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Adivasi. Hoffnung und Kampf der indischen - Gossner Mission

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<strong>der</strong> Tiger eine von ihnen, doch wir griffen<br />

den Tiger niemals an, denn auch diese Tiere<br />

haben ihre Anrechte.<br />

Wir arbeiteten auf <strong>der</strong> guten Erde <strong>und</strong><br />

pflanzten, <strong>und</strong> wenn die gute Erde erschöpft<br />

war, unsere Ernten zu tragen, dann ließen<br />

wir sie ruhen <strong>und</strong> gingen zu an<strong>der</strong>n Landstücken,<br />

<strong>und</strong> wenn ihr danach war, ließ sie<br />

an ihrem Busen von neuem einen w<strong>und</strong>ervollen<br />

Wald wachsen.<br />

Und wir Frauen arbeiteten viel auf den<br />

Fel<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zuhause, <strong>und</strong> wir brachten Kin<strong>der</strong><br />

zur Welt <strong>und</strong> zogen sie auf, was uns selbst<br />

<strong>und</strong> unserer Gemeinschaft viel Freude bereitete.<br />

Was wir von <strong>der</strong> Ernte übrig hatten, nahmen<br />

wir mit zu den Wochenmärkten <strong>und</strong><br />

tauschten es gegen all das, was uns fehlte,<br />

<strong>und</strong> mit denen, die wir trafen, tranken wir<br />

unser Reisbier, <strong>und</strong> wir teilten Freud <strong>und</strong> Leid<br />

mit ihnen.<br />

Wenn eine von uns krank wurde, so hatten<br />

wir unsere Kräuter <strong>und</strong> unsere Heilmethoden.<br />

Und wir opferten, um die bösen<br />

Geister zu besänftigen, damit sie unser Glück<br />

nicht stören würden. Wenn eine von uns<br />

krank wurde, so verstanden wir dies als eine<br />

Gefahr für uns alle <strong>und</strong> deshalb halfen wir<br />

alle mit, um diese Krankheit zu überwinden.<br />

Unsere Haltung jedem einzelnen Lebewesen<br />

gegenüber war geprägt von großer<br />

Achtung, <strong>und</strong> aus dieser Haltung heraus war<br />

es uns möglich, die Einmaligkeit eines jeden<br />

von uns anzuerkennen, unabhängig von<br />

Alter o<strong>der</strong> Geschlecht o<strong>der</strong> Herkunft. Jedes<br />

Lebewesen hatte seinen Platz im natürlichen<br />

Zyklus <strong>und</strong> war darum wichtig. Das war<br />

eine sehr wichtige Lehre, die uns die Natur<br />

auf ihre Weise beibrachte. Es war diese<br />

Achtung vor dem Lebendigen <strong>und</strong> vor <strong>der</strong><br />

Natur, welche unser Verständnis von dem,<br />

was menschlich ist, geformt hat. Wenn die<br />

Gesamtheit dieser Bedeutungen in einem<br />

einzigen Wort unserer verschiedenen Sprachen<br />

ausgedrückt werden könnte, dann ist<br />

es »Johar«.<br />

Aber lasst uns heute sehen, was mit diesem<br />

Wort »Johar« geschehen ist. Wir spüren, dass<br />

unsere Willkommenshaltung als selbstverständlich<br />

genommen wurde. Wir haben im<br />

folgenden die Stimmen <strong>und</strong> Gefühle unserer<br />

Leute aus verschiedenen Teilen Jharkhands<br />

gesammelt:<br />

»Wir haben zu euch »Johar« gesagt, aber<br />

ihr habt unser Land weggenommen <strong>und</strong> uns<br />

zu Landlosen gemacht ... Wir haben »Johar«<br />

zu euch gesagt <strong>und</strong> euch fre<strong>und</strong>lich eine<br />

Blätterschale mit unserem Reisbier angeboten,<br />

aber ihr habt gleich nach <strong>der</strong> ganzen<br />

Hand gegriffen <strong>und</strong> uns Gewalt angetan, um<br />

uns Frauen euch gefügig zu machen <strong>und</strong> um<br />

eure sinnlichen Gelüste zu befriedigen ...<br />

Wir sagten »Johar« zu euch, aber ihr habt<br />

jene gewaltigen Maschinen hergebracht <strong>und</strong><br />

Fabriken, Staudämme <strong>und</strong> Städte gebaut,<br />

<strong>und</strong> so haben Tausende von uns ihr Zuhause<br />

verloren ...<br />

Wir haben »Johar« zu euch gesagt <strong>und</strong><br />

haben euch nie unsere Lebensweise aufgedrängt.<br />

Aber wir sind gezwungen worden,<br />

eure Art, eure Gesetze zu befolgen – selbst<br />

wenn wir sie nicht verstehen. Und dazu<br />

macht ihr euch ständig über unsere Lebensart<br />

<strong>und</strong> unsere Bräuche lustig ...<br />

Wir haben »Johar« zu euch gesagt, doch<br />

unsere Lie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Tänze, unsere Sprache <strong>und</strong><br />

unsere Volkskunst sind nichts an<strong>der</strong>es als Seiten<br />

in Büchern in den Bibliotheken geworden,<br />

<strong>und</strong> eure Ethnologen können darüber<br />

debattieren. So habt ihr unsere Geschichte<br />

verfälscht, unsere Kultur missverstanden <strong>und</strong><br />

sie zu einer Ware gemacht, die in euren<br />

Universitäten <strong>und</strong> Seminaren feilgeboten<br />

wird. Wir sagten »Johar« zu euch, doch unser<br />

traditionelles <strong>und</strong> zuverlässiges Ges<strong>und</strong>heitssystem<br />

ist zerstört worden. Die Kräuter<br />

gibt es nicht mehr, weil ihr Bäume auf<br />

unserem Land gepflanzt habt, die wir nicht<br />

kennen. Sogar die Kräuter, die wir Frauen zur<br />

Kontrolle unserer Fruchtbarkeit verwendet<br />

haben, gibt es nicht mehr. Im März 1989 sind<br />

nacheinan<strong>der</strong> mehr als dreih<strong>und</strong>ert von uns<br />

in vielen Gebieten <strong>der</strong> Jharkhand-Region gestorben.<br />

Die Leute von <strong>der</strong> Regierung sagten,<br />

es sei »Meningitis«. In einigen Dörfern<br />

wurde Medizin ausgegeben, <strong>und</strong> es hieß, die<br />

würde uns ges<strong>und</strong> machen. Wir verstehen<br />

nicht, warum so viele haben sterben müssen.<br />

Warum wurden nur die Ärmsten zu Opfern?<br />

Warum starben mehr Frauen <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>?<br />

Wir hoffen, eines Tages Antworten auf<br />

diese Fragen zu bekommen. Auch heute sterben<br />

zu viele Leute an Malaria <strong>und</strong> Filariose<br />

o<strong>der</strong> werden davon geschädigt, <strong>und</strong> die Medikamente,<br />

die man uns dagegen gibt, sind<br />

nicht mehr wirksam ... Wir sagten »Johar« zu<br />

euch, aber nicht einmal unsere Philosophie<br />

<strong>und</strong> Spiritualität wurden verschont. Eure Soziologen<br />

<strong>und</strong> Theologen machten gar Überst<strong>und</strong>en,<br />

um unsere Glaubensvorstellungen<br />

aus <strong>der</strong> Sicht eurer Religionen zu verdrehen.<br />

Diejenigen, die solche Verdrehungen nicht<br />

formulieren konnten, gaben unserem Glauben<br />

abschätzige Bezeichnungen ...<br />

Wir sagten »Johar« zu euch, doch heute<br />

müssen unsere Leute zu so weitentfernten<br />

Orten wie Patna, Delhi o<strong>der</strong> in den Panjab<br />

gehen, um als Schuldknechte in Steinbrüchen<br />

<strong>und</strong> Ziegeleien zu arbeiten ... Wir hatten<br />

unser eigenes System, mit Wasser hauszuhalten<br />

<strong>und</strong> Fische zu halten, <strong>und</strong> unsere gut<br />

behüteten Wäl<strong>der</strong> sicherten uns regelmäßigen<br />

Regen. Doch heute sind alle Flüsse, Bäche<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>n Wasserquellen zu euren<br />

Wohnorten, euren Fabriken <strong>und</strong> Bergbaustätten<br />

umgeleitet, <strong>und</strong> als Gegenleistung<br />

kippt ihr euren Abfall, eure Abwässer <strong>und</strong> den<br />

Industriedreck auf unsere Fel<strong>der</strong> <strong>und</strong> unser<br />

Eine typische Straßenrandszene in Indien:<br />

Tagelöhner – häufig <strong>Adivasi</strong> – zerklopfen für<br />

einen geringen Lohn Steine zu Straßenschotter.<br />

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