Grüne Gentechnik - EU-Koordination
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Lektionen<br />
<br />
Schöne neue grüne Welt:<br />
Internationale Tendenzen<br />
Vier Länder führen beim Gentech-<br />
Anbau, doch der Widerstand wächst<br />
60 Millionen Hektar, anderthalb mal so<br />
groß wie Deutschland: Das ist die Fläche,<br />
auf der weltweit gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen angebaut werden. Damit ist die<br />
Gen-Pflanzen-Fläche heute 35-mal größer<br />
als 1996. Die Zahlen meldete die international<br />
tätige Agrobiotechnologie-Agentur<br />
ISAAA im vergangenen Jahr. Laut ISAAA<br />
entfallen bereits 23 Prozent der weltweiten<br />
Erzeugung der vier Kulturarten Soja,<br />
Mais, Raps und Baumwolle auf GVO-<br />
Sorten (GVO: gentechnisch veränderte<br />
Organismen).<br />
Knapp 99 Prozent der Anbaufläche verteilen<br />
sich auf vier Länder: USA (39 Millionen<br />
Hektar), Argentinien (14), Kanada (4),<br />
China (2). Zwölf weitere Ländern bauen<br />
genmanipulierte Pflanzen an. In Südafrika<br />
und Australien findet man eine Fläche von<br />
über 100.000 Hektar vor. Indien, Kolumbien<br />
und Honduras haben 2002 erstmals<br />
GVO-Pflanzen genehmigt. Seit September<br />
2003 ist in Brasilien der Anbau gentechnisch<br />
veränderter Sojabohnen erlaubt.<br />
Drei Milliarden Umsatz<br />
Drei Milliarden US-Dollar Umsatz wurden<br />
im Jahr 2002 auf dem Markt für transgenes<br />
Saatgut inklusive dem für an die Gen-<br />
Pflanzen angepassten Pestizide erzielt.<br />
Das sind sieben Prozent des gesamten<br />
Weltmarktumsatzes für Saatgut und Pflanzenschutzmittel.<br />
Die Europäer und insbesondere die Deutschen<br />
stehen dem Einsatz der <strong>Gentechnik</strong><br />
in Lebensmitteln eher skeptisch gegenüber.<br />
Gentechnisch veränderte Pflanzen<br />
werden nur zu Forschungszwecken gezüchtet.<br />
Spanien ist das einzige <strong>EU</strong>-Land,<br />
das Gen-Pflanzen in der Landwirtschaft<br />
nutzt. Seit 1998 wird dort auf etwa<br />
25.000 Hektar insektenresistenter Mais<br />
angebaut.<br />
Kritiker und Befürworter der Nutzung von<br />
grüner <strong>Gentechnik</strong> gibt es weltweit. Ein<br />
Blick in ausgewählte Länder zeigt, wie<br />
unterschiedlich mit der neuen Technik<br />
umgegangen wird. <br />
China: GVO-Baumwolle ja,<br />
GVO-Nahrung nein<br />
Laut dem ISAAA-Bericht weist China mit<br />
40 Prozent den stärksten Zuwachs an<br />
<strong>Gentechnik</strong> in der Landwirtschaft auf. Auf<br />
mehr als zwei Millionen Hektar ist dort<br />
insektenresistente Baumwolle angebaut<br />
worden. Das entspricht der Hälfte der<br />
nationalen Baumwollerzeugung. Gentechnisch<br />
veränderte Nahrungsmittel lehnen<br />
die chinesischen Verbraucher allerdings<br />
mehrheitlich ab, berichtete Greenpeace im<br />
Juli.<br />
32 Unternehmen hätten sich deshalb<br />
offiziell verpflichtet, keine genmanipulierten<br />
Lebensmittel mehr auf den Markt zu<br />
bringen (<strong>EU</strong>R 08.03, S. 8). "Einige Lebensmittelunternehmen<br />
sind klug genug,<br />
eine Lehre aus Nestlés schlechtem Beispiel<br />
zu ziehen", so Greenpeace-Sprecher<br />
Sze Pang-Cheung. Der Konzern war im<br />
Vorjahr in China in Verruf geraten, weil er<br />
Gen-Nahrung, die er aufgrund von<br />
Verbraucherprotesten in Europa nicht<br />
verkaufen konnte, auf den asiatischen<br />
Markt gedrückt hatte. Auch die chinesische<br />
Regierung setze sich für gentechnikfreie<br />
Lebensmittelproduktion ein, so<br />
Greenpeace. Seit März 2003 dürfen in<br />
den größten Soja-produzierenden Provinzen<br />
im Nordosten des Landes keine genmanipulierten<br />
Sojapflanzen angebaut<br />
werden. Gesetze zur Kennzeichnung von<br />
Gen-Nahrung sind in Arbeit.<br />
Brasilien: Gen-Soja für ein Jahr<br />
erlaubt, Bauern haften selbst<br />
Kurz vor der beginnenden Aussaat hat<br />
der brasilianische Vizepräsident José<br />
Alencar im September diesen Jahres ein<br />
Gesetz unterzeichnet, das den Anbau<br />
gentechnisch veränderter Herbizid-resistenter<br />
Sojabohnen erlaubt. Die Genehmigung<br />
gilt zunächst für ein Jahr und ist mit<br />
Auflagen verbunden: Die Landwirte, die<br />
Gen-Soja anbauen wollen, müssen eine<br />
Erklärung unterzeichnen, dass sie für das<br />
Saatgut Lizenzgebühren an den US-Agrarkonzern<br />
Monsanto zahlen. Außerdem<br />
müssen sie die Verantwortung für mögliche<br />
Umweltschäden und Beeinträchtigungen<br />
von Nachbarfeldern, zum Beispiel<br />
durch Auskreuzung, selbst übernehmen.<br />
<br />
Das neue Gesetz ist der Versuch, eine seit<br />
längerem übliche illegale Praxis zu legalisieren.<br />
Vor allem im südbrasilianischen<br />
Bundesstaat Rio Grande do Sul wird seit<br />
einiger Zeit GVO-Sojasaatgut aus Argentinien<br />
und Paraguay eingeschmuggelt. Ob<br />
die mächtigen Farmer in Rio Grande do<br />
Sul die verlangten Erklärungen unterschreiben,<br />
erscheint fraglich. Der Internet-<br />
Informationsdienst TransGen berichtete,<br />
bisher gebe es kein staatliches Überwachungssystem<br />
für den GVO-Anbau. Außerdem<br />
seien bisher die Lizenzgebühren<br />
durch eigene Nachzucht des eingeschmuggelten<br />
GVO-Saatguts umgangen<br />
worden.<br />
Kleinere Landwirtschaftsbetriebe fürchten,<br />
dass Brasilien mit der Legalisierung von<br />
GVO-Soja Marktchancen in Europa und<br />
Asien einbüßt. Bisher wurde die Nachfrage<br />
nach Sojarohstoffen, bei denen der<br />
GVO-Anteil unterhalb der Kennzeichnungsschwelle<br />
von einem Prozent liegt,<br />
vor allem von Brasilien gedeckt. 2002 hat<br />
Brasilien etwa 15 Millionen Tonnen Soja<br />
nach Europa exportiert und ist damit<br />
Europas größter Sojalieferant.<br />
Kanada: Kaum gentechnikfreier<br />
Rapsanbau möglich<br />
In Kanada erlangte ein Farmer in den<br />
vergangenen Jahren traurige Berühmtheit:<br />
Percy Schmeiser, der seit 40 Jahren auf<br />
seinen Feldern Raps anbaut, wurde 1998<br />
vom US-Agrarunternehmen Monsanto<br />
verklagt. Gen-Detektive von Monsanto<br />
hatten auf Schmeisers Feldern Raps mit<br />
Genen einer von dem Konzern gentechnisch<br />
veränderten und patentierten Rapssorte<br />
gefunden. Schmeiser bestritt, GVO-<br />
Raps angebaut zu haben und vermutete,<br />
dass seine Rapsfelder durch Pollen von<br />
Nachbarfeldern mit Gen-Raps kontaminiert<br />
wurden. Der Landwirt wurde zu Entschädigungszahlungen<br />
von 400.000 kanadischen<br />
Dollar verurteilt, sein gesamtes<br />
Saatgut wurde eingezogen. Schmeiser hat<br />
gegen dieses Urteil Berufung vor dem<br />
höchsten kanadischen Gerichtshof eingelegt.<br />
Der Berufung wurde stattgegeben,<br />
im kommenden Januar geht es in die<br />
letzte Runde des Patentstreits. <br />
16 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03