artensuite Schweizer Kunstmagazin Februar 2011 | 12 «Meine Arbeit ist im bestmöglichen Fall Kunst» Gabriel Flückiger im Gespräch mit Fabio Pirovino Bild rechts: Ivory Snow, Digitale Fotografie, 100 x 150 cm, Inkjetprint, 2009, Courtesy der Künstler und Abbt Projects ■ Neben vermehrten Teilnahmen an der jährlichen Gruppenausstellung «Regionale» in der Kunsthalle Basel und Ausstellungsbeiträgen im Marks Blond Project Bern fiel Fabio Marco Pirovino (*1980) vor allem durch seine erste grössere Einzelausstellung «20th Century Fox, in Memory of Thomas Knoll», welche vergangenes Jahr in der Coalmine Fotogalerie in Winterthur stattfand, auf. Gabriel Flückiger sprach für artensuite mit dem gebürtigen Basler über digitale Werkzeuge, Politik – und Kunst. Gabriel Flückiger: Du hast im November vergangenen Jahres den Kunstpreis der Zürcher Kantonalbank gewonnen. Die Laudatio erwähnt, dass du «zwar ausgebildeter Fotograf» seist, dich aber darüber hinausreichende künstlerische Reflexionen auszeichnen. In der Tat sind deine Bilder keine klassischen Fotografien, sondern deine Gegenstandsstudien scheinen oft abstrahiert und verfremdet. Die Grenze zum digital erzeugten Bild ist dabei fliessend, du arbeitest viel mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop. Fabio Marco Pirovino: Grundsätzlich interessiert mich die Herangehensweise eines Malers. Jemand, der immer wieder die gleichen Sujets behandelt, die gleichen Fragestellungen an das Bild stellt und so verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung entwickelt. So hat sich meine Fotografie mehrheitlich von der äusseren Welt hinein ins Atelier zurückgezogen. Die gemachten Fotografien sind Ausgangsmaterial um neue Bildkompositionen herzustellen. Bildteile werden zusammengefügt, gewisse Teile verdoppelt und mittels des «Stempelwerkzeugs» werden Übergänge geschaffen. Die digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten sind ein wesentliches Arbeitsmittel für mich. Es geht nicht um die perfekte Illusion. Die meisten Eingriffe bleiben sichtbar und es wird nichts vertuscht. Photoshop ist heute für jeden, der mit Fotografie arbeitet ein wichtiges Medium, die Frage ist deshalb nicht ob, sondern wie man es benützt. Daneben erstellst du aber auch Zeichnungen und Aquarelle? Ich habe immer gezeichnet und mich für Malerei interessiert. Ich begann dann aber mit der Fotografie, da ich dachte, es sei ein schnelleres und unmittelbareres Medium. Vor allem die Zeichnungen sind eine schon Jahre andauernde Suche nach einer Form und dessen Möglichkeiten auf einem vorgegeben Format – sie entstehen immer auf A4 oder A3, also einer industriellen Formatvorgabe. Im Fokus steht dabei die grundlegende Auseinandersetzung mit dem Strich und dessen Potenzial, Raum einzunehmen und darzustellen. Die Aquarelle sind dann wieder ein Kontrast zu den klaren, eckigen Zeichnungen und der technischen Fotografie. Sie ermöglichen mir eine zusätzliche Sicht auf die gleichen Fragestellungen. Fragestellungen nach dem Erzeugen von Bildern und der Konstruktion von Bildrealitäten? Ja, in dem Sinne, dass diese Fragestellungen für jedes Bild während des Herstellungsprozesses von Neuem gestellt werden müssen. So ergeben sich natürlich über die Zeit formale Ähnlichkeiten, die in den Vordergrund rücken können. Mir ist aber wichtig, das Bild von der Form, der Gestaltung und vom Machen aus zu denken, nicht von der Sprache her. Die «sprachliche» Reflexion findet – falls überhaupt notwendig – in der Selektion statt. Ich will auch nicht ein Wissender meiner eigenen Kunst werden. Die Unsicherheit gegenüber meiner eigenen Arbeit ist für mich fundamental. Deine wohl grösste Arbeit «Razzle Dazzle (PPG)», die noch bis zum 28. März an der Rückwand der Kunsthalle Basel zu sehen ist, nimmt Bezug auf eines der bekanntesten Gemälde der Kunstgeschichte. Du hast im Internet das erstfindbare Bild bei
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