Künstlich Ausgezeichnet Tanzschritte - Ensuite
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artensuite Schweizer Kunstmagazin Februar 2011 | 20<br />
Kunst im Buch<br />
Wozu zeichnen? Qualität und Wirkung<br />
der materialisierten Geste durch die Hand,<br />
hrsg. v. Béatrice Gysin, mit Texten von<br />
Barbara Bader, Susanne Bieri, Hans Saner,<br />
Lisa Schmuckli, und Willi Stadelmann,<br />
2010, Niggli, 232 Seiten, Deutsch und<br />
Französisch, Fr. 58.00<br />
Zeichnen I<br />
■ Wie steht es um das Medium<br />
«Zeichnung» in der heutigen Gesellschaft?<br />
Welche Bedeutung und Relevanz<br />
hat dieses bereits im frühesten<br />
Kindesalter praktizierte Ausdrucksmittel?<br />
Gerade in einer Gesellschaft,<br />
die eine immense und fast schon stete<br />
Bilderflut produziert und mithilfe<br />
der digitalen Techniken fähig ist,<br />
komplett erfundene Welten in 3D auf<br />
die Kinoleinwand zu zaubern, ist es<br />
legitim, sich derartige Fragen wieder<br />
einmal zu stellen. Eine Gruppe<br />
von Lehrbeauftragten, Kunstschaffenden,<br />
Studenten und Fachdidaktinnen<br />
haben sich im Rahmen des Forschungsprojekts<br />
«Wozu zeichnen?»<br />
an der Hochschule der Künste Bern<br />
intensiv mit diesen Fragen auseinandergesetzt.<br />
Herausgegeben von<br />
der Projektleiterin Béatrice Gysin<br />
ist nun im Niggli Verlag eine Publikation<br />
erschienen, in der quasi die<br />
Quintessenz der Forschungen auch<br />
für ein aussenstehendes und breites<br />
Publikum einsehbar ist.<br />
Dem Forschungsprojekt entsprechend<br />
steht hier nicht der Stellenwert<br />
des Mediums «Zeichnung» in<br />
einem kunsthistorischen Umfeld<br />
oder die Einordnung in einen kunstwissenschaftlichen<br />
oder kunsthistorischen<br />
Rahmen im Zentrum. Vielmehr<br />
wird das Zeichnen als durch<br />
die Hand materialisierte Geste – wie<br />
der Untertitel des Buches lautet – vor<br />
einem psychologischen, pädagogischen,<br />
philosophischen und schliesslich<br />
gewissermassen praktischen<br />
Hintergrund beleuchtet.<br />
Ausgehend von der Frage, was alles Zeichnung sei,<br />
führt die Herausgeberin anhand kurzer Texte und Einschübe<br />
durch die Publikation und schliesst damit die<br />
verschiedenen Essays in einen Rahmen, der hin und wieder<br />
etwas zu didaktisch erscheint. Von der Ausgangsfrage,<br />
die im Text von Susanne Bieri zusätzliche Relevanz<br />
erhält, indem sie etwa Jan Dibbets mithilfe eines<br />
Traktors gefertigte Furchen auf einem Felde beschreibt,<br />
geht die Publikation über zum Prozess des Zeichnens.<br />
Der Philosoph Hans Saner beschäftigt sich mit der Wahrnehmung<br />
und ihren Bezügen zur Wirklichkeit durch die<br />
verschiedenen menschlichen Sinne. Welche Bedeutung<br />
das Zeichnen für die Entwicklung und Bildung hat, führt<br />
Willi Stadelmann in seinem Essay aus. Er kommt zum<br />
Schluss, dass bildnerisches Gestalten durchaus Auswirkungen<br />
etwa auf die Entwicklung des Gehirns haben<br />
kann. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Lisa<br />
Schmuckli spricht vom Zeichnen als Form der Verdichtung<br />
und Verlangsamung – einem bezeichnenden Sehen.<br />
Für wie wichtig zeichnen im Allgemeinen gehalten wird,<br />
zeigt eine kleine Umfrage unter Menschen verschiedener<br />
Alterskategorien. Zeichnen können wird dabei immer<br />
wieder als erstrebenswert eingestuft, wobei das Können<br />
meist mit der Fähigkeit des möglichst präzisen Abbildens<br />
verbunden wird. Barbara Bader widmet sich der<br />
Frage, wie derartige Ergebnisse in den Unterricht einfliessen<br />
können.<br />
Abschliessend beantworten achtzehn Kunstschaffende,<br />
Gestalter, Architekten und Designer die Frage, wie<br />
der zeichnerische Prozess auf ihn oder sie wirkt und welche<br />
Qualitäten man zeichnend erlebt. Die dabei entstandenen<br />
Statements sind in Form und Aussage sehr verschieden<br />
und zeigen einmal mehr das breite Spektrum<br />
des Mediums, wie Sandra Boeschenstein es ausdrückt:<br />
«Karg und wandlungsfähig ist sie [die Linie] an keine bestimmte<br />
Wirklichkeit gebunden, sondern wählt diese stets<br />
neu.» (di)<br />
Zeichnen II<br />
■ Die Forschung hat sich seit je<br />
schwer getan mit den Zeichnungen<br />
von Michelangelo. Noch zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts wurden rund<br />
220 Zeichnungen, ohne die Architekturzeichnungen,<br />
Michelangelo selbst<br />
zugeschrieben. Viele seiner Zeichnungen<br />
schrieb man in dieser Zeit seinen<br />
Schülern, Nachahmern und Zeitgenossen<br />
wie Sebastiano del Piombo<br />
zu. Nach einem beachtlichen Wandel<br />
im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges<br />
gelten heute ungefähr 600 Zeichnungen<br />
als eigenhändige Werke Michelangelos,<br />
darunter Zeichnungen auf<br />
Recto und Verso eines Blattes. Wobei<br />
man annehmen kann, dass Michelangelo<br />
in seiner gesamten Schaffenszeit<br />
etwa 27’000 Zeichnungen erstellte.<br />
Auch in aktuellen Publikationen sind<br />
beide Richtungen der Forschung – mit<br />
eingeschränktem wie mit umfangreichem<br />
Verzeichnis – zu finden.<br />
Aus Anlass einer Ende des letzten<br />
Jahres in der Albertina in Wien<br />
stattgefundenen Ausstellung mit<br />
über hundert Zeichnungen des Jahrtausendkünstlers<br />
erschien bei Hatje<br />
Cantz die vorliegende Publikation.<br />
Ausstellung wie auch Publikation<br />
befassen sich mit einem Werkkorpus,<br />
der über einen Zeitraum von<br />
rund siebzig Jahren entstanden ist,<br />
von den Anfängen Michelangelos in<br />
den 1490er Jahren bis zu seinem Tod<br />
1564. Dies erlaubt es, nicht nur die<br />
Entwicklung der Zeichnung innerhalb<br />
des Schaffens von Michelangelo<br />
zu verfolgen, vielmehr bietet der Band