artensuite Schweizer Kunstmagazin Februar 2011 | 14
der Stichwortsuche «Guernica» verwendet, es aber digital bearbeitet, so dass nun nur noch ein camouflageähnliches, repetitives Muster sichtbar ist. Der ursprüngliche Inhalt sowie der Kontext des Gemäldes – der spanische Bürgerkrieg – wurden dadurch ausgeblendet. Versuchtest du mit «Razzle Dazzle» Picassos Gemälde zu aktualisieren? Ich bin mit den grünen Nachtsichtbildern aus dem ersten amerikanischen Golfkrieg aufgewachsen. Diese Bilder wollen die Illusion eines menschlichen und technisch perfekten Krieges visualisieren. Ein Krieg, der genau da hinzielt und trifft, wo er auch soll. Paradoxerweise sieht man aber vom tatsächlichen Krieg immer wie weniger. Die Lehren aus dem PR-Desaster Vietnamkrieg wurden also umfassend gezogen. Man sieht nun bei Wikileaks, wie man verfolgt wird, wenn man unliebsame Enthüllungen macht. Und damit meine ich auch das Video mit dem Helikopterangriff auf irakische Zivilisten. Dieses Video hat den Camouflage-Schleier für einmal gehoben. Die Arbeit ist ein Versuch, über die Macht der Bilder an sich und deren Gebrauch sowie Instrumentalisierung nachzudenken. Der heutige Zugang zum Krieg aus europäischer Sicht ist ein anderer als zu den Zeiten von Picasso. Man kann wohl sagen abstrakter: Die Deutschen wissen nicht, ob sie im Krieg sind oder nicht. Verfechter des Liberalismus erheben protektionistische Zollgebühren. Der Muslim wird pauschal zum Islamist. Demokratie wird zum Synonym von Freiheit. Der Gutmensch zum Schlechtmensch und der Schlechtmensch zum Gutmensch. Trotz deiner sehr formalistischen Arbeitsweise scheint Kunst für dich nicht isoliert zu existieren, sondern im Spannungsfeld von gesellschaftlichen und politischen Kontexten. Für mich reagiert Kunst immer formal auf die Welt. Ich kenne keine Kunst ausserhalb der Form. Meine Arbeit ist im bestmöglichen Fall Kunst. Trifft dies zu, stellt sich die Frage nicht, weil Kunst sich immer in diesem Spannungsfeld befindet. Hinsichtlich meiner angeblich formalen Arbeitsweise ein kurzes Beispiel: Jochen und Kevin bekommen die Aufgabe, einen Baum zu zeichnen. So zeichnet Jochen einen Baum, wie man sich das vorstellt. Eine Krone, Stamm, Ast und Wurzeln. Kevin aber einen Kreis in der Mitte des Blattes und einen Strich, der von oben links in den Kreis führt und einen Strich von unten rechts in den Kreis. Wer hat den Baum besser dargestellt? Vielleicht sollte Kevin Biologe werden, sofern ihm das seine bildungsfernen Eltern ermöglichen können. Fabio Pirovino, 20th Century Fox, in Memory of Thomas Knoll, Installationsansicht Coalmine Fotogalerie, Winterthur, 2010 Bild links: Stabeng, Digitale Collage, Inkjetprint auf Alu, Gerahmt, 150 cm x 100 cm, 2008, Courtesy der Künstler und Abbt Projects artensuite Schweizer Kunstmagazin Februar 2011 | 15