Nationalpark Nordschwarzwald – Ängste und Sorgen
Nationalpark Nordschwarzwald – Ängste und Sorgen
Nationalpark Nordschwarzwald – Ängste und Sorgen
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<strong>Nationalpark</strong> <strong>Nordschwarzwald</strong> <strong>–</strong> <strong>Ängste</strong> <strong>und</strong> <strong>Sorgen</strong><br />
NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 1<br />
Häufig geäußerte <strong>Ängste</strong> <strong>und</strong> <strong>Sorgen</strong> eines <strong>Nationalpark</strong>s im <strong>Nordschwarzwald</strong><br />
In der aktuellen Diskussion um einen möglichen <strong>Nationalpark</strong> im <strong>Nordschwarzwald</strong> werden<br />
eine Reihe von <strong>Sorgen</strong> <strong>und</strong> Befürchtungen geäußert. Der NABU nimmt diese <strong>Sorgen</strong> <strong>und</strong> Befürchtungen<br />
ernst <strong>und</strong> erläutert deshalb die wichtigsten Fakten, die ein <strong>Nationalpark</strong> mit sich<br />
bringen würde. Beim näherem Hinschauen erweisen sich die meisten <strong>Sorgen</strong> <strong>und</strong> Befürchtungen<br />
als unbegründet:<br />
Befürchtung: Ein <strong>Nationalpark</strong> wird ringsum eingezäunt, man muss Eintritt bezahlen <strong>und</strong><br />
darf nur noch wenige Wege betreten. Die Einheimischen dürfen bisher gewohnte Wege nicht<br />
mehr benutzen.<br />
Richtig ist: <strong>Nationalpark</strong>e in Deutschland sind frei zugänglich <strong>und</strong> kosten keinen Eintritt. In<br />
den Kernzonen gilt in der Regel ein Wegegebot, wie derzeit bereits in Naturschutzgebieten<br />
oder Bannwäldern. Insbesondere für auswärtige Besucher <strong>und</strong> Touristen sind Lenkungsmaßnahmen<br />
aufgr<strong>und</strong> fehlender Ortskenntnis sinnvoll. Durch ein gezieltes Angebot an attraktiven<br />
Wegen, Informationen <strong>und</strong> geführten Touren sollen die Besucher die Möglichkeit haben, unberührte<br />
Natur zu erleben, ohne ihr zu schaden. Für Einheimische gelten in vielen <strong>Nationalpark</strong>en<br />
alte Wegerechte weiter.<br />
Befürchtung: In den <strong>Nationalpark</strong> werden auch Gemeinde- <strong>und</strong> Privatwälder einbezogen <strong>und</strong><br />
deren Besitzer dadurch quasi enteignet.<br />
Richtig ist: Die Ausweisung von <strong>Nationalpark</strong>en erfolgt in der Regel nur auf Staatswaldflächen.<br />
Gemeinden oder Privatwaldbesitzer können freiwillig Flächen dazugeben, müssen aber<br />
nicht. Eine Enteignung erfolgt keinesfalls.<br />
Auch im <strong>Nordschwarzwald</strong> könnte die Lage eines <strong>Nationalpark</strong>s so gewählt werden, dass nur<br />
Staatswaldflächen betroffen wären. Eine weitere Möglichkeit könnten finanzielle Anreize für<br />
das freiwillige Bereitstellen von Gemeinde- oder Privatwäldern sein. Gerade auf schlecht<br />
wüchsigen Standorten könnte dies eventuell lukrativer sein als Erlöse aus der Holzernte.<br />
Befürchtung: Der größte Teil des Schwarzwaldes bzw. <strong>Nordschwarzwald</strong>es würde in einem<br />
<strong>Nationalpark</strong> unter Schutz gestellt <strong>und</strong> aus der Nutzung fallen.<br />
Richtig ist: Für die Gebietskulisse von <strong>Nationalpark</strong>en gibt es in der Tat keine Obergrenze,<br />
jedoch eine Untergrenze. Ein <strong>Nationalpark</strong> muss mindestens 10.000 Hektar groß sein <strong>und</strong><br />
mindestens 75% müssen mittel- bis langfristig aus der Nutzung genommen werden, damit<br />
internationale Kriterien erfüllt werden. Der (Nord)Schwarzwald wird nie zu einer „Serengeti“<br />
werden, wo in einem 1,4 Millionen Hektar großen <strong>Nationalpark</strong> Gnus, Zebras <strong>und</strong> Co wandern.<br />
Der NABU geht davon aus, dass sich die Flächengröße eines <strong>Nationalpark</strong>s im <strong>Nordschwarzwald</strong><br />
zwischen 10.000 bis maximal 20.000 Hektar bewegen würde. Verglichen mit dem<br />
Naturpark „Schwarzwald Mitte/Nord“ mit einer Fläche von 375.000 Hektar würde nur eine<br />
kleine Fläche von 3 bis max. 5 % unter Schutz gestellt. Die Größe wird letztlich davon abhängen,<br />
wie viele Gemeinden als <strong>Nationalpark</strong>-Gemeinden in den Genuss des Tourismusmagne-
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NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 2<br />
ten <strong>Nationalpark</strong> kommen möchten <strong>und</strong> sich freiwillig an einer Ausweisung beteiligen würden.<br />
Befürchtung: In einem künftigen <strong>Nationalpark</strong> wird die Holznutzung komplett eingestellt <strong>und</strong><br />
dadurch die Existenz der örtlichen Sägewerke bzw. der Holzindustrie gefährdet. Tausende<br />
Menschen werden arbeitslos. Ebenso gefährdet wird die Versorgung der örtlichen Bevölkerung<br />
mit Brennholz.<br />
Richtig ist: Natürlich werden Waldflächen aus der Holzproduktion genommen, aber nicht von<br />
heute auf morgen <strong>und</strong> nur auf geringen Anteilen des Schwarzwaldes. Bei einem potenziellen<br />
<strong>Nationalpark</strong> von 10.000 ha Größe (= Mindestgröße) würden 5.000 ha bzw. bis in 20-30 Jahren<br />
7.500 ha Waldfläche aus der Nutzung genommen werden. Auf den restlichen 2.500 ha<br />
Fläche - in der sogenannten Pflege- oder Managementzone - wäre eine Holznutzung weiterhin<br />
möglich, soweit sie mit den Schutzzielen des <strong>Nationalpark</strong>s übereinstimmt. Von den 7500 ha<br />
sind jetzt schon fast die Hälfte bestehende Schutzgebiete <strong>und</strong> unproduktive Flächen ohne regelmäßige<br />
Bewirtschaftung.<br />
Der Schwarzwald ist mit 365.000 ha Gesamtwaldfläche <strong>und</strong> einem Bewaldungsprozent von 75<br />
% die waldreichste Landschaft in Baden-Württemberg, <strong>und</strong> Baden-Württemberg ist mit 1,4<br />
Millionen ha Waldfläche eines der waldreichsten Länder Deutschlands. Außerdem nimmt<br />
derzeit die Waldfläche im Land pro Jahr um r<strong>und</strong> 200 ha zu, wie offiziellen Informationen der<br />
Forstverwaltung zu entnehmen ist.<br />
Bezogen auf die Gesamtwaldfläche des Schwarzwaldes würden in einem ersten Schritt gerade<br />
einmal knapp 1,4 % <strong>und</strong> im Endstadium bei 7.500 ha r<strong>und</strong> 2 % der Waldfläche des Schwarzwaldes<br />
aus der Nutzung genommen. Wenn man nur die Staatswaldflächen in den Kreisen<br />
Calw, Freudenstadt, Ortenau <strong>und</strong> Rastatt zusammennimmt, sind dies knapp 64.000 ha. Wenn<br />
man von diesen Flächen die vorhandenen Bannwälder mit r<strong>und</strong> 1.000 ha <strong>und</strong> die Sturmwurfflächen<br />
abzieht, die ohnehin derzeit forstwirtschaftlich kaum genutzt werden <strong>und</strong> dann noch<br />
bedenkt, dass die Bäume auf den kargen Buntsandsteinböden in den Hochlagen ohnehin nicht<br />
gut wachsen, wäre der Holzverlust bei einer Fläche von 5.000 ha relativ gering.<br />
Die Holz verarbeitende Industrie hat 20 bis 30 Jahre Zeit, sich auf die Veränderungen auf kleinen<br />
Flächenanteilen des Schwarzwaldes einzustellen. In dieser Zeit kann durch den Umbau<br />
der Wälder sogar mehr Holz anfallen. Der NABU wird sich bei der Landesregierung dafür<br />
einsetzen, dass sichergestellt wird, dass kleinere <strong>und</strong> mittlere Sägewerksunternehmen, die Holz<br />
aus Staatswäldern der Region beziehen, während <strong>und</strong> nach dieser Umstellungszeit der Kernzonen<br />
eines <strong>Nationalpark</strong>s sicher mit Holz beliefert werden.<br />
Der Strukturwandel in der Holz verarbeitenden Industrie („Wachsen oder Weichen“) der vergangenen<br />
Jahre wird sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Dieser wettbewerbsbedingte<br />
Strukturwandel wird sich auf die kleinen Sägerei- <strong>und</strong> holzverarbeitenden<br />
Betriebe in der Region sicherlich stärker als ein <strong>Nationalpark</strong> auswirken. Umso wichtiger wäre<br />
es, in Zusammenarbeit mit den im Schwarzwald vorhandenen Naturparken auch die Idee von<br />
„Holz aus der Region“ zu befördern.<br />
Was die Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Brennholz betrifft, ist diese in den Gemeinde-<br />
<strong>und</strong> Privatwäldern weiterhin möglich wie bisher.
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NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 3<br />
Befürchtung: Durch die großflächige Aufgabe der Holznutzung kommt es im <strong>Nordschwarzwald</strong><br />
zu massiven Schäden durch den Borkenkäfer. Dadurch werden tote Bäume das Bild des<br />
zukünftigen Urwaldes prägen <strong>und</strong> die angrenzenden Wirtschaftswälder von einer Borkenkäferplage<br />
bedroht.<br />
Richtig ist: Borkenkäfer wie der Buchdrucker befallen nur Fichten <strong>und</strong> bevorzugen hierbei<br />
Fichtenwälder mit einem hohen Anteil an Altbäumen über 70 Jahre. In den vorhandenen<br />
Bannwäldern im <strong>Nordschwarzwald</strong>, in denen die Holznutzung ruht, stehen abgestorbene<br />
Fichten. Allerdings stehen in diesen „Urwaldzellen“ zwischen den toten Fichten auch viele<br />
vitale Kiefern, Weißtannen, Buchen, Birken, Ebereschen <strong>und</strong> jüngere Fichten, so dass kein<br />
Fichtensterben auf großer Fläche wie im <strong>Nationalpark</strong> Bayerischer Wald zu sehen ist. Außerdem<br />
könnten durch die Möglichkeit der Ausweisung eines Entwicklungsnationalparks die<br />
nächsten 20 bis maximal 30 Jahre viele der durch Borkenkäfer potenziell gefährdeten Fichtenbestände<br />
noch genutzt werden. Hinzu kommt, dass die mittelfristigen Überlebenschancen der<br />
Fichte aufgr<strong>und</strong> der sich abzeichnenden Klimaerwärmung von vielen Experten ohnehin als<br />
sehr schlecht eingestuft werden, da Trocken- <strong>und</strong> Hitzeperioden im Frühjahr <strong>und</strong> Sommer<br />
weiter zunehmen werden <strong>und</strong> es der Fichte zu trocken werden wird.<br />
Um den Übergriff einer Borkenkäferplage auf angrenzende forstwirtschaftlich genutzte Privat<strong>und</strong><br />
Kommunalwälder zu unterbinden, werden z.B. im <strong>Nationalpark</strong> Bayerischer Wald oder<br />
Harz auf einem 500 m breiten Pufferstreifen Borkenkäfer befallene Bäume entnommen.<br />
Befürchtung: Das Wort „Entwicklungsnationalpark“ bedeutet, dass die <strong>Nationalpark</strong>fläche<br />
erst 10.000 ha groß ist <strong>und</strong> in den nächsten 20 bis 30 Jahren stetig größer wird.<br />
Richtig ist: Das Wort „Entwicklungsnationalpark“ bedeutet kein Größenwachstum, sondern<br />
eine qualitative Verbesserung der als <strong>Nationalpark</strong> ausgewiesenen Flächen. Wenn man sich<br />
mit allen Beteiligten erst einmal auf einen Abgrenzungsvorschlag geeinigt hat, wird es eine<br />
Rechtsverordnung geben, in der die Gebietsausdehnung festgelegt ist. Diese hat dann Bestand<br />
<strong>und</strong> wird nicht nach einigen Jahren sofort wieder geändert. Hinter dem Wort „Entwicklung“<br />
steckt vielmehr die Möglichkeit, die Waldflächen der zukünftigen Kernzonenflächen, die stark<br />
von der Fichte dominiert werden, sukzessive in die ursprünglich für den Schwarzwald charakteristischen<br />
Buchen-Tannenwälder-Urwälder zu überführen.<br />
Befürchtung: Im <strong>Nationalpark</strong> wird die Jagd verboten. Dies führt zu starken Verbisschäden an<br />
aufkommenden Jungbäumen durch Hirsche <strong>und</strong> Rehe <strong>und</strong> zu großen Problemen auf umliegenden<br />
Feldern durch Wildschweinfraß.<br />
Richtig ist: Gerade in einem <strong>Nationalpark</strong> ist das ungestörte Aufwachsen von Jungbäumen<br />
<strong>und</strong> anderen Waldpflanzen erklärtes Ziel <strong>und</strong> wichtige Voraussetzung für eine natürliche<br />
Waldentwicklung. Da natürliche Feinde von Hirschen <strong>und</strong> Rehen wie Luchse oder Wölfe fehlen,<br />
wird auch in einem <strong>Nationalpark</strong> ein Wildtiermanagement stattfinden, so dass eine natürliche<br />
Verjüngung der Baumarten möglich wird..
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NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 4<br />
Befürchtung: Ein <strong>Nationalpark</strong> behindert die Energiewende, weil das Holz der Kernzonen<br />
nicht mehr als nachwachsender Rohstoff zur Verfügung steht.<br />
Richtig ist: Holz ist ein sehr wichtiger nachwachsender Rohstoff. Die Energieproduktion auf<br />
Holzbasis ist in der Regel tatsächlich wesentlich klimafre<strong>und</strong>licher als die Biogasproduktion.<br />
Allerdings sind die Flächen der Kernzonen, welche bis in 20 bis 30 Jahren aus der Nutzung<br />
fallen werden <strong>und</strong> nicht jetzt schon unter Schutz stehen, im Vergleich zur Waldfläche des<br />
Schwarzwaldes <strong>und</strong> Baden-Württembergs nicht mehr als ein „Farbtupfer“ <strong>und</strong> ihr Beitrag zur<br />
Energiewende wäre kaum zu bilanzieren. Außerdem ist die positive Klimaschutzwirkung<br />
durch die Kohlenstoffbindung in den Urwäldern von morgen größer als die Klimaschutzwirkung<br />
durch den Ersatz von fossilen Energieträgern mit Holz aus abgelegenen Winkeln des<br />
Schwarzwalds.<br />
Befürchtung: Landwirte können ihre landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht mehr wie<br />
bisher bewirtschaften.<br />
Richtig ist: Die Kernzone eines <strong>Nationalpark</strong>s im <strong>Nordschwarzwald</strong> würde keine landwirtschaftlich<br />
genutzten Flächen, sondern nur Waldflächen umfassen, so dass keine landwirtschaftlichen<br />
Flächen von einer Nutzungsaufgabe betroffen wären.<br />
Die regionale Landwirtschaft, also die Betriebe im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord, der<br />
einen <strong>Nationalpark</strong> großflächig umgeben würde, würden durch die Einrichtung eines <strong>Nationalpark</strong>s<br />
sogar profitieren. <strong>Nationalpark</strong>-Besucher könnten in den Unterkünften innerhalb<br />
des Naturparks wohnen <strong>und</strong> die landwirtschaftlichen Produkte der Region vor Ort genießen.<br />
Der Schwarzwald als Ganzes würde durch die Einrichtung eines <strong>Nationalpark</strong>s national wie<br />
international zusätzliches Ansehen gewinnen. Dies kann gerade durch die regionale Landwirtschaft<br />
zur verbesserten Vermarktung der eigenen Produkte, u.a. an <strong>Nationalpark</strong>touristen,<br />
genutzt werden.<br />
Befürchtung: Die örtliche Bevölkerung wird bei Entscheidungen über die Ausweisung <strong>und</strong><br />
Ausgestaltung eines <strong>Nationalpark</strong>s nicht eingeb<strong>und</strong>en.<br />
Richtig ist: Die Landesregierung beabsichtigt, einen <strong>Nationalpark</strong> nicht ohne Beteiligung der<br />
betroffenen Menschen einzurichten. Dies unterstützt der NABU ausdrücklich. Die Ausweisung<br />
des Biosphärengebietes Schwäbische Alb kann hier als gelungenes Beispiel angeführt<br />
werden.<br />
Befürchtung: Kommunen <strong>und</strong> Landkreise haben bei einem <strong>Nationalpark</strong> kein Mitspracherecht.<br />
Richtig ist: <strong>Nationalpark</strong>e schützen nicht nur die Natur, sondern sehen sich gleichzeitig als<br />
wichtige Motoren einer naturschutzorientierten Regionalentwicklung. Daher ist eine enge<br />
Zusammenarbeit aller Beteiligten selbstverständlich <strong>und</strong> notwendig. Die nähere Ausgestaltung<br />
muss im Rahmen eines Dialogprozesses der Beteiligten erfolgen.
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NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 5<br />
Befürchtung: Durch einen <strong>Nationalpark</strong> wird die Planungshoheit der Gemeinden eingeschränkt.<br />
Richtig ist: Die Planungshoheit für Flächen, die an den <strong>Nationalpark</strong> angrenzen, bleibt bei den<br />
Kommunen. Einschränkungen, die es bisher schon gab, bleiben jedoch bestehen.<br />
Befürchtung: Durch den Verzicht auf die Holznutzung wird die CO 2 -Speicherung der Wälder<br />
in einem <strong>Nationalpark</strong> gemindert, was sich negativ auf den Klimaschutz auswirkt.<br />
Richtig ist: Neueste Forschungsergebnisse (u.a. des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in<br />
Jena) belegen, dass über die Hälfte der im Ökosystem Wald geb<strong>und</strong>enen Kohlenstoffmenge in<br />
den obersten 10 <strong>–</strong> 20 cm eines intakten „unberührten“ Waldbodens gespeichert werden. Böden<br />
spielen eine größere Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung als die oberirdische Holzbiomasse.<br />
Selbst in alten Urwäldern besteht daher kein Fließgleichgewicht zwischen Speicherung<br />
<strong>und</strong> Freisetzung der Kohlenstoffmenge, sondern im Boden wird weiterhin Kohlenstoff aufgenommen<br />
<strong>und</strong> gespeichert. Veränderungen im Waldboden, die durch forstwirtschaftliche Nutzung<br />
des Holzes verursacht werden, können daher die Kohlenstoffspeicherbilanz sogar ins<br />
Negative führen. Das heißt, bei Kahlschlägen <strong>und</strong> flächenhaften Räumungen wird mehr CO 2<br />
freigesetzt als durch die geernteten Bäume entnommen wird. Hinzu kommt, dass die CO 2 -<br />
Bindung der entnommenen Bäume nur dann wirkt, wenn z.B. ein 80 Jahre alter Baum nicht<br />
zu Papier weiterverarbeitet oder als Brennmaterial genutzt wird <strong>und</strong> damit wieder CO 2 frei<br />
setzt.<br />
Alle aus der Nutzung genommenen Wälder sind biologisch noch recht jung, so dass ohnehin<br />
zusätzlich noch viele Jahrzehnte eine Kohlenstoffbindung durch die Bäume stattfinden wird.<br />
Außerdem wirken großflächig der Natur überlassene Wälder als wichtige Rückzugsräume <strong>und</strong><br />
Quellgebiete für die Artenvielfalt. Vergleichbar einem großen Freilandlabor können sich Tiere<br />
<strong>und</strong> Pflanzen an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anpassen oder ihre Populationen<br />
in diesen Rückzugsräumen zumindest stabilisieren. Von den Kernzonen der <strong>Nationalpark</strong>e<br />
als Quellgebiete der Artenvielfalt können sie sich dann wieder ausbreiten <strong>und</strong> neue Lebensräume<br />
besiedeln.<br />
Befürchtung: Ein <strong>Nationalpark</strong> wird für die Region keine wirtschaftlichen Vorteile bringen.<br />
Richtig ist: Erfahrungen aus anderen deutschen <strong>und</strong> europäischen <strong>Nationalpark</strong>en belegen,<br />
dass mit dem international bekannten Qualitätssiegel „<strong>Nationalpark</strong>“ eine deutliche Zunahme<br />
der Touristenzahlen erreicht werden konnte. So ergab eine Studie des B<strong>und</strong>esamtes für Naturschutz<br />
aus dem Jahr 2009, dass jedes Jahr r<strong>und</strong> 51 Millionen Besucher in den derzeit 14 deutschen<br />
<strong>Nationalpark</strong>s zu einer Wertschöpfung von 2,1 Milliarden Euro beitragen, was umgerechnet<br />
69.000 Arbeitsplätzen entspricht. Beispielsweise wuchsen die Besucherzahlen im <strong>Nationalpark</strong><br />
Hainich von 50.000 im Eröffnungsjahr 1999 auf über 400.000 im Jahr 2007. Eine<br />
aktuelle Untersuchung der Universität Würzburg zur Bedeutung des <strong>Nationalpark</strong>s Bayerischer<br />
Wald als regionaler Wirtschaftsfaktor belegt, dass der <strong>Nationalpark</strong> jedes Jahr 760.000<br />
Besucher anzieht. Diese lassen so viel Geld in der Region, wie 939 Vollzeitarbeitsplätzen entsprechen.<br />
Dabei kommt die Hälfte der Besucher extra wegen der Möglichkeit, unberührte Natur<br />
zu erleben. Das Erleben von Ruhe <strong>und</strong> Wildnis ist für viele Menschen wichtig, um Stress
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NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 6<br />
abzubauen <strong>und</strong> neue Kraft für einen immer hektischer werdenden Alltag zu schöpfen. Insofern<br />
würde ein <strong>Nationalpark</strong> optimal zum <strong>Nordschwarzwald</strong> passen. Gerade auch der Ges<strong>und</strong>heitstourismus<br />
könnte durch entsprechende Angebote von zusätzlichen Besuchern profitieren.<br />
Und auch dem Tourismus im ländlichen Bereich des <strong>Nordschwarzwald</strong>es würden neue<br />
Besucher nicht schaden.<br />
Eine Zunahme des Tourismus durch einen <strong>Nationalpark</strong> würde sich auch auf andere Wirtschaftszweige<br />
<strong>und</strong> Dienstleistungen in der Region positiv auswirken. Außerdem ist ein <strong>Nationalpark</strong><br />
eine ideale Förderkulisse, um Fördermittel der EU, dem B<strong>und</strong> oder dem Land zu akquirieren.<br />
Befürchtung: Ein <strong>Nationalpark</strong> behindert die Freizeitnutzungen wie Mountainbike fahren<br />
oder Nordic walking sowie die Ausübung von Wintersport.<br />
Richtig ist: Bestehende Einrichtungen haben Bestandsschutz <strong>und</strong> können weiterhin betrieben<br />
werden. Aus- <strong>und</strong> Neubauten müssen mit der Parkverwaltung abgestimmt werden. Allerdings<br />
würden durch eine <strong>Nationalpark</strong>verwaltung Ziele <strong>und</strong> Inhalte von Naturschutz <strong>und</strong> Tourismus<br />
vereint. Die Vielzahl von Naturschutzzuständigkeiten <strong>und</strong> Naturschutzauflagen, die<br />
momentan bestehen, würden in einem <strong>Nationalpark</strong> sogar vereinfacht werden.<br />
Befürchtung: Durch die Ausweisung eines <strong>Nationalpark</strong>s sterben Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten aus,<br />
welche auf eine menschliche Nutzung von Wäldern angewiesen sind. Gerade das im Schwarzwald<br />
vorkommende Auerhuhn könnte durch einen <strong>Nationalpark</strong> gefährdet werden.<br />
Richtig ist: Wenn Wälder aus der Nutzung fallen, werden Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten kommen<br />
<strong>und</strong> gehen. Dies ist gewolltes Ziel eines Freiluftlabors „Urwald“. Da <strong>Nationalpark</strong>e aber auf 25<br />
% ihrer Fläche eine Pflege- <strong>und</strong> Managementzone umfassen müssen, ist es klar, dass z.B. die<br />
durch Beweidung entstandenen Grindenmoore als traditionelle Kulturlandschaften auch weiterhin<br />
beweidet werden. Die natürliche Dynamik kann man schon jetzt auf den Sturmwurfflächen<br />
sowie in den zahlreichen Bannwäldern des Schwarzwaldes beobachten. Erst kommen<br />
lichtliebende Pflanzen <strong>und</strong> Büsche. Kommt der Wald, werden Licht liebende Arten zurück<br />
gedrängt, während Schatten erduldende Arten zunehmen. Wenn Bäume alt sind, sterben sie<br />
ab, es gibt wieder Licht. So ist Natur. Und wenn man bedenkt, dass ein Drittel der Arten, die<br />
in unseren Wäldern leben könnten, auf Bäume der sogenannten Alters- <strong>und</strong> Zerfallsphase<br />
angewiesen sind, also auf Bäume, die älter als 100 <strong>–</strong> 120 Jahre werden oder sogar von sich aus<br />
aus absterben <strong>und</strong> langsam zerfallen dürfen, würden die meisten zu schützenden Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenarten von einem <strong>Nationalpark</strong> profitieren. Die Natur braucht ja den wirtschaftenden<br />
Menschen erst einmal nicht, um bestehen zu können.<br />
Dies gilt auch für das streng geschützte Auerhuhn. Das Auerhuhn hat im Schwarzwald ein<br />
sehr großes Verbreitungsgebiet <strong>und</strong> ist in den vom Menschen genutzten Wäldern, in denen<br />
die Forstflächen meist aus gleichaltrigen Bäumen bestehen <strong>und</strong> daher vergleichsweise dunkel<br />
sind, auf die sägende Hand des Försters angewiesen. In Urwäldern sind Bäume nicht gleich alt.<br />
Bäume jeden Alters, dichte <strong>und</strong> dunkle Waldflächen wechseln sich hier mosaikartig mit lichten<br />
Waldflächen ab. Das Auerhuhn wird auch in den Kernzonen eines <strong>Nationalpark</strong>s überleben<br />
<strong>–</strong> so wie z.B. im 100 Jahre alten Bannwald „Wilder See“ im <strong>Nordschwarzwald</strong> oder im
<strong>Nationalpark</strong> <strong>Nordschwarzwald</strong> <strong>–</strong> <strong>Ängste</strong> <strong>und</strong> <strong>Sorgen</strong><br />
NABU Baden-Württemberg, Stand: 20. Juli 2011 Seite 7<br />
großteils unbewirtschafteten Staatswaldgebiet zwischen dem Hohen Ochsenkopf <strong>und</strong> dem<br />
Nägeliskopf bei Herrenwies.<br />
Befürchtung: In einem <strong>Nationalpark</strong> im <strong>Nordschwarzwald</strong> hausen bald Wölfe <strong>und</strong> Menschen<br />
müssen Angst haben.<br />
Richtig ist: Baden-Württemberg ist ein Wolfserwartungsland. Es ist nur eine Frage der Zeit,<br />
bis der erste Wolf wieder von ganz alleine nach Baden-Württemberg kommt. Es ist dann e-<br />
benfalls nur eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Wolfsrudel im schon heute wald- <strong>und</strong> wildreichen<br />
Schwarzwald ansiedeln. Egal, ob es einen <strong>Nationalpark</strong> gibt oder nicht. Da inzwischen<br />
unmissverständlich klar ist, dass Wölfe für Menschen absolut ungefährlich <strong>und</strong> außerdem<br />
streng vor jedweder Verfolgung geschützt sind, lässt sich daran ohnehin nichts ändern.<br />
Außerdem würde der Schwarzwald von Wölfen profitieren: Wölfe sind dort, wo sie vorkommen,<br />
Sympathieträger für einen Naturtourismus. Diese Erfahrung hat der NABU im Projekt<br />
„Willkommen Wolf“ gemacht, das von der Volkswagen AG gefördert wird. In diesem Projekt<br />
wird über die Biologie der Wölfe <strong>und</strong> ihre Harmlosigkeit für den Menschen informiert.<br />
Befürchtung: Der Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord würde unter der Ausweisung eines <strong>Nationalpark</strong>s<br />
leiden.<br />
Richtig ist: Nahezu alle bestehenden <strong>Nationalpark</strong>e im B<strong>und</strong>esgebiet sind von sehr viel größeren<br />
Naturparken umgeben <strong>und</strong> profitieren maßgeblich vom international bekannten Schutzsiegel<br />
„<strong>Nationalpark</strong>“. Wichtig ist nur, dass die Entwicklungen beider Parke miteinander verzahnt<br />
<strong>und</strong> Synergieeffekte genutzt werden.<br />
Befürchtung: Förster <strong>und</strong> Waldarbeiter, die seither in den Wirtschaftswäldern tätig waren,<br />
werden arbeitslos.<br />
Richtig ist: Die größte Verringerung des forstlichen Personals wurde durch die Verwaltungsreformen<br />
der vergangenen 15 Jahre bewirkt. Falls ca. 5.000 Hektar bewirtschafteter Wald aus<br />
der Nutzung genommen werden, sind hiervon lediglich drei bis vier Revierförster betroffen.<br />
Gleichzeitig zeigen alle <strong>Nationalpark</strong>e, dass viele neue Stellen in der <strong>Nationalpark</strong>verwaltung<br />
entstehen, so dass insgesamt mehr Arbeitsplätze mit als ohne einen <strong>Nationalpark</strong> vorhanden<br />
sein werden.<br />
Textredaktion: Ingrid Eberhardt-Schad, Naturschutzreferentin NABU Baden-Württemberg