Der Aktivist

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02.01.2014 Aufrufe

Der Aktivist www.pi-23.de Ausgabe 10/09 23. Okt. 09 - Nr. 65 Nicht rütteln am Atomausstieg Eine Warnung an Schwarz-Gelb - AKW abschalten oder Proteste anschalten Union und FDP haben die Bundestagswahl nicht wegen, sondern trotz ihrer Pläne zur Aufkündigung des Atomausstiegs gewonnen. Kündige Deinen Protest an, falls sie AKW-Laufzeiten verlängern wollen. Die Unterschriften werden in großen Tageszeitungen veröffentlicht: http://www.ausgestrahlt.de/aktionen/unterschreiben.html Protestaktion gegen Vertreibungen durch Palmöl Kolumbien gehört zu den Hauptproduzenten von Palmöl, das zu großen Teilen zu Agrokraftstoffen verarbeitet wird. Für den Palmölanbau wurden zahllose afrokolumbianische Gemeinden gewaltsam von Paramilitärs mehr als 10.000 Menschen vertrieben und ihrer Heimat beraubt. Zudem werden die artenreichsten Regenwaldgebiete stark gerodet. Kolumbiens Regierung schützt Agrarunternehmer, die illegalen Ölpalmanbau auf dem Land der Gemeinden betreiben. Exportgewinne scheinen mehr zu wiegen als die Bekämpfung von massiven Menschenrechtsverletzungen. Am 12. November findet die Übergabe an die Kolumbianische Botschafterin in Berlin statt. Bis dahin wollen wir 2.000 Online-Unterschriften sammeln. 1.406 Menschen haben sich schon an der Aktion beteiligt. Es fehlen noch 594 Online-Unterschriften! Unterstützen Sie den Protest der Vertriebenen unter: www.inkota.de/agrosprit/protestmail ethische Werbekampagne Erstmals haben wir in diesem Jahr Geld ausgegeben für eine Werbekampagne, die Ihnen möglicherweise schon begegnet ist. Aus den Motiven dieser Kampagne sind jetzt neun Post karten entstanden. Unsere Kunden können diese kostenfrei bestellen. Die Botschaft ist politisch und dreht sich um die Ursachen der Finanzkrise. Natürlich interessiert uns Ihre Meinung, denn schließlich geht es um die erste Ethik- Bank-Kampagne überhaupt. Wie denken Sie darüber? Bitte äußern Sie sich. Das geht am einfachsten mit einer Schulnote oder - wenn Sie mögen - mit aufrichtigen Worten. Zum Dank für Ihre Mühe schenken wir Ihnen einen kompletten Satz dieser Postkarten (s. die umseitigen Beispiele). Postkarten im Internet bestellen: http://www.ethikbank.de/inhalt/home/motive_ wechsel_zur_ethikbank.htm Ausbildung für alle Die Bundestagswahl ist vorbei und aktuell werden bei den Koalitionsverhandlungen die Karten neu gemischt. Hier feilschen die Parteien um Verantwortlichkeiten und Posten. Ein guter Zeitpunkt, sie noch einmal daran zu erinnern, dass die Jugend ein Recht auf Zukunft und Perspektiven hat und dafür auch aktiv wird. Unter dem Motto „Ausbildung für alle“ fordern wir deshalb jetzt von der Politik, endlich ein Grundrecht auf Ausbildung gesetzlich zu verankern und die Ausbildungsumlage durchzusetzen. Wir wollen die Politiker/-innen an ihre Verantwortung erinnern und wir wollen, dass möglichst viele von unserer Aktion erfahren und sich daran beteiligen: http://www.was-soll-politik.de/aufruf_versand/new 23 des Monats: 23 Karat hauchdünnes Blattgold zieren die holländischen Pralinen aus dem Hause Linders Bonbons. Jeweils neun “Goldleaf Chocolate”-Pralinen aus 70-prozentiger Zartbitter-Schokolade, mit einer feinen Schicht essbarem Gold überzogen, sind für 30,00 bis 35,00 Euro zu ergattern, berichtete www.lz-messeblog.de am 02.02.2009. Diese dekadenten Süßwaren legt man sich in Zeiten der Finanzkrise besser in den Kühltresor… kleine Konspirationskunde: „MKULTRA“ • Integration • Hallo wach! • Film-Tipps www.pi-23.de

<strong>Der</strong> <strong>Aktivist</strong><br />

www.pi-23.de<br />

Ausgabe 10/09<br />

23. Okt. 09 - Nr. 65<br />

Nicht rütteln am Atomausstieg<br />

Eine Warnung an Schwarz-Gelb - AKW abschalten oder Proteste anschalten Union und FDP haben die<br />

Bundestagswahl nicht wegen, sondern trotz ihrer Pläne zur Aufkündigung des Atomausstiegs gewonnen.<br />

Kündige Deinen Protest an, falls sie AKW-Laufzeiten verlängern wollen. Die Unterschriften werden<br />

in großen Tageszeitungen veröffentlicht:<br />

http://www.ausgestrahlt.de/aktionen/unterschreiben.html<br />

Protestaktion gegen Vertreibungen durch Palmöl<br />

Kolumbien gehört zu den Hauptproduzenten von Palmöl, das zu großen Teilen zu Agrokraftstoffen<br />

verarbeitet wird. Für den Palmölanbau wurden zahllose afrokolumbianische Gemeinden gewaltsam von<br />

Paramilitärs mehr als 10.000 Menschen vertrieben und ihrer Heimat beraubt. Zudem werden die artenreichsten<br />

Regenwaldgebiete stark gerodet. Kolumbiens Regierung schützt Agrarunternehmer, die illegalen<br />

Ölpalmanbau auf dem Land der Gemeinden betreiben. Exportgewinne scheinen mehr zu wiegen<br />

als die Bekämpfung von massiven Menschenrechtsverletzungen. Am 12. November findet die Übergabe<br />

an die Kolumbianische Botschafterin in Berlin statt. Bis dahin wollen wir 2.000 Online-Unterschriften<br />

sammeln. 1.406 Menschen haben sich schon an der Aktion beteiligt. Es fehlen noch 594 Online-Unterschriften!<br />

Unterstützen Sie den Protest der Vertriebenen unter: www.inkota.de/agrosprit/protestmail<br />

ethische Werbekampagne<br />

Erstmals haben wir in diesem Jahr Geld ausgegeben für eine Werbekampagne, die Ihnen möglicherweise<br />

schon begegnet ist. Aus den Motiven dieser Kampagne sind jetzt neun Post karten entstanden. Unsere<br />

Kunden können diese kostenfrei bestellen. Die Botschaft ist politisch und dreht sich um die Ursachen<br />

der Finanzkrise. Natürlich interessiert uns Ihre Meinung, denn schließlich geht es um die erste Ethik-<br />

Bank-Kampagne überhaupt. Wie denken Sie darüber? Bitte äußern Sie sich. Das geht am einfachsten<br />

mit einer Schulnote oder - wenn Sie mögen - mit aufrichtigen Worten. Zum Dank für Ihre Mühe schenken<br />

wir Ihnen einen kompletten Satz dieser Postkarten (s. die umseitigen Beispiele). Postkarten im<br />

Internet bestellen:<br />

http://www.ethikbank.de/inhalt/home/motive_ wechsel_zur_ethikbank.htm<br />

Ausbildung für alle<br />

Die Bundestagswahl ist vorbei und aktuell werden bei den Koalitionsverhandlungen die Karten neu gemischt.<br />

Hier feilschen die Parteien um Verantwortlichkeiten und Posten. Ein guter Zeitpunkt, sie noch<br />

einmal daran zu erinnern, dass die Jugend ein Recht auf Zukunft und Perspektiven hat und dafür auch<br />

aktiv wird. Unter dem Motto „Ausbildung für alle“ fordern wir deshalb jetzt von der Politik, endlich<br />

ein Grundrecht auf Ausbildung gesetzlich zu verankern und die Ausbildungsumlage durchzusetzen. Wir<br />

wollen die Politiker/-innen an ihre Verantwortung erinnern und wir wollen, dass möglichst viele von<br />

unserer Aktion erfahren und sich daran beteiligen: http://www.was-soll-politik.de/aufruf_versand/new<br />

23 des Monats:<br />

23 Karat hauchdünnes Blattgold zieren die holländischen Pralinen aus dem Hause Linders Bonbons. Jeweils neun<br />

“Goldleaf Chocolate”-Pralinen aus 70-prozentiger Zartbitter-Schokolade, mit einer feinen Schicht essbarem Gold<br />

überzogen, sind für 30,00 bis 35,00 Euro zu ergattern, berichtete www.lz-messeblog.de am 02.02.2009. Diese<br />

dekadenten Süßwaren legt man sich in Zeiten der Finanzkrise besser in den Kühltresor…<br />

kleine Konspirationskunde: „MKULTRA“ • Integration • Hallo wach! • Film-Tipps<br />

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salutatio<br />

www.pi-23.de<br />

Inmitten der schwersten Krise seit Jahrzehnten<br />

haben die Bürger über eine neue Bundesregierung<br />

entschieden. Mit welchem Personal wird<br />

Schwarz-Gelb künftig regieren und wie sortiert<br />

sich die Opposition? Kommt der Kahlschlag nach<br />

der Wahl?<br />

<strong>Der</strong> Kündigungsschutz wurde bereits diskutiert.<br />

Steht ein Stellenabbau bevor? Gab es von<br />

Seiten der deutschen Industrie bis zum Wahlabend<br />

ein Stillhalteabkommen mit Berlin, oder hat die<br />

Wirtschaft die Weltuntergangsangst überwunden?<br />

Nach Rückschlägen ist das Barometer sicherlich<br />

wieder gestiegen. Dennoch, vor der Wahl munkelte<br />

man, dass es eine Art Stillhalteabkommen zwischen<br />

Industrie und Regierung gegeben hat, wodurch<br />

bereits früher ein größerer Arbeitsplatzabbau<br />

in Deutschland verhindert wurde. Von einem<br />

solchen Pakt wollte die Financial Times von mehreren<br />

Spitzenmanagern erfahren haben. „Deutschland<br />

ist momentan vor Veränderungen sicher.<br />

Aber nach der Wahl wird sich die Botschaft ändern.<br />

Das ist ganz normal“, sagte Hakan Samuelsson,<br />

Vorstandschef des Münchner Dax-Konzerns<br />

MAN. Das Eingeständnis der Manager belegt Befürchtungen,<br />

dass den deutschen Arbeitnehmern<br />

die härtesten Einschnitte noch bevorstehen, auch<br />

wenn die Wirtschaft wieder zu wachsen beginnt.<br />

Bislang verzichten die meisten Unternehmen auf<br />

Stellenstreichungen. Die Bundesregierung fördert<br />

diesen Kurs, etwa durch das milliardenteure Programm<br />

zur Kurzarbeit. Experten bezweifeln jedoch,<br />

dass die Wirtschaft diesen Kurs beibehalten<br />

kann: In puncto Produktivität haben die deutschen<br />

Unternehmen zuletzt deutlich an Boden verloren,<br />

vor allem im Vergleich zur US-Industrie, die die<br />

Krise zur Sanierung genutzt hat. Hinsichtlich notwendiger<br />

Umstrukturierungsmaßnahmen verliert<br />

Deutschland in vielen Fällen wohl kostbare Zeit.<br />

Wie sich die Wirtschaftsleistung entwickeln wird,<br />

wissen wir nicht. Aber warm anziehen müssen wir<br />

uns auf jeden Fall. Es wird Winter.<br />

Lucky<br />

2<br />

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Aktion: Earth First!<br />

www.pi-23.de<br />

(kleine)<br />

Konspirationskunde: „MKULTRA“<br />

Earth First! ist ein internationales Netzwerk von<br />

radikalen Umweltgruppen, die vor allem durch spektakuläre<br />

direkte Aktionen auf sich aufmerksam machten.<br />

Um 1979 entstand Earth First im Südwesten der USA.<br />

Inspiriert von Rachel Carsons Silent Spring, Aldo Leopolds<br />

Land Ethic und Edward Abbeys The Monkey<br />

Wrench Gang, plädierte eine Gruppe von <strong>Aktivist</strong>en<br />

für No Compromise in Defense of Mother Earth! (Kein<br />

Kompromiss bei der Verteidigung von Mutter Erde).<br />

Inspiriert wurde es durch dem US-Umweltaktivisten<br />

Dave Foreman, der bis dahin Umweltgutachter und<br />

aktives Mitglied der Wilderness Society war. Foreman<br />

ließ sich nach eigenen Angaben von dem Buch The<br />

Monkey Wrench Gang von Edward Abbey inspirieren.<br />

<strong>Der</strong> verstellbare Schraubenschlüssel (engl. monkey<br />

wrench) wurde zum Symbol für Sabotage und zum<br />

Markenzeichen von Earth First!.<br />

Seit 1990 wurde das Handeln innerhalb der Earth<br />

First!-Bewegung verstärkt durch die politische Philosophie<br />

des Anarchismus beeinflusst. <strong>Der</strong> Wandel brachte<br />

in verschiedenen Regionen einen Wechsel des primären<br />

Medienorgans, Aversionen gegen eine organisierte<br />

Führung oder eine Verwaltungsstruktur und einen neuen<br />

Trend der Identifikation von Earth First! als eher eine<br />

offene Bewegung als eine Organisation. <strong>Der</strong> Ruck von<br />

Earth First! in Richtung offene Bewegung 1992 brachte<br />

Mitglieder, die sich weigerten kriminielle Aktionen<br />

einzustellen, dazu den militanten Ableger Earth Liberation<br />

Front zu gründen. Die Meisten Mitglieder von<br />

Earth First! tendieren zu einem dezentralisierten, lokal<br />

informierten Aktivismus, der auf einer gemeinschaftlichen<br />

Ethik basiert, während Earth First!-Gegner die<br />

Gruppen bezichtigen, sich einer Form des Terrorismus<br />

zu bedienen.<br />

Earth First!-Gruppen organisieren politische<br />

Graswurzelaktionen, die legale Formen annehmen können,<br />

wie z.B. Proteste, Aufrufe und Aufklärungskampagnen,<br />

in Form von zivilem Ungehorsam ausgeübt<br />

werden, wie z.B. Baumbesetzungen, Feldbesetzungen,<br />

Ankettung an Baufahrzeuge und Straßenblockaden<br />

oder die Form der illegalen Sabotageaktionen darstellen,<br />

welche von manchen Earth First!-Mitgliedern als<br />

eine Form der ecodefense, also der Verteidigung der<br />

Natur verstanden wird. Auch Solidaritätsaktionen mit<br />

von Lebensraumzerstörung betroffenen Indigenen sind<br />

Teil der Earth First!-Aktionen, wie z.B. die Kampagne<br />

South Pacific Solidarity mit Indigenen auf West Papua.[2]<br />

Ziel aller Aktionen ist, die Zerstörung der Natur<br />

aufzuhalten oder gar Rückgängig<br />

zu machen. Earth<br />

First! glaubt nicht, dass<br />

über Führer, Regierungen<br />

oder Firmen die Natur effektiv<br />

geschützt werden<br />

kann. Daher ist für sie die<br />

direkte Aktion das zentrale Mittel um die Zerstörung<br />

der Natur selbst zu bekämpfen. Earth First! versteht<br />

sich dabei als loses Netzwerk von Individuen, Gruppen<br />

und Kampagnen, die für ökologische direkte Aktionen<br />

zusammenarbeiten und sich der nicht-hierarchischen<br />

Organisierung verpflichtet. <strong>Der</strong> Name Earth First! soll<br />

als Banner funktionieren, der von allen verwendet werden<br />

kann, die sich dieser Philosophie nahe fühlen. Ein<br />

Slogan von Earth First! besagt: „Wenn du glaubst, dass<br />

Aktionen lauter sprechen als Worte, dass ist Earth First!<br />

für dich da.“ Oberster Grundsatz ist es nach eigenen<br />

Angaben, Menschen nicht zu verletzen. Daher werden<br />

die Aktionen teilweise hinterher bekannt gemacht. Inspiration<br />

für viele Earth-First!-<strong>Aktivist</strong>en ist Foremans<br />

Buch Ecodefense – A Field Guide to Monkeywrenching.<br />

Die deutsche Übersetzung Notwehr – Sabotage<br />

im Namen der Erde ist allerdings nicht im Buchhandel<br />

erhältlich. Ferner gibt es das Earth First! Journal, das<br />

nach eigenen Angaben 15.000 Abonnenten vor allem<br />

in den USA hat. Mitte der 1980er Jahre und erneut Mitte<br />

der 1990er Jahre bildeten sich auch in Deutschland<br />

aktive Earth-First!-Gruppen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />

waren jedoch keine derartigen Gruppen mehr<br />

bekannt. Ein loses Netz von <strong>Aktivist</strong>en organisiert ähnliche<br />

Aktionen, wie Genfeldbesetzungen, ohne ein bestimmtes<br />

Label zu verwenden.<br />

www.earthfirst.org<br />

MKULTRA (auch MK ULTRA) ist der Codename<br />

für ein umfangreiches, geheimes Forschungsprogramm<br />

der CIA über die Möglichkeiten der<br />

Bewusstseinskontrolle. MK steht dabei nicht, wie<br />

häufig behauptet, für „Mind Kontrol“, sondern ist<br />

lediglich ein von der CIA verwendetes Kürzel, das<br />

von der Technical Service Division geleitete Projekte<br />

bezeichnet. Das Projekt wurde von 1953 bis in die<br />

1970er Jahre hinein durchgeführt. Mit einem Budget<br />

von mindestens 25 Mio. Dollar erforschte der amerikanische<br />

Geheimdienst CIA ein Vierteljahrhundert<br />

lang Verhaltenskontrolle an ahnungslosen Opfern.<br />

Er ließ Universitäten und Institute, aber auch Gefangene<br />

und Prostituierte nicht nur im eigenen Land<br />

für sich arbeiten. Unter anderem umfasste das Programm<br />

tausende von Menschenversuchen, bei denen<br />

ahnungslose, willkürlich ausgesuchte Testpersonen<br />

unter halluzinogene Drogen wie LSD gesetzt und<br />

mit Elektroschocks „behandelt“ wurden. Zu Anfang<br />

der 50er Jahre hatte die CIA befürchtet, dass<br />

Sowjets und Chinesen über ausgefeilte Methoden<br />

zur Manipulation menschlichen Verhaltens verfügten<br />

und hatte Forschungsprojekte veranlasst, um die<br />

vermeintliche Lücke in der Bewusstseinskontrolle<br />

zu schließen.<br />

Ziel des Projekts MK Ultra war, ein perfektes Wahrheitsserum<br />

für die Verwendung im Verhör von Sowjet-Spionen<br />

im Kalten Krieg zu entwickeln, sowie<br />

die Möglichkeiten der Gedankenkontrolle zu erforschen.<br />

Die überwiegend gesundheitsschädlichen<br />

bis lebensgefährlichen Experimente wurden meist<br />

ohne Wissen oder Zustimmung der Versuchspersonen<br />

durchgeführt, häufig auch gegen deren erklärten<br />

Willen. Dazu gehörten neben tausenden von zufällig<br />

ausgewählten US-Bürgern auch Krankenhauspatienten<br />

und Gefängnisinsassen. Es ist erwiesen, dass<br />

zahlreiche Versuchspersonen bei den Experimenten<br />

schwerste körperliche und psychische Schäden davontrugen,<br />

bis hin zum Tod. Ein großer Teil der im<br />

Rahmen des Projekts durchgeführten Experimente<br />

verstieß gegen amerikanische Gesetze, viele sind<br />

nach der heutigen Definition der UNO als Folter<br />

zu bewerten. Die politischen und gesellschaftlichen<br />

Hintergründe des Projekts waren der Kalte Krieg<br />

mit der Sowjetunion und der starke amerikanische<br />

Antikommunismus während der McCarthy-Ära in<br />

den 1950er Jahren.<br />

MKULTRA wurde auf Befehl des CIA-Direktors<br />

Allen Dulles im April 1953 begonnen. Es war der<br />

Nachfolger der Projekte Artischocke und BLUE-<br />

BIRD sowie von ähnlichen Programmen des Deutschen<br />

Reiches. Grundlage waren die Arbeiten von<br />

Dr. Josef Mengele und so arbeiteten an dem Projekt<br />

auch etliche SS-Ärzte und Forscher mit; sie durften<br />

ihre durch das Kriegsende unterbrochenen Menschenversuche<br />

im Rahmen von MKULTRA auch in<br />

Deutschland fortführen. MKULTRA wurde hauptsächlich<br />

in den USA und Kanada, aber auch in Europa<br />

betrieben. Dies war offiziell vor allem eine Reaktion<br />

auf Gedankenkontrolltechniken, die angeblich<br />

von Sowjets, Chinesen und Nordkoreanern gegen<br />

US-Kriegsgefangene im Koreakrieg eingesetzt wurden,<br />

was unter dem Namen „Brainwashing“ bekannt<br />

wurde. Neben dem Willen, ähnliche Methoden auf<br />

die eigenen Gefangenen anzuwenden, hatte die CIA<br />

auch Interesse daran, fremde Herrscher mit derartigen<br />

Techniken manipulieren zu können. Später soll<br />

es mehrere Pläne gegeben haben, den kubanischen<br />

Staatschef Fidel Castro zu beeinflussen.<br />

Oberstes Ziel war laut CIA die „Vorhersage, Steuerung<br />

und Kontrolle des menschlichen Verhaltens“.<br />

Eines der wenigen öffentlich bekannt gewordenen<br />

Beispiele für solche Techniken ist die Verhörmethode,<br />

die die Britische Armee bei Gefangenen in Nordirland<br />

verwendete. Sie wurde als „UDIT“ (Ulster<br />

Depth Interrogation Techniques) bezeichnet und<br />

durch den Psychologen T. Shallice der Universität<br />

London nach Berichten und Daten des britischen<br />

Innenministeriums 1972 veröffentlicht.<strong>Der</strong> für die<br />

UDIT-Methode verantwortliche britische Kommandeur<br />

wurde in den 1980er Jahren bei einem Urlaub<br />

in Osnabrück durch einen Anschlag der IRA getötet.<br />

Eine weitere Testperon (Ken Kesey) verarbeitete<br />

seine Erfahrungen als Testperson in dem Buch „Einer<br />

flog über das Kuckucksnest“.<br />

Die meisten offiziellen Dokumente zu dem Projekt<br />

wurden 1972 unter dem damaligen CIA-Direktor<br />

Richard Helms vorsätzlich und illegal vernichtet.<br />

Helms war bis zu seiner Berufung zum CIA-Direktor<br />

der maßgebliche Verantwortliche für MKUL-<br />

TRA innerhalb der CIA. Es ist daher nicht möglich,<br />

das gesamte Projekt mit seinen ungefähr 150 individuellen<br />

Forschungsprojekten und den zugehörigen<br />

CIA-Programmen zu rekonstruieren. Es existieren<br />

jedoch genügend Akten, um die wesentlichen Strukturen<br />

und zahlreiche Programme zu rekonstruieren.<br />

Mehrere staatliche Untersuchungskommissionen<br />

beschäftigten sich mit MKULTRA und ein Teil der<br />

erhaltenen Dokumente wurde mittlerweile der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht...<br />

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www.pi-23.de<br />

U-Turn<br />

Inspired by:<br />

Fletchers Visionen, <strong>Der</strong> Manchurian Kandidat und<br />

Einer flog über das Kuckucksnest<br />

Dokumentation:<br />

Die Dressierten Killer - Geheimdienste und Gehirnwäsche<br />

Deckname Artischocke - Die geheimen Menschenversuche<br />

der CIA<br />

Versklavte Gehirne - Bewußtseinskontrolle und Verhaltensbeeinflussung<br />

Links:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/MKULTRA<br />

http://www.allmystery.de/themen/gg49733<br />

http://www.mein-parteibuch.com/wiki/MKULTRA<br />

http://www.michael-robinett.com/declass/c000.htm<br />

http://www.extremnews.com/premium/vermischtes/<br />

berichte/welt/7d5b11916091314<br />

http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13508748&top=SPIEGEL<br />

Da sitz ich so mit Ratze zusammen und wir diskutieren<br />

über Gott und die Welt, wie man so landläufig sagt.<br />

Ob Politik, Umwelt, Kriege usw., die tägliche Themenvielfalt<br />

reißt nicht ab, die Medienlandschaft verstummt<br />

nicht. Nachrichtensendungen und Talkshows präsentieren<br />

ständig News aus der Kategorie „das Schweigen der<br />

Lämmer“. Die Nahrung für Zwerchfell und Seele ist<br />

dagegen Fehlanzeige. Was ist also bitteschön auf diesem<br />

Planet Erde los. Bekommt die Menschheit nichts<br />

mehr in den Griff und gar, wie viel Mensch verträgt die<br />

Erde? Statistiker rechnen damit, dass es 2012 schon 7<br />

Milliarden Erdenbewohner sein werden. Wer weiß wie<br />

viel Ufos hier noch landen und wie viel Außerirdische<br />

um Asyl bitten werden. Häufig hört man die Frage, ob<br />

die Erde solche Scharen auf Dauer ernähren kann, ob<br />

das Trinkwasser reicht und welche Völkerwanderungen<br />

es geben wird. Hinzu kommen Fragen nach den Energievorräten<br />

und der Klimaentwicklung. Dabei muss<br />

man berücksichtigen, dass der Reichtum der Erde sehr<br />

ungleich verteilt ist und der reiche Teil der Welt nur<br />

sehr wenig unternimmt, die Güter gleichmäßiger und<br />

gerechter zu verteilen. Im Gegenteil, die politischen<br />

Gegensätze und das Gewinnstreben verstärkt die Not.<br />

Wir erleben zusätzlich die Auswirkungen des Terrorismus.<br />

Ob wir an den Schöpfungsbericht oder die Evolution<br />

glauben, eins ist klar, biblische Maßstäbe haben<br />

ein anderes Menschenbild, als das, was der Großteil<br />

der Menschen mit Egoismus, Neid, Gier, Materialismus,<br />

Gewalt, Krieg, produziert. Wieso ist der Mensch<br />

des Menschen Wolf? Verspielen wir unsere Zukunft?<br />

Neben all den Problemen sind wir auch noch zu Spekulanten<br />

auf den Finanzmärkten geworden.<br />

Die Finanzkrise geht weiter. Erst langsam wird<br />

sie in Form zurückgehender Wirtschaftsleistung und<br />

steigender Arbeitslosenzahlen begreifbar. Viele Menschen<br />

fragen nicht nur „Wie konnte es soweit kommen?“,<br />

sondern auch: „Was kommt noch auf uns zu?“<br />

Die Abwracker: Wie Zocker und Politiker unsere Zukunft<br />

verspielen, ist eine Buchausgabe von Hans-Olaf<br />

Henkel, um mal ein Beispiel dafür zu nennen, dass das<br />

Bewusstsein nicht allerorts ausgeblendet wird. Henkel<br />

ist ein ehemaliger deutscher Manager sowie ehemaliger<br />

BDI-Vorsitzender und ehemaliger Präsident<br />

der Leibniz-Gemeinschaft. Aber warum wissen wir<br />

scheinbar so viel, füllen Bücher und Sendezeiten, erkennen<br />

Handlungsbedarf und tun dennoch so wenig?<br />

Werte und Normen erstellen wir für Haus und Hof und<br />

Gebrauchtwagen, aber nicht mehr für eine weltweite<br />

Wertegemeinschaft. Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit,<br />

Rechtstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte<br />

werden proklamiert, aber die tatsächlichen globalen<br />

Herausforderungen werden doch gegen alle politischen<br />

Erklärungen nicht bzw. nur ansatzweise angenommen.<br />

Wir brauchen dabei gar nicht immer ins Weite<br />

zu blicken. Hat sich diese Kultur nicht auch in unsere<br />

Arbeitswelt eingeschlichen? Die Rückbesinnung auf<br />

Werte ist heute für Führungskräfte und Mitarbeiter in<br />

Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung unverzichtbar.<br />

Wer in unserer individualisierten Gesellschaft<br />

erfolgreich führen will, muss Prinzipien auch vorleben.<br />

Nur wenn an der Führungsspitze Werte wie Ethik, Verantwortungsbereitschaft<br />

und Engagement glaubwürdig<br />

verwirklicht werden, kann der dringend benötigte<br />

Stimmungswandel erzielt werden, mit der Folge, dass<br />

mehr Optimismus und Vertrauen gelingen. Wetteifer<br />

für mehr Antrieb und Eigenverantwortung muss sich<br />

paaren mit Hilfsbereitschaft, Respekt und Toleranz.<br />

Nur eine Gesellschaft, die gegen die eigene Resignation<br />

neue Weichenstellungen vornimmt, kann die Kraft<br />

aufbringen, die Zukunft zu gestalten.<br />

Und nun bekommt die Politik noch ihr Fett weg.<br />

Ich möchte einen Ausspruch von Oswald Metzger aus<br />

der Sendung „hartaberfair“ aufgreifen. <strong>Der</strong> Publizist<br />

und langjährige Politiker der Grünen, jetzt CDU, weiß<br />

aus eigener Erfahrung: „Wer hierzulande die Wahrheit<br />

sagt, wird abgestraft. Leider sind in Deutschland nur<br />

Weichzeichner gefragt, denn das gilt dann als „politisch<br />

korrekt. Alle Achtung.<br />

Dann wollen wir die tote „Ehrlichkeit“ mal reanimieren.<br />

Ist nur die Frage, ob andere auch zu dieser<br />

Erkenntnis kommen und Abhilfe schaffen.<br />

4<br />

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PI-Film-Tipp: HOME<br />

www.pi-23.de<br />

Integration<br />

Über vier Milliarden Jahre herrschte auf der<br />

Erde ein empfindliches, aber stabiles Gleichgewicht.<br />

Weniger als 200.000 Jahre hat der Mensch<br />

gebraucht, um dieses Gleichgewicht vollkommen<br />

durcheinander zu bringen. Globale Erwärmung,<br />

Verknappung der Bodenschätze, bedrohte Artenvielfalt:<br />

der Mensch gefährdet die Grundlagen seiner<br />

eigenen Existenz. <strong>Der</strong> Film HOME nimmt uns mit<br />

auf eine Reise um die Welt. Für die Luftaufnahmen<br />

des Films reiste Yann Arthus-Bertrand mit seinem<br />

Team in über 50 Länder. Die Bilder verdeutlichen<br />

uns komplexe Zusammenhänge, ohne dass es komplizierter<br />

Erklärungen bedarf. Wir sehen überwältigende<br />

Panoramen unserer natürlichen Umwelt, aber<br />

auch der Narben, die die menschliche Zivilisation<br />

auf der Erde hinterlässt. HOME will aufrütteln und<br />

uns bewusst machen: es ist Zeit, zu handeln, um<br />

unseren Heimatplaneten zu retten<br />

Eine Reise in 50 Länder, die schönsten Bilder unserer<br />

Erde und ein Plädoyer für ihre Zukunft.<br />

<strong>Der</strong> Ansatz mag schon älter sein, aber insbesondere<br />

zu Zeiten des real existierenden Klimawandels ist<br />

es drängender und aktueller denn je.<br />

<strong>Der</strong> hervorragende Kommentar erzählt die Entstehung<br />

des Lebens bis hin zum Menschen, dessen immer<br />

Höher-Schneller-Weiter nun eine Bedrohung<br />

für den Planeten darstellt. Berührende Musik von<br />

großem Orchester und hie und da Solisten, durchwoben<br />

von verschiedenen ethnischen Sounds, viele<br />

mutige kritische Tatsachen über die Missstände unserer<br />

Welt. Jedoch verknüpft Arthus-Bertrands Film<br />

diese Geschichte, die im Grunde seit den 80er Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts die gleiche geblieben ist,<br />

mit Bildeindrücken die ihresgleichen suchen. Egal<br />

ob schön oder hässlich, die Bilder unserer Welt, die<br />

wir in „HOME“ sehen, sind allesamt Meisterwerke<br />

voller Farbenpracht und gestochener Schärfe. Jede<br />

Einstellung eine kunstvoll inszenierte Ästhetik,<br />

jede Kamerafahrt dramaturgisch eindrucksvoll. So<br />

führt dieser Film 88 Minuten durch nahezu hypnotisch-ruhige<br />

Bilderwelten, die zeitlos scheinen und<br />

doch niemals aktueller waren.<br />

„Home“ ist eine Dokumentation, die das Verhältnis<br />

des Menschen zu „seiner“ Natur beschreibt.<br />

Das wichtigste Zitat des Films: „Es ist zu spät, ein<br />

Pessimist zu sein“...<br />

Ein altes Thema im neuen Gewand. Souffleur<br />

ist dabei Thilo Sarrazin, ein deutscher Politiker. Seit<br />

1975 ist er im öffentlichen Dienst tätig, war von<br />

2000 bis 2001 bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt.<br />

Von 2002 bis April 2009 war er Finanzsenator<br />

im Berliner Senat und ist seit Mai 2009 Mitglied<br />

des Vorstands der Deutschen Bundesbank.<br />

Thilo Sarrazins Äußerung: „Ich muss niemanden<br />

anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat<br />

ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht<br />

vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen<br />

produziert“.<br />

Im öffentlichen Diskurs hat Thilo Sarrazin für<br />

seine Äußerungen Prügel bezogen. In der Bevölkerung<br />

findet er laut Umfragen aber auch zahlreiche<br />

Befürworter.<br />

Nun sollte man grundsätzlich erstmal mit jedem<br />

respektvoll umgehen. Es gibt Meinungsfreiheit<br />

und Stimmenvielfalt im Lande, sieht man mal vom<br />

politischen Fraktionszwang ab. Die Konzentration<br />

auf die Aussage ist gefragt, nicht eine Themenvermischung<br />

neben sonstigen Spekulationen. Natürlich<br />

kann sich ein Bundesbankvorstand auch Gedanken<br />

über die Auslöser und Folgen der Finanzkrise machen.<br />

Wer will, kann ihn ja dazu auffordern. Aber<br />

das ist hier nicht das Thema. Es gibt viele Baustellen<br />

im Lande und die Auswahl muss keine Frage<br />

der Gewichtung sein. Allerdings können diejenigen,<br />

die Schnittstellen der Betroffenheit haben,<br />

ganz andere Schlussfolgerungen ziehen. Nun kennt<br />

und meint Sarrazin insbesondere die Berliner Verhältnisse,<br />

die sich sicherlich von denen der Restrepublik<br />

abheben. Warum soll ich ihm also absprechen,<br />

dass er sich ernsthaft Gedanken um die dortige<br />

Problemlage macht und eben sehr mit der Stadt<br />

verbunden ist. „Denn was man liebt, betrachtet man<br />

auch besonders sorgsam und mit scharfem Auge“,<br />

sagte Sarrazin. Die Aussage, für ihn sei ein Großteil<br />

der arabischen und türkischen Einwanderer „weder<br />

integrationswillig noch integrationsfähig“, ist nicht<br />

nur die These eines Einzelnen. Sie macht aber auch<br />

direkt klar, dass es nicht um „die Ausländer“, sondern<br />

den Teil einer Gruppe geht. Damit ist aber auch<br />

gleichzeitig ausgesagt, dass Zuwanderung und Integration<br />

in der Vergangenheit bei anderen Personengruppen<br />

bzw. Nationalitäten unauffällig und lautlos<br />

vollzogen wurde. Geht doch. Es ist somit legitim<br />

über die Hintergründe anderer Erfahrungen nachzudenken.<br />

Ob Sarrazin allerdings den richtigen Ton<br />

getroffen hat, ist fragwürdig. Hierüber kann man<br />

reden. Dennoch finden 69 Prozent der Bundesbürger,<br />

es sei richtig, dass Sarrazin eine Debatte über<br />

Integration angestoßen habe. Nur 22 Prozent meinten,<br />

„er hätte besser seinen Mund gehalten“. Für die<br />

Erhebung befragte Emnid 501 Personen.<br />

Nun ist dies ein Indiz dafür, dass Probleme<br />

existent sind. Eine Aufarbeitung könnte damit doch<br />

beiden Seiten dienen. Weichzeichner lösen keine<br />

Debatte aus. Die Folge ist Schweigen und das<br />

hilft im Zweifel nur der „braunen Sauce“. Berichtet<br />

Sarrazin z. B. über den Problembezirk Neukölln,<br />

ist dies eine andere Debatte als über Integration<br />

in NRW zu reden. CDU-Vorstand Laschet ist seit<br />

2005 Minister für Generationen, Familie, Frauen<br />

und Integration in Nordrhein-Westfalen. Wollte das<br />

Land einen arbeitslosen Minister? Nein, es gibt Arbeit<br />

und man muss sie nicht verschweigen. Deshalb<br />

sagt Laschet bei aller berechtigten Kritik: „Man<br />

kann Defizite benennen und darf sie auch benennen,<br />

wenn man sie bekämpfen will“. Richtig Herr<br />

Minister. Wenn in Thilo Sarrazins Äußerung die Erfahrung<br />

verankert ist, dass Mitbürger für die Ausbildung<br />

der eigenen Kinder nicht vernünftig sorgen,<br />

oder insbesondere diesen Staat ablehnen, kann man<br />

es nicht ignorieren. Warum sind in der öffentlichen<br />

Verwaltung Sonderprogramme und Hinweisschilder<br />

für Türken notwendig. Weil es Defizite gibt. Hoffentlich<br />

vergessen wir darüber hinaus nicht die bedürftigen<br />

aber zurückhaltenden Menschen anderer<br />

Nationalitäten. Es handelt sich aber auch um eine<br />

Angstdebatte, die Ordnungskräfte und Justiz lähmt<br />

und Zusammenleben behindert. Dabei haben nicht<br />

nur Migranten Pflichten, sondern auch die Aufnahmegesellschaft.<br />

Die deutsche Sprache ist für den<br />

Zugang und gleichberechtigte Chancen in der Gesellschaft<br />

unverzichtbar. Die Öffnung für kulturelle<br />

und soziale Integration bringt Erwachsene aller<br />

Nationalitäten näher und fördert den Umgang von<br />

Kindern untereinander. Wer angenommen werden<br />

will, muss auch ein persönliches Zugehörigkeitsgefühl<br />

zur Aufnahmegesellschaft entwickeln. Es bleibt<br />

eine gemeinsame Aufgabe. Gewollte Gettoisierung<br />

zeugt nicht von Kommunikationsfähigkeit und –bereitschaft.<br />

<strong>Der</strong> Wunsch, Verkehrskreise innerhalb<br />

der eigenen Volksgruppe aufzubauen widerspricht<br />

dem und überträgt sich auf die nächste Generation.<br />

Noch eins. Dass Sarrazin nach seinen umstrittenen<br />

Äußerungen wesentliche Kompetenzen bei<br />

der Bundesbank entzogen wurden, weil man ihn offenbar<br />

nicht loswerden kann, ist bedenklich. Bun-<br />

12<br />

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www.pi-23.de<br />

desbankchef Axel Weber sollte ihm in der Sache<br />

begegnen, oder ihm seine Fachlichkeit absprechen.<br />

Wenn so etwas Schule macht und wir zukünftig wegen<br />

unerwünschter Äußerungen um Arbeitsplätze<br />

bangen müssten, wird ein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung<br />

verletzt. Maulkörbe schaffen Frust<br />

und Ablehnung, dienen niemandem.<br />

Wer keine Ausgrenzung bzw. Parallelgesellschaften<br />

will, kann eine Debatte über „wohlgemerkt<br />

Missstände“ auch als Chance begreifen.<br />

PI-Film-Tipp: Age of Stupid<br />

Leben wir schon im Zeitalter der Dummen?<br />

Haben wir noch eine Chance, die Welt zu retten?<br />

Oder wird unser Jahrzehnt wegen all der vergebenen<br />

Chancen als das „Zeitalter der Dummen“ in die<br />

Menschheitsgeschichte eingehen? <strong>Der</strong> Film Age of<br />

Stupid, der am 21. September Weltpremiere hatte,<br />

warnt mit einem apokalyptischen Zukunftsszenario<br />

eindringlich vor Untätigkeit in Zeiten des Klimawandels.<br />

Wir schreiben das Jahr 2055. London ist überflutet,<br />

Sydney in Flammen, Las Vegas von der Wüste<br />

verschluckt... Wie konnte es so weit kommen?<br />

Die Macher des Films „Age of Stupid“ lassen den<br />

Gründer des Weltarchivs für alle menschlichen Errungenschaften<br />

und Erzeugnisse in seinem Turm in<br />

der geschmolzenen Arktis nach einer Antwort auf<br />

diese Frage suchen. Vor einem interaktiven Bildschirm<br />

stöbert er durch Originalnachrichten und<br />

Dokumentationen der Vergangenheit. Dabei stößt<br />

er auf sechs wahre, heutige Lebensgeschichten, die<br />

zusammen ein Bild davon zeichnen, warum wir unseren<br />

Lebensraum nicht bewahren konnten.<br />

Weltpremiere des Doku-Dramas war am 21.<br />

September in einem Solarkino in New York. Mit<br />

der Feier wurde ein deutliches Zeichen gegen die<br />

Klimaerwärmung gesetzt. Es gab Live-Schaltungen<br />

zu Greenpeace-<strong>Aktivist</strong>en im Himalaya und in der<br />

Arktis sowie eine Ansprache durch Gastgeber Kofi<br />

Annan. Per Satellit wurde die Premiere in über 60<br />

Länder weltweit übertragen, in Deutschland konnte<br />

die Veranstaltung in sieben Kinos verfolgt werden,<br />

da ansonsten die<br />

technischen Voraussetzungen<br />

fehlten.<br />

Leider wurde<br />

für Deutschland<br />

kein Kinoverleih<br />

gefunden, so dass<br />

der Film nicht<br />

in weiteren Vorführungen<br />

gesehen<br />

werden kann.<br />

Nach ersten Informationen<br />

soll ab<br />

Oktober 2009 eine<br />

DVD zu erwerben<br />

sein.<br />

satt und mit Flachbildfernsehern ausgestattet sein<br />

mag, aber isoliert, passiv, erziehungsohnmächtig<br />

und perspektivlos vor sich hinlebt. Aber Herr Sarrazin<br />

konzentriert sich auf „türkische Mentalität“<br />

und „türkische Wärmestuben“, auf Menschen, die<br />

„Kopftuchmädchen produzieren“ - das ist herabsetzend,<br />

pauschal und in Teilen eine menschenverachtende<br />

Wortwahl.<br />

Bei Finanzministern und Senatoren sind naturgemäß<br />

die Zeitgenossen am meisten geachtet, die<br />

viel arbeiten und das große Geld verdienen. Nicht<br />

minder werden diejenigen respektiert, die nichts<br />

arbeiten, aber so viel Kapital angehäuft haben, dass<br />

sie von den Erträgen ordentlich Steuern bezahlen<br />

können. Wenig Achtung genießen die Landsleute,<br />

die auch nicht arbeiten, aber kein Kapital und<br />

keinen Job besitzen und deshalb für den Staat zur<br />

fiskalischen Belastung und zum reinen Kostenfaktor,<br />

den es zu minimieren gilt, geworden sind. Das<br />

herausragendste Exemplar dieser „nichtsnutzigen<br />

Gattung“ ist in Deutschland der Hartz-IV-Empfänger.<br />

Sarrazins Denkanstöße gehen wie immer<br />

in die falsche Richtung. Es ist sicher richtig, dass<br />

die Finanzlage des Berliner Senats katastrophal ist.<br />

Grund dafür sind jedoch nicht türkischstämmige<br />

Migranten, die am Fließband kleine Kopftuchträgerinnen<br />

in die Welt setzen, sondern ein soziales<br />

Milieu, das die Gesellschaft alleine im letzten Jahr<br />

mehr gekostet hat, als alle Migranten in der Geschichte<br />

der Bundesrepublik zusammen – die Banker.<br />

Sarrazin täte daher besser daran, sich an die eigene<br />

Nase zu fassen. So viel Steuergelder, wie alle<br />

„kleinen Kopftuchträgerinnen“ den Staat in ihrem<br />

ganzen Leben kosten, verbrennt ein durchschnittlicher<br />

Banker in einer besseren Frühstückspause<br />

– Pöbel-Thilo, übernehmen sie.<br />

ABER:<br />

Ausgetobt wird sich auf der rassistischen<br />

Spielwiese, dort wo man auf diejenigen einprügeln<br />

darf, die für alles verantwortlich gemacht<br />

werden können; die heute den Deutschen die Arbeitsplätze<br />

wegnehmen, aber morgen schuldig<br />

sind, weil sie mit ihren Arbeitslosenkarrieren die<br />

Sozialkassen schächten. Wie kann es sein, dass<br />

„aufgeklärte Menschen“ heutzutage wieder gegen<br />

„Sozialschmarotzer“ hetzen - und damit nicht den<br />

vollgesogenen Unternehmer meinen, der durch<br />

immer stärkeren Arbeitsplatzabbau, zunehmende<br />

Leiharbeit, Lohnkürzungen und „Minijobs“ seine<br />

Sozialabgaben drückt? Wie kann es sein, dass dieses<br />

braune Gedankengut von Figuren wie Sarrazin,<br />

Koch und vielen anderen wieder verbreitet werden<br />

kann, ohne dass eine große Mehrheit aufsteht und<br />

vollkommen entsetzt „Nein“ schreit?Wir wissen,<br />

warum das sein kann, und können doch nur ohnmächtig<br />

daneben stehen. Die Medien sind es, die<br />

diesen Protagonisten eine willfährige Plattform<br />

bieten. Und wir wissen auch, dass hinter den (angeblich<br />

„freien“) Medien Interessen stecken, die<br />

den Interessen des Volkes diametral entgegenstehen.<br />

Zitat-Quellen:<br />

*http://feynsinn.org/?p=1648<br />

*http://www.spiegelfechter.com/wordpress/<br />

*http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/10/sturmist-immer.html<br />

*http://www.tagesspiegel.de/berlin/Thilo-Sarrazin-Hartz-IV-Heiner-Geissler;art270,2475592<br />

* h t t p : / / w w w. s t u t t g a r t e r- z e i t u n g . d e / s t z /<br />

page/2228712_0_3916_-provokateur-thilo-sarrazin-ein-schwerer-fall-von-ruhestoerung.html<br />

*http://www.scharf-links.de/48.0.html?&tx_<br />

ttnews[pointer]=2&tx_ttnews[tt_news]= 7095&tx_<br />

ttnews[backPid]=56&cHash=176cca4eb9<br />

6<br />

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www.pi-23.de<br />

Hallo wach! Glück<br />

sprechen mag politisch unkorrekt sein, die Augen<br />

vor diesen Problemen zu verschließen, ist jedoch<br />

grundsätzlich falsch – mit Denkblockaden hat man<br />

noch nie Probleme lösen können. Wenn eine Gesellschaft<br />

keine soziale Mobilität zulässt, entstehen<br />

automatisch Parallelgesellschaften – dies hat<br />

nichts mit dem Islam oder mit der Staatsangehörigkeit<br />

zu tun und trifft auch auf deutsche subproletarische<br />

Milieus zu. Was für den einen der Koran und<br />

das Kopftuch, ist für den anderen RTL II und das<br />

Arschgeweih. Die Schere zwischen arm und reich<br />

klafft immer weiter – vor allem für die Großstädte,<br />

die überproportional vom Armutsproblem betroffen<br />

sind, ist dies eine Herausforderung für die Zukunft.<br />

Sarrazins menschenfeindlichen Äußerungen<br />

bilden jedoch nur die Spitze eines Eisberges, der<br />

sich bis tief in die gesellschaftliche Basis verwurzelt<br />

hat. Nicht allein aufgrund der Tatsache, dass<br />

Thilo Sarrazin seit Jahren seine diskriminierenden<br />

Äußerungen über verschiedene gesellschaftlichen<br />

Gruppen, vornehmlich schwache, regelmäßig ungestraft<br />

verkünden konnte, wurde damit eine gesamtgesellschaftliche<br />

Akzeptanz-Atmosphäre für<br />

solcherart Gedankengut geschaffen. Gleichsam<br />

predigen Politiker aller etablierten Parteien sowie<br />

Wirtschaftsverantwortliche und Vertreter verschiedener<br />

Verbände in seinem geistigen Fahrwasser<br />

seit Monaten fortwährend scheinbar berechtigte<br />

Begriffe wie „Leistungsgerechtigkeit“ und „Leistungsträger“.<br />

Hierdurch wurden jedoch Begrifflichkeiten<br />

geprägt und mit einem allgemeinen Konsens<br />

belegt, welche bei näherer Betrachtung starke<br />

eugenistische Züge tragen. Mit seiner auf völkische<br />

Zugehörigkeit ausgerichteten Sprache ethnisiert<br />

Sarrazin ein Problem, das in Wahrheit in weiten<br />

Teilen ein soziales ist - was er in dem Interview an<br />

anderer Stelle selbst erkennt. Auch in den östlichen<br />

Plattenbaugebieten gibt es eine breite deutsche,<br />

von der Gesellschaft abgehängte Unterschicht, die<br />

Deutschland hat gewählt. Nun wird die Koalition<br />

geschlossen, die Regierung gebildet, as Kabinett<br />

vereidigt. Und ich bin dank bar dafür, dass mein<br />

ästhetisches Empfinden nun nicht länger gestört ist<br />

durch die profanen Sprüche und die Schön-Wetter-<br />

Gesichter, die monatelang von allen Wahlplakaten<br />

auf mich herab schauten. Ich weiß allerdings noch<br />

nicht, worüber ich mehr staunen soll. Über den Erfolg<br />

des schwarz-gelben Bündnisses (Haben die<br />

Menschen nichts aus der Krise gelernt?) oder über<br />

diese merkwürdige Stimmung im Lande. Diese<br />

Wahl hat der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten<br />

und die Risse in deren Abbild sichtbar gemacht.<br />

Ist das nun gut oder schlecht? Versuchen wir<br />

einmal, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Eine<br />

Gesellschaft, die sich in zwei große Lager teilt und<br />

deren Individuen – je nach persönlichem Glücksstatus<br />

– beim Urnengang mal die einen, mal die anderen<br />

abzustrafen bereit sind, ist in sich starr. Sie<br />

kann sich nicht verändern, und sie muss es auch<br />

nicht. In einer solchen Gesellschaft verläuft das Leben<br />

in halbwegs geordneten Bahnen, solange sich<br />

der Wohlstand stetig mehrt. Wie anders ist das heute!<br />

Erstmals erlebte ich eine Bundestagswahl, aus<br />

der fünf Parteien mit einem zweistelligen Wahlergebnis<br />

hervor gingen. Zum Beispiel die Linken,<br />

deren Werbung mich besonders ärgerte, weil diese<br />

Partei gegen alles, aber für nichts ist: gegen die<br />

Rente ab 67 und gegen Hartz IV. Auf dem nächsten<br />

Schild die Parole: „Raus aus Afghanistan!“ Es<br />

gab nur ein FÜR-Plakat, von dem Gregor Gysi mit<br />

spitzbübischem Lächeln verkündet: „Reichtum für<br />

alle!“ Darüber habe ich eine Weile nachgedacht.<br />

Von welchem Reichtum ist da eigentlich die Rede?<br />

Von unbegrenztem Wachstum und mehr Mehr in jeder<br />

Hinsicht als Inbegriff des Lebensglückes? „In<br />

Krisenzeiten hat die Philosophie Hochkonjunktur,<br />

und sie ist noch anspruchsvoller als die Wirtschaftswissenschaft,<br />

da sie das Ziel menschlichen Lebens<br />

nicht im wackeligen Einzelglück sieht, sondern in<br />

der Glückseligkeit - dem Zustand vollkommener<br />

Befriedigung und Wunschlosigkeit“, schreibt Ute<br />

Lauterbach in der Februarausgabe der emotion. Gefragt<br />

sind bei dieser Sinnsuche nicht die äußeren<br />

Glücksumstände (Wirtschaftswachstum), sondern<br />

die innere Glücksfähigkeit (Wunschlosigkeit). Das<br />

wunschlose Glück ist demnach nicht erreicht, wenn<br />

wir endlich alles haben, sondern wenn wir innere<br />

Fülle erleben in dem Bewusstsein, dass wir niemals<br />

alles haben werden. Doch selbst die einst alternativen<br />

Parteien reden von Reichtum. Und auch sie<br />

scheuen eine Debatte, die unsere Gesellschaft so<br />

dringend nötig hätte. Und warum? Weil wir<br />

zugunsten dieser Glücksfähigkeit materiellen<br />

Wohlstand abgeben müssten, und zwar wir alle. Offenbar<br />

ist es deshalb so schwer, die grundsätzliche<br />

Frage zu stellen, wie wir in Zukunft leben wollen?<br />

Angesichts begrenzter Ressourcen, angesichts der<br />

krank machenden Beschleunigung und angesichts<br />

der grenzenlosen Verschwendung in den Industrieländern.<br />

Diese grundsätzliche Frage wird nicht gestellt,<br />

weil wir Angst vor der Antwort haben und<br />

den Preis dafür nicht bezahlen wollen. Dieser Preis<br />

wäre nämlich das Gegenteil von all dem, was uns<br />

die Politiker immer und immer wieder verkünden.<br />

Er bestünde darin, auf Wachstum und weitere Schulden,<br />

aber auch auf mehr Wohlstand zu verzichten.<br />

<strong>Der</strong> Philosoph Martin Heidegger macht auf den<br />

Unterschied von „brauchen“ und „entbehren können“<br />

aufmerksam. Was brauchen wir wirklich? <strong>Der</strong><br />

Krempel als Ballast! „Wer loslässt, hat zwei Hände<br />

frei“, sagt man in China. Glücklich sind wir, wenn<br />

unser Kopf frei und unser Herz weit ist. Frei vom<br />

Wachstumszwang, frei von diesem Getriebensein!<br />

Dieses Glück zu fördern, könnte der Beginn eines<br />

neuen Zeitalters sein. Aber vielleicht hat Gregor<br />

Gysi ja genau diese Art von Reichtum gemeint.<br />

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<strong>Der</strong> Sarrazin’er<br />

www.pi-23.de<br />

-Sarazener: „ist ein Begriff, der ursprünglich einen im Nordwesten der Arabischen Halbinsel siedelnden<br />

Volksstamm bezeichnete. Im Gefolge der islamischen Expansion wurde der Begriff in lateinischen Quellen als<br />

Sammelbezeichnung für die muslimischen Völker des Mittelmeerraums und im Rahmen der christlichen Islampolemik<br />

verwendet.“ wikipedia.de<br />

-„Thilo Sarrazin (* 12. Februar 1945 in Gera) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er war von 2002 bis<br />

April 2009 Finanzsenator im Berliner Senat und ist seit dem 1. Mai 2009 Mitglied des Vorstands der Deutschen<br />

Bundesbank. Dort ist er für Risikocontrolling und den Bargeldumlauf in Deutschland zuständig.“ wikipedia.de<br />

Ein exponierter Vertreter des Großbürgertums<br />

pöbelt gegen die Unterschicht und die Mehrheit<br />

des Volkes – darunter sicher auch viele Angehörige<br />

der angesprochenen Unterschicht – gibt ihm recht.<br />

Die öffentliche Diskussion um die neuesten polemischen<br />

Spitzen des Bundesbankers, SPD-Politikers<br />

und ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo<br />

Sarrazin nimmt von Tag zu Tag abstrusere Formen<br />

an. Hatte Sarrazin früher mit Vorliebe gegen die<br />

gesamte Berliner Unterschicht gepöbelt, zerrte er<br />

in seiner neuesten Philippika türkische und arabische<br />

Migranten in den Mittelpunkt seiner Angriffe<br />

– und siehe da, das Volk ist endlich auf einer Linie<br />

mit Pöbel-Thilo.<br />

Sarrazins Gedankenwelt ist im konservativen<br />

Bürger- und Großbürgertum weitverbreitet – die<br />

geistigen Brandstifter tragen auch die Namen Broder<br />

und Giordano. In ihren Köpfen spukt ein Kulturkampf,<br />

in dem eine neue fremde Kultur das jüdisch-christliche<br />

Abendland über das Schlachtfeld<br />

der Kreißsäle erobern will. Sarrazin ist demnach<br />

auch kein klassischer Rassist, er hat gar nichts gegen<br />

Ausländer, Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund<br />

– aber nur solange sie ihren<br />

ökonomischen Teil in der Gesellschaft beitragen.<br />

Erbringen sie weniger monetäre Leistungen, als sie<br />

von der Gesellschaft zugewiesen bekommen, sind<br />

sie unerwünscht.<br />

Thilo Sarrazin ist selbst ein Bundesbürger mit<br />

Migrationshintergrund – er entstammt einem hugenottischen<br />

Geschlecht, das vor Jahrhunderten seine<br />

Chance in der Migration nach Deutschland suchte.<br />

Die Sarrazins haben es geschafft, Thilo wurde<br />

als Sohn eines großbürgerlichen Arztes und einer<br />

westpreußischen Großgrundbesitzerin geboren. In<br />

Sarrazins Kreisen ist eine antiegalitäre Weltsicht<br />

keineswegs ungewöhnlich. Angehörige der unteren<br />

Klassen werden nur dann als vollwertige Mitglieder<br />

der Gesellschaft angesehen, wenn sie dem<br />

Staat, der Gesellschaft und letztlich dem Großbürgertum<br />

treue Dienste leisten und Leistung erbringen.<br />

Eine Gesellschaft besteht allerdings nie nur<br />

aus Leistungsträgern nach Sarrazins Gusto, sondern<br />

auch aus den Mitmenschen, die für die Sarrazins<br />

dieser Welt dem Lumpenproletariat zugerechnet<br />

werden. Ginge es Thilo Sarrazin wirklich<br />

um Integration und Auflösung subproletarischer<br />

Milieus, so müsste er vor allem verstärkte Integrations-<br />

und Bildungsinvestitionen fordern. Sarrazin<br />

glaubt jedoch nicht an die soziale Mobilität. <strong>Der</strong><br />

Sohn eines immigrierten persischen Arztes oder<br />

eines sowjetischen Intellektuellen ist für ihn zwar<br />

immer noch ein Migrant, aber kein Problemfall, da<br />

er ganz nach Sarrazins Klassendünkel ja ein Angehöriger<br />

des Bürgertums ist.<br />

Waren in der alten Bonner Republik noch die<br />

meisten Vertreter der politischen Eliten kleinbürgerlicher<br />

oder proletatischer Herkunft, so befanden<br />

sich in der letzten Bundesregierung mit Ulla<br />

Schmidt, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier<br />

nur noch drei Arbeiterkinder auf der Regierungsbank,<br />

während erstmals mit Ursula von der<br />

Leyen, Thomas de Maizière und Karl Theodor<br />

zu Guttenberg gleich drei Vertreter des Großbürgertums<br />

Ministerposten bekleideten. In der neuen<br />

schwarz-gelben Koalition wird sich das Verhältnis<br />

wahrscheinlich noch weiter zugunsten des Großbürgertums<br />

verschieben. Es ist nicht zu bestreiten,<br />

dass Deutschland ein Integrationsproblem hat. Die<br />

von Sarrazin angesprochenen Fehlentwicklungen<br />

haben jedoch weniger eine ethnische, sondern vor<br />

allem eine soziale Komponente. Die alten und neuen<br />

Unterschichten in Gelsenkirchen, Berlin oder<br />

Halle sind zuvörderst nicht deutsch, türkisch oder<br />

arabisch. Sie eint vor allem eins – sie sind arm und<br />

haben kaum Chancen, diesem Schicksal zu entkommen.<br />

Wer versucht, die Diskussion um Chancengerechtigkeit<br />

auf eine ethnische Schiene zu lenken,<br />

will nur einen Keil in die Gesellschaft treiben.<br />

Gemäß dem Prinzip „teile und herrsche“<br />

soll davon abgelenkt werden, dass es beinahe die<br />

gleichen Ursachen hat, warum Mehmet aus Berlin-Neukölln,<br />

dessen Vater Hartz IV-Empfänger<br />

ist, und Anna aus Berlin-Marzahn, deren Vater<br />

ebenfalls Hartz IV-Empfänger ist, kaum Chancen<br />

haben, selbst aus diesem subproletarischen Milieu<br />

herauszukommen. Wenn sich in BILD und RTL<br />

über die Hartz IV-Abzocker aufgeregt wird, so hat<br />

dies vor allem einen Grund – eine ganze Bevölkerungsschicht<br />

soll anhand einiger schwarzer Schafe<br />

stigmatisiert werden, so dass der gemeine Bürger<br />

auf der Straße nicht erkennt, worin die eigentlichen<br />

wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme des<br />

Landes liegen. Solange der Bürger denkt, Hartz<br />

IV-Empfänger wären für ihr Schicksal selbst verantwortlich,<br />

und würden ihm als Steuerzahler betrügerisch<br />

auf der Tasche liegen, werden antiegalitäre<br />

Politiker weiterhin ihre neokonservative und<br />

neoliberale Politik betreiben können. Wenn sich<br />

Sarrazin nun über faule und integrationsunwillige<br />

Türken und Araber aufregt und von der konservativen<br />

Presselandschaft dafür mit klammheimlichem<br />

Beifall überschüttet wird, so wird dabei nur die<br />

nächste Sau durchs mediale Dorf getrieben. Nicht<br />

nur der deutsche Hartz IV-Betrüger, sondern auch<br />

„der Türke“ liegen also dem Steuerzahler auf der<br />

Tasche – und da „der Türke als solcher“ ja auch<br />

weder integrationswillig noch integrationsfähig ist,<br />

muss man den Sozialstaat gegen derlei ungewollte<br />

Kostenfaktoren abschirmen. Dass der Bürger auf<br />

der Straße letztendlich unter genau diesen Abschirmungen<br />

selbst am meisten leiden wird, wenn er im<br />

Alter von 50 Jahren von seinem Arbeitgeber vor die<br />

Tür gesetzt wird, und die Chancen seine eigenen<br />

Kinder unter einem antiegalitären Bildungssystem<br />

ebenfalls leiden, erkennt er jedoch nicht – teile und<br />

herrsche.<br />

Sarrazins Philippika wäre nie von der Mehrheit<br />

der Bevölkerung begrüßt worden, wenn sich<br />

die Gesellschaft nicht bereits seit Jahrzehnten vor<br />

einer sachlich geführten Einwanderungsdiskussion<br />

drücken würde. Natürlich ist der rosarote Traum<br />

einer multikulturellen Gesellschaft gescheitert, natürlich<br />

gibt es vor allem bei Türken und Arabern<br />

ein massives Integrationsproblem, natürlich muss<br />

man darüber nachdenken und offen diskutieren, an<br />

welche Voraussetzungen eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

in Deutschland geknüpft sein soll. Dies anzu-<br />

8<br />

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