Grüne Gentechnik - EU-Koordination
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Lektionen<br />
<br />
GVO-Krise in Großbritannien:<br />
Lektion für Europa?<br />
Skandale in Politik und Wissenschaft,<br />
mehrere <strong>Gentechnik</strong>-kritische Studien<br />
Auf der "Insel" scheint in Bezug auf die für<br />
diesen Herbst geplante Einführung von<br />
gentechnisch veränderten Organismen<br />
(GVO) auf den Agrarmarkt alles drunter<br />
und drüber zu gehen. Die Labour-Regierung<br />
unter Tony Blair hat die Fäden offenbar<br />
nicht mehr in der Hand.<br />
Zu dreist hatte New Labour versucht, die<br />
Interessen der Biotech-Agrarindustrie<br />
durchzudrücken, obwohl öffentlich bekannt<br />
war, dass enge Verflechtungen<br />
zwischen wichtigen Mitgliedern der Labour<br />
Party und einschlägigen Unternehmen<br />
bestanden (<strong>EU</strong>R 08.03, S. 22). Dass die<br />
Wahl für den neuen Pressechef nach<br />
Alistair Campbell auf David Hill fiel, war in<br />
diesem Kontext kein glücklicher Griff: Hill<br />
besitzt 95.000 Optionsscheine einer<br />
Public-Relationsfirma, die hauptsächlich<br />
Unternehmen der Agrarindustrie vertritt<br />
(<strong>EU</strong>R 09.03, S. 36).<br />
Wie in der Politik, so auch in der<br />
Wissenschaft<br />
Auch der britische Wissenschaftsbetrieb<br />
offenbart in der momentanen Krise erschreckende<br />
Einsichten. Das britische<br />
System werde nicht mehr von der Suche<br />
nach Wissen dominiert wird, sondern von<br />
den Interessen der Wirtschaft - so berichtete<br />
der Guardian am 19. August (<strong>EU</strong>R<br />
08.03, S. 23). In einer jetzt in Auftrag<br />
gegebenen Studie soll untersucht werden,<br />
inwiefern unorthodoxe, GVO-kritische<br />
Arbeiten von der Royal Academy, dem<br />
offiziellen wissenschaftlichen Rat Großbritanniens<br />
durch das System des Peer<br />
Reviews zurückgehalten werden. Im Rahmen<br />
des Peer Reviews werden Arbeiten<br />
von anderen Wissenschaftlern begutachtet.<br />
Durch eine schlechte Bewertung<br />
können Arbeiten sozusagen "vom Markt"<br />
geholt werden, eine breite Veröffentlichung<br />
ist dann nicht mehr möglich. In der<br />
letzten Zeit habe es mehrere Fälle davon<br />
gegeben, dass Wissenschaftler auf diesem<br />
und auf anderem Wege durch den Wissenschaftsapparat<br />
mundtot gemacht<br />
worden seien. <br />
Studien der Regierung bringen<br />
"überraschende" Ergebnisse<br />
Der Versuch der britischen Regierung, die<br />
Aufregung mit den Ergebnissen einiger<br />
von ihr in Auftrag gegebener Studien zu<br />
glätten, ging nach hinten los:<br />
Kein Vorteil für Konsumenten<br />
Die erste Studie des Kabinettbüros von<br />
Tony Blair kam zu dem Schluss, dass der<br />
Anbau von GVO-Sorten keinen direkten<br />
Vorteil für den Konsumenten oder für die<br />
Wirtschaft bringen würde. Damit sprechen<br />
sie der wiederholten Behauptung Blairs<br />
Hohn, GVO seien unverzichtbar für die<br />
britische Wirtschaft.<br />
Koexistenz von GV-Anbau mit<br />
genfreien Anbau ist unmöglich<br />
Die zweite Studie eines Expertengremiums<br />
unter der Leitung von Dr. David King,<br />
einem der Regierung nahestehenden<br />
Wissenschaftler, kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass es unmöglich ist, nach der Einführung<br />
von GVO-Sorten einen GVO-freien<br />
Ackerbau aufrecht zu erhalten. Hierdurch<br />
wurden massive Widerstände in der Bevölkerung<br />
ausgelöst, die sich mehr und<br />
mehr für gesunde, chemikalien-freie Lebensmittel<br />
interessiert. Genau das hatte<br />
die Regierung verhindern wollen. <br />
Vorbildliche Regierungsumfrage mit<br />
Bumerang-Effekt: 80% gegen GVO<br />
Als letzten Schildbürgerstreich hatte sich<br />
die Blair-Regierung eine Umfrage ausgedacht,<br />
in der das Volk konsultiert werden<br />
sollte. Das war durchaus lobenswert,<br />
sollten doch in öffentlichen, protokollierten<br />
Anhörungen die Meinungen und Gefühle<br />
der Zivilgesellschaft ermittelt werden.<br />
Keiner hatte jedoch damit gerechnet,<br />
dass auf diese im Internet präsentierte<br />
Umfrage ein derartiges Echo zurückschallen<br />
würde:<br />
- 20.000 Menschen nahmen an 675<br />
öffentlichen Anhörungen in Großbritannien<br />
teil;<br />
- Die Internetseite hatte 2,9 Millionen<br />
Besucher;<br />
- 70.000 Feedback-Fragebögen wurden<br />
heruntergeladen, davon wurden 36,557<br />
zurückgesendet;<br />
- 93% denken, dass die Biotechnologie<br />
von Profitinteressen statt vom Interesse<br />
für das Gemeinwohl geleitet wird;<br />
- 85% denken, dass GVO den Produzenten<br />
Vorteile bringen, aber nicht den<br />
Konsumenten;<br />
- 84% sind der Ansicht, das GVO den<br />
natürlichen Stoffkreislauf stören<br />
- 54% wollen, dass niemals GVO-Anbausorten<br />
in Großbritannien angebaut werden;<br />
- 86% können sich nicht vorstellen, gentechnisch<br />
veränderte Lebensmittel zu<br />
essen;<br />
- 93% sagten, dass man zu wenig über<br />
die gesundheitlichen Auswirkungen von<br />
Genfood wisse;<br />
- Nur 2% waren mit Genfood unter allen<br />
Umständen einverstanden.<br />
GVO-Umfrage-Ergebnis und Kelly-<br />
Affäre: Schlechtes Klima für Tony Blair<br />
Dieses unmissverständliche Ergebnis<br />
verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der<br />
britischen Öffentlichkeit. Ungünstig war<br />
auch das Timing. Durch die Affäre um den<br />
Chemiewaffenexperten David Kelly war die<br />
Blair-Regierung unter Druck geraten und<br />
das Vertrauen der britischen Öffentlichkeit<br />
durch das intransparente und zusammenhanglose<br />
Verhalten der Regierung im<br />
Untersuchungsverfahren geschwächt<br />
worden. <br />
14 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03