Brief - Gymnasium am Wall, Verden
Brief - Gymnasium am Wall, Verden
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Kollegium des<br />
<strong>Gymnasium</strong>s <strong>am</strong> <strong>Wall</strong><br />
Windmühlenstraße 9<br />
27283 <strong>Verden</strong>/Aller<br />
23. Oktober 2013<br />
Sehr geehrter Herr Santjer (MdL) ! Sehr geehrte Frau Twesten (MdL) !<br />
Das rot-grüne Landeskabinett beschloss <strong>am</strong> 3. Juli 2013, dass<br />
• Lehrkräfte an Gymnasien ab Schuljahresbeginn 2014 eine Stunde pro Woche mehr unterrichten sollen<br />
und<br />
• die seit langem beschlossene Wiederherstellung der früheren Altersermäßigung „ausgesetzt“ werden soll<br />
(gültig für alle Schulformen).<br />
Unabhängig davon sollen die Landesbe<strong>am</strong>ten die zum 1.1.2014 mit den Angestellten vereinbarte Tariferhöhung<br />
erst mit einer Verspätung von 5 Monaten erhalten.<br />
Auf diese Beschlüsse hat das Kollegium des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>am</strong> <strong>Wall</strong> mit Unverständnis und Empörung reagiert.<br />
lm Hinblick auf die dazu anstehende Debatte und Abstimmung im Dezember 2013 bitten wir Sie als Mitglied<br />
des Niedersächsischen Landtags um Ihre persönliche Stellungnahme zu einigen diesbezüglichen Fragen.<br />
1. Zunächst gehen wir davon aus, dass Ihre Entscheidungsfindung nicht ausschließlich auf einem Vergleich<br />
der Anzahl der Pflichtstunden für Gymnasiallehrer mit anderen Bundesländern beruht. Ein solch vereinfachter<br />
Vergleich ist prinzipiell unzulässig, weil er die bundesweit unterschiedlichen Arbeitsbedingungen<br />
nicht berücksichtigt. So sind Ihnen die Übersicht, die vom Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister<br />
der Länder der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Altersermäßigung herausgegeben wurde,<br />
sicherlich bekannt, ebenso wie ausführliche Informationen zu Anrechnungsstunden und Ermäßigungsregeln,<br />
die Anzahl und der Umfang von Klassenarbeiten und Klausuren in anderen Bundesländern sowie<br />
die unterschiedliche Anzahl der Feiertage in den einzelnen Bundesländern.<br />
Welche Konsequenz ergibt sich daraus für Ihr Abstimmungsverhalten ?<br />
2. Die Niedersächsische Verordnung über die Arbeitszeit der Be<strong>am</strong>tinnen und Be<strong>am</strong>ten an öffentlichen Schulen<br />
legt in § 22 fest, dass die Arbeitszeit 40 Wochenstunden beträgt. Sie gilt auch für Lehrerinnen und Lehrer<br />
- unter Berücksichtigung der für Niedersachsen geltenden spezifischen Regelungen bezüglich Pflichtstundenzahl,<br />
außerunterrichtlichen Verpflichtungen, Anrechnungsstunden und Ermäßigung. Sollten die o.a.<br />
Maßnahmen beschlossen werden, geht die rot-grüne Landesregierung offensichtlich davon aus, dass insbesondere<br />
Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien diese wöchentliche Arbeitszeit bisher nicht erreicht haben.<br />
Anderenfalls bitten wir Sie, darzulegen, welche zeitaufwendigen Aufgaben ab dem 1.8.2014 für Gymnasiallehrkräfte<br />
wegfallen werden, um die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden durch<br />
die Erhöhung der Pflichtstundenzahl auf 24,5 Wochenstunden nicht zu überschreiten.<br />
Sollten Sie dennoch für die Erhöhung der Pflichtstundenzahl auf 24,5 Wochenstunden stimmen, bitten wir<br />
Sie um eine Begründung und fragen Sie daher:<br />
Welche Auffassung vertreten Sie hinsichtlich der Lehrerarbeitszeit unter Berücksichtigung des § 22 der<br />
Niedersächsischen Verordnung über die Arbeitszeit der Be<strong>am</strong>tinnen und Be<strong>am</strong>ten an öffentlichen Schulen<br />
?<br />
3. Vor 15 Jahren verpflichtete sich die Landesregierung bzw. Frau Jürgens-Pieper, die Rückerstattung der durch<br />
das Arbeitszeitkonto von den Lehrkräften im Vorhinein geleisteten Mehrstunden ordnungsgemäß durchzuführen<br />
und dabei bis zum Jahre 2023 keine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtungen an Gymnasien einzuleiten.<br />
Sollte die Unterrichtsverpflichtung um eine Wochenstunde erhöht werden, bedeutete dies für sehr<br />
viele Lehrkräfte, dass ihre Arbeitszeitkonten nicht vollständig ausgeglichen werden. Sollten Sie jetzt für die<br />
o.a. Maßnahmen stimmen, so beteiligen Sie sich unseres Erachtens an einem Wortbruch.<br />
Werden Sie diesen Wortbruch mit Ihrer Stimme unterstützen ?
4. Die Reduzierung der Altersermäßigung diente der Realisierung eines Modells der Altersteilzeit, das jetzt<br />
ausgelaufen ist. Viele ältere Lehrkräfte des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>am</strong> <strong>Wall</strong> haben seit mehreren Jahren auf die zustehende<br />
vollständige Altersermäßigung verzichtet und darauf vertraut, dass sie ab 1.8.2014 zwei Stunden<br />
Ermäßigung erhalten, viele andere - etwas jüngere Kolleginnen und Kollegen - darauf, dass sie dann - mit<br />
Erreichen des 55. Lebensjahres - in den Genuss einer Ermäßigungsstunde kommen werden.<br />
Diese Ermäßigung ist angesichts der täglichen Belastung absolut gerechtfertigt ist. Bitte bedenken Sie, was<br />
es bedeutet, täglich fünf bis sechs Stunden vor Klassen zu stehen und dabei täglich weit mehr als 100<br />
gänzlich verschiedene Schüler und Schülerinnen in oftmals zu großen Lerngruppen zu unterrichten, individuell<br />
zu bewerten und dabei immer häufiger Störungen und Verhaltensauffälligkeiten zu korrigieren.<br />
Auch die Inklusion, die ohne spezifische Ausbildung von Lehrkräften und ohne angemessene Fortbildung<br />
eingeführt wurde, erhöht die Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern erheblich.<br />
Sehen auch Sie diese Belastung und welche Konsequenz ergibt sich ggf. für Ihr Abstimmungsverhalten ?<br />
5. Die o.a. Maßnahmen werden zu Einsparungen von ca. 1.900 Planstellen führen und d<strong>am</strong>it zur Überalterung<br />
der Kollegien beitragen.<br />
Sollten Sie diesen Maßnahmen zustimmen - welche Begründung geben Sie jungen Lehr<strong>am</strong>tsstudentinnen<br />
und -studenten an niedersächsischen Universitäten oder auch Referendarinnen und Referendaren an Studienseminaren<br />
?<br />
6. Der Landesrechnungshof hat jüngst auf die Problematik zunehmender Krankheitsfälle bei Lehrkräften hingewiesen.<br />
Wie stehen Sie zu den Ergebnissen der Studie und welche Konsequenzen ergeben sich für Ihr Abstimmungsverhalten<br />
?<br />
7. Noch ein abschließender Aspekt: Die geplanten Maßnahmen bedeuten für uns faktisch eine Gehaltskürzung<br />
von fast 13% - und das bei Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld seit längerer Zeit.<br />
Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Diäten um diesen Prozentsatz gekürzt würden ?<br />
Wir bitten Sie uns Ihre persönliche Sichtweise bezüglich aller von uns aufgeworfenen Fragen in schriftlicher<br />
Form zukommen zu lassen.<br />
Zudem laden wir Sie ein, an einem Tag in der nahen Zukunft, den Sie bitte in Absprache mit der Schulleitung<br />
und dem Personalrat des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>am</strong> <strong>Wall</strong> festlegen, an einer Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen<br />
teilzunehmen, um Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen Raum für persönliche Überzeugungsarbeit zu geben.<br />
Die Diskussionen in zahlreichen Schulkollegien zeigen schon jetzt, dass eine mögliche Umsetzung der o.a.<br />
Maßnahmen schwerwiegende Folgen für ein lebendiges Schulwesen in Niedersachsen haben würde. So hat die<br />
Personalvers<strong>am</strong>mlung <strong>am</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>am</strong> <strong>Wall</strong> vom 1.10. 2013 und die Dienstbesprechung <strong>am</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />
<strong>am</strong> <strong>Wall</strong> vom 23.10.2013 mit großer Mehrheit beschlossen, für den Fall der Erhöhung der Pflichtstundenzahl<br />
auf 24,5 Wochenstunden und der Rücknahme der Altersermäßigungen im Schuljahr 2014/15 keine Schulfahrten,<br />
ausgenommen Musik- und Theaterfahrten, mehr durchzuführen.<br />
Votieren Sie deshalb gegen die unberechtigte und ungerechte Erhöhung der Lehrerarbeitszeit!<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Kollegium des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>am</strong> <strong>Wall</strong><br />
i.A.<br />
Thomas Schall<br />
Vorsitzender des Personalrats <strong>am</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>am</strong> <strong>Wall</strong>