellen Mittel, wird es<br />

mit uns nicht geben.<br />

Wir legen einen „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ auf, der überschuldeten Gemeinden zugute<br />

kommt. Ziel des Paktes ist es, die betroffenen Gemeinden von Zinszahlungen zu entlasten,<br />

um jetzt notwendige Investitionen zu ermöglichen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe soll<br />

dazu beitragen, dass Kommunen wieder ausgeglichene Haushalte beschließen können.<br />

Wir setzen uns dafür ein, hoch verschuldete Städte von Ausgaben für den Solidarfonds zu<br />

entlasten, damit dort die Haushalte konsolidiert werden können.<br />

Wir werden uns gegenüber dem Bund für eine Neuordnung des Systems der Berechnung<br />

des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft gemäß SGB II stark machen. Das bisherige<br />

Berechnungsverfahren führt zu einer klaren Benachteiligung der Kommunen und<br />

muss dringend zu ihren Gunsten überarbeitet werden.<br />

Wir fordern die Bundesregierung auf, mit dem Investitionsprogramm „Soziale Stadt“ dafür<br />

Sorge zu tragen, dass auch <strong>im</strong> Westen Deutschlands Stadtregionen nicht zu Armutsinseln<br />

verkommen und Investitionen <strong>im</strong> sozialen Sektor möglich werden.<br />

Voraussetzung für die beschriebenen entlastenden Hilfen des Landes ist das Grundprinzip<br />

der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Deshalb erwarten wir von den Kommunen, die in den Genuss<br />

der entlastenden Finanzhilfen des Landes kommen wollen, eine seriöse Haushaltspolitik.<br />

Wir werden uns außerdem nachhaltig dafür einsetzen, dass kommunale Unternehmen<br />

auch weiterhin nicht der Umsatzsteuer unterliegen.<br />

5.3 Eine nachhaltige Steuer- und Finanzpolitik<br />

Die finanziellen Handlungsmöglichkeiten unseres Landes lassen insbesondere nach der<br />

weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise in den nächsten Jahren keinen Spielraum für ver-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

60<br />

fehlte und teure Wahlversprechen wie die schwarz-gelben Steuersenkungen auf Pump<br />

der Bundesregierung. Für uns Sozialdemokraten ist klar:<br />

Künftige Generationen dürfen nicht für unseriöse Wahlversprechen und rücksichtsloser<br />

Klientelpolitik in Haftung genommen werden.<br />

Wir werden uns dem verantwortungslosen Steuersenken des Bundes zu Lasten von Ländern<br />

und Kommunen mit aller Macht entgegen stellen. Sinnlose Steuersenkungen sind<br />

Beraubungen der Bürger, weil sie auf die Kürzung von Leistungen hinauslaufen, auf die<br />

diese angewiesen sind.<br />

Für uns Sozialdemokraten gilt: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.<br />

Deshalb setzen wir uns für eine Vermögenssteuer ein. Unabhängig davon soll ein zweiprozentiger<br />

Aufschlag auf den Steuersatz für Spitzenverdiener zweckgebunden den gleichen<br />

Zugang zu Bildungschancen für Alle ermöglichen.<br />

Wir sprechen uns gegen eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes aus. Durch<br />

spekulative Investitionen und unverantwortliches Profitstreben wurde eine gewaltige Finanz-<br />

und Wirtschaftskrise verursacht. Diejenigen die für diesen Zustand verantwortlich<br />

sind, wollen wir durch eine moderate Börsenumsatzsteuer auf den Handel mit Wertpapieren<br />

an der Beseitigung der finanziellen Folgen dieser Krise beteiligen. Gleichzeitig setzen<br />

wir uns dafür ein, dass die Länder und damit auch <strong>NRW</strong> einen festen Anteil am Aufkommen<br />

aus dieser neuen Steuerart erhalten.<br />

Bei jeder staatlichen Hilfe für einzelne Banken muss das Prinzip ‚Keine Leistung ohne Gegenleistung’<br />

strikt beachtet werden. Eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an<br />

den staatlichen Kosten zur Krisenbekämpfung ist sicher zu stellen. Dort wo einzelne Banken<br />

durch individuelles Fehlverhalten von Bankvorständen, Beratern oder sonstigen Verantwortungsträgern<br />

in Not geraten sind, muss dieses Fehlverhalten auch konsequent juristisch<br />

verfolgt und geahndet werden.<br />

Vor dem Hintergrund von Einnahmeeinbrüchen des Staates und wachsender Staatsverschuldung<br />

ist es für uns daneben wichtig, die vorhandenen finanziellen Ressourcen zielgenau<br />

und nachhaltig zu nutzen. Wir wollen in die Zukunft der nächsten Generationen<br />

investieren. In Bildung und Betreuung, aber auch in den Kl<strong>im</strong>aschutz und die Erforschung<br />

neuer Technologien.<br />

CDU und FDP orientieren sich nicht an der Wirklichkeit. Die Ergebnisse ihrer Politik zeigen,<br />

dass man nicht <strong>im</strong> selben Atemzug niedrigere Steuern, den Abbau von Schulden,<br />

mehr Lehrer, mehr Polizisten und zusätzliche Förderprogramme versprechen kann.<br />

Nordrhein-Westfalen steht heute schlechter da als 2005. Mit ihrer Finanzpolitik hat diese<br />

Landesregierung viele Kommunen an den Rand des Ruins gebracht.<br />

Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen starke öffentlich-rechtliche Institute <strong>im</strong> Finanzsystem.<br />

Unsere Sparkassen haben sich in der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise als Ort<br />

von Stabilität und Seriosität erwiesen. Leistungsfähige, dem Gemeinwohl verpflichtete<br />

Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind unverzichtbar für unsere Kommunen. Sie<br />

fördern das ehrenamtliche Engagement <strong>im</strong> sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich<br />

und sind starker und zuverlässiger Partner des Handwerks und der klein- und mittelständischen<br />

Unternehmen vor Ort.<br />

Für die größte und wichtigste Landesbeteiligung, die Westdeutsche Landesbank (WestLB)<br />

muss endlich ein zukunftsfähiges und tragfähiges Geschäftsmodell gefunden werden. Bereits<br />

zu viel Zeit ist durch (partei)politisch motiviertes Taktieren vertan worden. Die<br />

nordrhein-westfälische Landesregierung hat es verpasst, eine aktive und führende Rolle<br />

<strong>im</strong> bundesweiten Konsolidierungsprozess der deutschen Landesbanken zu übernehmen.<br />

Auch für die Sparkassen als Miteigentümer der WestLB müssen weitere finanzielle Belastungen<br />

verhindert werden. Deshalb ist für uns Sozialdemokraten klar, dass eine WestLB


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

61<br />

alleine keine Zukunft <strong>im</strong> öffentlich-rechtlichen Bankensystem hat. Auf der Grundlage der<br />

Umsetzung der Vorgaben der EU-Kommission muss die WestLB daher in einen Fusionsprozess<br />

hineingeführt werden, an dessen Ende bundesweit eine Landesbank stehen soll.<br />

Wir werden zur Umsetzung dieses Zieles mit den Eigentümern der sechs weiteren Landesbanken<br />

in Deutschland Gespräche aufnehmen und in bewährter Zusammenarbeit mit<br />

den Sparkassen eine Lösung für die öffentlich-rechtlichen Landesbanken erreichen. Wichtig<br />

ist: Dieser Fusionsprozess darf nicht zum Einfallstor für Privatisierungen der öffentlichrechtlichen<br />

Landesbanken und der Sparkassen werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

62<br />

Die Linke:<br />

Wahlprogramm DIE LINKE. <strong>NRW</strong> – <strong>Landtagswahl</strong> <strong>2010</strong><br />

Inhalt<br />

Präambel „Original sozial – konsequent solidarisch. Kurswechsel.“<br />

1. Umverteilen – Schutzschirm für Menschen<br />

2. Es ist an der Zeit – LINKE Politik von und für Frauen<br />

3. Sozialer und ökologischer Umbau<br />

4. Alternativen von LINKS – neue Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik<br />

5. Öffentlich statt Privat – öffentliche Daseinsvorsorge stärken<br />

6. Gesundheit ist keine Ware - für ein solidarisches Gesundheitswesen<br />

7. Bildung ist keine Ware<br />

8. Kultur für alle<br />

9. Soziale und gleiche Rechte für alle – aktive Demokratie verwirklichen<br />

10. LINKE Politik für Seniorinnen und Senioren<br />

11. <strong>NRW</strong> stellt sich quer: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen<br />

12. Konsequent für Frieden und Entmilitarisierung<br />

1 Präambel<br />

Original sozial - konsequent solidarisch<br />

1.1 Kurswechsel<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich für einen radikalen Kurswechsel ein: Für eine Politik, in der<br />

nicht die Profite der Konzerne, sondern die Menschen an erster Stelle stehen. Das „Casino“<br />

der Finanzmärkte muss endlich geschlossen und die Wirtschaft demokratisiert werden.<br />

Die Kosten der Krise dürfen nicht auf die Beschäftigten, die Erwerbslosen und die<br />

Rentnerinnen und Rentner abgewälzt werden. Es darf keine Sozialkürzungen und Massenentlassungen<br />

geben. Armut und Ausgrenzung müssen bekämpft werden. Statt milliardenschwerer<br />

Rettungspakete für die Banken fordern wir einen Schutzschirm für die Menschen<br />

in Nordrhein-Westfalen.<br />

Nordrhein-Westfalen ist mit 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern das bevölkerungsreichste<br />

und am dichtesten besiedelte Flächen-Bundesland. Davon hat fast jeder<br />

vierte Mensch einen Migrationshintergrund, jeder Elfte ist ohne deutsche Staatsangehörigkeit.<br />

<strong>NRW</strong> ist wie kaum ein anderes Bundesland von Industrie und Arbeit geprägt und<br />

daher von der Wirtschaftskrise besonders betroffen. In Betrieben wie Opel geht es um<br />

tausende Beschäftigte und ihre Familien. Dazu kommen weitere zigtausend Arbeitsplätze<br />

in anderen Branchen. Die Auswirkung treffen das Ruhrgebiet besonders hart: Hier liegt<br />

die Erwerbslosigkeit deutlich über dem Bundesdurchschnitt, einzelne Revierstädte weisen<br />

sogar eine Erwerbslosenquote auf, die doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt. Aber<br />

auch für Städte <strong>im</strong> ländlichen Raum sind die Krise und der damit verbundene Abbau von<br />

Beschäftigung verheerend, denn häufig sind Betriebe Hauptarbeitgeber einer ganzen Region.<br />

Migrantinnen und Migranten sind besonders betroffen.<br />

Mit 17,9 Prozent ist die Erwerbslosenquote unter ihnen fast doppelt so hoch wie <strong>im</strong> Gesamtschnitt.<br />

Derzeit erlebt die Weltwirtschaft einen Absturz wie noch nie seit der weltweiten Wirtschaftskrise<br />

1929. Wir befinden uns in einer Rezession, die aufgrund der internationalen<br />

Verflechtungen des Handels und der Finanzmärkte einen globalen Abschwung ungekannten<br />

Ausmaßes verursacht hat. Dabei liegen die Ursachen der Krise nicht in irgendwelchen


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

63<br />

Exzessen gieriger Manager, sondern <strong>im</strong> System selbst. Ein massiver Einbruch des Wachstums<br />

in Deutschland ist die Folge – bei allen Zahlen und Statistiken geht es letztendlich<br />

dabei doch um die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen, die sich fundamental<br />

zu verschlechtern drohen. Wie die Geschichte zeigt, bringt der Kapitalismus <strong>im</strong>mer<br />

wieder Krisen hervor, die durch Vernichtung von überakkumuliertem Kapital sowie durch<br />

verschärfte Ausbeutung von Arbeitskräften und natürlichen Ressourcen scheinbar „überwunden“<br />

werden – bis sich die Widersprüche zur nächsten Krise zuspitzen. Die Folgen<br />

dieses kapitalistischen Raubbaus sind katastrophal. Sie rufen nicht nur zunehmende Armut<br />

und Missstände hervor, sondern gefährden das Überleben der Menschen und den<br />

Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.<br />

Das neoliberale Wirtschaftsmodell der Regierungen auf Bundes- und Landesebene ist auf<br />

den Export ausgerichtet, während die Binnenwirtschaft vernachlässigt wird. Um die Exportproduktion<br />

wettbewerbsfähiger zu machen, wurde und wird Lohndumping betrieben.<br />

Mit Hartz IV, Leiharbeit und befristeten Jobs wurde der Niedriglohnsektor geschaffen und<br />

die Umverteilung von unten nach oben weiter befördert. Gleichzeitig weigern sich Bundes-<br />

und Landesregierung hartnäckig, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen und<br />

die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Einhaltung sozialer und tariflicher Standards zu<br />

knüpfen.<br />

Das Resultat zeigt der Armutsbericht der Landesregierung (2007): die Armen wurden<br />

<strong>im</strong>mer ärmer, die Reichen noch reicher. Zwei Drittel aller Vermögen gehören in <strong>NRW</strong> einem<br />

Fünftel der Haushalte. Die reichsten fünf Prozent davon kontrollieren allein fast 30<br />

Prozent des Gesamtvermögens. Rund drei Millionen Menschen leben <strong>im</strong> Gegensatz dazu<br />

in Armut, und über 500.000 Kinder wachsen in <strong>NRW</strong> unter Hartz IV-Bedingungen auf.<br />

Hartz IV und Armut trotz Arbeit darf den Menschen in <strong>NRW</strong> nicht weiter zugemutet werden.<br />

Gleichzeitig betrieb die schwarz-gelbe Landesregierung eine Bildungspolitik, die Kinder<br />

aus einkommensschwachen Familien benachteiligt. Ihre Migrations- und Abschiebepolitik<br />

tritt die Menschenwürde mit Füßen. Die schwarz-gelbe Energiepolitik ist durch die Lobbyarbeit<br />

von RWE und E.ON beeinflusst, und öffentliches Eigentum aus dem Bereich der<br />

Daseinsvorsorge wird an den Meistbietenden verscherbelt. Diesem neoliberalen<br />

Mainstream haben sich auch SPD und Grüne angeschlossen und sind deswegen keine Alternative.<br />

<strong>NRW</strong> braucht einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel: Im Vordergrund stehen dabei die<br />

Stärkung des öffentlichen und privaten Binnenmarktes, Wirtschaftsdemokratisierung und<br />

sozial-ökologische Erneuerung statt Massenentlassungen, Lohnverzicht und Marktbereinigung<br />

auf Kosten der Beschäftigten und der Umwelt. Wirtschaft muss wieder für die Menschen<br />

da sein statt für die Profite einiger weniger Aktionäre. Die Sozialbindung des Eigentums<br />

muss wieder hergestellt werden. Mit einem Konjunkturprogramm und einem demokratisch<br />

kontrollierten Zukunftsfonds für den industriellen Umbau können Hunderttausende<br />

von Arbeitsplätzen in <strong>NRW</strong> mit guter statt prekärer Arbeit gesichert oder neu geschaffen<br />

werden. Öffentliche Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und erneuerbare<br />

Energien müssen ausgeweitet, mehr öffentliches Personal muss eingestellt werden.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert als einzige Partei in <strong>NRW</strong> einen radikalen Politikwechsel. Wir best<strong>im</strong>men<br />

unsere politischen Ziele für die <strong>Landtagswahl</strong> <strong>im</strong> Mai <strong>2010</strong> aus dem Anspruch,<br />

die gesellschaftlichen Verhältnisse in <strong>NRW</strong> ändern zu wollen. Unsere linke Alternative ist<br />

der demokratische Sozialismus. Wir verstehen darunter eine Gesellschaft, welche die<br />

Ausbeutung von Mensch und Natur überwindet. Dies ist nur dann möglich, wenn der Einsatz<br />

natürlicher Ressourcen sowie die Produktion und Verteilung des gesellschaftlichen<br />

Reichtums rational, sozial gerecht, nachhaltig und demokratisch geregelt werden. Nur so<br />

kann die freie Entfaltung jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der freien Entfaltung


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

64<br />

aller werden. Wir fordern einen sofortigen Politikwechsel, der eine völlig neue Richtung<br />

bei der Vermögensverteilung, dem Demokratieausbau, bei der Herstellung gleicher Chancen<br />

und Rechte für alle und be<strong>im</strong> sozialen und ökologischen Umbau zum Schutz der Umwelt<br />

und des Kl<strong>im</strong>as einschlägt.<br />

1.2 Arbeit und Reichtum umverteilen<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist die Partei der Umverteilung von oben nach unten. Wir kämpfen für<br />

soziale Gerechtigkeit und eine solidarische Gesellschaft. Wir stehen an der Seite der außerparlamentarischen<br />

Organisationen und Initiativen in ihrem Kampf um gerechte Löhne<br />

und bessere Arbeitsbedingungen, gegen die Hartz-Gesetze und für eine bessere Versorgung<br />

<strong>im</strong> Alter. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich für einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens<br />

10 Euro, für das Recht auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit<br />

und gegen Lohndumping ein. Wir fordern kostenlosen Zugang zu öffentlichen Einrichtungen<br />

für Erwerbslose und Einkommensschwache - inklusive eines kostenlosen Girokontos -<br />

sowie eine solidarische Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, in die alle Bürgerinnen<br />

und Bürger einzahlen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist die Partei der Arbeitszeitverkürzung ohne Einkommensverluste. Arbeit<br />

muss auf alle gerecht verteilt werden. Wir fordern eine neue Zeitverteilung und -<br />

verfügung. Millionen von Menschen sind erwerbslos, während Millionen andere arbeiten,<br />

bis sie umfallen. Diesem Irrsinn wollen wir ein Ende setzen.<br />

In den vergangenen Jahren haben kurzfristige Gewinninteressen von Finanzmarktakteuren<br />

Unternehmensentscheidungen geprägt. Soll dem Einhalt geboten werden, muss ein<br />

neuer Aufschwung in Richtung einer "sozialen Arbeitsgesellschaft" eingeleitet werden, die<br />

auf einer uneingeschränkten Partizipation der abhängig Beschäftigten beruht. Die ökonomischen<br />

Prozesse sind sowohl auf einzel- als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene<br />

demokratisch zu gestalten und auszusteuern.<br />

Damit nicht länger die Gewinninteressen Weniger über das Schicksal Aller entscheiden,<br />

will DIE LINKE. <strong>NRW</strong> Schritte in eine andere Gesellschaft gehen. In der Verfassung für<br />

das Land <strong>NRW</strong> heißt es in Artikel 27: „Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen,<br />

die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in<br />

Gemeineigentum überführt werden.“ Dabei setzt DIE LINKE. <strong>NRW</strong> auf Wirtschaftsdemokratisierung<br />

und die Pluralität gesellschaftlichen Eigentums.<br />

Dem neoliberalen Leitspruch der Landesregierung ‚Privat vor Staat’ begegnen wir mit der<br />

Forderung nach dem Erhalt und der Rekommunalisierung öffentlicher Güter. Der Sicherung<br />

von Privateigentum und Managementinteressen setzen wir - wie die IG Metall in den<br />

achtziger Jahren <strong>im</strong> Bereich der Stahlindustrie - die Forderung nach Vergesellschaftung,<br />

nach Erhaltung und Ausbau der Mitbest<strong>im</strong>mung entgegen. Wir treten dabei auch für neue<br />

wie alte Formen gesellschaftlichen Eigentums wie die Förderung von Genossenschaften,<br />

Belegschaftseigentum oder öffentliche Beteiligung an privaten Unternehmen ein.<br />

Das muss verknüpft sein mit gesamtgesellschaftlichen Entwicklungszielen wie dem Erhalt<br />

von Arbeitsplätzen in der Krise sowie der Sicherung und sozial-ökologischen Erneuerung<br />

der industriellen Produktion. Denn die Aufrechterhaltung ökologisch schädlicher und ökonomisch<br />

unrentabler Überkapazitäten in staatlichem Eigentum kann keine fortschrittliche<br />

und ökologisch nachhaltige Alternative zur kapitalistischen Krise eröffnen, wenn daraus<br />

resultierende Defizite aus Steuermitteln finanziert werden. Der demokratisch legit<strong>im</strong>ierte<br />

Staat, die gewählte Politik, muss für eine übergreifende wirtschaftspolitische Strategie<br />

sorgen. Deren Eckpunkte bestehen in Vollbeschäftigung, sozialer Sicherheit, ökologischer<br />

Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit. Dazu darf der Staat nicht weiter, gemäß neoliberaler<br />

Diktion, zu einem Anhängsel der Wirtschaft verkümmern, sondern er hat die Wirtschaft<br />

auszusteuern und zu kontrollieren. Sonst besteht die Gefahr, dass <strong>im</strong> Markt- und<br />

Wettbewerbsgeschehen noch weitere wirtschaftliche Machtgebilde entstehen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

65<br />

Ein demokratisches Wirtschaftsreformkonzept verlangt, dass zukünftig staatliche Subventionen<br />

an die Wirtschaft nur noch dann zu gewähren sind, wenn diese Subventionen zu<br />

einer staatlichen Beteiligung an den privatwirtschaftlichen Unternehmen führen und<br />

durch einen demokratischen Beirat gesellschaftlicher Gruppen kontrolliert werden. Dies<br />

muss verbunden werden mit erweiterten Mitbest<strong>im</strong>mungsrechten der Belegschaften. Die<br />

paritätische Mitbest<strong>im</strong>mung und die Mitbest<strong>im</strong>mungsbefugnisse sollen zum Beispiel auf<br />

Standortverlagerungen, Verkäufe und andere unternehmensrelevante Bereiche ausgeweitet<br />

werden. Die Aufsichtsratsvertreterinnen und -vertreter sind auf volkswirtschaftliche<br />

und beschäftigungspolitische Ziele zu verpflichten.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für mehr Mitbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Öffentlichen Dienst: DIE LINKE. <strong>NRW</strong> hat dazu bereits<br />

einen eigenen Gesetzesentwurf erarbeitet, den wir in den Landtag <strong>NRW</strong> einbringen<br />

werden.<br />

• Für eine Neubewertung und Umdeutung von Arbeit, insbesondere eine radikale Arbeitszeitverkürzung,<br />

damit alle Menschen, Männer und Frauen, in den vier Bereichen<br />

tätig sein können, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist und die sie bereichern:<br />

Arbeit in Beruf und Erwerb, in Familie und Partnerschaft, in Gesellschaft und Politik<br />

sowie für die eigene individuelle Weiterentwicklung.<br />

• Für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich: Ziel ist es, durch eine 30-<br />

Stunden-Woche die Arbeit umzuverteilen; als Tarifpartei muss das Land <strong>NRW</strong> Schluss<br />

machen mit den Forderungen nach Verlängerung der Arbeitzeit für die Beschäftigten<br />

<strong>im</strong> Öffentlichen Dienst.<br />

• Für ein öffentliches Beschäftigungsprogramm in <strong>NRW</strong> mit ökologischen und sozial<br />

nachhaltigen Investitionen und vollwertigen Arbeitsplätzen.<br />

• Für Tariftreue, Mindestlohn, ökologische Kriterien und Mindestarbeitsbedingungen<br />

(ILO-Kernarbeitsnormen1) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in <strong>NRW</strong>.<br />

• Die International Labour Organisation hat 4 Grundprinzipien definiert, die ihr Selbstverständnis<br />

und Handeln best<strong>im</strong>men: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivhandeln,<br />

Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit, Verbot der<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung in Beschäftigung und Beruf. Diese wurden in einer Zahl von internationalen<br />

Übereinkommen konkretisiert, die als Kernarbeitsnormen bezeichnet werden.<br />

• Für die Wiederaufnahme der staatlichen Förderung unabhängiger Erwerbslosenzentren<br />

und die Sicherung einer flächendeckenden Beratung.<br />

1.3 Mit Ökologie und Wirtschaftsdemokratie aus der Krise<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist die Partei des sozialen und ökologischen Umbaus. Wir wollen den<br />

kapitalistischen Raubbau beenden, der wachsende Armut und Missstände hervorbringt<br />

und das Überleben der Menschen gefährdet.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für einen branchenübergreifenden, öffentlichen Zukunftsfonds für nachhaltige Industrieinnovationen.<br />

Dieser Fonds bündelt Landesbürgschaften, Kredite und Subventionen<br />

unter Einschluss der Mittel der <strong>NRW</strong>-Bank für Beteiligungen an Industrieunternehmen.<br />

Er soll über eine Anleihe finanziert werden. Die Gelder werden zweckgebunden<br />

für die Umstellung der Produktion auf Ressourcen- und Energieeffizienz, sozial-ökologische<br />

Erneuerung, Qualitätsprodukte und Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe<br />

vergeben. Die längst überfällige Erneuerung, zum Beispiel der Automobilindustrie<br />

und der Energiewirtschaft in <strong>NRW</strong>, muss heute beginnen. Der Zukunftsfonds<br />

wird durch einen Beirat kontrolliert, in dem maßgeblich Vertreterinnen<br />

und Vertreter der öffentlichen Hand, aber auch gesellschaftlicher Gruppen wie Gewerkschaften,<br />

Umwelt- und Sozialverbände, Handels- und Handwerkskammern, Ar-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

66<br />

beitgeberverbände und Sparkassen bzw. <strong>NRW</strong>-Bank, beteiligt sind. Die Vergabe der<br />

Mittel erfolgt als Beteiligung und wird mit Ausweitung der Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte der<br />

Belegschaften, ihrer betrieblichen Vertretungen und Gewerkschaften auf die Geschäftspolitik<br />

verknüpft. Die öffentliche Hand hat in der Vergangenheit und auch heute<br />

in vielen Branchen, wie beispielsweise der Stahlindustrie und <strong>im</strong> Bergbau, gewaltige<br />

Subventionen gezahlt. Hier wurden nicht selten die Verluste sozialisiert und die<br />

Gewinne privatisiert. Das muss sich ändern.<br />

• Für eine neue Strukturpolitik <strong>im</strong> Ruhrgebiet: Mittelfristig wollen wir den Sockelbergbau<br />

erhalten. Gleichzeitig setzen wir auf eine langfristige Strategie, die genügend zukunftsfähige<br />

Ersatzarbeitsplätze für die Bewältigung des Strukturwandels in den vom<br />

Bergbau geprägten Städten des Ruhrgebietes und des Münsterlandes schafft.<br />

• Für ein Zukunftsinvestitionsprogramm für <strong>NRW</strong> (ZIP <strong>NRW</strong>), das die Menschen vor<br />

Massenentlassungen schützt und überfällige sozial-ökologische Erneuerungen ermöglicht.<br />

Ziel dieses Programms ist es, die Defizite <strong>im</strong> Bereich der Bildung, Erziehung,<br />

Pflege, dem ÖPNV, dem Wohnungsbau und <strong>im</strong> Gesundheitsbereich zu überwinden<br />

und den ökologischen Umbau durch Investitionen in regenerative Energien und energetische<br />

Gebäudesanierung voranzutreiben.<br />

1.4 Neue Energiepolitik- und Verkehrspolitik von links<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für eine wirksame und sozial gerechte Umweltpolitik, die die Ausbeutung<br />

von Mensch und Natur überwindet. Wir fordern ein umfassendes Programm zur<br />

Förderung erneuerbarer Energien für <strong>NRW</strong> mit der Perspektive, damit den vollständigen<br />

Energiebedarf zu decken. Dabei stehen wir an der Seite der abhängig Beschäftigten in<br />

den umweltfeindlichen Anlagen: Sie haben ein Recht auf Einkommensschutz und neue<br />

Arbeitsplätze. Der steigende Verbrauch von Rohstoffen, Wasser, Boden und Energie und<br />

die unnötige Aufblähung der Produktion und des Konsums sowie die Produktion von nutzlosen<br />

und schädlichen Produkten zerstören die Umwelt und gefährden das Kl<strong>im</strong>a und die<br />

Lebensgrundlagen der Menschen. Alle übrigen Parteien, die darauf hoffen, dass der Markt<br />

auch die Umweltzerstörung regulieren kann, versagen völlig vor der historischen Aufgabe,<br />

Umwelt und Kl<strong>im</strong>a nachhaltig zu schützen. Kapitalistisches Wirtschaftswachstum sollte<br />

sozial-ökologischem Wirtschaften und einem nachhaltigen Lebensstil weichen. Die privaten<br />

Energiekonzerne in <strong>NRW</strong>, E.ON und RWE, fordern überhöhte Monopolpreise und behindern<br />

die Förderung erneuerbarer Energien. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> sieht sich als Teil der Anti-Atomkraft-Bewegung<br />

und unterstützt aktiv die Proteste gegen die Castor-Transporte<br />

nach Ahaus. Wir engagieren uns auch <strong>im</strong> Rahmen der Proteste gegen die Urananreicherungsanlage<br />

in Gronau und gegen alle Transporte von Atommüll durch <strong>NRW</strong>.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für dezentrale und kommunale Energieversorgungsstrukturen: Die Energiekonzerne<br />

in <strong>NRW</strong> – RWE und E.ON – müssen vergesellschaftet werden. Sie gehören in öffentliche<br />

Hand und müssen demokratisch kontrolliert, perspektivisch entflochten und dezentralisiert<br />

werden. Bereits privatisierte Anteile von Stadtwerken müssen<br />

rekommunalisiert werden. Die Energiepreise werden sozialverträglich gestaltet. Eine<br />

neue Energiepolitik ist an Energieeffizienz, Energieeinsparung, Förderung erneuerbarer<br />

Energien und Kl<strong>im</strong>aschutz auszurichten.<br />

• Für eine soziale und ökologische Verkehrspolitik mit absolutem Vorrang für den öffentlichen<br />

Nahverkehr. Netzdichte, Taktzeiten und Ausstattung von Bussen und Bahnen<br />

müssen insbesondere <strong>im</strong> ländlichen Raum, verbessert und die Preise für Fahrkarten<br />

deutlich gesenkt werden. Wir fordern ein landesweites Nahverkehrsticket verknüpft<br />

mit einem Sozialticket für <strong>NRW</strong>. Langfristig sollte der ÖPNV durch Steuermittel<br />

finanziert werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

67<br />

• Für den energiesparenden ökologischen Ausbau sozialer Wohnungsgebäude, Schulen,<br />

Kindergärten und anderer öffentlicher Bauten und Betriebsgebäude.<br />

• Keine Atomtransporte, für den vollständigen Ausstieg aus der Atomenergie. Keine<br />

Lagerung von Atommüll in Ahaus, die Urananreicherungsanlage in Gronau muss stillgelegt<br />

werden.<br />

• Für eine industriepolitische Kehrtwende in <strong>NRW</strong>: Der Abbau von Überkapazitäten wie<br />

zum Beispiel be<strong>im</strong> Autobau muss mit der Schaffung mindestens ebenso vieler Arbeitsplätze<br />

<strong>im</strong> Bereich der neuen Verkehrssysteme, der ökologischen Energieversorgung<br />

und der Ressourcen schonenden Produkte einhergehen. Statt den Abbau von<br />

tausenden Arbeitsplätzen beispielsweise bei Opel mit Milliardensummen zu subventionieren,<br />

sollte Opel mit Hilfe von Land und Bund zu einem sozialen und ökologischen<br />

Mobilitätskonzern umgebaut werden. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen und<br />

die Arbeitsplätze bei Opel zu retten, fordern wir die Überführung von Opel in öffentliche<br />

Hand verbunden mit der Einführung umfangreicher Belegschaftsanteile.<br />

1.5 Städte und Regionen für Alle<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich in der Raumordnung und Landesplanung für eine nachhaltige<br />

Raumentwicklung ein, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit<br />

seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und für die Herstellung gleichwertiger<br />

Lebensverhältnisse in allen Teilräumen und Regionen des Landes sorgt.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> tritt für eine Verbesserung der Zusammenarbeit sowohl zwischen den<br />

Kernstädten und ihrem Umland als auch zwischen den Städten einer Region ein.<br />

Der Handlungsbedarf in den benachteiligten Stadtteilen besteht jedoch fort. Erfolgreich<br />

können die <strong>Programme</strong> für diese Stadtteile nur sein, wenn sie Bestandteil einer solidarischen<br />

Politik auf gesamtstädtischer und überörtlicher Ebene sind. Die Problemlösung in<br />

den benachteiligten Stadtteilen ist eine langfristige Aufgabe. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert daher<br />

zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in den benachteiligten Stadtteilen den langfristigen<br />

Einsatz von Fördermitteln von EU, Land und Bund. Diese Mittel müssen durch<br />

die Konzentration kommunaler Ressourcen in diesen Stadtteilen ergänzt werden.<br />

In einer emanzipatorischen Stadt- und Regionalentwicklung haben die Einwohnerinnen<br />

und Einwohner das letzte Wort – Aktivierung und Beteiligung, gerade der Benachteiligten<br />

und Ausgegrenzten, werden von der LINKEN. <strong>NRW</strong> daher groß geschrieben.<br />

Um <strong>im</strong> Stadtumbau die Schrumpfung solidarisch gestalten zu können, müssen die vorhandenen<br />

Ansätze eines „Stadtumbaus West“ zu einer integrierten Stadtumbauplanung<br />

auf der Grundlage gesamtstädtischer Untersuchungen und strategischer Stadtentwicklungsplanungen<br />

mit eigenen Verfahren frühzeitiger Information und Bürgerbeteiligung<br />

ausgeweitet werden.<br />

Wohnen ist ein Menschenrecht. Ohne eine gute und sichere Wohnung, die den heutigen<br />

Anforderungen genügt und bezahlbar ist, gibt es kein menschenwürdiges Leben. Deshalb<br />

ist eine öffentliche und soziale Wohnungspolitik eine unverzichtbare Kernaufgabe des<br />

Staates. Ein abgest<strong>im</strong>mtes Programm öffentlicher Förderungen, Regelungen und Unternehmungen<br />

ist erforderlich, um bedarfsgerechte und energetisch verbesserte Wohnungen<br />

zu schaffen, die auch in Zukunft für alle zugänglich und erschwinglich sind.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Das Wohnungsbausondervermögen soll auf Dauer in einer Anstalt öffentlichen Rechts<br />

gesichert werden, deren Geschäfte auch von Vertreterinnen und Vertretern der<br />

Kommunen, der Gewerkschaften und der Mieterverbände kontrolliert werden. Diese<br />

erneuerte Wohnraumförderanstalt soll mit zusätzlichen Haushaltsmitteln ausgestattet<br />

werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

68<br />

• Es soll ein Netzwerk nicht-profitorientierter Wohnungsunternehmen gebildet werden,<br />

die zentrale Träger des sozialen Wohnungsbaus in <strong>NRW</strong> werden.<br />

• Zweckentfremdungsverordnung und Kündigungssperrfristverordnung werden wieder<br />

eingeführt. Auch das Wohnungsgesetz <strong>NRW</strong> (Wohnungspflegegesetz) soll kurzfristig<br />

erneuert werden.<br />

• Für die Wiedereinführung einer Mietpreisbindung in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf<br />

und stark steigenden Mieten.<br />

• Durch eine Bundesratsinitiative zur Schaffung eines Regelwerks mit Mindestanforderungen<br />

an die Wohnungswirtschaft sollen Fondsgesellschaften gezwungen werden,<br />

eine erträgliche Wohnungsbewirtschaftung zu betreiben.<br />

1.6 Öffentlich statt Privat<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich konsequent dafür ein, dass alle Bereiche der Daseinsvorsorge<br />

in <strong>NRW</strong> in öffentliche Hand gehören. In den letzten Jahren wurde öffentliches Eigentum<br />

verscherbelt oder zerschlagen, den privaten Unternehmen wurden die Türen zu Schulen,<br />

Universitäten und öffentlichen Einrichtungen geöffnet. Auf der Strecke bleiben die Rechte<br />

und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Qualität der Versorgung. Wir fordern<br />

eine generelle Abkehr vom Leitspruch „Privat vor Staat“. Energie- und Wasserversorgung,<br />

Gesundheits- und Bildungswesen, sozialer Wohnungsbau und Abfallwirtschaft, öffentlicher<br />

Personenverkehr und kulturelle Einrichtungen sollen uns allen gehören.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für den Erhalt der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Stärkung ihres öffentlichen<br />

Auftrages. Gegen die Privatisierung der WestLB und für den Erhalt ihrer Standorte<br />

in <strong>NRW</strong>. Die WestLB muss auf eine solide und gemeinwohlorientierte Politik<br />

verpflichtet, demokratisiert und in eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt<br />

werden.<br />

• Für den Erhalt und erneuten Ausbau kommunaler und landeseigener Wohnungsbestände<br />

- auch <strong>im</strong> Innenstadtbereich - mit gutem und günstigem Wohnraum für Familien<br />

mit Kindern, Alleinerziehende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung<br />

sowie Menschen mit geringem Haushaltseinkommen.<br />

• Für eine Bau- und Verkehrsplanung in Städten und Gemeinden, in der Bildungs- und<br />

Gesundheitseinrichtungen sowie Betreuungs- und Beratungsangebote wohnortnah<br />

und verkehrsgünstig zu erreichen sind.<br />

• Für den Erhalt von Krankenhäusern in öffentlicher Hand – Gesundheit ist keine Ware.<br />

• Für die Offenlegung sämtlicher Verträge, die zwischen öffentlicher Hand und privaten<br />

Investoren geschlossen werden. Gehe<strong>im</strong>verträge haben <strong>im</strong> Bereich der öffentlichen<br />

Daseinsvorsorge nichts zu suchen.<br />

• Für die finanzielle und rechtliche Stärkung der Kommunen. Eine umfassende Gemeindefinanzreform<br />

einschließlich des Finanzausgleichs des Landes muss sich am<br />

Bedarf der Kommunen orientieren, um ihre Handlungsfähigkeit zu sichern. Für die<br />

hochverschuldeten Kommunen in den Regionen mit einem tiefgreifenden Strukturwandel<br />

muss ein Entschuldungsfonds eingerichtet werden.<br />

• Für die umfassende Rekommunalisierung der Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft.<br />

Auslaufende Konzessionsverträge zwischen Kommunen und privaten Versorgern<br />

müssen dazu genutzt werden, die Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft wieder in<br />

öffentliche Hände zu überführen. Um der EU-Liberalisierungspolitik zu entgehen, sollten<br />

diese Dienstleistungen durch hundertprozentige kommunale Eigenbetriebe erbracht<br />

werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

69<br />

• Für demokratische Kontrolle durch Verbraucherinnen und Verbraucher sowie umfassende<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung der Beschäftigten in den Bereichen des Öffentlichen Dienstes<br />

und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Öffentliche Verwaltungen sind Steuerungsund<br />

Lenkungsinstrumente der Parlamente und Räte.<br />

• Gegen die Privatisierung von Bildungseinrichtungen – Bildung gehört komplett in öffentliche<br />

Hand.<br />

• Für die Überführung des RAG-Konzerns in eine Stiftung öffentlichen Rechts, um die<br />

Folgekosten des Steinkohlebergbaus zu finanzieren, sowie die sozialen und kulturellen<br />

Folgen des langfristigen Auslaufens zu tragen.<br />

• Für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bertelsmann Stiftung, die in Gütersloh<br />

ihren Sitz hat und seit ihrer Gründung 1977 in <strong>NRW</strong> und darüber hinaus systematisch<br />

und durch ein konzernfreundliches Stiftungsrecht steuerlich al<strong>im</strong>entiert die Privatisierung<br />

und Deregulierung wichtiger öffentlicher Einrichtungen und Bereiche (zum Beispiel<br />

Bildung, Gesundheit, Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser) betreibt.<br />

1.7 Bildung ist keine Ware<br />

Für DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist Bildung ein Menschenrecht, denn Bildung befähigt die Menschen,<br />

sich für die eigenen Rechte einzusetzen und sich solidarisch für andere zu engagieren.<br />

Zahlreiche Expertinnen und Experten stellen der Bildungspolitik der regierenden Parteien<br />

ein katastrophales Zeugnis aus: zu viel Ungerechtigkeit, Chancenungleichheit, zuviel Auslese<br />

nach sozialer Herkunft, Zuwanderungsvorgeschichte und Geschlecht. Immer mehr<br />

Kosten und Belastungen werden auf Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern abgewälzt.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert, demokratische Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte von Schülerinnen<br />

und Schülern, Studierenden, Beschäftigten und Eltern zu erweitern.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für Bildung ohne Gebühren oder Beiträge – von der Kita über die Schule und Hochschule<br />

bis zur Fort- und Weiterbildung. Wir wollen die Studiengebühren in <strong>NRW</strong> sofort<br />

abschaffen und den Zugang zu Kitas flächendeckend für alle ohne Gebühren gestalten.<br />

• Für „Eine Schule für Alle“, in der alle Kinder bis zur zehnten Klasse gemeinsam mit<br />

umfassender Ausstattung für die individuelle Förderung lernen – inklusive Lehr- und<br />

Lernmittelfreiheit und kostenlosem, gesundem Schulessen für alle Kinder. Dieses<br />

Konzept wollen wir sofort und nicht über den Weg der Abschaffung der Hauptschule<br />

oder der Einführung von Verbundschulen umsetzen.<br />

• Für die Abschaffung des Turboabiturs nach 12 Jahren, der zentralen Abschlussprüfungen<br />

und der Kopfnoten.<br />

• Für die Einführung eines gemeinsamen Ethikunterrichts als Pflichtfach. Unterricht in<br />

den verschiedenen Religionen wird nach Möglichkeit angeboten, ist jedoch freiwillig.<br />

• Für ein Grundrecht auf Ausbildung und die Stärkung der betrieblichen Ausbildung in<br />

<strong>NRW</strong>. Betriebe, die nicht ausbilden, müssen eine Ausbildungsumlage zahlen, um fehlende<br />

betriebliche Ausbildungsplätze zu finanzieren. Statt Warteschleifen zu finanzieren,<br />

soll das Land in qualifizierte Ausbildung investieren. Die Ausbeutung von Praktikantinnen<br />

und Praktikanten als billige oder sogar kostenlose Arbeitskräfte muss mit<br />

gesetzlichen bzw. tariflichen Mitteln bekämpft werden.<br />

• Für die Rücknahme des so genannten „Hochschulfreiheitsgesetzes“, das den Interessenvertreterinnen<br />

und -vertretern des Kapitals direkten Einfluss auf die Hochschulentwicklung<br />

ermöglicht hat.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

70<br />

• Für die Einleitung eines Studienreformprozesses, in dessen Rahmen gemeinsam mit<br />

den Studierenden Reformmöglichkeiten sowie Studienabschlüsse entwickelt werden;<br />

die derzeitige Umsetzung des Bologna-Prozesses lehnen wir ab.<br />

• Für ein gerechtes Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz <strong>NRW</strong>, das mehr Beschäftigte in<br />

die Lage versetzt, sich politisch und beruflich weiterzubilden. Mehr Zeit und bessere<br />

Finanzierung für Weiterbildung.<br />

1.8 Gleiche Rechte für alle<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für eine humane und menschenrechtsorientierte Politik.<br />

Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland, in dem 4,3 Millionen Menschen nichtdeutscher<br />

Herkunft leben, fast die Hälfte davon ohne deutschen Pass. Für Letztere gelten<br />

Sondergesetze, demokratische Rechte werden ihnen vorenthalten – allen voran das<br />

Wahlrecht. Die herrschende Politik duldet nur Migrantinnen und Migranten, die einen<br />

unmittelbaren ökonomischen Nutzen für die deutsche Wirtschaft bedeuten. Flüchtlinge,<br />

die politisch verfolgt und/oder Opfer der ungerechten Weltwirtschaftsordnung sind, werden<br />

ihrer elementaren Rechte wie des Rechts auf Asyl, auf Freizügigkeit, Arbeit und<br />

Gesundheitsversorgung beraubt. Sie werden in Sammellagern einquartiert oder erst gar<br />

nicht mehr ins Land gelassen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für eine Politik, die allen Migrantinnen und Migranten ein selbst<br />

best<strong>im</strong>mtes Leben ohne Diskr<strong>im</strong>inierung ermöglicht. Integration bedeutet für uns nicht<br />

Ass<strong>im</strong>ilation, sondern Anerkennung und gleichberechtigte Teilhabe.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für eine faire und aktive Integrationsarbeit durch Einbeziehung der Vereine der Migrantinnen<br />

und Migranten, ihrer Organisationen und Verbände.<br />

• Für ein umfassendes Wahlrecht aller hier lebenden Menschen. Die Einbürgerung<br />

muss erleichtert und mehrfache Staatsbürgerschaften akzeptiert werden.<br />

• Für ein wirkliches Recht auf Asyl: Die Abschiebepraxis muss gestoppt, Sammellager<br />

und Abschiebehaftanstalten müssen aufgelöst werden. Alle Sondergesetze zur speziellen<br />

Kontrolle von Menschen ohne deutschen Pass müssen abgeschafft werden.<br />

• Für ein Gesetz zur nachholenden Integration2 auf Landesebene als dauerhafte Arbeits-<br />

und Finanzierungsgrundlage von Selbstorganisationen der Migrantinnen und<br />

Migranten.<br />

1.9 Allen Kindern und Jugendlichen gute Zukunftsperspektiven<br />

Die Armut und Benachteiligung vieler Kinder und Jugendlicher in unserem Land ist ein<br />

Skandal. Sie zu bekämpfen ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und Aufgabe der<br />

LINKEN. Wir setzen uns für Taten statt Worte ein und fordern, neben einer schnellstmöglichen<br />

Anhebung der Hartz IV-Kinderregelsätze, ein Konzept zur Bekämpfung von Kinderarmut<br />

für <strong>NRW</strong>.<br />

Die soziale Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und Familien muss mit Schwerpunkt in<br />

benachteiligten Wohngebieten wiederaufgebaut werden. Landespolitisch sind etwa Jugendzentren,<br />

(Abenteuer-)Spielplätze, Musik- und Volkshochschulen, Museen, Bibliotheken<br />

und Freiflächen zum Spielen zu fördern. Auch Jugendämter, Familieneinrichtungen<br />

und soziale Dienste müssen wieder bessere Rahmenbedingungen und mehr Personal erhalten.<br />

Die Mogelpackung Kinderbildungsgesetz (KiBiz) muss zurückgenommen und gute<br />

Rahmenbedingungen für die Kinder und Beschäftigten in Kitas geschaffen werden. Angesichts<br />

langer Wartelisten für Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren ist ein schneller Ausbau<br />

des Platzangebotes besonders für dieses Alter in altersgemischten Gruppen nötig.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein für:


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

71<br />

• Den (Wieder-)Ausbau einer sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Infrastruktur<br />

für Kinder, Jugendliche und Familien, insbesondere in benachteiligten Wohngebieten.<br />

• Ein Maßnahmenbündel gegen Kinderarmut. Durch landespolitische Schritte und Bundes(rats)-<br />

sowie kommunalpolitische Initiativen müssen Symptome und Ursachen<br />

nachhaltig bekämpft und Gelder dafür zur Verfügung gestellt werden.<br />

• Die Rücknahme des KiBiz, die Schaffung guter Bedingungen für Kinder und Beschäftigte,<br />

insbesondere in Kitas, Ganztagsschulen und Horten, sowie ein zügiger Ausbau<br />

des Platzangebotes für unter Dreijährige.<br />

1.10 Es ist an der Zeit – linke Politik von und für Frauen<br />

Kaum eine andere soziale Bewegung übt so vehement und seit langer Zeit Kritik an den<br />

herrschenden Verhältnissen wie die fortschrittlichen Teile der Frauenbewegung. Sie weiß<br />

um den Skandal entfremdeter Arbeit und stellt nachdrücklich die Verteilungsfrage. Und<br />

wie kaum eine andere Bewegung klagt sie die Gewalt an, auch in ihren int<strong>im</strong>sten und<br />

subtilsten Formen. Sie agiert in dem klaren Bewusstsein, dass das Private von jeher politisch<br />

ist.<br />

Rund 800 Organisationen und Einrichtungen in <strong>NRW</strong> betreiben, überwiegend ehrenamtlich,<br />

eine fundierte Frauen- und Mädchenpolitik. Die Akteurinnen sind Fachfrauen in vielen<br />

Themengebieten, wahrgenommen werden sie jedoch häufig als kompetente Beraterinnen<br />

und Anwältinnen für von Gewalt bedrohte Frauen. Nach unserem Verständnis ist<br />

diese engagierte Frauenpolitik vor allem Menschenrechts- und Sozialpolitik, denn sie wirkt<br />

in alle Lebensbereiche. In <strong>NRW</strong> müssen dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen:<br />

Wir sind gegen Kürzungen in diesem Bereich.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für eine Neubewertung und Umdeutung von Arbeit, insbesondere eine radikale Arbeitszeitverkürzung,<br />

damit alle Menschen, Männer und Frauen, in den vier Bereichen<br />

tätig sein können, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist und die sie bereichern:<br />

Arbeiten in Beruf und Erwerb, in Familie und Partnerschaft, in Gesellschaft und Politik<br />

sowie für die eigene individuelle Weiterentwicklung.<br />

• Für den Ausbau der autonomen Strukturen für Frauen und Mädchen und gegen Mittelkürzungen<br />

für Frauenhäuser, unabhängige Frauenberatungsstellen und Frauenprojekte;<br />

wir wollen die Tagesfinanzierung per Eigenbeteiligung abschaffen und eine<br />

einheitliche Finanzierung der Frauenhäuser in <strong>NRW</strong> sicher stellen.<br />

• Für Gleichstellungsstellen mit umfassenden Mitteln und wirksamen Rechten sowie ein<br />

Verbandsklagerecht von Frauenverbänden und -organisationen.<br />

1.11 <strong>NRW</strong> stellt sich quer: Faschismus ist keine Meinung, sondern<br />

ein Verbrechen<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> kämpft gemeinsam mit der antifaschistischen Bewegung, engagierten<br />

Menschen und den Gewerkschaften gegen die Neonazis, wo <strong>im</strong>mer sie sich zeigen. Eine<br />

starke LINKE trägt mit dazu bei, die Rechte zu vertreiben.<br />

Im Landtag <strong>NRW</strong> und außerhalb der Parlamente setzen wir uns ein:<br />

• Für ein Verbot der NPD und aller neofaschistischen Parteien und Organisationen. Die<br />

V-Leute in der NPD müssen abgezogen werden. Ohnehin fordert DIE LINKE. <strong>NRW</strong> die<br />

Auflösung des Verfassungsschutzes. Ein Parteiverbot kann aber nur ein erster Schritt<br />

sein. Wir stellen uns deshalb konsequent quer überall dort, wo die Neonazis aufmarschieren;<br />

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.<br />

• Für den Ausbau antifaschistischer Jugend-, Kultur- und Aufklärungsarbeit und für eine<br />

Demokratisierung der Gesellschaft, um rassistischen und neofaschistischen Ideologien<br />

den geistigen Nährboden zu entziehen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

72<br />

1.12 Konsequent gegen Krieg<br />

DIE LINKE ist die einzige <strong>im</strong> Bundestag vertretene Friedenspartei. Wir sind gegen jegliche<br />

Kriegsbeteilung und für Abrüstung. Wir lehnen In- und Auslandseinsätze der Bundeswehr<br />

ab. Ihre Auf- und Umrüstung zur weltweiten Angriffsarmee muss gestoppt und rückgängig<br />

gemacht werden. Militärstandorte in <strong>NRW</strong> sind zu schließen. Rüstungsprodukte sind<br />

keine Wirtschaftsgüter, sondern Instrumente zum Töten von Menschen. <strong>NRW</strong> muss ein<br />

Land werden, in dem nicht für den Krieg, sondern für den Frieden geforscht wird. Kooperationen<br />

zwischen Rüstungsindustrie und Hochschulen müssen sofort gestoppt werden.<br />

Wir lehnen alle Werbeauftritte der Bundeswehr wie zum Beispiel an Schulen und in den<br />

Arbeitsagenturen ab und fordern stattdessen die Förderung und Absicherung friedenspolitischer<br />

Projekte in <strong>NRW</strong>. Darüber hinaus wollen wir die aktive Rolle von Frauen in Friedensprozessen<br />

stärker berücksichtigen und fördern.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für einen politischen Kurswechsel in <strong>NRW</strong>. Wir sind jedoch keine<br />

Stellvertreterpartei und versprechen keine Wunder. Für eine starke LINKE und ein soziales<br />

<strong>NRW</strong> benötigen wir die Unterstützung von Vielen. Ein Kreuz an der richtigen Stelle ist<br />

hilfreich, reicht aber allein nicht aus. Deshalb ist der wichtigste Programmpunkt: Mehr<br />

werden – in der Partei, aber auch bei Protesten auf der Straße und bei Streiks in den Betrieben<br />

und Verwaltungen. Eine neue Politik ist nicht nur nötig, sondern dann auch möglich.<br />

2 Umverteilen – Schutzschirm für Menschen<br />

2.1 Einen Schutzschirm für die Menschen - ein Zukunftsinvestitionsprogramm<br />

für <strong>NRW</strong><br />

Die aktuelle Krise ist mehr als nur eine Bankenkrise, sie ist eine Krise des herrschenden<br />

Wirtschaftssystems. Sie markiert den wirtschaftlichen Bankrott des Kapitalismus. Und sie<br />

offenbart eine tief greifende Strukturkrise, die in <strong>NRW</strong> vor allem in der Automobilindustrie,<br />

am Beispiel Opel, und <strong>im</strong> Einzelhandel, in der Verödung der Innenstädte, erkennbar<br />

ist.<br />

Gescheitert ist eine Wirtschaftspolitik, die sich ausschließlich an der Steigerung der Exporterfolge<br />

orientiert und gleichzeitig mit sinkenden Erwerbsseinkommen die Binnennachfrage<br />

ruiniert. Gescheitert ist ebenso eine Arbeitsmarktpolitik, die die steigende Produktivität<br />

nicht mit einer Verkürzung der Arbeitszeit und einer Umverteilung der Gewinne<br />

beantwortet. Stattdessen werden bereits seit Jahren Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen,<br />

Menschen in Erwerbslosigkeit entlassen und so die Grundlage einer nachhaltigen, am<br />

Menschen orientierten Wirtschaft systematisch zerstört. Durch das Angebot von Arbeitskräften<br />

zum Nulltarif bauen Kommunen und Wohlfahrtsverbände massiv Stellen ab und<br />

verdingen stattdessen Ein-Euro-Kräfte, die sie keinen Cent kosten. Der Bundesrechnungshof<br />

beklagt Jahr für Jahr, dass der größte Teil der Ein-Euro-Jobs nicht einmal den<br />

gesetzlichen Vorgaben entspricht.<br />

Die Menschen müssen vor Massenentlassungen geschützt werden. Die lange überfällige<br />

sozial-ökologische Erneuerung der Industrien - wie der Automobilindustrie und der Energiewirtschaft<br />

in <strong>NRW</strong> - muss heute beginnen. Auf die Tagesordnung des Landtages gehört<br />

sofort und auf längere Sicht ein Netz öffentlicher Zukunftsinvestitionen. Die Möglichkeiten<br />

nachhaltigen Wachstums <strong>im</strong> Dienstleistungssektor und der Umbau der Industriegesellschaft<br />

in eine Gesellschaft der Dienstleistungen sowie der nachhaltigen und am Bedarf<br />

der Menschen orientierten Produktion will DIE LINKE. <strong>NRW</strong> sofort auf den Weg bringen<br />

– am besten noch heute.<br />

In den vergangenen Jahren haben kurzfristige Gewinninteressen von Finanzmarktakteuren<br />

Unternehmensentscheidungen geprägt. Damit nicht länger die Gewinninteressen Weniger<br />

über das Schicksal Aller entscheiden, setzt DIE LINKE. <strong>NRW</strong> auf Wirtschaftsdemo-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

73<br />

kratisierung und die Umsetzung der Landesverfassung. Darin heißt es in Artikel 27:<br />

„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen<br />

Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.“ Dabei<br />

setzt DIE LINKE. <strong>NRW</strong> auf die Pluralität gesellschaftlichen Eigentums. “Privat vor<br />

Staat“ begegnen wir mit der Forderung nach dem Erhalt und der Rekommunalisierung<br />

öffentlicher Güter. Der Sicherung von Privateigentum und Managementinteressen setzen<br />

wir - wie die IG Metall in den achtziger Jahren <strong>im</strong> Bereich der Stahlindustrie - die Forderung<br />

nach Vergesellschaftung, nach Erhaltung und Ausbau der Mitbest<strong>im</strong>mung entgegen.<br />

Wir treten dabei auch für die Förderung von Genossenschaften, Belegschaftseigentum<br />

und öffentlichen Beteiligungen an privaten Unternehmen ein. Entscheidungen müssen<br />

transparent und demokratisch kontrollierbar sein. Öffentliche Gelder für Industrieunternehmen<br />

sollen nur als Beteiligung mit erweiterten Mitbest<strong>im</strong>mungsrechten der Belegschaften<br />

und demokratisch über einen Beirat kontrolliert vergeben werden. Die paritätische<br />

Mitbest<strong>im</strong>mung und die Mitbest<strong>im</strong>mungsbefugnisse sollen zum Beispiel auf Standortverlagerungen,<br />

Verkäufe und andere unternehmensrelevante Maßnahmen ausgeweitet<br />

werden. Die Aufsichtsratsvertreterinnen und -vertreter sind auf volkswirtschaftliche und<br />

beschäftigungspolitische Ziele zu verpflichten.<br />

Damit nicht wieder Einzelne über das Schicksal Aller entscheiden, setzt DIE LINKE. <strong>NRW</strong><br />

dabei auf mehr Wirtschaftsdemokratie und Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien.<br />

Öffentliche Bürgschaften dürfen in <strong>NRW</strong> nur gegen entsprechende Eigentumsanteile der<br />

öffentliche Hand und der Belegschaften vergeben werden. Verstaatlichungen und Teilverstaatlichungen<br />

müssen mit demokratischer Kontrolle und erweiterten Mitbest<strong>im</strong>mungsrechten<br />

der Beschäftigten einhergehen. Genossenschaften müssen stärker gefördert und<br />

die demokratische Kontrolle öffentlicher Unternehmen muss verbessert und ausgeweitet<br />

werden. Wir fordern ein Verbot von Massenentlassungen bei Unternehmen, die nicht insolvenzgefährdet<br />

sind, sowie die paritätische Mitbest<strong>im</strong>mung in Betrieben mit mehr als<br />

100 Beschäftigten.<br />

Der Finanztopf in <strong>NRW</strong> ist geschröpft, die Spielräume sind verbaut. Um auf der Landesebene<br />

Wirtschaftspolitik <strong>im</strong> Interesse der Beschäftigten und Erwerbslosen zu machen,<br />

muss der Druck auf den Bund erhöht werden. Ohne eine Umverteilung von oben nach<br />

unten steht der Sozialstaat vor dem Aus - in <strong>NRW</strong> und <strong>im</strong> Bund. Verteilungsgerechtigkeit<br />

gehört nach ganz oben auf die politische Agenda der kommenden Jahre.<br />

Im Rahmen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements ist ein Drittel der kreisfreien<br />

Städte von der Pleite bedroht. Viele Städte und Kreise stehen bereits heute unter Haushaltsaufsicht<br />

der Regierungspräsidenten: Zentrale kulturelle und soziale Dienstleistungen<br />

vor Ort sind vom Rotstift bedroht. Dabei wären Zukunftsinvestitionen in den Kommunen<br />

bitter nötig, um die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern und öffentliche Nachfrage<br />

zu schaffen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht deshalb in der Wirtschafts- und Finanzpolitik für ein Konzept der<br />

Umverteilung von oben nach unten, für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in Bund, Land<br />

und Kommunen. Damit sich die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, will DIE<br />

LINKE. <strong>NRW</strong> eine aktive Rolle der Politik auf allen Ebenen:<br />

Wir fordern eine aktive Politik der Landesregierung für den sozialökologischen<br />

Umbau der Industrie und der Energiewirtschaft. Wir wollen die<br />

finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen wiederherstellen; ein erster<br />

Schritt soll ein Schuldenmoratorium für die finanzschwachen Städte sein. Wir<br />

setzen uns für den Erhalt der öffentlich-rechtlichen Sparkassen und die Stärkung<br />

ihres öffentlichen Auftrages ein. Wir sind gegen die Privatisierung der<br />

WestLB und für den Erhalt ihrer Standorte in <strong>NRW</strong>. Die WestLB muss auf eine<br />

solide und gemeinwohlorientierte Politik verpflichtet, demokratisiert und in


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

74<br />

eine Anstalt öffentlichen Rechts umgewandelt werden. Für uns gehen die<br />

Menschen vor, nicht die Profite der Unternehmen. Nur so kann LINKE Politik<br />

glaubwürdig sein und bleiben.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Bürgschaften und Landeshilfen nur nach dem Grundsatz: Kein Geld ohne Beteiligung<br />

und erweiterte Mitbest<strong>im</strong>mung. Die Vergabe erfolgt über den Zukunftsfonds für Industrieinnovationen<br />

durch einen Beirat, der von der öffentlichen Hand kontrolliert<br />

und darüber hinaus mit Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften, der Wirtschaftsverbände,<br />

der Umweltverbände und anderer gesellschaftlicher Organisationen<br />

besetzt ist. Die Gelder werden demokratisch kontrolliert und zweckgebunden für die<br />

sozial-ökologische Erneuerung der industriellen Produktionsbasis, ihrer Produkte und<br />

Verfahren vergeben. Darüber hinaus treten wird für die Rekommunalisierung öffentlicher<br />

Güter, die Förderung von Genossenschaften und Belegschaftsbeteiligungen sowie<br />

die Überführung der Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die<br />

wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung für <strong>NRW</strong> haben, in Gemeineigentum<br />

ein.<br />

• Für ein Zukunftsinvestitionsprogramm für <strong>NRW</strong> (ZIP <strong>NRW</strong>), das die Menschen vor<br />

Massenentlassungen schützt und überfällige sozial-ökologische Erneuerungen ermöglicht.<br />

Ziel dieses Programms ist es, die Defizite <strong>im</strong> Bereich der Bildung, Erziehung,<br />

Pflege, dem ÖPNV, dem Wohnungsbau und <strong>im</strong> Gesundheitsbereich zu überwinden<br />

und den ökologischen Umbau durch Investitionen in regenerative Energien und energetische<br />

Gebäudesanierung voranzutreiben.<br />

• Zur Wiederherstellung der finanziellen Handlungsfähigkeit überschuldeter Kommunen<br />

müssen diese durch die Einrichtung eines Landesfonds eine Perspektive zur Entschuldung<br />

bekommen, wie sie auch der DGB in <strong>NRW</strong> fordert. Dieser Landesfonds soll aus<br />

Mitteln des ZIP für <strong>NRW</strong> finanziert werden.<br />

• Die Rücknahme der Beschränkungen des § 107 der Gemeindeordnung zur Wiederherstellung<br />

der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Städte und Kreise. Als<br />

praktischen Schritt zur Rekommunalisierung der Energiewirtschaft richtet die <strong>NRW</strong>-<br />

Bank einen Sonderfonds zum Schutz der Stadtwerke vor weiteren Privatisierungen<br />

und der Rückführung privater Beteiligungen in öffentliches Eigentum ein.<br />

• Den Schutz der Sparkassen vor drohender Privatisierung durch Rücknahme der Verpflichtung<br />

zur Ausweisung von Trägerkapital <strong>im</strong> Landessparkassengesetz.<br />

• Ein Sonderprogramm zinsgünstiger Kredite, die an kleine und mittelständische Unternehmen<br />

vergeben werden.<br />

2.2 Armut bekämpfen – gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen<br />

Eine wachsende Zahl von Menschen in Nordrhein-Westfalen ist von massiver Armut betroffen.<br />

Während <strong>NRW</strong> das Bundesland mit den meisten Millionärinnen und Millionären<br />

ist, leben ca. 1,6 Millionen Menschen von Hartz IV, darunter allein etwa 500.000 Kinder.<br />

In den Großstädten des Ruhrgebiets ist inzwischen nahezu jedes dritte Kind auf Hartz IV-<br />

Leistungen angewiesen. Durch die aktuelle Wirtschaftskrise wird diese Situation noch<br />

einmal dramatisch verschärft. Großkonzerne wie ThyssenKrupp und Arcandor nutzen die<br />

Krise für massiven Arbeitsplatzabbau, wodurch die ohnehin bereits hohe Erwerbslosigkeit<br />

wiederum erheblich zun<strong>im</strong>mt. Während durch die sogenannten Hartz-Reformen nur noch<br />

etwa 25 Prozent der Erwerbslosen das beitragsfinanzierte ALG I erhalten, rutschen 75<br />

Prozent bei Erwerbslosigkeit direkt in die Armutsfalle Hartz IV. Dadurch kommen auf die<br />

kommunalen Haushalte erneut erhebliche Mehrbelastungen zu, obwohl diese in <strong>NRW</strong> bereits<br />

mehrheitlich unter Nothaushaltsrecht stehen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

75<br />

Doch nicht nur Hartz IV drückt den Armutsverhältnissen seinen Stempel auf. Insbesondere<br />

die Wohnungs- und SeniorInnenpolitik ist Ausdruck dafür, dass neoliberale Politik die<br />

Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreibt. Die systematische Streichung der Fördermittel<br />

für den sozialen Wohnungsbau hat dazu geführt, dass das Angebot von preiswerten<br />

Wohnungen ständig reduziert wird. Deshalb werden an oder unterhalb der Armutsgrenze<br />

lebende Menschen gezwungen, in unzulänglichen oder menschenunwürdigen Wohnungen<br />

zu leben. Auch die überwiegende Masse der Seniorinnen und Senioren wird durch diese<br />

Politik <strong>im</strong>mer stärker ausgegrenzt. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich dafür ein, auf kommunaler<br />

und Landesebene Maßnahmen zu treffen, das Leben <strong>im</strong> Alter durch seniorInnengerechte<br />

Angebote attraktiver zu machen, wie zum Beispiel kostenlose bzw. preiswerte Fahrdienste<br />

und Altenbegegnungsstätten in den Stadtteilen.<br />

Die wachsenden Armutsverhältnisse sind <strong>im</strong> Wesentlichen durch Hartz IV geprägt. Gute<br />

tarifliche Arbeitsverhältnisse <strong>im</strong> Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft werden<br />

zunehmend durch ungesicherte Beschäftigung ersetzt, in die Hartz IV-Beziehende gezwungen<br />

werden: Teilzeit- und Leiharbeit, Ein-Euro-Jobs und Praktika. DIE LINKE. <strong>NRW</strong><br />

setzt in diesem Bereich einen Schwerpunkt, um auf Landes- und kommunaler Ebene einen<br />

Richtungswechsel durchzusetzen. Hartz IV unterliegt zwar der Bundesgesetzgebung,<br />

doch werden in wesentlichen Bereichen die entscheidenden politischen Weichen in den<br />

Ländern und Kommunen gestellt. So entscheiden die örtlichen ARGEN in eigener Regie,<br />

ob Langzeiterwerbslosigkeit in Form von Ein-Euro--Jobs verfestigt wird, ob die Kinderarmut<br />

durch verweigerte Lernmittelkosten ständig zun<strong>im</strong>mt oder ob die Mietkosten nur in<br />

einer Höhe erstattet werden, zu der jedoch auf dem Wohnungsmarkt keine Wohnung erhältlich<br />

ist. Die Folge davon sind entweder „Zwangsumzüge“, oder die betroffenen Menschen<br />

zahlen die Differenz aus ihrem Regelsatz, was ihre finanzielle Situation weiter verschlechtert.<br />

Die Landespolitik hat Handlungsmöglichkeiten, auf die Armutsverhältnisse mit entsprechenden<br />

Landesprogrammen einzuwirken. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat jedoch<br />

die Spielräume zumeist gegen die von Armut Betroffenen genutzt: So wurden den Beratungsstellen<br />

für Erwerbslose die Fördermittel vollständig gestrichen, so dass diese wichtigen<br />

Anlaufstellen vielerorts geschlossen werden mussten. Anstatt be<strong>im</strong> Land und in den<br />

Kommunen neue sozialversicherungspflichtige tariftreue Arbeitsplätze zu schaffen, werden<br />

Erwerbslose in menschenverachtende und völlig perspektivlose Ein-Euro-Jobs gedrückt.<br />

Einen <strong>im</strong> Landtag eingebrachten Antrag auf Einführung eines landesweiten Sozialtickets<br />

hat Schwarz-Gelb ebenfalls abgelehnt. Diese unsoziale Politik geht jedoch nicht<br />

nur auf das Konto von CDU und FDP. Auch SPD und Grüne halten grundsätzlich an dem<br />

menschenverachtenden Hartz IV-System fest, indem sie in den Kommunen sowohl Ein-<br />

Euro-Jobs als auch die Nichterstattung von Mietkosten und das repressive Sanktionssystem<br />

mittragen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich gemeinsam mit zahlreichen außerparlamentarischen Initiativen<br />

für eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung ein, die <strong>im</strong> wesentlichen<br />

enthalten muss: die Anhebung des derzeitigen Regelsatzes von 359 auf mindestens 500<br />

Euro; den sofortigen Stopp der Zwangsumzüge; einen Richtungswechsel in der Arbeitsmarktpolitik,<br />

die die öffentlichen Gelder in den Abbau der Langzeiterwerbslosigkeit statt<br />

in die Verwaltung von Erwerbslosigkeit investiert sowie die Abschaffung des repressiven<br />

Sanktionssystems.<br />

Viele Menschen kommen aufgrund von Erwerbslosigkeit oder anderen Schicksalsschlägen<br />

in eine Notlage, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen. Als Folge neoliberaler Politik<br />

verschärft sich ihre Lebenssituation und es droht Verelendung, Verwahrlosung und <strong>im</strong><br />

schl<strong>im</strong>msten Fall die Obdachlosigkeit. Um dieser Situation rechtzeitig entgegenzusteuern,<br />

müssen von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen Anlaufstellen und Ansprechpartnerinnen<br />

und Ansprechpartner bekommen, denn ohne Hilfe von außen kann ein Einzelner oder ei-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

76<br />

ne Einzelne kaum einen Ausweg finden. Das Land <strong>NRW</strong> hatte in 2008 zeitweise die Mittel<br />

für „Hilfen für Wohnungslose“ aus dem Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes<br />

Wohnen sichern“ eingestellt. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> wird sich dafür einsetzen, dass<br />

der Landeshaushalt auch in Zukunft ausreichend Geld zur Weiterführung des Landesprogramms<br />

zur Unterstützung von wohnungslosen Menschen zur Verfügung stellt. Ein<br />

Mensch, der nicht aus freien Stücken auf der Straße leben möchte, soll nicht auf der<br />

Straße leben müssen. Wir wollen uns auch dafür einsetzen, dass Wohnungslose eine gute<br />

und zuzahlungsfreie medizinische Versorgung erhalten.<br />

DIE LINKE.<strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die Abschaffung aller Ein-Euro-Jobs und Kombilohnstellen, stattdessen Besetzung aller<br />

offenen Stellen <strong>im</strong> Öffentlichen Dienst und Schaffung neuer tariftreuer und sozialversicherungspflichtiger<br />

Stellen bei Bund, Land und Kommunen und ihren Töchtern<br />

bzw. Beteiligungen durch entsprechende Beschäftigungsprogramme.<br />

• Den sofortigen Stopp der Zwangsumzüge und die Aufstockung der von den Kommunen<br />

zu tragenden Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Bezieherinnen und -Bezieher in<br />

ausreichendem Umfang durch Landeszuschüsse.<br />

• Ein Sanktionsmoratorium bei allen ARGEN in <strong>NRW</strong>.<br />

• Die Einführung eines landesweiten Sozialpasses mit Sozialticket.<br />

• Den Wiedereinstieg in die Landesförderung für die zum 1.10.2008 geschlossenen Erwerbslosenberatungsstellen<br />

und Erwerbslosenzentren.<br />

• Die Förderung unabhängiger und solidarischer Initiativen und Beratungen von und<br />

für Erwerbslose und Grundsicherungs-Abhängige.<br />

• Die Weiterführung und Ausweitung von <strong>Programme</strong>n der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe.<br />

• Die Einführung von ermäßigten Fahrdiensten bzw. Taxis für Menschen ab dem 65.<br />

Lebensjahr.<br />

• Die Sicherung und den Ausbau der wohnortnahen sozialen Infrastruktur wie Bürgerhäuser,<br />

Jugendzentren, Altenbegegnungsstätten, Sozialen Diensten in Jugendämtern,<br />

(SchuldnerInnen-)Beratungsstellen und öffentliche Kindertagesstätten.<br />

• Die erneute Ausweitung von öffentlich-sozialem Wohnungsbau durch das Land und<br />

die Kommunen mit bezahlbaren Mieten für alle Menschen. Dabei sind besonders die<br />

Bedürfnisse von kinderreichen und alten Menschen sowie Menschen mit Behinderungen<br />

zu berücksichtigen.<br />

• Ein Wohnungsprogramm, das insbesondere den von Armut betroffenen Menschen<br />

Rechnung trägt.<br />

2.3 Zukunft für unsere Kinder und Jugendlichen in <strong>NRW</strong><br />

„In Deutschland wächst die Kluft zwischen den Kindern, die gesund, abgesichert und gefördert<br />

aufwachsen, und solchen, deren Alltag durch Hoffnungslosigkeit, Mangel und<br />

Ausgrenzung geprägt ist.“ [UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2008]<br />

Familie ist für uns da, wo Menschen füreinander soziale Verantwortung übernehmen. Sie<br />

alle brauchen gesellschaftliche Unterstützung. Ob Eheleute, Partnerschaften ohne Trauschein,<br />

homosexuelle Eltern, Alleinerziehende oder „Patchwork-Familien“ – sie alle brauchen<br />

mehr Zeit, eine hochwertige, flächendeckend erreichbare Infrastruktur und gezielte<br />

soziale Leistungen. Sie alle brauchen ein Leben in Sicherheit, für sich und für ihre Kinder<br />

und für ein gesundes, fröhliches Miteinander. Sie alle brauchen materielle Sicherheit, Gesundheit,<br />

(Aus-)Bildung und stabile Beziehungen in ihrem sozialen und kulturellen Umfeld.<br />

Kindern und ihren Familien steht unabhängig von ihrer sozialen Herkunft ein angemessener<br />

Anteil am materiellen, sozialen und kulturellen Reichtum der Gesellschaft zu.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

77<br />

Im reichen <strong>NRW</strong> ist die Situation vieler Kinder, Jugendlicher und Familien eine völlig andere.<br />

Schon vor der Wirtschaftskrise <strong>im</strong> Jahr 2007 lebten in <strong>NRW</strong> rund 775.000 Kinder<br />

und Jugendliche in einkommensschwachen Haushalten. Fast eine halbe Million von ihnen<br />

sind Kinder unter 15 Jahren, die in so genannten Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften leben.<br />

Kinderarmut ist <strong>im</strong> reichen <strong>NRW</strong> ein Armutszeugnis für die Politik. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht<br />

an der Seite der Kinder und Jugendlichen und setzt sich gegen dieses Unrecht ein.<br />

In der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik des Landes liegen Welten zwischen Anspruch<br />

und Wirklichkeit. Jahrelange Mittelkürzungen, wie zuletzt be<strong>im</strong> Landesjugendplan und<br />

durch das KiBiz, sowie der Abbau von Qualitätsstandards verschärfen die Probleme der<br />

jungen Generationen vor Ort. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt,<br />

Kinderarmut zu bekämpfen und Chancengleichheit herzustellen. Leider ist es bei<br />

Lippenbekenntnissen und einer halbherzigen Symptombekämpfung geblieben. Der Landesfonds<br />

„Kein Kind ohne Mahlzeit“ steht derzeit nur Grundschulkindern offen. Kinder in<br />

Kitas bleiben ausgeschlossen. Die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder sind nach wie vor viel<br />

zu niedrig, um den Bedarf eines Kindes oder Jugendlichen zu decken. Die Landesregierung<br />

verschleppt den Ausbau der Strukturen zur Tagesbetreuung unter Dreijähriger. Weiterhin<br />

setzt die Landesregierung auf Selektion <strong>im</strong> Schulbereich, statt Schule als Orte der<br />

sozialen Verteilungsgerechtigkeit zu verstehen und endlich einen Ganztag für alle Kinder<br />

auf hohem Niveau durchzusetzen. So ist die Möglichkeit, Kinder und Beruf zu vereinbaren,<br />

ein Privileg derer, die sich private Betreuung leisten können. Für viele Eltern und<br />

Kinder bedeutet das Zusammentreffen von Erwerbs- und Sorgearbeit vor allem eine Spirale<br />

aus Belastung, schlechtem Gewissen und Druck.<br />

In den letzten Jahren fand ein sozialer Kahlschlag bei Frauen- und SchuldnerInnenberatungs-<br />

und Jugendzentren, Kitas, Schw<strong>im</strong>mbädern, Bibliotheken und anderen Einrichtungen<br />

der öffentlich-sozialen Infrastruktur statt. Auf diese Einrichtungen sind jedoch einkommensschwache<br />

Familien besonders angewiesen. Vor allem in benachteiligten Stadtteilen<br />

und Sozialräumen unserer Städte und Landkreise ist daher der Aufbau einer sozialen<br />

Infrastruktur dringend notwendig. Als einen Schritt, um die soziale Spaltung in <strong>NRW</strong><br />

in arme und reiche Gebiete aufzulösen, setzt sich DIE LINKE. <strong>NRW</strong> für eine Landesförderung<br />

des Bund-Länder-Programms Soziale Stadt ein. So kann das Programm weitere Regionen<br />

und Stadtteile ausgedehnt werden. Im Zusammenhang damit fordern wir den<br />

(Wieder-)Ausbau von wohnortnahen sozial-kulturellen sowie niedrigschwelligen Beratungsangeboten<br />

insbesondere für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Selbst verwaltete<br />

Kinder- und Jugendzentren sind durch ein Landesprogramm auszubauen. Aufgrund der<br />

hohen (Neubau-)Bebauungsdichte und der zum Teil starken Verkehrsbelastung mangelt<br />

es häufig an Spielplätzen unter freiem H<strong>im</strong>mel und damit an für Kinder und Jugendliche<br />

gefahrlos zugänglichen und gestaltbaren Gebieten. Stattdessen werden Spielplätze, die<br />

zum Teil diesen Namen nicht verdienen, als Ersatzräume geschaffen. DIE LINKE. <strong>NRW</strong><br />

setzt sich für eine angemessene öffentliche Infrastruktur in jedem Wohnviertel ein. Wir<br />

fordern Kinder- und Abenteuerspielplätze, Begegnungsstätten, Freizeitangebote, aber<br />

auch Kindergärten und Kindertagesstätten.<br />

Die Situation von Kindertagesstätten und Horten war in den vergangenen Jahren geprägt<br />

durch die Schließung von Einrichtungen, die Entlassung von Erzieherinnen und Erziehern,<br />

die Einführung der Teilzeitarbeit und das Ansteigen von Elternbeiträgen für Betreuung<br />

und Essen. Die vielerorts vorhandenen Hortstrukturen wurden <strong>im</strong> Zuge des Ausbaus von<br />

Ganztagsschulen durch die Regierung Rüttgers zerstört. Das 2008 in Kraft getretene Kinderbildungsgesetz<br />

(KiBiz) spart auf dem Rücken der Kinder, Erzieherinnen und Erzieher,<br />

der Eltern sowie der Qualität der Angebote. Es verschlechtert die Rahmenbedingungen<br />

für (früh-)kindliche Bildung und verschärft über kommunal unterschiedlich hohe Elternbeiträge<br />

die soziale Ungleichheit. Zudem zeichnet sich ab, dass der Ausbau der Kitaplätze<br />

für unter Dreijährige viel zu langsam vonstatten geht. Die LINKE. <strong>NRW</strong> macht sich des-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

78<br />

halb für eine Rücknahme des KiBiz und den schnellen Ausbau kostenloser, qualitativ<br />

hochwertige Kindertagesbetreuungsangebote stark, in denen Kinder gemeinsam groß<br />

werden.<br />

In Zeiten hoher Kinder- und Familienarmut ist eine funktionierende Kinder-, Jugend- und<br />

Familienhilfe besonders notwendig, um grundlegende Lebensrisiken von Betroffenen abzuwenden.<br />

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Jugendämter und sozialen<br />

Dienste können ihren Aufgaben jedoch <strong>im</strong>mer weniger gerecht werden. Nicht wenige<br />

sind psychisch ausgebrannt. Gründe dafür liegen <strong>im</strong> gestiegenen Problemdruck bei<br />

Kindern, Jugendlichen und ihren Familien bei gleichzeitigem Personalmangel. Die Zahl der<br />

In-Obhut- und Herausnahmen von Kindern und Jugendlichen steigen aufgrund von „Kindeswohlgefährdung“<br />

durch Jugendämter. Immer mehr Familien benötigen Hilfen zur Erziehung,<br />

die von den Kommunen aufgrund leerer Kassen kaum noch bezahlt werden<br />

können. Die kommunalen Jugendämter müssen zusätzliche Aufgaben eines erweiterten<br />

Kinderschutzauftrags bewältigen, die ihnen die Landes- und die Bundesregierung aufbürden.<br />

Die Kommunen brauchen für diese Arbeit Geld von Land und Bund, damit der Personalschlüssel<br />

dem Bedarf angepasst werden kann. Die Landesjugendämter in Trägerschaft<br />

der Landschaftsverbände und die Landschaftsverbände selbst müssen erhalten<br />

bleiben, um den kommunalen Jugendämtern mit Beratung und Fortbildung zur Seite zu<br />

stehen.<br />

Im Gegensatz zur heutigen Praxis in der Politik sind Kinder und Jugendliche als gleichberechtigte<br />

Persönlichkeiten, als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft und als Trägerinnen<br />

und Träger von Rechten anzuerkennen. Deshalb setzt sich DIE LINKE. <strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Land<br />

und in den Kommunen für das Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren bei allen Wahlen<br />

ein. Außerdem sollen sie Mitspracherechte bei den Fragen, die Kinder- und Jugendlichen<br />

betreffen, zum Beispiel durch Beteiligungsformen wie Kinder- und Jugendforen, Runde<br />

Tische, Kinder- und Jugendparlamente, bekommen. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> unterstützt die Einrichtung<br />

von Kinderbüros und Kinder- und Jugendbeauftragten sowie die gezielte Förderung<br />

von Kinder- und Jugendmedien.<br />

Nach wie vor sind kostenfreie Angebote für Freizeit, Bildung und Kultur sowie zur Prävention,<br />

Beratung und Hilfe für Kinder und Jugendliche unzureichend. Zudem ist die Chancengleichheit<br />

von Mädchen und Jungen auch in der Jugendarbeit längst nicht verwirklicht.<br />

Viele Angebote sind auf Jungen ausgerichtet. Die Umsetzung des Jugendhilfeplanes<br />

als wichtigste Basis für eine bedarfsgerechte Jugendhilfe hinkt der Wirklichkeit hinterher.<br />

Die kurzfristige und zeitlich begrenzte Förderpraxis von Land und Kommunen verhindert<br />

eine langfristige fachliche und personelle Kontinuität.<br />

Kinder brauchen Wohnbedingungen, die eine eigenständige, individuelle Entfaltung möglich<br />

machen. Besonders unter den Gesichtspunkten der Selbstverwirklichung, der selbstbest<strong>im</strong>mten<br />

Lebensgestaltung und der Abnabelung vom Elternhaus gilt es, Jugendliche in<br />

ihrem Anspruch auf eigenen Wohnraum zu unterstützen. In <strong>NRW</strong> gibt es <strong>im</strong>mer noch zu<br />

wenig alternative Wohn- und Lebensformen für Jugendliche. Dies kann durch günstige<br />

Mietkonditionen, Erbbaupachtverträge oder alternative Genossenschaften unterstützt<br />

werden. Der öffentlich geförderte Wohnungsbau muss flächendeckend ausgebaut werden.<br />

Kinder dürfen materiellen Mangel nicht als Makel oder Schuld ihrer Familien erfahren.<br />

Sie haben das Recht auf ein Lebensumfeld und einen Alltag, in dem soziale Kompetenz<br />

und ein solidarisches Miteinander selbstverständlich gelebt werden können.<br />

Armut ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Bereits <strong>im</strong> Kindergartenalter ist dies<br />

ein Risiko. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten leiden häufiger an Übergewicht,<br />

mangelnder Zahngesundheit und psychosomatischen Beschwerden – zum Teil mit<br />

lebenslangen Folgen. Die gesundheitspolitischen „Verschl<strong>im</strong>mbesserungen“ der letzten<br />

Jahre, wie Praxisgebühr, Zuzahlungen, teure Medikamente und Kürzungen von Mutter-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

79<br />

Kind-Kuren, haben vor allem in verarmten Familien dazu geführt, dass Belastungen und<br />

Krankheit nicht aufgefangen werden. Chronische Krankheiten und psychosomatische Reaktionen<br />

sind die Folge. Kinder und Eltern sind die Leidtragenden dieser Entwicklung.<br />

Dem wollen wir durch ein solidarisches Gesundheitswesen für alle entgegentreten.<br />

Psychische Reaktionen bei Kindern und Jugendlichen breiten sich vor allem bei jenen aus<br />

armen Elternhäusern aus. Inzwischen haben laut Robert-Koch-Institut zehn bis zwölf Prozent<br />

der Grundschulkinder und bis zu 20 Prozent der Jugendlichen solche Probleme. Es<br />

ist ein Skandal, dass in <strong>NRW</strong> nur etwa zehn Prozent der behandlungsbedürftigen Kinder<br />

ausreichend versorgt werden. Der Mangel an Therapieplätzen zeigt sich sowohl <strong>im</strong> stationären<br />

und teilstationären als auch <strong>im</strong> ambulanten Bereich. Dies führt zu Wartezeiten von<br />

durchschnittlich sechs bis neun Monaten. Gesundheitsminister Laumann entschied trotz<br />

dieser Problematik, untätig zu bleiben. Hier ist eine schnelle politische Entscheidung erforderlich,<br />

die sich an den Bedürfnissen der jungen Menschen orientiert. Es gibt keine<br />

„unnormalen“ Kinder, sie reagieren lediglich auf die Gesellschaft, in der sie leben. Immer<br />

mehr werden an und in dieser Gesellschaft krank.<br />

Die LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Ein Maßnahmenbündel gegen Kinderarmut, das durch landespolitische Instrumente<br />

und bundes(rats-)politische Initiativen Symptome und Ursachen nachhaltig bekämpft,<br />

indem mehr Mittel dafür umverteilt werden. Eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze<br />

als Sofortmaßnahme und perspektivisch eine eigenständige Grundsicherung für Kinder<br />

sind dazu erste Teilschritte, denen landespolitische Maßnahmen folgen müssen.<br />

• Eine langfristige Landesförderung des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“, damit<br />

es auf weitere benachteiligte Regionen und Stadtteile ausgedehnt werden kann. Wir<br />

sind für ein qualitativ hochwertiges, an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen<br />

ausgerichtetes, öffentliches Betreuungsangebot und gegen<br />

„Aufbewahranstalten“.<br />

• Den Ausbau von Plätzen in wohnortnahen Kitas und Horten, insbesondere für unter<br />

Dreijährige und bedarfsorientiert für Schulkinder bis zu einem Ganztag für alle Kinder.<br />

• Kostenfreie Betreuung und Mahlzeiten für alle Kinder in allen<br />

Kindertagesstätteneinrichtungen und die Bereitstellung von Mitteln zur Instandsetzung<br />

und -haltung der Gebäude und Anlagen.<br />

• Den Erhalt der Landesjugendämter bei den Landschaftsverbänden, sowie die personelle<br />

Stärkung der Jugendhilfe in den Kommunen durch das Land.<br />

• Ein <strong>NRW</strong>-Jugendhilfenetzwerk <strong>im</strong> Bereich der Prävention und Beratung auf Basis einer<br />

kontinuierlichen Jugendhilfeplanung.<br />

• Die finanziell angemessene Unterstützung des Landesjugendrings und der Jugendverbände.<br />

• Die Bereitstellung zusätzlicher Landesförderung bei Freizeiteinrichtungen und die Auflage<br />

eines Programms zur Schaffung von möglichst selbstverwalteten Jugendzentren.<br />

• Ein Sofortprogramm zur Schaffung und Finanzierung bedarfsgerechter Kapazitäten in<br />

der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die flächendeckend mit kurzen Wartezeiten nach<br />

dem Prinzip „ambulant vor teilstationär vor stationär“ in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft<br />

arbeitet, stärker mit der Kinder- und Jugendhilfe verzahnt und angemessen<br />

mit Personal ausgestattet ist.<br />

• Den (Wieder-)Ausbau einer sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Infrastruktur<br />

für Familien und Kinder besonders in benachteiligten Sozialräumen durch landespolitische<br />

Fördermaßnahmen, so dass die Angebote für Geringverdienende kostenfrei


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

80<br />

sind. Dies betrifft neben Beratungsstellen auch Bibliotheken, Bürgerzentren, Musikund<br />

Volkshochschulen, Museen und alternative Kulturzentren.<br />

• Den Ausbau niedrigschwelliger Beratungsangebote für Familien und Kinder bzw. Jugendliche<br />

in schwierigen Lebenslagen und in benachteiligten Sozialräumen.<br />

• Die Sicherung des Wunsch- und Wahlrechts der Eltern zwischen Kindertageseinrichtungen<br />

verschiedener Träger in ihrem Wohngebiet.<br />

• Die Garantie von den Wohnumfeldern geöffneten und gebührenfreien Kindertageseinrichtungen<br />

mit kleineren Gruppen.<br />

• Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum für Familien und junge Menschen sowie<br />

die Förderung alternativer und generationenübergreifender Wohnformen.<br />

• Die Schaffung und Erhaltung von kinder-, jugend- und familienfreundlichen Wohngebieten.<br />

Neben Spielplätzen sollten freie Plätze, Hinterhöfe und verkehrsberuhigte<br />

Straßen zum Spielen bereitgestellt werden.<br />

• Die Schaffung und Erhaltung von betreuten Abenteuer- und Naturspielplätzen für jedes<br />

Wetter, auch für Kinder und Jugendliche mit Handicaps, die Förderung der mobilen<br />

Spielbetreuung <strong>im</strong> öffentlichen Raum (Spielmobil) und den Bau wohnortnaher<br />

Freiflächen für Freizeitsport (Bolzplätze, Graffitiflächen, Skater- und Streetball-<br />

Anlagen).<br />

2.4 Gute Arbeit für <strong>NRW</strong><br />

Arbeit ist mehr als Broterwerb. Wir verstehen unter Arbeit alle Tätigkeiten, mit denen der<br />

und die Einzelne zur Reproduktion der Gesellschaft beitragen. Wir lehnen es ab, Arbeit<br />

auf Erwerbsarbeit zu begrenzen, denn der größte Teil der täglich zu leistenden Arbeit<br />

wird unentgeltlich verrichtet. Würde diese nicht bezahlte Arbeit in der Haushaltung, in der<br />

Erziehung, Sorge und Pflege, <strong>im</strong> Ehrenamt und <strong>im</strong> Kulturbereich nicht getan, könnte auch<br />

die in Lohnarbeit investierte Arbeitskraft sich <strong>im</strong> gesellschaftlichen Maßstab nicht reproduzieren.<br />

Die Deregulierungspolitik der beiden letzten Jahrzehnte hat den Ausbau prekärer Beschäftigung<br />

gefördert. Sie hat dazu beigetragen, dass die Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses<br />

zurückgeht.<br />

In <strong>NRW</strong> leben 23 Prozent aller Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. Das sind knapp<br />

130.000 Menschen. Sie arbeiten selten in ihrem erlernten Beruf und verdienen <strong>im</strong> Durchschnitt<br />

35 bis 45 Prozent weniger als die Stammbelegschaften. Etwa zwölf Prozent erhalten<br />

ein so niedriges Einkommen, dass sie ergänzend Hartz IV beziehen müssen. Aber<br />

auch Beschäftigte in anderen Arbeitsverhältnissen müssen zunehmend aufstocken – das<br />

heißt, sie nehmen zu ihrem Vollzeitjob Hartz IV in Anspruch, weil ihr Lohn nicht zum Leben<br />

reicht. Unter diesen Bedingungen arbeiten überproportional viele Migrantinnen und<br />

Migranten. Sie sind von prekärer Beschäftigung besonders betroffen. Dies trifft vor allem<br />

dann zu, wenn sie über einen unsicheren Aufenthaltsstatus, niedrige oder keine Qualifikation<br />

verfügen oder als Drittstaatsangehörige einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

haben.<br />

Wer prekär beschäftigt ist, befindet sich in einer eigentümlichen Schwebelage. Einerseits<br />

hat er oder sie das Muster der ,,Normalarbeit’’ <strong>im</strong>mer noch vor Augen und die Hoffnung,<br />

diese zu erreichen. Andererseits ist er oder sie ständig von dauerhafter sozialer Ausgrenzung<br />

bedroht. Prekär Beschäftigte sind die ersten, denen in Krisenzeiten Entlassungen<br />

drohen. Ihnen werden bevorzugt die unangenehmen Arbeiten aufgebürdet.<br />

Die prekär Beschäftigten sind in einem Betrieb eine ständige Mahnung für die noch in<br />

Vollzeit und unbefristet Beschäftigten. Sie stellen fest, dass ihre Arbeit mit gleicher Qualität<br />

auch von Menschen bewältigt wird, die dafür Arbeits- und Lebensbedingungen akzeptieren,<br />

denen sie selbst nicht zust<strong>im</strong>men wollen. Auch wenn beispielsweise Leiharbeite-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

81<br />

rinnen und Leiharbeiter sowie befristet Beschäftigte <strong>im</strong> Betrieb meist nur kleine Minderheiten<br />

sind, wirkt ihre bloße Gegenwart disziplinierend auf die Stammbelegschaften. Die<br />

Existenz prekärer Arbeitsverhältnisse schafft auf dem gesamten Arbeitsmarkt ein Kl<strong>im</strong>a<br />

von Angst und Unsicherheit und mindert das Durchsetzungsvermögen der Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer.<br />

Beschäftigungsformen mit hohem prekärem Potential betreffen besonders häufig Frauen.<br />

Auch Teilzeitarbeit ist ein überwiegend weibliches Phänomen. Junge Menschen <strong>im</strong> Alter<br />

von 15 bis 24 Jahren sind in den letzten zehn Jahren zunehmend stärker auf prekäre Arbeitsverhältnisse<br />

angewiesen. Menschen mit Migrationshintergrund stehen auf dem Arbeitsmarkt<br />

insgesamt schlechter da, sie haben eine geringere Beschäftigungsquote, werden<br />

relativ gesehen häufiger in Teilzeit und geringfügig beschäftigt, sind doppelt so oft<br />

von Erwerbslosigkeit betroffen und beziehen dre<strong>im</strong>al so oft staatliche Hilfen.<br />

Bei länger andauernder prekärer Beschäftigung lassen sich keine Rentenansprüche erwerben,<br />

die den Lebensunterhalt <strong>im</strong> Alter decken. Leiharbeit ist sozial abgesichert wie<br />

das normale Arbeitsverhältnis – allerdings nur formal. Es bestehen wegen der geringen<br />

Beschäftigungsstabilität sowie der niedrigen Einkommen faktische Nachteile. Prekäre Beschäftigung<br />

hat außerdem Auswirkungen auf die Psyche, also auch auf die Würde der<br />

Menschen.<br />

DIE LINKE.<strong>NRW</strong> setzt sich dafür ein, dass prekäre Beschäftigung abgebaut<br />

und Existenz sichernde Arbeit aufgebaut wird. Wer arbeitet, muss einen anständigen<br />

Lohn erhalten, sicher in die Zukunft blicken können und arbeitsrechtlich<br />

abgesichert sein. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die Beschäftigten<br />

mitbest<strong>im</strong>men können und ihre Arbeit sie nicht krank macht. Dafür<br />

werden wir uns <strong>im</strong> Landtag stark machen und Bundesratsinitiativen anstoßen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die Abschaffung von Minijobs und nicht- oder unterbezahlten Praktika als Formen<br />

prekärer Beschäftigung.<br />

• Eine Neuverteilung von Arbeit durch gesetzliche und tarifliche Arbeitszeitverkürzung.<br />

• Die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungs- und steuerpflichtige Jobs.<br />

• Sozialversicherungspflicht für jede Stunde Arbeit.<br />

• Ein Verbot von Leiharbeit; bis dahin wollen wir das Prinzip ,,gleicher Lohn für gleiche<br />

Arbeit’’ in der Leiharbeit ab dem ersten Arbeitstag ohne Ausnahme durchsetzen; darüber<br />

hinaus sollten Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter nicht länger als sechs Monate<br />

an ein Unternehmen entliehen werden dürfen.<br />

• Die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund abzuschaffen.<br />

• Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von zehn Euro pro Stunde.<br />

2.5 Für einen neuen Ladenschluss statt Arbeiten ohne Ende<br />

Mit der Föderalismusreform 2006 sind die Bundesländer für die Regelung der Verkaufszeiten<br />

zuständig. Seit November 2006 gilt in Nordrhein-Westfalen das von der schwarzgelben<br />

Regierung verabschiedete Ladenöffnungsgesetz. Danach können Geschäfte von<br />

Montag bis Samstag Tag und Nacht öffnen. Ausnahmen gelten nur für Sonn- und Feiertage.<br />

Die Gewinnerinnen der Gewinner dieses Gesetzes sind die Großen, vor allem die<br />

großen Lebensmitteldiscounter. Sie öffnen ihre Geschäfte bis Mitternacht gestützt auf die<br />

Arbeitskraft geringfügig und oft untertariflich bezahlter Beschäftigter. Verliererinnen und<br />

Verlierer sind die regulär Beschäftigten <strong>im</strong> Einzelhandel und die kleinen Einzelhändlerinnen<br />

und Einzelhändler. Das Ladenöffnungsgesetz ist beschäftigtenfeindlich und befördert<br />

den Verdrängungswettbewerb.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

82<br />

Darüber hinaus geht es bei der Frage der Ladenöffnung um mehr als den freien Konsum.<br />

Die Ausweitung der Öffnungszeiten <strong>im</strong> Einzelhandel folgt dem allgemeinen Trend der<br />

Ausweitung der Betriebsnutzungszeiten. Und das hat Konsequenzen für die Lebens- und<br />

Arbeitszeiten der <strong>im</strong> Einzelhandel – überwiegend weiblichen – Beschäftigten. Bei Arbeitszeiten<br />

samstags zwischen 16 und 20 Uhr und teilweise bis 24 Uhr sowie sonntags zwischen<br />

8 und 18 Uhr gibt es praktisch kein freies Wochenende mehr. Von einem Großteil<br />

des gesellschaftlichen sowie des Familienlebens, das an Wochenenden stattfindet, sind<br />

sie somit ausgeschlossen. Der Kampf um die Ladenöffnung ist also ein Kampf um die<br />

Länge und Lage der Arbeitszeit der <strong>im</strong> Einzelhandel Beschäftigten. Die Ausweitung der<br />

Ladenöffnung vernichtet reguläre Beschäftigung und befördert Lohndumping und Ausbeutung.<br />

Mit 80 Prozent weiblichen Beschäftigten betrifft dies in erster Linie Frauen, die<br />

sich somit in einem besonders familienfeindlichen Arbeitsumfeld befinden. Oft sind sie<br />

geplagt von einem schlechten Gewissen gegenüber Kindern und Familie und zerrissen<br />

zwischen den Anforderungen dort und an ihrem Arbeitsplatz. Dies führt auch zu gesundheitlichen<br />

Problemen und schlussendlich zu Resignation, innerer Kündigung und Aufgabe<br />

des Arbeitsplatzes.<br />

Viele Beschäftigte <strong>im</strong> Einzelhandel haben insbesondere bei den späten Ladenöffnungszeiten<br />

am Abend das Problem, sicher nach Hause zu kommen. Das Angebot des öffentlichen<br />

Nahverkehrs ist zu diesen Zeiten nicht mehr ausreichend, und wenige der zahlreich weiblichen<br />

Beschäftigten können sich ein Auto leisten. Oft besetzen große Einzelhandelsketten<br />

kleinere Verkaufsstellen mit wenigen oder sogar nur mit einer oder einem Beschäftigten.<br />

Der Schutz vor Überfällen und somit die Sicherheit der Beschäftigten bleibt dabei völlig<br />

unbeachtet.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die Abschaffung des Ladenöffnungsgesetzes in der jetzigen Form.<br />

• Die vollständige Überarbeitung der Öffnungszeiten in einem neuen <strong>NRW</strong>-<br />

Ladenschlussgesetz.<br />

• Eine umfassende Einarbeitung von Arbeitsschutzregelungen <strong>im</strong> Sinne der <strong>im</strong> Einzelhandel<br />

Beschäftigten.<br />

2.6 Mehr Demokratie durch mehr Mitbest<strong>im</strong>mung<br />

Mit der Neufassung des Landespersonalvertretungsgesetzes <strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Oktober 2007 durch<br />

die schwarz-gelbe Regierung wurde eines der bis dahin in der Bundesrepublik fortschrittlichsten<br />

Landespersonalvertretungsgesetze drastisch verschlechtert. Dank der Landesregierung<br />

gibt es heute nur noch wenige Handlungsspielräume der Vertretungen von Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmern bei Kündigungen oder befristeten Arbeitsverhältnissen.<br />

Auch bei der Mitbest<strong>im</strong>mung in organisatorischen Angelegenheiten (zum Beispiel bei<br />

Privatisierungen und der Einführung flexibler Arbeitszeiten sowie neuer Arbeitsmethoden)<br />

sind die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschnitten worden. Seit dem<br />

Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind die abhängig Beschäftigten und die Beamtinnen<br />

und Beamten noch mehr als bisher der Willkür der öffentlichen Arbeitgeber ausgeliefert.<br />

Die Einrichtungen und Betriebe der öffentlichen Daseinsvorsorge sind die Stützpfeiler der<br />

Gesellschaft. Nach Auffassung der LINKEN. <strong>NRW</strong> haben die Kommunen und das Land<br />

<strong>NRW</strong> eine besondere Verantwortung. Wir wollen eine Verbesserung der öffentlichen<br />

Dienstleistungen. Zu einer leistungsfähigen und kommunalen Daseinsvorsorge in<br />

Nordrhein-Westfalen gehört die gleichberechtigte Mitsprache der Beschäftigten. Das entspricht<br />

Artikel 26 der Landesverfassung <strong>NRW</strong>, welcher für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

eine „gleichberechtigte Mitbest<strong>im</strong>mung bei der Gestaltung der wirtschaftlichen<br />

und sozialen Ordnung“ vorsieht.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

83<br />

DIE LINKE.<strong>NRW</strong> tritt für die Stärkung demokratischer Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte<br />

und somit für ein modernes Landespersonalvertretungsgesetz ein. Sie hat einen<br />

Gesetzesentwurf entwickelt, der den Kahlschlag rückgängig macht und<br />

ein fortschrittliches, wegweisendes Mitbest<strong>im</strong>mungsrecht verankert.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Den Ausbau der bisherigen Mitwirkungs- und Anhörungsrechte zu echten Mitbest<strong>im</strong>mungsrechten.<br />

• Die Verankerung von Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzungen der <strong>im</strong> Gesetz festgeschriebenen<br />

Rechte durch die Arbeitgeber – wie es auch <strong>im</strong> Betriebsverfassungsgesetz<br />

vorgesehen ist.<br />

2.7 Für einen starken Öffentlichen Dienst<br />

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte vor ihrem Amtsantritt in 2005 vollmundige Versprechungen<br />

und Garantien für den Öffentlichen Dienst abgegeben. Das war nichts anderes<br />

als Betrug an den Wählerinnen und Wählern. Gnadenlos wurde das Lohnniveau gesenkt,<br />

und die Arbeitssituation verschlechterte sich stetig. Viele Beschäftigte stehen vor<br />

einem Burnout-Syndorm, das durch die hohe Arbeitsbelastung verursacht ist. Alle Beschäftigten<br />

des Öffentlichen Dienstes haben in den vergangenen Jahren harte Einschnitte<br />

hinnehmen müssen. Die Landesregierungen waren sich nicht zu schade, die öffentlichen<br />

Kassen für die Ausplünderung durch die in- und ausländische Bankenbranche zur Verfügung<br />

zu stellen. Die <strong>im</strong>mer in Aussicht gestellte „Konsolidierung der öffentlichen Haushalte“<br />

war nicht mehr als ein vorgeschobenes Argument für eine brutale Umverteilung von<br />

unten nach oben. Damit muss Schluss sein. Ohne einen starken Öffentlichen Dienst als<br />

wichtigster Arbeitgeber <strong>im</strong> Land können die Herausforderungen, die vor uns liegen, nicht<br />

bewerkstelligt werden.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Mehr Personal überall, mehr Geld für mehr Beförderungen <strong>im</strong> öffentlichen Dienst.<br />

• Mehr Arbeitsplatzsicherheit für die Beschäftigten des Landes: Schluss mit mehrfach<br />

verlängerten Befristungen <strong>im</strong> Angestelltenbereich.<br />

• Schluss mit der enormen Arbeitsdichte. Menschen dürfen nicht länger wie Maschinen<br />

bis an den Rand des Möglichen ausgebeutet werden.<br />

• Weg mit der Kostendämpfungspauschale. Schluss mit den strengen Beihilferegelungen.<br />

Überführung in die gesetzliche Krankenversicherung.<br />

• Das Anzeigen korruptiver Sachverhalte darf nicht länger kr<strong>im</strong>inalisiert werden. Die<br />

Beschäftigten müssen über diese Problematik stärker aufgeklärt und dafür sensibilisiert<br />

werden.<br />

• Der Öffentliche Dienst muss seiner Vorbildfunktion für die Wirtschaft <strong>im</strong> positiven<br />

Sinne gerecht werden.<br />

• Das Streikrecht auch für Beamte.<br />

3 Sozialer und ökologischer Umbau<br />

3.1 Neue finanzpolitische Perspektiven für <strong>NRW</strong><br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist die einzige Partei, die den Fehlentwicklungen <strong>im</strong> Haushalts- und Finanzbereich<br />

auf den Grund geht. Wir kritisieren die Spaltung in Arm und Reich, die das<br />

Geldvermögen bei wenigen konzentriert und Spekulationen anheizt. Die Folgen der verfehlten<br />

schwarz-gelben Haushalts- und Finanzpolitik in <strong>NRW</strong> waren umfassende Kürzungen<br />

<strong>im</strong> Sozial-, Kinder-, Jugend-, Frauen- und Umweltbereich. Andererseits hat die


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

84<br />

schwarz-gelbe Landesregierung eine massive Klientelpolitik betrieben mit dem Ergebnis:<br />

Arme werden <strong>im</strong>mer ärmer und Reiche <strong>im</strong>mer reicher in <strong>NRW</strong>.<br />

Wir wenden uns seit Jahren gegen die verfehlte Liberalisierung der Finanzmärkte. Auch in<br />

Deutschland und besonders in <strong>NRW</strong> wurden windige Finanzprodukte, Kreditverbriefungen<br />

und Hedge-Fonds gefördert - durch absurde Steuerbefreiungen und neue Gesetze, die<br />

Spekulationen Vorfahrt gewähren. Die Bankenaufsicht wurde in den vergangenen Jahren<br />

geschwächt. Die Milliardenverluste der WestLB, die zu Lasten des Landeshaushalts und<br />

der kommunalen Haushalte und Sparkassen gehen, sind nicht zuletzt das Ergebnis dieser<br />

falschen Politik. Deshalb sind CDU und FDP in <strong>NRW</strong>, aber auch die vorherige rot-grüne<br />

Landesregierung mitverantwortlich für die Milliardenzeche, die wir jetzt alle zahlen.<br />

Ein System, das die Profitinteressen einer kleinen Minderheit über alles stellt, bringt massive<br />

Ungerechtigkeiten und soziale Verwerfungen, Umweltzerstörung und Krieg hervor.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert eine Gemeindefinanzreform, die zukünftige Investitionen und die<br />

Tätigkeiten der Kommunen sicherstellt. Die Unternehmenssteuerreform muss zurückgenommen<br />

werden. Insbesondere fordern wir die Rücknahme der Senkung der Körperschaftsteuer<br />

sowie die Verbreiterung ihrer Bemessungsgrundlage. Dieses Geld wird dringend<br />

für Investitionen in die Zukunft gebraucht.<br />

<strong>2010</strong> wird <strong>NRW</strong> einen Rekordschuldenberg in Höhe von rund 130 Milliarden Euro haben.<br />

Das sind etwa 25 Milliarden Euro mehr als vor fünf Jahren, als CDU und FDP <strong>im</strong> Jahr<br />

2005 die Regierung übernahmen. Konkret hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Gesamtschulden<br />

des Landes in fünf Jahren um über 20 Prozent erhöht. Der Schuldendienst<br />

beträgt fünf Milliarden Euro jährlich und zehrt so rund zehn Prozent des Gesamthaushalts<br />

auf - Tendenz steigend. Auch die Neuverschuldung beträgt in den nächsten Jahren rund<br />

6,5 Milliarden Euro jährlich. Zudem hat die WestLB ein Milliardendefizit verursacht, und<br />

das Krisenmanagement der schwarz-gelben Landesregierung bei der WestLB hat die Katastrophe<br />

verschärft.<br />

Die kommunale Finanzausstattung befindet sich in einer strukturellen Schieflage. In den<br />

vergangenen Jahren lag der durchschnittliche Anteil der Kommunen am gesamten Steueraufkommen<br />

nur noch bei rund drei Prozent. Die massive Verschuldung der Kommunen<br />

in <strong>NRW</strong> lag 2009 bei einem neuen Rekordstand von rund 15 Milliarden Euro. Dieser ist<br />

seitdem rasant weiter gestiegen. Immer mehr Kommunen müssen ein Haushaltssicherungskonzept<br />

aufstellen, weil sie ihren Haushalt nicht ausgleichen können.<br />

Die finanzielle Handlungsunfähigkeit der kommunalen Ebene hat verheerende Auswirkungen<br />

für den Arbeitsmarkt und die örtliche Wirtschaft. Die weiter steigenden Ausgaben<br />

sowie die aufgelaufenen Fehlbeträge aus Vorjahren führten dazu, dass auch 2008 nur<br />

wenige Kommunen in <strong>NRW</strong> einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichten, also ohne<br />

Eingriff in die Substanz oder den Abbau von Eigenkapital den Haushalt ausgleichen konnten.<br />

Die Situation der Kommunen wurde zudem durch die Landesregierung und die schwarzgelbe<br />

Koalition verschärft. Die Rückführung der Nettoneuverschuldung des Landes wurde<br />

zulasten der Kommunen erreicht. Strukturelle Zuweisungen wurden entzogen und zusätzliche<br />

Belastungen aufgebürdet. Das Land hat sich <strong>im</strong> Zeitraum 2006 bis 2008 um fast 2,4<br />

Milliarden Euro auf Kosten der Kommunen saniert. Die schwarz-gelbe Landesregierung<br />

und ihre Landtagsmehrheit brechen die Landesverfassung und missachten das<br />

Konnexitätsprinzip. Insgesamt bleibt kein Spielraum für dringend benötigte kommunale<br />

Investitionen. Die Sachinvestitionen verharren auf einem sehr niedrigen Niveau.<br />

Um den finanzpolitischen Spielraum des Landes und der Kommunen zu vergrößern, setzt<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> auf die Stärkung der Einnahmeseite. Da es kaum steuerpolitische gesetzgeberische<br />

Kompetenzen auf Landesebene gibt, fordern wir vor allem eine Bundesratsinitiative<br />

zur Wiedereinführung der Vermögensteuer als Millionärsteuer und Börsen-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

85<br />

umsatzsteuer, die Ausweitung der Erbschaftsteuer und die Stärkung der von den Kommunen<br />

erhobenen Gewerbesteuern.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> wird neue Finanzquellen aufzeigen, die auf Landesebene, unabhängig<br />

von der Zust<strong>im</strong>mung des Bundes, erschlossen werden können: Für den Handel wollen wir<br />

eine Verkaufsflächensteuer einführen. Landesweit sollen alle Unternehmen nach der Verkaufsfläche<br />

ihrer Gebäude gleich besteuert werden, sofern diese 20.000 qm übersteigt.<br />

Filialen von Einkaufsketten sollen zusammengezählt werden. Dies brächte nicht nur Geld<br />

in die Kassen des Landes, sondern hätte zusätzliche eine sinnvolle Lenkungswirkung, weil<br />

der Flächenverbrauch von Einkaufszentren und Filialbetrieben begrenzt würde. Die Rationalisierung<br />

und der Personalabbau durch den Trend zum großflächigen Handel mit möglichst<br />

wenig Personal könnte gestoppt werden.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Eine Steuerreform zugunsten der Armen und Beschäftigten, zulasten der großen Unternehmen<br />

und der Vermögenden.<br />

• Eine aktive Beschäftigungspolitik, die, ausgehend von staatlichen Investitionsprogrammen,<br />

in die öffentliche Infrastruktur gemäß dem gesellschaftlichen Bedarf (sozialer<br />

Wohnungsbau, Stadtentwicklung, öffentlicher Verkehr, Umweltschutz, Gesundheit)<br />

auch Steuerreformen in Angriff n<strong>im</strong>mt und dabei Gewinne und hohe Einkommen<br />

zur Finanzierung heranzieht.<br />

• Die Wiedereinführung der Vermögensteuer als Millionärsteuer, die Erhöhung der Erbschaftsteuer<br />

und die Rücknahme der Unternehmensteuerreform auf Bundesebene.<br />

• Die Möglichkeiten für Verlustvor- und -nachträge bei der Gewerbesteuer zeitlich und<br />

der Höhe nach zu begrenzen. Die Gewerbesteuerumlage von den Gemeinden an<br />

Bund und Länder wird gänzlich abgeschafft.<br />

• Die Einstellung von mindestens 500 zusätzlichen Betriebsprüferinnen und -prüfern<br />

bzw. Steuerfahnderinnen und Steuerfahndern, um die korrekte Besteuerung von Unternehmen<br />

und Vermögenden zu kontrollieren.<br />

• Eine grundlegende Änderung des kommunalen Finanzsystems unter Berücksichtigung<br />

der demografischen Situation ebenso wie die der besonderen Funktion von Städten.<br />

• Die Beendigung der interkommunalen Konkurrenzsituation und die damit verbundene<br />

Gewerbesteuersenkungsspirale, damit es in vergleichbaren Städten und Kommunen<br />

zu gleichen Gewerbesteuerhebesätzen kommt.<br />

• Die Neuausrichtung der Grundsteuer unter verstärkter Berücksichtigung ökologischer<br />

und stadtentwicklungspolitischer Belange. Dazu werden die längst veralteten Bewertungsgrundlagen<br />

(Einheitswerte) durch eine realistische, gleichmäßige Bewertung<br />

von Grund- und Immobilienvermögen abgelöst.<br />

• Ein umfassendes Entschuldungsprogramm für die kommunale Ebene, insbesondere<br />

was die Altschulden betrifft, die durch chronische Unterfinanzierung der gesetzlichen<br />

Pflichtaufgaben angehäuft worden sind.<br />

• Die Entkoppelung von Fördergeldern und Eigenbeiträgen für arme Kommunen.<br />

• Die Neuverhandlung des Solidarpakts II mit dem Ziel, alle bedürftigen Kommunen<br />

unabhängig von ihrer geografischen Lage einzubeziehen.<br />

• Die Neuordnung der Anteile des Bundes, der Länder und insbesondere der Kommunen<br />

an den Gemeinschaftssteuern. Ziel ist es, gerade den finanzschwächeren Kommunen<br />

stetig und deutlich mehr Geld zukommen zu lassen. Dazu soll der Anteil der<br />

Kommunen an der Umsatzsteuer erhöht werden.<br />

• Die Wahrung des Konnexitätsausführungsgesetzes3 bei der Verlagerung von Aufgaben<br />

des Landes auf die Kommunen und die Einschränkung der Rechte der Kommunalaufsicht<br />

zum Eingriff in die kommunalen Haush


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

86<br />

• Eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs und des kommunalen Finanzausgleichs<br />

in den Ländern, damit in angemessener Weise die Ziele Defizitfinanzierung, Erhöhung<br />

der kommunalen Investitionskraft, Herstellung von Chancengleichheit perspektivisch<br />

erreicht werden können.<br />

• Die Umstellung der Landes- und der kommunalen Haushaltssystematik von der Kameralistik<br />

auf das neue kommunale Finanzmanagement (NKF) darf in der Praxis nicht<br />

zu einem weiteren Einzug betriebswirtschaftlicher Philosophie in die Verwaltungen<br />

führen.<br />

3.2 Für eine tariftreue und sozialökologische Vergabepolitik<br />

Die Erklärung des Europäischen Gerichtshofes, eine Tariftreueverpflichtung verstoße gegen<br />

die Dienstleistungsfreiheit, ist ein Schlag ins Gesicht für die Gewerkschaften, die jahrelang<br />

für die Belange der abhängig Beschäftigten gekämpft haben. Dieses Urteil öffnet<br />

Lohndumping und dem Abbau von Rechten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Tür<br />

und Tor. Deshalb fordert DIE LINKE. <strong>NRW</strong> eine gesetzliche Verankerung der Tariftreueverpflichtung,<br />

damit die Grundrechte der Menschen höher stehen als Profitinteressen:<br />

Unternehmen, die Aufträge aus öffentlicher Hand erhalten, müssen Tariflöhne zahlen. Die<br />

Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen muss erleichtert werden, damit sie<br />

für alle Beschäftigten gilt. Maßgebend für die Vergabepolitik an Unternehmen soll deren<br />

Bereitschaft sein, eine gesellschaftliche Gegenleistung zu erbringen und soziale und ökologische<br />

Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört die Transparenz der Unternehmenspolitik<br />

gegenüber den Beschäftigten sowie den Behörden, die Mitgliedschaft <strong>im</strong> Arbeitgeberverband<br />

als Voraussetzung für tariflich gebundene Arbeit und Mitbest<strong>im</strong>mung,<br />

Einhaltung der Tariftreue und gewerkschaftlicher Mitbest<strong>im</strong>mungsrechte. Solange es<br />

Leih- und Zeitarbeitsverhältnisse noch gibt, müssen sie diesen Vorgaben entsprechen.<br />

Die Skandale der letzten Jahre in <strong>NRW</strong> haben gezeigt: Häufig vergeben Land und Kommunen<br />

ihre öffentlichen Aufträge nach dem Prinzip des „niedrigsten Preises“. Damit werden<br />

Lohn- und Sozialdumping sowie ein brutaler Preiswettbewerb befördert. Leidtragende<br />

sind die Beschäftigten, die trotz Arbeit arm bleiben. Aber auch der soziale Zusammenhalt<br />

der Gesellschaft, weitere wichtige soziale Anliegen wie die Geschlechtergerechtigkeit, der<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz und internationale Menschenrechte bleiben auf der Strecke.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> will dem ein Ende setzen. <strong>NRW</strong> braucht wieder ein Gesetz, das Tariftreue,<br />

Mindestlöhne -beispielsweise da, wo Tarife unter zehn oder gar acht Euro liegen -,<br />

Existenz sichernde Beschäftigung in unbefristeten und sozialversicherten Beschäftigungsverhältnissen<br />

sowie wichtige sozialökologische Kriterien für die Durchführung öffentlicher<br />

Aufträge festschreibt. Ganz wichtig dabei: Solch ein Gesetz muss auch wirksam umgesetzt<br />

und kontrolliert werden. Dies war in Bezug auf das frühere Tariftreuegesetz in <strong>NRW</strong><br />

nicht so, es wurde schließlich auf Druck der Wirtschaft aufgehoben. Dies war eine völlig<br />

falsche Reaktion. Wenn eine sinnvolle Maßnahme schlecht umgesetzt wird, dann streicht<br />

man sie nicht, sondern macht es besser.<br />

Bis dahin muss die öffentliche Hand alle verfügbaren Spielräume nutzen, um ihre Vergabepolitik<br />

für Gewerbeflächen, Immobilien, Aufträge und ihre Ausschreibungspraxis an den<br />

Interessen der Erwerbstätigen und Erwerbslosen auszurichten. Ausschreibungskriterien<br />

sollen so formuliert werden, dass ökologische Aspekte, wie etwa die Energieeinsparung,<br />

eine Rolle spielen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

87<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Ein neues Vergabegesetz, das Tariftreue, Mindestlöhne sowie wichtige soziale und<br />

ökologische Kriterien für die öffentliche Auftragsvergabe in <strong>NRW</strong> festschreibt.<br />

• Die wirksame Umsetzung und Kontrolle eines entsprechenden Tariftreuegesetzes.<br />

• Entsprechend dem Vorschlag der IG BAU eine Sozial-Checkliste für die Vergabe öffentlicher<br />

Aufträge in <strong>NRW</strong>.<br />

3.3 Städte und Regionen für Alle<br />

Die Regionen Nordrhein-Westfalens sehen sich vielfältigen und unterschiedlichen Problemen<br />

gegenüber: Während die Städte des Ruhrgebietes Einwohnerverluste haben, wächst<br />

die Bevölkerung in anderen Städten, beispielsweise <strong>im</strong> südlichen Rheinland. Die soziale<br />

Lage ländlicher Regionen unterscheidet sich von derjenigen in den Großstädten. Es kann<br />

also keine einheitlichen Entwicklungsstrategien für alle nordrhein-westfälischen Städte<br />

und Gemeinden geben.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> strebt daher eine Ausdifferenzierung der Förderprogramme und Strategien<br />

an. Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Landes<br />

muss gewährleistet werden. Wir wollen eine nachhaltige Raumentwicklung. Diese<br />

muss die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen<br />

Funktionen in Einklang bringen.<br />

Beide Ziele sind zwar <strong>im</strong> Raumordnungsgesetz festgeschrieben, Politik und Verwaltung<br />

finden jedoch <strong>im</strong>mer wieder Wege, diese zu missachten. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ist die Partei,<br />

die diesen Zielen konsequent verpflichtet ist und ihre Politik gegen alle Widerstände auf<br />

ihre Erreichung ausrichtet.<br />

Erforderlich ist eine konsequente Umsetzung des Grundsatzes der dezentralen Konzentration<br />

in der nordrhein-westfälischen Raumordnung und Landesplanung. Durch die bedarfsgerechte<br />

Verteilung der Ressourcen und planerische Vorgaben müssen für alle Menschen<br />

in zumutbaren Entfernungen und mit zumutbarem Zeitaufwand Zentren der verschiedenen<br />

Hierarchiestufen mit dem ÖPNV erreichbar sein. Zu diesem Zweck sind vor<br />

allem die Unter- und Mittelzentren in den ländlichen Regionen und benachteiligten Stadtteilen<br />

der Stadtregionen zu stärken. Die Angebote der öffentlichen Infrastruktur (Schulen,<br />

Krankenhäuser, Kultureinrichtungen etc.) sind wichtige Anker, die auch private Versorgungseinrichtungen<br />

am Ort halten können.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> möchte regionale Kooperationen stärken, denn in vielen Fällen lassen<br />

sich die kommunalen Aufgaben nicht in den Grenzen einer Stadt oder eines Kreises bewältigen.<br />

Ob es um die Versorgung mit Strom und Wasser oder um die Abfallbeseitigung<br />

geht: Regionale Zusammenarbeit ist oftmals zwingend erforderlich. Viele Menschen nutzen<br />

nicht nur die kulturellen Angebote ihres Wohnortes. Dem entsprechen jedoch weder<br />

das Denken und Handeln noch die Strukturen von Politik und Verwaltung. Die kommunale<br />

Politik ist häufig von Standortkonkurrenz geprägt. Die Folge ist: wenige Gewinner, aber<br />

viele Verlierer.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> stellt sich gegen eine solche Politik. Für uns gilt es, das Gegeneinander<br />

abzubauen und durch ein Miteinander zu ersetzen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Eine Verbesserung der Zusammenarbeit sowohl zwischen den Kernstädten und ihrem<br />

Umland, wie es zum Beispiel mit der Gründung der Städteregion Aachen erfolgt ist,<br />

als auch zwischen den Städten einer Region.<br />

• Die Stärkung der Landschaftsverbände, denn sie nehmen für die Städte wichtige überörtliche<br />

Aufgaben wahr. Außerdem ermöglichen sie eine gerechte Lastenverteilung<br />

unter Städten und Gemeinden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

88<br />

• Eine starke Landesplanung, die der „Kirchturmkonkurrenz“ der (Ober-) Bürgermeisterinnen<br />

und Bürgermeister sowie der Landrätinnen und Landräte Einhalt gebietet und<br />

die Ziele einer nachhaltigen und solidarischen Raumordnung auch gegen deren Widerstände<br />

durchsetzen kann.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für solidarische Städte in Nordrhein-Westfalen. Das zunehmende<br />

Auseinanderfallen der Stadtgesellschaft ist nicht zu übersehen. Die ärmeren und benachteiligten<br />

Haushalte, Menschen mit unterdurchschnittlichen Einkommen, Migrantinnen und<br />

Migranten ballen sich in einigen Stadtteilen. Für sie besteht die Gefahr, ins Abseits zu geraten.<br />

Diese Stadtteile sind durch vielfältige, sich überlagernde Defizite und Probleme geprägt.<br />

Demgegenüber ziehen sich die Reichen in abgeschlossene Wohngebiete zurück<br />

und bleiben dort weitgehend unter sich. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner entziehen<br />

sich der Verantwortung für das Gemeinwesen, verschanzen sich hinter ihren hohen<br />

Grundstückmauern und Hecken und kapseln sich von den alltäglichen Problemen und Belastungen<br />

einer Großstadt ab.<br />

Unbestreitbar sind durch die integrierten Stadterneuerungs- und Sanierungsprogramme<br />

auch Erfolge erzielt worden. Die sichtbarsten Verbesserungen sind den Investitionen in<br />

Wohnumfeldmaßnahmen und der Verbesserung des Wohnungsangebotes zu verdanken.<br />

Offensichtlich ist es durch die umfangreichen Maßnahmenprogramme der vergangenen<br />

Jahre gelungen, eine deutliche Verbesserung der sozialen Infrastruktur zu erreichen. Damit<br />

wurden den benachteiligten Bewohnerinnen und Bewohnern wichtige Hilfestellungen<br />

bei der Bewältigung des Lebensalltags gegeben.<br />

Trotz dieser millionenschweren <strong>Programme</strong> konnten Erwerbslosigkeit, Armut und Ausgrenzung<br />

wie auch die inter-ethnischen Konflikte nicht beseitigt werden. Der Handlungsbedarf<br />

besteht daher fort. Das, was den Bewohnerinnen und Bewohnern der benachteiligten<br />

Stadtteile in erster Linie fehlt, sind Arbeitsplätze. Eine Verbesserung der Beschäftigungssituation<br />

kann nicht allein durch kommunale Politik erreicht werden. Vielmehr setzen<br />

Erfolge ein gleichzeitiges und aufeinander abgest<strong>im</strong>mtes Handeln auf lokaler, nationaler<br />

und supranationaler Ebene voraus.<br />

Eine Umkehr in der ganzen Stadt, nicht nur in ausgewählten Teilräumen, ist notwendig.<br />

Angesichts des Abbaus vieler sozialer Angebote und Einrichtungen in den vergangenen<br />

Jahren laufen sinnvolle Ansätze – etwa die sozialraumorientierten Hilfsangebote – Gefahr,<br />

als bloßes Feigenblatt einer ansonsten weiterhin unsozialen Stadtpolitik zu dienen. Erfolgreich<br />

können die <strong>Programme</strong> für die benachteiligten Stadtteile nur sein, wenn sie Bestandteil<br />

einer solidarischen Politik auf gesamtstädtischer und überörtlicher Ebene sind.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die übliche Konzentration der Sozialwohnungen auf die bereits benachteiligten Stadtteile<br />

muss beendet werden. Erforderlich hierzu ist beispielsweise die Verteilung der<br />

Sozialwohnungen mit Belegungsrecht auf das gesamte Gebiet der Städte und Gemeinden.<br />

Selbst wenn dies mit höheren Grundstücks- und sonstigen Kosten verbunden<br />

ist: Grundsätzlich gehören Sozialwohnungen auch in die bisher noch abgeschlossenen<br />

Wohngebiete der Reichen.<br />

• Den langfristigen Einsatz von Fördermitteln zur Verbesserung der Lebensverhältnisse<br />

in den benachteiligten Stadtteilen von EU, Land und Bund. Diese Mittel müssen durch<br />

die Konzentration kommunaler Ressourcen in diesen Stadtteilen ergänzt werden.<br />

• Statt teure Prestigeprojekt in den Innenstädten oder bevorzugten Lagen zu fördern,<br />

müssen die Förderschwerpunkte in den benachteiligten Stadtteilen liegen. Hier müssen<br />

die besten Kindergärten, Schulen und Jugendzentren zu finden sein; hier müssen<br />

Schw<strong>im</strong>mbäder und Sportplätze geöffnet bleiben; hier sind Stadtteilbibliotheken und<br />

andere Kultureinrichtungen vorrangig zu fördern.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

89<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> will, dass die Einwohnerinnen und Einwohner entscheiden. Eine auch<br />

gegen Kapitalinteressen durchsetzungsfähige räumliche Planung bedarf der aktiven Unterstützung<br />

gerade derjenigen, die die ersten Opfer dieser Planungen wären. In einer<br />

emanzipatorischen Stadt- und Regionalentwicklung haben die Einwohnerinnen und Einwohner<br />

das letzte Wort – Aktivierung und Beteiligung gerade der Benachteiligten und<br />

Ausgegrenzten werden von der LINKEN. <strong>NRW</strong> daher groß geschrieben.<br />

Die bisherigen Bilanzen zeigen, dass die bisher üblicherweise angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten<br />

von der Bevölkerung nur in geringem Maße oder gar nicht genutzt werden.<br />

Die jetzigen „Bürgerversammlungen“ sind allzu oft Treffen der Mittelschichten, die dort<br />

vor allem ihre Interessen zu Gehör bringt. Eine solidarische Stadt- und Regionalentwicklung<br />

kann jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie von allen Menschen gemeinsam aktiv gestaltet<br />

wird.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Als Vorraussetzung für das Engagement der Menschen die Sicherheit, längerfristig in<br />

der Wohnung bleiben zu können, und tatsächliche Verfügungsrechte der Bewohnerinnen<br />

und Bewohner über die Wohnung und ihr Umfeld.<br />

• Alle Formen, die der kritischen und solidarischen Stadtöffentlichkeit Einfluss auf die<br />

Entwicklung der Stadt ermöglichen, zu unterstützen. Dabei können wir uns viele Modelle<br />

vorstellen: ob Anwaltsplanung, Planerzellen oder in manchen Fällen auch weiterhin<br />

eine herkömmliche Bürgerversammlung.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> sagt: Der Boden gehört uns allen! Das Privateigentum an Grund und<br />

Boden ist eines der zentralen Hindernisse für eine soziale, ökologische und demokratische<br />

Entwicklung in Stadt und Land. Den Mechanismen des privaten Bodenmarktes können die<br />

Kommunen nur in begrenztem Umfang entgegenwirken. Es fehlen ihnen häufig die finanziellen<br />

und rechtlichen Mittel.<br />

Wir brauchen endlich eine tatsächlich „dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte<br />

Bodenordnung“, wie es das Baugesetzbuch fordert. Diese baut auf Grundsätzen<br />

auf: Eine plangerechte Nutzung von Baugrundstücken wird gefördert; der sparsame Umgang<br />

mit dem Boden wird erleichtert und die Zersiedlung der Landschaft gebremst; den<br />

Gemeinden wird bei der Finanzierung ihrer Aufgaben geholfen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert eine Bundesratsinitiative mit den Zielen:<br />

• Eine Reform der Bodenbesteuerung, die Bodenspekulation erschwert und leistungslose<br />

Gewinne aus Bodenverkäufen verringert, die außerdem das Horten von bebaubaren<br />

Grundstücken unattraktiv macht und damit das Baulandangebot erhöht.<br />

• Ein generelles, preisbegrenztes Vorkaufsrecht der Gemeinden bei der Neuerschließung<br />

von Bauland. So könnten planungsbedingte Bodenwertzuwächse wenigstens<br />

zum Teil abgeschöpft werden.<br />

• Eine Stärkung der Bau- und Nutzungsgebote, dies nicht nur aus städtebaulichen,<br />

sondern auch aus sozialen und wohnungswirtschaftlichen Gründen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> will die Schrumpfung solidarisch gestalten. In wichtigen Teilräumen des<br />

Landes werden die Bevölkerungszahlen in den nächsten Jahrzehnten in dramatischem<br />

Ausmaß sinken. Unsere Städte werden zugleich älter und ethnisch bunter. Dieser Prozess<br />

kann eine Chance sein für mehr Lebensqualität, mehr Platz, geringere Belastung der<br />

Umwelt. Er kann sich aber auch zu einer weiteren Gefahr entwickeln und zu noch mehr<br />

sozialer Spaltung und verödeten Stadtgebieten führen. Um dieser Gefahr zu begegnen<br />

und die Chancen zu nutzen, müssen liebgewordene Vorstellungen und Instrumente, die<br />

auf dem Glauben <strong>im</strong>merwährenden Wachstums basieren, überprüft werden.<br />

Gerade der Bevölkerungsrückgang erfordert eine entschlossene solidarische Stadtentwicklung,<br />

eine Regionalpolitik, eine gestärkte öffentliche Planung und öffentliche Infrastruktur<br />

– vom Kanalnetz bis zum Wohnungsbestand. Mit dem zersplitterte Hausbesitz


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

90<br />

kleiner Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer oder den kurzfristigen Profitinteressen<br />

der Finanzinvestoren lässt sich der notwendige Stadtumbau kaum gestalten. Erforderlich<br />

sind Eigentümerinnen und Eigentümer, die über ihr aktuelles Interesse hinaus<br />

denken, damit es eine Perspektive für alle geben kann.<br />

Die größte Gefahr für die Bewohnerinnen und Bewohner, für Mieterinnen und Mieter in<br />

benachteiligen Lagen ebenso wie für kleine Hauseigentümerinnen und -eigentümer, ist<br />

ein „Stadtumbau Wild West“, der zu einer planlosen Entleerung best<strong>im</strong>mter Stadtgebiete<br />

und zu Abrissen von Gebäudesubstanz führt, die für ihre Bewohnerinnen und Bewohner<br />

und das städtische Gefüge wichtig sind.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die vorhandenen Ansätze eines „Stadtumbaus West“ zu einer integrierten Stadtumbauplanung<br />

auf der Grundlage gesamtstädtischer Untersuchungen und strategischer<br />

Stadtentwicklungsplanungen mit eigenen Verfahren frühzeitiger Information und<br />

Bürgerbeteiligung auszuweiten.<br />

• Keine Stadtumbaufördermittel für Städte, die trotz rückläufiger Bevölkerung großflächiges<br />

Wohnungsangebot für vermögende Nachfragegruppen aus Nachbarstädten<br />

ausbauen.<br />

• In schrumpfenden Städten müssen Qualitätsverluste <strong>im</strong> Wohnungsangebot durch<br />

zeitgemäße Um- und Neubauten für den lokalen sozialen Bedarf kompensiert werden.<br />

• Den vermehrten Einsatz von Landesmittel für die Entwicklung partizipativer und integrierter<br />

Stadtumbaukonzepte auf kommunalen und regionalen Ebenen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> sagt: Wohnen ist ein Menschenrecht. Ohne eine gute und sichere Wohnung,<br />

die den heutigen Anforderungen genügt und bezahlbar ist, gibt es kein menschenwürdiges<br />

Leben. Aber Wohnen ist auch mehr als ein Dach über dem Kopf. Das Recht auf<br />

Wohnen schließt das Recht auf eine gesunde Wohnumwelt, auf soziale Nachbarschaften<br />

und Stadtteile, auf Zugang zu öffentlichen Einrichtungen und auf Teilhabe an der Stadt<br />

ein.<br />

Ohne eine soziale Wohnraumversorgung als Teil einer solidarischen Stadtentwicklung<br />

werden große Teile der Bevölkerung von der Gesellschaft ausgeschlossen. Deshalb ist eine<br />

öffentliche und soziale Wohnungspolitik eine unverzichtbare Pflicht und Kernaufgabe<br />

des Staates.<br />

Im politischen System der Bundesrepublik muss diese Aufgabe vor allem durch ein soziales<br />

Mietrecht, eine soziale Wohnraumförderung, staatliche Unterstützung der Wohnkosten<br />

für Menschen mit geringem Einkommen, Planungs- und Bauordnungsvorschriften, sowie<br />

öffentliche Wohnungsunternehmen erfüllt werden. Ohne sozialstaatliche Eingriffe in den<br />

Markt gibt es kein menschenwürdiges Wohnen für alle.<br />

Seit über drei Jahrzehnten haben die Bundesregierungen wesentliche Grundlagen einer<br />

dauerhaft sozialen Wohnungspolitik beseitigt und die Wohnraumversorgung <strong>im</strong>mer mehr<br />

dem privaten Markt überlassen. Nicht eine Wohnungspolitik für breite Schichten der Bevölkerung,<br />

sondern die Förderung von Eigentum und Finanzinvestitionen war die Zielsetzung<br />

dieser Politik.<br />

So wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft, die Umwandlung in Eigentumswohnungen<br />

wurde erleichtert, der Bund privatisierte fast alle seine Wohnungen und die<br />

Wohnraumförderung wurde geschwächt.<br />

Die Hartz-Reformen haben die Wohnraumversorgung von Millionen Menschen von behördlichen<br />

Entscheidungen abhängig gemacht und sie entmündigt. Sie haben Menschen<br />

aus ihrer Wohnung vertrieben und führen zur Abdrängung von Erwerbslosen in schlechte<br />

Wohngebiete.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

91<br />

In <strong>NRW</strong> hat die Regierung Rüttgers in der letzten Legislaturperiode unbeirrt eine neoliberale<br />

Wohnungspolitik betrieben. Durch die Streichung der Zweckentfremdungsverordnung,<br />

die Schwächung der kommunalen Belegungsrechte und der Wohnungspflege wurden<br />

den Kommunen fast alle wohnungspolitischen Instrumente geraubt. Durch die Abschaffung<br />

der Kündigungssperrfristverordnung wurde der Mieterschutz nach Umwandlung<br />

in Eigentumswohnungen in vielen <strong>NRW</strong> Städten von acht auf drei Jahre verkürzt. Gegen<br />

den Protest zahlreicher Verbände, Gruppen und der Opposition wurde die Landesentwicklungsgesellschaft<br />

LEG mit ihren 98.000 Wohnungen an profitorientierte Fondsgesellschaften<br />

verkauft und damit das wohnungswirtschaftliche Vermögen des Landes verschleudert.<br />

Zurzeit holt die Regierung Rüttgers zum nächsten Schlag aus: Das Wohnungsbausondervermögen<br />

des Landes (WfA) soll in die <strong>im</strong>mer privatwirtschaftlicher ausgerichtete <strong>NRW</strong>.<br />

Bank eingegliedert werden. 18,6 Milliarden Euro, die durch staatliche Fördermittel und die<br />

Zahlungen der Sozialmieterinnen und -mieter aufgebracht wurden, sind in Gefahr, wenn<br />

– wie von Rüttgers geplant - ihre Zweckbindung für den sozialen Wohnungsbau entfällt.<br />

Die Plünderung der öffentlichen Wohnungsbauvermögen und die Zerstörung öffentlicher<br />

Instrumente erfolgte unter Rahmenbedingungen, die zwar eine geänderte, auf jeden Fall<br />

aber auch eine gestärkte öffentliche Wohnungspolitik erfordern würden: Vor allem in der<br />

Rheinschiene steigen die Mieten beständig an. Es herrscht Mangel an mietpreisgünstigen<br />

Wohnungen. Auch in den Ruhrgebietsstädten mit Bevölkerungsverlusten werden dringend<br />

zusätzliche Investitionen in den Wohnungsbestand und den bedarfsgerechten Neubau<br />

von Sozialwohnungen benötigt. Der Wohnungsbestand in <strong>NRW</strong> befindet sich in vielen<br />

Fällen in einem schlechten Zustand, er entspricht oft nicht mehr heutigen Anforderungen,<br />

zum Beispiel an die Barrierefreiheit und den Kl<strong>im</strong>aschutz. Gleichzeitig wären Investitionen<br />

in den Wohnungsbau und in den Wohnungsbestand wirksame Maßnahmen zur Stabilisierung<br />

der Arbeitsmärkte.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die Politik der Ausplünderung und der Beseitigung von Marktkontrollen muss beendet<br />

und umgekehrt werden. Schluss mit „Markt vor Staat“.<br />

• Ein abgest<strong>im</strong>mtes Programm öffentlicher Förderungen, Regelungen und Unternehmungen,<br />

um bedarfsgerechte, energetisch verbesserte Wohnungen zu schaffen, die<br />

auch in Zukunft für alle zugänglich und erschwinglich sind. Es geht um die Neubest<strong>im</strong>mung<br />

der Elemente und Instrumente einer sozialen und nachhaltigen Wohnungspolitik<br />

als einer grundlegenden Aufgabe der Daseinsvorsorge in <strong>NRW</strong>.<br />

• Ein einklagbares Recht auf Wohnraum in der Landesverfassung.<br />

• Eine Verankerung des Rechts auf Wohnraum in der Landesverfassung. Dies würde<br />

das Land verpflichten, die Mittel für eine gerechte Wohnraumversorgung für alle auf<br />

Dauer bereit zu halten. Sie würde dazu führen, dass <strong>NRW</strong> seine wohnungspolitischen<br />

Maßnahmen an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an Profiten ausrichtet.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> will die sozialen Wohnraumförderungen neu ausrichten und stärken. Es<br />

muss verhindert werden, dass die Zweckbest<strong>im</strong>mung des Wohnungsbausondervermögen<br />

aufgehoben und die Wohnungsbauförderanstalt in die <strong>NRW</strong>.BANK aufgelöst wird. Stattdessen<br />

sollte das Wohnungsbausondervermögens auf Dauer in einer Anstalt öffentlichen<br />

Rechts gesichert werden, deren Geschäfte auch von Vertreterinnen und Vertretern der<br />

Kommunen, der Gewerkschaften und der Verbände der Mieterinnen und Mieter kontrolliert<br />

werden. Diese erneuerte Wohnraumförderanstalt sollte mit zusätzlichen Haushaltsmitteln<br />

ausgestattet werden, um den vielfältigen Herausforderungen an ein zukunftsorientiertes<br />

Investitionsprogramm für nachhaltigen und sozialen Wohnraum gerecht zu werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

92<br />

Die soziale Wohnraumförderung muss heute auf stark unterschiedlichen Märkten eingreifen.<br />

Die Herausforderungen sind außerdem wegen der Anforderungen des Kl<strong>im</strong>aschutzes,<br />

des demographischen Wandels, sozialer Umschichtungen und der vielfältiger gewordenen<br />

Lebenslagen und Lebensweisen vielschichtiger denn je. Hinzu kommt, dass dem sozialen<br />

Mietwohnungsbau mit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, dem Ende der<br />

werksverbundenen Wohnungsunternehmen und dem Ausverkauf öffentlicher Unternehmen<br />

ein großer Teil der Bauträger abhanden gekommen ist. Dem muss Rechnung getragen<br />

werden, wenn die soziale Wohnraumförderung Wirkungen für die Deckung der<br />

Wohnbedürfnisse, die Verbesserung der Wohnungsqualitäten, die Arbeitsmärkte und die<br />

Stabilisierung des sozialen Zusammenhalts entfalten soll.<br />

Grundlage für die Verteilung von Fördermitteln auf die Regionen und Kommunen sollten<br />

deshalb, neben quantitativen Bedarfsanalysen, qualifizierte kommunale Wohnraumversorgungskonzepte<br />

sein. Auf Basis einer derart neu ausgerichteten Wohnraumförderung<br />

sollte die „Neue Gemeinnützigkeit“ entstehen. Diese „Neue Gemeinnützigkeit“ würde von<br />

einem Netzwerk nicht-profitorientierten Wohnungsunternehmen gebildet. Es sollte auf<br />

Quartiers- und Unternehmensebene mietermitbest<strong>im</strong>mt sein und bei der Vergabe öffentlicher<br />

Mittel Vorrang genießen. Diese neuen gemeinnützigen Unternehmen sollten auch in<br />

die Lage versetzt werden, zahlungs- oder handlungsunfähige Wohnungsbestandsgesellschaften<br />

zu übernehmen. Zu diesem Zweck sollte das Land <strong>NRW</strong> ein Programm zur Stärkung<br />

ihrer Eigenkapitalbasis auflegen.<br />

Eine weitere Schwerpunkt der neu ausgerichteten Wohnraumförderung sollten neue<br />

Wohnformen und gemeinschaftliche Wohnprojekte sein.<br />

Die vorhandenen <strong>Programme</strong> zur Wohnraumförderung sollen zu einem aufeinander abgest<strong>im</strong>mten<br />

Investitionsprogramm für energetische und soziale Erneuerung des Wohnungsbestandes<br />

weiter entwickelt werden. Private Vermieterinnen und Vermieter sollten<br />

sich bei der Beanspruchung öffentlicher Fördermittel für energetische Sanierungen zu<br />

konkreten CO²-Minderungszielen verpflichten. Gleichzeitig sollten Mieterhöhungen begrenzt<br />

sein. Weitere Schwerpunkte des Programms sollten sein: barrierefreier Umbau,<br />

verbesserter Schallschutz und Umbau von Wohnungen in Stadtumbaugebieten, Programmgebieten<br />

der „Sozialen Stadt“ und Sanierungsgebieten.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Die Wiedereinführung einer möglichst flächendeckenden Zweckentfremdungsverordnung.<br />

Eine neue Kündigungssperrfristverordnung sollte nicht nur in Gebieten mit erhöhtem<br />

Wohnbedarf sondern auch in Gebieten mit starker Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse<br />

gelten.<br />

• Das Wohnungsgesetz <strong>NRW</strong> (Wohnungspflegegesetz) sollte kurzfristig erneuert werden.<br />

Die kommunale Wohnungsaufsicht sollte darin eine Pflichtaufgabe werden. Die<br />

Zwangsmaßnahmen gegen Vermieterinnen und Vermieter sollten genauer gefasst<br />

und verschärft werden, um das Gesetz anwendbar zu machen. Die Mittel für die<br />

Wahrnehmung der Aufgaben können zum Teil aus der Anwendung der Bußgeldvorschriften<br />

bei Regelverstößen der Eigentümerinnen und Eigentümer aufgebracht werden;<br />

den anderen Teil der erforderlichen Mittel muss das Land den Kommunen zur<br />

Verfügung stellen.<br />

• Durch ein Förderprogramm des Landes sollten die Mietspiegel der Städte und Gemeinden<br />

so verbessert werden, dass sie auch die Heizkosten erfassen. Die lokalen<br />

Mieterverbände sind an der Erarbeitung dieser Mietspiegel zu beteiligen.<br />

• Die Wiedereinführung einer Mietpreisbindung in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf<br />

und stark steigenden Mieten auch auf Bundesebene. Eine Verordnung zur<br />

Verbesserung der Anwendung von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG)4 könnte diese


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

93<br />

Best<strong>im</strong>mung wieder zu einem wirkungsvollen Instrument zur Begrenzung des Mietenanstiegs<br />

machen.<br />

• Durch eine Bundesratsinitiative zur Schaffung eines Regelwerks mit Mindestanforderungen<br />

an die Wohnungswirtschaft sollten Fondsgesellschaften gezwungen werden,<br />

eine erträgliche Wohnungsbewirtschaftung zu betreiben. Dazu erforderlich sind Eigenkapitalregelungen,<br />

sowie die Verpflichtung zur Zahlung eines Teils der Mieteinnahmen<br />

in einen unternehmensbezogen Instandhaltungsfonds, der öffentlich kontrolliert<br />

und mietermitbest<strong>im</strong>mt wird.<br />

• Die Entwicklungen <strong>im</strong> Wohnungsbestand der Private Equity Fonds müssen genau beobachtet<br />

werden. Es müssen Eingriffsmöglichkeiten erarbeitet und dem weiteren Verfall<br />

der Siedlungen durch zwischen Mieterinnen und Mietern, ihren Verbänden und<br />

den Kommunen abgest<strong>im</strong>mten Maßnahmen entgegenwirkt werden.<br />

• Eine grundsätzliche Reform der Reglungen für die Kosten der Unterkunft <strong>im</strong> Sozialgesetzbuch<br />

(SGB) II und SGB XII. Ziel ist die vollständige Übernahme der tatsächlichen<br />

Wohnkosten, die Verhinderung von Verdrängungen („Zwangsumzügen“) und der Abbau<br />

entmündigender Regelungen be<strong>im</strong> Umzug und bei der Wahrnehmung von Mieterrechten.<br />

• Auf Landesebene sollten bestehende Vorgaben zur Regelungen der Kosten der Unterkunft<br />

überprüft werden und eine zentrale Beschwerdestelle zur Überprüfung<br />

kommunaler Regelungen zu den Kosten der Unterkunft angestrebt werden. Für die<br />

Ermittlung von lokalen Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen sind die Mieten üblicher<br />

Wohnungen maßgeblich, die in ausreichender Anzahl für die Versorgung der Hilfeempfängerinnen<br />

und -empfänger auf dem lokalen Wohnungsmarkt angeboten werden.<br />

Es darf nicht zu weiteren Abdrängungen in schlechte Wohngebiete kommen,<br />

und die Wahrnehmung der Mieterrechte von Betroffenen muss durch Beratung und<br />

Unterstützung gezielt gestärkt werden.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> will die Ausgrenzung in den Kommunen und Kreisen beenden. Sie sollten<br />

zur Einrichtung zentraler Fachstellen für die Wohnraumhilfe verpflichtet werden. Die<br />

Maßnahmen sollen mit den Wohnraumversorgungskonzepten abgest<strong>im</strong>mt werden. Ziel ist<br />

es, alle dauerhaften Unterbringungen in normale Mietverhältnisse zu überführen bzw. allen<br />

Wohnungslosen normale Mietwohnungen anzubieten.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich für die Auflösung aller Sammelunterkünfte ein. Asylbewerberinnen<br />

und -bewerber und Flüchtlinge müssen von den Kommunen in normalen Mietwohnungen<br />

untergebracht werden.<br />

Die Diskr<strong>im</strong>inierung von Migrantinnen und Migranten auf den Wohnungsmärkten muss<br />

beendet werden. Es sollen besondere Beratungsangebote für Migrantinnen und Migranten<br />

für das Wohnen zur Miete und den Eigentumserwerb geschaffen werden.<br />

Verbraucherschutz und die Verbraucherberatung zu allen Fragen des Wohnens sollten<br />

deutlich verstärkt werden. Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach SGB II oder<br />

XII sollen durch die Übernahme von Gebühren und Mitgliedsbeiträgen durch die Kommunen<br />

die Leistungen von Mietervereinen und Verbraucherberatungen ohne weitere Belastungen<br />

wahrnehmen können.<br />

3.4 Für umfassenden Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern<br />

und eine soziale und ökologische Landwirtschaft<br />

Obwohl <strong>NRW</strong> als hoch industrialisiertes Bundesland gilt, wird die Hälfte der Landesfläche<br />

(15.000 km²) landwirtschaftlich genutzt. Wir wollen eine Landwirtschaft, die Hand in<br />

Hand mit Umwelt-, Natur- und Tierschutz geht. Die ökologische Landwirtschaft schont<br />

Gewässer und spart Energie.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

94<br />

Wir wollen eine nachhaltige Forstwirtschaft für kommende Generationen. Denn <strong>NRW</strong> ist<br />

auch ein Waldland: Ein Viertel der Landesfläche ist bewaldet. Wir lehnen die Aufforstung<br />

in Monokulturen und großflächige Kahlschläge ab und setzen stattdessen auf Waldverjüngung.<br />

Anstelle einer rein betriebswirtschaftlich orientierten Forstarbeit machen wir uns<br />

für eine nachhaltige und ökologische Bewirtschaftung stark. Das bedeutet auch, dass es<br />

keine Dumpinglöhne in der Forstwirtschaft mehr geben darf.<br />

Trinkwasserschutz ist wichtig für den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern.<br />

Die Belastung des Trinkwassers durch Stoffe wie PFT, Arzne<strong>im</strong>ittel und Nitrat betrifft die<br />

Verbraucherinnen und Verbraucher. Daher muss das Trinkwasser durch eine Kommission<br />

überwacht werden, in der Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer mitarbeiten.<br />

Wir wollen, dass die Lebensmittelüberwachung in staatlicher Hand bleibt und eine Lebensmittel-Ampel<br />

eingeführt wird. Auch Geringverdienende müssen sich gesunde und<br />

nach EU-Biorichtlinien hergestellte Lebensmittel leisten können. In der Lebensmittelüberwachung<br />

muss es eine ausreichende Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geben,<br />

damit auch wirklich effektive und regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden können<br />

und die Verbraucherinnen und Verbraucher besser geschützt sind. Tricksereien in der<br />

Lebensmittelindustrie, wie zum Beispiel Analog-Produkte ohne entsprechende Kennzeichnung<br />

sowie Gammelfleisch-Skandale, müssen der Vergangenheit angehören.<br />

<strong>NRW</strong> muss ein gentechnikfreies Land werden. Gentechnik lehnen wir, auch in Form von<br />

Forschungsfeldern, ab. Wir unterstützen Initiativen für gentechnikfreie Regionen. Die Biolandwirtschaft<br />

verbietet die Arbeit mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Auch deshalb<br />

setzen wir uns für eine stärkere Förderung des Biolandbaus ein. Die Agro-Gentechnik<br />

wird neben dem Einsatz best<strong>im</strong>mter Arten von Pestiziden für das Bienensterben verantwortlich<br />

gemacht. Zwei Drittel der Nahrungspflanzen sind auf Bestäubungsinsekten, insbesondere<br />

auf Bienen, angewiesen. Die Biene ist damit für den Ertrag und die Vielfalt an<br />

gesunden Lebensmitteln von besonderer Bedeutung. Deswegen braucht die Imkerei eine<br />

gentechnikfreie Landwirtschaft.<br />

Alle Tiere verdienen den Schutz des Menschen, insbesondere aber landwirtschaftliche<br />

Nutztiere. Aus Sicht des Tierschutzes ist die konventionelle industrielle Haltung insbesondere<br />

von Puten, Masthühnern, Legehennen, Schweinen und Mastkaninchen unhaltbar.<br />

Die Kleingruppenhaltung von Legehennen in Käfigen wird den Verbraucherinnen und<br />

Verbrauchern gar als tiergerecht verkauft. Tiertransporte werden <strong>im</strong>mer noch zu wenig<br />

kontrolliert und dauern zu lange. Alternativen zu Tierversuchen werden nicht ausreichend<br />

gefördert. Wir setzen uns für tiergerechte und ethisch vertretbare Tierhaltung ein. Wir<br />

wollen den Umgang mit Tieren in einem ethischen Sinn regeln und ihnen das Recht auf<br />

eine natürliche und artgerechte Existenz unabhängig von ihrem Nutzwert zusprechen.<br />

Das Thema Tierschutz muss angemessen in den Lehrplänen aller Schularten berücksichtigt<br />

werden. Wir fordern und setzen uns ein für ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände<br />

analog zum bestehenden Klagerecht der Naturschutzverbände. Wir fordern den<br />

Ausstieg aus der kommerziellen Qual-Tierhaltung sowie den weitgehenden Verzicht auf<br />

Tierversuche und setzen uns für tierversuchsfreie Forschungsmethoden ein.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert faire Milchpreise – die Landwirtschaft muss endlich kostendeckende<br />

Milchpreise zugesichert bekommen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Den Anteil der ökologischen Landwirtschaft in <strong>NRW</strong> bis 2020 auf mindestens 20 Prozent<br />

anzuheben.<br />

• Generelles Verbot von gentechnisch behandelter Nahrung bzw. gentechnisch behandelten<br />

Futtermitteln. Generelles Verbot der Freilandforschung, Verbot von Patenten<br />

auf Lebewesen und deren Gene.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

95<br />

• Das Verbot von Pflanzenschutzmitteln mit Neonicotinoiden und Glycosat zur Saatgutbehandlung.<br />

• Bei Tiertransporten ist stets der nächstgelegene Schlachthof anzusteuern. Während<br />

des Transports muss den Tieren genug Platz zur Verfügung stehen. Die Kontrolldichte<br />

bei Tiertransporten ist zu erhöhen.<br />

• Wir lehnen die Haltung von Hühnern in Legebatterien ab und fordern eine tierschutzgerechte<br />

Haltung: Verbot von Legebatterien und mehr Bewegungsfreiheit für alle<br />

Nutztiere.<br />

• Die Förderung regionaler Vermarktungsinitiativen.<br />

• Die Honorierung ökologischer und sozialer Leistungen in der Landwirtschaft.<br />

• Die Förderung von Fraueninitiativen <strong>im</strong> ländlichen Raum, deren Ziel es ist, Frauenerwerbsarbeit<br />

zu schaffen und ländliche Strukturen weiter auszubauen.<br />

• Den Ausbau von Beratungsstellen der Verbraucherzentralen sowie die Unterstützung<br />

ihrer Arbeit und Projekte inklusive finanzieller Förderung.<br />

• Die Stärkung von Verbraucherinitiativen.<br />

4 Alternativen von LINKS - neue Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik<br />

4.1 Für eine soziale und ökologische Verkehrspolitik<br />

Die Verkehrspolitik der Landesregierung <strong>NRW</strong> ist durch die Bevorzugung des Straßenverkehrs<br />

nicht nur unsozial, sondern auch aus ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten<br />

verheerend. In Anbetracht des Kl<strong>im</strong>awandels und eines prognostizierten Anwachsens<br />

des LKW-Verkehrs um 100 Prozent in den nächsten Jahren braucht <strong>NRW</strong> eine<br />

Wende hin zu einer ökologischen Verkehrspolitik.<br />

Absolute Priorität einer zukunftsgerichteten Verkehrspolitik ist eine Politik der Verkehrsvermeidung.<br />

Hierzu gehören eine Strukturpolitik der kurzen Wege und damit eine Abkehr<br />

von einer Politik <strong>im</strong> Städtebau, die Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung als voneinander<br />

getrennte Bereiche plant und baut. Gut 30 Prozent der Wege werden nach Untersuchungen<br />

heute noch zu Fuß oder per Rad zurückgelegt. In Aachen und Münster liegt<br />

dieser Anteil bei über 50 Prozent. Wir fordern daher den Ausbau der Infrastruktur für den<br />

nichtmotorisierten Verkehr, da derartige Investitionen nicht zuletzt auch einen weit höheren<br />

Nutzen für die Umwelt als Investitionen in den motorisierten Individualverkehr haben.<br />

Mobilität für alle – in umweltpolitischer Verantwortung und zu akzeptablen Preisen – kann<br />

nur durch den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) erreicht werden.<br />

Dabei sind Qualitätsstandard für Pünktlichkeit und Sauberkeit einzuhalten. Konflikte <strong>im</strong><br />

Schienenpersonenverkehr an Rhein und Ruhr zwischen der Deutschen Bahn Region <strong>NRW</strong><br />

und den Verkehrsverbünden dürfen nicht länger auf dem Rücken der Kunden ausgetragen<br />

werden und zu Leistungskürzungen führen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert daher eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung durch<br />

den ÖPNV. In ländlichen Gebieten, in denen eine Anfahrt <strong>im</strong> Stundentakt kaum genutzt<br />

wird, sind alternative Konzepte wie das „BusTaxi“ zur Sicherstellung ausreichender Verkehrsdienstleistungen<br />

für die Bevölkerung umzusetzen.<br />

Den Neu- und Streckenausbau von U-Bahnen lehnt DIE LINKE. <strong>NRW</strong> ab. Der U-Bahn-Bau<br />

und die Betriebskosten sind um ein vielfaches teurer als Straßenbahnen und Busse. Vorrang<br />

be<strong>im</strong> Ausbau des ÖPNV muss das kostengünstigste Verkehrsmittel haben, ökologische<br />

Kriterien sind ebenfalls zu berücksichtigen.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert den Bau von autofreien Stadtteilen, wie sie in Münster umgesetzt<br />

wurden. Bürokratische und bauordnungsrechtliche Hindernisse, die solche Vorhaben<br />

behindern, sind zu beseitigen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

96<br />

Mit einer neuen Verkehrspolitik kann dauerhaft eine drastische Verringerung der verkehrsbedingten,<br />

gesundheitsschädlichen Feinstaubbelastung, vor allem in den Innenstädten,<br />

erreicht werden. Der Ausbau und die Erneuerung von Bahnhöfen und Haltepunkten<br />

soll vorangetrieben werden. Statt der Privatisierung der Bahn setzt sich DIE LINKE. <strong>NRW</strong><br />

für eine Deutsche Bahn in öffentlichem Eigentum und mit erweiterten demokratischen<br />

Einflussmöglichkeiten der Fahrgäste und ihrer Verbände sowie der Beschäftigten und ihrer<br />

Gewerkschaften ein.<br />

Das hohe Wachstum von Gütertransporten konzentriert sich in <strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen auf<br />

LKW-Transporte. Damit wachsen auch die kl<strong>im</strong>aschädlichen Emissionen und andere Folgeschäden<br />

an. Eine Ursache dieses Wachstums be<strong>im</strong> LKW-Verkehr liegt in der fortgesetzten,<br />

künstlich herbeigeführten Verbilligung der Transportkosten. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert<br />

daher, dass diese Subventionierung beendet und die externen Kosten des LKW-Verkehrs<br />

eingerechnet werden. In <strong>NRW</strong> sind effektivere Logistikkonzepte und Verteilzentren unter<br />

Einbeziehung der nordrhein-westfälischen Binnenhäfen zu entwickeln, die eine Verlagerung<br />

des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene und das Wasser ermöglichen.<br />

Der Verlauf der BETUWE Linie, auf der Transporte mit zum Teil hochgiftigen Stoffen<br />

(Flüssiggas, etc.) mitten durch die Städte am unteren Niederrhein (Emmerich - Rees) erfolgen,<br />

kann so nicht hingenommen werden. Geplant sind bis zu 450 Güterzüge pro Tag<br />

mit Gefahrgut. Sicherheitsaspekte der anliegenden Wohngebiete werden durch den Verlauf<br />

der BETUWE durch die Innenstädte zwischen Emmerich und Oberhausen schändlich<br />

von der Deutschen Bahn vernachlässigt, Sicherheitsstandards wie in den Niederlanden<br />

gibt es nicht. Zum Schutz der Bevölkerung, ihrer Sicherheits- und Wohnwerte an der jetzt<br />

geplanten BETUWE Strecke fordern wir einen siedlungsfernen Verlauf der BETUWE –<br />

Linie.<br />

Die Subventionierung des Flugverkehrs muss umgehend gestoppt werden. Gesundheits-,<br />

Lärm- und Kl<strong>im</strong>aschutz verbieten den Ausbau regionaler Flughäfen und erfordern konsequente<br />

Nachtflugverbote.<br />

Als Alternative pr<strong>im</strong>är für den innerstädtischen motorisierten Individualverkehr steht das<br />

Fahrrad zur Verfügung und muss vom Land verstärkt gefördert werden. Dabei darf das<br />

Fahrrad nicht länger nur als Freizeitvergnügen angesehen werden. Die Mitnahme von<br />

Fahrrädern in Bussen und Straßenbahnen muss den Menschen erleichtert werden. Das<br />

Straßennetz für den Fahrradverkehr muss geschlossen werden. Verstärkt sind Radverkehrsstreifen<br />

auf den Straßen anstatt Radwege zusammen mit Bürgersteigen einzurichten.<br />

Die Durchfahrt einer Einbahnstraße auch in Gegenrichtung sollte Radfahrenden in<br />

der Regel erlaubt werden. Ampelschaltungen sollten den Rad- und nicht den Autoverkehr<br />

vorrangig behandeln. Alle Einrichtungen mit Publikumsverkehr (Einzelhandelsgeschäfte,<br />

Behörden, Freizeiteinrichtungen etc.) sind gehalten, vor ihrem Eingang für ausreichend<br />

Stellmöglichkeiten für Fahrräder zu sorgen.<br />

An erster Stelle steht für uns die Einführung eines landesweiten Sozialtickets<br />

für den öffentlichen Verkehr. Denn es geht uns um das Recht aller Menschen<br />

auf Mobilität und Teilhabe ebenso wie um eine dringend gebotene umweltfreundliche<br />

Alternative zum Auto.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Ein landesweites Nahverkehrsticket verknüpft mit einem Sozialticket für <strong>NRW</strong>.<br />

• Den Ausbau des Radwegenetzes, Vorrang für Fahrräder und Fußgängerinnen und<br />

Fußgänger in den Städten.<br />

• Der Güterfernverkehr gehört auf die Schiene und das Wasser, die Entlastung der<br />

Straßen soll gefördert werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

97<br />

4.2 Für eine nachhaltige und zukunftsweisende Umwelt- und<br />

Energiepolitik<br />

Ein Richtungswechsel in der Umweltpolitik hat nicht stattgefunden. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt<br />

sich für eine konsequent soziale und ökologische Politik ein, weil nur auf diesem Weg die<br />

drängenden Umweltprobleme zu lösen sind. Bisher prägen Unterlassungen und Halbheiten<br />

das Bild. Erfolge und Fortschritte sind vor allem durch außerparlamentarischen Widerstand,<br />

Mobilisierung und erhöhtes Umweltbewusstsein in der öffentlichen Meinung erzielt<br />

worden. Anstatt massiv erneuerbare Energie zu fördern, sind neue kl<strong>im</strong>aschädliche<br />

Kraftwerke in Bau und Planung. Hier zeigt sich deutlich: Die kapitalistische Wirtschaft und<br />

ihre politischen Sachwalter sind nicht in der Lage, integrierten Umweltschutz zu betreiben.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> tritt für den Vorrang der Politik, des Umweltschutzes und der Interessen<br />

der Bevölkerung vor den Renditeinteressen der (Privat-)Wirtschaft ein.<br />

Angesichts der drohenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen ist eine andere Gesellschaftsordnung<br />

eine Frage des Überlebens der Menschheit. Die Hauptursache für die<br />

drohende Kl<strong>im</strong>akatastrophe liegt in der Art und Weise, wie wir produzieren, konsumieren<br />

und uns gegenüber unserer natürlichen Umwelt verhalten. Wir sind dazu aufgefordert,<br />

Produktion und Konsum auf menschliche Proportionen zu beschränken, anstatt sie nach<br />

Renditeerwartungen auszurichten. Uns muss es weltweit gelingen, den materiellen Konsum<br />

und die Arbeit zu teilen und gleichzeitig Lebenssinn und Zufriedenheit aus anderen<br />

Quellen zu schöpfen. Wir wollen einen gesellschaftlichen Aufbruch zu einer nachhaltigen,<br />

solidarischen und sinnerfüllten Lebensweise gestalten. Mensch und Natur sollen Vorrang<br />

vor Profiterwartungen haben.<br />

Die Versorgung mit Energie zählt zu den zentralen globalen Herausforderungen des 21.<br />

Jahrhunderts. Neue Erkenntnisse aus der Kl<strong>im</strong>a-Wissenschaft zeigen die Notwendigkeit<br />

und Dringlichkeit einer globalen Energiewende auf: Energiepolitik muss Kl<strong>im</strong>apolitik werden.<br />

Wenn Deutschland das erste Kl<strong>im</strong>aschutzziel mit der Reduzierung der Treibhausgase<br />

um 40 Prozent bis 2020 erreichen will, müssen unverzüglich neue Rahmenbedingungen<br />

geschaffen werden.<br />

Europa, und hier insbesondere Deutschland, muss dabei aufgrund seiner historischen<br />

Verantwortung für die Entstehung des Kl<strong>im</strong>awandels eine Vorreiterrolle übernehmen. In<br />

der Bundesrepublik ist Nordrhein-Westfalen das Energieland Nummer eins. Von den<br />

energiebedingten Emissionen der BRD entfällt rund ein Drittel auf unser Land. <strong>NRW</strong> hat<br />

<strong>im</strong> Vergleich zu den anderen Bundesländern den höchsten Anteil an eigener Energieproduktion.<br />

Zu ca. 45 Prozent wird dabei der Strom aus Braunkohle, zu 38 Prozent aus<br />

Steinkohle gewonnen, Erdgas macht zwölf Prozent aus, Mineralöle knapp zwei Prozent.<br />

Nur knapp drei Prozent des Stroms bekommt <strong>NRW</strong> aus erneuerbaren Energien wie Windund<br />

Wasserkraft oder Bioenergien. Bundesweit tragen Wasser, Wind und Sonne jedoch<br />

bereits mit ca. 14 Prozent zur Stromerzeugung bei.<br />

Das heißt für uns in <strong>NRW</strong>, den konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien sowie die<br />

Steigerung der Energieeffizienz <strong>im</strong> Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereich voranzutreiben.<br />

Dies ist dringend geboten, wenn wir nicht den Anschluss verlieren wollen. Bei sparsamem<br />

und effizientem Umgang mit Energie können erneuerbare Energieträger bis Mitte dieses<br />

Jahrhunderts unseren Energiebedarf weitgehend decken. Dazu muss die Energieversorgungsstruktur<br />

auch technisch auf die Erfordernisse der erneuerbaren Energien umgerüstet<br />

werden, Atomenergie ist keine „Brückentechnologie“. Im Gegenteil, unflexible Großkraftwerke,<br />

ob Atom oder Kohle, behindern den Systemwechsel zu dezentralen Strukturen<br />

und schnell reagierenden Systemen. Kl<strong>im</strong>aschutz ist auch deshalb kein Argument für<br />

die Nutzung der Atomenergie. Aufgrund der ungeklärten Endlagerfrage und der <strong>im</strong>mensen<br />

Risiken be<strong>im</strong> Betrieb von Atomanlagen setzt sich DIE LINKE. <strong>NRW</strong> deshalb für einen<br />

sofortigen Atomausstieg ein.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

98<br />

Eine Umstrukturierung des Energiesektors würde zu mehr wirtschaftlicher Wertschöpfung<br />

<strong>im</strong> Lande und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen führen. In der klassischen Energiewirtschaft<br />

gehen schon heute die Beschäftigungszahlen deutlich zurück, während in der Branche<br />

der erneuerbaren Energien weit über hunderttausend neue Arbeitsplätze entstanden sind.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> setzt sich daher für eine konsequente Energiewende hin zu erneuerbaren<br />

Energien ein. Dazu muss die gegenwärtige monopolartige Struktur in der Energiewirtschaft<br />

aufgebrochen werden. Im Strombereich bedeutet dies konkret die eigentumsrechtliche<br />

Trennung der Stromkonzerne von den Stromnetzen und mehr Transparenz und<br />

Kontrolle bei der Preisgestaltung. Vorrangig ist für uns eine Wende in der Energiepolitik<br />

hin zu dezentralen Strukturen, die Überführung der Energiekonzerne RWE und E.ON in<br />

öffentliche Hand und ihre demokratische Kontrolle. Perspektivisch müssen die Strukturen<br />

in der Energiewirtschaft entflochten und dezentralisiert werden. Damit würde das Land<br />

<strong>NRW</strong> auch wieder zum Teil seine industriepolitische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen,<br />

die durch die radikalen Privatisierungen der letzten Jahre und leerer Landeskassen zunehmend<br />

verloren ging. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> steht für den Fortbestand und Ausbau der<br />

kommunalen Energieversorgung. Bereits privatisierte Anteile von Stadtwerken müssen<br />

rekommunalisiert werden. Für die Bundesrepublik Deutschland könnte der Energiesektor<br />

sich somit als politisches Einfallstor für die Revitalisierung gemeinwirtschaftlich orientierter<br />

Wirtschaftspolitik erweisen.<br />

Der Ausstieg aus der gefährlichen Atomenergie sowie der äußerst kl<strong>im</strong>aschädlichen<br />

Braunkohleverstromung hat für DIE LINKE. <strong>NRW</strong> höchste Priorität. Außerdem treten wir,<br />

unter Berücksichtigung des Sockelbergbaus, für einen Ausstieg aus der Steinkohleverstromung<br />

ein und unterstützen die Initiativen gegen Kohlegroßkraftwerke vor Ort. In<br />

<strong>NRW</strong> dürfen keine neuen Kohlekraftwerke errichtet werden. Wir setzen auf opt<strong>im</strong>ale<br />

Energieeinsparung, die massive Förderung regenerativer Energien wie Solar-, Wind- und<br />

Wasserenergie sowie Geothermie und Biogas. Für eine Übergangszeit sind Gaskraftwerke<br />

verstärkt zu nutzen und alle Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Koppelung zu betreiben. Wärmeisolierung<br />

und energiesparende Technologien gilt es zu fördern. Braunkohle ist unter<br />

den fossilen Energieträgern der größte Kl<strong>im</strong>akiller. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert deshalb den<br />

schnellstmöglichen Stopp des Braunkohleabbaus und die Stilllegung aller Braunkohlekraftwerke.<br />

Zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen und zur Renaturierung der Abbaugebiete<br />

in den Braunkohleregionen müssen regionale Foren unter Beteiligung von Gewerkschaften,<br />

Umweltverbänden und Bürgerinitiativen geschaffen werden. Die großen Energiekonzerne<br />

müssen die Kosten für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen und für die<br />

ökologischen Folgen des Braunkohleabbaus übernehmen.<br />

Eine radikale Wende hin zu 100 Prozent he<strong>im</strong>ischen erneuerbaren Energien <strong>im</strong> europäischen<br />

Energienetz ist die Investition in ein ökologisches und friedliches 21. Jahrhundert.<br />

Technisch ist dies innerhalb von zehn Jahren umsetzbar. Zum Schutz der Erdatmosphäre<br />

müssen die Treibhausgasemissionen um 95 Prozent gesenkt und die Wälder und Anbauflächen<br />

zur Bindung von CO² geschont werden. Wer heute auf regenerative Energien<br />

setzt und das Wissen über eine nachhaltige Energieversorgung mit Schwellen- und Entwicklungsländern<br />

teilt, wird sich Morgen nicht an Kriegen um fossile Brennstoffe beteiligen.<br />

Durch massive Gebäudedämmung und Umstellung des Verkehrssystems lässt sich<br />

Energie einsparen. Windkraft, Photovoltaik und Solarthermik bieten die größten Potentiale<br />

<strong>im</strong> Bereich der erneuerbaren Energiequellen mit bereits heute zur Verfügung stehender<br />

Technik.<br />

In der Abfallwirtschaft sind neue Müllverbrennungsanlagen nicht mehr zu genehmigen.<br />

Schon heute werden 1,8 Millionen Tonnen Müll aus dem Ausland <strong>im</strong>portiert, um hier verbrannt<br />

zu werden. Dies ist schon aufgrund der Transportbelastung umweltpolitisch nicht<br />

sinnvoll.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

99<br />

• Dezentrale und kommunale Energieversorgungsstrukturen: Die Energiekonzerne in<br />

<strong>NRW</strong> – RWE und E.ON – müssen vergesellschaftet werden. Sie gehören in öffentliche<br />

Hand und müssen demokratisch kontrolliert, perspektivisch entflochten und dezentralisiert<br />

werden. Bereits privatisierte Anteile von Stadtwerken müssen rekommunalisiert<br />

werden. Die Energiepreise werden sozialverträglich gestaltet. Eine neue Energiepolitik<br />

ist an Energieeffizienz, Energieeinsparung, Förderung erneuerbarer Energien und<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz auszurichten.<br />

• Die Vergesellschaftung der Stromnetze.<br />

• Keine Atomtransporte, den schnellen Ausstieg aus der Atomenergie und eine Stilllegung<br />

der Urananreicherungsanlage Gronau sowie keine weiteren Einlagerungen von<br />

Atommüll in Ahaus.<br />

• Den schnellstmöglichen Stopp des Braunkohlebaus und die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke<br />

sowie mittelfristig den Ausstieg aus der Steinkohleverstromung.<br />

• Die massive Förderung regenerativer Energien wie Solar-, Wind-, Wasserenergie,<br />

Geothermie und Biogas hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen.<br />

4.3 Schutz der Wasserressourcen und eine zeitgemäße Baugesetzgebung<br />

Wasser ist unser höchstes Gut. Obwohl es so wichtig ist, gehen gerade die Industrieländer<br />

zu sorglos mit diesem Element um. Allein in Deutschland verbraucht jede Bundesbürgerin<br />

und jeder Bundesbürger täglich ca. 125 Liter Wasser. Grund- oder Oberflächenwasser<br />

wird aufwendig aufbereitet, damit es die benötigte Qualität gemäß den Vorschriften<br />

der Trinkwasserverordnung erhält. Erst danach gelangt es zu den privaten Haushalten,<br />

kommunalen Einrichtungen, zu Gewerbe und Industrie. Dieses Trinkwasser wird aber<br />

nicht nur zum Trinken oder zur Körperreinigung verwendet, sondern auch zur Textil- und<br />

Gebäudereinigung sowie zur Toilettenspülung und zur Gartenbewässerung. Wasser<br />

braucht jedoch nicht <strong>im</strong>mer den Anforderungen des Trinkwassers zu genügen. Der Einsatz<br />

von Regenwasser ist somit in Zukunft bei der Toilettenspülung, wie auch bei der<br />

Wäsche- und Gebäudereinigung und der Bewässerung von Feldern und Gartenanlagen<br />

aufgrund der knappen Ressourcen mit einzubeziehen.<br />

Die Linke <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Land, Städte und Kommunen müssen be<strong>im</strong> Bau von öffentlichen Gebäuden zu einer<br />

konsequent energiesparenden Bauweise und Nutzung von innovativen Technologien<br />

sowie den Einsatz von Solarenergieanlagen verpflichtet werden.<br />

• Das Land und die Kommunen sollen eine Vorreiterrolle für energiesparende und in<br />

der Zukunft ökologisch vertretbare Gebäude übernehmen.<br />

• Durch effiziente Wärmetauschsysteme kann auch die von Computern und Menschen<br />

abgegebene Wärme aufgefangen und genutzt werden.<br />

• Private Bauvorhaben sind durch Fördermaßnahmen bei Energiesparmaßnahmen zu<br />

unterstützen.<br />

• Öffentliche Gebäude sind be<strong>im</strong> Neubau mit Regenwasseranlagen zur Toilettenspülung<br />

auszustatten. In weiteren Schritten werden die bestehenden Gebäude zeitnah mit<br />

den entsprechenden Anlagen nachgerüstet.<br />

• Die eingestellte Förderung für Regenwassernutzungsanlagen für Privathaushalte ist<br />

wieder in die Förderprogramme des Landes <strong>NRW</strong> aufzunehmen.<br />

• Die städtische Bewässerung von Parks ist schrittweise auf die Bewässerung mit Regenwasser<br />

umzustellen. Hierfür sollen Zisternen angelegt und das Regenwasser von<br />

versiegelten Flächen aufgefangen werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

100<br />

5 Öffentlich statt Privat – öffentliche Daseinsvorsorge stärken<br />

5.1 Privatisierung stoppen – demokratische Kontrolle durch<br />

Rekommunalisierung<br />

Die Politik der Landesregierung ist nach wie vor von dem Motto „Private sind besser, billiger<br />

und bürgernäher“ geleitet. Keines dieser Versprechen hat sich bewahrheitet.<br />

Die massive Umverteilung von unten nach oben hat nicht nur zu <strong>im</strong>mer mehr Armut,<br />

sondern auch zu leeren öffentlichen Kassen geführt. Da dies von verschiedenen Landesregierungen<br />

als Ausgaben- und nicht als Einnahmenproblem definiert worden ist, sind die<br />

öffentlichen Ausgaben auch in Bereichen der Daseinsvorsorge stark gesenkt worden. Das<br />

Land <strong>NRW</strong> hat, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, die Investitionen in die öffentliche<br />

Daseinsvorsorge unter verschiedenen Regierungen kontinuierlich heruntergefahren. Dadurch<br />

ist ein riesiger Investitionsstau entstanden. In Krankenhäusern wird nach wie vor<br />

in Baustrukturen des vorletzten Jahrhunderts gearbeitet. In Schulen bröckelt der Putz von<br />

der Decke.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert, den Investitionsstau <strong>im</strong> Öffentlichen Dienst durch ein Investitionsprogramm<br />

zu beheben. Hierzu haben wir ein eigenes umfassendes Zukunftsinvestitionsprogramm<br />

(ZIP) für <strong>NRW</strong> entwickelt.<br />

Das riesige Vermögen, das sich durch die sozial ungerechte Umverteilung angehäuft hat,<br />

sucht ständig global nach neuen, lukrativen Anlagemöglichkeiten. Viele ehemals öffentliche<br />

Bereiche versprechen hohe Renditen. Dies führt dazu, dass Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen,<br />

Stadtwerke, Bus- und Bahnlinien, Wohnungen und ganze kommunale<br />

Verwaltungen sowie andere Leistungen der Daseinsvorsorge den Regeln des Wettbewerbs<br />

untergeordnet, als neue Märkte erschlossen und Profite abgeschöpft werden.<br />

Für die Profite werden in den privatisierten Bereichen Leistungen abgebaut. Teilweise<br />

werden die Preise so stark erhöht, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger existenzielle<br />

Güter nicht mehr leisten können. Die Beschäftigten in privatisierten Bereichen werden<br />

entlassen, ausgegliedert, in tariflose Arbeitsverhältnisse gedrängt und mit erheblicher zusätzlicher<br />

Arbeit belastet.<br />

Neben dem direkten Verkauf von öffentlichem Eigentum werden auch durch Öffentlich-<br />

Private-Partnerschaftsmodelle (ÖPPs) Leistungen der Daseinsvorsorge dem Gewinnstreben<br />

privater Konzerne untergeordnet. Eine Form der ÖPPs sind die „Cross-Border-<br />

Leasing“ (CBL)-Geschäfte. Dabei werden grenzüberschreitende Leasingverträge abgeschlossen,<br />

die das unterschiedliche Regulierungsniveau in den beteiligten Ländern nutzen,<br />

um Steuern zu sparen oder ihre Zahlung ganz zu vermeiden. Viele Kommunen in<br />

<strong>NRW</strong> sind CBL-Geschäfte eingegangen. Bereits jetzt zeigen sich die katastrophalen finanziellen<br />

Folgen. Daher muss das Land die Kommunen bei der Rückabwicklung dieser Geschäfte<br />

unterstützen und darauf hinwirken, dass CBL- Geschäfte nachträglich für ungültig<br />

erklärt werden.<br />

Die Privatisierungspolitik der letzten Jahre war ein massiver Demokratieabbau. Ganze Bereiche<br />

existenzieller Güter sind an private Unternehmen übergeben und somit der demokratischen<br />

Kontrolle entzogen worden. So hat die Privatisierung der LEG dazu geführt,<br />

dass der Mietspiegel nicht mehr durch öffentliche Interventionen an den Bedürfnissen der<br />

Bevölkerung orientiert werden kann, sondern zum Spekulationsobjekt wird.<br />

Fatal wirkt sich die Privatisierungspolitik auch auf die Energieerzeugung und -versorgung<br />

aus. Wir fordern eine Wende in der Energiepolitik hin zu dezentralen Strukturen, die<br />

Überführung der Energiekonzerne in öffentliche Hand und ihre demokratische Kontrolle.<br />

Perspektivisch müssen die Strukturen in der Energiewirtschaft entflochten und dezentralisiert<br />

werden, bereits privatisierte Anteile von Stadtwerken müssen rekommunalisiert werden.<br />

Die Energieversorger sollen über die Zusammensetzung ihrer Preise transparent be-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

101<br />

richten und einen Sozialtarif für Privathaushalte mit geringem Einkommen einführen. Die<br />

Änderung der Gemeindeordnung, nach der Stadtwerke nur noch bei einem „dringenden<br />

öffentlichen Zweck“ tätig werden dürfen und dies auch nur, wenn private Unternehmen<br />

diese Aufgabe „nicht mindestens ebenso gut und wirtschaftlich“ erledigen können, muss<br />

zurück genommen werden. Wenn Kommunen ihre Netze zurückkaufen wollen, müssen<br />

sie vom Land Unterstützung erhalten.<br />

Nordrhein-Westfalen muss seinen Einfluss geltend machen, damit die Deutsche Bahn<br />

nicht privatisiert wird. Die Privatisierung von Bus- und Bahnlinien muss mit der Unterstützung<br />

des Landes zurückgenommen werden. Denn Sinn von Bus und Bahn ist nicht die<br />

Erzielung einer möglichst hohen Rendite, sondern die Schaffung von Mobilität für alle –<br />

mit umweltpolitischer Verantwortung und zu Preisen, die sich alle leisten können. Bahnhöfe<br />

und Haltestellen sind auf die Bedürfnisse der Fahrgäste auszurichten und müssen<br />

barrierefrei sein. Damit mehr Güter mit der Bahn transportiert werden, sind effiziente Logistikkonzepte<br />

und Verteilzentren zu entwickeln. Darüber hinaus muss sich <strong>NRW</strong> unbedingt<br />

für die Rücknahme der Privatisierung aller Unternehmen der Daseinsvorsorge wie<br />

zum Beispiel der Post und der Telekom einsetzen. Eine flächendeckende und günstige<br />

DSL-Versorgung muss von der öffentlichen Hand sichergestellt werden.<br />

Gegen viele Privatisierungen sind in <strong>NRW</strong> Bürgerinitiativen gegründet worden, in denen<br />

sich Beschäftigte, Gewerkschaften, Sozialverbände, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer<br />

sowie Bürgerinnen und Bürger gegen den Ausverkauf wehren.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> beteiligt sich an diesen Bürgerinitiativen und –begehren und<br />

unterstützt den Kampf gegen Privatisierungen tatkräftig. Alle Bürgerinnen und<br />

Bürger haben das Recht auf bezahlbare öffentliche Güter der Daseinsvorsorge.<br />

Gute Arbeitsplätze <strong>im</strong> öffentlichen Dienst müssen gerade in Krisenzeiten unabhängig<br />

von den Profitaussichten der Unternehmen gesichert werden. Die<br />

demokratische Kontrolle über die Bereiche der Daseinsvorsorge muss endlich<br />

ausgebaut werden. DIE LINKE. <strong>NRW</strong> lehnt Privatisierungen öffentlicher Betriebe<br />

grundsätzlich ab.<br />

DIE LINKE. <strong>NRW</strong> fordert:<br />

• Keine weiteren Privatisierungen und die Rückführung der privatisierten Betriebe in die<br />

öffentliche Hand (Rekommunalisierung).<br />

• Eine Preisaufsicht über die Strom- und Gastarife, Strom- und Gasnetze gehören in<br />

öffentliche Hand. Reform der <strong>NRW</strong>-Gemeindeordnung.<br />

• Keine Privatisierung der Deutschen Bahn; barrierefreie Bahnhöfe und Haltestellen;<br />

effiziente Logistik- und Verteilkonzepte für den Gütertransport.<br />

• Juristische Unterstützung für Kommunen bei der Rückabwicklung von Cross-Border-<br />

Leasing-Geschäften; Verbot des Verkaufs von öffentlichem Eigentum an private Eigentümer.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

102<br />

CDU<br />

Neue Sicherheit und Solidarität – Nordrhein-Westfalen<br />

2020<br />

Landespolitische Leitsätze der CDU Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Inhalt<br />

Wachstum schafft Arbeit 5<br />

Bildung für alle 7<br />

Beschäftigungssicherheit für viele 9<br />

Kein Kind bleibt zurück 10<br />

Mehr Lebensqualität für Ältere.11<br />

Für starke Kommunen.13<br />

Integration in einer weltoffenen Gesellschaft..15<br />

Sicher leben.16<br />

Handeln mit Gewinn für Umwelt und Wirtschaft.17<br />

Investitionen in eine moderne Infrastruktur 19<br />

Wir setzen auf kreative Köpfe.21<br />

Für ein starkes Europa.22<br />

Nordrhein-Westfalen 2020 – Neue Sicherheit und Solidarität.24<br />

1 [Einleitung]<br />

Die Einheit der Gesellschaft zu bewahren, ist die große Aufgabe der Politik zu Beginn des<br />

21. Jahrhunderts. Mehr denn je muss die Politik heute für neue Sicherheit sorgen. Sie<br />

darf nicht akzeptieren, dass die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeitenden und<br />

Arbeitslosen, zwischen Ausgebildeten und nicht Ausgebildeten, zwischen Ost und West,<br />

zwischen Einhe<strong>im</strong>ischen und Zuwanderern <strong>im</strong>mer weiter auseinander geht. Soziale Unterschiede<br />

dürfen nicht unüberwindbare Hürden sein. Jedes Kind muss seine Talente und<br />

Fähigkeiten entfalten können. Jeder muss die Chance zu sozialem Aufstieg haben. Jeder<br />

muss wieder eine Chance bekommen, auch wenn er arbeitslos wird. Niemand darf zurückbleiben.<br />

Auch Unternehmen brauchen Sicherheit. Denn sie müssen planen können, um erfolgreich<br />

zu sein und Wohlstand schaffen zu können. Freiheit ist ein hohes Gut, für das wir einstehen.<br />

Aber Sicherheit muss dazu gehören. Dass Freiheit und Sicherheit zusammengehören,<br />

ist der Kern der Sozialen Marktwirtschaft. Damit die Soziale Marktwirtschaft Erfolg<br />

hat, müssen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften ihren Beitrag leisten.<br />

Die Soziale Marktwirtschaft lebt davon, dass sich Leistung lohnt. Nur so ist Wohlstand für<br />

alle zu erreichen. Das Wirtschaftswunder war ohne die Leistung der Menschen an Rhein<br />

und Ruhr undenkbar. Bis heute sind wir Deutschlands industrielles Kraftpaket. Wäre<br />

Nordrhein- Westfalen ein eigener Staat, lägen wir mit einem Bruttoinlandsprodukt von<br />

rund 500 Mrd. Euro auf Rang 17 der Weltrangliste der Volkswirtschaften. Wir in<br />

Nordrhein- Westfalen sind stolz darauf, dass wir das Kernland der Sozialen Marktwirtschaft<br />

sind. Ihr Grundsatz „Erarbeiten kommt vor Verteilen“ ist für uns Maßstab. Denn<br />

den Schwachen kann nur geholfen werden, wenn auch die Starken nicht geschwächt<br />

werden. Deshalb unterstützen wir Industrie und Mittelstand. So haben wir mit sechs<br />

Mittelstandspaketen die Selbstverwaltung der Wirtschaft gestärkt, die Bürokratie reduziert


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

103<br />

und für Unternehmen verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen. Und mit unserer<br />

bundesweit vorbildlichen Meistergründungsprämie unterstützen wir junge Meisterinnen<br />

und Meister be<strong>im</strong> Aufbau eines eigenen Betriebs. 2008 waren wir Gründungsland Nr.<br />

1. So machen wir die stark, die unser Land stark machen: Familienunternehmen aus<br />

Handwerk und Mittelstand.<br />

Die Soziale Marktwirtschaft setzt auf starke Unternehmer. Aber ohne einen starken Staat<br />

wird die Gesellschaft auseinanderfallen. Ein starker Staat ist ein Staat, der sich auf seine<br />

Kernaufgaben konzentriert – und das heißt, elementare Sicherheiten zu garantieren und<br />

Chancen zu eröffnen. In diesem Sinn muss er ein solidarischer Sozialstaat sein. Auf diesen<br />

solidarischen Sozialstaat sollen sich auch unsere Kinder und Enkel noch verlassen<br />

können.<br />

Deshalb darf er sich nicht übermäßig verschulden. Eine Politik der neuen Sicherheit heißt<br />

nicht <strong>im</strong>mer mehr staatliche Umverteilung. Sie setzt vielmehr große gesellschaftliche Anstrengungen<br />

voraus. Sie erfordert von den Menschen mehr Eigeninitiative, Eigenvorsorge<br />

und Selbstverantwortung. Aber sie bietet eine Lebensperspektive, die frei von Willkür und<br />

Existenzangst ist.<br />

Das bedeutet: Jeder, der sich nicht selbst helfen kann, muss auf die Solidarität der Gemeinschaft<br />

zählen können. Aber vor allem: Leistung muss sich lohnen. Deshalb haben wir<br />

erfolgreich dafür gekämpft, dass das Arbeitslosengeld für Ältere verlängert wurde. Denn<br />

es kann nicht sein, dass jemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, <strong>im</strong> Fall der Arbeitslosigkeit<br />

das Gleiche bekommt wie jemand, der kaum gearbeitet hat. Deshalb haben wir<br />

erfolgreich dafür gekämpft, dass das Schonvermögen bei Hartz-IV-Empfängern erhöht<br />

wird. Denn private Altervorsorge darf nicht bestraft, sondern muss belohnt werden. Und<br />

deshalb kämpfen wir auch weiter dafür, dass derjenige, der ein Leben lang gearbeitet<br />

hat, ein Alterseinkommen erhält, das oberhalb der Grundsicherung liegt, wobei die zusätzlichen<br />

Leistungen steuerfinanziert ausgestaltet werden. Nur wenn sich Leistung lohnt,<br />

geht es in der Gesellschaft gerecht zu.<br />

Die Soziale Marktwirtschaft ist die erfolgreichste Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,<br />

die Deutschland je hatte. Wir in Nordrhein-Westfalen wissen, dass die Soziale Marktwirtschaft<br />

nur eine Zukunft hat, wenn wirtschaftliche Vernunft mit sozialer Gerechtigkeit einhergeht.<br />

Wir in Nordrhein-Westfalen sind „das soziale Gewissen Deutschlands“, wie unser erster<br />

frei gewählter Ministerpräsident Karl Arnold gesagt hat. Hier bei uns wurde der Klassenkampf<br />

beendet und die soziale Partnerschaft begründet. Die große Leistung der CDU war<br />

und ist es, Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht als Gegensatz, sondern als Einheit zu verstehen.<br />

Diese grundlegende Haltung hat die CDU gerade in Nordrhein-Westfalen <strong>im</strong>mer<br />

sowohl von der reinen Marktgläubigkeit der Neoliberalen als auch von der Staatsgläubigkeit<br />

der linken Parteien unterschieden. Das war und ist ihr Erfolgsrezept. Das war und ist<br />

ihr Markenkern. Deshalb ist sie die Partei der Mitte.<br />

Der Erfolg der CDU in den letzten Jahrzehnten liegt in der konsequenten Verbindung von<br />

Wirtschafts- und Sozialpolitik und in der Abkehr von einem materialistischen Menschenbild.<br />

Ein ungebremster Materialismus hat uns in die tiefe Wirtschaftskrise gestürzt. Dieser<br />

Materialismus ist mit unserem christlichen Menschenbild nicht vereinbar. Die Politik der<br />

CDU Nordrhein-Westfalen ist wertegebundene Politik. Nicht die soziale Herkunft zählt,<br />

sondern Verantwortung zu übernehmen und sich einzusetzen für andere: In der Familie,<br />

in der Gemeinde, in der Kommune, in Vereinen und auch in der Politik. Wer den Gemeinsinn,<br />

den Familiensinn, den Sinn für He<strong>im</strong>at stärkt, der lebt die Bürgergesellschaft. Und<br />

wer dafür Politik macht, macht eine Politik der neuen Sicherheit.<br />

Die Relativierung von Werten bedroht unsere Gesellschaft. Nicht alles ist möglich. Nicht<br />

alles, was gefällt, ist auch erlaubt. Wenn eine Gesellschaft ihre eigenen Werte nicht


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

104<br />

kennt, dann zerfällt sie. Deshalb treten wir gegen die Verfügbarkeit menschlichen Lebens<br />

an, sei es am Anfang wie am Ende.<br />

Wir streiten konsequent für Recht und Ordnung. Es kann nicht sein, dass sich Menschen<br />

in ihrer Stadt nicht mehr sicher fühlen können, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr ohne<br />

Angst auf der Straße spielen lassen können. Unsere Kinder haben ein Anrecht darauf,<br />

dass sie sicher leben können. Eine Gesellschaft, die ihre Kinder nicht wirksam schützt, gefährdet<br />

nicht nur ihren Zusammenhalt, sondern sie stellt sich selbst in Frage.<br />

Eine Politik der neuen Sicherheit heißt, sozialen Aufstieg möglich zu machen: Durch ein<br />

Bildungssystem, das jedes Kind schon <strong>im</strong> Kindergarten individuell fördert, das Ganztagsschulen<br />

anbietet, damit Familie und Beruf besser verbunden werden können, das Hauptschüler<br />

nicht abschreckt, sondern ihnen eine Berufsausbildung ermöglicht und das das<br />

gegliederte Schulsystem zukunftsfähig erhält. Wir sind für das gegliederte Schulsystem<br />

und gegen die Einheitsschule. All das sind Elemente einer wertegebundenen Politik. Damit<br />

wird die Einheit der Gesellschaft bewahrt. So ist neue Sicherheit für alle möglich. Die<br />

kommenden Jahre werden nicht einfach. Die Krise war hart. Sie ist noch nicht vorbei.<br />

Wir werden noch einige Zeit brauchen, um sie zu bewältigen. Wir brauchen wieder<br />

Wachstum. Dann müssen die Schulden abgebaut werden. Gleichzeitig stellen sich große<br />

Herausforderungen. Die drohende Kl<strong>im</strong>akatastrophe erfordert eine neue Art zu leben und<br />

zu wirtschaften. Die älter werdende Gesellschaft erfordert einen Umbau der Betriebe und<br />

der Infrastruktur. Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft verlangt von<br />

uns ein exzellentes Bildungs- und Forschungssystem.<br />

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen wir langfristiger als bisher denken.<br />

Gerade in Zeiten der Krise ist das <strong>im</strong>mer wichtiger. Wir haben eine Vision, wie wir leben<br />

wollen. „Nordrhein-Westfalen 2020“ ist unser Ziel – für mehr Lebensqualität, für mehr<br />

Menschlichkeit, für mehr Miteinander, für die Einheit der Gesellschaft. Der verstorbene<br />

Vorsitzende der Zukunftskommission Nordrhein-Westfalen Lord Dahrendorf hat es klar<br />

formuliert: Eine Gesellschaft, die nur auf wissenschaftliche und wirtschaftliche Innovationen<br />

setzt, droht auseinanderzufallen. Eine Gesellschaft, die sich mit der Erhaltung des<br />

Status Quo begnügt und allenfalls Fragen der „gerechten Verteilung“ stellt, droht zu erstarren.<br />

Nur wenn Innovation und Solidarität zusammenkommen, hat die Gesellschaft<br />

freier Bürger Zukunft. Nur wenn Innovation und Solidarität verbunden werden, gibt es<br />

neue Sicherheit. Das ist unser politischer Kompass heute und in Zukunft.<br />

2 Wachstum schafft Arbeit<br />

Wir haben 2005 eine Staatsverschuldung von 110 Milliarden Euro übernommen. Wir haben<br />

das getan, was wir versprochen haben: Mit einem strikten Sparkurs haben wir die Nettoneuverschuldung<br />

2006 fast halbiert und bis 2008 auf den niedrigsten Stand seit über 30 Jahren heruntergefahren.<br />

Aber die Krise hat uns zurückgeworfen. Es ist falsch, gegen die Krise anzusparen.<br />

Damit würde neues Wachstum abgewürgt. Wir haben schnell und entschlossen auf<br />

die Krise reagiert. Mit 7,7 Mrd. Euro beteiligt sich Nordrhein-Westfalen in einer historisch<br />

einmaligen Kraftanstrengung daran, die Krise zu überwinden: Mit der Stabilisierung der<br />

Banken, mit den Maßnahmenpaketen I und II zur Stabilisierung der Konjunktur, mit dem<br />

Zukunftspakt für die Kommunen für Investitionen in Bildung und Infrastruktur, mit der<br />

Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und mit dem Deutschlandsfonds für die Unternehmen,<br />

vorgeschlagen von uns in Nordrhein-Westfalen. Damit haben wir seit Anfang 2009<br />

bereits 11.000 vor allem kleinen und mittleren Unternehmen eine Brücke gebaut, um die<br />

Krise zu überstehen. Außerdem hat das Land allein 2009 für Unternehmen Bürgschaften<br />

mit einem Volumen von 601 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Mit all diesen Maßnahmen<br />

kommen wir gestärkt aus der Krise heraus.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

105<br />

Unsere langfristig orientierte Politik für mehr Wachstum setzt darauf, die eigenen Stärken<br />

zu stärken. Wir sind und bleiben Industrieland. Deshalb müssen wir unsere industriellen<br />

Kerne stärken. Und das tun wir am besten durch Vernetzung, denn sie ist der Schlüssel<br />

zum Erfolg. Unsere Kernkompetenzen liegen in der Logistik, in der Energiewirtschaft, in<br />

der Chemie, <strong>im</strong> Bereich der Materialwirtschaft und der neuen Werkstoffe, aber auch bei<br />

Telekommunikation, Medien und Kreativwirtschaft. Ein besonderer Jobmotor ist auch die<br />

Gesundheitswirtschaft, die wir gezielt fördern, u.a. mit dem neuen Gesundheitscampus in<br />

Bochum. In all diesen Bereichen werden wir unsere Cluster-Strategie noch weiter ausbauen.<br />

Denn entscheidend ist die enge Kooperation von Unternehmen mit Wissenschaft und<br />

Verbänden. Entscheidend sind langfristige Strategien der erfolgreichen Entwicklung innovativer<br />

Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Von der Forschung über<br />

die Produkteinführung und Markterschließung bis hin zur Infrastruktur. Je enger die Vernetzung,<br />

umso mehr Wachstum und damit auch neue Arbeitsplätze!<br />

Mehr Wachstum heißt aber auch Investitionen in Innovationen. Wir haben seit 2005 die<br />

Förderung von Innovationen um ein Viertel auf fast 600 Millionen Euro gesteigert. Innovationen<br />

entstehen in starken Hochschulen. Deshalb haben wir unsere Hochschulen von<br />

bürokratischen Fesseln befreit und ihnen finanzielle Planungssicherheit gegeben. Außerdem<br />

werden wir bis 2020 rund 8 Mrd. Euro zusätzlich für die Modernisierung der Hochschulen<br />

investieren. Nordrhein-Westfalen gründet vier neue Fachhochschulen und baut<br />

acht bestehende aus. So werden 11.000 neue Studienplätze geschaffen. Auch die sozial<br />

ausgestalteten Studienbeiträge sind ein wichtiger Beitrag, um unsere Hochschulen leistungsfähig<br />

zu halten und Lehr- und Studienbedingungen entscheidend zu verbessern –<br />

dass die Zahl der Studierenden seit Mai 2005 nicht gesunken, sondern um fast 9,5 Prozent<br />

gestiegen ist, gibt uns mit diesem Kurs recht. Allerdings werden wir darauf dringen,<br />

dass die Beiträge für das Studium in transparenter Weise auch tatsächlich zur Verbesserung<br />

der Lehre und der Studienbedingungen eingesetzt werden.<br />

Investitionen in Innovationen heißt, Spitzenforschungsprojekte zu fördern. Allein in die<br />

Zukunftsfelder Biotechnologie, Nano- und Mikrotechnik, Innovative Werkstoffe und Energie-<br />

und Umweltforschung fließen bis <strong>2010</strong> Landesmittel von jeweils 100 Millionen Euro<br />

für Spitzenforschungsprojekte. Außerdem haben wir seit der Regierungsübernahme gemeinsam<br />

mit der Wirtschaft 24 neue Spitzenforschungsinstitute, High-Tech-Labore und<br />

Denkfabriken eingerichtet, die die Grundlage für neue Arbeitsplätze schaffen. So viel wissenschaftliche<br />

Exzellenz hat in den letzten Jahren kein anderes Bundesland aufgebaut.<br />

Der Erfolg ist mit Händen zu greifen: Heute haben wir <strong>im</strong> Bereich Forschung und Entwicklung<br />

fast 11 Prozent mehr Arbeitsplätze als 2005. Das ist weit mehr als der Bundesdurchschnitt<br />

und der höchste Zuwachs in der Geschichte des Landes.<br />

Die Zukunft liegt in der noch besseren Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft. Das<br />

neue HochschuI-Netzwerk „InnovationsAllianz“ von 24 nordrhein-westfälischen Hochschulen<br />

setzt dafür bereits wichtige Akzente und wir werden dabei helfen, Hochschulen<br />

und Wirtschaft noch enger zu vernetzen: Mit einer umfassenden Partnerschaft von Hochschulen<br />

und Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Außerdem werden wir in Zukunft noch<br />

stärker als bisher die Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte vorantreiben.<br />

Und wir werden den Mittelstand weiter stärken, z.B. durch das Förderpaket für den forschenden<br />

Mittelstand mit lnnovationsdarlehen, Innovationsgutscheinen und Innovationsassistenten<br />

– bis 2012 mit einem Gesamtvolumen von rund 32 Mio. Euro.<br />

3 Beschäftigungssicherheit für viele<br />

Beschäftigungssicherheit für viele heißt, sich nicht damit abzufinden, dass Menschen auf<br />

Dauer keine Chance auf Arbeit haben. Mit unserem bundesweit vorbildlichen Kombilohn-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

106<br />

Modell, das Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen mit Zuschüssen hilft, haben<br />

wir es geschafft, rund 10.000 Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zu geben.<br />

Beschäftigungssicherheit für viele heißt, nicht hinzunehmen, dass jemand trotz Vollbeschäftigung<br />

seine Familie nicht ernähren kann. Man muss von seiner Arbeit leben können.<br />

Deshalb gehen wir entschlossen gegen Dumpinglöhne vor. Mit Allgemeinverbindlichkeitserklärungen<br />

für Tarifverträge haben wir erreicht, dass mehr als 230.000 Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer eine ausreichend bezahlte Arbeit haben. Wir haben durchgesetzt,<br />

dass es ein gesetzliches Verbot sittenwidriger Löhne geben wird. Wir sind aber gegen einen<br />

einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, weil er Arbeitsplätze vernichtet.<br />

Beschäftigungssicherheit für viele heißt, dass wir uns nicht damit abfinden, dass Menschen<br />

keine Chancen mehr haben, wenn sie entlassen werden. Deshalb haben wir dafür<br />

gekämpft, dass von den <strong>im</strong> Herbst 2006 bei BenQ entlassenen Mitarbeitern über 80 Prozent<br />

wieder einen neuen Job bekommen haben. Und auch die meisten der von Nokia in<br />

Bochum entlassenen Mitarbeiter haben durch unseren Einsatz wieder eine neue Perspektive:<br />

Auf Druck der Landesregierung hin hat Nokia 200 Millionen Euro in einen Sozialplan<br />

investiert.<br />

Und mit dem Landes-Programm „Wachstum für Bochum“ in Höhe von 53 Mio. Euro unterstützen<br />

wir die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region.<br />

Beschäftigungssicherheit für viele heißt aber auch, dass junge Menschen Einstiegsmöglichkeiten<br />

in den Beruf haben. Deshalb geben wir mit dem 3. Weg in die Berufsausbildung,<br />

dem Sonderprogramm Ausbildung und dem Werkstattjahr allen Jugendlichen eine<br />

berufliche Perspektive: 2008 sind dank unseres Ausbildungskonsenses rund 20.000 zusätzliche<br />

Lehrverträge abgeschlossen worden. Damit sind so wenige Jugendliche ohne<br />

Ausbildungsplatz wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das ist ein großer Erfolg.<br />

Kein Jugendlicher, der kann und will, darf zurückbleiben. Gerade die Förderung junger<br />

Menschen mit Behinderung ist uns ein besonderes Anliegen. Wir wollen, dass mehr behinderte<br />

Jugendliche in Regelschulen unterrichtet werden. Mit dem Ausbildungsjahr<br />

2006/2007 haben wir das Programm „100 zusätzliche Ausbildungsplätze für behinderte<br />

Jugendliche und junge Erwachsene in Nordrhein-Westfalen“ gestartet. Damit konnten bislang<br />

mehr als 300 Ausbildungsplätze zusätzlich geschaffen werden. Und wir haben außerdem<br />

ein Projekt zur Integration lernbehinderter Jugendlicher in Ausbildung (ILJA)<br />

entwickelt, mit dem wir alle lernbehinderten Jugendlichen ab der achten Klasse individuell<br />

fördern werden.<br />

In der kommenden Legislaturperiode werden wir ein umfassendes Konzept zur Stärkung<br />

der Ausbildungsfähigkeit junger Menschen umsetzen: Mit regionalen Bildungsnetzwerken<br />

der Kreise und kreisfreien Städte werden alle kommunalen und gesellschaftlichen Kräfte<br />

vor Ort zur Unterstützung von Schulen gebündelt. Ab der 8. Klasse wird es eine systematische<br />

individuelle Förderung zur beruflichen Orientierung und Ausbildungsfähigkeit geben,<br />

in die Lehrkräfte, Berufsberatung, Betriebe und Eltern gleichermaßen eingebunden<br />

sind.<br />

Für alle Jugendlichen mit Förderbedarf nach der Schule entwickeln wir ein Übergangssystem<br />

mit individuellen Förderwegen einschließlich einer anerkannten Berufsausbildung.<br />

Unser Ziel ist, dass Betriebe, Berufskollegs und Bildungsträger <strong>im</strong> Verbund alle Jugendlichen<br />

so ausbilden, dass sie einen Abschluss mit Zertifikat erreichen und damit erfolgreich<br />

ins Berufsleben starten können.<br />

Ein weiteres Ziel ist, die beruflichen Chancen von Frauen zu verbessern. Wir haben schon<br />

viel erreicht, z. B. durch gezielte Förderprogramme für junge Wissenschaftlerinnen, Unternehmerinnen<br />

und alleinerziehende Mütter oder Frauen <strong>im</strong> öffentlichen Dienst. Aber


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

107<br />

trotz hoher Bildungsqualifikationen sind Frauen gerade in den oberen Karriereetagen <strong>im</strong>mer<br />

noch weit unterrepräsentiert und weiterhin gibt es eine beachtliche Lohnungleichheit<br />

bei Frauen. Wir werden die Berufswahlorientierung hin zu Berufen mit besseren Aufstiegschancen<br />

verbessern, Frauen ermuntern und unterstützen, Verantwortung und Führung<br />

zu übernehmen und bessere Rahmenbedingungen für eine stärkere Repräsentanz<br />

von Frauen in Beiräten und Aufsichtsräten schaffen. Wir wollen helfen, die Arbeitswelt<br />

familienfreundlicher zu gestalten und die Angebote der Kinderbetreuung weiter ausbauen.<br />

In der Wissensgesellschaft ist es entscheidend, dass jeder sich weiterbildet. Lebensbegleitendes<br />

Lernen muss für alle zum Leitbild werden. Wir wollen das unterstützen, indem<br />

wir u.a. die Weiterbildung stärken, gerade für die Älteren. So schaffen wir auch die<br />

Grundlage für eine freiwillige nachberufliche Tätigkeit. Auf die Kompetenz und Erfahrung<br />

der Älteren wollen wir nicht verzichten. Unser Programm der Bildungsschecks ist ein Erfolg:<br />

250.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben daran teilgenommen. Wir wollen,<br />

dass es noch mehr werden. Und wir werden dafür sorgen, dass auf Grundlage des<br />

geltenden Rentenrechts die Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibler<br />

werden. Es muss bessere Möglichkeiten für Teilrenten und Hinzuverdienstmöglichkeiten<br />

geben.<br />

4 Für starke Kommunen<br />

Wir wollen starke Kommunen. Von den 2,844 Milliarden Euro aus den Konjunkturpaketen<br />

des Bundes und Landes haben wir 84 Prozent direkt an die Kommunen weitergeleitet –<br />

so viel wie kein anderes Bundesland. Zwei Drittel der Fördergelder sind bereits für fast<br />

5.000 Projekte vor allem <strong>im</strong> Bereich Bildung und Infrastruktur verplant. Sie werden Wirkung<br />

zeigen, vor allem in den finanzschwachen Kommunen, denn wir haben dafür gesorgt,<br />

dass auch sie von den Hilfen profitieren können.<br />

Für starke Kommunen haben wir außerdem ein Standardbefreiungsgesetz beschlossen<br />

und das kommunale Auftragswesen vereinfacht: Wir haben die Wertgrenzen für beschränkte<br />

Ausschreibungen und freihändige Vergabe deutlich erhöht. Und wir haben dafür<br />

gesorgt, dass die Gemeinden 2008 und 2009 mit 15,7 bzw. fast 15 Milliarden Euro<br />

mehr Geld bekommen als jemals zuvor. Nach der aktuellen Modellrechnung für <strong>2010</strong><br />

werden die Kommunen 7,6 Milliarden Euro <strong>im</strong> Finanzausgleich erhalten. Das ist nach dem<br />

Rekordjahr 2009 der zweithöchste je gezahlte Betrag. Und weil Investitionen in Bildung<br />

Investitionen in unsere Zukunft sind, bleibt die Schul- und Bildungspauschale mit 600 Millionen<br />

Euro unverändert hoch.<br />

Wie für das Land wird auch für die Kommunen die große Aufgabe der nächsten Jahre in<br />

der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte liegen. Neben der Nutzung aller Einsparpotenziale<br />

ist es unerlässlich, die Kommunen von überzogenen Standards zu befreien und<br />

einen adäquaten Kostenersatz für die vom Bund veranlassten Sozialkosten zu gewährleisten.<br />

Wir werden <strong>im</strong> Land auf Grundlage des IFO-Gutachtens gemeinsam mit Kreisen,<br />

Städten und Gemeinden ein neues Gemeindefinanzierungsgesetz erarbeiten, das den aktuellen<br />

Herausforderungen der Kommunen Rechnung trägt. Darüber hinaus wird es <strong>2010</strong><br />

eine gemeinsame Dialogplattform zwischen Bund, Ländern und Kommunen geben mit<br />

dem Ziel, eine gemeinsame Bestandsaufnahme zu erarbeiten und Handlungsempfehlungen<br />

zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vorzulegen.<br />

Entscheidend für die Zukunft ist aber auch, dass wir uns gemeinsam für schönere und<br />

lebenswertere Städte einsetzen. Die Menschen und ihre Bedürfnisse müssen <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

stehen. Unsere Städte müssen schöner werden, z.B. durch die Wiederbelebung der<br />

Innenstädte und durch die Wiederentdeckung regionaler Bautraditionen. Unsere Städte<br />

müssen mehr Lebensqualität gewinnen. Das heißt zum Beispiel, Zersiedelung und Flächenfraß<br />

zu verhindern. Das heißt, die Innenstädte auch als Wohngebiete wieder aufzu-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

108<br />

werten. Und das heißt, sich besonders der sozial schwierigen Quartiere anzunehmen, z.B.<br />

durch die Neugestaltung von Spielplätzen, Schulhöfen und Grünflächen.<br />

Wir brauchen eine konsequente Orientierung der Wohnungsmärkte an den Bedürfnissen<br />

der Menschen. Dabei muss sowohl auf die Bedürfnisse junger Familien eingegangen werden,<br />

die günstige Eigenhe<strong>im</strong>e erwerben wollen, als auch den Anforderungen einer alternden<br />

Gesellschaft begegnet werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf eine angemessene<br />

Wohnung. Dies werden wir auch durch gezielte Förderung sicherstellen. Gleichzeitig werden<br />

wir die energetische Modernisierung unserer Wohnungsbestände konsequent vorantreiben.<br />

Vor allem müssen wir unsere Städte und Gemeinden an den demografischen Wandel anpassen.<br />

Sie müssen familiengerechter werden und sie müssen besser für die Bedürfnisse<br />

einer älteren Gesellschaft gerüstet sein. Das bedeutet, Quartiere nicht um jeden Preis zu<br />

sanieren, sondern manche Anlagen auch abzureißen, wenn sie nicht mehr gebraucht<br />

werden. Und das bedeutet, besonders barrierefreie Wohnungen auszubauen, die den Bedürfnissen<br />

von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen entsprechen. Mehr<br />

Lebensqualität für unsere Städte ist die Zukunftsaufgabe für Land und Kommunen gleichermaßen.<br />

Gleiches gilt für unsere ländlichen Räume. Mehr als 60 Prozent der Menschen in<br />

Nordrhein- Westfalen leben in ländlichen Räumen. Ländliche Räume sind Chancenräume.<br />

Wir tragen ihrer Vielfalt Rechnung. Es gilt zum einen, die ländlichen Räume in ihrer jeweiligen<br />

Eigenart touristisch noch besser zu erschließen, Naturschutz wie Landwirtschaft<br />

fortzuentwickeln und die hochleistungsfähigen kleinen und mittleren Unternehmen zu<br />

stärken.<br />

Auf der anderen Seite gilt es, angesichts des demografischen Wandels, Mobilität oder<br />

ärztliche und pflegerische Versorgung auf dem Land dauerhaft zu gewährleisten.<br />

5 Handeln mit Gewinn für Umwelt und Wirtschaft<br />

Eine große Aufgabe ist die Balance von Ökologie und Ökonomie. Die Bewahrung der<br />

Schöpfung ist Voraussetzung einer guten Zukunft für uns und kommende Generationen.<br />

Wir nehmen diese Aufgabe an. 2009 haben wir so viel in den Naturschutz investiert wie<br />

nie zuvor in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Mit Innovationen <strong>im</strong> Trinkwasserschutz,<br />

mit langfristigen Investitionen für sichere Deiche und mit wirksamen Strategien<br />

gegen Luft- und Lärmbelastungen sorgen wir für Umweltsicherheit, Gesundheit und Lebensqualität.<br />

Mit 100 neuen Alleen haben wir ein sichtbares Zeichen gesetzt, wie wichtig uns Umwelt<br />

und Landschaft sind. Ideologie und Blockaden in der Umweltpolitik haben wir durch Dialog<br />

und Beteiligung abgelöst. Ein Beitrag ist der Dialog Wirtschaft und Umwelt mit Konzepten<br />

für schlanke Verwaltung und freiwilligen Umweltleistungen von Unternehmen und<br />

Branchen. Diesen Weg setzen wir fort. Das gilt auch für unsere Landwirtschaft in<br />

Nordrhein-Westfalen, in der wir seit 2005 eine neue Zuversicht erleben. Wir fördern<br />

Chancen in der Land- und Forstwirtschaft, die auch in erneuerbaren Energien liegen. Wir<br />

stärken unsere Agrar- und Waldregionen als grüne Lungen des Landes: Diesen Weg flankieren<br />

wir durch Kl<strong>im</strong>a-Anpassungsmaßnahmen des Landes für die kommenden Jahrzehnte.<br />

Sicherheit und Gesundheit sind Kern unseres Verbraucherschutzhandelns.<br />

Aber für uns gilt auch, dass Industrie und Umweltschutz keine Gegensätze sind. Die Industrie<br />

wurde in der Vergangenheit zu oft als Problem für die Umwelt gebrandmarkt. Das<br />

ist falsch. Die Industrie ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung. Deshalb haben<br />

wir den „Dialog Industrie und Umwelt“ gegründet und die „Allianz für Industrie und<br />

Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen. Wir wissen um unsere besondere Verantwortung und<br />

auch die Chancen, die sich für uns als Energieland Nr. 1 ergeben. Um das Ziel einer be-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

109<br />

grenzten Erderwärmung zu erreichen, müssen wir uns mit der Abscheidung und Speicherung<br />

von CO2 beschäftigen, damit unsere Gas- und Kohlekraftwerke, aber auch unserer<br />

Industrieprozesse zukunftsfähig bleiben. Bis die CO2-Abscheidung wettbewerbsfähig ist,<br />

brauchen wir weitere hocheffiziente Gas- und Kohlekraftwerke, die alte Kraftwerke ersetzen<br />

und unseren wirtschaftlichen Vorsprung sichern. Wir arbeiten an einer Darstellung<br />

möglichst aller Potenziale für die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung, um sie besser als<br />

bisher nutzen zu können. Die Erneuerbaren Energien haben in <strong>NRW</strong> das Potenzial, unsere<br />

Energieversorgung nachhaltig und wirtschaftlich zu sichern. Im Windenergiebereich geht<br />

es vor allem um den Ersatz vieler alter durch weniger neue und effizientere Windanlagen.<br />

Das Zusammenwirken der Unternehmen, Wissenschaftler und Politik bringt uns Wachstums<strong>im</strong>pulse<br />

für die weiteren Felder der Energiewirtschaft wie Geothermie, Biomassenutzung<br />

oder Solarenergie.<br />

Wir beschäftigen in <strong>NRW</strong> bereits beinahe ebenso viele Menschen <strong>im</strong> Bereich der Erneuerbaren<br />

Energien wie <strong>im</strong> Bergbau. Die Investitionen in Erneuerbare Energien, aber auch in<br />

hocheffiziente Kraftwerkstechnologien bringen weiteres wirtschaftliches Wachstum, eine<br />

Verbesserung der globalen Wettbewerbsfähigkeit und mehr Arbeitsplätze für <strong>NRW</strong>. Bis<br />

2020 werden wir damit die CO2-Emissionen Nordrhein-Westfalens um 81 Mio. Tonnen<br />

reduzieren. Das sind rund 44 Prozent des Einsparvolumens, das die Bundesregierung bis<br />

2020 anstrebt.<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz ist eine große Chance für effiziente und regenerative Umwelttechnologien.<br />

Einseitige Emissionsbeschränkungen führen zu einer unverhältnismäßigen Belastung besonders<br />

energieabhängiger Branchen. Deshalb setzen wir auf eine Ausdehnung verbindlicher<br />

Standards über Europas Grenzen hinaus.<br />

Für die Zukunft gilt: Wir sind und bleiben Industrieland. Aber wir wollen auch zum Vorreiter<br />

einer Umweltpolitik der Zukunft werden. Wir arbeiten an der Vision einer neuen grünen<br />

Mitte in der Metropole Ruhr – mit dem größten wasserwirtschaftlichen Projekt Europas,<br />

das die Emscher wieder zu einem sauberen Fluss und zum Lebensmittelpunkt einer<br />

ganzen Region macht. Nicht umsonst wird schon heute vom „Wunder der Emscher“ gesprochen.<br />

Ein zweites großes Zukunftsprojekt ist die Entwicklung des Elektro-Autos. Wir treiben<br />

Forschung und Entwicklung in diesem Bereich voran. Bis 2020 sollen 250.000 Elektrofahrzeuge<br />

auf den Straßen von Nordrhein-Westfalen rollen. Nordrhein-Westfalen ist die<br />

erste großräumige Modellregion für Elektro-Autos in Europa. Aber auch Sicherheit und<br />

Gesundheit der Verbraucher stehen für uns <strong>im</strong> Mittelpunkt, wenn wir uns für eine hervorragende<br />

Qualität unserer Gewässer oder für die Sicherheit der Lebensmittel einsetzen.<br />

Unser Ziel ist der gut informierte und souveräne Verbraucher.<br />

Und deshalb engagieren wir uns in besonderem Maße für den Verbraucherschutz. Die<br />

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wird vom Land über mehrere Jahre verlässlich<br />

finanziert. Das ist deutschlandweit einmalig und vorbildlich. Investitionen in eine moderne<br />

Infrastruktur Unsere Infrastruktur ist eine unserer ganz großen Stärken als international<br />

bedeutsamer<br />

Wirtschaftsstandort. Verkehrsprognosen sagen uns allerdings bis 2025 für alle Verkehrs20<br />

wege einen drastischen Anstieg voraus: Um knapp ein Fünftel be<strong>im</strong> Personenverkehr und<br />

um über zwei Drittel be<strong>im</strong> Güterverkehr. Wir wollen kein Verkehrschaos. Unter Rot-Grün<br />

gab es 2004 nur einen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau einer Bundesfernstraße.<br />

2005 haben wir dafür gesorgt, dass bereits 9 Straßenbaumaßnahmen Baurecht erlangten.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

110<br />

In den Folgejahren konnte die Zahl der Planfeststellungsbeschlüsse sogar noch gesteigert<br />

werden. Wir investieren weiter mit Hilfe des Bundes massiv in die Verkehrsinfrastruktur:<br />

1,3 Milliarden Euro fließen allein 2009 in die Sanierung von Autobahnen und Bundes- und<br />

Landstraßen. 300 Millionen Euro erhalten die Kommunen, um die Verkehrssituation in<br />

den Städten und Gemeinden zu verbessern. Und wir werden uns dafür einsetzen, dass<br />

der Bund mit einem „Nachholprogramm West“ seinen Anteil an den Investitionen in die<br />

Infrastruktur unseres Landes in den kommenden Jahren aufstockt.<br />

Auch die Häfen sind eine Stärke unseres Landes. Wir werden sicherstellen, dass sie sich<br />

weiter entwickeln können. Der Duisburger Hafen ist schon heute der größte Binnenhafen<br />

der Welt. Für den Ausbau von Logport II werden wir insgesamt 48,8 Millionen Euro zur<br />

Verfügung stellen. Zudem haben wir uns gemeinsam mit dem Bund und der Deutschen<br />

Bahn <strong>im</strong> „Masterplan <strong>NRW</strong>“ auf einen Ausbau der Schieneninfrastruktur geeinigt: Der<br />

Rhein-Ruhr-Express kommt. Für die Betuwe-Linie, die Nordrhein-Westfalen an den Seehafen<br />

Rotterdam anbinden soll, laufen die Planungen. Die Anbindung des Antwerpener<br />

Hafens durch den neuen „Eisernen Rhein“ werden wir weiter vorantreiben. Wir haben eine<br />

positive Weiterentwicklung unserer Flughäfen ermöglicht. Wir werden weiterhin dafür<br />

sorgen, dass Nordrhein-Westfalen seiner Bedeutung als Drehkreuz des internationalen<br />

Luftverkehrs in Zukunft noch besser gerecht wird. Gleichzeitig werden wir dabei die Interessen<br />

der Anwohner der Flughäfen berücksichtigen.<br />

Wir werden eine umfassende Infrastrukturplanung für das Land erstellen. Auch das hat<br />

uns die Zukunftskommission zur Aufgabe gemacht: Mit klaren Prioritäten, mit klaren Zielvorgaben<br />

für mehr Mobilität. Das werden wir weiter ausbauen und verbessern, auch<br />

durch eine einheitliche Verkehrszentrale, um alle Verkehrsinformationen zu bündeln. In<br />

Zukunft gilt noch mehr als bisher: Erfolg braucht Vernetzung, gerade in der Metropole<br />

Ruhr – und insbesondere für den Öffentlichen Personennahverkehr. Das ÖPNV-Gesetz<br />

sieht mehr Kooperation und leistungsfähigere Strukturen vor. Das muss jetzt zügig in<br />

Stadt und Land umgesetzt werden. Dabei müssen alle an einem Strang ziehen, zum Beispiel<br />

auch bei der Einführung eines einheitlichen Tarifsystems.<br />

Auch bei der Internetversorgung wollen wir noch vorhandene Lücken schließen. Insbesondere<br />

<strong>im</strong> ländlichen Raum ist die Breitbandversorgung ein wichtiger Standortfaktor. Wir<br />

haben es ermöglicht, dass auch Nothaushaltskommunen an den Förderprogrammen teilhaben<br />

können. Investitionen kommunaler Unternehmen in Glasfaserausbau <strong>im</strong> Rahmen<br />

von Open Access-Modellen sind ein guter Weg, dafür sollen die Rahmenbedingungen<br />

verbessert werden. Die Planung der Breitbandinfrastruktur durch die jeweiligen Kommunen<br />

soll gefördert werden durch den Ausbau von Beratungsangeboten <strong>im</strong> Rahmen des<br />

von uns eingerichteten „Breitband Competence Center“ an der FH Südwestfalen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

111<br />

FDP<br />

Aufsteigerland <strong>NRW</strong><br />

Programm der FDP zur <strong>Landtagswahl</strong> am 9. Mai <strong>2010</strong><br />

Inhalt<br />

Präambel 3-4<br />

Aufstieg durch Bildung 5<br />

Elementarbildung 5-7 | Schule 7-13 | Hochschule 13-17 | Kinder- und Jugendpolitik 17-18<br />

| Weiterbildung und lebenslanges Lernen 18-20<br />

Aufstieg durch Wachstum 21<br />

Wirtschaft 21-25 | Innovation 25-32 | Arbeit 32-35 | Energie 35-37 | Mobilität 37-41 |<br />

Landwirtschaft 41-43 | Europa 43-44<br />

Aufstieg durch Effizienz 45<br />

Steuern und Finanzen 45-47 | Bürgernaher Staat 47-49 | Kommunales 49-53 | Recht und<br />

Justiz 53-55<br />

Aufstieg mit Lebensqualität 56<br />

Wohnen 56-59 | Sicherheit 59-62 | Datenschutz 62 | Gesundheit 62-65 | Sport 65-67 |<br />

Umwelt 67-69 | Verbraucherschutz 69-70 | Kultur 70-72 | Tourismus 72-73 | Medien 73-<br />

74<br />

Aufstieg mit Fairness 75<br />

Familie 75-77 | Senioren 77-79 | Gleichstellung 79 | Gleichgeschlechtliche Lebensweisen<br />

79-80 | Integration 80-83 | Menschen mit Behinderungen 83-84 | Entwicklungszusammenarbeit<br />

84-85<br />

1 Präambel<br />

Am 9. Mai entscheidet sich, ob Nordrhein-Westfalen mit einer starken FDP in Regierungsverantwortung<br />

seine Entwicklung als Aufsteigerland fortsetzen kann oder ob unser Land<br />

Exper<strong>im</strong>entierfeld linker Politik wird.<br />

2005 haben uns die Menschen in <strong>NRW</strong> den Auftrag gegeben, den jahrelangen Abwärtstrend<br />

unter Rot-Grün zu stoppen und <strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Wettbewerb mit den anderen Bundesländern<br />

wieder nach vorne zu bringen. Die FDP hat Wort gehalten. Mit harter Arbeit haben<br />

wir unsere Prinzipien „Freiheit vor Gleichheit“, „Privat vor Staat“ und „Erwirtschaften vor<br />

Verteilen“ in mutige Reformpolitik umgesetzt. Damit ist es gelungen, <strong>NRW</strong> in allen zentralen<br />

Politikbereichen zum Aufsteigerland zu machen.<br />

Mit dem historischen Erfolg der FDP, das Ende des Subventionsbergbaus durchzusetzen,<br />

wurden Mittel frei, um endlich in die Zukunft zu investieren: In Kinderbetreuung und Bildung,<br />

in Forschung und Technologie.<br />

Mit der Schaffung von über 100.000 Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren haben<br />

wir die rotgrüne Schlusslaterne in der frühkindlichen Betreuung abgegeben und die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert. Mit verbindlichen Sprachtests<br />

und anschließender Sprachförderung <strong>im</strong> Kindergarten haben wir erreicht, dass alle Kinder<br />

faire Startchancen bekommen unabhängig von ihrer Herkunft.<br />

Unter SPD und Grünen hingen in <strong>NRW</strong> wie in keinem anderen Bundesland Bildungschancen<br />

vom Elternhaus ab. Das haben wir geändert und setzen unseren Kurs fort: Wir wollen<br />

Aufstieg durch faire Chancen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

112<br />

Mit der Schaffung von über 8.000 neuen Lehrerstellen konnten wir den Unterrichtsausfall<br />

in unseren Schulen halbieren und Klassen kleiner machen. Weil die Bildung unserer Kinder<br />

die Grundlage unserer Zukunft ist, werden wir hier weiter investieren. Wir setzen dabei<br />

auf eine behutsame Fortentwicklung unseres begabungsgerechten Schulsystems. Mit<br />

einer starken FDP wird es keine Exper<strong>im</strong>ente auf Kosten der Kinder geben wie unter<br />

Schwarz-Grün in Hamburg. Mit einer starken FDP bleibt der Zugang zum Gymnasium erhalten<br />

und wird nicht verlost wie unter Rot-Rot in Berlin.<br />

Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz haben wir unsere Hochschulen fit für die Zukunft gemacht.<br />

Wir haben Hochschulen qualitativ und quantitativ ausgebaut und vier neue Fachhochschulen<br />

ins Leben gerufen. Mit einem Stipendiensystem fördern wir besonders engagierte<br />

und begabte Studierende - unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Seit der Regierungsübernahme<br />

konnte die Zahl der Studienanfänger in <strong>NRW</strong> um fast 20 Prozent und<br />

die der Absolventen um beinahe 30 Prozent gesteigert werden. Wir machen <strong>NRW</strong> zum<br />

Bildungsland Nr. 1, denn wir wollen Aufstieg durch Bildung.<br />

Es kann nur verteilt werden, was vorher erwirtschaftet wurde. Deshalb schafft die FDP<br />

Rahmenbedingungen für Leistungsbereitschaft. Leistung muss sich lohnen und derjenige,<br />

der arbeitet, muss mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet. Leistungsbereitschaft ist<br />

keine Frage der sozialen Herkunft oder der Angehörigkeit zu einer best<strong>im</strong>mten Berufsgruppe.<br />

Leistungsbereitschaft ist eine Frage der Geisteshaltung. Zur Sicherung unseres<br />

Lebensstandards und zur dauerhaften Sicherung derjenigen, die unsere Hilfe brauchen,<br />

werden wir diejenigen entlasten, die unsere Gesellschaft tragen. Dazu gehört die arbeitende<br />

Alleinerziehende genauso wie der Unternehmer oder die Krankenpflegerin <strong>im</strong><br />

Schichtdienst.<br />

Wir wollen Aufstieg durch Leistung ermöglichen. Dafür haben wir in <strong>NRW</strong> die Rahmenbedingungen<br />

geschaffen. Trotz der größten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit<br />

ist es uns gelungen, die Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren um 22 Prozent zu senken.<br />

Die FDP <strong>NRW</strong> steht für einen klaren ordnungspolitischen Kurs. Wir setzen uns für<br />

einen starken Mittelstand ein, weil wir wissen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen<br />

das Rückgrat unserer Gesellschaft sind.<br />

Für mehr Forschung haben wir die Innovationsförderung gegenüber 2005 um fast 25 %<br />

erhöht, denn wir wollen auch Innovationsland Nr. 1 werden.<br />

Mit unserer innovativen Forschungspolitik haben wir Brücken zwischen Forschung und<br />

mittelständischer Wirtschaft gebaut. Die FDP ist Jobmotor für den Aufstieg in <strong>NRW</strong>. Wir<br />

haben die Zahl der Neuansiedlungen ausländischer Unternehmen in unserem Land mehr<br />

als verdoppelt. Dies ist ein eindrucksvoller Beleg für die neue Standortqualität <strong>NRW</strong>s.<br />

Wir reden nicht nur über Nachhaltigkeit, sondern richten unsere Politik entsprechend aus.<br />

Wir haben die Nettoneuverschuldung massiv verringert, weil wir Gestaltungsspielräume<br />

für kommende Generationen erhalten wollen.<br />

Wir haben eine Energie- und Kl<strong>im</strong>aschutzstrategie entwickelt, die den CO2-Ausstoß in<br />

<strong>NRW</strong> bis 2020 um 33 Prozent verringern wird. Die FDP begreift den Kl<strong>im</strong>aschutz als große<br />

industriepolitische Chance mit positiven Effekten für Beschäftigung und Wachstum.<br />

Mit unserer Politik hat <strong>NRW</strong> eine bessere Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gewonnen.<br />

Mit einer deutlichen Personalaufstockung bei Polizei und Justiz haben wir für<br />

mehr Sicherheit gesorgt. Wir konnten mit dem liberalsten Polizeigesetz Deutschlands für<br />

mehr Bürgerfreiheit sorgen. Es ist geprägt von Recht auf Privatsphäre, wirksamen Datenschutz<br />

und Bewegungs- und Meinungsfreiheit. Gleichzeitig gibt es unseren Polizisten die<br />

Handlungs- und Rechtssicherheit, die sie in ihrem täglichen Einsatz benötigen.<br />

<strong>NRW</strong> wird heute gut regiert. Wir haben Nordrhein-Westfalen von den rot-grünen Abstiegsplätzen<br />

<strong>im</strong> Ländervergleich nach vorne gebracht. Aber ein Platz <strong>im</strong> gesicherten Mit-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

113<br />

telfeld genügt uns nicht. Wir wollen mit der Fortsetzung unserer erfolgreichen Politik<br />

<strong>NRW</strong> an die Spitze führen.<br />

Deshalb können wir uns keine Exper<strong>im</strong>ente leisten. Nur mit einer starken FDP wird <strong>NRW</strong><br />

zuverlässig von der Mitte regiert und der Einfluss von Linken und Linksradikalen verhindert.<br />

Nur mit einer starken FDP setzt <strong>NRW</strong> seinen Aufstieg fort.<br />

2 Aufstieg durch Wachstum<br />

Die FDP ist die Partei der Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft mit ihren Prinzipien<br />

Privateigentum, Vertragsfreiheit, freie Preisbildung und Berechenbarkeit der wirtschaftspolitischen<br />

Rahmensetzung. Und eine erneuerte soziale Marktwirtschaft ist für die<br />

FDP der Garant für wirtschaftliches Wachstum, Wohlstand und soziale Sicherheit.<br />

Wir setzen auf Wettbewerb, denn er sorgt für wirtschaftliche Dynamik und Innovation.<br />

Er ist ein hochwirksames Entdeckungsverfahren für neue Produkte, verbesserte Verfahren<br />

und neue Absatz- und Beschaffungsmärkte. Der Staat soll sich aus wirtschaftlicher<br />

Betätigung zu Gunsten privatwirtschaftlichen Engagements und des Wettbewerbs zurücknehmen.<br />

Wir wollen so erreichen, dass Bürger und Unternehmen ihre produktiven Kräfte bestens<br />

entfalten und Wachstum schaffen können, denn diese Menschen in der Mitte<br />

unserer Gesellschaft verwirklichen den Kerngedanken der sozialen Marktwirtschaft in beispielhafter<br />

Weise. Jeder Arbeitnehmer und jeder Unternehmer, der mit seiner täglichen<br />

Arbeit den Unterhalt für sich, seine Familie und über Steuern und Abgaben für sozial Benachteiligte<br />

sichert, schafft Wohlstand und Sicherheit für alle. Die Kraft des Wettbewerbs<br />

und die Mechanismen der Marktwirtschaft werden wir durch eine intelligente Gestaltung<br />

der Rahmenbedingungen verstärkt auch für ein Ressourcen schonendes und sozial<br />

gerechtes Wachstum nutzen.<br />

2.1 Wirtschaft<br />

Die FDP steht für die marktwirtschaftliche Erneuerung Nordrhein-Westfalens. Dabei stehen<br />

die 763.000 kleinen und mittelständischen Unternehmen <strong>im</strong> Zentrum unserer<br />

Wirtschaftspolitik: Sie beschäftigen 70 Prozent der Arbeitnehmer und über 80 Prozent der<br />

Auszubildenden und sind damit das Rückgrat unserer Volkswirtschaft.<br />

Nordrhein-Westfalen muss aber auch weiter ein attraktiver Standort für Global Player<br />

bleiben: 37 der 100 größten Unternehmen in Deutschland haben ihren Sitz bei uns. Insbesondere<br />

bekennt sich die FDP zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen. Von<br />

der Industrie gehen nicht nur starke Wachstums<strong>im</strong>pulse aus, sie ist zudem Treiber von<br />

Innovationen, gerade auch <strong>im</strong> Dienstleistungsbereich. Ziel liberaler Wirtschaftspolitik ist<br />

es daher, den Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen bestmögliche Rahmenbedingungen<br />

zu bieten.<br />

Mit der FDP wird Nordrhein-Westfalen den erfolgreichen Weg der marktwirtschaftlichen<br />

Erneuerung konsequent weitergehen. Wir werden Bürokratiebelastung und Regulierungsdichte<br />

reduzieren; Steuerlast und Arbeitskosten senken; Genehmigungsverfahren<br />

beschleunigen; Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand privatisieren.<br />

Wir verfolgen diese Ziele in Nordrhein-Westfalen und unterstützen eine analoge Politik<br />

des Bundes – oder fordern sie von ihm wenn nötig ein.<br />

Seit dem Regierungswechsel <strong>im</strong> Mai 2005 haben wir konsequent und mit beachtlichen Erfolgen<br />

an der marktwirtschaftlichen Erneuerung Nordrhein-Westfalens gearbeitet. Während<br />

unser Land unter Rot-Grün der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands stets hinterherhinkte,<br />

können wir jetzt wieder Schritt halten mit dem Bund. Es hat sich ausgezahlt,<br />

dass wir für unsere Modernisierungsstrategie einen klaren ordnungspolitischen<br />

Kompass haben: Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Ver-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

114<br />

teilen, Verlässlichkeit vor Beliebigkeit. Dank einer Wirtschaftspolitik, die pr<strong>im</strong>är an<br />

den Interessen und Bedürfnissen des Mittelstandes ausgerichtet ist, hat Nordrhein-<br />

Westfalen jetzt die Kraft, die Wirtschaftskrise erheblich besser zu bewältigen, als das<br />

noch vor einigen Jahren möglich gewesen wäre.<br />

Die FDP will den erfolgreichen Weg der marktwirtschaftlichen Erneuerung Nordrhein-<br />

Westfalens konsequent fortsetzen. Wir wollen Wachstum und Beschäftigung weiter stärken<br />

und <strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Wirtschaftsranking der Bundesländer einen Platz in der Spitzengruppe<br />

sichern. Dazu werden wir die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere<br />

des Mittelstandes fördern. Wir werden alle geeigneten Maßnahmen ergreifen,<br />

die zur Stärkung und Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft beitragen. Die FDP<br />

steht für eine Kultur der Selbständigkeit und Eigenverantwortung und wird deshalb geeignete<br />

Initiativen zur Erhöhung der Selbständigenquote ergreifen.<br />

Die FDP steht für den Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik Nordrhein-Westfalens. Statt<br />

staatliche Großprojekte zu finanzieren und überalterte Industrien zu fördern, stärken wir<br />

die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Durch den historischen Ausstieg<br />

aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau werden <strong>im</strong> Landeshaushalt künftig<br />

erhebliche Mittel freigesetzt, die wir in Zukunftsfelder investieren können. Investitionen<br />

für die Zukunft statt Subventionen für die Vergangenheit - das ist und bleibt unsere Leitlinie<br />

für die Regierungspolitik in Nordrhein-Westfalen. Deshalb ist für die FDP der Ausstieg<br />

aus dem Subventionsbergbau unumgänglich – nicht zuletzt auch, um die Gefahr<br />

weiterer Bergschäden zu min<strong>im</strong>ieren. Und deshalb werden wir alle Möglichkeiten prüfen,<br />

den endgültigen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau <strong>im</strong> Einvernehmen<br />

mit den Beteiligten sozialverträglich möglichst noch früher als 2018 zu erreichen.<br />

Nordrhein-Westfalen ist Industrie- und Energieland Nr. 1 in Deutschland und soll dies<br />

nach Auffassung der FDP auch bleiben. Zur Verbesserung des Arbeitsplatz- und Investitionsstandorts<br />

Nordrhein-Westfalen hat die FDP beispielsweise bereits durchgesetzt, dass<br />

die Wassersteuer schrittweise zurückgeführt wird und bis 2018 gänzlich entfällt. Für industrielle<br />

Großvorhaben und Infrastrukturprojekte wie den Neubau modernster<br />

Kohlekraftwerke, sicherer Pipelines oder die CCS-Technologie wollen wir Investitionssicherheit<br />

durch verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit schaffen. Dabei<br />

erhalten die berechtigten Sicherheitsinteressen der Anlieger und die Umweltverträglichkeit<br />

besondere Berücksichtigung. Voraussetzung für eine moderne Industrie<br />

in Nordrhein-Westfalen ist die Akzeptanz in der Bevölkerung. Wir möchten diese Akzeptanz<br />

erhöhen, indem wir durch gezielte Information der Bevölkerung den positiven Wirkungszusammenhang<br />

zwischen Ökonomie und Ökologie vermitteln. Die dazu von der<br />

Landesregierung angestoßene "Allianz Pro Industrie" unterstützen wir ausdrücklich.<br />

Die Industrie ist hier in besonderem Maße gefordert, durch frühzeitige und verbesserte<br />

Information ihren Beitrag zur Akzeptanzerhöhung zu leisten. Um die nationale und internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Industrie zu sichern, werden<br />

wir Bundes- und europarechtliche Vorgaben in Nordrhein-Westfalen weiterhin<br />

nur 1:1 umzusetzen.<br />

Mit der Clusterpolitik, der wettbewerbsorientierten Vergabe von Fördermitteln und der<br />

vollständigen Neuorganisation der Bereiche Außenwirtschaft, Investorenakquisition und<br />

Standortmarketing haben wir in Nordrhein-Westfalen Bausteine einer langfristig angelegten<br />

Wirtschafts- und Innovationsstrategie entwickelt. Mit der Schwerpunktsetzung<br />

auf insgesamt 16 Cluster ist es bereits gelungen, den Wirtschaftsstandort<br />

Nordrhein-Westfalen, seine industriellen und technologischen Potenziale deutlich zu profilieren.<br />

Um unser Land auf dem Weg zu einem der führenden Regionalen Wirtschaftsräume Europas<br />

und der Welt weiter voranzubringen, will die FDP ein industrielles Leitbild für


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

115<br />

Nordrhein-Westfalen schaffen. Ein solches Leitbild sollte Branchen und Technologien<br />

umfassen, in denen Wirtschaft und Forschung zum einen gut aufgestellt sind und in denen<br />

sie zum anderen vielversprechende Märkte der Zukunft sehen. Dazu gehören zum<br />

Beispiel die Entwicklung und Anwendung modernster Technologien zur Kohleverstromung<br />

und zum Ausbau erneuerbarer Energien, Zukunftstechnologien für sauberes Trinkwasser<br />

sowie Forschung und Entwicklung solarthermischer Anlagen, neuer Energiespeichertechniken<br />

und innovativer Werkstoffe wie etwa besonders leichte und stabile Kunststoffe für<br />

die Automobilindustrie. Mit einem industriellen Leitbild, das die Forschung, Entwicklung<br />

und Produktion von Zukunftstechnologien mit globaler Bedeutung beinhaltet, wollen wir<br />

das Bewusstsein dafür schaffen, dass unsere Industrie einen entscheidenden Beitrag zur<br />

nachhaltigen Bewältigung der Zukunftsaufgaben leistet.<br />

Die FDP begrüßt ausdrücklich, wenn sich Unternehmen zum Wirtschaftsstandort<br />

Nordrhein-Westfalen bekennen und auf eigenes Risiko, ohne staatliche Subventionen in<br />

die Schaffung neuer Arbeitsplätze investieren wollen. Investitionshemmnisse wollen<br />

wir konsequent beseitigen.<br />

Die Koalition aus FDP und CDU hat in ihrer Regierungsverantwortung bereits eine Vielzahl<br />

von Maßnahmen ergriffen, um die Rahmenbedingungen für mittelständische Betriebe und<br />

Existenzgründer zu verbessern und bürokratische Hürden für die Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze zu beseitigen. Dazu gehören unter anderem zwei<br />

Bürokratieabbaugesetze, die Abschaffung des überaus bürokratischen Tariftreuegesetzes,<br />

die landesweite Einrich-tung von Startercentern als zentrale Anlaufstelle für Existenzgründer<br />

und sieben „Mittelstandspakete“, in denen insgesamt 42 Einzelmaßnahmen<br />

zur Abschaffung überflüssiger bürokratischer Vorschriften, zur Stärkung der Selbstverwaltung<br />

der Wirtschaft und zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und<br />

mittlerer Betriebe gebündelt wurden.<br />

Wir betrachten den Bürokratieabbau aber als Daueraufgabe und wollen analog zu Bund<br />

und Europa mit einer „Offensive Bürokratieabbau“ binnen fünf Jahren die durch das<br />

Land beeinflussbare Bürokratiebelastung der Wirtschaft weiter um 25 Prozent reduzieren.<br />

Jedes Gesetz wird auf seine Auswirkungen auf den Mittelstand und seine Ent- oder<br />

Belastungswirkung geprüft. Gesetze, Verordnungen und Vorschriften wollen wir grundsätzlich<br />

mit einem Verfallsdatum versehen, Genehmigungsverfahren wo sinnvoll möglich<br />

durch Anzeigeverfahren ersetzen. Statistische Berichtspflichten werden wir so weit wie<br />

möglich reduzieren.<br />

Mit der Regierungsbeteiligung der FDP hat Nordrhein-Westfalen eines der freiheitlichsten<br />

und verbraucherfreundlichsten Ladenöffnungsgesetze in Deutschland bekommen.<br />

Allerdings hat sich die Regelung für die Doppelfeiertage in der Praxis nicht bewährt.<br />

Das Verkaufsverbot für Blumen und Backwaren am 1. Weihnachtstag, Ostersonntag<br />

und Pfingstsonntag hat zu erheblichen Nachteilen für die mehr als 6.000 Bäckereibetriebe<br />

und Floristen in Nordrhein-Westfalen geführt. Die FDP will deshalb das Verkaufsverbot<br />

an den drei Feiertagen aufheben. Die FDP wird Beschränkungen des Warenverkaufs<br />

in den Abend- und Nachtstunden verhindern. Korrekturbedürftig ist auch die<br />

Regelung zum Sonntagsverkauf in Kurorten. Das Warensort<strong>im</strong>ent, das an bis zu 40 Sonnund<br />

Feiertagen als "für den Ort kennzeichnend" angeboten werden darf, ist zu eng definiert.<br />

Den entsprechenden Erlass des Wirtschaftsministeriums wollen wir mit dem Ziel einer<br />

Ausweitung des Sort<strong>im</strong>ents ändern.<br />

Die FDP setzt sich dafür ein, dass alle Videotheken in Nordrhein-Westfalen auch an Sonnund<br />

Feiertagen öffnen dürfen, so wie dies in anderen Bundesländern möglich ist. Damit<br />

wollen wir die Benachteiligung der Videotheken gegenüber Wettbewerbern auf dem Freizeitmarkt<br />

beenden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

116<br />

Die FDP setzt sich für eine Änderung des Feiertagsgesetzes ein, die es den Betreibern<br />

von automatischen Autowaschanlagen ermöglicht, Fahrzeuge auch an Sonn- und Feiertagen<br />

waschen zu lassen, sofern hierdurch berechtigte Interessen der Nachbarn nicht unzumutbar<br />

beeinträchtigt werden.<br />

Nachdem <strong>im</strong> Zuge der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für das Gaststättenrecht<br />

vom Bund auf die Länder übergegangen ist, wollen wir für Nordrhein-<br />

Westfalen ein modernes Gaststättengesetz auf den Weg bringen, das bürokratische<br />

Hemmnisse abbaut und Verwaltungsverfahren vereinfacht. Wir wollen die Konzessionspflicht<br />

durch eine Anzeigepflicht ersetzen.<br />

Das Handwerk hat überragende Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-<br />

Westfalen. 180.000 Betriebe mit über einer Million Beschäftigten und fast 100.000 Lehrstellen<br />

erwirtschaften einen Jahresumsatz von rund 100 Milliarden Euro. Damit ist das<br />

Handwerk der umsatzstärkste, der beschäftigungs- und ausbildungsintensivste Wirtschaftszweig<br />

in Nordrhein-Westfalen. Ziel der FDP ist es, die spezifischen Rahmenbedingungen<br />

des Handwerks weiter zu verbessern. Um Jungmeisterinnen und Jungmeistern<br />

des nordrhein-westfälischen Handwerks den Schritt in die Selbständigkeit zu erleichtern,<br />

wollen wir die Meistergründungsprämie, das erfolgreichste und für die Steuerzahler<br />

kostengünstigste Existenzgründungsprogramm aller Zeiten fortschreiben.<br />

Die über 200.000 Freiberufler in Nordrhein-Westfalen mit ihren über 650.000 Beschäftigten<br />

und 30.000 Auszubildenden sind ein ebenso wichtiger Wirtschaftsfaktor in unserem<br />

Land. Ihre Leistung wird zu oft nicht hinreichend gewürdigt. Für die FDP sind sie ein<br />

wichtiger Bestandteil der Mittelstandspolitik. Zugleich haben die Freiberufler eine große<br />

gesellschaftspolitische Bedeutung. Die FDP will die Freien Berufe weiterhin nach Kräften<br />

unterstützen, damit sie auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihre enorme Bedeutung<br />

für die Gesellschaft und als Wirtschaftsfaktor noch ausbauen können.<br />

Mit dem neuen Gemeindewirtschaftsrecht, das der privaten Leistungserbringung Vorrang<br />

vor der Leistungserbringung durch die öffentliche Hand einräumt, haben wir Handwerk<br />

und Mittelstand vor unfairer Konkurrenz durch kommunale Unternehmen geschützt.<br />

Wir werden weiterhin sicherstellen, dass sich Land und Kommunen nur dann<br />

wirtschaftlich betätigen, wenn ein dringender öffentlicher Zweck dies erfordert und wenn<br />

der dringende öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich<br />

erfüllt werden kann. Wo der Staat oder öffentlichrechtliche Institutionen in von<br />

Privaten genauso gut zu bearbeitende Bereiche eindringen, wollen wir eingreifen.<br />

Die FDP steht für eine mittelstandsfreundliche Ausgestaltung und strikte Einhaltung<br />

des Vergaberechts. Öffentliche Aufträge sollen grundsätzlich in Fach- und Teillosen<br />

vergeben werden. Im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket II haben wir das<br />

Vergaberecht erheblich vereinfacht und die Beschaffungsvorgänge spürbar beschleunigt.<br />

Diese positiven Erfahrungen, die vor allem der mittelständischen Wirtschaft zugutekommen,<br />

wollen wir nutzen.<br />

Wir begrüßen und unterstützen die Zertifizierungsinitiative „Mittelstandsorientierte<br />

Kommunalverwaltung“, die durch die Einführung von Qualitätsstandards in vielen<br />

Kommunen die Kundenorientierung des Verwaltungshandelns verbessert hat. Um die<br />

Teilnahme an der Initiative weiter zu forcieren und neue Ideen zur Qualitätsverbesserung<br />

hervorzubringen, wollen wir einen Landeswettbewerb „Mittelstandsfreundlichste Kommunalverwaltung“<br />

ausrufen.<br />

Die FDP möchte die Wirtschafts- und Mittelstandsförderung in Nordrhein-<br />

Westfalen weiter opt<strong>im</strong>ieren. Bestehende Förderprogramme wollen wir auf ihre<br />

Funktionalität und Wechselwirkungen überprüfen. Kleinere und mittlere Unternehmen<br />

wollen wir bei der Beantragung von Wirtschaftsfördermitteln gezielt unterstützen. Bürgschaften<br />

des Landes für Unternehmen sind ein bewährtes Instrument, an dem wir fest-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

117<br />

halten. Mindestvoraussetzungen für die Gewährung einer Bürgschaft sind die Prüfung des<br />

unternehmerischen Konzeptes durch von der Politik unabhängige Sachverständige und<br />

die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.<br />

Die FDP spricht sich für eine Verkürzung der Zahlungsziele der öffentlichen Hand<br />

aus, die dann auch verbindlich einzuhalten sind. Dadurch fließt ein zweistelliger Milliardenbetrag<br />

früher in die Wirtschaft, um die angespannte Liquiditätslage der mittelständischen<br />

Unternehmen zu entspannen.<br />

Betriebliche Bündnisse für Arbeit und ähnliche vertragliche Kooperationen der Sozialpartner<br />

in den Betrieben haben sich bewährt und tragen <strong>im</strong>mer stärker zur Sicherung<br />

von Arbeitsplätzen und Standorten bei. Derartige Instrumente, mit denen die Arbeitgeber,<br />

Gewerkschaften und Betriebsräte mit betriebsindividuellen und damit passgenauen<br />

Vereinbarungen ein gemeinsames Ziel verfolgen, wollen wir stärken und fortentwickeln.<br />

Die FDP wird sich deshalb für eine entsprechende Bundesratsinitiative des Landes <strong>NRW</strong><br />

einsetzen.<br />

2.2 Innovation<br />

Der Kl<strong>im</strong>awandel, eine weiter steigende Erdbevölkerung und gleichzeitig <strong>im</strong>mer knapper<br />

werdende natürliche Ressourcen stellen die Menschheit vor gewaltige Herausforderungen.<br />

Für eine friedliche und sozial gerechte Zukunftsentwicklung brauchen wir vor allem<br />

eins: Innovationen.<br />

Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit hängen in einem modernen Industrieland entscheidend<br />

von dessen Innovationskraft ab. Von der Kreativität und dem Know-how der<br />

Menschen sowie dem Technologievorsprung der Betriebe hängt es ab, ob die Produkte<br />

und Dienstleistungen um so viel besser bleiben, wie sie teurer sein müssen.<br />

Nordrhein-Westfalen hat die dichteste Wissenschafts- und Forschungslandschaft<br />

Europas und ist zudem einer der wichtigsten europäischen Industriestandorte,<br />

der knapp ein Viertel des deutschen Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftet. Die Zentralen<br />

von 23 der 50 umsatzstärksten deutschen Firmen und 763.000 kleine und mittlere<br />

Unternehmen setzen auf den Standort <strong>NRW</strong>.<br />

Die FDP will mit ihrer nachhaltigen Innovationsstrategie erreichen, dass Nordrhein-<br />

Westfalen gemessen an seiner Größe, seiner ökonomischen Bedeutung für ganz Deutschland<br />

und mit Blick auf seine vielfältige Wissenschafts- und Forschungslandschaft seine<br />

Potentiale und Stärken voll zur Entfaltung bringt.<br />

Deshalb hat die von der FDP mitgetragene Landesregierung seit Regierungsübernahme in<br />

2005 unter der Federführung des Innovationsministeriums eine Trendwende in der<br />

Innovationspolitik herbeigeführt, die darauf abzielt, das starke Potential Nordrhein-<br />

Westfalens opt<strong>im</strong>al zu erschließen. Bis 2015 soll Nordrhein-Westfalen Innovationsland<br />

Nr. 1 in Deutschland werden: das Land mit den meisten Patenten, den meisten<br />

Beschäftigten und den höchsten Investitionen in Forschung und Entwicklung. Mit dem in<br />

der Innovationsstrategie des Landes beschriebenen Modernisierungskurs schaffen wir<br />

wichtige Voraussetzungen für Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit in<br />

Nordrhein-Westfalen. Und auch für den Schutz von Umwelt und Natur wollen wir Innovationen<br />

stärker denn je vorantreiben und nutzbar machen.<br />

Für die FDP stützt sich eine erfolgreiche Innovationspolitik für Nordrhein-Westfalen vor<br />

allem auf drei Säulen: eine freiheitliche Hochschulpolitik mit mehr Gestaltungskraft und<br />

mehr Gestaltungsfreiheit für exzellente Forschung und Lehre; eine gezielte und vor allem<br />

wettbewerbsorientierte Förderung von Forschungs- und Technologieschwerpunkten;<br />

eine engagierte Förderung von Wissens- und Technologietransfer.<br />

Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz haben wir den Hochschulen des Landes schnell ein<br />

Höchstmaß an Gestaltungsfreiheit gegeben. Sie haben dadurch nun eine bessere Chance,


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

118<br />

ihre Potentiale als Kooperationspartner für Unternehmen zu nutzen und einen aktiven<br />

Beitrag zum Wertschöpfungsprozess zu leisten. Die Gestaltungskraft der Hochschulen haben<br />

wir vor allem durch eine verlässliche und verbesserte Ressourcenausstattung erhöht.<br />

In der Forschungsförderung haben wir das Gießkannenprinzip abgeschafft und stattdessen<br />

die Stärkung innovativer Zukunftsfelder vorangetrieben.<br />

Wir haben Wettbewerbe als Hauptinstrument zur Auswahl von qualitativ hochwertigen,<br />

innovativen Fördervorhaben best<strong>im</strong>mt. Mit diesen Wettbewerben wollen wir weiterhin<br />

den besten Ideen und Konzepten auf der Grundlage eines fairen und transparenten<br />

Verfahrens mit klaren und eindeutigen Spielregeln zum Durchbruch verhelfen.<br />

Wir wollen Jugendliche aktiv fördern, die sich wissenschaftsnahen Wettbewerben stellen.<br />

Wir wollen Erwachsene fördern, die sich in diesem Bereich für Jugendliche engagieren<br />

Ein weiterer, ganz wichtiger Eckpunkt unserer Innovationspolitik ist die Vernetzung von<br />

Wissenschaft und Wirtschaft. Wir wollen, dass neue Forschungsergebnisse<br />

schnellstmöglich auch zu marktreifen Innovationen werden und neue Arbeitsplätze ermöglichen.<br />

Um Innovationen in Unternehmen voranzutreiben, setzen wir uns nach dem Vorbild anderer<br />

Industriestaaten für die Einführung einer breitenwirksamen, technologieunspezifischen<br />

und damit bürokratiearmen steuerlichen FuE-Förderung ein. Durch die thematische<br />

Offenheit können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen erreicht werden,<br />

die in der gängigen Programmförderung nur selten zum Zuge kommen.<br />

Die grundlegenden Weichenstellungen der letzten fünf Jahre sind für uns die Voraussetzung<br />

dafür, dass Nordrhein-Westfalen bis 2015 Innovationsland Nr. 1 in Deutschland<br />

werden kann. Die bereits erzielten Erfolge zeigen, dass der eingeschlagene Kurs richtig<br />

und zielführend ist. Über die weitere Entwicklung der Innovationskraft Nordrhein-<br />

Westfalens werden wir auch in den Jahren bis 2015 <strong>im</strong> Rahmen eines jährlichen Innovationsberichtes<br />

informieren. Dieser weist mittlerweile erste Verbesserungen bei<br />

der auf das Bruttoinlandsprodukt bezogenen Forschungs- und Entwicklungsquote<br />

aus. Das Innovationskl<strong>im</strong>a hat sich spürbar verbessert. Dies zeigt auch die deutlich<br />

gestiegene Anzahl der Vollzeitarbeitsplätze <strong>im</strong> Bereich Forschung und Entwicklung.<br />

Die Unternehmen gewinnen wieder Vertrauen in den Standort Nordrhein-Westfalen und<br />

sind wieder bereit, sich in unserem Land stärker zu engagieren.<br />

Auf dem Gebiet der Forschung gewinnt Nordrhein-Westfalen weiter an Anziehungskraft:<br />

Seit 2005 ist es gelungen, 21 neue Spitzenforschungseinrichtungen in Zusammenarbeit<br />

mit den Hochschulen, den Forschungsgemeinschaften und den forschenden Unternehmen<br />

in Nordrhein-Westfalen anzusiedeln. Das Max-Planck-Institut für die Biologie des<br />

Alterns, das in Köln errichtet wurde oder das neu eröffnete Deutsche Zentrum für Neurodegenerative<br />

Erkrankungen in Bonn sind besonders sichtbare Zeichen für die Erfolge dieser<br />

Politik.<br />

Ansiedlungserfolge dieser Art erhöhen die Anziehungskraft Nordrhein-Westfalens auch<br />

für weltweit agierende Unternehmen, die sich wieder vermehrt für Forschung und Entwicklung<br />

in Nordrhein-Westfalen entscheiden. Dies belegen auch die Erfolge Nordrhein-<br />

Westfalens <strong>im</strong> Bereich neuer Forschungskooperationen, die beispielhaft sind für gelungene<br />

Transferanstrengungen und eine effektive Zusammenarbeit von Hochschulen, Wirtschaft<br />

und außeruniversitärer Forschung.<br />

So konnte mit dem Energieforschungszentrum E.ON Energy Research Center<br />

von RWTH Aachen und E.ON AG eines der größten Public Private Partnership-Projekte<br />

(PPP) einer deutschen Hochschule mit einem Unternehmen auf den Weg gebracht werden.<br />

Es soll zur internationalen Spitzenforschung in den Bereichen Energieeffizienz und<br />

Energieeinsparung und erneuerbare Energien beitragen. Das Land investiert 15,6 Mio.<br />

Euro in den Bau des Instituts, der Bund weitere 9,9 Mio. Euro. E.ON finanziert die Ein-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

119<br />

richtung über zehn Jahre mit 40 Mio. Euro und trägt drei Stiftungsprofessuren, zwei weitere<br />

Professorenstellen steuert die RWTH Aachen bei.<br />

26<br />

Mit dem Interdisciplinary Centre for Advanced Materials S<strong>im</strong>ulation (ICAMS)<br />

mit Sitz an der Ruhr-Universität Bochum bündeln die stärksten Akteure des Werkstoffbereichs<br />

ihre Kräfte. Gegründet wurde das Institut von der Ruhr-Universität und der<br />

ThyssenKrupp AG, Unternehmenspartner sind Bayer Material Science AG, Salzgitter AG<br />

und Robert Bosch GmbH. Partner aus der Wissenschaft sind das Max-Planck-Institut für<br />

Eisenfor-schung, das Forschungszentrum Jülich und die RWTH Aachen. Land und Industrie<br />

investieren bis 2012 je 11,25 Mio. Euro in ICAMS, weitere 1,5 Mio. Euro stellen die<br />

Ruhr-Universität Bochum und die RWTH Aachen bereit.<br />

Die lebenswissenschaftliche Innovationsplattform Dortmund bündelt bislang isoliert<br />

betriebene Ansätze der Lebenswissenschaften. So vereinen sich dort das Max-<br />

Planck-Zentrum für Systembiologie (ZfS), das Zentrum für Angewandte Chemische<br />

Genomik (ZACG) und das Zentrum für Angewandte Proteomik (ZAP). Das Land hat das<br />

Projekt mit Unterstützung der Europäischen Union mit einem Gesamtvolumen von 47<br />

Mio. Euro gefördert.<br />

Das Direct Manufacturing Research Center (DMRC) in Paderborn wurde 2008<br />

von Boeing, EOS Electro Optical Systems, Evonik Industries und MCP HEK Tooling sowie<br />

der Universität Paderborn gegründet. Das DMRC hat sich zum Ziel gesetzt, durch enge<br />

Zusammenarbeit von Wissenschaft sowie Technologiefirmen und potenziellen industriellen<br />

Anwendern auf dem Gebiet des Direct Manufacturing zur weltweit führenden Institution<br />

auf diesem Gebiet zu werden.<br />

Das Evonik Degussa Science-to-Business Center Bio <strong>im</strong> nördlichen Ruhrgebiet<br />

in Marl beschäftigt als Forschungs- und Entwicklungszentrum mit der weißen Biotechnologie.<br />

Die 60 Wissenschaftler und Techniker des Centers arbeiten eng mit Partnern aus<br />

Hochschulen und mittelständischen Unternehmen zusammen. Evonik investiert über fünf<br />

Jahre rund 50 Mio. Euro in das Zentrum, das Land Nordrhein-Westfalen steuert weitere<br />

ca. 10 Mio. Euro bei.<br />

Das Zentrum für Katalyseforschung in Aachen wurde von RWTH Aachen, Bayer<br />

Material Science und Bayer Technology-Services gegründet und widmet sich mit bis zu<br />

zwölf Wissenschaftlern hauptsächlich der chemischen Grundlagenforschung. Bis 2012 finanziert<br />

Bayer die Einrichtung mit 7,25 Mio. Euro, das Land Nordrhein-Westfalen und die<br />

RWTH Aachen investieren 2,7 Mio. Euro in die Infrastruktur.<br />

Das Forschungsinstitut für Kognition und Robotik an der Universität Bielefeld<br />

ist eine Kooperation von Universität und Honda Research Institute Europa GmbH. Es<br />

führt universitäre und industrielle Grundlagenforschung zusammen. Das Land hat 1,1<br />

Mio. Euro in den Aufbau der Einrichtung investiert. Honda unterstützt die Doktorandenausbildung<br />

und stellt zwei humanoide Hightech-Roboter zur Verfügung.<br />

In die Entwicklung moderner Kraftwerkstechnik investiert Hitachi an der RWTH<br />

Aachen sowie den Universitäten Bochum und Duisburg rund 30 Mio. Euro.<br />

Ziel der FDP ist bei all diesen starken Kooperationen auch, durch eine räumliche Verzahnung<br />

von Forschungsinstituten und Industrieunternehmen eine völlig neue Qualität<br />

in der Zusammenarbeit und bei dem Austausch zwischen Wissenschaft und<br />

Wirtschaft zu ermöglichen.<br />

Als Beispiel hierfür dient in besonderem Maße der Campus Aachen, den wir in den<br />

nächsten Jahren zu einer der größten Forschungslandschaften Europas entwickeln wollen.<br />

Bis 2015 sollen sich bis zu 150 nationale und internationale Unternehmen<br />

<strong>im</strong> direkten Verbund mit den Instituten und Forschungszentren ansiedeln können.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

120<br />

Weitere Erfolgsbeispiele für ein intensives Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft<br />

und auch für neue Formen des Tranfers sind das auf Neurowissenschaften ausge<br />

27<br />

richtete Forschungszentrum und die Ausgründungsplattform caesar in Bonn und das<br />

Lead Discovery Center (LDC) in Dortmund, das sich mit der Arzne<strong>im</strong>ittelforschung<br />

und mit der Entdeckung und Verbesserung innovativer Wirkstoffe beschäftigt. Es ist vor<br />

allem darauf ausgerichtet, die frühe und kritische Phase der Wirkstofffindung zu bewältigen.<br />

Mit unserer Clusterpolitik für Nordrhein-Westfalen wollen wir die Kooperation von<br />

Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Öffentlicher Hand entlang von Wertschöpfungsketten<br />

in insgesamt 16 Branchen- und Technologiefeldern weiter intensivieren und<br />

fördern. Die identifizierten Cluster weisen ein besonders großes Potenzial für Wachstum<br />

auf und nehmen einen hohen Stellenwert für die wirtschaftliche Entwicklung unseres<br />

Landes ein.<br />

Durch eine intensive Zusammenarbeit der Akteure, ein professionelles Clustermanagement<br />

sowie mit Hilfe von Wettbewerben, wollen wir in den Clustern eine besondere<br />

Innovations- und Wachstumsdynamik auslösen und strukturelle Anpassungen an<br />

die sich wandelnden Erfordernisse internationaler, wissensbasierter Märkte fördern.<br />

Die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung seit 2007 verfolgte Clusterstrategie<br />

ist der richtige Weg, um Innovations- und Wachstumsdynamik zu fördern und strukturelle<br />

Anpassungen an die sich wandelnden internationalen, wissensbasierten Märkte zu gestalten.<br />

Die von der neuen Bundesregierung auf Initiative der Neuausrichtung ihrer Hightech-Strategie<br />

mit dem Ziel der Konzentration auf die Anwendungsfelder Kl<strong>im</strong>aschutz/Energie,<br />

Gesundheit, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit eröffnet<br />

Nordrhein-Westfalen weitere Chancen. Die einheitliche strategische Ausrichtung in Land<br />

und Bund eröffnet die Möglichkeit, die Sichtbarkeit unserer bereits etablierten Cluster<br />

über Nordrhein-Westfalen hinaus weiter zu steigern.<br />

Aus Sicht der FDP liegt ein besonders hohes Innovationspotenzial in den folgenden Zukunftsfeldern,<br />

in denen internationale Spitzenforschung an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

des Landes und den hiesigen forschenden Unternehmen betrieben<br />

wird:<br />

Mit 250.00 Beschäftigten in der Energiewirtschaft ist Nordrhein-Westfalen Energieland Nr.<br />

1 in Deutschland. Die FDP setzt sich auch weiterhin dafür ein, dass Nordrhein-Westfalen<br />

auch Energieforschungsland Nr. 1 in Deutschland wird. Mit 20 Forschungsinstituten<br />

und Hochschulen an denen <strong>im</strong> Bereich Energie auf exzellentem Niveau geforscht und gelehrt<br />

wird hat <strong>NRW</strong> bereits jetzt eine Führungsposition, die national und international<br />

große Beachtung findet. Die erfolgreiche Politik der letzten 5 Jahre, etwa mit der Ansiedlung<br />

des E.ON-Forschungszentrums, muss konsequent fortgesetzt werden.<br />

Die Nano- und Mikrotechnologie wie auch innovative Werkstoffe spielen schon<br />

heute bei Innovationen eine Schlüsselrolle. Landesweit gibt es 20 Großkonzerne, 70 größere<br />

Mittelständler sowie 130 KMUs und Neugründungen. Zugleich liegt hier mit hundert<br />

Professuren an zwölf Universitäten, zwölf staatlichen Fachhochschulen, zehn Fraunhofer-<br />

Instituten und diversen weiteren Forschungseinrichtungen auch ein wichtiger Wissenschaftsschwerpunkt.<br />

Die Medizin- und Gesundheitswirtschaft gilt als die Branche mit den meisten Arbeitsplätzen<br />

und der größten Wachstumsdynamik in Nordrhein-Westfalen. Der Medizinforschung<br />

und -technik kommt hierbei eine herausragende Bedeutung zu. Geforscht wird<br />

an den sieben medizinischen Fakultäten, vier Max-Planck-Instituten, dem Forschungszentrum<br />

Jülich, vier Leibniz-Instituten und einem Fraunhofer-Institut. Darüber hinaus gibt<br />

es zahlreiche kleine, mittlere Betriebe und Großunternehmen, gerade auch <strong>im</strong> Bereich


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

121<br />

Medizintechnik. Die FDP will die Chancen und Impulse dieses Zukunftsfeldes zum Wohle<br />

der Menschen weiter konsequent stärken.<br />

28<br />

Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist die wichtigste<br />

Querschnittstechnologie der letzten Jahrzehnte und wird ihre Bedeutung und Innovationskraft<br />

in Zukunft behalten. Rund 140.000 Beschäftigte sind in 15.500 Unternehmen der<br />

IKT-Branche in Nordrhein-Westfalen tätig, die über 59 Mrd. Euro Umsatz (2007) erwirtschaften.<br />

11 der 50 größten IT-Unternehmen in Deutschland sind in <strong>NRW</strong> behe<strong>im</strong>atet.<br />

<strong>NRW</strong> besitzt in Deutschland die dichteste Hochschul- und Forschungslandschaft <strong>im</strong> IKT-<br />

Bereich. Ziel der FDP ist es, das Cluster IKT als Teil der nordrhein-westfälischen Innovationsstrategie<br />

wesentlich enger mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu vernetzten.<br />

Die Biotechnologie ist eine Querschnittstechnologie mit hohem Anwendungspotenzial in<br />

vielen Lebensbereichen insbesondere Gesundheit/Medizin, Chemie, Ernährung und Umwelt.<br />

In Nordrhein-Westfalen wird an elf Universitäten, sechs Fachhochschulen, sieben<br />

Max-Planck- und vier Leibnitz-Institute, zwei Helmholtz-Einrichtungen und an den Universitätskliniken<br />

in biotechnologischen Bereichen geforscht, rund 300 Unternehmen, darunter<br />

etliche mit Weltmarktführerschaft sind hier ansässig.<br />

Die nachhaltige Versorgung einer weltweit wachsenden Bevölkerung mit Energie, Nahrung<br />

und Rohstoffen stellt angesichts der zunehmenden Ressourcenknappheit und des<br />

Kl<strong>im</strong>awandels eine der großen Herausforderungen der Menschheit dar. Weltweit wird eine<br />

wissensbasierte Bioökonomie, d.h. die integrierte Nutzung des Wissens über Organismen<br />

und biologische Prozesse mit dem Ziel einer nachhaltigen Produktion und Versorgung,<br />

als wichtiger Bestandteil der Innovationsstrategien führender Staaten aufgenommen.<br />

Nordrhein-Westfalen verfügt als Biotechnologie-, Energie-, Chemie- und Werkstoffstandort<br />

über herausragende Stärken. Wir setzen uns daher für eine eigenständige Bioökonomiestrategie<br />

des Landes Nordrhein-Westfalens ein. Gemeinsam mit dem<br />

Bund wollen wir ein Bioökonomie-Forschungszentrum etablieren. Neben der eigenständigen<br />

Forschung sollen dort die Grundlagenforschung, die anwendungsorientierte und die<br />

industrienahe Forschung unserer Hochschulen, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft<br />

vernetzt, Handlungsempfehlungen für die Landesregierung erarbeitet und Konzepte<br />

zur interdisziplinären Ausbildung der benötigten Fachkräfte erarbeitet werden. Wir wollen<br />

die Chance ergreifen, das Nordrhein-Westfalen internationaler Innovationsführer in<br />

diesem Zukunftsfeld wird.<br />

Nordrhein-Westfalen hat kräftig Fahrt aufgenommen auf dem Weg zum Innovationsland<br />

Nr. 1. Die FDP ist der Garant dafür, dass Kurs und Tempo gehalten werden.<br />

Die FDP-<strong>NRW</strong> hat sich <strong>im</strong> Bund für ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz stark gemacht,<br />

welches nunmehr <strong>im</strong> Koalitionsvertrag verankert ist: Wir wollen, dass die von Bund und<br />

Ländern gemeinsam getragenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen die gleichen<br />

Gestaltungsfreiheiten erlangen können, wie wir sie unseren Hochschulen in<br />

Nordrhein-Westfalen mit dem Hochschulfreiheitsgesetz gegeben haben. Insbesondere die<br />

Einführung von Globalhaushalten mit der gegenseitigen Deckungsfähigkeit der Haushaltsmittel<br />

ist Voraussetzung für eine effektive Mittelverwendung und für langfristige Planungshorizonte,<br />

die gerade in Hochtechnologiebereichen <strong>im</strong>mer wichtiger werden. Die<br />

FDP setzt sich zudem für die Verbesserung der Möglichkeiten für Unternehmensbeteiligungen<br />

und Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen ein.<br />

Die FDP wird die Forschungsfreiheitsinitiative fortsetzen mit dem Ziel, Hochschulen,<br />

Forschungseinrichtungen und forschende Unternehmen von unnötiger Bürokratie zu befreien.<br />

Wir machen uns dafür stark, dass die haushaltsrechtlichen Bedingungen der Forschungsförderung<br />

auf Landesebene denen auf Bundesebene angeglichen werden: So


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

122<br />

muss auch in Nordrhein-Westfalen eine Abrechnung auf der Basis von Ausgaben<br />

möglich sein, nicht nur auf der Grundlage der Kosten. Zudem muss es möglich sein, indirekte<br />

Kosten über pauschale Overhead-Sätze zu vergüten und nicht nur die direkten<br />

projektbezogenen Kosten: Der administrative Aufwand des Einzelnachweises dieser Kosten<br />

steht<br />

29<br />

in keinem Verhältnis zu dem Nutzen für die Forschungseinrichtungen und entspricht damit<br />

auch nicht der Interessenslage der Forschungsförderer. Zudem ist sowohl in den Europäischen<br />

Forschungsrahmenprogrammen als auch in der Förderung durch das Bundesforschungsministerium<br />

die Vergütung von pauschalen Overhead-Sätzen längst üblich. Der<br />

Einstieg in die Vollkostenfinanzierung muss konsequent fortgesetzt werden.<br />

Zudem sind die Förderinstrumentarien des Bundes und des Landes so zu harmonisieren,<br />

dass gemeinsame Förderungen erleichtert werden und den Zuwendungsempfängern<br />

nicht abverlangt wird, für jeden Zuwendungsgeber getrennte Buchführungen und<br />

Abrechnungssysteme nutzen zu müssen.<br />

Auch eine Anpassung des Vergaberechts an die Besonderheiten in Forschung und Wissenschaft<br />

ist nach Überzeugung der FDP essentiell: Für Leistungen bis zum EU-<br />

Schwellenwert (derzeit 193.000 Euro) muss die freie Wahl der Vergabeart für alle Lieferund<br />

Dienstleistungen, die nur zum Zwecke von Forschung und Entwicklung eingesetzt<br />

werden, den besonderen Bedingungen der Wissenschaft angepasst werden. Das Vergaberecht<br />

muss <strong>im</strong> Interesse einer größeren Flexibilität mit mehr Wahlfreiheit für die vergebenden<br />

Institutionen weiterentwickelt werden.<br />

Die Aufnahme einer Tätigkeit ausländischer Forscherinnen und Forscher ist durch die Änderungen<br />

des Aufenthaltsgesetzes erleichtert worden. Gleichwohl sind auch die jetzt vorhandenen<br />

Regelungen nicht <strong>im</strong>mer interessensgerecht und führen nicht selten zu Fällen<br />

der Ungleichbehandlung. Auch hier sind einheitliche und unbürokratische Regelungen zu<br />

treffen, die die Zuwanderung hochqualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

erleichtern.<br />

Die Mittel des Landes für die Innovationsförderung wurden seit 2005 bis heute um 30<br />

Prozent auf derzeit 600 Mio. Euro erhöht. Die FDP wird diesen Kurs fortsetzen und<br />

<strong>im</strong> Landeshaushalt festschreiben.<br />

Auf Initiative der FDP wurde in der vergangenen Legislaturperiode ein Innovationsfonds<br />

eingerichtet. Die FDP strebt an, diesen Innovationsfonds auch für die Zukunft mit<br />

Mitteln aus Privatisierungserlösen sowie aus Minderausgaben bei der Steinkohleförderung<br />

zu speisen. Wir wollen so eine nachhaltige Förderung von Exzellenz in Wissenschaft,<br />

Forschung und Technologie erreichen und eine gezielte Förderung innovativer<br />

Vorhaben in ausgewiesenen Zukunftsfeldern und Leitmärkten sicherstellen.<br />

Exzellente Forscherinnen und Forscher brauchen ein Kl<strong>im</strong>a, in dem Spitzenleistungen anerkannt<br />

und honoriert werden. Deshalb lobt das Innovationsministerium seit 2008 den<br />

Innovationspreis des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Wir wollen damit die<br />

klügsten Köpfe in Wissenschaft und Wirtschaft ehren und sichtbar machen. Denn jedes<br />

Talent, das wir heute entdecken und jede Idee, die wir fördern, sind eine sichere Investition<br />

in die Zukunft unseres Landes. Wir wollen den nordrhein-westfälischen Innovationspreis<br />

nicht nur fortführen, sondern seine national bereits beträchtliche Bedeutung weiter<br />

ausbauen und stärken.<br />

Die erfolgreiche Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der Akademikerinnen<br />

und Akademiker, ist ein besonderes und herausgehobenes gesellschaftliches Anliegen.<br />

Deshalb wollen wir mit einem nordrhein-westfälischen Hochschulpreis für Exzellenz<br />

in der Lehre ein starkes Signal für die Bedeutung der Qualität in der Hochschullehre<br />

setzen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

123<br />

Das Rückkehrerprogramm ist ein klares Signal an junge Spitzenforscherinnen und<br />

Spitzenforscher, aus dem Ausland nach Nordrhein-Westfalen zu kommen und hier zu forschen.<br />

Das Rückkehrerprogramm läuft seit 2007 und ist für die FDP ein erfolgreicher Teil<br />

der gezielten Nachwuchsförderung des Landes, zu der auch das "Junge Kolleg" an<br />

der Akademie der Wissenschaften und Künste sowie die Doktorandenausbildung an den<br />

Forschungsschulen gehören.<br />

Erst wenn die Umsetzung von Ideen und Erfindungen in marktfähige Produkte gelingt,<br />

kann von echten Innovationen die Rede sein. Der Wissens- und Technologietransfer<br />

ist damit ein ganz entscheidender Schritt <strong>im</strong> Innovationsprozess.<br />

Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen aus Forschungsergebnissen schneller als anderswo<br />

wirtschaftlich erfolgreiche Technologien entstehen. Hierzu werden wir den Transfer<br />

<strong>im</strong> Rahmen unserer Science-to-Business-Strategie gezielt und bedarfsgerecht unterstützen.<br />

Zur weiteren Verbesserung des Wissenstransfers aus den Hochschulen in die Unternehmen<br />

dient die Innovationsallianz. Gegründet und getragen von 23 nordrheinwestfälischen<br />

Hochschulen will der Verbund die Transferarbeit an den Hochschulen professionalisieren<br />

und zentraler Ansprechpartner für Unternehmen sein, die den Dialog<br />

und die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft suchen.<br />

Die InnovationsAllianz versteht sich als partnerschaftlich organisiertes Netzwerk<br />

der nordrhein-westfälischen Hochschulen zur Unterstützung der regionalen Aktivitäten<br />

mit Partnern aus der Wirtschaft. Durch das gemeinsame Wirken der Transferakteure<br />

wollen wir bedeutende Wettbewerbsvorteile für die Beteiligten erreichen. Der weitere<br />

Aufbau und die Stärkung des Netzwerkes ist vorrangiges Ziel der FDP zur Beschleunigung<br />

des Technologietransfers.<br />

Als Instrument zur Belebung des Patentgeschehens auf Seiten der Wissenschaft sollen so<br />

genannte PatentScouts dienen. Auf ihre Unterstützung können Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

für einen begrenzten Zeitraum zurückgreifen, wenn es um Information,<br />

Aufklärung und Beratung von Wissenschaftlern sowie um die Identifizierung und<br />

Bewertung patentrelevanter Forschungsergebnisse geht. Die Patent-Scouts sollen die<br />

Etablierung einer aktiven Patentpolitik der jeweiligen Hochschule forcieren und zur Umsetzung<br />

der Patent- und Verwertungsstrategie der Hochschule beitragen.<br />

Für diese Umsetzung benötigen wir bestmögliche Rahmenbedingungen und innovative<br />

Unternehmer. Nur innovative Unternehmer wagen sich an neue Produkte und Märkte. Oft<br />

sind es Jungunternehmer, die Innovationen zielstrebig angehen, doch sie benötigen zum<br />

gewünschten und von allen benötigten Erfolg geeignete Voraussetzungen für ihre Geschäftstätigkeit<br />

und das erforderliche Kapital durch z.B. Business Angels oder Start-Up<br />

Venture Capital - Gesellschaften. Hier müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern,<br />

um das vorhandene Innovationspotential zur Stärkung der Wirtschaftskraft und Sicherung<br />

des Wohlstandes bestmöglich zu nutzen und die Forschungsergebnisse mit den eingesetzten<br />

Forschungsmitteln bestmöglich einsetzen zu können.<br />

Ein bedeutender Schwerpunkt wird deshalb bei der Förderung des Mittelstandes liegen,<br />

den wir vor allem durch das Förderprogramm „Mittelstand.innovativ!“ mit den Instrumenten<br />

„Innovationsgutschein“, „Innovationsdarlehen“ und „Innovationsassistent“ unterstützen<br />

wollen.<br />

Mit dem Innovationsgutschein sollen Mittelständler Know-how und Infrastruktur für<br />

die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen vergünstigt in Anspruch<br />

nehmen können. Das Innovationsdarlehen soll einen Beitrag dazu leisten, dass für Investitionsvorhaben<br />

in kleinen und mittleren Unternehmen mit hohem Innovationspotential<br />

die Kreditversorgung erleichtert wird und der Innovationsassistent unterstützt den


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

124<br />

Mittelstand bei der Einstellung und Beschäftigung junger, hoch motivierter Universitätsund<br />

Fachhochschulabsolventen.<br />

Analog zum Label „Made in Germany“ wollen wir ein Markenzeichen „Erfunden in<br />

<strong>NRW</strong>“ etablieren.<br />

Mit der Gemeinschaftsoffensive Zukunft durch Innovation.<strong>NRW</strong> (zdi) wollen wir mit<br />

anspruchsvollen Angeboten möglichst viele Schülerinnen und Schüler für ein ingenieurund<br />

naturwissenschaftliches Studium begeistern. Kinder und Jugendliche sollen ihr technisches<br />

und naturwissenschaftliches Talent entdecken und nutzen. So soll diese Initiative<br />

dazu beitragen, die Innovationskraft des Landes langfristig zu sichern und dem Fachkräftemangel<br />

entgegen zu wirken. Ziel der FDP ist ein landesweit flächendeckender<br />

Ausbau der zdi-Zentren.<br />

Wir wollen in Nordrhein-Westfalen auf Forschungsfeldern, die sich mit den großen Zukunftsfragen<br />

beschäftigen, Kompetenzen erhalten und ausbauen. Dies setzt ein forschungsfreundliches<br />

Umfeld und Kl<strong>im</strong>a ebenso voraus wie die Berechenbarkeit und Verlässlichkeit<br />

der politischen Rahmenbedingungen. Die FDP steht für eine ideologiefreie<br />

Forschungspolitik, die Risiken von Forschung und Innovationen nicht systematisch höher<br />

bewertet als ihre Chancen. Dies gilt ferner für die grüne Biotechnologie. Die deutschen<br />

Standards bei der Sicherheit müssen zum Vorteil bei der Entwicklung dieser Technologien<br />

werden, nicht zur Blockade.<br />

Arbeit<br />

Arbeit ist mehr als Einkommenssicherung. Sie ist für viele Menschen Quelle von Selbstbewusstsein<br />

und persönlicher Identität. Sie fördert die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.<br />

Liberale Arbeitsmarktpolitik ist pr<strong>im</strong>är darauf ausgerichtet, Arbeitslosigkeit zu verhindern<br />

und Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, wieder in Arbeit zu bringen.<br />

Bedingt durch die weltweite Wirtschaftskrise ist der Arbeitsmarkt gegenwärtig erheblichen<br />

Belastungen und Unsicherheiten ausgesetzt. Darüber hinaus erfordern der<br />

technologische Fortschritt und die Wettbewerbsbedingungen in der globalisierten Welt<br />

sowie der Wandel von der Industriegesellschaft hin zu einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft<br />

die Erprobung neuer Wege. Das betrifft die Ausbildung ebenso wie die<br />

Gestaltung des Arbeitslebens und die Vermittlung und Betreuung von Menschen, die arbeitslos<br />

geworden sind.<br />

Angesichts der Dynamisierung des Arbeitsmarktes wird es in Zukunft mehr um Beschäftigungssicherheit<br />

für viele als um Arbeitsplatzsicherheit für wenige gehen müssen. Als weitere<br />

Herausforderung kommt die demografische Entwicklung hinzu, die zu einer Abnahme<br />

jüngerer und einer Zunahme älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führt.<br />

Bildung ist die zentrale Voraussetzung, um in der heutigen Arbeitswelt mit ihren <strong>im</strong>mer<br />

kürzeren Produktlebenszyklen und ihrer internationaler Ausrichtung bestehen zu können.<br />

Die FDP setzt sich dafür ein, dass vor allem junge Menschen einen Platz <strong>im</strong> Arbeitsleben<br />

finden, der ihren Interessen und Talenten entspricht. Darüber hinaus sehen wir es als<br />

Gebot der Stunde, über die Erstausbildung hinaus lebenslanges Lernen konsequent zu<br />

unterstützen. Wir wollen, dass Arbeitnehmer auf diesem Weg ihre Potenziale neu entdecken<br />

und weiterentwickeln können.<br />

Die FDP unterstützt die Betriebe dabei, gerade auch in Zeiten wirtschaftlicher Probleme<br />

Ausbildungsplätze zu schaffen. Denn eine gute Berufsausbildung ist nach wie vor die beste<br />

Möglichkeit, spätere Arbeitslosigkeit zu verhindern. Davon profitieren nicht nur die<br />

Auszubildenden, sondern auch die Unternehmen selbst. Die Verbundausbildung ist ebenso<br />

wie die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung ein Erfolg. Auf diese Weise werden vor<br />

allem kleine Betriebe in ihrem Ausbildungsengagement wirksam unterstützt. Allein mit<br />

der Verbundausbildung werden jedes Jahr 1.000 zusätzliche Ausbildungsstellen geschaf-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

125<br />

fen. Die FDP will die Förderung von Ausbildungsplätzen bedarfsorientiert weiterentwickeln.<br />

Die FDP setzt sich für eine Modernisierung <strong>im</strong> Bereich der dualen Ausbildung, d.h. unter<br />

anderem für eine bedarfsgerechte Modularisierung ein. Das Prinzip der Dualität ist beizubehalten.<br />

Vollzeitschulische Ausbildungsgänge sollten die Ausnahme sein und nur dann<br />

genehmigt werden, wenn diese Form der Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt<br />

wird – prinzipiell ist die Ausbildung <strong>im</strong> Betrieb vorzuziehen.<br />

Das Engagement der Landesregierung für den 3. Weg in der Berufsausbildung (Praxisjahr<br />

für Schulabbrecher) wollen wir auch in der nächsten Legislaturperiode fortführen,<br />

damit auch Jugendliche, die vor allem über praktische Fähigkeiten verfügen, eine<br />

Chance zur Berufsausbildung erhalten.<br />

Die FDP will erreichen, dass gerade Jugendliche aus bildungsfernen Schichten in<br />

den Ausbildungsmarkt integriert werden können. Seit 2005 haben 14.000 Jugendliche ein<br />

Werkstattjahr begonnen. Wir wollen diese erfolgreiche landespolitische Maßnahme weiterführen<br />

und bedarfsorientiert weiterentwickeln. Dabei ist es unser Ziel, die Entstehung<br />

von Doppelstrukturen <strong>im</strong> Bund und den Ländern zu vermeiden und eine bessere Effektivität<br />

und Effizienz der eingesetzten Mittel zu gewährleisten.<br />

Die Freien Demokraten wollen das Jugendarbeitsschutzgesetz so anpassen, dass es<br />

sich stärker an der betrieblichen Praxis orientiert, ohne dabei die Jugendlichen zu überfordern.<br />

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Arbeitssuchenden eine schnellere und zielgenauere<br />

Stellenvermittlung sowie eine Beratung und Unterstützung bei der Wahrnehmung<br />

von Aus- und Weiterbildungsangeboten, bei arbeitsplatzbezogenen Umzügen sowie bei<br />

der Gesundheitsförderung etc. erhalten.<br />

Es ist denkbar, dass sich flexible Erwerbsformen, wie die Zeitarbeit, in Zukunft stärker<br />

etablieren werden. Für Unternehmer bietet Zeitarbeit den Vorteil, flexibel auf Auftragsspitzen<br />

reagieren zu können. Insbesondere eine beträchtliche Zahl von Arbeitnehmern<br />

mit geringer Qualifizierung wäre ohne Zeitarbeit dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.<br />

Gleichzeitig darf Zeitarbeit keine Sackgasse sein. Für die Beschäftigten der<br />

Zeitarbeitsbranche wollen wir bessere Weiterbildungsangebote schaffen und die Beratung<br />

und Information zur beruflichen Weiterentwicklung verbessern. Ein Missbrauch von<br />

Zeitarbeit muss verhindert werden. Entsprechende Pläne der Bundesregierung, gegen<br />

solche Fälle vorzugehen, halten wir für unterstützenswert. Darüber hinaus ist es wichtig,<br />

die Arbeitnehmer über ihre Rechte eingehend zu informieren. Beispielgebend ist das Projekt<br />

"Hotline Zeitarbeit" von Landesregierung und DGB.<br />

Die FDP unterstützt die Initiative der Bundesregierung, Arbeitnehmer stärker am Unternehmensgewinn<br />

und auch am Kapital zu beteiligen. Die FDP will kein Volkseigentum,<br />

sondern ein Volk von Eigentümern. Auf diese Weise werden aus Lohnabhängigen<br />

auch Teilhaber. Dies fördert die Motivation und die Verantwortungsbereitschaft der Beschäftigten.<br />

Alle Menschen sollen ihren Fähigkeiten entsprechend Zugang zu Bildung und beruflichen<br />

Karrierechancen erhalten. Eine Diskr<strong>im</strong>inierung von Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts,<br />

ihrer Herkunft, Religion, politischen Überzeugung oder sexuellen Identität<br />

muss von der Landesregierung aktiv bekämpft werden. Die FDP setzt sich dafür ein, dass<br />

mehr Frauen als bisher in Führungspositionen der Wirtschaft gelangen können. Wir<br />

unterstützen spezielle Netzwerke sowie Fortbildungsmöglichkeiten für Frauen, wie zum<br />

Beispiel Mentorenprogramme.<br />

Die beruflichen Chancen von jungen Eltern wollen wir durch gezielte Maßnahmen zur<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, zum Beispiel durch den Ausbau<br />

von Telearbeitsplätzen und die Schaffung besserer Betreuungsmöglichkeiten für Kinder


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

126<br />

auch innerhalb von Betrieben. Gerade kleine Betriebe benötigen ihrerseits Beratung und<br />

Informationen, wie sie eine familienfreundliche Unternehmenspolitik organisieren können.<br />

Hier<br />

33<br />

wollen wir neue Akzente setzen.<br />

Die FDP möchte, dass sich der Arbeitsmarkt gerade für ältere Mitarbeiter wieder stärker<br />

öffnet, um Altersarmut zu vermeiden und um die wertvollen Erfahrungen dieses Personenkreises<br />

für die deutsche Wirtschaft zu erhalten bzw. zu erschließen. Die Landesregierung<br />

hat insbesondere vor diesem Hintergrund das Beratungsangebot der Potenzialberatung<br />

für Unternehmen aufgelegt, das vor dem Hintergrund von <strong>im</strong>mer älter werdenden<br />

Belegschaften gezielte Orientierungen für die Personalentwicklung bietet. Pro Jahr nehmen<br />

rund 2.000 Betriebe mit mehr als 60.000 Mitarbeitern dieses Angebot wahr. Weitere<br />

wichtige Maßnahmen, die wir zur Unterstützung älterer Mitarbeiter forcieren wollen, sind<br />

Jahresarbeitszeitkonten, verbesserte interne und externe Fort- und Weiterbildungschancen,<br />

gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen sowie Angebote zur Gesundheitsförderung<br />

und Prävention.<br />

Ziel der FDP ist es, faire Aufstiegschancen auch für diejenigen zu ermöglichen, die arbeitsfähig<br />

sind, jedoch durch unverschuldete Langzeitarbeitslosigkeit auf Sozialleistungen<br />

des Staates angewiesen sind. Unsere besondere Solidarität der Gesellschaft<br />

soll denjenigen zuteil werden, die aufgrund von Krankheit oder anderen Einschränkungen<br />

auf die Hilfe der Solidargemeinschaft angewiesen sind.<br />

Um dies zu gewährleisten, setzt sich die FDP dafür ein, dass <strong>im</strong> Sozialleistungssystem die<br />

tragenden Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft wieder in Kraft gesetzt werden.<br />

Nach dem Leistungsprinzip muss gewährleistet sein, dass derjenige der arbeitet, netto<br />

mehr Geld zur Verfügung hat, als derjenige, der arbeiten könnte, aber darauf verzichtet.<br />

Wir wollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitsuchende deutlich verbessern.<br />

Mit dieser Hilfe zur Selbsthilfe erhöhen wir den Anreiz, eine voll sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung zu suchen und anzunehmen.<br />

Zugleich wollen wir dem Grundsatz Keine Leistung ohne Gegenleistung Geltung verschaffen.<br />

Demjenigen, der arbeitsfähig ist und die Aufnahme einer Arbeit verweigert, sollen<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Hartz-IV-Regelungen die Leistungen für den Lebensunterhalt durch<br />

eine konsequente Anwendung der bestehenden Rechtslage gekürzt werden. Gleichzeitig<br />

muss die Betreuung und Qualifizierung der Arbeitslosen weiter verbessert werden,<br />

um sie möglichst schnell wieder in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />

Leistung muss sich lohnen. Dies gilt auch für die Altersvorsorge. Wer eigenverantwortlich<br />

für das Alter vorgesorgt hat, muss besser gestellt werden als derjenige, der dies unterlassen<br />

hat. Deshalb hat die FDP <strong>im</strong> Bundestag die Verdreifachung des Schonvermögens<br />

zur Altersvorsorge durchgesetzt. Aus dem gleichen Grunde soll die selbst genutzte<br />

Immobilie, die dem mietfreien Wohnen <strong>im</strong> Alter dient, nicht angetastet werden.<br />

Für die Höhe der Hartz-IV-Sätze für Kinder wollen wir erreichen, dass gerade <strong>im</strong> Bildungsbereich<br />

zukünftig verstärkt Sachleistungen gewährt werden, damit die Leistungen<br />

auch tatsächlich für eine bessere Bildung der Kinder eingesetzt werden.<br />

Die FDP setzt sich über diese kurzfristigen Maßnahmen hinaus für eine grundlegende<br />

Neuordnung des Transfersystems ein. Die jetzigen Hartz-Regelungen stehen zu<br />

Recht öffentlich in der Kritik. Die hohe Zahl von Gerichtsverfahren und nicht zu letzt das<br />

Urteil des Bundesverfassungsgericht zeigt zudem die große Rechtsunsicherheit, der<br />

sich Hilfebedürftigen ausgesetzt sehen.<br />

Deshalb fordert die FDP ein einfaches, transparentes und dadurch gerechtes Transfersystem:<br />

Das Bürgergeld.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

127<br />

Ziel des Bürgergeldsystems ist es, möglichst alle steuerfinanzierten Sozialleistungen in<br />

einem Universaltransfer, dem Bürgergeld, zusammenzufassen. Dazu gehören sowohl die<br />

Grundsicherung, die Sozialhilfe zum Lebensunterhalt, das Arbeitslosengeld II, das<br />

Kindergwld, das Wohngeld als auch die mit dem liberalen Reformkonzept für die Kranken-<br />

und Pflegeversicherung verbundene steuerfinanzierte Unterstützungsleistung für<br />

Kinder und für Personen mit unzureichendem Einkommen. Der komplexe Sozialstaat<br />

wird vereinfacht, Bürokratie abgebaut, die Verwaltung sparsam gestaltet. Die damit<br />

einhergehende Effizienzsteigerung führt zu Kostenreduktion auf der einen und zu Transparenz<br />

auf der anderen Seite. Die Anzahl der Ansprechpartner der Bürger für soziale Leistungen<br />

wird auf ein Min<strong>im</strong>um reduziert, Mehrfacherklärungen über Einkommens- und<br />

Vermögensverhältnisse gegenüber unterschiedlichen Ämtern sollen entfallen.<br />

Die FDP verbindet diesen Reformschritt <strong>im</strong> Sozialsystem mit ihrer Forderung nach einem<br />

einfachen, niedrigen und gerechten Steuersystem. In einem Steuer-Transfer-System<br />

aus einem Guss sollen bestehende Ungerechtigkeiten <strong>im</strong> Zusammenwirken zwischen<br />

Sozialleistungen und Besteuerung aufgehoben und die Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit<br />

und Transparenz wieder hergestellt werden. Die als Bürgergeld gebündelten<br />

Sozialleistungen des Staates sollen vom Finanzamt mit der Steuer verrechnet werden. Ein<br />

derartiges System ist für die Bürger nachvollziehbar und gibt ihnen notwendige Rechtssicherheit.<br />

Die FDP setzt sich für einen verbesserten Arbeitnehmerdatenschutz ein, insbesondere<br />

wenn es um sensible Gesundheitsdaten oder um Fragen der persönlichen Lebensgestaltung<br />

geht. Es gilt, eine praxisorientierte Rechtsgrundlage zu schaffen, um das Recht auf<br />

informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung der Mitarbeiter mit dem Interesse der Arbeitgeber an<br />

einem am Maßstab der Erforderlichkeit orientierten Bewerberprofil in Einklang zu bringen.<br />

2.3 Energie<br />

Energiepolitik ist für die FDP einer der wichtigsten Bereiche der Wirtschafts-, Umweltund<br />

Verbraucherpolitik. Eine preiswerte, umweltfreundliche und sichere Versorgung<br />

mit Energie ist lebensnotwendig für Millionen von Haushalten, wie für die Unternehmen<br />

in Nordrhein-Westfalen. Sie ist entscheidend, um <strong>im</strong> internationalen Wettbewerb<br />

auch als Industriestandort zu bestehen. Die FDP steht für einen wirtschaftlich vertretbaren,<br />

ökologisch sinnvollen und ideologiefreien Umgang mit allen Energieträgern.<br />

Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von einer beispiellosen Sicherheit bei der Energieversorgung.<br />

Wir sind es gewohnt, dass Strom <strong>im</strong>mer dann zur Verfügung steht, wenn wir<br />

den Schalter umlegen. Die Versorgungssicherheit ist für die meisten Menschen selbstverständlich<br />

geworden. Die erfolgten oder angedrohten Lieferblockaden bei Öl und Gas<br />

haben in jüngster Zeit aber deutlich gemacht, dass unsere Versorgungssicherheit gefährdet<br />

ist. Deutschland ist als rohstoffarmes Land dringend darauf angewiesen, seine Energieversorgung<br />

durch möglichst viele Energieträger, Quellen und Lieferanten zu sichern.<br />

Deshalb setzt die FDP auf einen möglichst breiten Energiemix auf dem Weg in das<br />

regenerative Zeitalter.<br />

Die FDP steht zur "Energie- und Kl<strong>im</strong>aschutzstrategie <strong>NRW</strong>". Durch vielfältige Maßnahmen<br />

wollen wir den CO2-Ausstoß bis 2020 um 33 Prozent senken und somit einen<br />

Anteil von 44 Prozent an den Reduktionszielen des Bundes leisten. Unser Hauptaugenmerk<br />

liegt dabei auf Einsparpotenzialen, die unter Kostengesichtspunkten besonders effizient<br />

zu heben sind.<br />

Kostengünstige Einsparpotentiale erwarten wir kurzfristig vor allem auch <strong>im</strong> Wärmemarkt<br />

durch den verstärkten Einsatz von Wärmeisolierungstechniken und weiter entwickelten<br />

Heiztechniken einschließlich der Anwendung von Solarthermie, Wärmepumpen<br />

und Kraft-Wärme-Kopplung. Wir unterstützen daher die Fortführung und Intensivierung<br />

aller Initiativen und Maßnahmen, die private Eigentümer, Unternehmen und öffentliche


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

128<br />

Einrichtungen bei der Verbesserung der Energieeffizienz behilflich sind. Für die<br />

energetische Sanierung öffentlicher Gebäude des Landes regen wir dazu die Erstellung<br />

eines Masterplans an. Den betragsmäßig größten Beitrag zur Reduktion der Emissionen<br />

leisten dabei die Effizienzsteigerung und das Kraftwerkserneuerungsprogramm. Durch<br />

das Kraftwerkserneuerungsprogramm werden bis zum Jahr 2020 jährlich 30 Millionen<br />

Tonnen CO2 eingespart.<br />

Wir brauchen die Braunkohle auch in Zukunft als Stützpfeiler in der Grundlast. Braunkohle<br />

ist der einzige he<strong>im</strong>ische Energieträger, der wettbewerbsfähig und ohne staatliche<br />

Subventionen verstromt wird. Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Braunkohlekraftwerke<br />

effizienter und sauberer werden. Hierzu muss weiter erforscht werden, ob Abscheidung<br />

und Speicherung von CO2 bei der Verstromung von Braunkohle wirtschaftlich möglich<br />

sind. Die Abscheidung, Verwertung und Speicherung von CO2 werden wir durch<br />

Forschung, Entwicklung und Anwendung weiter nachhaltig unterstützen und auf die dafür<br />

notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen hinwirken. <strong>NRW</strong> zählt heute bereits zu den<br />

weltweit führenden Standorten für die erforderlichen Technologien - das ist gut für Umwelt,<br />

Arbeit und Wohlstand.<br />

Wir brauchen neue, hochmoderne Steinkohlekraftwerke. Der Kraftwerkspark muss<br />

erneuert werden: 50 Prozent der Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen sind älter als<br />

31 Jahre, 20 Prozent sogar älter als 40 Jahre. Alte, ineffiziente Anlagen müssen vom Netz<br />

gehen und – um die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden – durch moderne Kraftwerke<br />

mit höheren Wirkungsgraden und geringeren CO2–Emissionen ersetzt werden. Daher<br />

setzt die FDP sich für die Umsetzung aller Projekte <strong>im</strong> Kraftwerkserneuerungsprogramm<br />

ein.<br />

Im Energiemix der Zukunft gewinnen Erneuerbare Energien an Bedeutung. Langfristig<br />

werden sie einen <strong>im</strong>mer größeren Teil der Energieversorgung, insbesondere der Stromversorgung<br />

leisten müssen. Auch deshalb ist es wichtig, diese schnellstmöglich an die<br />

Wirtschaftlichkeit heranzuführen. Die eigene Vermarktung von Erneuerbarem Strom auch<br />

außerhalb des EEG wird von der neuen Bundesregierung angestrebt. Dies ist ein wichtiger<br />

Schritt zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Erneuerbaren.<br />

Neben der Anwendung brauchen wir vor allem auch Forschung, insbesondere für Speichertechnologien.<br />

Dort setzen wir einen weiteren Schwerpunkt. Dem Einsatz von Biogas<br />

stehen wir aufgeschlossen gegenüber. Der Windkrafterlass hat sich bewährt: Windkraftanlagen<br />

wollen wir nur dort, wo ein ausreichender Wirkungsgrad gesichert und die<br />

Akzeptanz vor Ort gewährleistet ist. Unter diesen Bedingungen ist auch Repowering möglich.<br />

Wir sehen in Projekten wie DESERTEC, der Erzeugung von Solarstrom in der Sahara,<br />

Chancen zur wirtschaftlichen Nutzung der Erneuerbaren Energien. Hierzu tragen auch<br />

Forschungsergebnisse aus unserem Land bei, wie beispielsweise das Solarturmkraftwerk<br />

in Jülich.<br />

Zur Finanzierung des Wandels in der Energieversorgung favorisieren wir marktwirtschaftliche<br />

Instrumente wie sie <strong>im</strong> Kyoto-Protokoll verankert sind. Die Nutzung solcher Instrumente<br />

werden wir durch intensive Förderung von Beratung unterstützen.<br />

Zur kl<strong>im</strong>aneutralen Grundlastversorgung mit Strom werden wir auf absehbare Zeit weiterhin<br />

sichere Kernkraftwerke als Brückentechnologie benötigen. Wir haben den<br />

rotgrünen Beschluss, die Kernsicherheits- und Entsorgungsforschung in Nordrhein-<br />

Westfalen aufzugeben, <strong>im</strong> Interesse von Mensch und Umwelt korrigiert. Unter anderem<br />

durch die Besetzung neuer Lehrstühle haben wir die Forschung in diesem Bereich deutlich<br />

gestärkt.<br />

Alle Erzeugungsarten müssen in einem ausgewogenen Mix ihren Beitrag für eine sichere,<br />

saubere und wirtschaftliche Energieversorgung leisten. Der Ausbau der Netze erfordert<br />

in der Zukunft erhebliche Investitionen: Immer größere Strommengen, insbesondere aus


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

129<br />

dem Norden, müssen durchgeleitet werden. Zugleich müssen die Netze intelligenter werden,<br />

um die Regelung des Stromnetzes zu verbessern und um erheblich zur Energieeffizienz<br />

beizutragen.<br />

Intelligente Stromzähler sollen bald den Verbrauch <strong>im</strong> Haushalt danach ausrichten<br />

können, wann Strom möglichst preiswert und umweltverträglich verbraucht werden kann.<br />

Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde hilft, den Geldbeutel und das Kl<strong>im</strong>a zu schonen.<br />

Wir wollen die Elektromobilität forcieren. Sie kann mit den entstehenden Speicherkapazitäten<br />

und einem intelligenten Stromnetz zusätzlich Puffer für Wind- oder Solarenergie<br />

sein. Im Zuge der erfolgreichen Bewerbung zur Modellregion für Elektromobilität werden<br />

erhebliche Investitionen vor allem in die gezielte Forschung geleistet.<br />

Zugleich wollen wir die Forschung <strong>im</strong> Bereich Wasserstoff weiter vorantreiben. Wasserstoff<br />

bietet hohe Chancen, der umweltfreundliche Treibstoff der Zukunft zu werden.<br />

Durch die enge Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung <strong>im</strong><br />

GeothermieZentrum <strong>NRW</strong> in Bochum und dem Wärmepumpen-Marktplatz <strong>NRW</strong><br />

hat unser Land eine führende Position in der Geothermieforschung und -anwendung.<br />

Diese gilt es weiter zu stärken. Die FDP will Nordrhein-Westfalen als weltweiten Technologieführer<br />

auf dem Gebiet der Kraftwerkstechnologie, aber auch bei den Erneuerbaren<br />

und der Elektromobilität zum Wohle der Menschen und des Kl<strong>im</strong>as weiter voranbringen.<br />

Damit Strom auch in Zukunft noch sowohl für die Unternehmen als auch gerade für kinderreiche<br />

Familien bezahlbar bleibt, brauchen wir mehr Wettbewerb zwischen den<br />

Energieversorgern.<br />

Mobilität<br />

Für die FDP ist Mobilität ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft und unverzichtbar<br />

für Freiheit, Wachstum und Wohlstand. Sie ist die zentrale Voraussetzung<br />

für die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen, das Wachstum unserer Wirtschaft sowie den<br />

Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur<br />

und wirtschaftliche Dynamik gehören untrennbar zusammen. Investitionen in die Verkehrswege<br />

sind deshalb auch Investitionen in Arbeitsplätze.<br />

Mit dem Regierungswechsel <strong>im</strong> Mai 2005 haben wir auch einen Mentalitätswechsel in<br />

der Verkehrspolitik des Landes eingeleitet. Die Zeit der ideologischen Gegensätze zwischen<br />

den Verkehrsträgern ist vorbei. Einzelne Verkehrssysteme werden nicht mehr bevorzugt,<br />

sondern sinnvoll miteinander verknüpft sowie ihrer Eignung und ihrem Bedarf<br />

entsprechend gestärkt. Wir wollen, dass die Menschen und die Wirtschaft – und nicht der<br />

Staat – darüber entscheiden, was notwendige Mobilität und welches Verkehrsmittel angemessen<br />

ist.<br />

Mehr als 70 Prozent der Güterverkehrs- und fast 90 Prozent der Personenverkehrsleistungen<br />

entfallen auf die Straße. Die Straße ist und bleibt auf lange Sicht das Rückgrat<br />

des <strong>NRW</strong>-Verkehrssystems. Jede Milliarde Euro, die <strong>im</strong> Straßenbau investiert wird, erzeugt<br />

einen volkswirtschaftlichen Gewinn von 4,4 Milliarden Euro. Hinzu kommen die<br />

Verbesserungen für den Wirtschaftsstandort <strong>NRW</strong> und die Arbeitsplatzeffekte in der Baubranche.<br />

Ziel der FDP ist deshalb, die Investitionen in den Erhalt, den Um- und Ausbau<br />

des <strong>NRW</strong>-Straßennetzes kontinuierlich zu erhöhen und dauerhaft zu sichern.<br />

Trotz umfassender Anstrengungen zur Konsolidierung des Landeshaushaltes ist es uns<br />

gelungen, die Mittel für den Landesstraßenbau von 130,3 Millionen Euro <strong>im</strong> Jahr 2004<br />

auf 172,4 Millionen Euro in 2009 deutlich anzuheben. Allein für die unter Rot-Grün sträflich<br />

vernachlässigte Erhaltung der Landesstraßen haben wir 2009 80 Millionen Euro zur<br />

Verfügung gestellt – das sind rund 30 Millionen Euro mehr als <strong>im</strong> Jahr 2004. Wir wollen<br />

die Investitionsmittel für die Landesstraßen weiter verstärken und streben ein bedarfsgerechtes<br />

Niveau von 200 Millionen Euro jährlich an.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

130<br />

Die Sanierung und den Ausbau des kommunalen Straßennetzes will die FDP weiterhin<br />

durch geeignete Förderprogramme unterstützen. Hierzu gehört auch der Ausbau der<br />

Wirtschaftswege <strong>im</strong> ländlichen Raum.<br />

Im Fernstraßenbau ist es gelungen, den bundesweiten Anteil Nordrhein-Westfalens von<br />

14 auf 16 Prozent zu steigern. Mit insgesamt fast 1,3 Milliarden Euro stand 2009 der<br />

höchste Betrag für Straßenbauinvestitionen in diesem Jahrzehnt zur Verfügung.<br />

Die FDP will die Investitionen auf höherem Niveau verstetigen. Denn Nordrhein-Westfalen<br />

hat in Zukunft den mit Abstand höchsten Investitionsbedarf und noch <strong>im</strong>mer die meisten<br />

Störungsstellen. 20 Prozent der Verkehrsleistungen und mehr als ein Drittel aller Staus in<br />

Deutschland entfallen auf Nordrhein-Westfalen.<br />

Die FDP <strong>NRW</strong> wird sich deshalb gegenüber dem Bund mit Nachdruck für eine sachgerechte<br />

Mittelverteilung einsetzen, bei der Nordrhein-Westfalen entsprechend seiner<br />

tatsächlichen Belastung der Infrastruktur stärker berücksichtigt wird. Gemessen an der<br />

Verkehrsleistung bzw. dem Kfz-Bestand halten wir einen Anteil des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen am Bundesfernstraßenbedarfsplan von 19 Prozent für erforderlich, um den angelaufenen<br />

Nachholbedarf schneller abbauen zu können. Gemessen an der Einwohnerzahl<br />

stünden <strong>NRW</strong> sogar 22 Prozent zu.<br />

Im Jahr 2004 gab es unter Rot-Grün lediglich einen Planfeststellungsbeschluss für Bundesfernstraßen.<br />

Seitdem FDP und CDU in <strong>NRW</strong> Regierungsverantwortung tragen, konnten<br />

über 50 Planfeststellungsverfahren abgeschlossen werden. Ziel der FDP ist es, die<br />

Planungs- und Genehmigungsverfahren noch einfacher und schneller zu machen<br />

und einen angemessenen Vorrat an baureifen Planungen schaffen.<br />

Der noch aus rot-grüner Regierungszeit stammende Vorbehalt des „besonderen naturschutzfachlichen<br />

Planungsauftrags“ blockiert unverzichtbare Autobahnlückenschlüsse und<br />

Ortsumgehungen, auf die Bürger und Unternehmen in der Regel schon seit Jahren warten.<br />

Den Vorbehalt bei den Projekten des Bundesverkehrswegeplans wollen wir deshalb<br />

streichen. Die Dringlichkeitsreihung der Vorhaben wollen wir aktualisieren, um die Effizienz<br />

der Investitionen zu steigern und Engpässe gezielt zu beseitigen.<br />

Mit dem "Masterplan Nordrhein-Westfalen" zum Ausbau der Bahninfrastruktur wurde<br />

<strong>im</strong> Dezember 2008 ein Meilenstein für die Schieneninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen<br />

gesetzt. Das größte Schienenpaket seit über 20 Jahren mit einem Investitionsvolumen<br />

von fast drei Milliarden Euro schafft insbesondere Planungssicherheit für den Rhein-<br />

Ruhr-Express, das bedeutendste Eisenbahnprojekt Nordrhein-Westfalens. Die FDP will<br />

dieses Projekt für den Schienenpersonenverkehr in Nordrhein-Westfalen so schnell wie<br />

möglich aufs Gleis setzen. Durch die Realisierung in sinnvollen Teilabschnitten kann das<br />

Projekt mit seinen umfangreichen Infrastrukturmaßnahmen schon vor seiner endgültigen<br />

Fertigstellung zu erheblichen Verbesserungen der Mobilität <strong>im</strong> Rhein-Ruhr-Raum beitragen<br />

und dadurch auch in ganz Deutschland Verspätungen <strong>im</strong> Bahnverkehr reduzieren.<br />

Auch der Bundesschienenwegeausbauplan bedarf der Aktualisierung, um die <strong>NRW</strong>-<br />

Projekte voranzubringen. Dies wäre insbesondere möglich, wenn der geringe <strong>NRW</strong>-Anteil<br />

an den Investitionen aus rot-grüner Zeit bedarfsgerecht angepasst würde.<br />

Weitere für Nordrhein-Westfalen bedeutende Schienenverkehrsprojekte wie der Ausbau<br />

der Bahnknoten Köln, Dortmund und Hamm, der zweigleisige Ausbau der Strecke<br />

Münster-Lünen, sowie die Realisierung eines attraktiven Verkehrsangebots auf der<br />

sog. Mitte-Deutschland-Verbindung (Düsseldorf-Dortmund-Kassel) wollen wir gegenüber<br />

Bund, Land und Deutscher Bahn AG vorantreiben. Die bereits vereinbarte Modernisierungsoffensive<br />

für über 100 kleine und mittlere Bahnhöfe in Nordrhein-<br />

Westfalen wollen wir zügig umsetzen und durch weitere dringend notwendige Investitionen<br />

in die <strong>NRW</strong>-Bahnhöfe fortschreiben.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

131<br />

Mit dem neuen ÖPNV-Gesetz haben wir eine umfassende Reform der Finanzierung und<br />

der Strukturen des öffentlichen Personennahverkehrs in Nordrhein-Westfalen auf den<br />

Weg gebracht. Das Finanzierungssystem wurde entbürokratisiert und dereguliert, die<br />

Fördermittel pauschaliert und damit effektiver eingesetzt. Die Organisation des Nahverkehrs<br />

haben wir durch die Reduzierung der Zahl der Kooperationsräume von neun auf<br />

drei deutlich gestrafft. Die FDP will dauerhaft die Qualität <strong>im</strong> Öffentlichen Personennahverkehr<br />

verbessern und das Angebot kostengünstiger gestalten. Dazu können landesweite<br />

Vorgaben, wie zum Beispiel einheitliche moderne Fahrzeugstandards, ein effektiver<br />

Weg sein. Zugleich wollen wir mehr Transparenz bei der Finanzierung, fairen Wettbewerb<br />

unter den Anbietern und größere Freiräume für unternehmerische Initiative. Dies<br />

kann vor allem über die Privatisierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit öffentlicher<br />

Verkehrsunternehmen erreicht werden.<br />

Den Ausschreibungswettbewerb sehen wir als richtigen Weg, um <strong>im</strong> Interesse der Kunden<br />

wie der Allgemeinheit Produktivitätssteigerungen und damit Angebotsverbesserungen<br />

und Kosteneinsparungen <strong>im</strong> ÖPNV zu realisieren. Zu Beginn der Legislaturperiode wollen<br />

wir das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen<br />

(ÖPNVG <strong>NRW</strong>) für die künftigen Anforderungen novellieren. Um ein Grundangebot des<br />

ÖPNV <strong>im</strong> ländlichen Raum zu gewährleisten, wollen wir die Finanzierung ermäßigter<br />

Tarife <strong>im</strong> Schüler- und Auszubildendenverkehr langfristig sichern.<br />

Vor allem <strong>im</strong> ländlichen Raum sind Taxibusse und Bürgerbusse, die sich flexibel, auch<br />

zu Zeiten geringer Nachfrage und abseits größerer Linien einsetzen lassen, ein fester Bestandteil<br />

des Öffentlichen Nahverkehrs. Die FDP will diese Angebote, die insbesondere für<br />

die Mobilität älterer Bürgerinnen und Bürger von zunehmender Bedeutung sind, ausbauen<br />

und fortentwickeln.<br />

Die auf Bundesebene anstehende Revision des Regionalisierungsgesetzes wollen wir dafür<br />

nutzen, eine höhere Transparenz und Effizienz in der SPNV-Finanzierung zu<br />

erreichen. Die FDP setzt sich für eine bedarfsgerechte Neuverteilung der Bundesmittel<br />

ein.<br />

Für die FDP haben die nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE-Bahnen) eine große<br />

verkehrs- und strukturpolitische Bedeutung für Nordrhein-Westfalen. Aufgrund unserer<br />

Initiative ist es <strong>im</strong> Haushalt <strong>2010</strong> erstmals seit Jahren wieder gelungen, den Erhalt und<br />

Ausbau der Infrastruktur der NE-Bahnen mit Landesmitteln zu fördern. Wir wollen die öffentliche<br />

Förderung verstetigen und ausbauen, wobei insbesondere auch der Bund gefordert<br />

ist, seine Finanzierungszusagen einzuhalten.<br />

In der Luftverkehrspolitik haben wir in der vergangenen Legislaturperiode erfolgreich an<br />

der Umsetzung der Luftverkehrskonzeption <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> gearbeitet. Wir haben die Flughäfen<br />

als Wirtschafts- und Standortfaktor für Nordrhein-Westfalen gesichert<br />

und bedarfsgerecht weiterentwickelt, ohne dabei die berechtigten Interessen der Anwohner<br />

zu vernachlässigen. Die FDP hält an der dezentralen Luftverkehrsinfrastruktur in<br />

Nordrhein-Westfalen mit drei internationalen Flughäfen, sechs Regionalflughäfen und<br />

neun so genannten Schwerpunktlandeplätzen für den Geschäftsreiseverkehr uneingeschränkt<br />

fest. Diese dezentrale Struktur hat sich voll und ganz bewährt. Gerade auch die<br />

kleineren Flughäfen haben als Standort- und Wirtschaftsfaktor eine enorme ökonomische<br />

Bedeutung und bieten für die jeweilige Region erhebliche Wachstums- und Beschäftigungschancen.<br />

Sollte in Deutschland ein Wettbewerb für ein - neben Frankfurt und<br />

München - drittes Luftverkehrsdrehkreuz entstehen, sollte Nordrhein-Westfalen die damit<br />

verbundenen riesigen Chancen nutzen und sich aktiv an diesem Wettbewerb beteiligen.<br />

Für die FDP ist selbstverständlich, dass notwendige Maßnahmen zum Ausbau der Kapazitäten<br />

sorgfältig mit den Belangen von Mensch und Umwelt abgewogen werden. Für uns<br />

sind Umwelt-, Kl<strong>im</strong>a- und Lärmschutz integrale Bestandteile einer zukunftsweisenden und


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

132<br />

nachhaltigen Luftverkehrspolitik. Die FDP will die Lärmbelastung durch den Luftverkehr<br />

durch besser geeignete Flugrouten, Innovationen in der Flugzeugtechnik und neue<br />

Instrumente wie emissionsabhängige Start- und Landeentgelte reduzieren. Wir halten in<br />

diesem Zusammenhang auch an den bisherigen strengen Nachtflugregelungen an den<br />

Flughäfen in Nordrhein-Westfalen fest.<br />

Nordrhein-Westfalen ist bereits ein Logistikstandort von europäischem Rang: In unserem<br />

Land sind etwa 10.000 Logistikunternehmen ansässig, fast 600.000 Beschäftigte erbringen<br />

logistische Tätigkeiten. Die FDP möchte Nordrhein-Westfalen zur führenden Logistik-Drehscheibe<br />

in Europa ausbauen. Was Frankfurt <strong>im</strong> Personen-Luftverkehr ist, kann<br />

<strong>NRW</strong> <strong>im</strong> Güterverkehr werden.<br />

Mit Blick auf die dynamische Entwicklung des Güterverkehrs, insbesondere der<br />

Seehafenhinterlandverkehre, bieten sich für Nordrhein-Westfalen enorme Wachstumschancen.<br />

Dabei sind die Verkehrsadern nach Rotterdam und Antwerpen für <strong>NRW</strong><br />

von besonderer Bedeutung. Die Betuwe-Linie und der Eiserne Rhein als leistungsfähige<br />

und schnelle Schienengüterverbindungen zu den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen<br />

sind als Alternativen für die <strong>NRW</strong>-Wirtschaft unverzichtbar, um die Vor- und Nachlaufkosten<br />

für den Wirtschaftsstandort <strong>NRW</strong> auf einem wettbewerbsfähigen Niveau zu halten.<br />

Erforderlich sind deshalb der zügige Ausbau der Betuwe-Linie einschließlich der dazugehörigen<br />

Lärmschutzmaßnahmen sowie die Realisierung des Eisernen Rheins auf<br />

einer weitgehend neuen, anwohnerfreundlichen Trasse (A52). Dabei sind insbesondere<br />

die hohen Sicherheitsanforderungen in der weltweiten Logistikkette und ÖPP-Modelle zu<br />

berücksichtigen, die eine grenzüberschreitende europäische Finanzierung ermöglichen. In<br />

Verbindung mit einem internationalen Logistikzentrums am Standort Elmpt bestehen hier<br />

gewaltige Chancen für den Wirtschafts- und Logistikstandort Nordrhein-Westfalen.<br />

Angesichts der erwarteten weiteren Verdoppelung der Seecontainerverkehre von und<br />

nach Nordrhein-Westfalen bis 2015 ist es dringend erforderlich, die Leistungsfähigkeit der<br />

Wasserstraßen und Häfen weiter zu steigern. Das Wasserstraßen- und Hafenkonzept<br />

der Landesregierung betrachten wir als gute Grundlage zur Stärkung des Hafen- und Logistikstandortes<br />

Nordrhein-Westfalen, das wir nun in konkrete Umsetzungsschritte überführen<br />

wollen. Die FDP wird das Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzept vom Februar<br />

2008 mit der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung <strong>im</strong> Logistiksektor des Landes überprüfen.<br />

Um die nordrhein-westfälischen Häfen <strong>im</strong> Wettbewerb mit den europäischen und<br />

deutschen Hafenstandorten zu stärken, wollen wir die Zusammenarbeit der <strong>NRW</strong>-Häfen<br />

verbessern und die Entwicklung gemeinsamer Strategien unterstützen.<br />

Für die FDP ist Umweltschutz in der Verkehrspolitik kein Gegensatz zum notwendigen<br />

Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. In der christlichliberalen Koalition haben wir gezeigt,<br />

wie man die berechtigten Schutzbedürfnisse von Mensch und Natur mit den Mobilitätsbedürfnissen<br />

von Bürgern und Unternehmen in Einklang bringt. Umweltzonen mit Fahrverbot<br />

sind nur verhältnismäßig, wo sie zwingend geboten sind. Be<strong>im</strong> notwendigen Ausbau<br />

der Verkehrsinfrastruktur wollen wir die Lärmbelastung der Bevölkerung weiter<br />

reduzieren. Dazu wollen wir den Schienenbonus schrittweise reduzieren mit dem Ziel,<br />

ihn ganz abzuschaffen. Gleichzeitig setzen wir uns für eine lärmabhängige<br />

Trassenpreisgestaltung bei der Bahn ein. Bei bereits bestehenden Strecken wollen wir<br />

das Lärmsanierungsprogramm Schiene fortsetzen und intensivieren. Dazu wollen wir<br />

auch die Möglichkeiten des technischen Fortschritts bei Fahrzeugen und Schieneninfrastruktur<br />

nutzen. Im Straßenbau wollen wir den Lärmschutz für die Anwohner verbessern,<br />

indem die Lärmsanierungsgrenzwerte des Bundes um fünf Dezibel herabgesetzt werden<br />

und verstärkt Flüsterasphalt zum Einsatz kommt.<br />

Mit dem Ziel, Innovationen zu befördern, Ressourcen zu schonen und die Lärm- und<br />

Emissionsbelastung zu senken setzt sich die FDP ferner dafür ein, bis zum Jahr 2020 in


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

133<br />

Nordrhein-Westfalen mindestens 250.000 zukunftsfähige Fahrzeuge mit elektrischem Antriebsstrang<br />

auf die Straße zu bringen. Elektromobilität beschränkt sich nicht auf den<br />

Individualverkehr. Im Blick haben wir beispielsweise Stadtbusse oder andere Fahrzeugflotten.<br />

Hierzu gilt es nachhaltig die Bereiche Fahrzeug- und Batterietechnik, wie auch<br />

Infrastruktur und Netze zu fördern. Der neue und bundesweit erste Lehrstuhl für<br />

Elektromobilität an der FH Bochum oder auch das neu gegründete Forschungszentrum<br />

für Energiespeicherung an der Universität Münster sind wichtige Beiträge<br />

zur weiter notwendigen Stärkung der Forschung in diesem Bereich. Entsprechende<br />

Förderwettbewerbe auf EU- und Bundesebene sollen durch Landeswettbewerbe weiter<br />

flankiert werden. Die aus dem Bundeswettbewerb hervorgegangene Modellregion Rhein-<br />

Ruhr wollen wir in besonderer Weise unterstützen.<br />

Mit der Offensive gegen den Verkehrsstau hat die Landesregierung verschiedene<br />

Maßnahmen ergriffen, Staus und Störungen <strong>im</strong> Autobahnnetz in Nordrhein-Westfalen zu<br />

bekämpfen. Dazu gehören die Verbesserung des Baustellenmanagements, die Beseitigung<br />

von Engpässen und Störstellen <strong>im</strong> Streckennetz sowie die Opt<strong>im</strong>ierung des Straßenbetriebs<br />

und der Kommunikation mit den Verkehrsteilnehmern. Diese erfolgreichen<br />

Maßnahmen wollen wir fortführen und weiterentwickeln. Unser Ziel ist ein effizientes,<br />

modernes Verkehrssystem mit intelligenter Technik und innovativen Dienstleistungen.<br />

Die FDP will sichere Straßen und einen sicheren Straßenverkehr. Dazu dient insbesondere<br />

der Ausbau von modernen Verkehrsleitsystemen. Dazu gehören natürlich auch Geschwindigkeits-<br />

und Abstandskontrollen. Wir lehnen allerdings die ausufernde Zahl der<br />

Radarfallen ab, die allein dem Kämmerer oder dem Finanzminister dienen und mit dem<br />

Aspekt der Verkehrssicherheit nichts mehr zu tun haben.<br />

Mit uns wird die Technik des sogenannten „Sections-Control“ (Best<strong>im</strong>mung der Durchschnittsgeschwindigkeit<br />

durch Messen der Durchfahrtszeit für einen festgelegten Streckenabschnitt)<br />

auf Autobahnen nicht eingeführt. Wir haben massive Datenschutzbedenken,<br />

da bei diesem Verfahren jeder Autofahrer be<strong>im</strong> Eintritt in den Abschnitt mit genauer<br />

Uhrzeit ohne Verdachtsmoment erfasst werden muss und seine Daten gespeichert werden<br />

müssen.<br />

Im Unterschied zu anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen oder<br />

Rheinland-Pfalz ist es in Nordrhein-Westfalen noch <strong>im</strong>mer vorgeschrieben, dass Taxen die<br />

Farbe "hellelfenbeingelb" haben müssen. Bei den Taxiunternehmen führt dies zu Mehrkosten<br />

bei der Anschaffung und Mindereinnahmen be<strong>im</strong> Verkauf der Autos. Die staatliche<br />

Farbvorgabe für Taxen ist eine überflüssige Regulierung, die wir zur Stärkung des<br />

Taxigewerbes abschaffen wollen.<br />

Die FDP hat den Modellversuch Begleitetes Fahren ab 17 gestartet, der seitdem einen<br />

wesentlichen Beitrag zur Senkung der Unfallzahlen der Fahranfänger geleistet hat. Die<br />

FDP will den Modellversuch zur Regel machen.<br />

Land und Forstwirtschaft<br />

Der ländliche Raum ist für uns ein eigenständiger Wirtschafts-, Lebens- und Entwicklungsraum.<br />

Er ist keine "Restfläche" für Wasserschutzzonen und ökologische Ausgleichsräume.<br />

Die FDP will die Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe weiter<br />

verbessern. Sie müssen so gesetzt werden, dass die Landwirte den wesentlichen Teil<br />

ihres Einkommens am Markt erwirtschaften können. Deshalb hat sich die FDP erfolgreich<br />

für eine Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion und damit für eine stärkere<br />

Orientierung an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und der Nachhaltigkeit<br />

eingesetzt. Heute erhalten die Landwirte einen Ausgleich für die in der EU geltenden höheren<br />

Standards <strong>im</strong> Umwelt- und Tierschutz. Damit haben unternehmerische Landwirte<br />

die Chance, sich stärker von staatlicher Bevormundung zu lösen und einen größer wer-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

134<br />

denden Anteil ihres Einkommens am Markt zu erwirtschaften. Bei der Ausgestaltung der<br />

Agrarpolitik der EU ab 2014 werden wir uns für eine weitere Stärkung der unternehmerischen<br />

Landwirtschaft einsetzen. Die Regelungen müssen so getroffen werden,<br />

dass Planungssicherheit und Verlässlichkeit gewährleistet sind.<br />

Die FDP unterstützt den Beschluss zum Auslaufen der Milchquote zum 31. Mai 2015,<br />

weil Investitionen in Milchquoten die Möglichkeiten für Zukunftsinvestitionen in den Hof<br />

einschränken und auch die Quote das Ausscheiden von Milchviehbetrieben aus der Produktion<br />

nicht hat aufhalten können.<br />

Landwirte brauchen bei der Vermarktung ihrer Produkte faire Chancen. So müssen z.B.<br />

Molkereien die Möglichkeit erhalten, ihre Produkte gemeinsam zu vermarkten, um<br />

auf Augenhöhe mit den Konzernen Preise aushandeln zu können. Nur so kann die<br />

schwierige Situation der Milchbauern gemildert werden. Darüber hinaus hat die FDP der<br />

Landwirtschaft durch das Schulmilchprogramm und Maßnahmen <strong>im</strong> Exportbereich<br />

weitere Märkte eröffnet. Des Weiteren begrüßen wir die von der Bundesregierung zur<br />

Linderung der krisenbedingt schwierigen Einkommenssituation der Milchwirtschaft beschlossenen<br />

Sofortmaßnahmen. Durch die Anpassung des Programms "Ländlicher<br />

Raum" an die besondere Situation der Milchbauern und durch Liquiditätshilfen der Landesregierung<br />

konnte für die Milchwirtschaft eine Brücke durch die Krise gebaut werden.<br />

<strong>NRW</strong> ist für die Sicherung der Zukunft der Landwirtschaft gut aufgestellt. Das zeigen<br />

auch die Investitionen, die hier getätigt werden.<br />

Das Schulobstprogramm begrüßt die FDP; bürokratische Regelungen, die sich in der<br />

Praxis nicht bewährt haben, gilt es abzubauen.<br />

Auf dem EU-Binnenmarkt führen nationale Sonderwege dazu, die eigene landwirtschaftliche<br />

Produktion in die Nachbarländer zu vertreiben. Deswegen sollen EU-Regelungen<br />

1:1 in nationales Recht umgesetzt werden. Ein Aufsatteln <strong>im</strong> Bund wie auch bei der<br />

Ausgestaltung landesrechtlicher Vorschriften lehnen wir ab.<br />

Wir werden uns be<strong>im</strong> Bund für eine steuerlich begünstigte Risikoausgleichsrücklage<br />

einsetzen, damit Landwirte zukünftig schwankende Preise, die durch Weltmarktveränderungen<br />

und unterschiedliche Ernten entstehen, besser kompensieren können.<br />

Nordrhein-Westfalen ist ein waldreiches Land und hat große Holzvorräte. Holz ist unser<br />

wichtigster nachwachsender Rohstoff. Seine Nutzung als Bauholz und für die Herstellung<br />

von Möbeln und Zellstoff, die Erzeugung von Strom und Wärme aus Rest- und Durchforstungsholz<br />

ist ein wichtiger Beitrag zum Kl<strong>im</strong>aschutz und stärkt gleichzeitig die regionale<br />

Wirtschaft. Die Einkommen der Landwirte aus ihrem Waldbesitz tragen zur Sicherung der<br />

Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe bei. Sie stärken den ländlichen Raum. Gleichzeitig<br />

haben die Wälder eine große Bedeutung für die Naherholung und den Tourismus.<br />

Eine Förderung der Waldwirtschaft ist daher für die FDP unerlässlich.<br />

Dank eines funktionierenden Jagdsystems, bei dem die Hauptverantwortung für die<br />

Wildbewirtschaftung bei den Jägern und Grundeigentümern liegt, ist Deutschland <strong>im</strong><br />

Vergleich zu anderen Industrienationen ein wildreiches Land. Das Jagdrecht hat sich bewährt<br />

und soll nicht dem Naturschutzrecht untergeordnet werden. Die Verdienste der Jäger<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Naturschutzes - zum Beispiel bei der Beseitigung von Fallwild - hat<br />

die FDP mitgetragene Landesregierung durch die stufenweise Abschaffung der bürokratischen<br />

Jagdsteuer gewürdigt.<br />

Die FDP steht der Forschung und Anwendung der grünen Gentechnik aufgeschlossen<br />

gegenüber – auch in globaler Verantwortung für Umwelt und Welternährung. Sicherheitsaspekte<br />

werden durch europäische Regelungen hinreichend gewährleistet.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

135<br />

2.4 Europa<br />

Nordrhein-Westfalen ist der sechstgrößte europäische Wirtschaftsraum liegt <strong>im</strong><br />

Herzen Europas. Als Nachbar Belgiens und der Niederlande, als wichtiger Industrie- und<br />

Dienstleistungsstandort sowie als Transitland <strong>im</strong> Straßen-, Schienen- und Binnenschifffahrtsverkehr<br />

ist Europa für viele Menschen in Nordrhein-Westfalen gelebter Alltag.<br />

Wir Liberale wissen: Unser Land kann nur erfolgreich sein, wenn wir weiter in Frieden<br />

und Freiheit den Austausch mit europäischen Partnern <strong>im</strong> Rahmen der EU pflegen und<br />

ausbauen. Dabei setzen wir auf offene Märkte und eine Vollendung des europäischen<br />

Binnenmarktes. In der Globalisierung ist die EU wichtiger denn je - während der internationalen<br />

Finanzkrise konnte allein das gemeinsame Handeln der EU unsere Wirtschaft sichern.<br />

Auch die brennenden Fragen Energiesicherheit, Rohstoffversorgung, Umwelt- und<br />

Kl<strong>im</strong>aschutz, Welthandel sowie innere und äußeren Sicherheit können von Nationalstaaten<br />

heute nicht mehr <strong>im</strong> Alleingang beantwortet werden. <strong>NRW</strong> und seine Grenzregionen<br />

profitieren in vielen Bereichen von einer engen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.<br />

Die Freien Demokraten bekennen sich zur Europäischen Union, die demokratischen,<br />

rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität<br />

verpflichtet ist. Wir setzen uns für die Vertiefung der Europäischen Integration<br />

ein und verpflichten uns zur Förderung der europäischen Zusammenarbeit auf regionaler<br />

wie kommunaler Ebene.<br />

Die FDP wird darauf achten, dass der freie Wettbewerb in marktwirtschaftlichem Ordnungsrahmen<br />

auch in der EU von morgen zur Geltung kommt, <strong>im</strong> Interesse unseres Landes.<br />

Nordrhein-Westfalen exportiert Waren und Dienstleistungen <strong>im</strong> Wert von 175 Milliarden<br />

Euro – fast zwei Drittel davon gehen zu unseren europäischen Partnern. Allein mit<br />

Belgien und den Niederlanden haben wir einen Warenaustausch, der größer ist als der<br />

mit den USA und China zusammen. Gerade daher wollen wir die Partnerschaft mit den<br />

Benelux-Ländern weiter vertiefen. Das schafft hochwertige Arbeitsplätze hier bei uns, die<br />

Voraussetzung für unseren Sozialstaat und unsere hohen Umweltstandards sind.<br />

Die besondere Verantwortung der FDP für den nordrhein-westfälischen Mittelstand gilt<br />

auch in der Europapolitik. Wir wollen die Europafähigkeit der kleinen und mittleren<br />

Unternehmen weiter stärken, damit sie besser als bisher von den Möglichkeiten des<br />

Europäischen Binnenmarktes profitieren können. Wo Europa Bürokratielasten für den Mittelstand<br />

produziert, werden wir uns für ihre Abschaffung einsetzen. Europäische Regelungen<br />

sollten zudem nur 1:1 – also ohne zusätzliches Aufsatteln – in nationales Recht<br />

übertragen werden.<br />

Zur Förderung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit hat die von der FDP getragene Landesregierung<br />

mit Unterstützung der EU (EFRE-Fonds). erfolgreich neue Wege beschritten.<br />

Von 2007 bis 2013 erhält das Land gut 1,3 Milliarden Euro aus dem EFRE-Fonds. Zusammen<br />

mit weiteren Mitteln der Landesregierung und privaten Geldern stehen insgesamt<br />

rund 2,5 Milliarden Euro bereit, den Mittelstand und die Existenzgründerszene zu<br />

stärken, die Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit <strong>im</strong> ganzen Land zu verbessern<br />

und Städte und Regionen attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Dabei hat die<br />

Einführung von „Ziel2-Wettbewerben“ und die Fokussierung auf Innovationscluster<br />

anstelle des alten „Gießkannenprinzips“ landesweit zu Aufbruchsst<strong>im</strong>mung und<br />

Dynamik geführt: In den ersten beiden Wettbewerbsrunden wurden landesweit 2.114<br />

Projektskizzen von fast 7.000 Kooperationspartnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und<br />

Kommunen eingereicht; 552 Projekte wurden bewilligt. Die FDP setzt sich auch künftig<br />

auf Bundes- und europäischer Ebene dafür ein, dass dieser erfolgreiche Weg fortgeführt<br />

werden kann, um Wissenschaft und Wirtschaft über Branchen- und Technologiegrenzen<br />

hinweg zu mobilisieren, günstige Bedingungen für neue Produkte und Investitionen zu


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

136<br />

schaffen, Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen und die Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Standortes zu stärken.<br />

Die von der FDP getragene Landesregierung hat mit zahlreichen Aktivitäten und Initiativen<br />

die Beteiligung nordrhein-westfälischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen<br />

am 7. Forschungsrahmenprogramm unterstützt. Diesen erfolgreichen Weg werden<br />

wir weiter fortsetzen. Die Liberalen werden sich auch bei den bevorstehenden Diskussionen<br />

über die Gestaltung der künftigen europäischen Forschungspolitik aktiv dafür einsetzen,<br />

dass in Nordrhein-Westfalen behe<strong>im</strong>atete zukunftsweisende Spitzentechnologie ihren<br />

Platz <strong>im</strong> europäischen Forschungsraum ausbauen kann und die Förderbedingungen für<br />

exzellente kleine und mittlere Unternehmen entschlackt und entbürokratisiert werden.<br />

Hierzu gehört auch der Einsatz für den Patentgerichtsstandort Düsseldorf.<br />

Nordrhein-Westfalen ist das europäische Energieland Nr. 1. Für uns Liberale sind Wettbewerb<br />

auf den Energiemärkten und Fortschritte be<strong>im</strong> Kl<strong>im</strong>aschutz von größter Bedeutung.<br />

Dem Kl<strong>im</strong>aschutz ist aber nur gedient, wenn europaweite Regelungen nicht dazu<br />

führen, dass unsere hohen Umweltstandards verpflichtete Industrie nicht durch<br />

Umweltverschmutzer aus anderen Ländern verdrängt wird. Mit unseren exzellenten Energieforschungseinrichtungen<br />

werden wir europa- und weltweit einen hervorragenden Beitrag<br />

zu einer nachhaltigen, modernen Umwelt- und Industriepolitik leisten und Maßstäbe<br />

setzen können.<br />

Wir werden auch künftig die kommunale Selbstverwaltung verteidigen. Der Grundsatz<br />

„Privat vor Staat“ erfordert ein transparentes und klares Vergaberecht. Wir wollen<br />

ein europäisches Vergaberecht, das anwenderfreundlich ausgestaltet ist und einen genauso<br />

fairen wie sinnvollen Wettbewerb ermöglicht.<br />

Europa ist mehr als die europäischen Institutionen. Europa ist ein Lebensgefühl und<br />

ein Kulturraum. Sprache, Bildung und Kultur sind der Schlüssel zum gegenseitigen Verständnis.<br />

Die FDP unterstützt europäische Städtepartnerschaften, Austauschprogramme<br />

für Junge und Junggebliebene und den kontinuierlichen Erwerb von Sprachkenntnissen.<br />

Deshalb haben wir den Unterricht von Englisch als globale Hauptverkehrssprache bereits<br />

in der ersten Grundschulklasse eingeführt. Wir setzen uns weiter für den Ausbau der bereits<br />

mehr als 100 Europaschulen in <strong>NRW</strong> ein.<br />

Gerade in den vier grenzüberschreitenden Euregios wird Europa vor Ort gelebt. Wir setzen<br />

uns für die weitere Intensivierung der europäischen Zusammenarbeit <strong>im</strong> Rahmen der<br />

bestehenden Euregios ein. Gemeinsames Denken, Planen und Realisieren muss <strong>im</strong><br />

grenzüberschreitenden Bereich, auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung,<br />

zum selbstverständlichen Alltag gehören. Dies gilt insbesondere bei Frage der<br />

Berufsausbildung und Berufsausübung, bei Infrastrukturprojekten und grenzüberschreitenden<br />

Gewerbegebieten, be<strong>im</strong> regionalen ÖPNV, bei der Gesundheitsversorgung, bei<br />

den öffentlichen Diensten, der polizeilichen Zusammenarbeit und bei der Kooperation von<br />

Anstalten des öffentlichen Rechts wie z.B. Industrie- und Handels- sowie Handwerkskammern.<br />

Die FDP will eine starke, aber schlanke EU. Die EU kann für den Bürger verständlicher<br />

werden, wenn sie sich auf das Wesentliche beschränkt. Wir werden uns auch weiterhin<br />

für eine klare Trennung der Rechte und Zuständigkeiten der einzelnen Politikebenen nach<br />

dem Subsidiaritätsprinzip einsetzen. Nicht jedes Problem in Europa ist auch ein Problem<br />

für Europa. Deshalb werden wir die neuen Mitwirkungsrechte für die deutschen Bundesländer<br />

bei der Gestaltung europäischer Politik aktiv nutzen und die Mitwirkung des<br />

Landes in europäischen Angelegenheiten entschlossen weiter stärken. Denn nur ein bürgernahes<br />

Europa mit starken Regionen wird in der Lage sein, die gemeinsamen Herausforderungen<br />

erfolgreich zu bewältigen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

137<br />

3 Aufstieg durch Effizienz<br />

Liberalen wollen einen starken Staat. Aber die Stärke des Staates misst sich nicht an seinem<br />

Umfang, sondern an seiner Effizienz für die Bürger. Nur der Staat ist effizient, der<br />

sich auf seine Kernaufgaben konzentriert und sich nicht verzettelt. Ein effizienter Staat<br />

regelt das Notwendige und überlässt den Bürgern Spielräume. Ein Staat bleibt nur dann<br />

effizient, wenn er sich finanziell nicht überhebt, bezahlbar bleibt und auch für kommende<br />

Generationen Spielräume ermöglicht.<br />

Bereits in den vergangenen fünf Jahren hat die FDP in der Landesregierung mit dem<br />

Grundsatz „Privat vor Staat“ Veränderungen ermöglicht, die die Effizienz der öffentlichen<br />

Hand gesteigert hat.<br />

Wir werden weiterhin konsequent daran arbeiten, staatliche Betätigung auf ihre Notwendigkeit<br />

hin zu überprüfen und überflüssige Bürokratie abzubauen. Dies gilt auch für Städte<br />

und Gemeinden, denen wir darüber hinaus mit klar kalkulierbaren Einnahmen eine verlässliche<br />

Haushaltsplanung ermöglichen wollen.<br />

Mit den erzielten Effizienzgewinnen werden wir gleichermaßen die Bürger von überzogener<br />

Steuer- und Abgabenlast befreien und durch Konsolidierung der Haushalte kommenden<br />

Generationen weitreichende Perspektiven bieten.<br />

„Privat vor Staat“ ist für uns ein Grundsatz, keine Ideologie. Etwa <strong>im</strong> Bereich der Justiz<br />

muss der Staat auch zukünftig vollumfänglich agieren, um Rechtsstaatlichkeit zu sichern.<br />

Aber auch hier wollen wir noch effizienter und bürgernäher werden, um auch langfristig<br />

das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat zu erhalten.<br />

3.1 Steuern und Finanzen<br />

In der Verschuldung der öffentlichen Haushalte sehen wir einen Verstoß gegen das Gebot<br />

der Generationengerechtigkeit. Viele Generationen nach uns werden noch für die Zahlung<br />

von Zins und Tilgung aufkommen müssen, obwohl ihnen die kreditfinanzierten Leistungen<br />

schon längst nicht mehr zu Gute kommen. Ziel der FDP ist deshalb eine generationengerechte,<br />

ausgeglichene Haushaltsführung.<br />

Seit der Regierungsübernahme <strong>im</strong> Jahr 2005 konnte die von der FDP mitgetragene Koalition<br />

bereits beachtliche Erfolge bei der Konsolidierung des Landeshaushalts erzielen.<br />

So haben wir die jährliche Nettoneuverschuldung von rund 6,7 Milliarden Euro unter<br />

der letzten rot-grünen Regierung fast vollständig zurückgeführt. Wären <strong>im</strong> Jahr 2008<br />

<strong>im</strong> Zuge der Finanzmarktkrise nicht erhebliche Vorsorgeleistungen für die Absicherung<br />

der Risiken bei der WestLB erforderlich geworden, hätte der nordrheinwestfälische Landeshaushalt<br />

sogar mit einem Überschuss von 164 Millionen Euro abgeschlossen.<br />

Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland<br />

führt dazu, dass zur Finanzierung der Konjunkturpakete des Bundes sowie zur Kompensation<br />

massiver Steuereinnahmeausfälle auch in Nordrhein-Westfalen vorübergehend<br />

wieder höhere Schulden gemacht werden müssen. Nach der Überwindung der Wirtschaftskrise<br />

wollen wir zurück auf den Konsolidierungspfad mit dem Ziel, den Landeshaushalt<br />

baldmöglichst auszugleichen. Die FDP tritt dafür ein, die <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

aufgenommene „Schuldenbremse“ analog in der Landesverfassung zu verankern. Dafür<br />

ist es notwendig, ehrgeizige Ausgabenkürzungen und weitere strukturelle Reformen vorzunehmen.<br />

Alle Aufgaben des Landes wollen wir kritisch auf den Prüfstand stellen.<br />

Liberale Haushaltspolitik zeichnet sich durch eine transparente, vorsichtige und vorausschauende<br />

Haushaltsführung aus. Direkt nach Regierungsübernahme <strong>im</strong> Jahr<br />

2005 haben wir sämtliche Schattenhaushalte aufgelöst und in den regulären Haushalt<br />

überführt.<br />

2006 haben wir einen Versorgungsfonds eingerichtet. Seitdem wird für jeden neu eingestellten<br />

Beamten nach dem Kapitaldeckungsverfahren ein Betrag von über 500 Euro pro


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

138<br />

Monat auf ein Pensionsvorsorgekonto gebucht. Die FDP wird auch in Zukunft Garant für<br />

Verantwortung und Nachhaltigkeit bei der Haushaltsführung sein.<br />

Auf Initiative der FDP wird <strong>2010</strong> erstmals in Nordrhein-Westfalen eine Generationenbilanz<br />

bzw. ein Nachhaltigkeitsbericht als Anlage zum Haushaltsplan erscheinen. Damit werden<br />

wir der Öffentlichkeit Projektionen für die zukünftige Haushaltspolitik und einen umfassenden<br />

Einblick in das Ausmaß der Belastung nachfolgender Generationen vermitteln.<br />

Wir begrüßen, dass Nordrhein-Westfalen damit eine Vorreiterrolle in Deutschland übern<strong>im</strong>mt.<br />

Wir wollen das Nachhaltigkeitsberichtswesen künftig weiter ausbauen und verfeinern.<br />

Die FDP möchte die bisherigen Bestrebungen des Landes zur Einführung eines gänzlich<br />

neuen Haushalts- und Rechnungswesens für Nordrhein-Westfalen konsequent<br />

fortführen. In Anlehnung an die Buchführung bei privaten Unternehmen streben wir ein<br />

doppisches Haushaltswesen an, das mit einer flächendeckenden Kosten- und Leistungsrechnung<br />

verbunden ist. Dadurch wollen wir eine verbesserte Informationsbasis über die<br />

Vermögens- und Schuldensituation des Landes, die Kosten und Erträge bei der Aufgabenerfüllung<br />

sowie neue, verbesserte Steuerungsmöglichkeiten bei der Umsetzung der<br />

von der Politik vorgegeben Ziele schaffen. Von der Einführung des neuen Haushaltswesens<br />

erwarten wir eine erhebliche Effizienzrendite, die wir zur weiteren Haushaltskonsolidierung<br />

einsetzen wollen.<br />

Die FDP in Nordrhein-Westfalen wird sich <strong>im</strong> Bundesrat weiter für ein einfaches, niedriges<br />

und gerechtes Steuersystem einsetzen und unterstützt nachhaltig die <strong>im</strong><br />

Koalitionsvertrag des Bundes für diese Legislaturperiode vereinbarte grundlegende Steuerreform.<br />

Die FDP <strong>NRW</strong> begrüßt als ersten Schritt, dass die erst seit dem 27. Oktober<br />

2009 amtierende Bundesregierung mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz bereits<br />

wichtige Sofortmaßnahmen zur Entlastung von Familien und Mittelstand umgesetzt<br />

hat. Dies verbessert die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung auch in<br />

Nordrhein-Westfalen.<br />

Mit der Abschaffung des Wasserentnahmeentgeltes hat die FDP in der zu Ende gehenden<br />

Legislaturperiode unter Beweis gestellt, dass sie ihre Wahlversprechen, die Bürger<br />

und Unternehmen steuerlich zu entlasten, in der Regierungsverantwortung auch<br />

durchsetzt. Damit erzielen wir einen Entlastungseffekt und bauen zugleich Bürokratie ab.<br />

Denn bei solchen Bagatellsteuern stehen die Kosten der Erhebung oftmals in keinem vernünftigen<br />

Verhältnis zum Aufkommen. Die FDP will die auf Landesebene gegebenen Möglichkeiten<br />

zur Entlastung der Bürger und Unternehmen auch in Zukunft nutzen. Im Lichte<br />

der Haushaltslage des Landes werden wir prüfen, ob das stufenweise Auslaufen des<br />

Wasserentnahmeentgeltes beschleunigt werden kann. Zum anderen werden wir die<br />

Grunderwerbsteuer möglichst reduzieren, um den Erwerb von Immobilieneigentum zu<br />

erleichtern und damit auch zur Stabilisierung der Immobilienpreise beizutragen.<br />

Die FDP fordert eine umfassende Neuordnung des Mehrwertsteuersystems. In<br />

diesem Zusammenhang sind in einem ersten Schritt die Wettbewerbsnachteile durch die<br />

Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für das Beherbergungsgewerbe beseitigt<br />

worden. Zwischenzeitlich ist es uns gelungen, unbürokratische Ausführungsbest<strong>im</strong>mungen<br />

zu erreichen. Die FDP drängt darauf, dass die in der Bundesregierung verabredete<br />

Kommission, die sich mit dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze befasst,<br />

sehr schnell konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, um bestehende Wettbewerbsnachteile<br />

wie z.B. in der Gastronomie zu beseitigen.<br />

In eine umfassende Steuerreform wollen wir auch die positiven Erfahrungen mit wettbewerblich<br />

organisierten Steuersystemen wie zum Beispiel in der Schweiz einfließen lassen.<br />

Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Bundesländer vermehrte Einnahmekompetenzen<br />

– etwa durch Hebesatzrechte auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer –


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

139<br />

erhalten. Die Kommission „Gemeindefinanzen“ des Bundes werden wir konstruktiv begleiten.<br />

Die FDP strebt einen leistungsstarken, motivierten und bürgernahen öffentlichen<br />

Dienst an. Mit dem Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) haben wir einen<br />

leistungsfähigen und aktiven internen Arbeitsmarkt zur sozialgerechten Durchführung des<br />

notwendigen Personalabbaus und zur effizienten Vermittlung und Qualifizierung von Mitarbeitern<br />

in neue Positionen innerhalb der Landesverwaltung geschaffen. Auf diese Weise<br />

konnten in der laufenden Legislaturperiode bereits über 14.000 Stellen sozialverträglich<br />

wegfallen. Die mit der Föderalismusreform I auf die Länder übergangene Gesetzgebungskompetenz<br />

<strong>im</strong> Besoldungs-, Laufbahn- und Versorgungsrecht werden wir dafür<br />

nutzen, ein modernes, flexibles und leistungsorientiertes Dienstrecht zu schaffen.<br />

Seit Gründung der WestLB AG <strong>im</strong> Jahre 2003 fordert die FDP einen Ausstieg des Staates<br />

und einen Verkauf der Landesanteile. Die Erfahrungen während der Finanzkrise zeigen,<br />

wie begründet diese Haltung war und ist. Nach der Genehmigung der Garantieleistungen<br />

durch die EU-Kommission und der Auslagerung von strategisch nicht mehr benötigten<br />

Geschäftsteilen in eine Konsolidierungsanstalt nach den Vorgaben des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes<br />

drängen wir darauf, dass das Land sich so schnell wie möglich vom<br />

Landesanteil an der West LB AG trennt. Dies kann entweder durch eine Veräußerung des<br />

Landesanteils am Kapitalmarkt oder durch eine Neuordnung des deutschen Landesbankensektors<br />

erfolgen.<br />

3.2 Bürgernaher Staat<br />

Die FDP steht für den bürgernahen Staat. Er ist stark - und zwar dort, wo er seine Kernaufgaben<br />

wahrn<strong>im</strong>mt. Wir brauchen keinen Staat, der in alle Lebensbereiche regelnd eingreift,<br />

sondern der den Menschen ihren Freiheitsraum lässt.<br />

Seit Übernahme der Regierungsverantwortung <strong>im</strong> Jahr 2005 stärken wir Nordrhein-<br />

Westfalen, indem wir die Landesverwaltung auf ihre Kernaufgaben zurückführen. Mit<br />

der Auflösung von 138 der ehemals über 1.000 Behörden und Einrichtungen hat das Land<br />

die größte Veränderung seiner Verwaltung seit der kommunalen Neugliederung in den<br />

1970er Jahren erfolgreich eingeleitet. Gleichzeitig wurde die Durchführung vieler Aufgaben<br />

wieder zurück in die Kommunen gegeben. . Zumal die Kreise und kreisfreien<br />

Städte viel näher an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger sind als jede staatliche<br />

Behörde. So wird zum Beispiel die Versorgungsverwaltung, die sich unter anderem<br />

um die Angelegenheiten der Menschen mit Behinderung kümmert aber auch für die Genehmigung<br />

der Anträge auf Elterngeld zuständig ist, wieder durch die Kreise und kreisfreien<br />

Städte durchgeführt und nicht durch weit entfernte staatliche Ämter. Das ist echte<br />

bürgernahe Verwaltung.<br />

Schritt für Schritt wollen wir Liberale das Ziel einer modernen, bürgernahen und zukunftsfähigen<br />

Verwaltung weiter verwirklichen. Deshalb werden wir weiterhin den Aufgabenbestand<br />

des Landes kritisch überprüfen und <strong>im</strong>mer wieder fragen, ob die Aufgabe<br />

nicht ebenso gut oder besser durch private Anbieter erledigt werden kann. Es gilt dabei<br />

noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Sich von einigen Aufgaben zu trennen oder andere<br />

Erledigungsmöglichkeiten aufzugreifen, ist alternativlos. Es gilt der Grundsatz „Privat<br />

vor Staat“, wenn unsere Verwaltungen kleiner werden sollen.<br />

Privatisierungsmöglichkeiten bestehen auch bei den Landesbetrieben nach wie vor.<br />

Im Landesbetrieb IT.<strong>NRW</strong> werden die Auslagerungsmöglichkeiten der Informationstechnologie<br />

des Landes geprüft, denkbar ist hier eine Public-Private-Partnership. Außerdem<br />

wollen wir Anreize setzen, damit nach dem Land nunmehr auch die kommunalen IT-<br />

Dienstleister einen Pfad der Zusammenarbeit und der Konsolidierung einschlagen, damit<br />

es mittelfristig deutlich weniger, große und leistungsfähige kommunale IT-Anbieter gibt,<br />

die ebenfalls einen privaten Partner aufnehmen können.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

140<br />

Bei den Aufgaben, die notwendig auch weiterhin durch den Staat zu erfüllen sind, werden<br />

wir wie bisher die richtige staatliche Ebene für die Aufgabenerfüllung suchen. Für uns gilt<br />

das Subsidiaritätsprinzip. Wann <strong>im</strong>mer es möglich und sinnvoll ist, sollen Aufgaben<br />

vor Ort, bei den Gemeinden und Kreisen, wahrgenommen werden. Diese erhalten für alle<br />

zusätzlich übernommenen Aufgaben einen entsprechenden finanziellen Ausgleich. Die<br />

überaus erfolgreiche Reduzierung von Landesbehörden wollen wir auch in den<br />

kommenden fünf Jahren fortsetzen. Dabei gilt, dass die Auflösung von Behörden kein<br />

Selbstzweck ist, sondern dort erfolgt, wo Einsparungen sinnvoll sind und wo unsere Behördenlandschaft<br />

nach wie vor übermöbliert ist. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben<br />

gezeigt, dass die Bereinigung der Behördenstruktur einen wesentlichen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung<br />

unseres Landes erbringen kann, ohne dass die Qualität der Aufgabenerfüllung<br />

dabei leidet; sehr oft wurde die Qualität sogar verbessert.<br />

Ein Vorhaben der nächsten Legislaturperiode ist es, <strong>im</strong> Interesse einer modernen und<br />

leistungsfähigen Verwaltung die bisher zersplitterte Fortbildungslandschaft des Landes<br />

auch <strong>im</strong> Zusammenhang mit der geplanten Hochschule für Verwaltungsmanagement neu<br />

auszurichten. Durch verbindliche Fortbildungsstandards für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

des Landes und eine ressortübergreifende Fortbildungskoordination sollen Qualität<br />

und Effizienz der Weiterbildung verbessert werden. Es ist nicht sinnvoll, dass die meisten<br />

Ministerien für ihre Bediensteten eigene Fortbildungen konzipieren und diese in eigenen<br />

Einrichtungen durchführen.<br />

Auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung ist die Zusammenlegung von Behörden<br />

sinnvoll. So ist zu prüfen, ob in Kommunen mit mehreren Finanzämtern diese<br />

zusammengefasst werden können. Dies geht weder auf Kosten der Bürgernähe, noch auf<br />

Kosten der Qualität der Steuerbescheide.<br />

Ermöglicht wird dies unter anderem durch den <strong>im</strong>mer weiter fortschreitenden Ausbau von<br />

Anwendungen des E-Governments. Moderne Informationstechnik unterstützt schon<br />

heute maßgeblich die Kommunikation der Verwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern<br />

sowie mit der Wirtschaft. Verwaltungsabläufe werden unterstützt und vereinfacht, die<br />

Verwaltung ist in weiten Bereichen deutlich dienstleistungsorientierter geworden. Gerade<br />

die technischen Entwicklungen der letzten Jahre bieten Möglichkeiten, die wir Liberale<br />

nutzen wollen.<br />

So muss der Zugang zu den Informationen der Verwaltung erleichtert werden. Für jede<br />

Bürgerin und jeden Bürger muss der große Informationsschatz der Verwaltung besser<br />

nutzbar gemacht werden. Einheitliche Zugangsportale der Verwaltung <strong>im</strong> Internet,<br />

die eine leichte Orientierung zu allen Fragestellungen und Inhalten ermöglichen, müssen<br />

Standard werden. Hierzu muss die Verwaltung ihre Sichtweise verändern: Nicht die Wünsche<br />

der Verwaltung, sondern die der Bürgerinnen und Bürger als Verwaltungskunden<br />

stehen <strong>im</strong> Vordergrund. Die FDP setzt das Versprechen um, dass die Verwaltung für ihre<br />

Kunden da ist.<br />

Aber nicht nur die Kommunikation zwischen der Verwaltung und ihren Adressaten wird<br />

weiter erleichtert. Für die FDP ist Bürgerbeteiligung nicht nur Lippenbekenntnis. Wir<br />

werden das Schlagwort E-Partizipation mit Leben erfüllen. Deshalb wollen wir beispielsweise<br />

bei komplexen Genehmigungsvorhaben die Menschen an diesen beteiligen. Die<br />

Verwaltung muss die Anregungen, aber auch Ängste und Bedenken der Menschen über<br />

Internetforen aufnehmen, ernst nehmen und in den jeweiligen Genehmigungsprozess<br />

einfließen lassen. So erreichen spätere Entscheidungen eine viel höhere Akzeptanz.<br />

Moderne Verwaltung muss sich noch mehr als Dienstleister verstehen. Deshalb werden<br />

wir uns dafür einsetzen, dass Antragsteller nicht mehr mit mehreren Stellen der Verwaltung<br />

sprechen und verhandeln müssen. Die FDP will, dass sich in Zukunft Fallmanager<br />

um alle Teile des Anliegens eines Bürgers kümmern. Diese Fallmanager haben die Ge-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

141<br />

samtverantwortung für das jeweilige Anliegen, bei Ihnen laufen alle benötigten Teile der<br />

Fachverwaltungen zusammen. So haben Bürgerinnen und Bürger nur noch einen Ansprechpartner,<br />

der sich um ihr Begehren kümmert. Dies ist keine Illusion. Die EU-<br />

Dienstleistungsrichtlinie hat gezeigt, dass es sehr gut möglich ist, einen so genannten<br />

Einheitlichen Ansprechpartner zu etablieren. Diese Erfahrungen wollen wir nutzen.<br />

Moderne Informations- und Kommunikationstechnik sowie die Weiterentwicklung und<br />

Umsetzung neuer Ideen elektronischer Bürgerbeteiligung brauchen einen klugen und<br />

kreativen Kopf an der Spitze der Verwaltung. Die FDP fordert deshalb die Einführung eines<br />

- in der Wirtschaft längst üblichen – zentralen Verantwortlichen für die Informationstechnologie<br />

(Chief Information Officer - CIO), durch den die Anstrengungen<br />

der Landesverwaltung koordiniert und gesteuert werden. Der CIO erhält ein eigenes<br />

Budget, in dem die für den Bereich der IT und des E-Governments in den Ministerien eingeplanten<br />

Gelder gebündelt werden. Nur so ist es möglich, die IT-Organisation ressortübergreifend<br />

zu koordinieren und landesweit einheitliche IT-Standards zu setzen.<br />

Eine transparente und am Bürger orientierte Verwaltung zeichnet auch der wirtschaftliche<br />

Umgang mit den knappen finanziellen Ressourcen aus. In vielen Behörden laufen vielfach<br />

gleiche Prozesse ab, wie beispielsweise die Zusammenführung der gesamten Beschaffung<br />

der Landesregierung an einer Stelle. Diese Prozesse müssen in Zukunft<br />

weiter gebündelt werden. Das Thema der so genannten Shared Services muss endlich<br />

weiter vorangetrieben werden. Hinter diesem Gedanken steckt die Idee des „internen<br />

Outsourcing“: Leistungen, die in großer Stückzahl oder in <strong>im</strong>mer gleichen Abläufen erbracht<br />

werden, werden in einer Einheit zusammengefasst, um so durch die großen Mengen<br />

Synergieeffekte zu erzielen.<br />

Zu einem modernen und bürgernahen Staat gehört für uns Liberale ganz maßgeblich,<br />

dass die Bürokratie auf ein Mindestmaß reduziert wird. Wir setzen uns für weniger,<br />

bessere, verständlichere und wirksame Gesetze ein. Die Normprüfstelle <strong>im</strong> Innenministerium<br />

stemmt sich seit Anfang 2007 sehr erfolgreich gegen die Normenflut und gegen unnötige<br />

bürokratische Regelungen. Rund 400 Gesetze und Verordnungen konnten so abgeschafft,<br />

zusammengeführt oder verhindert werden. Die erfolgreiche Arbeit des Normen-TÜV<br />

muss fortgesetzt und noch weiter verstärkt werden.<br />

Die FDP setzt sich für eine Liberalisierung der Verbote an stillen Feiertagen <strong>im</strong> Sonn- und<br />

Feiertagsgesetz ein. Nicht mehr zeitgemäße und widersprüchliche Verbote einschließlich<br />

von Arbeitsverboten sind ersatzlos zu streichen.<br />

Darüber hinaus wollen wir in größerem Umfang als bisher Genehmigungsfiktionen<br />

einführen. Unser Ziel ist: Wenn eine Bürgerin oder ein Bürger oder ein Unternehmen einen<br />

Antrag stellt, so gilt dieser als genehmigt, wenn die Behörde nicht innerhalb einer<br />

festgesetzten, angemessenen Zeit reagiert.<br />

3.3 Kommunales<br />

Die Kommunalpolitik ist Fundament und Rückgrat der Politik des Landes. Landespolitik<br />

und Kommunalpolitik sind untrennbar miteinander verbunden. Ein starkes Nordrhein-<br />

Westfalen braucht starke Kommunen.<br />

Für unsere Gemeinden gilt die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie, sie hat Verfassungsrang.<br />

Der Erhalt und Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung ist für die FDP<br />

von zentraler Bedeutung. Die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen<br />

und Bürger vor Ort, die Rechte der Rats- und Kreistagsmitglieder, die Stellung<br />

der (Ober-) Bürgermeister und Landräte sind verbessert worden. Auch die zwischengemeindlichen<br />

Kooperationen sind mit der Reform der Gemeindeordnung erleichtert<br />

worden. Mit der Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechtes wurde der Mittelstand<br />

gefördert und die Bürgerinnen und Bürger von teuren Fehlentwicklungen verschont.<br />

Erstmals ist die Generationengerechtigkeit in der Kommunalverfassung ver-


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

142<br />

ankert worden, so dass mit Ressourcen in Zukunft nachhaltiger umgegangen wird. Mit<br />

der Novellierung der Kommunalverfassung bzw. Gemeindeordnung ist eines der<br />

wichtigsten Reformvorhaben und Kernanliegen der FDP realisiert und die kommunale<br />

Selbstverwaltung gestärkt worden.<br />

Für die kommunale Selbstverwaltung ist die finanzielle Leistungsfähigkeit das Fundament.<br />

Wir haben die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren<br />

zu bewältigen – eine Herausforderung für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen.<br />

Allerdings: Die Krise trifft alle, Bürgerinnen und Bürger und die Ebenen der Kommen,<br />

Länder und Bund – gleichermaßen. Daher kann der Weg aus der Krise nur gemeinsam<br />

<strong>im</strong> Miteinander beschritten werden. Das Ziel aller Bemühungen muss sein, die finanzielle<br />

Handlungsfähigkeit der Ebenen Kommunen, Länder und Bund <strong>im</strong> Wege der<br />

Konsolidierung wiederherzustellen.<br />

In den Koalitionsverhandlungen <strong>im</strong> Bund haben wir erreicht, dass sich der Bund erstmals<br />

zu seiner Verantwortung für die Kommunalfinanzen bekennt. Die christlich-liberale Koalition<br />

<strong>im</strong> Bund sieht den Handlungsbedarf und will mit den Ländern und den Kommunalen<br />

Spitzenverbänden endlich eine Dialogplattform installieren, die sich mit Fragen<br />

der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der Beteiligung der<br />

Kommunen an der Gesetzgebung des Bundes und Entlastungen der Kommunen beschäftigt.<br />

Wichtige Themen werden dabei die Kosten der Unterkunft (KDU) und die Eingliederungshilfe<br />

sein. Bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe muss der Bund die Kommunen<br />

entlasten.<br />

Trotz der augenblicklich schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise in der Nachkriegsgeschichte<br />

und den auf Landesebene stark rückläufigen Steuereinnahmen sind die Mittel,<br />

die das Land in den Jahren 2009 und <strong>2010</strong> an die Kommunen weitergibt, mit jeweils ca.<br />

14,5 Mrd. Euro die höchsten seit Bestehen Nordrhein-Westfalens. Damit fließt mehr als<br />

jeder vierte Euro aus dem Landeshaushalt an die Kommunen. Mit 2,4 Mrd. Euro und damit<br />

ca. 84% der Gesamtsumme hat das Land darüber hinaus den bundesweit höchsten<br />

Anteil der Gelder aus dem Konjunkturpaket II an die Kommunen weitergegeben. Um<br />

auch in den Kommunen, die sich <strong>im</strong> Nothaushalt befinden, Fördermaßnahmen zu ermöglichen,<br />

wurden die Ausnahmen zur Erbringung des kommunalen Eigenanteils erweitert<br />

und der Fördersatz in sieben wichtigen Fördergebieten auf 90% erhöht.<br />

Trotz dieser hohen Zuweisungen, die das Land den Kommunen zukommen lässt, sind die<br />

Kommunen zu einem großen Teil hoch verschuldet. Das Wegbrechen der Einkünfte aus<br />

der stets unkalkulierbaren Gewerbesteuer hat die Probleme der Kommunen verschärft.<br />

Deswegen brauchen wir einen Ersatz für diese konjunkturanfällige und völlig unkalkulierbare<br />

"Achterbahnsteuer". Zur Schaffung einer soliden und planungssicheren Finanzgrundlage<br />

für unsere Kommunen fordert die FDP eine Gemeindefinanzreform, bei der die<br />

Gewerbesteuer ersetzt werden soll durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer<br />

und durch eine eigene Kommunalsteuer, die dem Wettbewerb ausgesetzt ist, mit einem<br />

eigenen Hebesatzrecht auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer. Dabei muss vor<br />

allem die Kommune, in der der Arbeitsplatz liegt, von den Steuereinnahmen profitieren,<br />

nicht die Wohnsitzkommune. Dadurch wird das Interesse der Städte und Gemeinden, gute<br />

wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu bieten, erhalten. Das liberale Gemeindefinanzmodell<br />

schafft eine planbare Stabilität der Einnahmen und führt zudem zu einer größeren<br />

Sensibilität <strong>im</strong> Umgang mit den gemeindlichen Finanzen. Die Verteilung der finanziellen<br />

Mittel an die kommunale Familie <strong>im</strong> Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs<br />

soll durch Anpassung an veränderte Sachverhalte und neuen finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

weiterentwickelt werden. Wir fordern, dass die Ergebnisse der ifo-<br />

Kommission zur Überarbeitung des Finanzausgleichs zügig in die Tat umgesetzt werden.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

143<br />

Seit Jahren erreichen die Kassenkredite zur Liquiditätssteigerung <strong>im</strong>mer neue negative<br />

Höchststände. In Nordrhein-Westfalen zeichnet sich eine wachsende Kluft zwischen den<br />

so genannten armen und reichen Städten und Gemeinden und Kreisen ab. Erste Städte<br />

sind bereits überschuldet. Die FDP will diesen negativen Entwicklungstrend durch schlüssige<br />

Konzepte zum Schuldenabbau in Zusammenarbeit mit den betroffenen Kommunen<br />

beenden. Dieses Ziel ist aber nur zu erreichen, wenn ein Umdenken <strong>im</strong> Einnahmeund<br />

Ausgabeverhalten in den Gremien vor Ort eingeläutet wird und die Räte sowie die<br />

(Ober-)Bürgermeister in den Haushaltssicherungskommunen bereit sind, mit erklärten<br />

Willen, Engagement und Kreativität auf einen Haushaltsausgleich hinzuarbeiten.<br />

Die Gewerbesteuer muss durch eine verlässliche und planungssichere Finanzierungsgrundlage<br />

ersetzt werden. Die auf Bestreben der FDP eingesetzte Gemeindefinanzkommission<br />

wird bei diesem Vorhaben ausdrücklich unterstützt. Durch diese Dialogplattform<br />

wird den Kommunen erstmals eine Teilnahme auf Augenhöhe bei den für sie drängenden<br />

Problemen ermöglicht.<br />

Die FDP erwartet, dass die Gemeindefinanzkommission Lösungen für die Sicherung notwendiger<br />

Sozialleistungen erarbeitet. Unser Ziel ist eine gerechte Verteilung der Lasten<br />

zwischen Bund, Ländern und kommunaler Familie. Dieses gilt besonders für die Leistungen<br />

aus den Bundesgesetzen SGB II (Kosten der Unterkunft), SGB XII (Grundsicherung)<br />

und der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.<br />

Die Regelung dieser Leistungen haben die Vorgängerregierungen bestehend aus SPD und<br />

Grünen bis 2005 sowie aus CDU und SPD bis 2009 zu verantworten. 11 Jahre lang haben<br />

SPD-Bundesfinanzminister es nicht vermocht, die Finanzierung der kommunalen Familie<br />

auf tragfähige Säulen zu stellen. Für die FDP ist die Bewältigung gesamtgesellschaftlicher,<br />

sozialer Risiken nicht originäre Aufgabe der Kommunen.<br />

Für das Vorhaben, den Kommunen bei Ihrem Weg der Konsolidierung ihrer Haushalte zur<br />

Seite zu stehen, nehmen wir auch das Land weiter in die Pflicht. Wir fordern eine Regierungskommission<br />

zur Sanierung der Kommunalfinanzen, in der konkrete Wege und Beratungskonzepte<br />

erarbeitet werden, die den Kommunen Wege aus der Krise aufzeigen.<br />

U.a. soll diese Regierungskommission ein „Sparanreizsystem“ entwickeln. Das bedeutet,<br />

dass Instrumente gefunden werden, mit denen Kommunen, die bereits überschuldet sind<br />

oder denen <strong>im</strong> Finanzplanungszeitraum die Überschuldung droht gemeinsam Wege aufgezeigt<br />

werden. So können diese beispielsweise von der Zahlung des „Solidarbeitrages<br />

Ost“ entlastet werden. Die Regierungskommission soll prüfen in wieweit Zinszahlungen<br />

für Altschulden einen von Bund und Land zu finanzierenden Sonderfonds (Konjunkturpaket<br />

III) übernommen werden kann. Diese Maßnahmen dürfen allerdings nicht zu einer<br />

dauerhaften Finanzierung von Kommunen durch das Land führen sondern sollen nur „Hilfe<br />

zur Selbsthilfe“ sein. Sämtliche Hilfen sollen zeitlich für jede Kommune begrenzt werden<br />

und sollen nur gewährt werden, wenn die Gemeinden gleichzeitig einen „Masterplan<br />

Schwarze Null“ verabschieden, der eigene Sparmaßnahmen enthält und perspektivisch<br />

einen ausgeglichenen Haushalt enthält.<br />

Ferner soll die Regierungskommission geeignete Maßnahmen für eine geordnete Personalentwicklung<br />

in überschuldeten Kommunen erarbeiten.<br />

Eine Verkürzung von Zahlungszielen der öffentlichen Hand ist auch für berechtigte Zuweisungen<br />

und Erstattungen an die Kommunen umzusetzen.<br />

Konsolidierungsanstrengungen müssen auch durch die zuständige Kommunalaufsicht effektiv<br />

begleitet werden können. Die Kommunalaufsichtsbehörden müssen auf der einen<br />

Seite Partner und Berater der Städte und Gemeinden sein, auf der anderen Seite jedoch<br />

auch über ein wirksames Instrumentarium zur Durchsetzung von Konsolidierungskonzepten<br />

verfügen.


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

144<br />

Auf der Grundlage einer angemessenen Bundesbeteiligung an den Soziallasten, einer<br />

durchgreifenden Haushaltskonsolidierung vor Ort und der Bereitschaft zu interkommunaler<br />

Solidarität muss auch das Land <strong>im</strong> Einzelfall mit Zinshilfen zur Bewältigung der kommunalen<br />

Altschulden einen Beitrag leisten. Es ist jedoch wichtig, dass es sich dabei um<br />

die Ausnahme und nicht die Regel handelt. Außerdem kann es sich dabei nur um eine Hilfe<br />

zur Selbsthilfe handeln. Die betroffenen Städte und Gemeinden müssen ihre Aufwendungen<br />

ebenfalls für den Schuldenabbau nutzen, um in Zukunft endlich wieder „Luft zum<br />

Atmen“ zu haben.<br />

Die kommunale Landschaft befindet sich <strong>im</strong> Umbruch und die FDP unterstützt als Kommunalpartei<br />

diesen Prozess. Interkommunale Zusammenarbeit ist die Kooperation<br />

von Gemeinden, Städten und Kreisen. Durch sie werden strukturelle Probleme gelöst und<br />

effiziente Strukturen für die Aufgabenerfüllung beispielsweise in den Bereichen Tourismusförderung<br />

und Regionalmarketing, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Informationstechnologie,<br />

Volkshochschule und Einkaufsgemeinschaften geschaffen. Finanzielle und<br />

personelle Ressourcen werden durch interkommunale Kooperationen freigesetzt. Mit Hilfe<br />

der zwischengemeindlichen Kooperation kann das Leistungsspektrum der Kommunen<br />

kostengünstiger, effizienter und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Die<br />

FDP strebt auch <strong>im</strong> Bereich der Jugendämter die Möglichkeit der freiwilligen interkommunalen<br />

Zusammenarbeit an. Die FDP setzt sich auch für freiwillige Gebietsreformen ein,<br />

eine zwangsweise Kreis- und Gebietsreform wird von uns Liberalen abgelehnt.<br />

Zur Kommunalwahl 2009 ist auf Basis des Aachengesetzes die Städteregion Aachen,<br />

ein neuer Gemeindeverband, der aus dem ehemaligen Kreis Aachen, der nach wie vor<br />

kreisfreien Stadt Aachen und den neun kreisangehörigen Gemeinden gebildet worden ist,<br />

entstanden. Der Prozess für diese neue und damit in Nordrhein-Westfalen einzigartige<br />

Gebietskörperschaft ist von der kommunalen Basis angestoßen worden, über Jahre gereift<br />

und mit Unterstützung der nordrhein-westfälischen FDP in die Tat umgesetzt worden.<br />

Mit der Bildung der Städteregion Aachen ist die zwischengemeindliche Zusammenarbeit<br />

deutlich erhöht worden. Synergieeffekte werden erzielt, in dem Doppelzuständigkeiten<br />

aufgehoben, Strategien vereinheitlicht und politische Spielräume eröffnet werden.<br />

Bei gleichbleibender oder sogar besserer Qualität der Verwaltungsleistungen konnten erhebliche<br />

Kosten eingespart werden. Das trägt zur Haushaltskonsolidierung bei und<br />

kommt den Bürgern und der Wirtschaft zu Gute.<br />

Die FDP wird Initiativen innerhalb des Ruhrgebiets für eine stärkere Kooperation zwischen<br />

den Städten und Kreisen unterstützen. Diese intensivere und vor allem freiwillige<br />

interkommunale Zusammenarbeit wird die Metropole Ruhr stärken und soll dazu beitragen,<br />

strukturelle Probleme zu lösen. Der Regionalverband Ruhr (RVR) sollte hier eine<br />

wichtige Moderatorenrolle wahrnehmen.<br />

Wir Liberale wollen, dass die Städte und Gemeinden für die Bürger transparenter werden<br />

und sich zu echten Bürgerkommunen entwickeln, in der die Bürger verstärkt an den<br />

Entscheidungsprozessen innerhalb der Kommune beteiligt werden. Mit der Reform<br />

der Gemeindeordnung <strong>im</strong> Jahr 2007 sind bereits die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten<br />

der Bürger gestärkt worden. So können etwa die Bürger anstelle des Rates<br />

per Ratsbürgerentscheid über wichtige Angelegenheiten in der Kommune entscheiden.<br />

Die Kommunen sollten durch das Instrument der Bürgerhaushalte ihre Bürger aktiv an<br />

den Haushaltsberatungen beteiligen. Dazu soll der Gemeindehaushalt frühzeitig in<br />

einer Einwohnerversammlung durch die jeweilige Kommune vorgestellt und diskutiert<br />

werden. So kann jede sinnvolle Bürgeranregung in die Haushaltsberatung mit einfließen.<br />

Mit der Novellierung des Kommunalwahlrechtes sind die aktiven und passiven<br />

Wahlrechte erheblich gestärkt worden. Die neue Eigenständigkeit der Wahl der<br />

(Ober-) Bürgermeister und Landräte und die Entkopplung von der Wahl der Räte


<strong>Landtagswahl</strong> <strong>NRW</strong> <strong>2010</strong> - <strong>Wirtschaftspolitische</strong> <strong>Programme</strong> <strong>im</strong> Vergleich<br />

Auszüge mit wirtschaftspolitischem Bezug aus den aktuellen <strong>Landtagswahl</strong>programmen<br />

145<br />

und Kreistage verleiht der Persönlichkeitswahl mehr Bedeutung und stärkt das Amt. Die<br />

Sperrfrist für die Ausübung des aktiven Wahlrechts wurde bürgerfreundlich von<br />

drei Monaten auf 15 Tage vor der Wahl gekürzt. Die FDP hat sich zudem erfolgreich für<br />

eine Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl stark gemacht. Ab 2014<br />

finden die Kommunalwahlen zu den Vertretungen der Kreise, Gemeinden und Bezirksvertretungen<br />

am Tage der Europawahl statt.<br />

Die FDP will eine stärkere Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen<br />

in den Kommunen vor Ort, denn Demokratie beginnt in den Kommunen. Wir wollen<br />

ein neues Wahlsystem auf Basis von Kumulieren und Panaschieren. Die FDP setzt<br />

sich dafür ein, dass bei Ober-/Bürgermeisterwahlen für den Fall, dass keiner der Kandidaten<br />

die absolute Mehrheit erreicht, wieder eine Stichwahl eingeführt wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!