Grüne Gentechnik - EU-Koordination
Grüne Gentechnik - EU-Koordination
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Sonderteil 10.03<br />
<strong>EU</strong>-RUNDSCHREIBEN<br />
herausgegeben vom Deutschen Naturschutzring (DNR) e.V.<br />
Die Zukunft der Europäischen Union<br />
<strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong>: Verunreinigtes Saatgut,<br />
Verbraucherschutz, Aktionen
Sonderteil 10.03<br />
Impressum<br />
<br />
<strong>EU</strong>-RUNDSCHREIBEN<br />
herausgegeben vom Deutschen Naturschutzring (DNR) e.V.<br />
Sonderteil <strong>EU</strong>-Rundschreiben<br />
Jahrgang 12 (2003), Heft 10<br />
Berlin, 28. Oktober 2003<br />
Herausgeber<br />
Deutscher Naturschutzring,<br />
Dachverband der deutschen Natur- und<br />
Umweltschutzverbände (DNR) e.V.<br />
Redaktion<br />
DNR Geschäftsstelle Berlin/<br />
<strong>EU</strong>-<strong>Koordination</strong> und Internationales<br />
Nika Greger, Juliane Grüning<br />
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin<br />
Tel. 030 / 443391-81, Fax -80<br />
eMail: juliane.gruening@dnr.de<br />
Internet: www.dnr.de<br />
DNR Geschäftsstelle Bonn<br />
Am Michaelshof 8-10, 53177 Bonn<br />
Tel. 0228 / 35 90-05, Fax -96<br />
eMail: info@dnr.de, Internet: www.dnr.de<br />
Abonnement-Verwaltung<br />
Thomas Kreutzberg, Geschäftsstelle Bonn<br />
eMail: thomas.kreutzberg@dnr.de<br />
Technik<br />
Layout: DNR-Redaktionsbüro, Berlin<br />
Druck: Druckerei Eberwein, Bonn<br />
Gastartikel<br />
Artikel aus Verbänden und Forschung<br />
sind willkommen. Kürzung und redaktionelle<br />
Bearbeitung von Beiträgen vorbehalten.<br />
Mit Namen gezeichnete Beiträge geben<br />
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion/des<br />
Herausgebers wieder. Redaktionsschluss:<br />
jeweils 15. des Monats.<br />
Copyright, Weitergabe<br />
Die Urheberrechte liegen beim Herausgeber.<br />
Eine freie Weitergabe ist nicht zulässig.<br />
Bezüglich vergünstigter Sammelabos<br />
bitte bei der Redaktion nachfragen. Einzelne<br />
Artikel können nachgedruckt werden,<br />
wenn die Quelle angegeben wird. Die<br />
Redaktion freut sich über ein Belegexemplar.<br />
Förderhinweis<br />
Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium<br />
und vom Umweltbundesamt<br />
gefördert. Die Förderer übernehmen<br />
keine Gewähr für die Richtigkeit,<br />
Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben<br />
sowie für die Beachtung der Rechte<br />
Dritter. Die geäußerten Ansichten und<br />
Meinungen müssen nicht mit denen der<br />
Förderer übereinstimmen.<br />
2 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Inhalt<br />
<br />
Kontakt<br />
<br />
4 Einführung<br />
• Vom "Goldenen Reis" zur Gentech-<br />
Kontamination: Ein Debattenüberblick<br />
zur <strong>Grüne</strong>n <strong>Gentechnik</strong><br />
6 Positionen<br />
• Landbau und Verbraucherschutz:<br />
Was bringt die GVO-<br />
Kennzeichnungspflicht?<br />
• Öko-Institut: Bestehende Regelungen<br />
zur Reinheit von Saatgut<br />
• Verbände fordern strenge Regeln für<br />
<strong>Gentechnik</strong><br />
• Positionspapier der kirchlichen<br />
Umweltbeauftragten<br />
14 Lektionen<br />
• GVO-Krise in Großbritannien:<br />
Lektionen für Europa?<br />
• Schöne neue grüne Welt -<br />
Internationale Tendenzen<br />
18 Aktionen<br />
• Kampagne gegen <strong>Gentechnik</strong>-<br />
Erzwingung durch die WTO<br />
• Kampagne für gentechnikfreies<br />
Saatgut<br />
• Bauern- und Bäuerinnennetzwerk<br />
• Aktuelle Informationen zum<br />
Ökolandbau<br />
• Unabhängiger Wissenschaftlerbericht:<br />
Nur Ökolandbau global zukunftsfähig<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 3
Positionen<br />
<br />
Vom "Goldenen Reis" zur<br />
Gentech-Kontamination<br />
Ein Debattenüberblick zur <strong>Grüne</strong>n<br />
<strong>Gentechnik</strong><br />
Im Unterschied zum Begriff "Rote <strong>Gentechnik</strong>",<br />
der die Verwendung von Gentechnologie<br />
im Medizinbereich beschreibt,<br />
wird als "<strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong>" deren Verwendung<br />
im Agrarbereich bezeichnet.<br />
Einige Kritiker/innen bevorzugen inzwischen<br />
die Bezeichnung "Agro<strong>Gentechnik</strong>",<br />
weil sich das "grün" allzu verharmlosend<br />
anhöre und gänzlich andere Assoziationen<br />
wecke.<br />
<strong>Gentechnik</strong> in der Landwirtschaft:<br />
"grün" gleich "öko"?<br />
Die <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong> ist also keine Alternative<br />
zur Industrielandwirtschaft, sondern<br />
ein Teil von ihr - eine durchweg<br />
ökonomisierte Angelegenheit. Derweil gibt<br />
es weltweit milliardenschwere Forschungsund<br />
Förderprogramme, die die Forschungen<br />
im Bereich Biotechnologie und<br />
<strong>Gentechnik</strong> unterstützen. Firmen<br />
investieren und erwarten Gewinne.<br />
Politischer Druck: <strong>Gentechnik</strong>streitfall<br />
vor der WTO<br />
Die USA haben Mitte Mai die <strong>EU</strong> vor der<br />
Welthandelsorganisation WTO verklagt. Sie<br />
halten das Moratorium für die Einfuhr von<br />
gentechnisch veränderten Organismen<br />
(GVO) für wettbewerbswidrig - eine Gruppe<br />
von WTO-Handelsexperten könnte nun<br />
in einem Streitschlichtungsverfahren<br />
darüber entscheiden, wie die Nahrung in<br />
der <strong>EU</strong> aussehen wird. Dass das Moratorium<br />
fallen wird, ist bereits beschlossene<br />
Sache. Im Juli entschied die <strong>EU</strong> über eine<br />
neue Richtlinie zur Kennzeichnung von<br />
Nahrungs- und Futtermitteln mit bestimmten<br />
Grenzwerten und die Aufhebung des<br />
Einfuhrverbotes (<strong>EU</strong>R 03.03, S. 34, 36;<br />
<strong>EU</strong>R 07.03, S. 38f.).<br />
Was soll und kann <strong>Gentechnik</strong>?<br />
Wissenschaftler/innen aus aller Welt erforschen<br />
in Labors, wie Pflanzen mit <strong>Gentechnik</strong><br />
den Bedürfnissen der industriellen<br />
Landwirtschaft angepasst werden können.<br />
Geforscht wird unter anderem an:<br />
- Herbizidresistenzen;<br />
- Insektenresistenzen;<br />
- Krankheitsresistenzen;<br />
- Salz- und Dürreresistenz, generell Resistenz<br />
gegen abiotische Stressfaktoren<br />
(Kälte, Überschwemmung etc.);<br />
<br />
Novel Food und Feed (Pflanzen und<br />
Früchte mit einem höheren Gehalt an<br />
bestimmten Inhaltsstoffen wie Vitamine,<br />
Mineralstoffe oder medizinischen Wirkstoffe;<br />
z.B. "Goldener Reis" mit Provitamin A);<br />
- Bäumen: z.B. Steigerung der Biomasseproduktion,<br />
Senkung des Ligningehaltes<br />
(der die Papierproduktion verteuert),<br />
Schadstoffbindung/ Altlastensanierung;<br />
- Früchten: Uniformität im Aussehen,<br />
bessere Transporttauglichkeit, gleichzeitige<br />
Erntbarkeit (Reife in kleinem "Erntefenster").<br />
Vom Labor in die Landschaft:<br />
Freisetzungsversuche<br />
Nach der Laborerforschung werden die<br />
GVO in einem Freisetzungsversuch außerhalb<br />
eines geschlossenen Systems (Gewächshaus,<br />
Labor) in der Landschaft<br />
erprobt. Freisetzungen gentechnisch<br />
veränderter Organismen werden seit<br />
1990 in allen <strong>EU</strong>-Ländern nach einheitlichen<br />
Rechtsvorschriften genehmigt. Die<br />
<strong>EU</strong>-Richtlinie über die absichtliche Freisetzung<br />
genetisch veränderter Organismen<br />
in die Umwelt (90/220) ist 2001 gründlich<br />
überarbeitet und verschärft worden<br />
und im Oktober 2002 in Kraft getreten.<br />
Seit es ein Moratorium für die Einfuhr<br />
gentechnisch veränderter Organismen<br />
gibt (1998), ist die Zahl der Anträge<br />
zurückgegangen. Da aber absehbar war,<br />
dass dieser Einfuhrstopp nicht mehr lange<br />
existieren würde, ist die Zahl der Anträge<br />
in diesem Jahr wieder gestiegen. Elf Staaten<br />
haben bisher versäumt, nationale<br />
Richtlinien zur Freisetzung von GVO zu<br />
erlassen, weshalb die <strong>EU</strong>-Kommission<br />
inzwischen Klage vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof erhoben hat (<strong>EU</strong>R 08.03,<br />
S. 21).<br />
Gesundheitsbedenken, wirtschaftliche<br />
Abhängigkeiten und Hybride<br />
Viele Freisetzungsversuche werden von<br />
Bürgerinitiativen der benachbarten Anwohner/innen<br />
bekämpft, die in ihrer näheren<br />
Umgebung oder generell keine GVO<br />
haben wollen, weil sie gesundheitliche<br />
Bedenken haben oder darin einen Verstoß<br />
gegen Natur- und Umweltschutz<br />
sehen. <br />
Gerade Bauern und Bäuerinnen und<br />
Biobäuer/innen im Speziellen, die ohne<br />
<strong>Gentechnik</strong> auskommen und dies auch<br />
weiter wollen, fürchten bei der Verbreitung<br />
von GVO eine Gefahr für ihr Einkommen.<br />
Sie argumentieren zum Beispiel im<br />
Falle von Herbizidresistenzen, dass die<br />
Abhängigkeit von den großen Firmen<br />
wächst: Erstens verkaufen diese das<br />
Saatgut nur im Doppelpack mit dem dazugehörigen<br />
Herbizid, zweitens ist das<br />
Saatgut meist unfruchtbar (Hybrid-Zucht).<br />
Im nächsten Jahr muss es also wieder neu<br />
gekauft werden, weil eine eigene Zucht<br />
unmöglich ist.<br />
Problemfeld Koexistenz: friedliches<br />
Miteinander quasi unmöglich<br />
Gentechnisch veränderter Pollen kann<br />
sich durch Insekten und Wind ausbreiten,<br />
sich an Kleidung heften und teilweise<br />
weite Strecken überwinden. Auch beim<br />
Transport, bei der Lagerung und bei der<br />
gemeinsamen Nutzung von Maschinen<br />
kann es zu Verunreinigungen kommen.<br />
Gentechnisch verändertes Saatgut kann<br />
auf Jahre im Boden überwintern und sich<br />
ausbreiten (z.B. bei Raps) und auch auf<br />
wilde Verwandte auskreuzen, dabei ist es<br />
unerheblich, ob es sich um ein konventionell<br />
oder ein ökologisch bewirtschaftetes<br />
Feld handelt. Daraus folgt, dass es eine<br />
rechtsverbindliche Garantie für <strong>Gentechnik</strong>-Freiheit<br />
nicht mehr geben kann, wenn<br />
in einer Region erst einmal gentechnisch<br />
veränderte Pflanzen derselben Kulturart<br />
angebaut werden. Verbraucher/innen und<br />
Landwirte wollen aber auch in Zukunft<br />
zwischen Produkten mit und ohne <strong>Gentechnik</strong><br />
frei wählen können.<br />
Problemfeld Wahlfreiheit und<br />
Verbraucherschutz<br />
Während die Agrar- und Saatgut-Industrie<br />
unter "Wahlfreiheit" ein Verschmutzungsrecht<br />
- d.h. "freie Wahl von GVO" - verstanden<br />
wissen will, verstehen Umweltschützer<br />
darunter ein Schutzrecht - d.h.<br />
der Verzicht auf GVO muss Landwirten wie<br />
Verbraucher/innen weiterhin möglich sein.<br />
Diese Möglichkeit besteht in der Praxis<br />
allerdings nur dann, wenn<br />
- in ausreichend weiträumigen Anbaugebieten<br />
auf den Einsatz von GVO verzichtet<br />
wird und<br />
- konventionelles und biologisches Saatgut<br />
weiterhin frei bleibt von gentechnischen<br />
Verunreinigungen.<br />
<br />
4 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Problemfeld Haftung<br />
Unklar ist, inwieweit dem Verursacherprinzip<br />
im Umweltrecht Rechnung getragen<br />
werden kann: Wer zahlt dem Bauern die<br />
Verunreinigung seiner Produkte mit GVO,<br />
die über den Wind erfolgt ist? Wer kann<br />
beweisen, von wessen Feld der Nachbarschaft<br />
der Pollen stammte? Und wie werden<br />
sich die multinationalen Konzerne in<br />
dieser Frage verhalten?<br />
Um ein Wahlfreiheit garantieren zu können,<br />
bedarf es klarer Haftungsbestimmungen,<br />
vollständiger Transparenz (Register<br />
aller GVO-Anbauflächen) und verbindlicher<br />
sorten- und standortspezifischer<br />
Anbau-Vorschriften für GVO, die<br />
eine Verunreinigung der benachbarten<br />
Flächen und gemeinsam genutzter Maschinen<br />
und Lager unterbinden. Zur Zeit<br />
sind die Haftungsfragen aber ungeklärt<br />
und die <strong>EU</strong> überlässt es den einzelnen<br />
Ländern, hier Regelungen zu treffen.<br />
Gleichzeitig wurde aber der Versuch Österreichs,<br />
gentechnik-freie Zonen einzurichten,<br />
von der <strong>EU</strong>-Kommission abgelehnt<br />
(<strong>EU</strong>R 09.03, S. 36).<br />
Kritiker und Befürworter<br />
Kritiker/innen bemängeln, dass die Risiken,<br />
die mit transgenen Pflanzen verbunden<br />
sind, nach wie vor ungeklärt sind,<br />
dass aber unerwünschte Wechselwirkungen<br />
schon jetzt auftauchen. Sie argumentieren,<br />
dass die wirtschaftliche Nutzung<br />
von <strong>Gentechnik</strong> aus ökonomischen Gründen<br />
zwangsläufig zur Patentierung von<br />
Leben führt. Im Zusammenhang mit den<br />
so genannten Entwicklungsländern gibt es<br />
deshalb Debatten um "Biopiraterie" und<br />
eine neue Form von Kolonialismus und<br />
dem Ausverkauf von genetischer Vielfalt<br />
und indigenem Wissen. Ein Nebeneinanderher<br />
von <strong>Gentechnik</strong>-Kulturen und<br />
Ackerbau oder Naturschutzgebieten ist<br />
nach der Auswertung von etwa 600 Studien<br />
über die Risiken der <strong>Grüne</strong>n <strong>Gentechnik</strong><br />
aber unmöglich (<strong>EU</strong>R 09.03,<br />
S. 37).<br />
<br />
Befürworter/innen verweisen auf Einsparung<br />
von Herbiziden beim so genannten<br />
Bt-Mais in Spanien sowie beim Einsatz<br />
von GV-Baumwolle in China und Argentinien.<br />
Sie plädieren dafür, der jungen<br />
Technologie eine Chance zu geben, die<br />
Kritik zu widerlegen, hoffen auf ein Zusammenspiel<br />
von Ökolandbau und <strong>Gentechnik</strong><br />
im Zuge einer Entwicklung von<br />
Getreidesorten, die sich selbst düngen<br />
und sich ohne chemische Gifte selbst<br />
gegen Schädlinge wehren. Sie berichten<br />
von mehrjährigen Reissorten, die ein<br />
Pflügen unnötig machen würden und<br />
somit einen Beitrag zur Verminderung von<br />
Bodenerosion leisten könnten. Sie glauben<br />
zu wissen, dass mehr Nahrung auf<br />
weniger Fläche produziert, und so mehr<br />
Land unter Naturschutz gestellt werden<br />
kann.<br />
Warum keine Förderung von<br />
Alternativen?<br />
Tatsache ist, dass die großen Hoffnungen<br />
bisher nicht erfüllt worden sind. Die Erfolgsbilanzen<br />
sind eher mager und nicht<br />
einmal lukrativ: Jährlich werden etwa 4,4<br />
Mrd. Dollar in die <strong>Gentechnik</strong> investiert,<br />
das ist mehr als der Marktwert landwirtschaftlicher<br />
Genprodukte. Würde dieses<br />
Geld in die bereits vorhandenen und gut<br />
funktionierenden Techniken des ökologischen<br />
Anbaus investiert, könnten viele<br />
bisher unterfinanzierte, an die Standorte<br />
optimal angepasste und naturnahe Wirtschaftsweisen<br />
unterstützt werden.<br />
Beispielsweise wenden Bauern und Bäuerinnen<br />
in Vietnam und Bangladesh ein<br />
kombiniertes Fisch-Reis-Gemüsesystem<br />
an, das die Erträge allein beim Reis um<br />
5-7 Prozent ansteigen ließ - ganz ohne<br />
<strong>Gentechnik</strong> und Chemieeinsatz. Solange<br />
die Risiken nicht ausreichend bekannt<br />
sind und solange es weiterhin nur darum<br />
geht, mit der neuen Technologie möglichst<br />
viel Geld zu verdienen, kann es dem<br />
Umweltschutz nur darum gehen, ein unkontrolliertes<br />
Ausbreiten von GVO zu<br />
verhindern. Koalitionen mit der Landwirtschaft,<br />
dem Verbraucherschutz und<br />
Globalisierungsgegner/innen können<br />
dabei nur helfen. <br />
Autorin: Juliane Grüning,<br />
DNR-Geschäftsstelle Berlin<br />
• Vom "Goldenen Reis" zur<br />
Gentech-Kontamination<br />
Deutscher Naturschutzring, Juliane<br />
Grüning, Prenzlauer Allee 230, 10405<br />
Berlin<br />
Tel. 030 / 443391-81, Fax -80<br />
eMail: juliane.gruening@dnr.de<br />
Internet: www.dnr.de<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Genopoly. Das Wagnis <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong>.<br />
Politische Ökologie 81-82,<br />
März/April 2003, ökom-Verlag<br />
Internet:<br />
www.gruene-gentechnik.de<br />
www.attac.de/gentechnik<br />
Konfliktfeld <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong> - <strong>EU</strong>,<br />
Deutschland, Schweiz:<br />
www.transgen.de/?link=/Aktuell/<br />
chronik1_2003.html<br />
Konfliktfeld <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong> - International:<br />
www.transgen.de/?link=/Aktuell/<br />
chronik_2003_international.html<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 5
Positionen<br />
<br />
Was bringt die GVO-<br />
Kennzeichnungspflicht?<br />
<strong>Gentechnik</strong> durch die Hintertür<br />
Dank großzügiger Verunreinigungs-<br />
Erlaubnisse droht die grüne <strong>Gentechnik</strong><br />
doch noch heimlich den Acker zu erobern<br />
- gegen den Willen der Bauern und<br />
Verbraucher.<br />
Tomaten aus dem Genlabor: Spiel mit<br />
Wahrscheinlichkeiten<br />
Mögen Sie Tomaten? Dann kaufen Sie nie<br />
mehr als 111 Stück - die Hundertzwölfte<br />
könnte gentechnisch verändert sein. Nach<br />
der Kennzeichnungsverordnung der <strong>EU</strong><br />
müsste sie aber nicht gekennzeichnet<br />
werden, weil sie nämlich zufällig dazwischen<br />
gekommen ist. Wenn dagegen<br />
schon die Hundertelfte eine Gen-Tomate<br />
ist, dann muss das künftig draufstehen.<br />
Das ist die schlechte Nachricht. Die gute<br />
Nachricht: Bisher konnten Sie nur 99<br />
Tomaten kaufen. Der Grenzwert wurde<br />
gerade von 1 auf 0,9 Prozent "verschärft".<br />
Pech, dass bei diesem Spiel<br />
leider auch schon die erste Tomate aus<br />
dem Gen-Labor stammen kann. Die Wahrscheinlichkeit<br />
wäre etwa doppelt so groß<br />
wie ein Dreier im Lotto.<br />
Wo <strong>Gentechnik</strong> drin ist, soll auch<br />
<strong>Gentechnik</strong> draufstehen<br />
Überall wo <strong>Gentechnik</strong> drin ist, soll auch<br />
"<strong>Gentechnik</strong>" drauf stehen, sagt die <strong>EU</strong>.<br />
Dies gilt neuerdings auch für solche Lebensmittel,<br />
in denen die Spuren der gentechnischen<br />
Veränderung nach der Verarbeitung<br />
nicht mehr nachgewiesen werden<br />
können, etwa im Pflanzenöl oder in Maisund<br />
Kartoffelstärke. Grosso modo bietet<br />
die neue Kennzeichnungsverordnung<br />
Verbrauchern künftig effektiv die Möglichkeit,<br />
den Verzehr von <strong>Gentechnik</strong> zu<br />
vermeiden und ihr so einen Riegel vorzuschieben.<br />
Dagegen ist selbst US-Präsident<br />
Bush machtlos. <br />
Praktische Umsetzung im Supermarkt:<br />
Formulare, Formulare<br />
Für den Supermarkt um die Ecke stellt<br />
sich die Lage so dar: Für alle Produkte,<br />
die gentechnisch verändertes Material<br />
enthalten können, und das sind immerhin<br />
mehr als 60 Prozent (vor allem wegen der<br />
allgegenwärtigen Soja-Lezitin-Emulgatoren<br />
in Fertigprodukten) muss eine Garantie<br />
des Lieferanten vorliegen, dass keine<br />
Zutat zu mehr als 0,9 Prozent aus gentechnisch<br />
veränderten Organismen (GVO)<br />
besteht. Es wird in Zukunft also eine<br />
Menge Formulare geben, die vor allem<br />
jene nerven und mit Haftungs-Risiken<br />
belasten, die keine <strong>Gentechnik</strong> haben<br />
wollen. Und das sind in Europa nicht nur<br />
70 Prozent der Verbraucher und Bauern,<br />
sondern auch die meisten Supermärkte.<br />
Vor Verkauf und Produktion steht das<br />
Saatgut...<br />
Am Anfang steht der Bauer. Weiß der, ob<br />
seine Ernte GVO enthält? Dazu muss er<br />
zuerst wissen, ob sein Saatgut sauber ist.<br />
Doch ausgerechnet das will die <strong>EU</strong>-Kommission<br />
jetzt mit einer speziellen, angeblich<br />
"rein technischen" Richtlinie verhindern.<br />
Die geplante Richtlinie führt gesonderte<br />
Grenzwerte ein, unterhalb derer das<br />
"zufällige Vorhandensein" gentechnisch<br />
veränderter Samen in Saatgut nicht erwähnt<br />
werden muss: 0,3 Prozent bei<br />
Raps, 0,5 Prozent bei Mais, Kartoffeln,<br />
Tomaten, Chicoree und Rüben, 0,7 Prozent<br />
gar bei Soja. Weitere Grenzwerte<br />
sollen nach Bedarf folgen. Motto: Wie viel<br />
GVO kann gerade noch im Saatgut sein,<br />
ohne dass dann die Ernte den Lebensmittelgrenzwert<br />
von 0,9 Prozent überschreitet?<br />
<br />
...und Saatgut vermehrt sich<br />
Im Falle unserer Tomaten darf also jeder<br />
Zweihundertste Tomatensamen ein GVO<br />
sein, ohne dass dies auf der Samentüte<br />
stehen muss. Aus diesem Gentech-Samen<br />
wächst nun freilich eine ganze Tomatenstaude,<br />
die ihrerseits benachbarte Stauden<br />
befruchten und so deren Früchte<br />
ebenfalls zu GVOs machen kann. Vieles<br />
hängt davon ab, wie gerade der Wind<br />
beim Pollenflug steht. Und ob die Gen-<br />
Tomate vermehrungsfreudiger ist als die<br />
normale. Was werden Bienen und Hummeln<br />
machen? Wo wird der Vogel, der von<br />
Gentech-Früchten genascht hat, die unverdauten<br />
Samen lassen? Wird der <strong>Gentechnik</strong>-Samen<br />
mit wilden Verwandten<br />
fremdgehen?<br />
Grenzwert-Überschreitung wird teuer<br />
werden<br />
Zur Beantwortung dieser Fragen gibt es<br />
bisher nicht viel mehr als wissenschaftliche<br />
Spekulation und ein Computer-<br />
Simulationsprogramm, von dem ihre<br />
Erfinder schreiben: "Die absoluten Werte<br />
des Modells müssen mit Vorsicht behandelt<br />
werden, da sie noch nicht vollständig<br />
mit Feld-Daten validiert wurden." Schlechte<br />
Aussichten für Bauern, denen die Wissenschaftler<br />
denn auch gleich zum Abschluss<br />
einer GVO-Versicherung raten, da<br />
Überschreitungen des Grenzwerts regelmäßig<br />
zu erwarten seien: spätestens,<br />
wenn GVOs in Europa in großem Stil angebaut<br />
werden. Die dann erforderlichen<br />
Schutz- und Vermeidungsmaßnahmen<br />
werden die Anbaukosten für alle Landwirte<br />
bis zu 10 Prozent erhöhen. <strong>EU</strong>-<br />
Kommissar David Byrne scheint all dies<br />
nicht anzufechten. Seine wissenschaftlichen<br />
Autoritäten meinten bereits verräterisch:<br />
"Zu gegebenem Zeitpunkt könnte<br />
der Grenzwert ... revidiert werden." Damit<br />
meinen sie eine Erhöhung, "wenn der<br />
GVO-Anbau in Europa sich ausweitet." <br />
6 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Aufwändige Messungen programmiert<br />
In jedem Fall werden Bio-Großhändler und<br />
Lebensmittelfirmen aufwändig nachmessen<br />
müssen, wenn sie wissen wollen, was<br />
nun wirklich drin ist im Essen. Ein so<br />
genannter PCR-Gentest, mit dem bald<br />
zigtausendfach an kritischen Punkten der<br />
Lebensmittel-Kette der GVO-Gehalt bestimmt<br />
werden muss, kostet zwischen 100<br />
und 300 Euro. Ein Test bestimmt aber nur<br />
den Anteil eines ganz bestimmten GVO. Je<br />
mehr GVO auf den Markt kommen, desto<br />
länger wird die Batterie der nötigen Tests.<br />
Wer soll das bezahlen? "Nicht die Bauern!<br />
Nicht die Verbraucher!" rufen die Lobbyisten.<br />
Also die <strong>Gentechnik</strong>-Konzerne, die<br />
das Zeug auf den Markt bringen? Dafür<br />
gibt es bisher weder europäische noch<br />
nationale Vorschläge. "Rechtlich ausgesprochen<br />
schwierig", orakeln die Fachleute<br />
in den Ministerien.<br />
Am Anfang war das Samenkorn:<br />
gentechnik-frei wird es billiger<br />
Sicherer, einfacher und billiger wäre es,<br />
das Saatgut als Ausgangsprodukt der<br />
Landwirtschaft kategorisch sauber zu<br />
halten. Das gäbe nicht nur den Landwirten<br />
Sicherheit, sondern auch dem Gesundheits-,<br />
Umwelt- und Naturschutz. Der<br />
ganze Mess-Aufwand müsste nur für<br />
einen Bruchteil der Menge veranstaltet<br />
werden. Beispiel: 5.000 Tonnen Raps-<br />
Saatgut schwellen in Deutschland jährlich<br />
zu einer Erntemenge von 1,4 Millionen<br />
Tonnen an. Die an strenge Kontrollen<br />
gewöhnten Saatguthersteller müssen<br />
ohnehin wissen, wie viel GVO in ihren<br />
Produkten sind. <br />
Die Geister, die ich rief<br />
In Österreich ist seit zwei Jahren die GVO-<br />
Freiheit im Saatgut gesetzlich vorgeschrieben.<br />
Mit Erfolg: Österreichische<br />
Mais-Sorten sind ein Exportschlager, die<br />
Anbaufläche hat sich verdoppelt. Das<br />
Wiener Reinheitsgebot wird sogar von US-<br />
Saatgutherstellern eingehalten. Nur bei<br />
uns schreien Bayer, Monsanto & Co. mit<br />
ihren politischen Freunden von CDU, FDP<br />
und SPD Zeter und Mordio. Dass die<br />
geplante Verunreinigungs-Richtlinie für<br />
das Saatgut allein bei Raps und Mais zur<br />
unkontrollierten Freisetzung von mehr als<br />
7 Milliarden Gentech-Pflanzen per anno<br />
führt, wird frech ignoriert. Ein bisschen<br />
"guter Wille" sei schon nötig, um zu einer<br />
friedlichen "Ko-Existenz" zu kommen.<br />
Aber wie soll ein GVO, sollte er unerwünschte<br />
Nebenwirkungen zeitigen, je<br />
wieder aus dem Verkehr gezogen werden,<br />
wenn er sich erst mal unentdeckt und<br />
flächendeckend im Saatgut verbreitet hat?<br />
Verbraucher-Souveränität: ein Ziel, für<br />
das es zu kämpfen lohnt<br />
Verbraucher-Souveränität und viel beschworene<br />
Wahlfreiheit im Umgang mit<br />
der <strong>Gentechnik</strong> könnten durch die Hintertüre<br />
systematischer Saatgut-Verunreinigung<br />
ad absurdum geführt werden. Noch<br />
ist Europas Saatgut sauber. Es lohnt sich,<br />
in einer breiten Koalition des gesunden<br />
Menschenverstandes dafür zu streiten,<br />
dass es so bleibt. <br />
Autor: Benedikt Härlin, Zukunftsstiftung<br />
Landwirtschaft<br />
• Was bringt die GVO-<br />
Kennzeichnungspflicht?<br />
Benedikt Härlin, Zukunftsstiftung<br />
Landwirtschaft, Büro Berlin, Marienstr.<br />
19/20, 10117 Berlin<br />
Tel. 030 / 275903-09, Fax -12<br />
eMail: haerlin@zs-l.de<br />
Internet: www.zs-l.de<br />
Aktionsvorschläge im Internet:<br />
www.saveourseeds.org<br />
www.genug-wto.de<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 7
Positionen<br />
<br />
Bestehende Regelungen zur<br />
Reinheit von Saatgut<br />
A Konventionelle Sortenreinheit<br />
Gesetzliche Grundlagen<br />
Gesetzliche Regelungen zur Sortenreinheit<br />
von Saatgut wurden bereits vor dem<br />
Zeitalter transgener Nutzpflanzen erlassen.<br />
Sie dienen dazu, sowohl dem Landwirt<br />
als auch dem Verbraucher eine einheitliche<br />
Qualität des Saatguts mit den<br />
gewünschten Eigenschaften zu garantieren.<br />
In Deutschland sind Regelungen<br />
durch das Saatgutverkehrsgesetz (Saat-<br />
VerkG 1985, 2002) vorgeschrieben. Auf<br />
<strong>EU</strong>-Ebene regeln dies die Richtlinien<br />
66/402/EWG, 2002/54/EG, 2002/55/EG,<br />
2002/56/EG und 2002/57/EG. Sie enthalten<br />
Mindestanforderungen für das geerntete<br />
und in Verkehr gebrachte Saatgut,<br />
insbesondere hinsichtlich der Sortenreinheit.<br />
Basis- und zertifiziertes Saatgut<br />
Die Produktion von Konsumsaatgut findet<br />
in der Regel in einem mehrstufigen Prozess<br />
statt. Abhängig von der betreffenden<br />
Nutzpflanzenart wird aus so genanntem<br />
Vorstufensaatgut, welches der Züchter zur<br />
Verfügung stellt, Basissaatgut und daraus<br />
wiederum zertifiziertes Saatgut (Z-Saatgut)<br />
gewonnen. Die Erzeugung von Basisund<br />
Z-Saatgut erfolgt in der Regel dezentral<br />
durch landwirtschaftliche Betriebe. Die<br />
Anerkennung der so genannten "Verkehrsfähigkeit"<br />
von Saatgut wird im Rahmen<br />
von einer oder mehreren Feldbesichtigungen<br />
auf der Grundlage der Verordnung<br />
über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher<br />
Arten und Gemüsearten<br />
(...) durchgeführt. Dabei werden bezüglich<br />
der Sortenreinheit an Basissaatgut höhere<br />
Anforderungen als an Z-Saatgut gestellt.<br />
<br />
Auflagen<br />
Bei der Erzeugung von Vorstufen-, Basisoder<br />
zertifiziertem Saatgut müssen bestimmte<br />
Auflagen eingehalten werden, die<br />
sicherstellen sollen, dass sortenreines<br />
Saatgut hergestellt wird. Diese Auflagen,<br />
unter anderem Abstandsregelungen zwischen<br />
verschiedenen Sorten bei der Saatgutproduktion,<br />
zielen darauf ab, einen<br />
Eintrag unerwünschter Erbkomponenten<br />
über Pollen anderer Bestände der gleichen<br />
oder verwandten Arten zu unterbinden.<br />
Die geforderten Reinheiten liegen je<br />
nach Kulturart und Saatgutkategorie bei<br />
98 Prozent bis 99 Prozent (...). Für Basissaatgut<br />
schreiben die <strong>EU</strong>-Richtlinien<br />
66/402/EWG und 69/208/EWG Sortenreinheiten<br />
von 99,5 bis 99,9 Prozent vor.<br />
Die in den <strong>EU</strong>-Richtlinien vorgeschriebenen<br />
Isolationsabstände in der Saatgutproduktion<br />
von Basissaatgut betragen für<br />
Mais und Raps beispielsweise 200 Meter.<br />
Um eine ausreichende Sortenreinheit zu<br />
erzielen, verwenden Saatgutzüchter- und<br />
Vermehrungsunternehmen jedoch oftmals<br />
höhere Sicherheitsabstände als die gesetzlich<br />
vorgeschriebenen. In der Saatgut-<br />
V[erordnung] ist ferner festgelegt, dass<br />
die vorgeschriebenen Mindestentfernungen<br />
unterschritten werden dürfen, falls<br />
eine ausreichende Abschirmung gegen<br />
Fremdbefruchtung anderweitig gegeben<br />
ist. Als biologische Barrieren können<br />
beispielsweise Hecken und Mantelsaaten<br />
dienen. Pollenschutznetze sind eine Art<br />
physikalischer Barrieren. Es ist jedoch<br />
schwer abzuschätzen, um welchen Prozentsatz<br />
Einkreuzungsereignisse durch<br />
solche Maßnahmen reduziert werden<br />
können (...). <br />
B Gentechnische Verunreinigungen<br />
<strong>EU</strong>-Entscheidung in Arbeit<br />
Innerhalb der <strong>EU</strong> soll in Kürze eine Richtlinie<br />
zu "zusätzlichen Bedingungen und<br />
Anforderungen hinsichtlich des zufälligen<br />
oder technisch unvermeidbaren Vorhandenseins<br />
von genetisch verändertem<br />
Saatgut in Saatgutpartien von nicht genetisch<br />
veränderten Sorten" verabschiedet<br />
werden. Ein entsprechender Entwurf der<br />
Richtlinie liegt bereits vor (SANCO/<br />
1542/00). Dieser sieht eine zulässige<br />
Verunreinigung von konventionellem<br />
Saatgut mit gentechnisch verändertem<br />
Saatgut von 0,3 bis 0,7 Prozent je nach<br />
Pflanzenart vor. Das Reinheitsgebot soll<br />
für Raps bei 0,3 Prozent, für Mais, Zuckerrüben,<br />
Tomaten, Chicorée, Baumwolle<br />
und Kartoffeln bei 0,5 Prozent und für<br />
Soja bei 0,7 Prozent liegen.<br />
"Zufällig" oder "technisch<br />
unvermeidbar" als Kriterium<br />
Die Verunreinigungen mit transgenem<br />
Saatgut müssen zudem "zufällig" oder<br />
"technisch unvermeidbar" vonstatten<br />
gehen, damit sie bis zu den genannten<br />
Schwellenwerten nicht kennzeichnungspflichtig<br />
sind. Als Beleg dafür, dass es<br />
sich um zufällige oder technisch unvermeidbare<br />
Verunreinigungen handelt,<br />
müssen die Erzeuger der Anerkennungsstelle<br />
nachweisen können, dass sie geeignete<br />
Vorkehrungen zur Vermeidung des<br />
Eintrags von GVO getroffen haben. <br />
8 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Spezifizierung ist nötig<br />
Hier wäre es jedoch zukünftig wichtig zu<br />
spezifizieren, welche Vorkehrungen getroffen<br />
werden sollten oder wie hoch ein<br />
vertretbarer technischer und finanzieller<br />
Aufwand ist, um Verunreinigungen zu<br />
vermeiden. Der bisherige Vorschlag der<br />
<strong>EU</strong>-Richtlinie sieht für Nutzpflanzensorten,<br />
bei deren Anbau Verunreinigungen (beispielsweise<br />
durch Einkreuzungen von<br />
transgenen Pollen oder Auftreten von<br />
Durchwuchspflanzen) besonders schwer<br />
zu vermeiden sind, geringere zulässige<br />
Verunreinigungen im Saatgut vor. Bei<br />
Raps sind beispielsweise 0,3 Prozent<br />
vorgeschrieben, da beim Anbau davon<br />
auszugehen ist, dass im Vergleich zu<br />
anderen Feldfrüchten höhere zusätzliche<br />
Kontaminationen durch Pollentransfer und<br />
Durchwuchspflanzen stattfinden können.<br />
(...) bei Feldfrüchten wie Soja, bei denen<br />
aufgrund des Bestäubungssystems die<br />
Erzielung einer hohen Saatgutreinheit<br />
vergleichsweise unproblematisch ist,<br />
[führt dies dazu, dass] unnötigerweise<br />
höhere Belastungen akzeptiert werden<br />
und indirekt sogar Vorschub geleistet<br />
wird. Da Minimierungsstrategien von GVO-<br />
Kontaminationen mit einem gewissen<br />
organisatorischen und finanziellen Aufwand<br />
verbunden sind, werden sich Saatguthersteller<br />
sicherlich zu einem gewissen<br />
Grad an den vorgegebenen Grenzwerten<br />
orientieren.<br />
Weiteres Vorgehen auf <strong>EU</strong>-Ebene<br />
Die vorgeschlagenen <strong>EU</strong>-Richtlinie für<br />
zulässige Verunreinigungen mit GVO in<br />
Saatgut kann durch den Ständigen Ausschuss<br />
für Saatgut verabschiedet werden,<br />
in dem alle Mitgliedsstaaten vertreten<br />
sind. Findet die Richtlinie dort im Oktober<br />
die erforderliche qualifizierte Mehrheit,<br />
erlangt sie unmittelbar Rechtswirkung.<br />
Einigt sich der Ausschuss nicht, muss die<br />
Richtlinie dem Ministerrat vorgelegt werden.<br />
Das Parlament ist nicht an dem<br />
Verfahren beteiligt. Die Richtlinie muss zur<br />
Überprüfung bei der WTO vorgelegt werden.<br />
Innerhalb der <strong>EU</strong> gilt seit Juli 2000<br />
noch eine Interimslösung für den Umgang<br />
mit GVO-Verunreinigungen in konventionellem<br />
Saatgut. Bis rechtliche Regelungen<br />
in Kraft treten, werden Verunreinigungen<br />
mit zugelassenem GVO-Saatgut bis zu 0,5<br />
Prozent akzeptiert (...).<br />
Praxisbeispiel Österreich<br />
In Österreich regelt die Saatgut-<strong>Gentechnik</strong>-Verordnung<br />
den Umgang mit gentechnischen<br />
Verunreinigungen in konventionellem<br />
Saatgut (...). Danach dürfen bei<br />
Erstuntersuchungen keine technisch<br />
nachweisbaren Verunreinigungen im<br />
Saatgut vorhanden sein. Im Rahmen der<br />
so genannten Saatgutverkehrskontrolle<br />
darf ein Wert von 0,1 Prozent nicht überschritten<br />
werden. (...) Untersuchungsmethodik<br />
und Interpretation der Ergebnisse<br />
[sind ebenfalls] in §5 des Saatgutgesetzes<br />
festgelegt.<br />
Praxisbeispiel Schweiz<br />
In der Schweiz regelt die im Juni 2000<br />
geänderte Saatgut-Verordnung (...) den<br />
Umgang mit Verunreinigungen mit gentechnisch<br />
veränderten Organismen in<br />
Saat- und Pflanzgut. Der Schwellenwert<br />
für die Kennzeichnung von Verunreinigungen<br />
liegt bei 0,5 Prozent. Zusätzlich<br />
werden nur Verunreinigungen mit GVO-<br />
Sorten toleriert, die bereits nach den<br />
Umweltkriterien gemäß der <strong>EU</strong>-Richtlinie<br />
90/220 geprüft und bewilligt worden sind.<br />
Außerdem müssen die GVO in der Schweiz<br />
als Lebens- oder Futtermittel zugelassen<br />
sein. Saatgut-Importeure werden vom<br />
Bund verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen,<br />
um Verunreinigungen mit GV-Saatgut<br />
zu verhindern. Sie müssen dafür den<br />
Nachweis eines funktionierenden Qualitätssicherungssystems<br />
erbringen. (...)<br />
Ökologischer Landbau<br />
In der ökologischen Landwirtschaft besteht<br />
bei den Richtlinien der Bio-Verbände<br />
ein weltweiter Konsens, auf die Verwendung<br />
von GVO zu verzichten. Die internationale<br />
Vereinigung der Organisationen<br />
der biologischen Landwirtschaft IFOAM<br />
(International Federation of Organic Agriculture<br />
Movement) hat (...) den absoluten<br />
Verzicht auf <strong>Gentechnik</strong> allgemein und<br />
den Einsatz von gentechnisch verändertem<br />
Saatgut im speziellen vorgeschrieben.<br />
Dies spiegelt sich in den Rechtsnormen<br />
der entsprechenden Verbraucherschutzgesetze,<br />
insbesondere in denen der USA,<br />
Japans und der <strong>EU</strong> wider (...). Auch nach<br />
der <strong>EU</strong>-Öko-Verordnung 2092/91/EWG<br />
dürfen Bio-Bauern in ihren Kulturen keine<br />
transgenen Organismen einsetzen. <br />
Autor: Holger Christ, Öko-Institut<br />
• Bestehende Regelungen zur<br />
Reinheit von Saatgut<br />
Anfragen an: Dr. Jennifer Teufel, Öko-<br />
Institut e.V., Postfach 6226, 79038<br />
Freiburg/Br.<br />
Auszug aus: <strong>Gentechnik</strong>-Nachrichten<br />
Spezial 14, September 2003<br />
<strong>Gentechnik</strong>-Nachrichten im Internet:<br />
www.oeko-institut.org/bereiche/<br />
gentech/newslet<br />
www.biogene.org<br />
Abonnement per eMail:<br />
listserver@oeko.de, ohne Betreff,<br />
Text: subscribe gen-news@oeko.de<br />
<strong>EU</strong>-Kommission: "Oft gestellte Fragen<br />
in Bezug auf <strong>Gentechnik</strong> im Saatgut"<br />
Internet: http://europa.eu.int/rapid/<br />
start/cgi/guesten.ksh?qry (Referenz:<br />
MEMO/03/186, "DE" für deutsche Version)<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 9
Positionen<br />
<br />
Strenge Regeln für <strong>Gentechnik</strong><br />
Verbände rufen Regierung zum Einsatz<br />
für naturnahe Landwirtschaft auf<br />
Bauern-, Verbraucher- und Umweltverbände<br />
sowie Gewerkschafts- und Kirchenorganisationen<br />
haben die Bundesregierung<br />
Mitte Oktober in einem offenen Brief<br />
aufgerufen, die Zukunft der naturnahen<br />
Landwirtschaft ohne <strong>Gentechnik</strong> zu sichern.<br />
Bei der Novelle des <strong>Gentechnik</strong>gesetzes<br />
muss sie den Schutz der gentechnikfreien<br />
Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion<br />
garantieren. Sonst droht<br />
eine schleichende gentechnische Kontamination<br />
der Nahrungskette. Das widerspricht<br />
dem Mehrheitswillen der Bevölkerung<br />
in Deutschland und Europa.<br />
<strong>EU</strong>-Saatgutausschuss entscheidet<br />
Am 27. Oktober wollte der Saatgutausschuss<br />
der <strong>EU</strong> über die Höhe der zulässigen<br />
gentechnischen Verunreinigung von<br />
Saatgut entscheiden. (Die Entscheidung<br />
wurde mittlerweile verschoben.) Die <strong>EU</strong>-<br />
Kommission hat je nach Pflanzenart Werte<br />
zwischen 0,3 und 0,7 Prozent vorgeschlagen.<br />
Nach den Verbänden muss jede<br />
messbare Verunreinigung ausnahmslos<br />
gekennzeichnet werden. Ohne ein solches<br />
Reinheitsgebot würde Bauern und Verbrauchern<br />
die <strong>Gentechnik</strong> gegen ihren<br />
Willen aufgezwungen.<br />
Breites Bündnis appelliert in Offenem<br />
Brief an die Bundesregierung<br />
Der Brief wurde an die Bundesregierung<br />
sowie an alle Mitglieder des Bundestages<br />
und der Landtage gesandt. Zu den Unterzeichnern<br />
gehören: Arbeitsgemeinschaft<br />
bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Agrarbündnis,<br />
Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten<br />
der evangelischen Kirche<br />
(AGU), Bioland, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft<br />
(BÖLW), Bund für<br />
Umwelt und Naturschutz Deutschland<br />
(BUND), Deutscher Naturschutzring<br />
(DNR), Gen-ethisches Netzwerk (GeN),<br />
Greenpeace, <strong>Grüne</strong> Liga, Katholische<br />
Landjugendbewegung (KLJB), Industriegewerkschaft<br />
Bauen Agrar Umwelt (IG-<br />
BAU), Naturschutzbund (NABU), Verbraucherzentrale<br />
Bundesverband (vzbv),<br />
Zukunftsstiftung Landwirtschaft (zs-l).<br />
Weitere sechzig Unternehmen und Wirtschaftsverbände<br />
unterstützen die Initiative.<br />
(jg) <br />
Offener Brief im Wortlaut auf der folgenden<br />
Seite.<br />
<strong>Gentechnik</strong>-Gesetz in Deutschland<br />
wird novelliert<br />
Ein Entwurf zur Novelle des <strong>Gentechnik</strong>gesetzes<br />
aus dem Verbraucherministerium<br />
wird zur Zeit mit den zuständigen<br />
Ressorts in den Ministerien für Wirtschaft,<br />
Forschung, Gesundheit und Justiz abgestimmt.<br />
Umstritten sind vor allem die<br />
Auflagen für Gentech-Betriebe. Die Verbände<br />
fordern, dass diejenigen, die gentechnisch<br />
veränderte Pflanzen entwickeln<br />
oder verwenden, auch dafür sorgen, dass<br />
keine Kontamination stattfindet. Kontroll-,<br />
Sicherheits- und Schadenskosten dürften<br />
nicht die bedrohten Bauern in der<br />
konventionellen und biologischen<br />
Landwirtschaft belasten. <br />
10 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Offener Brief an die<br />
Bundesregierung<br />
Die Zukunft der europäischen und deutschen<br />
Landwirtschaft liegt in der Qualität<br />
ihrer Produkte. Eine naturnahe Landwirtschaft<br />
ohne <strong>Gentechnik</strong> ist hierfür die<br />
Basis. In Europa gelten neue Gesetze zur<br />
<strong>Gentechnik</strong> - auch zum Schutz der gentechnikfreien<br />
Landwirtschaft liegen Vorschläge<br />
auf dem Tisch. Die Bundesregierung<br />
hat im Koalitionsvertrag den Schutz<br />
der gentechnikfreien Produktion zugesichert.<br />
Jetzt muss sie zeigen, ob sie die<br />
Verbraucherinteressen auch vertritt. Die<br />
Regierung muss deswegen das <strong>Gentechnik</strong>gesetz<br />
verschärfen und - wo nötig -<br />
über die <strong>EU</strong>-Mindeststandards auch hinausgehen.<br />
Dabei geht es um Transparenz<br />
und Schutz vor den Risiken der<br />
<strong>Gentechnik</strong>. Gleichzeitig muss sich Berlin<br />
in Europa sofort für ein Reinheitsgebot<br />
beim Saatgut einsetzen.<br />
Was muss die Bundesregierung jetzt<br />
tun?<br />
Für Saatgut brauchen wir sofort ein Reinheitsgebot.<br />
Saatgut steht am Anfang der<br />
Produktion, deswegen müssen wir hier<br />
besonders auf die Reinheit achten - auch<br />
für die Zukunft. In Europa wird aktuell eine<br />
neue Saatgut-Richtlinie diskutiert. Die <strong>EU</strong>-<br />
Kommission will eine hohe Verunreinigung<br />
mit <strong>Gentechnik</strong> zulassen. Nur mit den<br />
Stimmen Deutschlands kann dies sicher<br />
verhindert werden.<br />
<strong>Gentechnik</strong> darf sich nicht<br />
unkontrolliert ausbreiten<br />
Wer das Vorsorgeprinzip ernst nimmt, für<br />
den ist klar, dass sich die <strong>Gentechnik</strong> nicht<br />
unkontrolliert ausbreiten darf. Denn wenn<br />
Gesundheit, Umwelt oder die gentechnikfreie<br />
Landwirtschaft in Gefahr kommen<br />
sollten, müssen wir die <strong>Gentechnik</strong> schnell<br />
und möglichst vollständig zurückholen<br />
können.<br />
Wir brauchen klare Regeln für <strong>Gentechnik</strong>-<br />
Bauern, wenn Deutschland und die <strong>EU</strong><br />
genveränderte Pflanzen künftig für den<br />
Anbau zulassen sollten. Denn <strong>Gentechnik</strong>-<br />
Bauern müssen anders wirtschaften als<br />
normale Landwirte. Passiert dennoch<br />
etwas, zahlt der Verursacher! Die größte<br />
Verantwortung trägt dabei die Firma, die<br />
die genveränderten Pflanzen entwickelt<br />
hat. <br />
<strong>Gentechnik</strong> schafft neue Kosten<br />
Die Eindämmung der <strong>Gentechnik</strong> wird bei<br />
einem Anbau neue Kosten verursachen:<br />
Für die Bauern, die <strong>Gentechnik</strong> anbauen<br />
oder nicht anbauen wollen, und für uns<br />
alle, wenn wir negative Folgen der <strong>Gentechnik</strong><br />
verhindern wollen. Diese Kosten<br />
müssen durch die Verursacher übernommen<br />
werden. Bauern, die <strong>Gentechnik</strong><br />
anwenden, und die Hersteller der genveränderten<br />
Pflanzen müssen entsprechend<br />
in die Pflicht genommen werden.<br />
<strong>Gentechnik</strong> braucht Transparenz<br />
Informationen zu den genveränderten<br />
Pflanzen müssen öffentlich gemacht werden:<br />
Die enthaltenen neuen Gene genauso<br />
wie Ergebnisse aus Experimenten und<br />
Fütterungsversuchen; dazu gehört auch<br />
die Frage, wo die Pflanzen angebaut<br />
werden sollen. Dies gilt für Versuche wie<br />
für den kommerziellen Anbau. Denn mündige<br />
Bürger brauchen Informationen, um<br />
als Landwirt die eigene Ernte zu schützen,<br />
um sich als Verbraucher bewusst zu<br />
ernähren, oder um als Bürger bei Genehmigungsverfahren<br />
mitreden zu können.<br />
<strong>Gentechnik</strong>freiheit ist fester<br />
Bestandteil der naturnahen<br />
Landwirtschaft<br />
Es muss auch künftig überall möglich sein,<br />
ohne <strong>Gentechnik</strong> zu produzieren. Um<br />
beispielsweise die Saatgutproduktion oder<br />
besondere Ökosysteme zu schützen,<br />
müssen zusätzliche Anbauverbote für<br />
genveränderte Pflanzen in bestimmten<br />
Regionen möglich sein.<br />
Das <strong>Gentechnik</strong>gesetz muss drei Ziele<br />
sicherstellen:<br />
- Schutz der Gesundheit<br />
- Schutz der biologischen Vielfalt<br />
- Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft<br />
<br />
Unterzeichner siehe Kontakt-Spalte rechts<br />
• Strenge Regeln für<br />
<strong>Gentechnik</strong><br />
• Offener Brief an die<br />
Bundesregierung<br />
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft<br />
(AbL), Georg Janssen<br />
Mobil 0170 / 4964684<br />
eMail: abl_de@yahoo.de<br />
Bioland, Thomas Dosch<br />
Tel. 06131 / 2397913<br />
eMail: bundesvorstand@bioland.de<br />
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft<br />
(BÖLW), Dr. Alexander Gerber<br />
Tel. 030 / 28482300<br />
eMail: info@boelw.de<br />
BUND, Heike Moldenhauer<br />
Tel. 030 / 27586-456<br />
eMail: heike.moldenhauer@bund.net<br />
DNR, Helmut Röscheisen<br />
Tel. 0228 / 359005<br />
eMail: info@dnr.de<br />
Gen-ethisches Netzwerk (GeN), Christof<br />
Potthof<br />
Tel. 030 / 5868030<br />
eMail:<br />
potthof@gen-ethisches-netzwerk.de<br />
Greenpeace, Henning Strodthoff<br />
Mobil 0171 / 8780822<br />
eMail:<br />
henning.strodthoff@greenpeace.de<br />
Verbraucherzentrale Bundesverband<br />
(vzbv), Jutta Jaksche<br />
Tel: 030 / 25800436<br />
eMail: jaksche@vzbv.de<br />
Zukunftsstiftung Landwirtschaft (zs-l),<br />
Benedikt Härlin<br />
Tel. 030 / 27590309<br />
eMail: haerlin@zs-l.de<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 11
Positionen<br />
<br />
Positionspapier der kirchlichen<br />
Umweltbeauftragten<br />
10 Argumente gegen die Nutzung von<br />
gentechnisch veränderten Pflanzen<br />
Die Arbeitsgemeinschaften der Umweltbeauftragten<br />
der evangelischen Landeskirchen<br />
und der katholischen Diözesen in<br />
Deutschland wissen sich mit den anderen<br />
Unterzeichnenden dem biblischen Schöpfungsauftrag<br />
des Bebauens und Bewahrens<br />
der Erde verpflichtet. Sie beobachten<br />
daher seit Jahren intensiv die Entwicklung<br />
der sogenannten <strong>Grüne</strong>n <strong>Gentechnik</strong>.<br />
Die bevorstehende Zulassung gentechnisch<br />
veränderter Pflanzen in der europäischen<br />
Landwirtschaft nehmen die kirchlichen<br />
Umweltbeauftragten zum Anlass, auf<br />
die Gefahren und Fehleinschätzungen<br />
dieser Technik hinzuweisen. Die Ehrfurcht<br />
vor dem von Gott geschaffenen Leben hat<br />
Vorrang vor dem technisch Machbaren!<br />
Auf der Grundlage der folgenden zehn<br />
Argumente lehnen die Unterzeichner den<br />
Anbau und die Verarbeitung gentechnisch<br />
veränderter Pflanzen ab. Sie verbinden<br />
dies mit Empfehlungen an politische Entscheidungsträger<br />
und an Kirchengemeinden.<br />
1. Verbraucherautonomie in Gefahr<br />
Durch neue <strong>EU</strong>-Verordnungen werden<br />
Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit<br />
gentechnisch veränderter Produkte in der<br />
gesamten Kette der Erzeugung und Verarbeitung<br />
von Nahrungsmitteln geregelt.<br />
Hierdurch erhalten Verbraucherinnen und<br />
Verbraucher die Möglichkeit, sich bewusst<br />
für oder gegen gentechnisch veränderte<br />
Produkte zu entscheiden. Wenn es jedoch<br />
zu der befürchteten schleichenden Vermischung<br />
konventioneller mit gentechnisch<br />
veränderten Produkten kommt, so wird<br />
die dadurch gewonnene Entscheidungsmöglichkeit<br />
wieder zunichte gemacht.<br />
2. Gesundheitsrisiken beim Verzehr<br />
Es besteht die Gefahr, dass durch die<br />
gentechnischen Veränderungen in den<br />
Pflanzenzellen zusätzliche Eiweißstoffe<br />
produziert werden, die zu Veränderungen<br />
in der Verträglichkeit der Erzeugnisse<br />
führen und Ursache für das Auftreten<br />
neuartiger Allergien sind. Neue allergieauslösende<br />
Substanzen konnten bisher in<br />
den Zulassungsprüfungen von gentechnisch<br />
veränderten Lebensmitteln verhindert<br />
werden, sind aber nicht vollständig<br />
auszuschließen. <br />
Durch das Einfügen von zusätzlichen<br />
Genen in den vorhandenen Bauplan des<br />
Pflanzengenoms kann es aber auch zu<br />
unvorhersehbaren sogenannten Positionseffekten<br />
kommen, indem die Wirkung<br />
vorhandener Gene gestört oder verändert<br />
wird.<br />
3. Ökologische Risiken beim Anbau<br />
Mit dem Anbau von Pflanzen, die entweder<br />
widerstandsfähig gegen die Wirkung<br />
von Pflanzenschutzmitteln gemacht worden<br />
sind (Herbizidresistenz), oder die<br />
selbst Giftstoffe gegen Insekten produzieren<br />
(Insektenresistenz), gehen ökologische<br />
Risiken einher, deren Ausmaß und<br />
Folgen erst langfristig angemessen beurteilt<br />
werden können. So gibt es erste<br />
Hinweise auf das Auftreten widerstandsfähiger<br />
Unkräuter bzw. Insekten und auf<br />
negative Auswirkungen auf die Mikroorganismen<br />
des Bodens.<br />
4. Gefahr für die Artenvielfalt<br />
Durch den Anbau von herbizidresistenten<br />
oder insektenresistenten Pflanzen finden<br />
Eingriffe in die Nahrungskette und die<br />
Artenvielfalt im Ökosystem Acker statt,<br />
deren Tragweite für die Landwirtschaft<br />
bisher schwer abzuschätzen ist. Natürliche<br />
ökologische Gleichgewichte zwischen<br />
Schädlingen und Nützlingen werden gestört.<br />
Zusätzliche Gefahren gehen von der<br />
Gen-Erosion durch die extreme Homogenität<br />
des Saatguts und dem großflächigen<br />
Anbau aus.<br />
5. <strong>Gentechnik</strong> fördert die<br />
Konzentration in der Landwirtschaft<br />
Die bisher in Anwendung befindlichen<br />
Konzepte gentechnisch veränderter Pflanzen<br />
sind nicht für die Bedürfnisse einer<br />
bäuerlichen Landwirtschaft ausgelegt. Die<br />
globale Ausbreitung der einzelnen Techniken<br />
der <strong>Grüne</strong>n <strong>Gentechnik</strong> heizt den<br />
weltweiten Konkurrenzkampf unter den<br />
Landwirten an und gefährdet die Existenz<br />
und die Marktfähigkeit von lokal angepassten,<br />
standortgerechten Landbausystemen.<br />
<br />
6. Gefahr für die gentechnikfreie<br />
Landwirtschaft<br />
Die unkontrollierbare Ausbreitung gentechnisch<br />
veränderter Pflanzen macht<br />
eine neutrale Koexistenz zwischen Landwirten,<br />
die gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen anbauen und solchen, die darauf<br />
verzichten wollen, schwierig. Hierzu trägt<br />
auch die geplante <strong>EU</strong>-Saatgutrichtlinie bei,<br />
nach der herkömmliches Saatgut ohne<br />
Kennzeichnung bis zu 0,7 Prozent gentechnisch<br />
verändertes Saatgut enthalten<br />
darf. Insbesondere der ökologische Landbau,<br />
der für seine Produkte die Freiheit<br />
von <strong>Gentechnik</strong> garantieren will, ist in<br />
seiner Existenz bedroht. Eine Entschädigung<br />
für Verunreinigungen seiner Ernten<br />
mit gentechnisch veränderten Produkten<br />
ist derzeit nicht in Sicht. Ein Haftungsrecht<br />
für durch die <strong>Gentechnik</strong> in Landwirtschaft<br />
und Natur entstehende Schäden gibt es<br />
noch nicht. Im Gegenteil: Der Ökolandbau<br />
wie auch die gentechnikfrei arbeitenden<br />
konventionellen Bauern müssen die finanziellen<br />
Lasten für die Erhaltung einer von<br />
<strong>Gentechnik</strong> unbelasteten Landwirtschaft<br />
und die Kosten für den wissenschaftlichen<br />
Nachweis aufbringen. <br />
7. Ökonomische Fehleinschätzung<br />
Die von den Biotechnologiekonzernen<br />
angeführte ökonomische Überlegenheit<br />
ihrer Sorten durch Ertragssteigerungen<br />
und Betriebsmitteleinsparungen bewahrheitete<br />
sich kaum, wie das Beispiel des<br />
Anbaus von gentechnisch verändertem<br />
Mais und Soja in Nordamerika zeigte. Die<br />
teilweise auftretenden Ertragszuwächse<br />
werden meist mehr als kompensiert durch<br />
die steigenden Betriebskosten und den<br />
Einbruch der Märkte. Während die Preise<br />
für gentechnisch veränderte Nahrungsund<br />
Futtermittel weltweit fallen, steigen<br />
die Kosten für zusätzliche Managementmaßnahmen<br />
erheblich an.<br />
8. Fehleinschätzung Pestizid- und<br />
Herbizideinsparung<br />
Die versprochene Einsparung beim Einsatz<br />
chemischer Mittel gegen Insekten<br />
und Unkraut kann oft nur kurzfristig erzielt<br />
werden. Neben der Gefahr der Resistenzbildung<br />
bei Schadorganismen und<br />
Unkräutern wird beobachtet, dass in den<br />
Feldern andere Schädlinge und Unkräuter<br />
vermehrt auftreten. Der Einsatz anderer<br />
kostspieliger und umweltbelastender<br />
Chemikalien macht die erzielten Einsparungen<br />
vielfach wieder zunichte. <br />
12 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
9. Gefahr der Monopolisierung der<br />
Nahrungsmittelerzeugung<br />
Mit dem Vordringen der <strong>Gentechnik</strong> geht<br />
auch die Ausweitung der rechtlichen<br />
Möglichkeiten einher, Pflanzen und ihre<br />
Gene zu patentieren. Patente auf Nahrungsmittel<br />
bergen die Gefahr in sich,<br />
dass einige wenige multinational agierende<br />
Weltkonzerne Ausschließungsrechte<br />
erwerben, die es ihnen ermöglichen, die<br />
gesamte Kette der Nahrungsmittelherstellung<br />
von den Genen bis auf den Esstisch<br />
zu kontrollieren. Erste Konflikte um die<br />
Ausübung dieser Schutzrechte in Nordamerika<br />
dokumentieren, wie zukünftig die<br />
Rechte der Bauern an ihrer Ernte eingeschränkt<br />
werden können. Patente auf<br />
Leben widersprechen dem Konzept des<br />
gewerblichen Rechtsschutzes und gewähren<br />
Rechte, die weit über die tatsächliche<br />
Leistung des "Erfinders” hinausgehen.<br />
10. Mythos von der Beseitigung des<br />
Hungers in der Welt<br />
Das Versprechen, mit Hilfe der <strong>Gentechnik</strong><br />
den Hunger in der Welt zu besiegen, ist<br />
unglaubwürdig. Die <strong>Gentechnik</strong>forschung<br />
und -entwicklung liegt in privatwirtschaftlicher<br />
Hand einiger weniger Großkonzerne<br />
des Nordens, die ihre pflanzengenetischen<br />
Produkte durch Patente schützen.<br />
Die Entwicklung richtet sich an den Bedürfnissen<br />
einer durchrationalisierten<br />
Landwirtschaft der gemäßigten Breiten<br />
der Erde aus. Diese Produkte tragen<br />
bisher nichts zur Problemlösung der<br />
Landwirtschaft der Tropen bei. Ein Technologietransfer<br />
von Nord nach Süd wird<br />
durch Patente und Lizenzgebühren behindert.<br />
Unter- und Mangelernährung sind<br />
kein Mengen-, sondern ein Macht- und<br />
Verteilungsproblem. In der Welt werden<br />
nicht zu wenig Lebensmittel produziert,<br />
sondern es gibt gravierende Defizite bei<br />
den Zugängen zur und der Verteilung von<br />
Nahrung.<br />
Empfehlungen an die Politik<br />
Die kirchlichen Umweltbeauftragten fordern<br />
die politischen Entscheidungsträger<br />
auf, zum Schutz der Verbraucherinnen<br />
und Verbraucher sowie der Bäuerinnen<br />
und Bauern, die folgenden Anliegen bei<br />
den gesetzlichen Regelungen zum Umgang<br />
mit gentechnisch veränderten Pflanzen<br />
und daraus hergestellten Produkten<br />
umzusetzen: <br />
- Herkömmliches Saatgut darf nicht mit<br />
gentechnisch verändertem Saatgut verunreinigt<br />
sein, damit Landwirte sich bewußt<br />
für oder gegen den Anbau gentechnisch<br />
veränderter Produkte entscheiden<br />
können. Daher sollte der Entwurf<br />
der geplanten <strong>EU</strong>-Saatgutrichtlinie<br />
geändert werden.<br />
- Durch den Anbau gentechnisch veränderter<br />
Pflanzen darf keine Beeinträchtigung<br />
der gentechnikfreien Landwirtschaft<br />
erfolgen. Daher ist eine klare,<br />
einheitliche Regelung der Koexistenz für<br />
alle Mitgliedsstaaten der erweiterten <strong>EU</strong><br />
durchzusetzen.<br />
- Eine Haftungsregelung nach dem Verursacherprinzip<br />
für Schäden durch gentechnisch<br />
veränderte Pflanzen und Produkte<br />
ist einzuführen.<br />
- Leben ist keine Erfindung des Menschen<br />
und damit nicht patentierbar. Deshalb ist<br />
eine Revision der <strong>EU</strong>-Biopatentrichtlinie<br />
und des TRIPs-Abkommens in der WTO<br />
erforderlich.<br />
- Die Regulierung der <strong>Gentechnik</strong> darf<br />
nicht den Handelsinteressen untergeordnet<br />
werden; dem Druck der USA in<br />
der WTO ist Stand zu halten.<br />
Empfehlungen an die<br />
Kirchengemeinden<br />
Die kirchlichen Umweltbeauftragten<br />
bitten die Verantwortlichen in den Kirchengemeinden,<br />
Einrichtungen, Ämtern<br />
und Werken, den folgenden Anliegen im<br />
kirchlichen Handeln Aufmerksamkeit zu<br />
schenken:<br />
- Angebote zur Information und Diskussion<br />
zu Fragen der <strong>Grüne</strong>n <strong>Gentechnik</strong><br />
bereit stellen<br />
- Ausschluss von gentechnisch verändertem<br />
Pflanz- und Saatgut auf kirchlichen<br />
Ländereien durch entsprechende Klauseln<br />
in den Pachtverträgen<br />
- Bewusster Einkauf von Lebensmitteln,<br />
die ohne gentechnische Verfahren produziert<br />
worden sind. <br />
Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten<br />
(AGU) der evangelischen Kirchen<br />
in Deutschland (EKD), Arbeitsgemeinschaft<br />
der Umweltbeauftragten der deutschen<br />
Diözesen, Ausschuss für den Dienst<br />
auf dem Lande (ADL) in der EKD, Katholische<br />
Landvolkbewegung (KLB)<br />
• Positionspapier der<br />
kirchlichen<br />
Umweltbeauftragten<br />
Dr. Gudrun Kordecki, Institut für Kirche<br />
und Gesellschaft, Umweltreferat, Berliner<br />
Platz 12, 58638 Iserlohn<br />
Tel. 02371 / 352-186, Fax -169<br />
eMail:<br />
g.kordecki@kircheundgesellschaft.de<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 13
Lektionen<br />
<br />
GVO-Krise in Großbritannien:<br />
Lektion für Europa?<br />
Skandale in Politik und Wissenschaft,<br />
mehrere <strong>Gentechnik</strong>-kritische Studien<br />
Auf der "Insel" scheint in Bezug auf die für<br />
diesen Herbst geplante Einführung von<br />
gentechnisch veränderten Organismen<br />
(GVO) auf den Agrarmarkt alles drunter<br />
und drüber zu gehen. Die Labour-Regierung<br />
unter Tony Blair hat die Fäden offenbar<br />
nicht mehr in der Hand.<br />
Zu dreist hatte New Labour versucht, die<br />
Interessen der Biotech-Agrarindustrie<br />
durchzudrücken, obwohl öffentlich bekannt<br />
war, dass enge Verflechtungen<br />
zwischen wichtigen Mitgliedern der Labour<br />
Party und einschlägigen Unternehmen<br />
bestanden (<strong>EU</strong>R 08.03, S. 22). Dass die<br />
Wahl für den neuen Pressechef nach<br />
Alistair Campbell auf David Hill fiel, war in<br />
diesem Kontext kein glücklicher Griff: Hill<br />
besitzt 95.000 Optionsscheine einer<br />
Public-Relationsfirma, die hauptsächlich<br />
Unternehmen der Agrarindustrie vertritt<br />
(<strong>EU</strong>R 09.03, S. 36).<br />
Wie in der Politik, so auch in der<br />
Wissenschaft<br />
Auch der britische Wissenschaftsbetrieb<br />
offenbart in der momentanen Krise erschreckende<br />
Einsichten. Das britische<br />
System werde nicht mehr von der Suche<br />
nach Wissen dominiert wird, sondern von<br />
den Interessen der Wirtschaft - so berichtete<br />
der Guardian am 19. August (<strong>EU</strong>R<br />
08.03, S. 23). In einer jetzt in Auftrag<br />
gegebenen Studie soll untersucht werden,<br />
inwiefern unorthodoxe, GVO-kritische<br />
Arbeiten von der Royal Academy, dem<br />
offiziellen wissenschaftlichen Rat Großbritanniens<br />
durch das System des Peer<br />
Reviews zurückgehalten werden. Im Rahmen<br />
des Peer Reviews werden Arbeiten<br />
von anderen Wissenschaftlern begutachtet.<br />
Durch eine schlechte Bewertung<br />
können Arbeiten sozusagen "vom Markt"<br />
geholt werden, eine breite Veröffentlichung<br />
ist dann nicht mehr möglich. In der<br />
letzten Zeit habe es mehrere Fälle davon<br />
gegeben, dass Wissenschaftler auf diesem<br />
und auf anderem Wege durch den Wissenschaftsapparat<br />
mundtot gemacht<br />
worden seien. <br />
Studien der Regierung bringen<br />
"überraschende" Ergebnisse<br />
Der Versuch der britischen Regierung, die<br />
Aufregung mit den Ergebnissen einiger<br />
von ihr in Auftrag gegebener Studien zu<br />
glätten, ging nach hinten los:<br />
Kein Vorteil für Konsumenten<br />
Die erste Studie des Kabinettbüros von<br />
Tony Blair kam zu dem Schluss, dass der<br />
Anbau von GVO-Sorten keinen direkten<br />
Vorteil für den Konsumenten oder für die<br />
Wirtschaft bringen würde. Damit sprechen<br />
sie der wiederholten Behauptung Blairs<br />
Hohn, GVO seien unverzichtbar für die<br />
britische Wirtschaft.<br />
Koexistenz von GV-Anbau mit<br />
genfreien Anbau ist unmöglich<br />
Die zweite Studie eines Expertengremiums<br />
unter der Leitung von Dr. David King,<br />
einem der Regierung nahestehenden<br />
Wissenschaftler, kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass es unmöglich ist, nach der Einführung<br />
von GVO-Sorten einen GVO-freien<br />
Ackerbau aufrecht zu erhalten. Hierdurch<br />
wurden massive Widerstände in der Bevölkerung<br />
ausgelöst, die sich mehr und<br />
mehr für gesunde, chemikalien-freie Lebensmittel<br />
interessiert. Genau das hatte<br />
die Regierung verhindern wollen. <br />
Vorbildliche Regierungsumfrage mit<br />
Bumerang-Effekt: 80% gegen GVO<br />
Als letzten Schildbürgerstreich hatte sich<br />
die Blair-Regierung eine Umfrage ausgedacht,<br />
in der das Volk konsultiert werden<br />
sollte. Das war durchaus lobenswert,<br />
sollten doch in öffentlichen, protokollierten<br />
Anhörungen die Meinungen und Gefühle<br />
der Zivilgesellschaft ermittelt werden.<br />
Keiner hatte jedoch damit gerechnet,<br />
dass auf diese im Internet präsentierte<br />
Umfrage ein derartiges Echo zurückschallen<br />
würde:<br />
- 20.000 Menschen nahmen an 675<br />
öffentlichen Anhörungen in Großbritannien<br />
teil;<br />
- Die Internetseite hatte 2,9 Millionen<br />
Besucher;<br />
- 70.000 Feedback-Fragebögen wurden<br />
heruntergeladen, davon wurden 36,557<br />
zurückgesendet;<br />
- 93% denken, dass die Biotechnologie<br />
von Profitinteressen statt vom Interesse<br />
für das Gemeinwohl geleitet wird;<br />
- 85% denken, dass GVO den Produzenten<br />
Vorteile bringen, aber nicht den<br />
Konsumenten;<br />
- 84% sind der Ansicht, das GVO den<br />
natürlichen Stoffkreislauf stören<br />
- 54% wollen, dass niemals GVO-Anbausorten<br />
in Großbritannien angebaut werden;<br />
- 86% können sich nicht vorstellen, gentechnisch<br />
veränderte Lebensmittel zu<br />
essen;<br />
- 93% sagten, dass man zu wenig über<br />
die gesundheitlichen Auswirkungen von<br />
Genfood wisse;<br />
- Nur 2% waren mit Genfood unter allen<br />
Umständen einverstanden.<br />
GVO-Umfrage-Ergebnis und Kelly-<br />
Affäre: Schlechtes Klima für Tony Blair<br />
Dieses unmissverständliche Ergebnis<br />
verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der<br />
britischen Öffentlichkeit. Ungünstig war<br />
auch das Timing. Durch die Affäre um den<br />
Chemiewaffenexperten David Kelly war die<br />
Blair-Regierung unter Druck geraten und<br />
das Vertrauen der britischen Öffentlichkeit<br />
durch das intransparente und zusammenhanglose<br />
Verhalten der Regierung im<br />
Untersuchungsverfahren geschwächt<br />
worden. <br />
14 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Erfolg oder nur Etappensieg der GVO-<br />
Gegner?<br />
Ende September meldete der Guardian,<br />
führende Wissenschaftler in der Biotechbranche<br />
verließen das Land, da die<br />
großen Firmen ihre Engagements in<br />
Großbritannien aufgäben und die öffentliche<br />
Meinung GVO ablehne. Auch wenn die<br />
Meldung eines "Exodus" von Wissenschaftlern<br />
im Guardian als übertrieben<br />
angesehen werden kann - laut Independent<br />
waren nur sechs Wissenschaftler<br />
betroffen -, ist dies doch ein Zeichen für<br />
die europäischen Wissenschaftler, sich<br />
verantwortungs - und risikobewusster mit<br />
der Biotechnologie zu beschäftigen.<br />
Darüber hinaus ist der Fall Blair ein Warnschuss<br />
an alle Regierungen, die versuchen<br />
mit ihrer Bevölkerung ein doppeltes<br />
Spiel zu treiben. Intransparentes Vorgehen,<br />
Hintertür-Taktiken und die Befangenheit<br />
politischer Entscheidungsträger<br />
können das Vertrauen der Bürger erschüttern<br />
- und einer Partei langfristig<br />
Schaden zufügen.<br />
• GVO-Krise in<br />
Großbritannien: Lektion für<br />
Europa?<br />
DNR <strong>EU</strong>-<strong>Koordination</strong>, Agrarexperte<br />
Daniel Unsöld, Prenzlauer Allee 230,<br />
10405 Berlin<br />
Tel. 030 / 443-40470 (Do), -39181<br />
eMail: eur2@web.de<br />
Gen-ethisches Netzwerk, Brunnenstr.<br />
4, 10119 Berlin<br />
Tel. 030-6857073, Fax -6841183<br />
eMail:<br />
liste@gen-ethisches-netzwerk.de<br />
Internet:<br />
www.gen-ethisches-netzwerk.de<br />
Buchempfehlung: Andy Rowell, "Don't<br />
Worry It Is Safe to Eat", Earthscan; im<br />
Internet: www.guardian.co.uk/<br />
gmdebate/Story/<br />
0,2763,1021573,00.html<br />
Eine weitere Botschaft lässt sich aus<br />
diesen Fakten ablesen: GVO ist nicht mehr<br />
nur ein Thema für einige Ökobauern und<br />
Naturschützer - die Bürger in Großbritannien<br />
haben verstanden, dass der harte<br />
Kampf, der jetzt um die Einführung von<br />
Gen-Saaten, Anbaubestimmungen und<br />
Kennzeichnungspflichten ausgetragen<br />
wird, außerordentlich viel mit der Sicherheit<br />
der Nahrungsmittel zu tun hat, die sie<br />
in wenigen Jahren essen werden. <br />
Autor: Daniel Unsöld,<br />
DNR <strong>EU</strong>-<strong>Koordination</strong><br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 15
Lektionen<br />
<br />
Schöne neue grüne Welt:<br />
Internationale Tendenzen<br />
Vier Länder führen beim Gentech-<br />
Anbau, doch der Widerstand wächst<br />
60 Millionen Hektar, anderthalb mal so<br />
groß wie Deutschland: Das ist die Fläche,<br />
auf der weltweit gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen angebaut werden. Damit ist die<br />
Gen-Pflanzen-Fläche heute 35-mal größer<br />
als 1996. Die Zahlen meldete die international<br />
tätige Agrobiotechnologie-Agentur<br />
ISAAA im vergangenen Jahr. Laut ISAAA<br />
entfallen bereits 23 Prozent der weltweiten<br />
Erzeugung der vier Kulturarten Soja,<br />
Mais, Raps und Baumwolle auf GVO-<br />
Sorten (GVO: gentechnisch veränderte<br />
Organismen).<br />
Knapp 99 Prozent der Anbaufläche verteilen<br />
sich auf vier Länder: USA (39 Millionen<br />
Hektar), Argentinien (14), Kanada (4),<br />
China (2). Zwölf weitere Ländern bauen<br />
genmanipulierte Pflanzen an. In Südafrika<br />
und Australien findet man eine Fläche von<br />
über 100.000 Hektar vor. Indien, Kolumbien<br />
und Honduras haben 2002 erstmals<br />
GVO-Pflanzen genehmigt. Seit September<br />
2003 ist in Brasilien der Anbau gentechnisch<br />
veränderter Sojabohnen erlaubt.<br />
Drei Milliarden Umsatz<br />
Drei Milliarden US-Dollar Umsatz wurden<br />
im Jahr 2002 auf dem Markt für transgenes<br />
Saatgut inklusive dem für an die Gen-<br />
Pflanzen angepassten Pestizide erzielt.<br />
Das sind sieben Prozent des gesamten<br />
Weltmarktumsatzes für Saatgut und Pflanzenschutzmittel.<br />
Die Europäer und insbesondere die Deutschen<br />
stehen dem Einsatz der <strong>Gentechnik</strong><br />
in Lebensmitteln eher skeptisch gegenüber.<br />
Gentechnisch veränderte Pflanzen<br />
werden nur zu Forschungszwecken gezüchtet.<br />
Spanien ist das einzige <strong>EU</strong>-Land,<br />
das Gen-Pflanzen in der Landwirtschaft<br />
nutzt. Seit 1998 wird dort auf etwa<br />
25.000 Hektar insektenresistenter Mais<br />
angebaut.<br />
Kritiker und Befürworter der Nutzung von<br />
grüner <strong>Gentechnik</strong> gibt es weltweit. Ein<br />
Blick in ausgewählte Länder zeigt, wie<br />
unterschiedlich mit der neuen Technik<br />
umgegangen wird. <br />
China: GVO-Baumwolle ja,<br />
GVO-Nahrung nein<br />
Laut dem ISAAA-Bericht weist China mit<br />
40 Prozent den stärksten Zuwachs an<br />
<strong>Gentechnik</strong> in der Landwirtschaft auf. Auf<br />
mehr als zwei Millionen Hektar ist dort<br />
insektenresistente Baumwolle angebaut<br />
worden. Das entspricht der Hälfte der<br />
nationalen Baumwollerzeugung. Gentechnisch<br />
veränderte Nahrungsmittel lehnen<br />
die chinesischen Verbraucher allerdings<br />
mehrheitlich ab, berichtete Greenpeace im<br />
Juli.<br />
32 Unternehmen hätten sich deshalb<br />
offiziell verpflichtet, keine genmanipulierten<br />
Lebensmittel mehr auf den Markt zu<br />
bringen (<strong>EU</strong>R 08.03, S. 8). "Einige Lebensmittelunternehmen<br />
sind klug genug,<br />
eine Lehre aus Nestlés schlechtem Beispiel<br />
zu ziehen", so Greenpeace-Sprecher<br />
Sze Pang-Cheung. Der Konzern war im<br />
Vorjahr in China in Verruf geraten, weil er<br />
Gen-Nahrung, die er aufgrund von<br />
Verbraucherprotesten in Europa nicht<br />
verkaufen konnte, auf den asiatischen<br />
Markt gedrückt hatte. Auch die chinesische<br />
Regierung setze sich für gentechnikfreie<br />
Lebensmittelproduktion ein, so<br />
Greenpeace. Seit März 2003 dürfen in<br />
den größten Soja-produzierenden Provinzen<br />
im Nordosten des Landes keine genmanipulierten<br />
Sojapflanzen angebaut<br />
werden. Gesetze zur Kennzeichnung von<br />
Gen-Nahrung sind in Arbeit.<br />
Brasilien: Gen-Soja für ein Jahr<br />
erlaubt, Bauern haften selbst<br />
Kurz vor der beginnenden Aussaat hat<br />
der brasilianische Vizepräsident José<br />
Alencar im September diesen Jahres ein<br />
Gesetz unterzeichnet, das den Anbau<br />
gentechnisch veränderter Herbizid-resistenter<br />
Sojabohnen erlaubt. Die Genehmigung<br />
gilt zunächst für ein Jahr und ist mit<br />
Auflagen verbunden: Die Landwirte, die<br />
Gen-Soja anbauen wollen, müssen eine<br />
Erklärung unterzeichnen, dass sie für das<br />
Saatgut Lizenzgebühren an den US-Agrarkonzern<br />
Monsanto zahlen. Außerdem<br />
müssen sie die Verantwortung für mögliche<br />
Umweltschäden und Beeinträchtigungen<br />
von Nachbarfeldern, zum Beispiel<br />
durch Auskreuzung, selbst übernehmen.<br />
<br />
Das neue Gesetz ist der Versuch, eine seit<br />
längerem übliche illegale Praxis zu legalisieren.<br />
Vor allem im südbrasilianischen<br />
Bundesstaat Rio Grande do Sul wird seit<br />
einiger Zeit GVO-Sojasaatgut aus Argentinien<br />
und Paraguay eingeschmuggelt. Ob<br />
die mächtigen Farmer in Rio Grande do<br />
Sul die verlangten Erklärungen unterschreiben,<br />
erscheint fraglich. Der Internet-<br />
Informationsdienst TransGen berichtete,<br />
bisher gebe es kein staatliches Überwachungssystem<br />
für den GVO-Anbau. Außerdem<br />
seien bisher die Lizenzgebühren<br />
durch eigene Nachzucht des eingeschmuggelten<br />
GVO-Saatguts umgangen<br />
worden.<br />
Kleinere Landwirtschaftsbetriebe fürchten,<br />
dass Brasilien mit der Legalisierung von<br />
GVO-Soja Marktchancen in Europa und<br />
Asien einbüßt. Bisher wurde die Nachfrage<br />
nach Sojarohstoffen, bei denen der<br />
GVO-Anteil unterhalb der Kennzeichnungsschwelle<br />
von einem Prozent liegt,<br />
vor allem von Brasilien gedeckt. 2002 hat<br />
Brasilien etwa 15 Millionen Tonnen Soja<br />
nach Europa exportiert und ist damit<br />
Europas größter Sojalieferant.<br />
Kanada: Kaum gentechnikfreier<br />
Rapsanbau möglich<br />
In Kanada erlangte ein Farmer in den<br />
vergangenen Jahren traurige Berühmtheit:<br />
Percy Schmeiser, der seit 40 Jahren auf<br />
seinen Feldern Raps anbaut, wurde 1998<br />
vom US-Agrarunternehmen Monsanto<br />
verklagt. Gen-Detektive von Monsanto<br />
hatten auf Schmeisers Feldern Raps mit<br />
Genen einer von dem Konzern gentechnisch<br />
veränderten und patentierten Rapssorte<br />
gefunden. Schmeiser bestritt, GVO-<br />
Raps angebaut zu haben und vermutete,<br />
dass seine Rapsfelder durch Pollen von<br />
Nachbarfeldern mit Gen-Raps kontaminiert<br />
wurden. Der Landwirt wurde zu Entschädigungszahlungen<br />
von 400.000 kanadischen<br />
Dollar verurteilt, sein gesamtes<br />
Saatgut wurde eingezogen. Schmeiser hat<br />
gegen dieses Urteil Berufung vor dem<br />
höchsten kanadischen Gerichtshof eingelegt.<br />
Der Berufung wurde stattgegeben,<br />
im kommenden Januar geht es in die<br />
letzte Runde des Patentstreits. <br />
16 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Greenpeace vermutet, dass das dann<br />
gefällte Urteil zum Präzedenzfall wird und<br />
die Richtung angibt, wie in Zukunft mit<br />
patentgeschützten Pflanzen umgegangen<br />
wird. In Kanada wird seit 1996 genmanipulierter<br />
Raps großflächig angebaut, der<br />
sich über Pollenflug und verunreinigtes<br />
Saatgut unkontrolliert ausbreitet, wie<br />
Greenpeace berichtet. Für kanadische<br />
Bauern ist es danach fast unmöglich<br />
geworden, ihre Ernte gentechnikfrei zu<br />
halten.<br />
Neuseeland: 30.000 protestieren für<br />
Moratoriums-Verlängerung<br />
Neuseeland unterstützt die WTO-Klage<br />
der USA gegen das Moratorium der <strong>EU</strong>,<br />
obwohl in dem Land selbst ebenfalls ein<br />
Moratorium (deutsch: Aufschub) für GVO-<br />
Pflanzen verhängt worden ist. Allerdings<br />
sollte diese Vorschrift am 29. Oktober<br />
auslaufen. Im Gegensatz zur Regierung ist<br />
ein Großteil der Bevölkerung für eine<br />
Verlängerung des Moratoriums zu kommerziellem<br />
Anbau von genmanipuliertem<br />
Saatgut. Premierministerin Helen Clark will<br />
das Moratorium trotzdem aufheben. Am<br />
11. Oktober fand deshalb im neuseeländischen<br />
Auckland die größte Demonstration<br />
seit mehr als 25 Jahren statt. Nach Zeitungsberichten<br />
gingen rund 30.000 Menschen<br />
auf die Straße, um gegen die Aufhebung<br />
des Moratoriums zu protestieren.<br />
Auch in anderen Städten gab es an diesem<br />
Tag Protestmärsche. In den letzten<br />
zwei Jahren hat sich die Anti-GVO-Kampagne<br />
in Neuseeland zu einer Massenbewegung<br />
entwickelt, die von zwei Dritteln<br />
der Bevölkerung unterstützt wird.<br />
Sambia: Kein Gen-Mais als Hungerhilfe<br />
Im Oktober 2002 hat die Regierung von<br />
Sambia im südlichen Afrika beschlossen,<br />
genmanipulierten Mais als Hungerhilfe<br />
zurückzuweisen (<strong>EU</strong>R 11/12.02, S. 15).<br />
Wissenschaftler hatten im Auftrag der<br />
Regierung weltweit nach den Auswirkungen<br />
von gentechnisch veränderten Lebensmitteln<br />
auf den Menschen geforscht.<br />
"Niemand kann derzeit garantieren, dass<br />
genmanipulierter Mais gesundheitlich<br />
unbedenklich ist", folgerte Landwirtschaftsminister<br />
Mundia Sikatana aus dem<br />
Bericht des Forscherteams. Sambias<br />
Präsident Levy Mwanawasa bezeichnete<br />
den Gen-Mais als "Gift", während Tony<br />
Hall, US-Botschafter bei den Vereinten<br />
Nationen, die Entscheidung der Regierung<br />
als "Verbrechen gegen die Menschheit"<br />
verurteilte. <br />
Diese Auseinandersetzung um GVO-freie<br />
Hungerhilfe spiegelt Afrikas Dilemma<br />
zwischen Abhängigkeit und eigenständiger<br />
Existenz wider. Sambia wurde im<br />
vergangenen Jahr von einer Dürre heimgesucht,<br />
von der mehr als 2,5 Millionen<br />
Menschen betroffen waren, knapp zwei<br />
Drittel der Bevölkerung. Um sie mit Nahrung<br />
zu versorgen, brauchte das Land 21<br />
Tonnen Lebensmittel im Monat. Die Hilfslieferung<br />
kam aus den USA. Neben Sambia<br />
erhielten noch vier weitere südafrikanische<br />
Länder GVO-Mais von den USA als<br />
Hungerhilfe.<br />
Die Regierung von Sambia ging es nicht<br />
nur um die gesundheitlichen Auswirkungen<br />
des genmanipulierten Maises. Sie<br />
befürchtete auch, dass Maiskörner ausgesät<br />
werden würden. Dann wäre nicht mehr<br />
zu kontrollieren, auf welchen Feldern sich<br />
Gen-Mais ausgebreitet hat. Verunreinigte<br />
Lebensmittel würden den Export in die<br />
Europäische Union erschweren, der nach<br />
Ende der Dürre wieder aufgenommen<br />
werden sollte. Das UN-Welternährungsprogramm<br />
WFP lenkte ein und lieferte<br />
gentechnik-freie Lebensmittel als Soforthilfe.<br />
Inzwischen ist Sambia dabei, einen<br />
Fünf-Jahres-Plan für eine nationale Biosafety-<br />
und Biotechnologie-Strategie zu<br />
entwickelen. Ziel des Regelwerkes ist<br />
neben dem Naturschutz auch der Schutz<br />
der sambischen Nutzpflanzenvielfalt.<br />
US-Präsident George W. Bush hatte im<br />
Juni argumentiert, dass der Hunger in<br />
Afrika bekämpft werden könne, wenn die<br />
<strong>EU</strong> den Import gentechnisch veränderter<br />
Nahrungsmittel zulassen würde. Das <strong>EU</strong>-<br />
Moratorium hindere afrikanische Bauern<br />
daran, die Vorteile genmanipulierter Anbauprodukte<br />
zu nutzen, da sie Angst<br />
hätten, Europa als Exportmarkt zu verlieren.<br />
Mit dieser Äußerung löste Bush<br />
weltweite Proteste aus. Der Hunger in<br />
Afrika und in anderen Teilen der Welt sei<br />
keine Folge des <strong>EU</strong>-Moratoriums, sondern<br />
ein Folgeproblem der Armut und der<br />
sozialen Verhältnisse, erklärten internationale<br />
Entwicklungshilfeorganisationen.<br />
Der Präsident der USA instrumentalisiere<br />
den Hunger in Afrika, um die Interessen<br />
der eigenen <strong>Gentechnik</strong>-Unternehmen<br />
durchzusetzen. <br />
Autorin: Victoria Liesche,<br />
DNR Redaktionsbüro Berlin<br />
• Schöne neue grüne Welt:<br />
Internationale Tendenzen<br />
DNR, Prenzlauer Allee 230, 10405<br />
Berlin<br />
Tel. 030 /443391-81, Fax -80<br />
eMail: info-berlin@dnr.de<br />
TransGen, Online-Informationssystem<br />
der Verbraucher Initiative e.V., Bachstr.<br />
62-64, 52066 Aachen<br />
Tel. 0241 / 168-4086, Fax -4555<br />
eMail: info@transgen.de<br />
Internet: www.transgen.de<br />
ISAAA-Bericht im Internet:<br />
www.transgen.de/pdf/dokumente/<br />
ISAAA2002.pdf<br />
Greenpeace International, Keizersgracht<br />
176, NL-1016 DW Amsterdam<br />
Tel. 0031 / 2052362-22, Fax -00<br />
eMail: supporter.services@<br />
ams.greenpeace.org<br />
Internet: www.greenpeace.org<br />
Greenpeace Deutschland, Große<br />
Elbstr. 39, 22767 Hamburg<br />
Tel. 040 / 30618-0, Fax -100<br />
eMail: mail@greenpeace.de<br />
www.greenpeace.de<br />
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Aktionen<br />
<br />
"Einspruch: WTO - Hände weg<br />
von unserer Nahrung!"<br />
Internetaktion von Umweltverbänden<br />
und Globalisierungskritikern<br />
BUND, BUNDjugend, Friends of the<br />
Earth Europe und Attac haben eine gemeinsame<br />
Aktion gestartet, um politischen<br />
Druck auf die WTO auszuüben. Auf der<br />
Internetseite www.GENug-WTO.de kann<br />
Einspruch erhoben werden. Außerdem<br />
werden Aufkleber mit der Aufschrift "<strong>Gentechnik</strong>freie<br />
Zone" und Informationsblätter<br />
angeboten.<br />
In dem Aufruf heißt es: "George Bush<br />
benutzt die Welthandelsorganisation<br />
(WTO), um die Zulassung genetisch veränderter<br />
Lebensmittel in der Europäischen<br />
Union zu erzwingen. Die <strong>Gentechnik</strong>-Konzerne<br />
haben Milliarden investiert -<br />
- in die Entwicklung gentechnisch veränderter<br />
Lebensmittel, die niemand braucht<br />
und keiner will. Die Verbreitung solcher<br />
Produkte (GVO) nehmen Verbrauchern<br />
die Möglichkeit, gentechnikfreie Lebensmittel<br />
zu kaufen, treiben Kleinbauern in<br />
aller Welt in die Abhängigkeit von großen<br />
Konzernen und verstärken Hungerkrisen<br />
in Entwicklungsländern. Zudem weiß<br />
niemand, welche Risiken für Umwelt und<br />
Gesundheit in GVO stecken. Um den Weltmärkten<br />
dennoch GVO aufzuzwingen,<br />
haben die USA Klage bei der WTO eingereicht.<br />
Die Europäische Union behindere<br />
in illegitimer Weise den Handel mit GVO.<br />
Wenn ihr die WTO Recht gibt, muss nicht<br />
nur die <strong>EU</strong> die Einfuhr und den Anbau von<br />
GVO in immer größerem Ausmaß erlauben.<br />
Der Klagefall dient auch als Drohung<br />
an andere Länder, keine Gesetze gegen<br />
GVO einzuführen." (jg) <br />
"Save our Seeds" - Kampagne<br />
für gentechnikfreies Saatgut<br />
Auf der Internetseite der Kampagne "Save<br />
our seeds" (www.saveourseeds.org) gibt<br />
es mehrere Möglichkeiten, sich an Protestaktionen<br />
gegen die drohende gentechnische<br />
Verunreinigung des Saatguts<br />
zu beteiligen.<br />
Internet-Petition, Postkartenaktion<br />
An die <strong>EU</strong>-Kommissare David Byrne<br />
(Verbraucherschutz), Franz Fischler<br />
(Agrar) und Margot Wallström (Umwelt)<br />
sowie die deutsche Verbraucherministerin<br />
Renate Künast können per Internet Briefe<br />
geschicht werden. Die Politker/innen<br />
sollen sich dafür einsetzen, dass das<br />
Saatgut frei von gentechnischer Verunreinigung<br />
bleibt.<br />
In einer Postkartenaktion wird auch<br />
Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgefordert,<br />
sich für gentechnikfreie Landwirtschaft<br />
stark zu machen.<br />
Im Internet gibt es weitere Informationen,<br />
Graphiken und Aktionen zum Mitmachen.<br />
(jg) <br />
Bäuerinnen- und<br />
Bauernnetzwerk<br />
Agraropposition für eine<br />
gentechnikfreie Landwirtschaft<br />
Das Bäuerinnen- und Bauernnetzwerk<br />
setzt sich innerhalb des Berufsstands, im<br />
vor- und nachgelagerten Sektor der<br />
Landwirtschaft, gegenüber dem Lebensmittelhandwerk<br />
und dem Lebensmittelhandel<br />
sowie gegenüber der Politik dafür<br />
ein, dass gentechnikfreie Landwirtschaft,<br />
insbesondere der Bezug von gentechnikfreiem<br />
Saatgut und von gentechnikfreien<br />
Futtermitteln, möglich bleibt.<br />
Dafür sollen Informationsarbeit geleistet,<br />
regionale gentechnikfreie Zonen unterstützt,<br />
politische Lobbyarbeit in Berlin und<br />
Brüssel gemacht und Bündnisse mit wichtigen<br />
gesellschaftlichen Organisationen<br />
geschlossen werden. Außerdem hilft das<br />
Netzwerk mit juristischer Beratung, wie<br />
schon bei der erfolgreichen Auseinandersetzung<br />
um die Nachbauregelung beim<br />
Saatgut.<br />
Der Verein zur Förderung einer nachhaltigen<br />
Landwirtschaft (FaNaL) und die<br />
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft<br />
(AbL) laden alle Betroffenen und<br />
Interessierten zur Mitarbeit ein. (jg) <br />
18 DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03
Kontakt<br />
<br />
Aktuelles zum Ökolandbau<br />
Nachrichten und Positionen, Flyer und<br />
Poster<br />
Der Öko-Anbauverband Bioland hat auf<br />
seiner Internetseite aktuelle Nachrichten<br />
und Standpunkte der letzten Wochen<br />
zusammengestellt. Unter www.bioland.de<br />
sind auch Infoblätter und Poster erhältlich.<br />
Außerdem findet sich dort eine umfangreiche<br />
Link-Sammlung, u.a. mit einer<br />
Herstellerbefragung der Verbraucherzentrale.<br />
Forderungen von Bioland:<br />
- Reinheitsgebot für Saatgut: Nur niedrige<br />
Kennzeichnungsgrenzwerte können die<br />
Wahlfreiheit erhalten.<br />
- Haftungsfonds der Saatgutindustrie: Wer<br />
sich einen Gewinn aus der <strong>Gentechnik</strong><br />
verspricht, muss auch für Schäden haften.<br />
Dies muss auch für Umweltschäden<br />
gelten. Sonst subventionieren Landwirte<br />
und Gesellschaft die Gewinne der <strong>Gentechnik</strong>konzerne.<br />
- Die Kosten der <strong>Gentechnik</strong> muss der<br />
Verursacher tragen: Die Einführung der<br />
grünen <strong>Gentechnik</strong> verursacht für die<br />
gentechnikfreie Landwirtschaft zusätzliche<br />
Kosten für Warenstromtrennung und<br />
Analysen. Diese müssen vom Verursacher<br />
getragen werden.<br />
- Transparenz beim <strong>Gentechnik</strong>einsatz:<br />
Öffentlich zugängliche und aussagekräftige<br />
Informationen zu Anbauorten und<br />
Arten gentechnisch veränderter Organismen<br />
(GVO). Nur so lässt sich die Ernte<br />
vor GVO-Kontaminationen schützen.<br />
(jg) <br />
Studie: <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong><br />
global nicht zukunftsfähig<br />
Traditionelles und indigenes Wissen<br />
sichert erfolgreich die Ernährung<br />
Im September hat das unabhängige Wissenschaftsgremium<br />
Independent Science<br />
Panel seinen Bericht "A GM-Free Sustainable<br />
World" veröffentlicht. Die Autorinnen<br />
Mae-Wan Ho und Lim Li Ching zeigen<br />
darin einerseits die Gefahren der <strong>Gentechnik</strong><br />
auf, zum anderen weisen sie die<br />
Vorteile des ökologischen Anbaus nach<br />
und heben die besondere Rolle der indigenen<br />
Bevölkerung dabei hervor. Der<br />
Bericht liegt nun in deutscher Übersetzung<br />
vor und kann von der Internetseite<br />
der BUKO Agrar<strong>Koordination</strong> heruntergeladen<br />
werden.<br />
Die Agrar<strong>Koordination</strong> wurde 1981 als<br />
Kampagne des "Bundeskongress entwicklungspolitischer<br />
Aktionsgruppen" (BUKO)<br />
gegründet und arbeitet zu den Schwerpunkten<br />
Landwirtschaft und Ernährung.<br />
Sie entwickelt Perspektiven, die den Interessen<br />
der Landbevölkerung im Süden ein<br />
stärkeres Gewicht verleihen. Mit ihrem<br />
dreijährigen Projekt BIOPOLY will die<br />
Agrar<strong>Koordination</strong> einen Beitrag zum<br />
Erhalt der biologischen Vielfalt als wesentliche<br />
Vorraussetzung für Ernährungssicherheit<br />
leisten. (jg) <br />
• "Einspruch: WTO Hände weg<br />
von unserer Nahrung!"<br />
BUND, Daniel Mittler, Am Köllnischen<br />
Park 1, 10179 Berlin<br />
Tel. 030 / 275864-0, Fax -40<br />
eMail: daniel.mittler@bund.net<br />
Internet: www.genug-wto.de<br />
• "Save our Seeds" -<br />
Kampagne für<br />
gentechnikfreies Saatgut<br />
Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Marienstr.<br />
19, 10117 Berlin<br />
Tel. 030-24047146, Fax -27590312<br />
eMail: info@saveourseeds.org<br />
Internet: www.zs-l.de<br />
www.saveourseeds.org<br />
• Bauern- und<br />
Bäuerinnennetzwerk<br />
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft<br />
(AbL), Georg Janßen, Bahnhofstr.<br />
31, 59065 Hamm/Westf.<br />
Tel. 02381 / 4922-20, Fax -21<br />
eMail: bauernstim@aol.com<br />
• Aktuelles zum Ökolandbau<br />
Bioland, Kaiserstr. 18, 55116 Mainz<br />
Tel. 06131 / 23979-0, Fax-27<br />
eMail: info@bioland.de<br />
Internet: www.bioland.de/bioland/<br />
gentechnik.html<br />
• Studie: <strong>Grüne</strong> <strong>Gentechnik</strong><br />
global nicht zukunftsfähig<br />
BUKO Agrar<strong>Koordination</strong>, Nernstweg<br />
32-34, 22765 Hamburg<br />
Tel. 040 / 39-2526, Fax -900629<br />
eMail: bukoagrar@aol.com<br />
Internet: www.bukoagrar.de<br />
Independent Science Panel (Hrsg.):<br />
Plädoyer für eine gentechnikfreie zukunftsfähige<br />
Welt, Hamburg 2003,<br />
100 S.<br />
Internet:<br />
www.bukoagrar.de/texte/ISP_report.rtf<br />
Originalfassung: A GM-Free Sustainable<br />
World, ISIS/TWN, London 2003, ISBN<br />
0-9544923-0-8<br />
Internet: www.indsp.org<br />
weiterlesen Textende siehe Kontakt aktiv werden DNR <strong>EU</strong>-Rundschreiben Sonderteil 10.03 19