Grüne Gentechnik - EU-Koordination
Grüne Gentechnik - EU-Koordination
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Positionen<br />
<br />
Vom "Goldenen Reis" zur<br />
Gentech-Kontamination<br />
Ein Debattenüberblick zur <strong>Grüne</strong>n<br />
<strong>Gentechnik</strong><br />
Im Unterschied zum Begriff "Rote <strong>Gentechnik</strong>",<br />
der die Verwendung von Gentechnologie<br />
im Medizinbereich beschreibt,<br />
wird als "<strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong>" deren Verwendung<br />
im Agrarbereich bezeichnet.<br />
Einige Kritiker/innen bevorzugen inzwischen<br />
die Bezeichnung "Agro<strong>Gentechnik</strong>",<br />
weil sich das "grün" allzu verharmlosend<br />
anhöre und gänzlich andere Assoziationen<br />
wecke.<br />
<strong>Gentechnik</strong> in der Landwirtschaft:<br />
"grün" gleich "öko"?<br />
Die <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong> ist also keine Alternative<br />
zur Industrielandwirtschaft, sondern<br />
ein Teil von ihr - eine durchweg<br />
ökonomisierte Angelegenheit. Derweil gibt<br />
es weltweit milliardenschwere Forschungsund<br />
Förderprogramme, die die Forschungen<br />
im Bereich Biotechnologie und<br />
<strong>Gentechnik</strong> unterstützen. Firmen<br />
investieren und erwarten Gewinne.<br />
Politischer Druck: <strong>Gentechnik</strong>streitfall<br />
vor der WTO<br />
Die USA haben Mitte Mai die <strong>EU</strong> vor der<br />
Welthandelsorganisation WTO verklagt. Sie<br />
halten das Moratorium für die Einfuhr von<br />
gentechnisch veränderten Organismen<br />
(GVO) für wettbewerbswidrig - eine Gruppe<br />
von WTO-Handelsexperten könnte nun<br />
in einem Streitschlichtungsverfahren<br />
darüber entscheiden, wie die Nahrung in<br />
der <strong>EU</strong> aussehen wird. Dass das Moratorium<br />
fallen wird, ist bereits beschlossene<br />
Sache. Im Juli entschied die <strong>EU</strong> über eine<br />
neue Richtlinie zur Kennzeichnung von<br />
Nahrungs- und Futtermitteln mit bestimmten<br />
Grenzwerten und die Aufhebung des<br />
Einfuhrverbotes (<strong>EU</strong>R 03.03, S. 34, 36;<br />
<strong>EU</strong>R 07.03, S. 38f.).<br />
Was soll und kann <strong>Gentechnik</strong>?<br />
Wissenschaftler/innen aus aller Welt erforschen<br />
in Labors, wie Pflanzen mit <strong>Gentechnik</strong><br />
den Bedürfnissen der industriellen<br />
Landwirtschaft angepasst werden können.<br />
Geforscht wird unter anderem an:<br />
- Herbizidresistenzen;<br />
- Insektenresistenzen;<br />
- Krankheitsresistenzen;<br />
- Salz- und Dürreresistenz, generell Resistenz<br />
gegen abiotische Stressfaktoren<br />
(Kälte, Überschwemmung etc.);<br />
<br />
Novel Food und Feed (Pflanzen und<br />
Früchte mit einem höheren Gehalt an<br />
bestimmten Inhaltsstoffen wie Vitamine,<br />
Mineralstoffe oder medizinischen Wirkstoffe;<br />
z.B. "Goldener Reis" mit Provitamin A);<br />
- Bäumen: z.B. Steigerung der Biomasseproduktion,<br />
Senkung des Ligningehaltes<br />
(der die Papierproduktion verteuert),<br />
Schadstoffbindung/ Altlastensanierung;<br />
- Früchten: Uniformität im Aussehen,<br />
bessere Transporttauglichkeit, gleichzeitige<br />
Erntbarkeit (Reife in kleinem "Erntefenster").<br />
Vom Labor in die Landschaft:<br />
Freisetzungsversuche<br />
Nach der Laborerforschung werden die<br />
GVO in einem Freisetzungsversuch außerhalb<br />
eines geschlossenen Systems (Gewächshaus,<br />
Labor) in der Landschaft<br />
erprobt. Freisetzungen gentechnisch<br />
veränderter Organismen werden seit<br />
1990 in allen <strong>EU</strong>-Ländern nach einheitlichen<br />
Rechtsvorschriften genehmigt. Die<br />
<strong>EU</strong>-Richtlinie über die absichtliche Freisetzung<br />
genetisch veränderter Organismen<br />
in die Umwelt (90/220) ist 2001 gründlich<br />
überarbeitet und verschärft worden<br />
und im Oktober 2002 in Kraft getreten.<br />
Seit es ein Moratorium für die Einfuhr<br />
gentechnisch veränderter Organismen<br />
gibt (1998), ist die Zahl der Anträge<br />
zurückgegangen. Da aber absehbar war,<br />
dass dieser Einfuhrstopp nicht mehr lange<br />
existieren würde, ist die Zahl der Anträge<br />
in diesem Jahr wieder gestiegen. Elf Staaten<br />
haben bisher versäumt, nationale<br />
Richtlinien zur Freisetzung von GVO zu<br />
erlassen, weshalb die <strong>EU</strong>-Kommission<br />
inzwischen Klage vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof erhoben hat (<strong>EU</strong>R 08.03,<br />
S. 21).<br />
Gesundheitsbedenken, wirtschaftliche<br />
Abhängigkeiten und Hybride<br />
Viele Freisetzungsversuche werden von<br />
Bürgerinitiativen der benachbarten Anwohner/innen<br />
bekämpft, die in ihrer näheren<br />
Umgebung oder generell keine GVO<br />
haben wollen, weil sie gesundheitliche<br />
Bedenken haben oder darin einen Verstoß<br />
gegen Natur- und Umweltschutz<br />
sehen. <br />
Gerade Bauern und Bäuerinnen und<br />
Biobäuer/innen im Speziellen, die ohne<br />
<strong>Gentechnik</strong> auskommen und dies auch<br />
weiter wollen, fürchten bei der Verbreitung<br />
von GVO eine Gefahr für ihr Einkommen.<br />
Sie argumentieren zum Beispiel im<br />
Falle von Herbizidresistenzen, dass die<br />
Abhängigkeit von den großen Firmen<br />
wächst: Erstens verkaufen diese das<br />
Saatgut nur im Doppelpack mit dem dazugehörigen<br />
Herbizid, zweitens ist das<br />
Saatgut meist unfruchtbar (Hybrid-Zucht).<br />
Im nächsten Jahr muss es also wieder neu<br />
gekauft werden, weil eine eigene Zucht<br />
unmöglich ist.<br />
Problemfeld Koexistenz: friedliches<br />
Miteinander quasi unmöglich<br />
Gentechnisch veränderter Pollen kann<br />
sich durch Insekten und Wind ausbreiten,<br />
sich an Kleidung heften und teilweise<br />
weite Strecken überwinden. Auch beim<br />
Transport, bei der Lagerung und bei der<br />
gemeinsamen Nutzung von Maschinen<br />
kann es zu Verunreinigungen kommen.<br />
Gentechnisch verändertes Saatgut kann<br />
auf Jahre im Boden überwintern und sich<br />
ausbreiten (z.B. bei Raps) und auch auf<br />
wilde Verwandte auskreuzen, dabei ist es<br />
unerheblich, ob es sich um ein konventionell<br />
oder ein ökologisch bewirtschaftetes<br />
Feld handelt. Daraus folgt, dass es eine<br />
rechtsverbindliche Garantie für <strong>Gentechnik</strong>-Freiheit<br />
nicht mehr geben kann, wenn<br />
in einer Region erst einmal gentechnisch<br />
veränderte Pflanzen derselben Kulturart<br />
angebaut werden. Verbraucher/innen und<br />
Landwirte wollen aber auch in Zukunft<br />
zwischen Produkten mit und ohne <strong>Gentechnik</strong><br />
frei wählen können.<br />
Problemfeld Wahlfreiheit und<br />
Verbraucherschutz<br />
Während die Agrar- und Saatgut-Industrie<br />
unter "Wahlfreiheit" ein Verschmutzungsrecht<br />
- d.h. "freie Wahl von GVO" - verstanden<br />
wissen will, verstehen Umweltschützer<br />
darunter ein Schutzrecht - d.h.<br />
der Verzicht auf GVO muss Landwirten wie<br />
Verbraucher/innen weiterhin möglich sein.<br />
Diese Möglichkeit besteht in der Praxis<br />
allerdings nur dann, wenn<br />
- in ausreichend weiträumigen Anbaugebieten<br />
auf den Einsatz von GVO verzichtet<br />
wird und<br />
- konventionelles und biologisches Saatgut<br />
weiterhin frei bleibt von gentechnischen<br />
Verunreinigungen.<br />
<br />
4 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03