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ensuite<br />
Nr. 50 Februar 2007 | 5. Jahrgang<br />
k u l t u r m a g a z i n<br />
Der mit dem Koffer Seite 4<br />
Simon Ho schaut in die Luft!<br />
Flanieren mit dem<br />
Mansarden-Walser Seite 15 / 33<br />
Auf Robert Walsers Spuren<br />
Von Zwangsunterricht<br />
und Fingerspässen Seite 16<br />
Auftakt Musikfestival Bern<br />
Kulturkritisches aus<br />
der Provinz Seite 6 / 7<br />
Warum die Mühle Hunziken motzt
Theater<br />
Kafka – Der<br />
zerrissene<br />
Fisch<br />
Theater Waidspeicher, Erfurt<br />
Kafka – Der zerrissene Fisch<br />
Nach «Das Urteil» von Franz Kafka –<br />
Figurentheater für Erwachsene<br />
Auditorium, Zentrum Paul Klee<br />
Do 8. Februar, 20 Uhr<br />
Sa 10. Februar, 18 Uhr<br />
<br />
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www.zpk.org<br />
andrea heinrich coiffure & maquillage schulweg 11 3013 bern<br />
* bus nr. 20, haltestelle gewerbeschule. der<br />
schulweg ist an der lorrainestrasse, die erste rechts.<br />
tel. 031 331 11 88<br />
Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern<br />
Vorverkauf 031 311 61 00<br />
Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr<br />
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«URCHIGI CHOSCHT»<br />
Lustspiel in zwei Akten von Hans Wälti, Regie Hans Fuchs.<br />
«Urchigi Choscht» verbindet verbale Schlagabtausche,<br />
komplizierte Liebeserklärungen mit einem Happy-End und<br />
einem Schuss Dramatik sowie einer gehörigen Portion Witz.<br />
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2. und 3. Februar jeweils 20 Uhr<br />
4. Februar um 17 Uhr<br />
«ABRASSO»<br />
Regie: Pierre Byland / Spiel: Ahtiv Chanlen & Manuel Rytz<br />
Ein Türrahmen auf einer leeren Bühne. Im Rahmen stehen<br />
zwei Männer, vom Licht überrascht. Gemeinsam betreten<br />
sie den Raum, umarmen sich und singen ihr Lied: abrasso<br />
(Umarmung). Das bilderreiche Theaterstück geht voller<br />
Poesie den Weg zwischen Tragik und Komik, lässt<br />
Kleinigkeiten gross erscheinen und berührt durch seine<br />
Herzlichkeit. www.company-perron2.ch<br />
8. bis 10., 15. bis 17. Februar jeweils 20 Uhr<br />
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für Singles und Longplayers, Entfesselte, Verletzte,<br />
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erotisch, entrückt. Soloprogramm mit Rosetta Lopardo,<br />
bekannt aus dem Komikerduo Fatal Dö.<br />
27. & 28. Februar,1. – 3. März jeweils 20 Uhr
INHALT<br />
impressum<br />
Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />
(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Andrea Baumann<br />
(ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc Froidevaux (jlf), Till<br />
Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja Koller (sk), Andy<br />
Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique Meyer (mm), Eva<br />
Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), M<strong>art</strong>a Nawrocka (mn),<br />
Eva Pfirter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline Ritz (cr), Benedikt<br />
S<strong>art</strong>orius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-Sophie Scholl (ass),<br />
Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea Steiner (ts), Sara<br />
Trauffer (st), Kathrina von W<strong>art</strong>burg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />
Sonja Wenger (sjw) C<strong>art</strong>oon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />
64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />
Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />
Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />
Monique Meyer (mm)<br />
Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />
031 318 60 50<br />
ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Auflage: 10‘000<br />
Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />
Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />
Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisauflage<br />
an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />
38 66 Web: interwerk gmbh<br />
Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />
erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />
entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />
beilegen.<br />
Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />
der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />
(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />
Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />
und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />
WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
ensuite – kulturmagazin<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: redaktion@ensuite.ch<br />
Bild Titelseite und rechts:<br />
DUBQUEST SESSION PRESENTS:<br />
Missill (Paris)<br />
Samstag, 3. Februar 2007<br />
Kulturhallen Dampfzentrale Bern<br />
Fotos: zVg. / CD-Cover<br />
www.ensuite.ch<br />
Eigentlich, eigentlich...<br />
■ Überraschung: Statt mehr Geld für die Kultur<br />
kriegen wir weniger: 1 Million Franken wollen die<br />
Stadtpolitiker der Kultur wieder abknöpfen – noch<br />
vor fünf Monaten forderte der Kultursekretär 8,7<br />
Millionen Franken mehr Geld für die städtische<br />
Kultur. Hallo? Da scheint ein Loch in der Realität zu<br />
sein. Und statt sich für mehr Geld zu wehren und<br />
zu kämpfen, wirft die Kulturstelle auch gleich das<br />
Handtuch und damit die Berner Kultur über Bord.<br />
Wofür haben wir denn eine Abteilung Kulturelles?<br />
Sie ist doch zuständig dafür, die Kommunikation<br />
zwischen der Politik und der Kulturszene<br />
zu koordinieren und eine Lobby aufzubauen. Seit<br />
drei Jahren wird in Bern scheinbar planlos und mit<br />
vielen Versprechungen, die nie eingehalten werden<br />
können, die Kulturszene unter Druck gesetzt<br />
- doch wirklich geschehen ist nichts. Und statt,<br />
dass die kulturell Grossen etwas von ihren grossen<br />
Ideen zurückstecken, wird jetzt bei den Kleineren<br />
der Geldhahn zugedreht. Von wegen Förderung!<br />
Es sind wieder die «kleinen» KünstlerInnen und<br />
Institutionen, welche die Sparrunden zu bezahlen<br />
haben – denn gemäss dem Kultursekretär sind die<br />
grossen Verträge so gut wie unterzeichnet. Deswegen<br />
werden jetzt die «Brotbrösmeli» zusammengekratzt<br />
- doch das Kornhaus zu schliessen, ist<br />
sicher falsch und auch BeJazz braucht die Stadt<br />
Bern - mit dem VIDMAR-Projekt sowieso.<br />
Viel Vertrauen wurde verspielt, viel Geld zum<br />
Fenster rausgeworfen, viele Möglichkeiten enden<br />
mit Pilzbefall. Bern war in einer Ausnahmesituation<br />
mit dem kulturellen Angebot, mit freiwilligen<br />
Denkern und Helfern und war Tümpel von künstlerischem<br />
Mut und Einfallsreichtum. Eigentlich eine<br />
Traumsituation für eine Kulturabteilung. Doch –<br />
und irgendwie will niemand wirklich darüber reden<br />
– herrscht in der Berner Kultur seit drei Jahren das<br />
totale Chaos. Und jetzt geht’s um Existenzen. Jetzt<br />
heisst es jeder gegen jeden. Viel Spass.<br />
Lukas Vogelsang<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
kulturdebatte 6 | bern ist zum beispiel - noch 29<br />
LITERATUR<br />
victor klemperer, tanja kummer, alex popov 14 |<br />
aus dem leben eines einsamen flaneurs 15<br />
BÜHNE<br />
«der blaue engel» kommt nach bern 9 | vaginas<br />
statt valentinsrosen 11 | ausblick bühne 11 | ein büchner<br />
für bern 12 | abrasso - eine umarmung in bern<br />
13 | wenn die liebe... 18<br />
KINO / FILM<br />
kino zwischen kopf und bauch 22 | el custodio 23<br />
| filmtipp 23 | das kurze leben des josé antonio<br />
gutierrez 24 | look both ways 25 | das andere kino<br />
26 | nicht blink, blink - sondern blink, bumm 28<br />
MUSIK<br />
der koffer steht vor der türe 4 | chorwerk von<br />
hohem ethos 16 | glänzendes mattschwarz 19 | die<br />
kunst der täuschung 21 | ECM listening post 21 |<br />
raphelson - musik in tiefer traurigkeit 30<br />
LIFESTYLE<br />
insomnia 30 | stadt und land: in einer stadt, vom<br />
fluss gleichsam umarmt 35 | reiseziel hotel: basel<br />
zeigt pioniergeist 36 | reisen: diesmal vancouver<br />
35<br />
DIVERSES<br />
leserbriefe 8 | stadtläufer 17 | tratschundlaber 25<br />
| von menschen und medien / fauser c<strong>art</strong>oon 31<br />
| berner kulturmenschen: tanzen und hundert nebenjobs<br />
32<br />
KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />
tintensaufen - living poets, live! 61 | das laboratorium<br />
für kreative arbeit 62 | heimspiel - tanz aus<br />
bern 65 | ihnen zuhören macht hell im kopf - und<br />
erst noch spass 69 | «der spiegel ist nichts weiter<br />
als eine fläche, die - selbst passiv - ein bild zurückwirft.»<br />
73<br />
KULTURAGENDA<br />
kulturagenda bern 53 | biel 80 | thun 85<br />
Kunstbeilage:<br />
Neu mit mehr inhaltlichen Seiten:<br />
<strong>art</strong>ensuite ab Seite 37<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 3
fokus<br />
Foto: Lukas Vogelsang<br />
MUSIK<br />
der koffer steht vor der türe<br />
Interview von Lukas Vogelsang mit dem wohl wichtigsten Musiker von Bern: Simon Ho<br />
■ Wenn man in Bern herumfragt, kennt man ihn<br />
kaum. Bei Simon Hostettler, mit Künstlername<br />
Simon Ho genannt, steht ein Koffer vor der Türe.<br />
Er selber steht zwischen Zügen, Flugzeugen und<br />
Konzerten. Doch wer ist er, der unter anderem für<br />
das Berner Stadttheater Musik schreibt, mit dem<br />
Holländer Henk Hofstede von The Nits zusammen<br />
singt, mit den Värttinä-Frauen aus Finnland Konzerte<br />
gibt, in New York mit Shelley Hirsch zusammen<br />
arbeitet und seine Musik in John Zorn’s Label<br />
«Tzadik» veröffentlicht werden? Die Auftritte im<br />
Februar in Bern geben zu reden, die neuen Songs<br />
auch und vor allem er selbst:<br />
Wenn man Dir auf der Strasse begegnet, so<br />
siehst Du aus, als wärst Du aus einem grossen<br />
Traum gestiegen. Wovon träumst Du? Was sind<br />
Deine Bilder und Vorstellungen von Deinem Leben?<br />
Ich glaube schon, dass man eine eigene Fantasie<br />
haben muss – oder besser: Ich brauche eine<br />
eigene, damit ich mit all diesen Fakten und Situationen<br />
umgehen kann. Obschon, es ist ja nicht so,<br />
dass mir diese Dinge einfach zugeworfen werden.<br />
Ich suche diese ja auch oder gehe darauf zu. Und in<br />
den letzten Jahren und so, wie ich jetzt lebe, habe<br />
ich mich eben dadurch hierher bewegt. Wohin dieser<br />
Weg eigentlich führt, ich muss ehrlich sagen,<br />
ich habe keine Ahnung. Ich kann dir nicht sagen,<br />
ich will mit diesem Label einen Vertrag haben oder<br />
in dieser Stadt möchte ich das Altersheim aussuchen.<br />
Aber man riecht etwas, eine Sehnsucht. Das<br />
Wort Traum ist gut, denn der Traum ist nicht real.<br />
Er ist vielleicht einem Ziel etwas näher, aber noch<br />
in den Wolken. Zum Beispiel ein Song von mir «Fishing<br />
Hut» ist ein Traumbild, aber wenn du die Augen<br />
öffnest siehst du dieses Bild, überall. Und es ist<br />
die Kunst, dich in beiden Welten zu bewegen. Das<br />
ist nicht immer einfach – manchmal halte ich die<br />
Realität auch zurück. Aber schlussendlich geht’s<br />
es vielleicht doch darum, dass du deinen Traum<br />
leben kannst. Da spielen viele äussere Umstände<br />
mit, Alter, Geld. Ich bin jetzt nicht einfach der freie<br />
Mensch, der macht was er will, aber ich versuche<br />
schon, viele Freiheiten zu haben in diesem Leben.<br />
Lebst Du mehr im Traum als in der Realität?<br />
Ich kann das gar nicht so trennen. Weisst du,<br />
die Realität macht auch Spass, wenn du Hunger<br />
hast und einkaufen gehst und diese Gemüse und<br />
den Fisch siehst… Ich bin froh, dass es nicht nur<br />
eine Vision ist, das Hungergefühl zu stillen. Die<br />
Nähe eines Menschen zu spüren oder eine Zigarette,<br />
wie sie kratzt…<br />
Du schreibst viel Theatermusik oder Musik<br />
für die Bühne – ebenfalls eine grosse Traumwelt.<br />
Was reizt Dich an dieser Art von Musik?<br />
Mich interessieren wieder die Geschichten, die<br />
erzählt werden. Mir gefällt die Zusammenarbeit mit<br />
Schauspielern, Regisseuren, mit Lichtdesignern,<br />
mit Bühnenbildnern. Für mich geht das in Richtung<br />
Gesamtkunstwerk – ich helfe mit, dass etwas rüberkommt<br />
und habe eine dienende Funktion. Darin<br />
kann ich so viel oder so wenig dazugeben, dass bei<br />
den Zuhörern etwas zurückbleibt. Seit 1988 bin ich<br />
zum Beispiel mit Peter Rinderknecht live unterwegs<br />
und immer wieder auf Tournee und jedes Mal<br />
ist das Stück verschieden.<br />
Ich finde auch, dass das Theater ein bisschen<br />
wie das Leben ist. Es ist eben wie das Traumwandlerische,<br />
welches du vorher angesprochen hast. Wo<br />
ich mir meine Rolle selber aussuchen kann oder<br />
manchmal bekomme. Ich kann dann entscheiden,<br />
ob ich weitergehen oder ob ich etwas anderes will.<br />
Und das hilft mir oft, das Leben von dieser Seite zu<br />
betrachten. Das fasziniert mich auch.<br />
Sind es auch die Träume, die Dich für neue<br />
Songs inspirieren oder woher nimmst Du Deine<br />
Töne?<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Die eine<br />
ist, dass ich in mir etwas höre, mir etwas in den<br />
Kopf kommt und danach spielt es da weiter. Alles<br />
bleibt vorerst in der Fantasie. Das hat dann nichts<br />
mit einer Textvorlage oder einem Lied oder einem<br />
Theaterstück zu tun Das kommt aus einer Stimmung<br />
raus. Eine andere Möglichkeit ist, dass ich<br />
ans Klavier sitze und einfach zu spielen beginne.<br />
Es ist wie Zeichnen und entwickelt sich Schritt<br />
für Schritt. Da bin ich Instrument und das Klavier<br />
ist mein Freund. Es entsteht ein Wechselspiel: Ich<br />
gebe hier etwas rein und da entsteht dieser Oberton.<br />
Es entsteht ein Dialog und wir bauen etwas<br />
daraus. Ich mag aber auch konzeptionelle Kompositionen.<br />
Eine strukturelle Vorgabe, eine Serie von<br />
Tönen oder was auch immer das Stück bestimmt.<br />
Hast Du musikalische Vorbilder?<br />
Ja, ich habe schon ein paar, aber ich höre diese<br />
gar nicht, weil ich selber viel zu selten Musik höre.<br />
Stimmlich finde ich Elvis Costello wunderbar. Mit<br />
ihm möchte ich gerne mal ein paar Lieder schreiben.<br />
Stravinski – ich würde gerne mal Strawinski<br />
«samplen» (digitalisieren) und seine Motive oder<br />
seine wahnsinnigen Klangapparate, die er geschrieben<br />
hat, neu bearbeiten. Schon nur grafisch<br />
wäre das eine sehr schöne Arbeit. Musik hat für<br />
mich nicht nur mit Zuhören und Gefühl zu tun, sondern<br />
es ist auch etwas für das Auge. Eine P<strong>art</strong>itur,<br />
rein das Notenbild gibt viel her. Auch bei unseren<br />
Wintersongs habe ich das jetzt wieder gesehen.<br />
Und ich habe auch immer Freude, wenn ich die Noten<br />
physisch in der Hand habe.<br />
Was ist Bern für Dich? Du bist einer der<br />
umtriebigsten Berner Musiker – in den letzten<br />
Jahren bist Du zwischen New York und Bern<br />
gependelt und hast hervorragende CDs produziert.<br />
Trotzdem nimmt man Dich in Bern nicht<br />
als Star war. Fühlst Du Dich in Bern zu Hause?<br />
Was macht für Dich Heimat aus?<br />
Als Künstler? Manchmal hatte ich in New York<br />
oder Brooklyn das Gefühl: «Doch, das ist meine<br />
Heimat.» Obschon ich eine andere Sprache spreche,<br />
einen anderen Pass, eine andere Religion,<br />
Erziehung und Kultur habe. Dort hat es so viele<br />
verschiedene Menschen. Ich frage mich oft, warum<br />
geben sie ihr Leben auf? All die Mexikaner und<br />
Südamerikaner, die könnten ja auch auf dem Land<br />
leben statt in der Grossstadt. Warum nehmen sie<br />
den ganzen Stress auf sich, um in der Stadt leben<br />
zu können? Das ist ein echt h<strong>art</strong>es Leben. Doch<br />
die haben dort ihre Gemeinschaften, sind unter<br />
sich, haben ihre Qu<strong>art</strong>iere. Sie machen ihre eigenen<br />
Städte in der Stadt. Und daher habe ich nicht<br />
das Gefühl, dass Heimat etwas Örtliches ist. So ist<br />
Heimat nicht Bern mit seinen Stadtbild und dem<br />
Geruch der Aare. Aber es ist das Gefühl, dass man<br />
eine Familie hat, Geschichten, die dir bekannt sind.<br />
Meine Heimat ist nicht einfach auf Bern definiert.<br />
Bern ist natürlich meine Heimatstadt und ich habe<br />
viele Erinnerungen hier – aber nicht gerade Hochgefühle.<br />
Meine Ansprüche zu Bern haben sich<br />
verändert. Ich erw<strong>art</strong>e nicht mehr, dass Bern sich<br />
verändert. Schon rein vor der Stadt her kann und<br />
geht das ja nicht. Jetzt baut man zum Beispiel die<br />
Überbauung Brünnen und man zieht die Menschen<br />
aus der Stadt raus. Und man soll jetzt dort Baden<br />
und Einkaufen gehen. Wenn man das vergleicht<br />
mit New York, haben die Schweizer keine Beziehung<br />
zu neuen Städten. Dort herrscht ständiger<br />
Aufbruch. Und Bern hat diesbezüglich eine andere<br />
Kultur. Hier schielt man immer auf die Stadtgründung<br />
vom Jahr 1291. Doch die Heimat ist eben<br />
4<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 5
fokus<br />
schlussendlich nur in dir selbst, in deinem Herz.<br />
Und trotzdem bist Du immer wieder zurückgekommen.<br />
Ja, ich habe Familie hier und Freunde und vielleicht<br />
klingt es komisch, aber ich habe auch so etwas<br />
wie eine Aufgabe hier. Ich will meine Arbeit<br />
hier zeigen können – ich habe auch etwas erhalten<br />
von dieser Stadt. Also nicht nur Förderungsgeld<br />
und so.<br />
Mit Henk Hofstede hat sich Deine Musik in<br />
eine ganz andere Dimension entwickelt. Jetzt<br />
spielst Du mit anderen Leuten zusammen, an<br />
den unterschiedlichsten Plätzen auf der Welt.<br />
Was sind Deine Eindrücke?<br />
Hofstede heisst ja auch Hostettler und das<br />
kommt ja von «Hostet». Also eigentlich sind wir<br />
zwei Schnapsbrenner – er, der holländische und<br />
ich, der schweizerische. Henk und mich verbindet<br />
nicht nur die Leidenschaft an der Musik, sondern<br />
mich fasziniert auch seine Offenheit. Er ist ein<br />
hervorragender Künstler und kann sehr gut auf<br />
eine Situation eingehen, er gibt seinen Mitmusikerinnen<br />
viel Platz – das ist mir sehr wichtig. Ich<br />
muss nicht im Vordergrund stehen, ich möchte mit<br />
meiner Musik etwas ermöglichen. Henk ist ein sehr<br />
interessanter P<strong>art</strong>ner, der scharf beobachtet und<br />
seine Ideen dann auch umsetzen kann. Wir haben<br />
jetzt auch die Idee, dass wir zusammen für das Ho-<br />
Orchestra komponieren.<br />
Ich merke immer wieder, wie es Musik braucht,<br />
um neue Menschen kennenzulernen. Aber es<br />
ist nicht so, dass wir immer in Kontakt sind. Ich<br />
bin ein Projektmensch, ich habe keine Band.<br />
Zwischendurch denke ich, es wäre schön, eine<br />
Band zu haben – eine Gruppe, die seit zwanzig<br />
Jahren zusammenspielt. Nun, ich habe viele musikalische<br />
Freunde und alles ist halt ein wenig verstückelt<br />
– je älter ich werde, auch geografisch. Ich<br />
mag diese Vielfalt, die verschiedenen Kulturen,<br />
doch ich bezahle auch meinen Preis dafür. Man ist<br />
auch viel allein darin.<br />
Simon Ho & Friends kommen jetzt mit neuen<br />
Songs wieder auf die Bühne. Was erw<strong>art</strong>et uns?<br />
Ich hoffe, die Sängerinnen können die neuen<br />
Lieder lernen (lacht). Ich bin musikalisch wieder<br />
etwas experimenteller geworden, es geht wieder<br />
mehr Richtung Avantgarde. Natürlich hat’s noch<br />
immer Ohrwürmer, dieses Element bleibt. Mich<br />
interessiert aber vermehrt wieder der Sound, die<br />
Textur: Ist es rund, laut, eckig, rau, ist es minimalisiert,<br />
gross? – Ich will mehr mit dieser Dynamik<br />
arbeiten. Textlich habe ich seriöse, ernsthaftere<br />
Themen aufgegriffen. Zum Beispiel zwei Lieder<br />
über den Winter, Leben und Tod, Sehnsüchte. Ich<br />
bin nicht gerne oberflächlich. Wir werden mehr mit<br />
Stimmungen arbeiten. Das Licht in den Songs wird<br />
wichtig sein, wir werden die Musik mehr inszenieren.<br />
Du bist in Deiner Kreativität sehr breit und<br />
machst stilistisch jeweils einen Spagat. Was<br />
möchtest Du musikalisch noch erreichen?<br />
Ich würde gerne für ein grosses Symphonieorchester<br />
spielen. Ich glaube nicht, dass ich «klassische<br />
Musik» schreiben würde, aber mich interessiert<br />
der Klangkörper eines solchen Orchesters<br />
als solches. Auch für einen Chor, mit zum Beispiel<br />
120 Stimmen, würde ich gerne wieder mal was machen.<br />
Das fasziniert mich.<br />
Simon Hostettler<br />
Neben dem Ho Orchestra und den Friends-Konzerten<br />
ist Simon Ho Gastkomponist am Staatstheater<br />
Stuttg<strong>art</strong>, am Stadttheater Bern und<br />
erhält Auftragskompositionen von verschieden<br />
Theatergruppen und Theatern aus dem In- und<br />
Ausland. Er schreibt Musik für freie Tanzgruppen<br />
und Ballettensembles, für Spiel- und Dokumentarfilme.<br />
Er arbeitet mit und für Kinder und junge<br />
Erwachsene, schreibt Lieder und Musiktheaterstücke,<br />
Opern und führte in einigen Stücken Regie.<br />
www.simonho.ch<br />
Aktuelle CDs:<br />
«IF»<br />
Live-CD des Ho Orchestra - «A normal Sunday»<br />
Simon Ho & Friends<br />
Simon Ho - Piano, Componist, Musician<br />
Shirley Grimes - Voc.<br />
Vera van der Poel - Voc. (Mimezine/Nits)<br />
Oli H<strong>art</strong>ung - Guit. (Shirley Grimes Band)<br />
Andi Hug - Drums (Patent Ochsner)<br />
Monic Mathys - Basses (Patent Ochsner)<br />
8.2. St. Gervais, Biel<br />
9.2. Scala, Wetzikon<br />
15.2. P<strong>art</strong>erre, Basel<br />
17.2. PROGR, Bern<br />
18.2. Taverne, Adelboden<br />
22.2. Moods, Zürich<br />
24.2. Chollerhalle, Zug<br />
25.2. La Fourmi, Luzern<br />
EXKLUSIV:<br />
■ Hören Sie jetzt übers Internet einen noch<br />
unveröffentlichten Wintersong von Simon Ho!<br />
www.ensuite.ch -> Exklusiv!<br />
Liebe RubigerInnen,<br />
Dreikönigstag, 6. Januar 2007. Ich bin mit meinem<br />
Leben zwei Wochen in Verzug. Egal. Bevor im Mai<br />
die AHV ins Haus flattert, will ich aufräumen und<br />
Euch endlich die alte Geschichte erzählen. Im Frühling<br />
1973 kam ich nach Rubigen und im Herbst 03<br />
übergab ich die Mühle Hunziken meiner Frau Pia<br />
und den Kindern Thomas und Catherine. Alle drei<br />
haben seit bald 20 Jahren ihren festen Platz im<br />
Konzertbetrieb. Die Mühle gibt es als Treffpunkt in<br />
der Region seit dem Kinderzirkus im Sommer ‘76.<br />
Rund 3000 Anlässe, Weltstars jeder Couleur bis<br />
zum Schneevomorn aus der Region. Jazz, Rock,<br />
Blues, Folk, World, Latin, Afro... Musikpreis, Sisyphus-Preis<br />
Stadt Bern, Grosser Kulturpreis Kanton<br />
Bern. X Konzert-Aufzeichnungen von Radio DRS<br />
und Schweizer Fernsehen. Umbau, Infrastruktur<br />
und Betrieb wurden ohne Steuergelder bezahlt.<br />
Das war die Vergangenheit. Die Zukunft hat mit<br />
der Gründung der Regionalen Kulturkonferenz RKK<br />
begonnen.<br />
BZ, 21. März 1998: Der Kulturbatzen kann<br />
anrollen Die 4,3 Millionen Franken, zu denen die<br />
84 Gemeinden verpflichtet werden sollen, würden<br />
direkt dem Stadttheater, dem Sinfonieorchester,<br />
dem historischen Museum und dem Kunstmuseum<br />
zukommen. Somit muss die Stadt Bern rund 1,3 Millionen<br />
Franken weniger an diese vier Institutionen<br />
entrichten. Davon profitieren vor allem die kleineren<br />
Kulturtreibenden. «Die Stadt Bern hat zugesichert,<br />
13 kleinere Institutionen wie die Dampfzentrale<br />
oder das Schlachthaus zu unterstützen», sagt<br />
Isabelle Meyer von der RKK.<br />
Das war vor 9 Jahren. Seither machen sich alte<br />
wie neue Veranstalter den goldenen Subventionskuchen<br />
streitig. Leitungsteams überbeissen. Profilierungsneurosen<br />
blühen in allen Farben. Politiker<br />
rühmen sich über allen Klee.<br />
Und die alte Mühle Hunziken in the middle of<br />
pampa? Natürlich machte uns das Gross-Stadt-Treiben<br />
aus dem allzu nahen Bern Angst. Wurden doch<br />
dank Subventionen immer mehr ‹unserer› Künstler<br />
abgeworben, um vor der Haustüre mit dem Prädikulturdebatte<br />
Wir publizieren hier den Original-Brieftext<br />
von Peter Burkhard zur Situation<br />
Mühle Hunziken. In den Medien gab‘s<br />
zu reden darüber... Es ging darum:<br />
SUBVENTIONEN FÜR DIE<br />
MÜHLE HUNZIKEN<br />
■ Ab 2008 will die Gemeinde Rubigen die Mühle<br />
Hunziken mit 35 000 Franken pro Jahr unterstützen<br />
- «Mühli-Pesche» hat aber Vorbehalte.<br />
Freitag, 20. Oktober 2006<br />
6<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
fokus<br />
kat «Erstmals in Bern» präsentiert zu werden. Oder<br />
altbewährte Agenturverbindungen wurden mit der<br />
Bitte «Versteh mich doch, die bezahlen sehr gut»<br />
strapaziert. Kunststück ohne Miete und Risiko. Das<br />
ist die Rückseite der Subventionsmedaille.<br />
Ziemlich naiv dachte ich, die RKK ist auch noch<br />
da.<br />
Der Bund, Juni 1999: Mühle-Pesche ist glücklich,<br />
nicht wunschlos ...Was ihm manchmal fehle,<br />
sei Anerkennung und Unterstützung im «Kleinen»,<br />
eine Geste des Goodwills. Zum Beispiel: Von den 84<br />
Mitgliedgemeinden der Regionalen Kulturkonferenz<br />
habe nur eine - nämlich Rubigen ein eigenes Kulturzentrum,<br />
das auch Leute aus der Stadt und dem<br />
ganzen Kanton anziehe, sagt Burkh<strong>art</strong>. ...Er frage<br />
sich nun, warum die Kulturkonferenz nicht auf die<br />
Idee komme, von Rubigen keine Beiträge zu verlangen,<br />
damit es vielleicht das eigene Kulturzentrum<br />
unterstützen könne.<br />
Angst vor einer Lawine Grossrat Walter Frey,<br />
Präsident der Regionalen Kulturkonferenz, kann<br />
sich nicht erinnern, dass die Auswahl der vier<br />
städtischen Kulturinstitutionen, die mit Beiträgen<br />
der Regionsgemeinden unterstützt werden «damals<br />
zu reden gegeben hätte.» Grundsätzlich sei<br />
es zwar denkbar, dass auch die Mühle Hunziken auf<br />
die Liste der Unterstützten der Kulturkonferenz<br />
gesetzt würde. Aber es sei «nicht wahrscheinlich»,<br />
dass über diese Liste diskutiert werde, sagt Frey.<br />
Und er warnt auch davor, denn: «Das würde eine<br />
Lawine auslösen.»<br />
Das hoff‘ ich doch, Herr Frey: «Und mit einer<br />
mittleren Lawine deckte es die blöde Bande zu»<br />
(Erich Kästner).<br />
Trotzdem, drei Jahre später bat ich die Gemeinde<br />
Rubigen, zu prüfen, den Geldfluss an die Kultur<br />
Stadt Bern für eine Weile in die Kultur Provinz<br />
Hunziken umzuleiten. Begründung: Es besuchen<br />
mehr Berner Hunziken als RubigerInnen Bern. Am<br />
12. März 02 stellte der Gemeinderat Rubigen das<br />
«Gesuch um Sistierung der Leistung für das Jahr<br />
2003» an die Regionale Kulturkonferenz Bern und<br />
bekam postwendend eine freundliche Abfuhr.<br />
2004 suchte ich das Gespräch mit dem kantonalen<br />
Amt für Kultur und der Abteilung Kulturelles der<br />
Stadt Bern. Hüben wie drüben besorgte Gesichter,<br />
viel Verständnis, sogar ein Anflug von Anteilnahme.<br />
Ende der Durchsage. Später im Winter 04/05 Post.<br />
Vermutlich ein Freund: «Lieber Pesche, Gemäss Tel.<br />
mit Deiner Frau schicke ich Dir hier die RKK-Verordnung,<br />
die ich eben zum ersten Mal gelesen habe.<br />
Art. 9 könnte Dich interessieren... Gruss!» Ab auf<br />
die Gemeinde, die Gemeinde Ende 05 an RKK, und<br />
die RKK grüsst im April 06 immer noch freundlich.<br />
19. Oktober, 6:15 Uhr aus heiterem Himmel die<br />
telefonische Anfrage der «Bund»-Redaktion «Stadt<br />
& Region» um eine Stellungnahme. Natürlich hätte<br />
ich mir mehr Zeit und Platz gewünscht für meine<br />
Antworten. Trotzdem Dank: Einmal mehr bewies die<br />
Zeitung Kompetenz, veröffentlichte sie die Story<br />
nicht etwa unter der Rubrik «Kultur».<br />
Nun sind wir endlich mitten drin und ich werde<br />
versuchen, meine Vorbehalte zumindest aber einige<br />
Gedanken zur Kultur in Stadt und Region, vor allem<br />
aber zur Kultur der Exponenten des RKK Bern<br />
Präsidiums, darzulegen.<br />
Also zur Verordnung über die regionale Kulturkonferenz<br />
Bern (VRKK Bern) vom 28. Mai 1997.<br />
(meinem 55.!) Art. 9 Absatz 2 Beitragspflichtige<br />
umliegende Gemeinden haben Anspruch auf eine<br />
angemessene Reduktion ihrer Beiträge, wenn sie<br />
sich selber wesentlich an der Finanzierung wichtiger<br />
kultureller Institutionen von mindestens regionaler<br />
Bedeutung im Sinne von Art. 11 KFG beteiligen,<br />
die auf ihrem Gemeindegebiet domiziliert sind.<br />
Warum nur machte Walter Frey im Juni ‘99 die<br />
Gemeinde Rubigen nicht auf den «Anspruch auf<br />
eine angemessene Reduktion ihrer Beiträge» aufmerksam?<br />
Kannte er weder das Gesetz noch die<br />
Mühle oder schwieg er absichtlich? Als ehemaliger<br />
YB-Präsident sollte er wissen: Wer die Regeln missachtet<br />
und unfair spielt, wird vom Platz gepfiffen.<br />
Im Kl<strong>art</strong>ext: Der Gemeinde Rubigen steht die Reduktion<br />
ihrer Beiträge seit der Gründung der RKK<br />
Bern zu!<br />
Zurück zur Zeitung: Rubigen müsste ab 2008<br />
fast 67‘000 Franken in den RKK-Topf zuschiessen.<br />
Nun kann die Gemeinde 25‘000 Franken davon in<br />
Abzug bringen – das entspricht rund 40 Prozent<br />
der Beiträge und ist gemäss RKK «entsprechend<br />
«Die Mühle Hunziken ist gesamtschweizerisch<br />
eines<br />
der wichtigsten Konzertlokale,<br />
das Rubigen zu einem<br />
Punkt auf der internationalen<br />
Landk<strong>art</strong>e macht.»<br />
Peter Schranz, stellvertretender Leiter, Abt.<br />
Kulturelles der Stadt Bern.<br />
der Wichtigkeit der Kulturmühle angemessen».<br />
Wie François Wasserfallen vom kantonalen Amt für<br />
Kultur sagt, können die Beiträge einer Gemeinde<br />
um höchstens 50 Prozent reduziert werden – das<br />
habe sein Amt so festgelegt. «Das ist ein subjektiver<br />
Entscheid», sagt Vorstandsmitglied Wasserfallen.<br />
Die durch sein Amt festgelegte Höchstgrenze von<br />
33‘500 Franken habe man nicht ausgeschöpft, weil<br />
die Mühle Hunziken nicht vergleichbar sei mit Institutionen<br />
wie dem Historischen Museum in Bern.<br />
Das ist ziemlich freundlich von Herrn Wasserfallen.<br />
Auch ich will sein Amt nicht mit dem Museum<br />
vergleichen. Mit den Prozenten habe ich auch keine<br />
Mühe, nicht weil sein Amt willkürlich und ohne gesetzliche<br />
Grundlage die 50 Prozent Höchstgrenze<br />
festlegte, nein – weil 40 Prozent der Beiträge entsprechend<br />
der Wichtigkeit der Mühle angemessen<br />
sind. Da bin ich mächtig stolz. Nur, die Mühle steht<br />
leider leider in der falschen Gemeinde.<br />
Stellt Euch vor, liebe RubigerInnen die Mühle<br />
stünde 5 km flussabwärts bei der alten Hunzikenbrücke.<br />
Du Schande. Trotzdem: 40 Prozent wären<br />
40 Prozent und in Muri ca. 200‘000 Franken. Fast<br />
so viel wie die Mokkasubvention. Oder halt nicht an<br />
der Aare dafür in Köniz. Da wären 40 Prozent fette<br />
415‘000. Oder wieder an der grünen Aare?<br />
In Bern kassierten wir Hunziker satte 8 Millionen.<br />
Für das Geld würde ein Abriss und Wiederaufbau<br />
drinliegen! Oder machen wir einen Überlegungsfehler?<br />
Herr Wasserfallen, würden in Bern nur 0,3125%<br />
Prozent bezahlt? 25‘000 Fr?<br />
Fragen wir uns lieber, was entspricht «entsprechend<br />
der Wichtigkeit der Kulturmühle» und was ist<br />
«angemessen». 25‘000 Fr. Unterstützung pro Jahr<br />
entspricht z. B. der Subvention für: gut sechs Wochen<br />
Cafe Mokka in Thun und in der Kultur Stadt<br />
Bern reicht das Geld für vier Wochen Progr Zentrum,<br />
vielleicht auch für zwei Wochen Dampfzentrale,<br />
zehn Tage Schlachthaus, keine zwei Tage Zentrum<br />
Paul Klee oder ziemlich genau zehn Stunden<br />
Stadttheater.<br />
«95‘966 Menschen haben 2005 das Stadttheater,<br />
das 22‘398‘000 Franken Subventionen ausweist,<br />
besucht; Eigenwirtschaftlichkeit 23,3 Prozent.<br />
Bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis<br />
von 59 Franken wird jede besuchende Person also<br />
mit 233 Franken öffentlicher Gelder für ihre Liebhaberei<br />
belohnt.» (Peter J. Betts langjähriger Kultursekretär<br />
der Stadt Bern, im ensuite-kulturmagazin<br />
Dezember 2006.)<br />
Dreissig Jahre Mühle Hunziken. Eigenwirtschaftlichkeit<br />
100 Prozent. 110 Konzerte und ca. 25‘000<br />
Besucher pro Jahr. Neu, ev. ab 2008: 25‘000 Franken<br />
Subvention von der Regionalen Kulturkonferenz<br />
RKK Bern, d. h. 228 Franken oder genau ein<br />
Fünfliber weniger öffentliche Gelder pro Konzert als<br />
für eine gozeinzige Stadttheaterliebhaberin.<br />
Ich weiss, sich mit der Kultur Stadt Bern zu messen<br />
ist vermessen, «entsprechend der Wichtigkeit»<br />
der ignoranten, arroganten Platzanweisermentalität<br />
des RKK Präsidiums jedoch «angemessen».<br />
Ä gueti Zyt u bis bald<br />
Pesce<br />
www.muehlehunziken.ch<br />
PS: Wie sagte doch Friedrich Kuhn (1926-1972), von<br />
ihm ist unser Signet, die Palme: Kunscht isch umsunscht.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 7
LESERBRIEFE<br />
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Thema «Arrogant und ignorant»<br />
Der Bund, 11. Januar 2007, Seite 23<br />
«E vive i mediocri !»<br />
«Es leben die Mittelmässigen !»<br />
(Salieri im Film «Amadeus»)<br />
■ Die Schweiz, das europäische Land ohne ästhetische<br />
Tradition, ist kunstfeindlich, Bern insbesondere.<br />
Wir haben zwar eine Städtische Abteilung<br />
für Kultur und sogar ein Bundesamt für Kultur;<br />
sehr gut möglich, dass es kein Land gibt, das mehr<br />
Geld für Kultur ausgibt als die Schweiz. Trotzdem<br />
— es geht nicht um die Höhe der Gelder, sondern<br />
darum, wer diese wem und wofür zuteilt. Bedauerlicherweise<br />
wird vorwiegend die Pflege des Mittelmasses<br />
und des Paris-Hilton-<strong>art</strong>ig-Modischen<br />
gefördert.<br />
Mühle Hunziken und Stadttheater Bern, ein<br />
Vergleich. Die Mühle Hunziken – abgelegen im<br />
Rubiger Niemandsland – hat seit dreissig Jahren<br />
ohne Subventionen und ohne Sponsoring Hunderte<br />
von Weltklassekonzerten im Bereich Jazz, Blues<br />
und Rock durchgeführt. Kaum ein Name der ganz<br />
Grossen fehlt. Gleichzeitig bot sie kleinen, lokalen<br />
Bands die Möglichkeit, sich zu präsentieren. «Wer<br />
nur von Musik etwas versteht, versteht auch von<br />
dieser nichts», erkannte bereits Kurt Weill, und so<br />
reichen Burkh<strong>art</strong>s Interesse und Verständnis weiter;<br />
auch Kaspar Fischer, Franz Hohler, Massimo<br />
Rocchi, die Geschwister Pfister und viele andere<br />
waren regelmässig in der Mühle zu Gast, bisweilen<br />
gab es Autorenlesungen.<br />
Ganz nebenbei war Burkh<strong>art</strong> als Mäzen tätig,<br />
bot verschiedenen Künstlern ein temporäres Zuhause<br />
und schuf rund um seine Mühle einen Skulpturenpark<br />
mit schrägen Fundstücken, aber auch<br />
Werken renommierter Künstler.<br />
Die Konzertplakate liess er von Georg Steinmann<br />
und Stephan Bundi gestalten. Letztere wurden<br />
international ausgezeichnet und vermittelten<br />
im Ausland den (leider falschen) Eindruck, Bern<br />
sei eine Kulturstadt und pflege die Plakatkunst.<br />
Apropos Plakatkunst — die Plakatausstellung des<br />
weltberühmten Günter Kieser im Kornhausforum<br />
wurde von Burkh<strong>art</strong> organisiert und finanziert.<br />
Kurz: da ist einer, der ohne Steuergelder effiziente<br />
und qualitativ hoch stehende Kulturförderung betreibt.<br />
Leserbriefe:<br />
■ Senden Sie uns Ihre Kommentare und Leserbriefe<br />
zum Kulturgeschehen in Bern oder auch<br />
Kritiken (es darf natürlich auch mal ein Lob sein...)<br />
an die ensuite-Redaktion. Wir wollen den Kulturdialog<br />
in Bern nicht nur fördern, sondern auch<br />
eine aktive Plattform für kulturelle Meinungen<br />
sein.<br />
Das Stadttheater Bern – in bester Lage – mit<br />
27 Mio. jährlich hoch subventioniert, betreibt Kulturbeamtentum.<br />
Während die Sp<strong>art</strong>e Oper unter<br />
Aviel Cahn insgesamt doch Überraschendes bietet,<br />
pflegt Chefdramaturg Kerber ideen- und phantasielos<br />
kulturelles Trittbrettfahren. Dass man die<br />
Geschwister Pfister nun auch im Musical sehen<br />
kann, nachdem sie seit zehn Jahren in der Mühle<br />
auftreten, ist zwar schön, braucht aber keinen Entdeckergeist.<br />
Auch der gross<strong>art</strong>ige Max Goldt las<br />
im Theater, nachdem er schon fast überall in Bern<br />
gelesen hatte. Wer es nicht verpasst hat, konnte in<br />
der Mühle Astor Piazzola live erleben, oder – Jahre<br />
später – als Tangomusical ohne Piazzola im Stadttheater<br />
absitzen. Die Kopie als Piazzolaverschnitt<br />
im subventionierten Theater zum etwa dreifachen<br />
Preis.<br />
Braucht es dafür ein Stadttheater? Wer als<br />
Lohnempfänger ohne wirtschaftliches Risiko ein<br />
Programm zusammenstellen darf, sollte einfallsreicher<br />
und mutiger sein, als bloss einen Bestseller<br />
(z. B. «Am Hang» oder die «Buddenbrooks») als<br />
mimisches Hörspiel zu präsentieren. Bereits seinen<br />
Einstand gab Kerber mit Shakespeares «Der<br />
Sturm»; die Premiere zur Hälfte mit Claqueuren<br />
bestückt (was der gescheite Bund-Kritiker Linsmayer<br />
natürlich ge- und vermerkt hat) half nicht,<br />
das pseudowilde Stück zu retten. Theater als missverstandene<br />
Performance-Theater-Kopie – nicht<br />
das Original, die Imitation wird gepflegt.<br />
Dabei fragt man sich, wieso Kerber, der in Zürich<br />
nicht Wiedergewählte, für Bern gut genug sein soll?<br />
Sein Nachfolger in der Zürcher Gessnerallee hatte<br />
bereits im ersten Jahr 50 Prozent mehr Besucher...<br />
Linke Politiker müssten Burkh<strong>art</strong> unterstützen,<br />
weil er mit niedrigen Preisen gross<strong>art</strong>ige Musiker<br />
präsentiert und künstlerisch begabte Einzelgänger<br />
fördert. Rechte Politiker müssten Burkh<strong>art</strong> unterstützen,<br />
weil er zeigt, dass Leistung zählt und dass<br />
es – zumindest bezüglich der Berner Kulturpolitik<br />
– mit weniger Staat besser gehen kann.<br />
16.1.07 F. Meschter, Münsingen<br />
Einsendungen an:<br />
leserbrief@ensuite.ch<br />
oder auf dem Postweg:<br />
ensuite - kulturmagazin<br />
Leserbriefe<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon: 031 318 6050<br />
8<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
veranstaltungen<br />
«The Kraut» Susanne Bard zum künstlerischen Höhepunkt<br />
ihrer bisherigen Karriere. Mit ihren charismatischen<br />
Gesten, ihrer enorm wandlungsfähigen<br />
Stimme und dem sensiblen und vitalen Gesang<br />
zeigt Susanne Bard eine Marlene Dietrich, deren<br />
Ausdruck fesselt.<br />
Das von Dirk Heidicke geschriebene Stück erforderte<br />
eine sehr intensive Recherchearbeit. Heidicke<br />
ist bei seinen Nachforschungen auf viele spannende<br />
Details gestossen, die ins Stück eingeflossen<br />
sind und dem Zuschauer viel bisher Unbekanntes<br />
über die Dietrich liefern. Susanne Bard sagte hierzu<br />
einmal in einem Interview, der Aufhänger des<br />
Stücks wäre die sensationelle (und authentische)<br />
Mutmassung Marlene Dietrichs, dass sie selbst womöglich<br />
als einziger Mensch auf Erden den Zweiten<br />
Weltkrieg hätte verhindern können.<br />
«The Kraut» verspricht, ein musikalisch hochwertiger<br />
Abend zu werden, den uns Susanne Bard<br />
als Marlene Dietrich bescheren wird. Wer den Mythos<br />
der berühmten Schauspielerin und Sängerin<br />
wieder in Erinnerung rufen, wer die Musik wieder<br />
aufleben lassen und darüber hinaus bisher Verschwiegenes<br />
erfahren möchte, sollte diesen Abend<br />
nicht verpassen. Und sollte das alles noch immer<br />
nicht reichen, so scheint doch sicherlich zu interessieren,<br />
in welcher Weise sich die Dietrich als mögliche<br />
Weltkriegbewahrerin gesehen hat.<br />
Buch: Dirk Heidike<br />
Marlene Dietrich: Susanne Bard<br />
Regie und Ausstattung: Klaus Noack<br />
Musikalische Leitung: Jens-Uwe Günther<br />
BÜHNE<br />
«der blaue engel»<br />
kommt nach bern…<br />
Von Belinda Meier (Bild: zVg.)<br />
■ «The Kraut», so nennt sich das Theaterstück<br />
über Marlene Dietrich – gespielt und verkörpert<br />
von Susanne Bard. «The Kraut»? Weshalb diese<br />
deutsch-englische Symbiose und was hat das<br />
Kraut denn überhaupt mit Marlene Dietrich zu<br />
tun? Ganz einfach: «The Kraut» ist der Spitzname,<br />
den Ernest Hemingway dem deutschen Weltstar<br />
Marlene Dietrich gab. Die beiden waren über dreissig<br />
Jahre miteinander befreundet. Und obwohl die<br />
Bezeichnung sonst als Schimpfwort galt, empfand<br />
Marlene Dietrich sie aus dem Munde Hemingways<br />
zeitlebens als Kompliment. Beide reisten in den<br />
Kriegsjahren mit der US-Armee und kämpften so<br />
jeweils auf ihre eigene Art und Weise gegen das<br />
Dritte Reich an.<br />
Das Konzert-Theaterstück «The Kraut» spielt<br />
im Jahre 1987 in Paris, genauer in der Avenue<br />
Montaigne Nr. 12. Der Weltstar Marlene Dietrich,<br />
freiwillig gefangen in der eigenen Wohnung und<br />
der eigenen Legende, plant seine Beerdigung. Sie<br />
wühlt in alten K<strong>art</strong>ons, die voller Leben stecken<br />
und zahlreiche Erinnerungen wachrufen. Indem<br />
Dietrich auf diese Weise über ein halbes Jahrhundert<br />
bewegten Lebens resümiert, steht das private<br />
Jetzt mit dem Glamour des Vergangenen in einer<br />
Wechselbeziehung. Gerade weil Marlene Dietrich<br />
auf der Bühne als Privatperson agiert und nicht als<br />
gefeierter Star, wie es in ihren Nachkriegs-Auftritten<br />
der Fall war, steckt «The Kraut» in inhaltlicher<br />
wie auch musikalischer Hinsicht voller Überraschungen.<br />
In der Rolle der Marlene Dietrich bietet uns<br />
Susanne Bard einen musikalischen Soloabend, der<br />
die Vielfalt ihrer musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
zur Entfaltung bringt.<br />
Das in Magdeburg produzierte Stück, welches<br />
verschiedene Gastspiele in Deutschland und eines<br />
davon auch in Bulgarien verbuchen konnte, wurde<br />
2004 in Bern zur Uraufführung gebracht. Weshalb<br />
nun das Stück nach drei Jahren wieder aufgenommen<br />
wurde, hat mit dem grossen Publikumserfolg<br />
von damals zu tun. Damit einhergehend verhalf<br />
Aufführung am 25.2. um 20:00 h im ONO<br />
(Tel. 031 312 73 10)<br />
Susanne Bard – Zu ihrer Person:<br />
Susanne Bard wurde am 17. März 1963 in Lübz/<br />
Mecklenburg geboren. Nach einer siebenjährigen<br />
Klavierausbildung absolvierte sie von 1982<br />
bis 1986 das Studium an der Theaterhochschule<br />
«Hans Otto» in Leipzig. Zwischen 1987 und<br />
1990 hatte sie verschiedenste Engagements an<br />
den Bühnen der Stadt Magdeburg, so etwa im<br />
Stück «Happy End» von Hauptmann/Brecht. In<br />
derselben Zeit erhielt sie weitere Hauptrollen<br />
in zahlreichen Hörspielproduktionen. Von 1990<br />
bis 2001 gehörte sie dem Ensemble der Freien<br />
Kammerspiele in Magdeburg an. Seit 2001 arbeitet<br />
sie nun als freischaffende Schauspielerin<br />
und hat dabei bereits zahlreiche Engagements<br />
verbuchen können, in denen sie die Hauptrolle<br />
besetzen durfte (z. B. als Elisabeth in «Glaube<br />
Liebe Hoffnung», als Celimene in «Der Menschenfeind»,<br />
als Antonia in «Offene Zweierbeziehung»,<br />
als Yerma im gleichnamigen Stück,<br />
als Mephisto in «Faust» sowie als die Kaiserin in<br />
«Die Europäer»). Nebst ihrer Schauspieltätigkeit<br />
auf der Bühne konnte man Susanne Bard bereits<br />
verschiedentlich auf der Leinwand sehen (z. B. in<br />
«Der Affe als Mensch» (1987), «Der Verdacht»<br />
(1988) und «Soko Leipzig» (2005)).<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 9
1 von 311 Haltestellen:<br />
Rossfeld.
veranstaltungen<br />
AUSBLICK BÜHNE<br />
Gastspiel des jungen theater basel im<br />
Schlachthaustheater<br />
Leonce und Lena<br />
Von Georg Büchner (schweizerdeutsche Fassung<br />
von Lukas Holliger)<br />
BÜHNE<br />
vaginas statt valentinsrosen<br />
Von Magdalena Nadolska – Der «V-Day Bern 2007», am 14. Februar im Tojo.<br />
■ Wie bereits 2005 findet der V-Day in Bern dieses<br />
Jahr wieder im Tojo statt. Zu hören und sehen<br />
gibt es ein Konzert, spoken word und eine Lesung<br />
der Vagina-Monologe. Ausserdem ist der Anlass<br />
eine Benefiz-Veranstaltung für das Berner Frauenhaus.<br />
Die amerikanische Autorin Eve Ensler hat anhand<br />
von Interviews mit rund 200 Frauen die<br />
Vagina-Monologe verfasst. Es waren Frauen unterschiedlichsten<br />
Alters, verschiedener Nationalitäten<br />
und sozialer Hintergründe. Ensler befragte<br />
sie über ihr Verhältnis zu ihrer Vagina. Die Beschreibungen<br />
reichen von einer Vergewaltigung<br />
in Bosnien über die ersten sexuellen Erfahrungen<br />
einer 13-Jährigen bis hin zu Erzählungen einer<br />
über siebzig Jahre alten Frau. Es zeigt sich, dass<br />
die weiblichen Geschlechtsteile aus Frauensicht<br />
noch immer eine ziemlich unbekannte Gegend mit<br />
unaussprechlichem Namen sind. Doch nur was einen<br />
Namen hat, existiert auch im Bewusstsein. Die<br />
Monologe enthalten überraschende, vergnügliche,<br />
schockierende, lustvolle, z<strong>art</strong>e und nachdenklich<br />
stimmende Texte und Berichte von «da unten».<br />
Rund um die Lesung der Monologe wuchs die<br />
politisch unabhängige V-Day-Bewegung. Das V in<br />
der Bezeichnung steht für Valentine, Vagina, Violence<br />
und Victory. Die Bewegung hat zum Ziel, die<br />
breite Öffentlichkeit weltweit mit der Tatsache zu<br />
konfrontieren, dass Gewalt an Frauen und Mädchen<br />
immer noch eine erschreckende Realität ist,<br />
welche nicht länger toleriert werden darf. Man<br />
möchte Mut zum Handeln machen, sowie Gelder<br />
für Projekte und Kampagnen zugunsten von<br />
Frauen in Not sammeln. Unter www.vday.org und<br />
www.vdayeurope.org gibt es mehr Informationen<br />
zu Gruppierungen und Projekten in diesem Zusammenhang.<br />
Um einen Einblick von der letztgenannten<br />
Homepage zu erhalten, die folgenden Zitate:<br />
We proclaim Valentine‘s Day as V Day, to celebrate<br />
women, vagina-friendly men, and end violence<br />
against women and girls. V Day is a fierce,<br />
wild, unstoppable movement and community.<br />
When the violence stops, women and girls will be:<br />
Allowed to be born in China, India and Korea<br />
Keeping their clitorises in Africa and Asia<br />
Enjoying sex<br />
Loving their bodies<br />
Running the world<br />
Der erste V-Day fand am 14. Februar 1998 in<br />
New York City statt und machte sogleich Furore.<br />
Seither ist der V-Day eine alljährliche Veranstaltung<br />
mit einer Lesung der Vagina-Monologe und<br />
wird in möglichst vielen Städten der Welt gleichzeitig<br />
abgehalten. Mit seiner Tradition entwirft dieser<br />
Tag die Vision einer Welt, in der Frauen Raum für<br />
sich und ihre Bedürfnisse haben und in Sicherheit<br />
leben können.<br />
Alle Teilnehmerinnen des «V-Day Bern 2007»<br />
im Tojo verzichten auf Gagen und Honorare. Die<br />
Einnahmen und Spendengelder gehen an das Berner<br />
Frauenhaus.<br />
Die Vagina-Monologe lesen unter anderem Patricia<br />
Bornhauser, welche im Tojo Theater zuletzt<br />
in «Anarchie in Bayern» vom Club 111 zu sehen war,<br />
Sylvia Garatti, die neben dem Schauspielen mit<br />
Vorliebe Jodel und Rock singt und Renate Müller<br />
– bekannt aus zahlreichen Hörspielen des Radios<br />
DRS. Von Betti Synclar, der Slammerin, Performance<br />
Poetin, Vocalistin und Minirockfetischistin<br />
gibt es spoken word. Weiter findet ein Konzert<br />
der Elvissisters (Stella Brunner und Sandra Künzi)<br />
statt und zum Abschluss wird DJane Not. H. from<br />
crash helmet das Tojo-Haus rocken.<br />
14. Februar, 20:30 h im Tojo<br />
Infos: www.tojo.ch oder 031 306 69 69<br />
(Bild: zVg.)<br />
■ «Leonce und Lena» ist eine märchenhaftkomödiantisches<br />
Lustspiel des genialen Dichters<br />
und Bühnenautors Georg Büchner. Er verstarb<br />
1837 im Alter von 24 Jahren in Zürich. Büchner<br />
erzählt in «Leonce und Lena» die Geschichte von<br />
Leonce, einem Königssohn, der von zu Hause abhaut,<br />
weil sein Vater ihn mit einer Unbekannten<br />
verheiraten will. Auf der «Flucht» trifft er Lena.<br />
Die beiden verlieben sich. Es stellt sich heraus,<br />
dass auch Lena vor einer Zwangsheirat flüchtete.<br />
Die sozialrevolutionären Ansichten Büchners<br />
schwingen auch in diesem Text unterschwellig<br />
mit, wenn auch in ihrer sanftesten Form - der Ironie.<br />
(mi)<br />
Nähere Informationen zur «Leonce und Lena»-<br />
Produktion des jungen theater basel finden sich<br />
im Artikel «Ein Büchner für Bern» in dieser Ausgabe<br />
von ensuite - kulturmagazin.<br />
Regie: Rafael Sanchez<br />
Mit: Mark Staehelin, Cécile Bauer, Edgar Eckert,<br />
Anna Fries und Hans Jürg Müller<br />
Aufführungsdaten: 15., 16. und 17. Februar um<br />
20:30 h.<br />
Stadttheater Bern<br />
Traumspiel<br />
Von August Strindberg<br />
■ In Strindbergs Traumspiel sind die Gesetze<br />
der Logik aufgehoben. Es entsteht auf der Bühne<br />
ein «traumähnlicher Bewusstseinszustand», in<br />
dem sich übernatürliche und zauberhafte Vorkommnisse<br />
zutragen. Aber die Traumspiel–<br />
Produktion des Stadttheaters handelt nicht nur<br />
von «Wundern», sondern ist selbst auch ein<br />
kleines «Wunder»: Erstmals stehen bei einer grossen<br />
Stadttheaterproduktion das Schauspiel- und<br />
Tanzensemble gemeinsam auf der Bühne. Regie<br />
führt übrigens der Starregisseur Linus Tunström.<br />
Unter anderem wurde er für seinen Kurzfilm «to<br />
be continued» am Filmfestival Cannes mit dem<br />
Kritikerpreis ausgezeichnet. (mi)<br />
Regie: Linus Tunström<br />
Mit: Schauspiel- und Tanzensemble des Stadttheater<br />
Bern<br />
Premiere: 6. Februar um 19:30 h.<br />
Weitere Spieldaten: www.stadttheaterbern.ch.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 11
veranstaltungen<br />
BÜHNE<br />
ein büchner für bern<br />
(Bild: zVg.)<br />
Von Michael Imoberdorf - Das junge theater basel spielt im Schlachthaustheater Bern Georg Büchners «Leonce und Lena»<br />
■ Ähnlich grotesk wie uns heute beispielsweise<br />
der Gedanke erscheint, dass Florian Asts «Daneli»<br />
irgendwann in die Kirchengesangbücher aufgenommen<br />
werden könnte, erschien wohl den meisten<br />
Menschen um 1830 der Gedanke, dass die Texte des<br />
blutjungen literarischen Delinquenten Büchner einst<br />
in den Kanon klassischer Literatur aufgenommen<br />
werden sollten. Ob Ast es mit seiner Musik je in die<br />
Kirchengesangbücher schaffen wird, sei dahingestellt.<br />
Fakt ist, dass das literarische Werk Büchners,<br />
trotz der ablehnenden Haltung seiner Zeitgenossen,<br />
heute einen festen Bestandteil der deutschen Literatur-<br />
und Dramengeschichte darstellt. Die Texte des<br />
politischen und literarischen Rebellen Büchner, die<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Leserschaft<br />
provozierten, zählen heute zu den Klassikern<br />
der deutschen Literatur. Das Werk des «enfant terrible»<br />
Büchner wirkt aber heute auf Leser eher schöngeistig<br />
denn provokativ.<br />
Das junge theater basel zeigt vom 15. bis zum<br />
17. Februar 2007 im Schlachthaustheater Bern<br />
seine Les<strong>art</strong> von Büchners Lustspiel «Leonce und<br />
Lena». Regisseur Rafael Sanchez und Dramaturg<br />
Uwe Heinrich versuchten das «Skandalon» des<br />
Dramas «freizuschaufeln», d. h. jene Komponenten<br />
herauszuarbeiten, die den Text für Büchners Zeitgenossen<br />
so unmöglich und «ab<strong>art</strong>ig» machten.<br />
In der Auseinandersetzung mit dem Text stiessen<br />
sie auf die Unzufriedenheit, Wut und Verzweiflung<br />
eines jungen Autors, der seine Gefühle mit einer<br />
zünftigen Portion Zynismus literarisch verarbeitete.<br />
Die Inszenierung des jungen theater basel versucht<br />
die Büchnersche Wut dynamisch umzusetzen.<br />
Das Resultat ist (endlich wieder einmal) eine<br />
kurzweilige Produktion von «Leonce und Lena».<br />
Das junge theater basel existiert seit dreissig<br />
Jahren. Während der ersten zwanzig Jahre wurden<br />
verschiedene theatrale Stilrichtungen erprobt. Vor<br />
rund zehn Jahren endete der «(theater)stilistische<br />
Evolutionsprozess» in einem eigenen und einzig<strong>art</strong>igen<br />
Theaterstil. Es ist ein sehr rhythmischer<br />
Stil, der mit musikalischen und tänzerischen Elementen<br />
arbeitet. Die Produktionen wirken somit<br />
sehr frisch, jugendlich und «unverbraucht». Die<br />
an sich schon dynamische Les<strong>art</strong> von Leonce und<br />
Lena wird durch die Spielpraxis des jungen theater<br />
basel zusätzlich intensiviert. So entsteht eine für<br />
das «handlungsarme» Drama «Leonce und Lena»<br />
ungewohnt hohe Bühnendynamik.<br />
Trotz der Bühnendynamik wirkt das Stück aber<br />
nicht hektisch - die Schauspieler nicht überdreht.<br />
Regisseur Rafael Sanchez versteht es, in dynamischen<br />
Passagen Fahrt aufzunehmen und den<br />
Schwung in die längeren Textblöcke hineinzutra-<br />
gen, in denen sich das Tempo allmählich verflüchtigt.<br />
Es entsteht so ein kurzweiliger und kraftvoller<br />
Theaterabend, dessen Herausforderung nicht<br />
(primär) auf der intellektuellen Ebene liegt, der<br />
aber überraschende Analogien zwischen «historischen»<br />
und «aktuellen» Lebensgefühlen aufzeigt.<br />
Wie alle Produktionen des jungen theater basel<br />
wird auch «Leonce und Lena» auf schweizerdeutsch<br />
gespielt. Der Schriftsteller Lukas Holliger<br />
übersetzte im Auftrag des jungen theater basel das<br />
Stück aus einer distanzierten Autorenperspektive<br />
heraus in ein zeitgemässes Schweizerdeutsch. Dabei<br />
bewies er viel Fingerspitzengefühl: Er schafft<br />
es, viele «Bilder» von Büchner ins Schweizerdeutsche<br />
«herüberzuretten», ersetzt aber auch unzeitgemässe<br />
«Bilder» durch neue.<br />
Spieldaten und Informationen zum Stück: Ausblick<br />
Bühne in dieser Ausgabe von ensuite - kulturmagazin<br />
oder<br />
www.schlachthaus.ch<br />
Informationen zu Theaterkursen und Aufführungen<br />
des jungen theater basel:<br />
www.jungestheaterbasel.ch<br />
12<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
veranstaltungen<br />
BÜHNE<br />
abrasso - eine umarmung in bern<br />
Von Manuel Rytz - selber ein Mitspieler von Company Perron 2 (Bild: zVg.)<br />
■ Die Company Perron 2 mit Ahtiv Chanlen und<br />
Manuel Rytz zeigt während zwei Wochen ihr Erstlingswerk<br />
«abrasso» im Theater am Käfigturm. Das<br />
bilderreiche Theaterstück geht voller Poesie den<br />
Weg zwischen Tragik und Komik, lässt Kleinigkeiten<br />
gross erscheinen und berührt durch seine Herzlichkeit.<br />
Eine Umarmung ist eine verbindende und positive<br />
Kraft. «abrasso» verbindet die Schauspieler<br />
auf der Bühne mit sich und dem Raum, der Situation<br />
und dem Publikum. In dieser Verbundenheit entsteht<br />
«abrasso» jeden Abend aufs Neue, mal wunderbar<br />
komisch, dann wieder tragisch berührend.<br />
Eine Umarmung entsteht im Moment. Aus<br />
einem Bedürfnis nach menschlicher Nähe, und<br />
bleibt trotz eines scheinbaren Einander-Fassen oft<br />
unfassbar. Die Suche nach genau diesem Moment,<br />
das Finden des Gerade-Jetzt, hat uns von Anfang<br />
an begleitet. Mit einer Tür auf dem Autodach sind<br />
wir ins sonnige Tessin gefahren, haben in einer<br />
Turnhalle geprobt und sind immer wieder durch<br />
unsere Tür eingetreten. Und dann - Dasein, gerade<br />
jetzt. So, dass sich der Weg von selbst offenb<strong>art</strong>,<br />
das Stück aus dem Moment heraus entsteht, weiterwachsen<br />
kann. Ideen eintreten lassen und auch<br />
wieder verabschieden können. Was nicht immer<br />
so leicht war. Zu gerne hielten wir an Gefundenem<br />
fest und wollten sofort fertigbauen, was noch Skizze<br />
sein durfte. In Zusammenarbeit mit dem legendären<br />
Regisseur und Theatermann Pierre Byland<br />
entwickelten wir daher neben unserem eigenen<br />
Stil und dem Stück auch diese Offenheit. Verrückte<br />
Ideen sind entstanden, einige geblieben und viele<br />
wieder vergangen. Fast wäre es ein Wasserstück<br />
geworden, vom tropfenden Wasserhahn bis zur<br />
sintflut<strong>art</strong>igen Überschwemmung gesteigert. Hätte<br />
auch Spass gemacht, trotz des Umstands einer<br />
einzigen Aufführung. Schliesslich braucht es konsequenterweise<br />
nach jeder Sintflut einen Neuanfang.<br />
Irgendwann kam die Musik durch die Tür, oder<br />
hat durch das brasilianische Kinderlied «abraço»<br />
einfach ihren Fuss in die Tür gehalten. Dass meine<br />
Freude am Cello nach jahrelanger Abwesenheit<br />
wieder erwachte, ist ebenfalls dieser Produktion zu<br />
verdanken.<br />
Eine Umarmung als Leitmotiv. Entgegen der<br />
Tendenz vieler Produktionen, mit schnellen und<br />
multimedialen Szenen zu arbeiten, gingen wir genau<br />
in die andere Richtung. Umarmung braucht<br />
Zeit, darf sich Zeit nehmen. Komik braucht Zeit,<br />
darf sich Zeit nehmen. Poesie braucht Zeit, hat eine<br />
andere Zeit. Indem wir uns Raum und Zeit liessen,<br />
wurde die Wichtigkeit des Alltäglichen immer grösser.<br />
Unscheinbares und Nebensächliches rückte<br />
plötzlich in den Mittelpunkt des Geschehens. Das<br />
schlichte Bühnenbild mit der weissen, freistehenden<br />
Tür, die wenigen Requisiten, der Umgang der<br />
beiden Männer und ihre Rituale. Eine neue Intensität<br />
entstand.<br />
Die folgenden Probewochen waren erfüllt von<br />
Spiellust und Entdeckungsfreude. Mit dem Auftrag,<br />
die Umarmung als Element so oft wie möglich<br />
einzubauen, ist «abrasso» mehr und mehr zu dem<br />
geworden, was es heute ist. Ein berührend komisches<br />
Stück voller Herzlichkeit. In dieser positiven<br />
Stimmung sind uns Sachen in den Schoss gefallen,<br />
die nie planbar gewesen wären. Noch jetzt erfüllt<br />
es mich mit Freude, Abend für Abend diese kleinen<br />
Goldstücke zum Glänzen zu bringen und so dem Publikum<br />
ein Strahlen davon zu schenken.<br />
Seit der Uraufführung im Teatro Dimitri in<br />
Verscio im März 2006 hat sich «abrasso» ständig<br />
weiterentwickelt. Immer noch vermag es uns zu<br />
überraschen und begleitet durch den Alltag. Sei es<br />
durch eine Umarmung oder durch die stille Freude<br />
an all den kleinen, wunderbaren Alltäglichkeiten,<br />
die sich plötzlich offenbaren. Schön, wenn uns<br />
Feedbacks von Leuten erreichen, die nach einem<br />
halben Jahr plötzlich am Strand von Sardinien «abrasso»<br />
summen oder trotz Zeitdruck schmunzelnd<br />
mit einem abgefallenen Türgriff vor geschlossener<br />
Haustür stehen. «abrasso» scheint gerade durch<br />
seine poetische Einfachheit und Schlichtheit den<br />
Menschen zu begegnen. Da, wo sie gerade sind.<br />
Aufführungen:<br />
8./9./10. und 15./16./17. Februar<br />
Theater am Käfigturm, 20:00 h<br />
Reservationen: Telefon 031 311 61 00<br />
www.company-perron2.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 13
literatur<br />
«Ich lebe ganz fatalistisch von Tag zu Tag.»<br />
Victor Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen...<br />
Befindlichkeiten von Ewigadoleszenten<br />
Tanja Kummer: Platzen vor Glück. Kurzgeschichten.<br />
Mission: Impossible<br />
Alex Popov: Mission: London. Roman.<br />
■ Akribisch dokumentiert Klemperer, von 1920<br />
bis 1935 ordentlicher Professor für Romanistik an<br />
der Technischen Hochschule Dresden, die über die<br />
Monate und Jahre zunehmende Ausgrenzung der<br />
Juden in Deutschland. Er selbst, 1912 zum protestantischen<br />
Glauben konvertiert und mit einer Nichtjüdin<br />
verheiratet, repräsentiert die Schicht jener<br />
assimilerten jüdischer Intellektueller, welche sich<br />
als Aktivdienstler im Ersten Weltkrieg nicht mehr so<br />
sehr über ihre jüdische Herkunft definierten, sondern<br />
sich voll und ganz als Deutsche fühlten.<br />
Umso tiefgreifender mussten sie ihre Entmachtung<br />
erleben. Viele von ihnen zogen es vor, ins nahe<br />
und ferne Ausland zu emigrieren. Nicht so Klemperer.<br />
Er verblieb in Nazi-Deutschland, auch nachdem<br />
er 1935 gezwungen worden war, sein Amt an der TH<br />
niederzulegen. In der nachfolgenden Zeit konzentrierte<br />
er sich auf sein Werk «Die Geschichte der<br />
französischen Literatur im 18. Jahrhundert», solange<br />
bis es ihm als Juden verunmöglicht wurde, eine<br />
Bibliothek zu betreten oder Abonnent einer Zeitung<br />
oder Zeitschrift zu sein. Seiner wissenschaftlichen<br />
Tätigkeit gänzlich beraubt widmete er sich seinen<br />
Tagebucheinträgen, die den Grundstein für sein<br />
Werk «Lingua Tertii Imperii» legten, und begann<br />
1938 die Arbeit an seiner «Vita». 1940 mussten<br />
die Klemperers ihr geliebtes Haus in Dresden-Dölzschen<br />
verlassen und fortan in sogenannten «Judenhäusern»<br />
auf sehr beengtem Raum leben. Die<br />
Nacht vom 13. auf den 14. Februar, welche Dresden<br />
in Schutt und Asche legte, rettete das Ehepaar vor<br />
der drohenden Deportation.<br />
Die Tagebücher Victor Klemperers gelten bislang<br />
als eines der wichtigsten zeitgeschichtlichen<br />
Dokumente und gehören seit ihrem Erscheinen<br />
im Aufbau-Verlag 1996 zum Standardwerk für den<br />
gymnasialen Geschichts- und Deutschunterricht.<br />
Wenn wundert‘s, denn die beklemmenden Einträge<br />
ermöglichen es auch dem heutigen Leser, jene Zeit<br />
aus der Perspektive eines Verfolgten, jedoch nicht<br />
Gebrochenen, zu erleben. (sw)<br />
Klemperer, Victor: Ich will Zeugnis ablegen bis<br />
zum letzten. Tagebücher 1933-1945. Eine Auswahl.<br />
Erschienen in der Spiegel-Edition, Bd 23. Spiegel-<br />
Verlag Rudolf Augstein. Hamburg 2007. ISBN-10:<br />
3-87763-023-5.<br />
Mehr zur Spiegel-Edition, die vom 14. August<br />
2006 bis zum 14. Mai 2007 erscheint, unter<br />
www.spiegel-edition.de.<br />
■ Tanja Kummer, welche bisher mit den Lyrikbänden<br />
«vermutlich vollmond» und «unverbindlich»<br />
vor allem als Lyrikerin von sich reden machte, debütierte<br />
im Frühling letzten Jahres mit ihrem Kurzgeschichtenband<br />
«Platzen vor Glück».<br />
Die insgesamt 28 Kurzgeschichten, die grösstenteils<br />
nur wenige Seiten umfassen, erscheinen als<br />
Momentaufnahmen, ähnlich einer Fotografie oder<br />
eines Kurzfilms. Dies erklärt sich möglicherweise<br />
durch die berufliche Tätigkeit der Autorin, zunächst<br />
als Produzentin beim Musiksender VIVA, heute als<br />
TV-Redakteurin beim Schweizer Fernsehen.<br />
Wenn auch das vorliegende Buch nun der Prosa<br />
zuzurechnen ist, scheint die Sprache nach wie<br />
vor stark von der Lyrik beeinflusst zu sein. Dem<br />
souveränen Umgang mit der Sprache jedoch ist<br />
es insbesondere zu verdanken, dass die Geschichten<br />
nicht gänzlich in der Banalität versinken. Denn<br />
obwohl mit «Meine Generation» eine Sittenbild der<br />
heute 30-Jährigen mehr als gelungen ist – «Meine<br />
Generation ist an einem Morgen über sich selber<br />
erschrocken: Sie dreht im Badezimmer das Radio<br />
an und hört sich DRS 1 anstelle von DRS 3 an, auch<br />
wenn sie weiss, dass sie DRS 3 hören müsste, weil<br />
man das so macht, wenn man jung ist, schafft sie<br />
es kaum mehr, den Sender zu wechseln.» (S. 21) -<br />
sind «HastHast» oder «Keine Zeit» möglicherweise<br />
als längere Gedichte interessant, geeignet auch als<br />
Beitrag an einem Poetry Slam, als Kurzgeschichten<br />
aber vermögen sie wenig zu überzeugen.<br />
Wenn auch der zuweilen sprunghafte Stil der<br />
Autorin, welcher immer wieder von einzelnen Wortwiederholungen<br />
durchbrochen wird, Ausdruck des<br />
heutigen Zeitgeists sein mag, erschwert er das<br />
Eintauchen in eine Erzählung. Hinzu kommt, dass<br />
die meisten Figuren sich irgendwie ähneln, allein<br />
in einer hübschen Wohnung in der Stadt wohnen,<br />
eine Katze besitzen, verlassen werden oder selbst<br />
verlassen und ab und zu sogar in andere Leben abtauchen.<br />
Dennoch ist der Band durchaus lesenswert und<br />
lässt auf Weiteres hoffen, insbesondere seit wir<br />
wissen, dass Tanja Kummer nun an einem Roman<br />
arbeitet. (sw)<br />
Kummer, Tanja: Platzen vor Glück. Kurzgeschichten.<br />
Zytglogge Verlag. Oberhofen am Thunersee 2006.<br />
ISBN 3-7296-0708-1.<br />
■ Bei der beschriebenen Mission handelt es sich<br />
nicht etwa um eine christliche, sondern um die bulgarische<br />
Botschaft in London, in welcher der neue<br />
Botschafter Varadin Dimitrov bei seinem überraschenden<br />
Stellenantritt auf geradezu desolate Zustände<br />
trifft. So auf einen verkaterten bulgarischen<br />
Bürgermeister und einen mürrischen Koch, zu dessen<br />
geheimen Machenschaften mit der Russen-Mafia<br />
das Einlagern von gekidnappten und getöteten<br />
Enten in der Kühltruhe der Botschaft gehört. Dummerweise<br />
ist ein Teil der Enten mit einem Mikrochip<br />
markiert, was nebst dem Parkwächter auch Scotland<br />
Yard auf den Plan ruft, welcher jedoch glücklicherweise<br />
mit einem haarsträubenden Manöver in<br />
die Irre geführt werden kann.<br />
Dies sind nur die ersten Hürden, die der neue<br />
Repräsentant Bulgariens in der westlichen Welt zu<br />
nehmen hat. Alsbald stellt sich heraus, dass es ihm<br />
wenig hilft, dass Bulgarien zwar mit der Erfindung<br />
des WCs eine herausragende Kulturleistung erbracht<br />
hat, er selbst aber offenbar nicht imstande<br />
ist, seinen Vorgänger zu einer Rückkehr in die ungeliebte<br />
Heimat zu bewegen.<br />
Dann gibt es da auch noch Frau Seljanova, verheiratet<br />
mit einem nicht weiter in Erscheinung tretenden<br />
bulgarischen Potentaten, die sich in den<br />
Kopf gesetzt hat, eine Wohltätigkeitsveranstaltung<br />
zugunsten bulgarischer Waisenkinder zu organisieren<br />
beziehungsweise durch Dimitrov organisieren<br />
zu lassen, an der niemand Geringeres als die Queen<br />
erscheinen soll. Und mit Hilfe der Agentur «Famous<br />
Connections» gelingt dem Botschafter vielleicht<br />
sogar das scheinbar Unmögliche. Denn nebst vieler<br />
anderer Prominenz findet zumindest der Geist Lady<br />
Dianas in Gestalt der Studentin und Putzfrau Katja<br />
so etwas wie eine Wiedergeburt.<br />
Der 1966 geborene Sprachwissenschaftler Alex<br />
Popov legt nach sechs Erzählbänden mit «Mission:<br />
London» nun seinen ersten Roman vor. Mit diesem<br />
rasanten Debüt ist ihm ein postkommunistischer<br />
Roadmovie gelungen, situiert in einer urwestlichen<br />
Metropole, dessen Leichtigkeit zuweilen den bitteren<br />
Ernst des Erzählten vergessen macht. (sw)<br />
Popov, Alex: Mission: London. Roman. Aus dem<br />
Bulgarischen von Alexander Sitzmann. Residenz<br />
Verlag. St Pölten – Salzburg 2006. ISBN-10 3-7017-<br />
1457-6.<br />
14<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
Bild: Paul Klee<br />
(Elfenau) Vor-Frühling, 1898<br />
Bleistift auf Papier auf K<strong>art</strong>on<br />
8,5 x 12,7 cm<br />
Zentrum Paul Klee, Bern, Leihgabe aus Privatbesitz<br />
literatur<br />
LITERATUR<br />
aus dem leben eines einsamen flaneurs<br />
Von Monique Meyer<br />
■ Just zur Eröffnung der Ausstellung «Robert<br />
Walser zu Gast bei Paul Klee» hüllt sich ihre Beherbergung,<br />
das Zentrum Paul Klee, sowie die Umgebung<br />
in eine weisse Pracht. Es schneit leise, die<br />
Sonne schimmert fahl durch die Schneewolken,<br />
die winterliche Stille bringt uns dem Schriftsteller<br />
(1878-1956), zu dessen 50. Todestag die Ausstellung<br />
eingerichtet wurde, vielleicht ein Stück näher.<br />
Walser setzte sich zeit seines Lebens mit dem Element<br />
Schnee, der «weissen Beschwerde», auseinander,<br />
in Prosastücken, in Gedichten oder einfach<br />
in Gedanken, die ihn während seiner zahllosen<br />
Spaziergänge in der Natur prägten. So ist es auch<br />
bezeichnend, dass er auf einem Winterspaziergang<br />
im Schnee verstarb.<br />
Die von Bernhard Echte, dem ehemaligen Leiter<br />
des Robert Walser-Archivs, initiierte und konzipierte<br />
und von Heinz Kriesi gestaltete Ausstellung<br />
– nach Stationen in Frankfurt, Berlin und Prag nun<br />
hier in Bern – versucht, das Werk und Leben des<br />
Dichters auf kleinem Raum einzufangen und dem<br />
Besucher auf anschauliche Weise zu vermitteln.<br />
Bemerkenswert erscheint, dass die Ausstellung<br />
dem Ruf einer allzu textlastigen Literaturausstellung<br />
ganz und gar nicht entspricht. Denn nur in Vitrinen<br />
präsentierte Archivdokumente würden dem<br />
Wesen Walsers bestimmt nicht gerecht werden. So<br />
inszeniert die Ausstellung in dem zur Verfügung<br />
stehenden Raum fünf kleine Räume, in denen Bedeutendes<br />
aus Walsers Leben und Werk präsentiert<br />
wird.<br />
Der Parcours durch Walsers Kosmos führt den<br />
Besucher zuerst in ein Kontor. Dieses Leben eines<br />
«Commis», welches er selbst bis zum 27. Lebensjahr<br />
in Banken und Versicherungen kennenlernte,<br />
hat er in seinem literarischen Schaffen verarbeitet<br />
und das «Gehülfen»-Dasein als Topos in der Literatur<br />
manifestiert. Als Reminiszenz zu Walsers<br />
lange gehegtem Wunsch, selbst Schauspieler zu<br />
werden, wird der Besucher in ein kleines Theater<br />
geleitet. Die Installation vermag hier jedoch nicht<br />
viel mehr als die Kulisse zu vermitteln. Weiter kann<br />
eine eingerichtete Mansarde betreten werden,<br />
die zeigt, wie Walser während vieler Jahre einsam<br />
und in armen Verhältnissen lebte. Wie er von<br />
Stadt zu Stadt zog – u. a. Biel, Stuttg<strong>art</strong>, Zürich,<br />
Berlin, Bern –, so wohnte er immer nur in kleinen<br />
Schnee<br />
Es schneit, es schneit, bedeckt die Erde<br />
mit weisser Beschwerde, so weit, so weit.<br />
Es taumelt so weh hinunter vom Himmel<br />
das Flockengewimmel, der Schnee, der Schnee.<br />
Das gibt dir, ach, eine Ruh‘, eine Weite,<br />
die weissverschneite Welt macht mich schwach.<br />
So dass erst klein, dann gross mein Sehnen<br />
sich drängt zu Tränen in mich hinein.<br />
(Robert Walser, Juni 1900 in «Die Insel»)<br />
Dachstuben, in denen aber ein Grossteil seines literarischen<br />
Werkes entstand ist. Im Zentrum der<br />
Ausstellung befindet sich ein kleines Kabinett<br />
– eine «Schatzkiste» –, wo in Vitrinen ausgestellte<br />
Briefe, Mikrogramme und Manuskripte betrachtet<br />
werden können. Wie Walser die letzten zwei Jahrzehnte<br />
seines Lebens verbrachte, nämlich in psychiatrischen<br />
Kliniken, wird uns in einem Raum, der<br />
nicht betreten werden kann, vor Augen geführt.<br />
Nur durch Spiegelungen erhalten wir Einblick, die<br />
gebrochenen Bilder lassen uns seiner Rätselhaftigkeit<br />
gewahr werden.<br />
An zwei Wänden wird anhand von einigen Bildern<br />
der Bezug Walsers zu Paul Klee geschaffen.<br />
Obwohl Walser und Klee Zeitgenossen waren und<br />
einige Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden<br />
können, sind sich die beiden vermutlich nie begegnet.<br />
Berührungspunkte bilden dennoch zum einen<br />
die Sprache, die sich bei Klee in Gelegenheitsdichtungen<br />
und vor allem in aussergewöhnlichen Bildtiteln<br />
und Bildinhalten mit Sprachzeichen erkennen<br />
lässt. Zum andern begeisterte sich auch Klee für<br />
die Natur, in welcher er als passionierter Flaneur<br />
herumstreifte und wie Walser den unbeachteten<br />
Dingen und Menschen besondere Aufmerksamkeit<br />
schenkte, um dann diese Beobachtungen in Bildern<br />
zu verarbeiten. Beide entnehmen der Realität<br />
Versatzstücke und fügen sie zu einer neuen Welt<br />
zusammen.<br />
Walsers rastloses Wesen drückt sich in seinem<br />
ständigen Aufbrechen und Umherziehen, aber auch<br />
in seinen Spaziergängen deutlich aus. Das unentwegte<br />
Flanieren durch Natur, Metropole und Kleinstadt<br />
brauchte er notwendigerweise, um durch genaues<br />
Beobachten und Empfinden sich in der Welt<br />
der Flüchtigkeit zurechtzufinden und seine Werke<br />
entstehen zu lassen: «Ohne Spazieren wäre ich<br />
tot, und mein Beruf, den ich leidenschaftlich liebe,<br />
wäre vernichtet.» Dieser Eigenschaft wird die Ausstellung<br />
besonders gerecht, der Besucher befindet<br />
sich nämlich gleichsam auf einem Spaziergang<br />
zwischen Bäumen und Bänken, Textsäulen und Vitrinen<br />
mit wunderbaren Dokumenten. Schliesslich<br />
wird auf dem Ausstellungsspaziergang das Motiv<br />
des Schnees in inspirierender Weise in Form von<br />
«Textschnee» aufgenommen. Die kleinen, überall<br />
verstreuten mit prägnanten Walser-Zitaten beschriebenen<br />
Zettelchen dürfen aufgehoben und<br />
sogar mitgenommen werden, sollen dem Besucher<br />
ein Stückchen Walser mit auf dem Weg geben und<br />
zu eigener Lektüre anregen.<br />
Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />
Ausstellung zum 50. Todestag von Robert Walser<br />
(1878-1956); Zentrum Paul Klee, Forum<br />
Bis Sonntag, 25. Februar<br />
Genaue Infos: www.zkp.org<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 15
musik<br />
KLASSIK<br />
chorwerk von hohem ethos<br />
Von Hanspeter Renggli - Musikfestival Bern / Veress 07 (Bild: zVg.)<br />
■ Am ersten März-Wochenende steht in Bern<br />
das musikalische Geschehen wiederum ganz im<br />
Zeichen des Komponisten Sándor Veress. Das Berner<br />
Symphonie-Orchester führt unter der Leitung<br />
des Chefdirigenten Andrey Boreyko im 3. Symphoniekonzert<br />
des Blauen Abonnements am 1. und 2.<br />
März u. a. Ballettmusiken von Veress’ namhaften<br />
Lehrern Béla B<strong>art</strong>ók und Zoltán Kodály auf. Im<br />
zweiten Teil erklingen zwei Werke von Veress, eine<br />
grosse Orchesterklage zum Tode des in den USA<br />
1945 verstorbenen Lehrers und künstlerischen<br />
Übervaters Bártok sowie ein bedeutendes Chorwerk.<br />
Veress’ «Psalmus» nach einem Text des<br />
Kirchenlehrers Augustinus, der gleichermassen<br />
den Abschluss und die Krönung des Programms<br />
des Symphonie-Orchesters bilden wird, schrieb<br />
Veress 1943 und 1944 während des Krieges und<br />
vollendete es kurz vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten<br />
in Ungarn. Der Komponist spricht<br />
an seine Landsleute, die zwischen Opposition und<br />
Duldung einer faschistischen Zukunft schwankten,<br />
eine zwar verschlüsselte aber unmissverständliche<br />
Warnung aus: noch ist es Zeit, den zwar unbequemen<br />
aber rechten Weg zu gehen. Sie wurde leider<br />
nicht gehört. Das Werk ist ein Schlüsselwerk für<br />
Veress’ humanes Engagement, für seinen «unglaublichen<br />
Ethos», wie bereits der Schüler Ligeti<br />
vermerkt hatte. Zu einem spezifisch Ereignis wird<br />
das Konzert nicht allein dadurch, dass das Werk in<br />
Bern kaum erklungen ist, insbesondere auch durch<br />
die Mitwirkung des Chors der Ehemaligen und des<br />
Kammerchors Gymnasium Neufeld.<br />
Intermezzo I: Zwangsunterricht Sándor Veress,<br />
dessen Musik, die Musik seiner Lehrer, seiner<br />
Schüler und seiner «Enkelschüler» im Zentrum<br />
des ersten Musikfestivals Bern stehen und somit<br />
die Musik eines ganzen Jahrhunderts und ihren<br />
faszinierenden Weg eröffnen, war in erster Linie<br />
Lehrer. Am Berner Konservatorium unterrichtete<br />
er Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition.<br />
Zugleich übernahm er den Unterricht in allgemeiner<br />
Musikpädagogik, mit der er ein neues ständiges<br />
Lehrfach und zugleich eine vergleichende Kulturgeschichte<br />
anbot. Aber der Unterricht des Pädagogen<br />
mit Leib und Seele liess dem Komponisten zugleich<br />
kaum Musse zum kreativen Arbeiten.<br />
Am 13. April 1961 schrieb Veress an den<br />
deutschen Musikwissenschaftler und Pädagogen<br />
Erich Doflein, mit dem er zahlreiche geistesverwandte<br />
Züge teilte: «Wie immer, befinde ich mich<br />
in grosser Zeitnot. Zwar bin ich seit Weihnachten<br />
auf Urlaub, aber anfangs Mai muss ich mit dem<br />
Unterricht wieder beginnen. Ich musste dieses Opfer<br />
auf mich nehmen (hier bekommt man keinen<br />
bezahlten Urlaub, wenn man künstlerisch arbeiten<br />
will, nur wenn man vor Krankheit stirbt), weil, sonst<br />
hätte ich nicht komponieren können. Ich arbeite seit<br />
Monaten an zwei neuen Werken ... aber beide Werke<br />
sind noch nicht fertig und ich arbeite fieberhaft, um<br />
noch wenigstens das letztere Stück unter Dach zu<br />
bringen, bevor das Damokles-Schwert des Zwangsunterrichts<br />
meinen Komponisten-Kopf wieder zerschmettert.»<br />
Fingerspässe In Wirklichkeit lassen sich Unterrichten<br />
und Komponieren bei Veress nicht trennen.<br />
Dies demonstrieren am 2. und 3. März Schüler und<br />
Lehrer der Klavierklassen der Musikschule Konservatorium<br />
Bern in zwei einstündigen Konzerten. Sie<br />
präsentieren einen bunten Strauss an ungarischer<br />
Klaviermusik, hinter dessen Vorbereitung viel Engagement<br />
und Geduld steckt. Dass alle Kultur im<br />
Spiel ihren Ursprung hat, darüber bestand für<br />
Veress kein Zweifel. Aufgrund dieser Überzeugung<br />
schuf er beispielsweise auch die «Fingerlarks», 88<br />
kleine Klavierstücke, in denen aus dem Spiel mit<br />
den Tönen, resp. den Fingern eine eigene Sprache<br />
entsteht. Im Titel «Fingerlarks» steckt ein Wortspiel.<br />
Es bedeutet einerseits Spiele, Spässe oder<br />
Streiche mit den Fingern. «Larks» heisst aber auch<br />
Lerchen. Das Wort «fingerlarks» spielt zugleich auf<br />
die schnellen Schwanzbewegungen der Lerche an,<br />
die diese zum Fliegen braucht wie der Mensch die<br />
Fingerbewegungen zum Klavierspiel, das, wenn es<br />
gekonnt und überlegt ist, manchen Spass bereitet,<br />
das aber, wenn denn die Finger nicht wollen, dem<br />
Spieler oder der Spielerin den einen oder andern<br />
Streich spielen.<br />
Intermezzo II: Tieftraurige Augen Wer einmal<br />
in Veress’ Unterricht gesessen hat, für den oder<br />
die hat sich jene einzig<strong>art</strong>ige Atmosphäre für alle<br />
16<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
Zeiten eingeprägt. Veress war weder ein Mensch<br />
der Kathedershow noch ein multimedialer Entertainer.<br />
Heinz Holliger hat seine Eindrücke treffend<br />
und wohl für alle Schüler gültig formuliert:<br />
«Ohne die tieftraurigen Augen und die schmalen,<br />
manchmal fast sarkastisch zusammengepressten<br />
Lippen von Sándor Veress ist für mich eine ganze<br />
Generation von Schweizer Musikern undenkbar.<br />
Zwar vergrösserte die Wortkargheit von Veress nur<br />
noch die Einsamkeit, die er ausstrahlte, doch das<br />
leise, sparsame, fast monologische Sprechen flösste<br />
neben Ehrfurcht auch grosses Zutrauen ein.»<br />
Roland Moser wiederum hat den engen Zusammenhang<br />
von Unterrichten und Komponieren, von<br />
Volksmusik und Kunstmusik bei Veress aus seiner<br />
Sicht dargestellt: «Für Veress ist die Musik eine<br />
Einheit, Volksmusik und Kunstmusik aller Zeiten<br />
und Länder umfassend. Der Musiker ist dieser Ganzheit<br />
gegenüber verantwortlich. Ein Vergehen an<br />
der Musik’ muss ihn deshalb persönlich treffen. Das<br />
Gefälle zwischen hohem Verantwortungsbewusstsein<br />
und geringen Einflussmöglichkeiten ist sein<br />
grösstes Problem. Für Veress ist das Unterrichten<br />
– und darüber hinaus der pädagogische Auftrag<br />
allgemein – deshalb von so zentraler Bedeutung.<br />
Die Vorstellung, an einem Ganzen zu arbeiten, von<br />
dem immer nur Teile sichtbar und bearbeitbar sind,<br />
hat sich mir in den Stunden mit Sándor Veress tief<br />
eingeprägt. Diesem Ganzen verpflichtet sein heisst<br />
aber nicht, sich mit allem beschäftigen zu müssen.<br />
Es zählt die Intensität, die ganze Hingabe, die Ausdauer,<br />
den als richtig erkannten Weg so weit wie<br />
möglich zu gehen.»<br />
Die Lange Nacht Am Samstag, den 3. März,<br />
laden die Internationale Gesellschaft für Neue<br />
Musik (IGNM) in Bern und das Festival Veress 07<br />
zu einer Langen Nacht in die Grosse Halle der<br />
Hochschule der Künste ein – zu einem Strauss an<br />
Musik, wie ihn Bern nur selten gesehen und gehört<br />
hat. An diesem siebenstündigen Event stehen mit<br />
Veress die Schüler, in erster Linie aber die «Enkelschüler»<br />
im Zentrum. Das Mondrian Ensemble,<br />
ein auf neue und neueste Musik spezialisiertes<br />
Klavierqu<strong>art</strong>ett spielt Uraufführungen von Isabel<br />
Klaus und Wanja Aloe, Werke, die die IGNM für diese<br />
Lange Nacht in Auftrag gegeben hat. Ausserdem<br />
werden Kammermusikwerke von Dieter Amman<br />
und Michel Roth gespielt. Sie alle, Klaus, Aloe, Amman<br />
und Roth sind Schüler von Roland Moser, also<br />
gleichsam «Enkelschüler» des gefeierten Komponisten.<br />
Dass überdies das SWR Vokalensemble<br />
Stuttg<strong>art</strong> unter der Leitung von Michael Alber, einer<br />
der herausragendsten Chöre schlechthin, die in der<br />
Schweiz kaum je gehörten faszinierenden Madrigale<br />
«Songs of the Seasons» von Veress und Teile<br />
aus Holligers «Jahreszeiten» interpretieren, verleiht<br />
dieser «Langen Nacht» eine exquisite Note.<br />
Nicht genug damit, werden dem Publikum, das gegen<br />
Mitternacht vom einzig<strong>art</strong>igen DKMS Donkey<br />
Kong’s Multi Scream X-Large Ensemble mit Free-<br />
Funk unterhalten wird, auch ungarische Spezialitäten<br />
serviert. Wer möchte diese Nacht der Sinne<br />
und Sinnlichkeiten verpassen?<br />
Intermezzo III: Bergs sinnliche Lippen Ort:<br />
Hörsaal des Musikwissenschaftlichen Seminars der<br />
Universität Bern, Zeit: Semesterbeginn um die Mitte<br />
der siebziger Jahre. Veress beginnt seine Vorlesung<br />
über den Komponisten Alban Berg. Er lässt während<br />
Minuten eine Grossprojektion des Portraits des<br />
Komponisten Berg auf die Anwesenden wirken, um<br />
daraufhin Einzelheit um Einzelheit dieses Gesichts<br />
zu analysieren. Insbesondere die sinnlichen Lippen<br />
des Schönberg-Schülers haben es Veress angetan.<br />
Wie kann sich dieser sichtlich sinnliche Mensch<br />
einem rein rationalen Diktat, wie die Zwölftonmethode<br />
seines Lehrers Schönberg, unterwerfen?<br />
Dies ist die zentrale Frage der Vorlesung im Verlauf<br />
der kommenden Wochen. Veress gab sich ebenso<br />
distanziert gegenüber der, wie er sagte «starren,<br />
dem wahren Wesen der Kunst entgegengesetzten<br />
Festbindung» durch das Zwölftonsystem, wie er<br />
gleichzeitig fasziniert war von Berg: «Welche Art<br />
von Kunstwerk der wahre Künstler zustande bringt,<br />
hängt selbstverständlich nicht vom System ab. Wer<br />
sucht die ‹Reihe› bei Alban Berg?»<br />
Wyttenbachs Bescherung Nein, gerade offenkundig<br />
sind die Spuren, die Veress beim Schüler<br />
Jürg Wyttenbach hinterlassen hat, nicht. Aber<br />
Veress hat bekanntlich im Kompositionsunterricht<br />
weder seinen eigenen Stil gelehrt, noch eine auf<br />
ihn zentrierte Schule bilden wollen. Ist es das virtuose<br />
Spiel mit den Elementen der Musik, mit ihren<br />
Gebärden und Spässen, die in Wyttenbachs Musik<br />
an Veress erinnern lassen? Wer komödiantische<br />
Brillanz, szenische Spritzigkeit und geigerisches<br />
Können in ein und demselben Stück erleben will,<br />
besucht am Sonntag, 4. März, die Uraufführung<br />
von Wyttenbachs Geigenkonzert im Konzert des<br />
Berner Kammerorchesters. Was heisst hier Geigenkonzert?<br />
Patricia Kopatchinskaja wird dem<br />
Publikum – musikalisch-szenisch gesprochen – eine<br />
multimediale Bühnenschau präsentieren, agierend,<br />
singend, geigend ... usw. Schon seit Jahren<br />
habe sich Patricia ein Stück von ihm gewünscht,<br />
in dem sie nicht nur ihre famosen Geigenkünste<br />
vorführen, bzw. «spienzle» könne, sondern auch<br />
singen und tanzen dürfe, sagt Wyttenbach. Nun hat<br />
sie die Bescherung! Allein der Titel dieses Stücks,<br />
das viel mehr als bloss ein Violinkonzert sein wird,<br />
« marcia FUN.... konzertante Szenen für Patricia<br />
Kopatchinskaja, Johannes Schlaefli und das Berner<br />
Kammerorchester», verspricht ein vielseitiges<br />
Spektakel. Ganz zu schweigen von den Satztiteln<br />
– oder handelt es sich eher um Regiebemerkungen,<br />
wenn da von Trugsch(l)üssen, Generalpausen,<br />
Schweige-Minuten, Trauermärschen, glücklichen<br />
Zusammenspielen, einem Tango vibratissimo, üblen<br />
Nachspielen oder gar einer t@r@ntell@ die Rede<br />
ist?<br />
Fazit: Das Musikfestival Bern – Veress 07 ist nicht<br />
allein Festival für Neu- und Altgierige, es ist ein Festival<br />
für viele Sinne!<br />
Informationen:<br />
www.musikfestivalbern.ch<br />
STADTLÄUFER<br />
Von Andy Limacher<br />
musik<br />
nr. 28 // baldachin. Als eine der schönsten<br />
Barockkirchen der Schweiz gilt sie, die Heiliggeistkirche,<br />
von den Einheimischen schlicht HG<br />
genannt, was ich nie verstehen konnte, weil die<br />
Abkürzung bei mir eher negative Assoziationen<br />
weckt.<br />
Passenderweise sorgt die HG seit einiger Zeit<br />
für politischen Sprengstoff. Oder besser gesagt:<br />
Der geplante Baldachin tut es. Das Hauptargument<br />
der Kritiker ist, dass die historische Bausubstanz<br />
durch das gläserne Dach nicht mehr<br />
richtig zur Geltung kommen würde.<br />
Dabei ist die Heiliggeistkirche auf dem Bahnhofplatz<br />
heute optisch viel präsenter als früher.<br />
Der Blick vom Hirschengraben her auf die Westfassade<br />
zum Beispiel trat erst richtig in Erscheinung,<br />
als Mitte des 19. Jahrhunderts der Christoffelturm<br />
abgerissen wurde, der das Bild bis anhin<br />
dominiert hatte.<br />
Auch der Umbau des Hauptbahnhofs kam der<br />
Anfang des 18. Jahrhunderts erbauten Kirche zu<br />
Gute. Vor der Neueröffnung im Jahr 2003 gelangte<br />
man durch zwei enge Tunnels ans Tageslicht<br />
– das erste, was auffiel, war die chaotische<br />
Verkehrsführung. Heute hingegen schweift der<br />
Blick dank des grosszügigen Portals, dass die HG<br />
regelrecht einrahmt, hinauf zur Fassade und zum<br />
Glockenturm.<br />
Nun wird also kritisiert, die Aussenansichten<br />
würden durch den gläsernen Baldachin verunstaltet.<br />
Dabei sorgt gerade die Kombination mit<br />
neuer Bausubstanz oft dafür, dass alte Bauten<br />
überhaupt wieder wahrgenommen werden. Will<br />
heissen: Die Heiliggeistkirche wird durch die Neugestaltung<br />
des Bahnhofplatzes zum noch grösseren<br />
Hingucker.<br />
Und zu guter Letzt: So lange der Verkehr auf<br />
dem Bahnhofsplatz nicht beruhigt, vielleicht eingeschränkt<br />
oder sogar verboten wird, brauchen<br />
wir uns um die Fassaden der Gebäude keine Sorgen<br />
zu machen. Wir nehmen sie nämlich kaum<br />
wahr, da wir viel zu beschäftigt sind, nicht als<br />
Verkehrstote zu enden.<br />
www.ensuite.ch<br />
Ein Abo macht Sinn.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 17
veranstaltungen<br />
BÜHNE<br />
wenn die liebe...<br />
Von Lukas Vogelsang - «Du & ich – klipp & unklar» (Bild: zVg.)<br />
■ Vor genau einem Jahr zeigte das Museum für<br />
Kommunikation in Bern eine akkustische Ausstellung<br />
mit vertonten Liebesbriefen aus dem wohl<br />
grössten «Liebesbriefarchiv» mit über 5000 Briefen.<br />
Diese Sammlung stammt von Dr. Eva Lia Wyss<br />
aus Zürich, welche diese einst für eine sprachwissenschaftliche<br />
Untersuchung der Liebeskommunikation<br />
gesammelt hat. Ein aussergewöhnlicher<br />
Fundus, mit dem wir uns noch eine Weile anfreunden<br />
wollen.<br />
In der «La Cappella» wird dazu am 21., 24.<br />
und 25. Februar ein spezieller Auszug dieser Liebesbriefe<br />
auf die Bühne gebracht – in Musik und<br />
Sprache. Unter dem Titel «Du & Ich – klipp und unklar»<br />
haben sich die Bieler Altistin Anne Schmid,<br />
der Berner Schauspieler Stefan Suske, die Oboenspielerin<br />
Katharina Maria Suske, der Cellist M<strong>art</strong>in<br />
Birnstiel und der Lautenspieler Jonathan Rubin zu<br />
diesem eher speziellen Liebescollagenensemble<br />
zusammengefunden.<br />
Im Pressetext steht geschrieben: «Unter die<br />
liebes-, leides- und sehnsuchtstrunkenen Kantaten<br />
von Händel, Scarlatti und Lotti mischt sich unversehens<br />
ein verliebter Briefschreiber unserer Zeit.<br />
Monteverdis ‹Lettera amorosa› oder sein ‹Lamento<br />
d’Arianna› finden ein fieberndes Echo. Als Moz<strong>art</strong><br />
‹Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers<br />
verbrannte› (KV520) erwidert ihr Robert Walser,<br />
indem ‹Der Gute schrieb...› Unmerklich entsteht<br />
so aus den vielfältigen Texten zum immergleichen<br />
Thema ein buntes Wortgewebe. Zwischen der Musik<br />
blitzt ein Text auf, verschwindet wieder, hinterlässt<br />
seine Spur in der Musik, die ihrerseits mäandert<br />
durch das weite Feld zwischen ‹du & ich› – das<br />
Schlachtfeld der Gefühle, wo Amor seine Pfeile<br />
schiesst.»<br />
Wir können uns auf liebesschwangere Abende<br />
freuen. Die Protagonisten auf der Bühne werden<br />
uns zu verführen versuchen – wenn nicht in die<br />
Verliebtheit, so doch in eine skurrile Welt zwischen<br />
liebender Musik und Text, Irritation und Poesie.<br />
Aufführungen:<br />
Mittwoch 21.2., 20:00 h<br />
Samstag 24.2., 20:00 h<br />
Sonntag 25.2., 17:00 h<br />
www.la-cappella.ch<br />
DER FRÜHLING KOMMT<br />
BESTIMMT!<br />
GOLDENE REGELN ZUM LIEBESBRIEF -<br />
ODER DIE KUNST GEFÜHLE ZU ZEIGEN<br />
■ Und so mancher Liebesbrief wird leider nie geschrieben.<br />
Die Sprache des Herzens in Worte zu<br />
fassen ist wesentlich einfacher als man denkt. Perfektion<br />
ist nicht gefragt - allein das Öffnen eines<br />
Briefes löst viele Gefühle aus. Der Inhalt - nun der<br />
kann aus den magischen drei Worten bestehen -<br />
und es wird die gleichen Gefühle auslösen, wie der<br />
schönste Liebesroman.<br />
Einige Tipps (Zusammengestellt aus dem Internet...<br />
man geht mit der Zeit...):<br />
❤ Schreiben Sie immer von Hand, Ihre Schrift<br />
kann jede/jeder lesen, vor allem wenn der Brief<br />
mit Liebe betrachtet wird.<br />
❤ Halten Sie sich nicht lange mit der Anrede auf<br />
- da scheitern schon die meisten Vorhaben - beginnen<br />
Sie mit dem ersten Satz und setzen Sie<br />
die Anrede später ein.<br />
❤ Versuchen Sie nicht die grossen Romantiker<br />
zu imitieren - aber lassen Sie sich auch nicht<br />
davon abhalten, diese schönen Sätze auch in<br />
Ihrem Brief anzuwenden. Es ist alles schon gesagt<br />
worden in den letzten 5000 Jahren - wiederholen<br />
ist erlaubt - aber es muss ehrlich sein<br />
- Wahrheit findet die richtigen Worte!<br />
❤ Schreiben Sie über schöne gemeinsame Momente<br />
- ein Liebesbrief besteht aus tausend<br />
kleinen Bildern und vielen gemeinsamen Erinnerungen.<br />
Worte, die Bilder malen sind Fantasien<br />
der Seele - die Liebe wird Ihre Feder führen.<br />
❤ Schreiben Sie eindringlich - Eindringlichkeit<br />
aber verlangt nach kurzen Sätzen - zu viele<br />
Worte zerstören die Botschaft. Man kann eine<br />
Liebeserklärung auch schriftlich zerreden.<br />
❤ Demut ist ein wichtiges Wort. Geben Sie Ihre<br />
Schwächen zu, beschönigen Sie gar nichts -<br />
sehr wahrscheinlich werden Sie gerade wegen<br />
Ihrer Schwächen geliebt.<br />
❤ ABER: Viele Liebesbriefe sind eigentlich<br />
Schmerzensbriefe - es geht um Abschied, um<br />
verletzt sein - um Trauer. Doch die Vorgaben<br />
bleiben die gleichen - Gefühle, Ehrlichkeit und<br />
Demut - sagen sie deutlich was sie sagen wollen.<br />
Geheimnisvolle Umschreibungen werden<br />
nicht verstanden (weil sie vielleicht gar nicht<br />
verstanden werden wollen....).<br />
❤ Denken Sie daran - das geschriebene Wort<br />
wiegt noch immer schwerer als das Gesagte.<br />
Darum nochmals: es zählen Ehrlichkeit und<br />
Demut.<br />
18<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
musik<br />
MUNDART<br />
glänzendes mattschwarz<br />
Von Till Hillbrecht - Angenehm simpel: Unverschnörkelt spielt Musiker Matt mit der Art des Mundes (Bild: zVg.)<br />
■ Mund<strong>art</strong>musik aus Bern scheint den Eidgenossen<br />
zu liegen. Mund<strong>art</strong>musik aus Bern scheint der<br />
Eidgenosse zu lieben. Die lange Tradition des Berner<br />
Liedermachertums ist eine Erfolgsstory, deren<br />
Wurzeln tief im letzten Jahrhundert liegen. Häufig<br />
sind sichere Werte gesetzt, wenn Bären zum Mikrofon<br />
greifen.<br />
Alles andere als ein sicherer Wert sei er eben,<br />
sagt Musiker Matt über sich selbst. Ein sicherer<br />
Wert hätte einen Vertrag erhalten und einen Vertrieb<br />
für seine Platte, die im März getauft wird,<br />
gefunden. Trotzdem hat der Berner den Weg zu<br />
seinem Erstling gepackt. Ein erstes Werk, eine erste<br />
Matt-Scheibe, nach doch schon langem Musikerdasein:<br />
Matt spielte vor über zehn Jahren während<br />
seiner Schulzeit schon bei «The Others» , «Dearsirs»<br />
und «Lost in Ease», danach waren die Klänge<br />
seiner Gitarre nur noch für die eigenen Ohren bestimmt.<br />
«Zit geit eifach so verbi u i wirde gäng nume<br />
euter» , singt er im ersten Stück seiner CD «Mattschwarz»<br />
zu lockeren, groovenden Gitarrenriffs.<br />
Bevor Matts Zeit einfach so vorbeigeht, erfüllt er<br />
sich nun seinen Traum der eigenen CD. Wie so oft<br />
auch dies entstanden durch einen schönen Zufall:<br />
An einem Familienfest packt Matt wieder einmal<br />
seine Gitarre hervor und performt aus dem Handgelenk<br />
geschüttelt einige Mani-Matter-Stücke. Ein<br />
Verwandter, gerade zurück von seinem Kompositionsstudium<br />
in Liverpool und angetan von Matts<br />
Sound, zieht ihn kurzerhand ins neu aufgebaute<br />
Studio, um eine Scheibe aufzunehmen.<br />
Zwölf Musikfrüchte sind dabei für die Platte<br />
herangereift, einige erfrischend wie Zitrus, andere<br />
süss wie Nektar. Garniert mit ein wenig Chanson<br />
hier, eine Prise Pop da und dann und wann einfach<br />
Matt plus Gitarre. Milde Pianoakkorde und schlichte<br />
Drums füllen die Fruchtsalatschüssel. Grossgezogen,<br />
begossen und gepflegt hat Matt den Soundg<strong>art</strong>en<br />
in Eigenregie und darüber hinaus wird er<br />
auch den Vertrieb sowie die Tourorganisation mit<br />
eigener Hacke und Schaufel kultivieren müssen.<br />
Ob er die Früchte seiner Platte auch gewinnbringend<br />
ernten können wird? Nicht mal so wichtig.<br />
Für Matt. Dass er den Schritt gemacht hat, dass<br />
er ein Album produziert, eine Tour organisiert hat,<br />
das ist wichtig. «Dann habe ich meinen Traum erfüllt»,<br />
sagt Matt, «und entweder entsteht daraus<br />
etwas oder eben nichts. Ich bin realistisch. Aber<br />
ich muss mir mit 60 Jahren nicht vorwerfen, die<br />
Chance nicht gepackt zu haben.»<br />
Ungezwungen und authentisch tönt demnach<br />
auch das Musikpaket «Mattschwarz». Das Album<br />
live und analog eingespielt, kein Effekt noch hier<br />
und da. Puristisch gehalten, lebendig behalten. Lebendig<br />
ruhig. Melancholisch schön, minimalistisch<br />
und hie und da angenehm eingängig.<br />
Mund<strong>art</strong> passt zu Matt, obwohl ihm das Ausdrücken<br />
in seiner Muttersprache oftmals auch<br />
Mühe bereitet. Einen gesunden Respekt vor dem<br />
Berndeutsch habe er, da dabei der Grat zwischen<br />
gradlinigen Aussagen und kitschig seichten Texten<br />
sehr schmal sei. «Aber die Leute erkennen mich<br />
in berndeutschen Songs eher wieder, als wenn ich<br />
auf Englisch singe», meint Matt.<br />
Dass seine Texte oft auch in düsterem Licht<br />
erscheinen und traurige Themen ansprechen, erkennt<br />
Matt meist erst im Nachhinein. Es steckt im<br />
Entstehungsprozess: Matt schreibt zu Zeiten, die<br />
persönlich wenig rosig sind, in denen es ihm weniger<br />
gut geht. Songwriting ist ein Ventil, ein Medium,<br />
um Situationen zu verarbeiten. Was dabei herauskommt,<br />
ist für ihn selbst meist unvorhersehbar<br />
und überraschend.<br />
So hält sich Matt auf seiner CD einmal für ein<br />
«risegrosses Arschloch», dann und wann kommt<br />
ihm alles «zimlech schpanisch vor», aber «meischtens<br />
isch es guet so wies isch», wenn er vor der<br />
Türe hockt und ihm die Sonne ins Gesicht brennt.<br />
zehn Jahre sind seit dem letzten Konzert verstrichen,<br />
zehn Jahre kaum Kontakt in der Musikszene,<br />
zehn Jahre blieben ihm, um seine Songs gedeihen<br />
zu lassen. Jetzt wieder auf die Bühne zu stehen, ist<br />
nicht einfach. Der Plattentaufe am 3. März im ONO<br />
sieht Matt aber zuversichtlich entgegen. Unterstützung<br />
erhält er vom jungen Schlagzeuger Andri<br />
Rothenbühler und dem Kontrabassisten Matthias<br />
Schweizer.<br />
Ein neuer musikalischer Rahmen für die drei<br />
Musiker, aber auch für den Zuhörer. «Mattschwarz»<br />
– ein Album zum Berieseln lassen, um Ruhe in den<br />
Raum strömen zu lassen. Eine Platte, die sich heraushält,<br />
wo sie nichts zu suchen hat. Aber sich wie<br />
Schnee über alles legt, wo es sie hin verschlägt.<br />
Konzertdaten<br />
3. März, 21:00 h ONO, Bern<br />
4. März, 20:00 h Alpenrösli, Thun<br />
7. März, 20:30 h P<strong>art</strong>erre, OPEN MIC, Basel<br />
17. März, 21:00 h H<strong>art</strong>holz, Zürich<br />
22. März, 20:00 h Eisenbeiz im Eisenwerk,<br />
Frauenfeld<br />
19. April, 21:00 h Holästei.BAR, Glarus<br />
5. Mai, 21:00 h Vario Bar, Olten<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 19
Gestaltung: Neidh<strong>art</strong> Grafik, Bern<br />
Donnerstag, 1. Februar<br />
Festivaleröffnung<br />
17.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Roland Moser<br />
Gabriella Marffy<br />
Claudio Veress<br />
Käthi Steuri<br />
Freier Eintritt<br />
Kammerorchesterkonzert I<br />
19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Philippe Bach<br />
Olivier Darbellay<br />
Berner Kammerorchester<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Freitag, 2. Februar<br />
Klavierrezital<br />
19.30 h | Konservatorium, Grosser Saal<br />
Aleksandar Madzar<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Samstag, 3. Februar<br />
Symposion<br />
10.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13d<br />
Grosser Konzertsaal<br />
Freier Eintritt<br />
Chorkonzert<br />
16.00 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13d<br />
Grosser Konzertsaal<br />
Anton Zwolensky<br />
Chor «Canto vivo»<br />
Freier Eintritt<br />
Symphoniekonzert I<br />
19.30 h | Hochschule der Künste Bern HKB,<br />
Papiermühlestrasse 13c<br />
Grosse Halle<br />
Thomas Rösner<br />
Ernesto Molinari<br />
Bieler Symphonieorchester<br />
Vorverkauf: www.bernbillett.ch<br />
Sonntag, 4. Februar<br />
Film<br />
11.00 h | Lichtspiel, Bahnstr. 21<br />
Ein Stück Erde<br />
Freier Eintritt<br />
Musikfestival<br />
zum 100. Geburtstag von<br />
Sándor Veress<br />
1.– 4. Februar 2007<br />
1.– 4. März 2007<br />
3.– 6. Mai 2007<br />
25 Konzerte, Einführungen, Gespräche, Film und Lesung<br />
musikfestivalbern.ch<br />
veress07.ch<br />
Erstmals in einem gemeinsamen Festival:<br />
Aria Qu<strong>art</strong>ett<br />
Berner Kammerorchester<br />
Berner Symphonie-Orchester<br />
Bieler Symphonieorchester<br />
Camerata Bern<br />
Hochschule der Künste Bern<br />
Internationale Gesellschaft<br />
für Neue Musik Bern<br />
Musikschule Konservatorium Bern<br />
Institut für Musikwissenschaft<br />
der Universität Bern<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Amt für Kultur<br />
des Kantons Bern<br />
Medienp<strong>art</strong>ner:<br />
1
ECM listening post<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
musik<br />
POPMUSIK<br />
die kunst der täuschung<br />
Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: Soren Starbird / zVg.)<br />
■ Eine schwül zupfende Gitarre macht den Anfang,<br />
heiser gebrochen kündigt die Stimme einen<br />
«History Song» an, ehe der Bass und das gedimmte<br />
Schlagzeug einsetzen und den Raum mit Dub füllen.<br />
Eine Klavier –Kakofonie verdrängt nachlässige<br />
La-la-la-la-la-la-la-Gesänge, die sinistre Stimmung<br />
erschlägt endgültig den sommerlichen Anfang des<br />
Liedes. Die Welt scheint aus den Fugen zu sein, «if<br />
you don’t know it now, then you will do».<br />
Geschichtsträchtig Geschichte schwingt unmerklich<br />
mit, wenn über das neue Projekt des einstigen<br />
Blur–Chefs und Gorillaz –Kopf Damon Albarn<br />
namens «The Good, The Bad & The Queen» geschrieben<br />
wird. Das Qu<strong>art</strong>ett versammelt nebst Albarn<br />
den Bassisten Paul Simonon von «The Clash»,<br />
den Fela-Kuti-Gefährten Tony Allen am Schlagzeug<br />
sowie Simon Tong (Ex-Verve) an den Gitarren. Die<br />
illustre Gruppe schlägt mit der Besetzung den Bogen<br />
zwischen Punk, Afro-Beat und so genanntem<br />
Britpop, dessen Aufgekratztheit der zu Unrecht als<br />
Schnösel abgestempelte Albarn im sperrigen Spätwerk<br />
von Blur konstant sabotiert hatte. Eine spektakuläre<br />
Supergruppe kündigt sich an, die leicht in<br />
unverbindlichem Allerlei hätte enden können.<br />
Das dem nicht so ist, darf dem Produzenten<br />
Danger Mouse zugeschrieben werden, dem aktuellen<br />
Grossmeister der Genreverwischungen.<br />
Danger Mouse schloss die Raps von Jay-Z mit dem<br />
weissen Album der Beatles kurz, er ist Teil der<br />
letztjährigen Ch<strong>art</strong>stürmer «Gnarls Barkley» und<br />
erschuf mit Albarns C<strong>art</strong>oonband «Gorillaz» einen<br />
<strong>art</strong>ifiziellen, durchaus politisch aufgeladenen Totentanz,<br />
der genialisch zwischen nervösem Club<br />
und jenseitigem Gospel hin und her schlenderte.<br />
Ihm ist es nun gelungen, die so verschiedenen musikalischen<br />
Hintergründe der Mitglieder von «The<br />
Good, The Bad & The Queen» raffiniert zu bündeln,<br />
zu einem anfänglich so gelassenen, fast nonchalanten<br />
Album, das bei wiederholtem Hören immer<br />
dringlicher, schöner und trauriger wird.<br />
Unter der Oberfläche Die zwölf Lieder gestalten<br />
sich ruhig und geschlossen, die reduziert disziplinierten<br />
und dunkel eingefärbten Arrangements<br />
bewegen und öffnen den akustischen Raum für<br />
Paul Simonons Wummer–Bass, für Details wie das<br />
hinterlistige Pfeifen, für schiefe Orgeln, für elektronisches<br />
Knistern und in erster Linie für Damon<br />
Albarns Stimme und Texte. Mit zelebrierter Coolness<br />
richtet der Sänger Sätze wie «I don’t want to<br />
live a war that’s got no end in our time» gegen den<br />
Himmel («Eighties Life»), portraitiert Selbstmörder<br />
(«Herculean») und interpretiert mit «Green<br />
Fields» ein berührendes Lied, das Albarn bereits<br />
Marianne Faithfull zur Verfügung gestellt hatte.<br />
Damon Albarn gebärt sich als stiller, dennoch eindringlicher<br />
Rebell gegen Tony Blairs England und<br />
schafft einen bewegenden Kommentar zur konfliktreichen<br />
Weltsituation. Die Kunst der Täuschung,<br />
sie gelingt durch die ins Jenseitige abzielende, betont<br />
künstliche Musik mit weltenbummlerischem<br />
Einschlag, kombiniert mit politisch les– und global<br />
einsetzbaren, weil metaphernreichen Texten.<br />
Das Ende bleibt offen: Im langsam sich steigernden<br />
Schlussfuror des Titelstückes verschwindet<br />
die Stimme, es dröhnen die Gitarren, zurück<br />
bleibt die düstere Realität. Zurück bleibt auch ein<br />
Werk, das das Spektakel unter die Oberfläche verlegt,<br />
zugleich beruhigend und verstörend wirkt.<br />
The Good, The Bad & The Queen:<br />
The Good, The Bad & The Queen (EMI)<br />
■ «Passing Images» – einen besseren Titel gäbe<br />
es nicht. Fragmente und Eindrücke ziehen an uns<br />
vorüber. Ein Spiel mit der Zeit. Was zum einen in<br />
extremer Langsamkeit und im Klang fast stehenbleibt,<br />
bewegt sich in anderen Momenten in Hast<br />
und Flüchtigkeit davon. Allen voran sticht Maja<br />
Ratkje mit ihrer Stimme heraus. Ein Gnom, eine<br />
Elfe, ein Etwas, Wicht und Wesen – sie plaudiert<br />
und rennt Worte, Geräusche, um im nächsten<br />
Stück in demütigem Schönklang norwegische<br />
Stimmungsbilder zu malen. Begleitet von G<strong>art</strong>h<br />
Knox (spielte Bratsche im Arditti String Qu<strong>art</strong>et)<br />
und vor allem Frode Haltli, Akkordeonist mit jungen<br />
und verspielten Ideen, entstanden zehn sagenhafte<br />
Geschichten. Zum Glück sind die zum<br />
Teil wirr klingenden, geräuschhaften Improvisationen<br />
auf maximal drei Minuten beschränkt.<br />
Es könnte schwierig werden – so jedoch haben<br />
sie eine kurze, intensive und lustige Flucht aus<br />
berauschenden Nordlichtmärchen zur Folge. Wie<br />
Zwischenspiele in einem Film.<br />
Interessant wird es zudem, wenn Arve Henriksen<br />
mit der Trompete sich in die Bilder einmischt.<br />
Das Klangbild öffnet sich in die Breite und es<br />
entstehen sehr spannende Dynamiken. Die Mischung<br />
der vier MusikerInnen ist gewaltig und<br />
man ist gezwungen – mit einem Lächeln – den<br />
Erzählungen zu folgen. Frode Haltli hat schon<br />
verschiedene Preise als Spieler zeitgenössischer<br />
Musik gewonnen. Die meisten Kompositionen auf<br />
dieser CD basieren auf traditionellen norwegischen<br />
Stücken. Doch dies ist nicht einfach zu erkennen.<br />
Federleicht bewegt sich die Gruppe um<br />
die Motive und Themen herum und spielt mit viel<br />
Humor und Beweglichkeit. Besonders interessant<br />
ist «Jag haver ingen kärare», ein repetitiver Aufbau<br />
einer eigentlich verständlichen Geschichte,<br />
die jedoch nie den vorhergesehenen Schritt<br />
macht. Fantasie und Bilderwelt zerbersten fast<br />
beim Zuhören.<br />
Passing Images<br />
Frode Haltli, Akkordeon; Arve Henriksen, Trumpete;<br />
G<strong>art</strong>h Knox, Viola; Maja Solveig Kjelstrup<br />
Ratkje, Stimme.<br />
ECM 1913<br />
www.ecmrecords.com<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 21
cinéma<br />
FILM<br />
kino zwischen kopf und bauch<br />
Von Jean-Luc Froidevaux – Die 42. Solothurner Filmtage (Bild: zVg.)<br />
■ Ich gestehe: Ich war nicht konsequent. An Festivals<br />
bin ich sonst auf der Suche nach kleinen Entdeckungen,<br />
die es schwerlich ins lokale Kino schaffen.<br />
Der Glamour, den Politfunktionäre letztes Jahr<br />
für die Verleihung des Filmpreises gefordert haben,<br />
kann mir gestohlen bleiben. An der Berlinale<br />
w<strong>art</strong>ete ich auch schon mit anderen Journalisten<br />
bis Meryl Streep über den roten Teppich schritt.<br />
Die Medienhysterie schaukelt sich zu einem eigenen<br />
Wertesystem hoch; es geht nur noch drum,<br />
wer jetzt am Buffet bei Claude Chabrol steht. Ich<br />
bin ja zu wenig dogmatisch, um dies nicht auch geniessen<br />
zu können, letztlich aber ist doch die Frage<br />
nach der Qualität der Filme spannender. Solothurn<br />
ist nicht zuletzt auch deswegen so sympathisch,<br />
weil es einem hier passiert, dass sich der Nachbar<br />
in einer Diskussion bei einer Wortmeldung als<br />
«Shootingstar» der Schauspielergilde «outet». Es<br />
kam sogar zu der peinlichen Situation, dass ein<br />
Ansager einen Sponsor des Festivals ankündigte,<br />
obwohl er den – durchaus nicht unbekannten - Autor<br />
des abendfüllenden Spielfilms vor sich hatte.<br />
(Meine volle Sympathie für den Ansager - als ich<br />
Kameramann bei einem Personality-Fernsehen<br />
war, mussten mir die Moderatorinnen jeweils die<br />
Stars zeigen.) Viele Leute gehen Filme schauen,<br />
weil sie halt das Gesicht aus einer Talkshow kennen<br />
und nicht des Themas oder der Mach<strong>art</strong> wegen.<br />
Auch dabei setzte Solothurn mit den diesjährigen<br />
Filmtalk-Runden ein professionelles Gegengewicht<br />
– Profis diskutierten öffentlich über Filme und warum<br />
sie gelungen sind, oder eben weniger.<br />
Das kommerzielle Kalkül Es war auch davon<br />
die Rede, ob es so etwas wie Sicherheit gibt. Geschichten,<br />
Themen die funktionieren? Methoden,<br />
diese zu erfolgreich zu erzählen? Es gibt archetypische<br />
Situationen, die interessieren, Themen, die<br />
dem Zeitgeist entsprechen und seit Aristoteles bewährte<br />
dramaturgische Konzepte. Aber zum Glück:<br />
Kultur ist keine exakte Wissenschaft und auch dort,<br />
wo Film Industrie ist, finanziert ein erfolgreicher<br />
Film bekanntlich neun Flops. Und ob nicht gerade<br />
diese Flops die interessanteren Filme sind? Der<br />
Schweizer Film erreichte 2006 einen unglaublichen<br />
Marktanteil von zehn Prozent – eine Vervierfachung<br />
in nur drei Jahren (wodurch die vielen<br />
erfolgreichen Produktionen sich das Fördergeld<br />
wieder vermehrt teilen müssen). Ob der Schweizer<br />
Film dabei aber auch besser geworden ist? Es ist<br />
eine Freude, zu sehen, dass es durchaus Leute gibt,<br />
die Geschichten erzählen können. Der Preis für das<br />
beste Drehbuch an «Das Fräulein» ist gerechtfertigt,<br />
ebenso derjenige für den besten Dokumentarfilm<br />
(obwohl ich «Someone besides you» auch in<br />
der Auswahl gesehen hätte) - soweit ich das beurteilen<br />
kann. Denn wer zieht sich schon alle 297 gezeigten<br />
Filme rein? Spätestens nach dem zweiten<br />
Festivaltag bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob<br />
meine Begleitung über die Kunst der raschen Entscheidung<br />
philosophiert hat («Hardcore Chambermusic»),<br />
wann ich diese teure Standuhr bei ebay<br />
gesehen habe («Aschenbrüder») oder ob auf der<br />
Rückfahrt wirklich die Ampeln tanzten («Lauschsicht»).<br />
Von Bildern die schmerzen Es liegt wohl an<br />
einer Vorliebe für einfache Geschichten, dass ich<br />
bei «Marmorera» nach anfänglichem Eintauchen<br />
in die spannende Sage des Sees in der zweiten<br />
Hälfe wieder an der Oberfläche herumdümpelte.<br />
Das Überladen mit mythischem Ballast kann, wenn<br />
dieser leer erscheint, einen mit Auftrieb aus der<br />
Geschichte herausziehen, das Austarieren bleibt<br />
schwierig. «Vitus» ist ein gut gemachter Hochglanzprospekt,<br />
lackiert, damit man sich nicht die<br />
Finger schmutzig macht, weil nichts haften bleibt.<br />
Hey, Fredi Murer hat einmal «Höhenfeuer» gedreht!<br />
Auch wenn Männer wieder einmal so gezeigt<br />
werden, als wüssten sie ausserhalb ihrer Karriere<br />
nichts mit sich anzufangen, ist «Das wahre Leben»<br />
schon der Dialoge wegen sehenswert. «Schwarze<br />
Schafe» wäre ich des reisserischen Plakats mit drei<br />
nackten Männern auf einem Floss wegen gerade<br />
nicht sehen gegangen, bin aber froh, dass ich mitgeschleppt<br />
wurde, der Film setzt immer noch einen<br />
drauf, wenn die Situation eh schon an der Grenze<br />
ist - mich schmerzt noch immer die Hand. Bei<br />
physischen Szenen spüre ich einen Simulacrum-<br />
Schmerz, der aber für sich allein einen Film nicht<br />
trägt («Coupé court») und langweilt. Vielleicht hat<br />
es damit zu tun, dass gute Filme zwischen Kopf<br />
und Bauch oszillieren. In der Nähe des Herzen.<br />
Die 43. Solothurner Filmtage haben vom 21. bis<br />
27. Januar 2008 stattgefunden.<br />
22<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
FILM-TIPP<br />
cinéma<br />
FILM<br />
el custodio<br />
Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />
■ Er folgt ihm auf Schritt und Tritt, dicht auf den<br />
Fersen, aufmerksam und wortlos. Rubén ist Leibwächter<br />
eines wichtigen Ministers und lebt in seinem<br />
Schatten. Sein trostloses und leeres Leben<br />
besteht aus W<strong>art</strong>en, Bewachen und vor allem darin,<br />
seine eigenen Bedürfnisse einzuschränken.<br />
Dem jungen argentinischen Regisseur Rodrigo<br />
Moreno ist mit seinem ersten Langspielfilm «El<br />
Custodio» ein in unterkühlten Blautönen gehaltenes,<br />
formal strenges Werk gelungen, das fast<br />
ohne Dialoge und Musik auskommt. Als Zuschauer<br />
sehen wir den Film aus der Perspektive des Leibwächters.<br />
Die distanzierte Kamera hält sich oft<br />
im Rücken der Figuren auf, folgt ihnen auf den<br />
Gängen durch die langen Korridore unterwegs zu<br />
wichtigen Meetings oder zum Flughafen. Der Leibwächter<br />
bleibt immer im Hintergrund, vor der Türe<br />
draussen und wir mit ihm.<br />
Der Schauspieler Julio Chavez als Rubén, verkörpert,<br />
ohne Gefühlregungen, einen korrekten,<br />
untertänigen Mann, der eigentlich gar keine Persönlichkeit<br />
haben darf. Er spricht kaum und weiss<br />
doch so vieles - Privates und Geschäftliches über<br />
den Mann, den er bewachen muss - darüber sprechen<br />
darf er mit niemandem, Rubén schweigt.<br />
Wenn er alleine ist und ein lautes Geräusch erklingt,<br />
etwa der Mixer am Morgen oder das Blubbern<br />
des Wassertankes, aus dem er sich einen Becher<br />
Wasser herauslässt, erschrickt man beinahe<br />
darüber, dass dieser stille Mann imstande ist, so<br />
viel Lärm zu produzieren.<br />
Eine einzige persönliche Eigenschaft lernen wir<br />
doch noch kennen: Rubén ist ein begabter Porträt-<br />
Zeichner, ein Talent, für das er als Beobachter, als<br />
ewig Aussenstehender prädestiniert ist. Einmal<br />
bittet ihn sein Vorgesetzter, einen Geschäftsfreund<br />
zu porträtieren; grandios spielt Chavez dieses Hinund-her-gerissen-Sein<br />
zwischen Professionalität<br />
und Freude über das Lob, das er für seine Zeichnung<br />
bekommt.<br />
Das überraschende Ende ist eine stille Rache,<br />
eine Abrechnung, wie man sie unaufgeregter nicht<br />
darstellen könnte und genau deshalb wirkt sie so<br />
stark.<br />
«El Custodio» ist ein originelles, verstörendes<br />
Erstlingswerk. Rodrigo schafft es, dass man sich<br />
als Zuschauer mit einem Mann identifiziert, der<br />
keine Charaktereigenschaften hat, der ein Phantom<br />
bleibt.<br />
Eine neue Kinodimension «El Custodio» wird<br />
von «Trigon-Film» in die Schweizer Kinos gebracht.<br />
«Trigon-Film» ist eine Ausnahmeerscheinung<br />
unter den Schweizer Filmverleihern. Der vor 18<br />
Jahren von Walter Ruggle gegründete Filmverleih<br />
hat sich ganz auf Filme aus dem Süden und Osten<br />
spezialisiert und überrascht immer wieder mit<br />
ungewöhnlichen, wenn auch nicht immer einfach<br />
zugänglichen Filmen aus Afrika, Asien und Lateinamerika.<br />
Viermal jährlich erscheint ausserdem das<br />
«Trigon-Magazin» mit ausführlichen Hintergrundberichten<br />
zu einzelnen Filmen.<br />
In ihrem Profil ist zu lesen, was «Trigon-Film»<br />
mit der Distribution ihrer Filme bewirken möchte:<br />
«Film ist das ideale Mittel, Völker, Kulturen und Lebensformen<br />
in spannender und umfassender Weise<br />
einander näherzubringen. Trigon-Film bringt<br />
neue Bilder und andere Geschichten: Trigon-Film<br />
steht für die neue Kinodimension. Damit vermittelt<br />
Trigon-Film Begegnungen, die unserer Unwissenheit<br />
entgegenwirken und Vorurteile gegenüber<br />
Ländern abbauen, in denen mehr als vier Fünftel<br />
der gesamten Menschheit leben.»<br />
«El Custodio» st<strong>art</strong>et am 1. März<br />
Kommende Trigon-Filme:<br />
«Umoregi – la fôret oubliée» (Japan)<br />
«Congo River» (Kongo)<br />
www.trigon-film.org<br />
Von Sarah Stähli<br />
■ Das Essentielle ist in «The Secret Life of Words»<br />
zwischen den Zeilen zu suchen. Einige Figuren<br />
sprechen zu wenig, andere zu viel, und alle sagen<br />
meist nicht das, was sie eigentlich sagen möchten.<br />
Hanna (Sarah Polley) lebt in ihrer eigenen Welt.<br />
Will sie etwas nicht hören, schaltet sie einfach ihr<br />
Hörgerät aus. Sie ist unnahbar und abweisend und<br />
so rätselhaft, dass man alles dafür geben würde,<br />
um hinter ihr Geheimnis zu kommen.<br />
Auf einer Ölbohrinsel hat sich ein Unfall ereignet.<br />
Dort soll Hanna einen Arbeiter mit schweren<br />
Brandwunden pflegen. Josef (Tim Robbins) redet<br />
ununterbrochen und versucht, mit zynischen Bemerkungen<br />
seine Verletzlichkeit zu übertönen.<br />
Hanna überhört Josefs anzügliche, provokative<br />
Sticheleien gezielt. Abend für Abend lauscht sie<br />
der Nachricht von Josefs Geliebter, die auf seinem<br />
Telefonbeantworter gespeichert geblieben ist, als<br />
höre sie zum ersten Mal Worte der Liebe. In Josefs<br />
Anwesenheit lächelt Hanna zum ersten Mal.<br />
Nach und nach entwickelt sich zwischen den beiden,<br />
die sich gezwungenermassen körperlich sehr<br />
nahe kommen, eine trotzige Annäherung, aus der<br />
schliesslich Liebe wird.<br />
Die Ästhetik des Filmes, die von den dichten,<br />
atmosphärischen Bildern und der sphärischen<br />
Tonspur bestimmt wird – die auch Hannas Art zu<br />
hören reflektiert – scheint das Poetische im Alltäglichen<br />
zu suchen. In einer Einstellung versucht<br />
ein Besatzungsmitglied auf der verlassenen Plattform<br />
im Regen einen Ball in einem zerschlissenen<br />
Korb zu versenken, als einzigen Zuschauer hat er<br />
eine verirrte Gans, die immer wieder wie ein Geist<br />
auftaucht. Die Szene wirkt in «The Secret Life<br />
of Words» nicht etwa trostlos, sondern wie eine<br />
melancholische Momentaufnahme von einem anderen<br />
Stern. Diese Bildsprache erzeugt teils eine<br />
traum<strong>art</strong>ige Atmosphäre, in der man sich gerne<br />
verliert, teils wirkt sie aber einfach nur gekünstelt,<br />
vor allem im Kontrast zu den tief bewegenden intimen<br />
Sequenzen zwischen Hanna und Josef, die<br />
sich ganz auf den zwischenmenschlichen Zauber<br />
konzentrieren und visuelle Spielereien nicht nötig<br />
haben.<br />
Das Kino Kunstmuseum zeigt unter dem Titel<br />
«FilmemacherInnen heute» eine Werkschau<br />
der spanischen Regisseurin Isabel Coixet.<br />
«The Secret Life of Words» 24.2. um 18:30 h /<br />
25.2. um 13:30 h / 26.2. um 21:00 h<br />
«Things I Never Told You» (18./27.2.)<br />
«My Life Without Me» (24./25./26.2)<br />
«Paris je t‘aime» (18./25./27.2.)<br />
Kino Kunstmuseum, Hodlerstrasse 8, Bern<br />
www.kinokunstmuseum.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 23
cinéma<br />
FILM<br />
das kurze leben des josé antonio gutierrez<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Der Schweizer Filmpreis für den besten Dokumentarfilm<br />
2007 wurde im Januar in Solothurn an<br />
den Dokumentarfilm «Das kurze Leben des José<br />
Antonio Gutierrez» von Heidi Specogna verliehen.<br />
Der Film erzählt, wie ein ehemaliges Strassenkind<br />
aus Guatemala zu der zwiespältigen Berühmtheit<br />
gelangte, der erste gefallene US-Soldat im Irakkrieg<br />
von 2003 zu sein. «Zu Beginn meiner Recherche<br />
hielt ich zwei Fotos in der Hand», sagt die<br />
Regisseurin Specogna, die unter anderen die Dokumentarfilme<br />
«Tupamaros» und «Zeit der roten<br />
Nelken» geschaffen hat. «Auf dem einen trägt José<br />
Antonio Gutierrez die Uniform der US-Marines, es<br />
wurde kurz vor seinem Tod aufgenommen. Das andere<br />
zeigt ein Kinderporträt in schwarzweiss, vom<br />
Tag seiner Aufnahme im Waisenhaus in Guatemala<br />
- zur Zeit des Bürgerkrieges.»<br />
Es war die Geschichte zwischen diesen beiden<br />
Momentaufnahmen, die Specogna interessiert hat.<br />
Mit Interviews jener Menschen, die auf verschiedene<br />
Weise Einfluss auf Gutierrez’ Leben hatten<br />
oder davon berührt wurden, zeichnet die Regisseurin<br />
nicht nur ein immer dichter werdendes<br />
Einzelporträt, sondern gleichzeitig ein weitreichendes<br />
Bild der gesellschaftlichen Situation in<br />
Mittelamerika. Die schlechte wirtschaftliche Lage<br />
in ihren Ländern treibt jedes Jahr Zehntausende<br />
Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und sich<br />
auf die gefährliche Reise in den Norden zu machen.<br />
Mit einem instinktiven Gespür für den Wechsel<br />
zwischen Emotionen und Fakten, zwischen Nachhallen<br />
lassen und dichter Erzählkunst, gelingt es<br />
Specogna, die Wesenszüge von Gutierrez auferstehen<br />
zu lassen. Ihr respektvoller Umgang mit den<br />
intensiven Gefühlen, der Erinnerung, der Trauer,<br />
aber auch der skandalösen Tragik der Geschichte<br />
jener Menschen, die in Gutierrez’ Fussstapfen getreten<br />
sind und es noch immer tun, öffnen ein<br />
Spektrum, in dem Weltpolitik plötzlich ihre Abstraktion<br />
verliert und sich im Gesicht realer Menschen<br />
spiegelt.<br />
«Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez»<br />
ist aber auch ein Film, bei dem handwerklich<br />
alles stimmt. Die Bilder sind niemals reisserisch,<br />
und wenn die Kamera ganz nah bei den Menschen<br />
bleibt, wenn sie von ihren Erinnerungen überwältigt<br />
werden, so entsteht trotzdem nie der Eindruck des<br />
Voyeurismus, sondern mehr des Mitgefühls und<br />
der Betroffenheit, als wenn man Gutierrez selbst<br />
gekannt hätte. Die Erzähldramaturgie ist vom ersten<br />
bis zum letzten Moment stimmig und doch<br />
abwechslungsreich, man spürt den Erfahrungsmix<br />
zwischen Filmemachen und Journalismus. Dem<br />
Bildschnitt gelingt mühelos der Wechsel zwischen<br />
der Vergangenheit und Gegenw<strong>art</strong>, aber auch<br />
zwischen den Gegensätzen von Guatemala und<br />
den USA. Die Musik untermalt die emotionale Befindlichkeit<br />
ohne störenden oder gar wertenden<br />
Pathos und wird durch die drei Sprecher und Sprecherinnen<br />
Eva Mattes, Alexander Radszun und Peter<br />
Flechtner harmonisch ergänzt.<br />
Freunde, Verwandte, Betreuer und Kameraden<br />
erinnern sich nicht nur eindringlich an Geschichten,<br />
Anekdoten oder Charakterzüge von Gutierrez,<br />
sondern auch an die Umstände seiner Migration<br />
in die USA. Die Kamera folgt Gutierrez’ Route von<br />
Guatemala durch Mexiko, springt mit auf die endlosen<br />
Güterzüge, die jeden Tag Tausende Migranten<br />
illegal an die US-Grenze oder in den Rollstuhl<br />
bringen, wenn sie stattdessen unter die Zugräder<br />
geraten. Der Film besucht aber auch jene Herberge<br />
im südmexikanischen Chiapas, wo die Migranten<br />
und Migrantinnen noch einmal verschnaufen und<br />
neuen Mut für die letzte Reiseetappe fassen können.<br />
In der Begründung der Jury der Solothurner<br />
Filmtage heisst es, dass Specogna in «Das kurze<br />
Leben des José Antonio Gutierrez» ein «Einzelschicksal<br />
erzählt und es doch schafft, die Figur<br />
der im Irak gefallenen Soldaten in einen grösseren<br />
gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Zusammenhang<br />
zu stellen». Insofern ist Gutierrez’<br />
Schicksal symptomatisch für viele Menschen aus<br />
Süd- und Zentralamerika, und doch bleibt seine individuelle<br />
Geschichte und sein ganz eigener Charakter<br />
stets surreal präsent.<br />
Erst beim dritten Anlauf gelang Gutierrez die<br />
Einreise in die USA, wo er eine weitere, jahrelange<br />
Odyssee durch Pflegefamilien und Institutionen<br />
antrat. Um seinen Traum eines Architekturstudiums<br />
verwirklichen zu können, trat Gutierrez – zum<br />
Unverständnis vieler, die ihn kannten - in die US-<br />
Armee ein und wurde ein sogenannter Greencard-<br />
Soldat. Damit hoffte er, seine Chancen auf eine<br />
Einbürgerung zu verbessern.<br />
José Antonio Gutierrez starb bereits am ersten<br />
Tag der US-Invasion im Irak, vermutlich durch die<br />
verirrte Kugel eines Kollegen. Für kurze Zeit feierten<br />
die Medien Gutierrez als Helden und die USA<br />
gewährte ihm ein Staatsbegräbnis. Gerade deswegen<br />
ist es wohl der Gipfel eines als Heldentum verbrämten<br />
Zynismus, dass ihm die US-Staatsbürgerschaft<br />
posthum verliehen wurde.<br />
Der Film dauert 94 Minuten und ist seit dem 25.<br />
Januar in den Kinos.<br />
24<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
cinéma<br />
TRATSCHUNDLABER<br />
Von Sonja Wenger<br />
FILM<br />
look both ways<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Es gibt sie immer wieder, jene Filmperlen, die<br />
auf den ersten Blick bieder und undramatisch<br />
wirken, nur um dann ein Feuer der Gefühle beim<br />
Publikum auslösen. «Look Both Ways», der erste<br />
Langspielfilm der australischen Regisseurin, Drehbuchautorin<br />
und Animatorin Sarah Watt, ist ein<br />
solches Kleinod. Er ist ein dezentes Meisterwerk<br />
mit einer gescheiten Geschichte und einer mutigen<br />
Bildersprache, mit intelligentem Humor und einer<br />
grandios lebensbejahenden Kernaussage, paradoxerweise,<br />
oder gerade weil all dies in ein Geflecht<br />
aus Krankheit, Trauer und Tod eingebetet ist.<br />
Man könnte wirklich meinen, dass der Tod überall<br />
lauert - zumindest in der Phantasie von Meryl.<br />
Vielleicht liegt es daran, dass sie gerade von der<br />
Beerdigung ihres Vaters zurückkehrt. Sie weiss<br />
noch nicht, wie sie mit dem Verlust umgehen soll<br />
und ist mit ihren Gedanken mehr bei einem überfälligen<br />
Illustrationsauftrag als bei sich selbst. Ihre<br />
Erlebnisse und Sorgen übersetzen sich beinahe sofort<br />
in Malerei: Sei es die Angst, überfallen oder von<br />
einem Zug überfahren zu werden, sei es, dass sich<br />
die ganze Welt gegen sie verschworen zu haben<br />
scheint. Doch dann stirbt tatsächlich jemand an<br />
diesem Freitag vor Meryls Augen. Ein junger Mann<br />
wird von einem Zug überfahren. Die Polizei kommt,<br />
die Lokalpresse sucht nach einer Geschichte, und<br />
plötzlich sind die Schicksale aller Betroffenen und<br />
Zeugen an diesem heissen Wochenende auf seltsame<br />
Weise miteinander verflochten. Die einen<br />
scheinen den Tod zu suchen, die anderen ihm auszuweichen<br />
oder ihn gar verdrängen zu wollen.<br />
Behutsam nimmt die Regisseurin das Publikum<br />
an der Hand und lässt ein ganzes Sammelsurium<br />
aus Geschichten und Informationen sich mal langsam,<br />
mal schock<strong>art</strong>ig entfalten. Watt arbeitet mit<br />
einer eindringlichen Kombination aus brutal geschnitten<br />
Bildern und komödiantischen Elementen.<br />
Immer wieder bricht sie die Erzählung, wirft<br />
dem Publikum unverdauliche Informationsbrocken<br />
förmlich vor die Füsse, versöhnt es dann aber<br />
auch gleich wieder mit überraschenden Wendungen.<br />
Den Stilwechsel zwischen Realfilm, Animation<br />
oder Photocollagen beherrscht sie souverän, und<br />
immer erlaubt sie den Schauspielern, sich selbst<br />
und den Charakteren Zeit zu lassen und in ihrem<br />
Spiel aufzublühen.<br />
«Look Both Ways» steht auf den typischen gelben<br />
Schildern in Australien, die einen vor Gefahren<br />
wie Haien, Kängurus auf der Strasse oder eben<br />
Zügen, die von links kommen, warnen sollen. Sich<br />
nach beiden Seiten umzusehen, kann aber auch<br />
bedeuten, dass in diesem Film, so wie im Leben,<br />
das Tragische und das Komische eng beieinander<br />
liegen. Nur sieht man es oft nicht, wenn man<br />
immer in die gleiche Richtung blickt. «Look Both<br />
Ways» vermittelt keine Kinogeborgenheit, weil die<br />
Regisseurin nicht nur das grosse Ganze raffiniert<br />
darstellt, sondern auch einen scharfen Blick für<br />
das Tragische und Absurde des Alltags und des Gewöhnlichen<br />
hat. Gleichzeitig sucht sie inhaltliche<br />
und formale Grenzen und fordert diese mit sympathischer<br />
Kaltschnäuzigkeit heraus. Eine gute<br />
Dosis australischen Humors tut das Seine, «Look<br />
Both Ways» mit all seinen schwermütigen Themen<br />
niemals düster wirken zu lassen. Es ist immer eine<br />
Freude, ins Kino gehen zu dürfen, aber es ist ein<br />
besonders inspirierendes Vergnügen, sich dabei<br />
einen Film wie «Look Both Ways» anzusehen.<br />
Der Film dauert 100 Minuten und ist seit dem 18.<br />
Januar im Kino.<br />
■ Prinzessin Caroline von Monaco wird fünfzig<br />
und die «Schweizer Illustrierte» nennt sie in Ermangelung<br />
einer wohlwollenderen Formulierung<br />
die «meistbeachtetste Frau Europas». Tja, so ist<br />
es nun mal, wenn man sich mit dem Medien anlegt<br />
und ihnen mit einem «Caroline-Urteil» alles<br />
verbieten will. Da verscherzt man sich schon mal<br />
für immer die Sympathien der Klatschpresse.<br />
Um das mediale Befinden wieder einzurenken,<br />
hat sich stattdessen die britische und indische<br />
Presse in den letzten Wochen mächtig ins Zeug<br />
gelegt und die Briten als «ignorante und stupide<br />
Rassisten» gebrandmarkt. So zumindest die Medienhysterie<br />
um die Bollywood-Schauspielerin<br />
Shilpa Shetty und ihren Auftritt beim britischen<br />
Big-Brother, der durch - eieieiaberauch - «rassistische»<br />
Bemerkungen einer Konkurrentin unter<br />
der Käseglocke vergällt wurde. Und plötzlich<br />
ging es um Indiens Selbstwertgefühl und nicht<br />
mehr um idiotische Kleingeister, die sich gegen<br />
Entgelt verpflichten, in einer WG allerlei Sinnloses<br />
von sich zu geben.<br />
Nun denn. Immerhin ist noch Verlass auf meinen<br />
Lieblinskratzbaum. So wurde Paris Hilton<br />
in Kalifornien wegen Trunkenheit am Steuer zu<br />
einer Geldbusse und einer dreijährigen Bewährungsstrafe<br />
verurteilt. Eine Reduktion der Bewährungsstrafe<br />
um ein Jahr lehnte sie ab, denn<br />
dafür hätte sie vierzig Sozialstunden leisten<br />
müssen - igitt! Vielleicht sogar noch auf einem<br />
nicht-pinkfarbenen Bauernhof! Kluges Mädchen.<br />
Gerade in Paris’ Welt sollte man nie vergessen,<br />
wo die Geschmacksgrenzen liegen.<br />
Andere vergessen das leider immer wieder.<br />
Jüngstes Beispiel ist das «Schlank & Krank»-<br />
Dossier der «annabelle». In ernstem Ton weist<br />
es nicht nur auf die gesundheitlichen Gefahren<br />
des Dürrheitswahns hin, sondern erzählt gleichzeitig<br />
mit detaillierten Bildern, dass in Hollywood<br />
nun das Motto gilt: Je dürrer, desto mehr Gage.<br />
Und zwar nicht, weil man so viel vom Nicht-Essen<br />
sp<strong>art</strong>. Doch leider, leider geht’s auch hier nicht<br />
ohne die seit Jahrzehnten gepflegte Schizophrenie<br />
der Frauenzeitschriften, die gleichzeitig forcieren,<br />
was sie dann kurieren wollen. Gleich nach<br />
dem Dossiers gibt es Seite um Seite Modestrecken<br />
und Werbebilder von – richtig - dürren Models.<br />
Aber hui! Jetzt wird’s richtig gefährlich! In<br />
dem Dossier wird auch das O-Ton-«Blick»-Klapper-Meitili<br />
Keira Knightly gezeigt, und sie will nun<br />
all jene Medien vor Gericht zerren, die behaupten,<br />
sie leide unter Essstörungen. Allerdings darf<br />
man ruhig fragen, mit welchen Kräften sie zerren<br />
will?<br />
www.ensuite.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 25
das andere kino<br />
www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />
■ Robert Altman Als Robert Altman im letzten<br />
November 81-jährig starb, verlor die Filmwelt einen<br />
ihrer gross<strong>art</strong>igsten Satiriker. Als Hommage<br />
an den grossen Regisseur zeigen wir u. a. die Antikriegssatire<br />
M.A.S.H., Nashville, das ätzende<br />
Porträt der Country-Hochburg, das stilistische<br />
Meisterwerk Short Cuts oder die Abrechnung mit<br />
Hollywood in The Player.<br />
Terry Gilliam - Monty Python Selten ist ein<br />
Filmemacher gross<strong>art</strong>iger gescheitert: Als Terry<br />
Gilliam 1999 The Man who Killed Don Quixote<br />
drehen wollte, schien es das Schicksal mehr als<br />
schlecht mit ihm zu meinen - ein Unwetter und das<br />
Rückenleiden des Hauptdarstellers waren nur zwei<br />
von vielen Hindernissen für das millionenteure<br />
Unterfangen. Dieses grandiose Scheitern ist dokumentiert<br />
im Film Lost in La Mancha. Dass Gilliam<br />
jedoch nicht nur ein Pechvogel ist, beweisen etwa<br />
die halluzinatorisch-visionären Filme Brazil oder<br />
Twelve Monkeys oder die Monty-Python-Streifen<br />
The Meaning of Life und The Holy Grail.<br />
Audrey Hepburn Vor Kurzem wurde ihr kleines<br />
Schwarzes für 600‘000 Euro versteigert - die zierliche<br />
Audrey Hepburn bleibt allerdings nicht nur<br />
als Modeikone, sondern auch als Schauspielerin<br />
im Gedächtnis: Schon für einen ihrer ersten Filme,<br />
Roman Holiday, erhielt sie einen Oscar. Bitte beachten<br />
Sie: Die Filme der kleinen Retrospektive,<br />
darunter natürlich auch Breakfast at Tiffany’s,<br />
werden jeweils am Sonntag Vorabend gezeigt.<br />
Der Musikfilmzyklus Song & Dance Men präsentiert<br />
sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />
undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Namhafte<br />
Musikjournalisten führen die in der Schweiz<br />
kaum je gezeigten Filme ein. Im Februar zeigen wir<br />
24 Hour P<strong>art</strong>y People von Michael Winterbottom.<br />
Als Einführung liest Christian Gasser aus seinem<br />
Buch Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-<br />
Besessenen.<br />
Mit dem Film Une Liaison Pornographique<br />
von Frédérique Fonteyne und einem cinérotischen<br />
Menu möchten wir Ihnen am Valentinstag ein romantisches<br />
Tête-à-tête ermöglichen.<br />
Am 23. Februar taufen Tomazobi in der Cinématte<br />
ihr neues Live-Album! Mit Welturaufführung<br />
Häscherfilm Vol. II und vielen Gästen.<br />
■ DER FREIE WILLE (Von Matthias Glasner,<br />
Deutschland 2006, 163’, Deutsch, Spielfilm) Theo,<br />
ein Vergewaltiger, kommt nach 9 Jahren aus dem<br />
Massregelvollzug. Seine Angst vor Frauen und die<br />
damit verbundene unerfüllte Sehnsucht machen<br />
sein Leben in der Normalität zu einem M<strong>art</strong>yrium.<br />
Nettie schafft es mit 27 Jahren endlich, sich von<br />
ihrem Vater zu lösen, der sie ihr ganzes Leben<br />
lang psychisch missbraucht hat. Theo und Nettie<br />
begegnen sich. Als sie anfangen, sich zu lieben, beginnt<br />
ihre gemeinsame Reise an die Grenzen des<br />
freien Willens.<br />
Matthias Glasner zum Film: «Der Film erzählt<br />
von Dingen, die wir als monströs oder ab<strong>art</strong>ig<br />
empfinden. Wir haben chronologisch gedreht und<br />
als ich selbst durch die Kamera dabei zusah, was<br />
Theo der Frau in der Anfangssequenz antut, hatte<br />
ich Zweifel, ob ich das bis zum Ende durchhalten<br />
würde. Aber ich hatte mir vorgenommen, einen<br />
z<strong>art</strong>en Film über den Terror der Einsamkeit zu drehen.<br />
Und so habe ich, egal was passiert - ob grausam<br />
oder vorsichtig hoffnungsvoll - alles mit der<br />
gleichen Anteilnahme mit meiner Kamera begleitet.<br />
Der freie Wille ist kein Film ‘über’ ein Thema,<br />
in diesem Fall vielleicht physische und psychische<br />
Vergewaltigung. Es ist kein ‘Problemfilm’. Sondern<br />
eine Art Trip, bei dem wir mit zwei Menschen bis<br />
zum konsequenten Ende mitgehen. Im Guten wie<br />
im Bösen.» (Im Februar)<br />
NAUSICAÄ FROM THE VALLEY FROM THE<br />
WIND (Von Hayao Miyazaki, Japan 1984, 116’, Japanisch/d/f,<br />
Animé) Nach einem verheerenden<br />
Krieg, den sieben Tagen des Feuers, hat sich die<br />
Erde in ein verwüstetes Ödland verwandelt. Doch<br />
eine Bastion konnte bislang der ApokaIypse trotzen:<br />
das Tal der Winde. Dort lebt Nausicaä, eine<br />
junge mutige Prinzessin mit ihrem Volk. Sie steht<br />
in harmonischem DiaIog mit Flora und Fauna. Als<br />
das Tal der Winde von einer fremden Macht angegriffen<br />
wird, die das fruchtbare Land unterwerfen<br />
wiIl, ist Nausicaä die Ietzte Hoffnung. Verzweifelt<br />
tritt sie mit alIen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln<br />
für den Frieden ein - und wird so zur Botschafterin<br />
einer uralten Prophezeiung... (Im Februar)<br />
■ THEATER UND FILM: Robert Wilson Seine<br />
Bühnenproduktionen gelten als revolutionär, doch<br />
die Person hinter den Kulissen ist bis heute ein<br />
Rätsel geblieben: Robert Wilson, einer der kontroversesten,<br />
innovativsten und rätselhaftesten<br />
Künstler unserer Zeit. Fünf Jahre lang hat die<br />
Filmemacherin Katharina Otto den Theatermann<br />
mit der Kamera begleitet. Neben Wilson selbst<br />
kommen auch zahlreiche Zeitzeugen, Kollegen<br />
und Weggefährten zu Wort: David Byrne, Susan<br />
Sontag, Philip Glass, Jessye Norman oder der ehemalige<br />
Intendant der Pariser Oper, Charles Fabius.<br />
Absolute Wilson (Regie: Katharina Otto, D 2006,<br />
105 Minuten, E/d). 3. bis 25. Februar<br />
FILMEMACHERINNEN HEUTE: Isabel Coixet<br />
Ihr Spiefilmdebüt gab die Katalanin 1988. Mit<br />
My Life Without Me (2003) und The Secret Life<br />
of Words (2005) – beide von Pedro Almodóvars<br />
Produktionsfirma El Deseo produziert – landete<br />
Isabel Coixet die ersten grossen Publikumserfolge<br />
und wurde mit Preisen geradezu überhäuft. 2000<br />
gründete Isabel Coixet die Produktionsfirma Miss<br />
Wasabi Films, die bis heute zahlreiche Dokumentationen<br />
und Musikclips herstellte. Zweifelsohne ist<br />
die Coixet bezüglich ihrer schöpferischen Leistungen<br />
ein absolutes Ausnahmetalent, das zudem den<br />
Spagat zwischen Kunst und Kommerz spielend zu<br />
schaffen scheint. Als Autorenfilmerin wird sie für<br />
ihre berührenden Geschichten von der internationalen<br />
Filmkritik abgefeiert, als Werbefilmerin<br />
realisiert sie mit einem bemerkenswerten Output<br />
Spots für Weltkonzerne wie Danone, BMW, Ikea,<br />
Renault, Pepsi oder Kellogg. Ein kleine Kostprobe<br />
ihres Könnens gab es zuletzt im Film Paris je<br />
t‘aime zu sehen, für den sie das Segment Bastille<br />
realisierte. 18. bis 27. Februar<br />
JOHN HOUSTON – Hommage zum 100. Geburtstag<br />
Er zählt zu den Grossen des amerikanischen<br />
Kinos. Unsere Geburtstags-Hommage zeigt<br />
im Februar The Asphalt Jungle, The Misfits, Reflections<br />
in a Golden Eye und The Dead. Bis 20.<br />
Februar<br />
26<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
KI O<br />
i n d e r R e i t s c h u l e<br />
N<br />
Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />
LICHTSPIEL<br />
www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasqu<strong>art</strong>.ch / Telefon 032 322 71 01<br />
■ Feine Entdeckungen Es ist den vielen kleinen<br />
Schweizer Filmclubs und Cinélibre der Dachorganisation<br />
der Schweizer Filmclubs zu verdanken, dass<br />
hochgelobte und preisgekrönte Festivalfilme doch<br />
noch ins Kino finden. Im Februar hat das Kino in<br />
der Reitschule gleich vier wertvolle Filme für ein<br />
Publikum entdeckt, das sich innovativen und unkonventionellen<br />
Themen und Filmformen erfreuen<br />
will. Es sind dies Filme die dem inhaltlichen und<br />
formalen Filmverständnis unseres Kinos und unserer<br />
politischen Realität entsprechen.<br />
Tony Takitani, ein auf internationalen Festivals<br />
bereits mehrfach ausgezeichneter Film basiert auf<br />
einer Erzählung von Haruki Murakami und wurde<br />
von Jun Ichikawa, Japans gefragtestem Werbefilmer,<br />
filmisch kongenial umgesetzt. Der Film<br />
ist eine märchenhafte Parabel, in der Murakamis<br />
Leitmotive Einsamkeit, Verlust, Jazz und Kleiderfetisch<br />
auf eine poetische und zauberhafte Weise<br />
verdichtet werden. (1.-3.2.)<br />
In Dreaming by Numbers geht es um die Mystik<br />
der Zahlen und um Einblicke in Lebensgeschichten<br />
von einfachen neapolitanischen Menschen,<br />
alle auf der Suche nach kleinen Momenten des<br />
Glücks. Mit der behutsamen Annäherung an diese<br />
Menschen gelingt es der italienischen Regisseurin<br />
Anna Bucchetti über individuelle Schicksale hinaus<br />
gesellschaftliche Verhältnisse sichtbar zu machen.<br />
(9./10.2.)<br />
Wie politisch das Private ist, dokumentiert<br />
Arash in Exile Family Movie. Erzählt wird die Geschichte<br />
seiner Familie, die teils in Europa und den<br />
USA im Exil, teils im Iran lebt. In der persönlichen<br />
Flüchtlingsgeschichte werden alle uns heute beschäftigenden<br />
Themen wie Heimat, Vertreibung,<br />
Rassismus und Religion berührt und das Aufeinanderprallen<br />
gegensätzlicher Weltanschauungen<br />
aufgezeigt. (16./17.2.)<br />
Der in Indonesien gedrehte Film Promised Paradise<br />
des niederländischen Regisseurs Leonard<br />
Retel Helmrich ist ein komischer und bissiger Angriff<br />
auf das offizielle Medieneinerlei. Er zeigt die<br />
Absurdität medialer Wirklichkeitsansprüche auf.<br />
(23./24.2.)<br />
In einer Sondervorstellung ist am 15.2. Der Kick<br />
von Andres Veiel zu sehen.<br />
■ Sándor Veress - Im Rahmen des Musikfestivals<br />
Bern 2007 bietet sich in einer Matinée die Gelegenheit,<br />
eine eher unbekannte Seite im Werk des<br />
Komponisten kennenzulernen: Er schrieb 1948 die<br />
Musik zu dem mit viel ungarischer Volkskultur getränkten<br />
Spielfilm Talpalatnyi Föld (Ein fussbreit<br />
Land) von Frigyes Bán, der sich dem politisch brisanten<br />
Thema der Landreform widmet. (So 4.2.,<br />
11:00 h)<br />
Oberhausen on Tour 2007 - Der Freigeist Robert<br />
Nelson, einer der populärsten Filmemacher<br />
der 60er Jahre, gilt als zentrale Figur des New<br />
American Cinema. Seine scharfsinnigen und intuitiven<br />
Arbeiten balancieren zwischen formaler Erfindungskraft<br />
und ansteckendem Humor. (Mo 5.2.,<br />
20.00 h). Mit Best of German and International<br />
Competition kommt ein verspieltes und facettenreiches<br />
Kurzfilmprogramm ins Lichtspiel. (Mo 12.2.,<br />
20.00 h)<br />
Von 1982-1995 führte die Schule für Gestaltung<br />
Bern Filmkurse durch, die vielen heute noch<br />
in der Filmszene Tätigen als Sprungbrett dienten.<br />
Silvia Horisberger, Initiantin und Leiterin der ersten<br />
Kurse präsentiert an zwei Abenden Filme aus<br />
dieser Zeit und berichtet von deren Entstehung.<br />
So wird mit Kaiserhaus der Wandel des Berner<br />
Prestigegeschäfts von seiner Entstehung 1904 bis<br />
zum umstrittenen Umbau in den Achtzigerjahren<br />
dokumentiert; ein weiteres architektonisches Politikum,<br />
die «Felsenburg», wird im Film Bim Bäregrabe<br />
links verfolgt. (Mo 19.2., 20:00 h). Herbsttheater<br />
portraitiert auf feinfühlige und kurzweilige<br />
Art fünf pensionierte SchauspielerInnen; Proviele<br />
experimentiert mit eigenwilligen Eindrücken aus<br />
dem Bern der Achtzigerjahre. (Mi 28.2., 20:00 h)<br />
Das Menschlein Matthias von Edmund Heuberger<br />
(CH 1940/41) erzählt das Schicksal eines unehelichen<br />
Jungen, der unter der strengen Fuchtel<br />
seiner Tante aufwächst. Stumm erträgt Matthias<br />
eine Schikane nach der anderen, bis er in einer<br />
Gewitternacht zu seiner Mutter nach Rorschach<br />
flieht. Von da an begleitet er seine Mutter tagtäglich<br />
in die Fabrik, wo er eines Tages das Geheimnis<br />
des cholerischen Chef-Stickereizeichners Oberholzer<br />
entdeckt. (Mo 26.2., 20:00 h)<br />
NEWS / NOUVEAUTÉS<br />
Im Februar zeigt das Filmpodium Filme, die im letzten<br />
Jahr in vielen Schweizer Städten ihre Premieren<br />
feierten, in Biel aber oft nur ganz kurz oder<br />
überhaupt nicht in die kommerziellen Kinosäle<br />
fanden.<br />
Crossing the Bridge: The Sound of Istanbul<br />
(2./3. 2.). Fatih Akin hat sich wohl den konfuzianischen<br />
Rat, dass eine Kultur nur verstanden<br />
werden kann, wenn man sie vor Ort erfährt, zu<br />
Herzen genommen: Mit Hilfe der Musik ermöglicht<br />
er in seinem Dokumentarfilm spannende Einblicke<br />
in die lebendige Stadt am Bosporus.<br />
Der Kick von Andres Veiel (4./5.2.), die preisgekrönte<br />
Dokumentation einer Theaterinszenierung<br />
über den brutalen Mord dreier Jugendlicher<br />
aus dem rechten Lager an einem Gleichaltrigen<br />
geht über das Monströse hinaus, indem sie die<br />
«alltägliche Entzivilisierung» sichtbar macht.<br />
La dignidad de los nadies (9.-12.2.). Der argentinische<br />
Regisseur Fernando Solanas (Sur, El Viaje)<br />
verbündet sich in seinem neusten Dokumentarfilm<br />
einmal mehr mit den in seinem Land durch<br />
den Neoliberalismus ausgebeuteten Menschen.<br />
Sein Film ist so kreativ wie die Mittel des Widerstandes,<br />
die diese Menschen den entwürdigenden<br />
Machenschaften entgegen zu setzen wissen.<br />
Me and You and Everyone we Know von Miranda<br />
Julie (23.-26.2.) ist eine poetische und<br />
scharfsinnige Studie darüber, wie Menschen in<br />
einer isolierten zeitgenössischen Welt miteinander<br />
kämpfen aber auch Beziehungen zueinander<br />
aufbauen können.<br />
Show your steps Zum dritten Mal findet anfangs<br />
März in Biel der Tanzwettbewerb Show your<br />
steps statt. Im Rahmen dieses Festivals zeigt das<br />
Filmpodium die beiden Filme Boyz n the Hood,<br />
von John Singelton, ein Plädoyer gegen Gewalt<br />
und Rize von David LaChapelle, der sich in seinem<br />
Spielfilmdebüt dem Tanz-Phänomen «Clowing»<br />
oder «Krumping» widmet. Der Stil wurde Anfang<br />
der 90er Jahre in Los Angeles als Reaktion auf die<br />
soziale Unterdrückung entwickelt. (16. -19. 2.).<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 27
cinéma<br />
FILM<br />
nicht blink, blink – sondern blink, bumm<br />
Von Sonja Wenger<br />
■ Es ist eher ungewöhnlich, zum St<strong>art</strong> eines Kinofilmes<br />
eine Medienmappe von niemand geringerem<br />
als Amnesty International (AI) zu erhalten. «Nein<br />
zu Konfliktdiamanten» propagiert die Menschenrechtsorganisation<br />
und streicht heraus, dass «der<br />
Diamantenhandel nicht immer so glänzend ist, wie<br />
das Produkt selbst». Der Anlass? Leonardo DiCaprio<br />
spielt die Hauptrolle im Film «Blood Diamond», der<br />
seit dem 25. Januar in den Deutschschweizer Kinos<br />
läuft. Für seine Rolle als südafrikanischer Diamantenschmuggler<br />
in vom Bürgerkrieg geschüttelten<br />
Sierra Leone wird er gerade mit Nominationen und<br />
Preisen überhäuft. Die Thematik um sogenannte<br />
Konflikt- oder eben Blutdiamanten aus Afrika ist die<br />
reale Grundlage dieses fiktiven Filmes, der sich um<br />
den Fischer Solomon Vandy dreht, dessen Dorf von<br />
Rebellen überfallen wird. Sein Sohn wird entführt<br />
und muss als Kindersoldat dienen. Auf der Suche<br />
nach ihm nehmen die Rebellen Vandy gefangen und<br />
zwingen ihn, in einer von ihnen kontrollierten Diamantenmine<br />
zu arbeiten. Mit dem Geld finanzieren<br />
die Rebellen ihre Waffen und damit Bürgerkrieg und<br />
Menschenrechtsverletzungen. In der Mine findet<br />
Vandy einen grossen Diamanten und versteckt ihn,<br />
doch bald sind nicht nur die Rebellen hinter dem<br />
Stein her, sondern auch Danny Archer (DiCaprio).<br />
Die Aufregung um DiCaprios neusten Film machen<br />
sich nun Regisseur Edward Zwick und Nichtstaatliche<br />
Organisation (NGOs) zunutze, auf einen<br />
politischen Aspekt hinzuweisen, der lange vernachlässigt<br />
wurde. Vor kurzem prangerte Zwick zudem<br />
eine Kampagne der US-amerikanischen Juweliere<br />
an, die für jede diamantenbestückte Hand bei der<br />
diesjährigen Oscar-Verleihung eine Summe von<br />
10‘000 US-Dollar an eine afrikanische Organisation<br />
spenden will. Nicht nur nannte er diese Praxis – zu<br />
Recht - eine fragwürdige Form der «wohltätigen Bestechung»,<br />
sondern auch besonders «geschmacklos»<br />
im Hinblick darauf, dass in Sierra Leone die<br />
Rebellenarmee dafür berüchtigt war, den Menschen<br />
die Hände abzuhacken.<br />
Die Informationskampagne von AI weist allerdings<br />
noch auf ein anderes Phänomen. Es sind nicht<br />
mehr nur engagierte Einzelpersonen, die durch den<br />
globalen Starkult verursachte mediale Aufmerksamkeit<br />
für ihre philanthropischen Zwecke nutzen<br />
à la Bono und Bob Geldof, sondern immer häufiger<br />
auch NGOs. Und warum auch nicht? Weshalb sollten<br />
Organisationen nicht auch auf diese Weise auf<br />
ehrenhafte Anliegen aufmerksam zu machen? Die<br />
Frage ist nur, weshalb gesellschaftsrelevante Informationen<br />
zunehmend von einem Medium verbreitet<br />
werden – oder werden müssen -, das lange Zeit mit<br />
reiner Unterhaltung assoziiert worden ist? Natürlich<br />
gibt es schon lange den Polit- oder Dokumentarfilm.<br />
Doch je länger je mehr entwickelt sich eine<br />
- übrigens ebenfalls enorm unterhaltsame – neue<br />
Form der Dokufiktion. Sind die Menschen tatsächlich<br />
dem hirnlosen Konsum überdrüssig geworden,<br />
oder ist es im Gegenteil eine Reaktion darauf, dass<br />
im Dschungel der Hilfsorganisationen nur noch auf<br />
diese Weise ein aufmerksames Publikum gefunden<br />
werden kann? Sind Hollywoodstars wie Angelina Jolie<br />
als Sonderbotschafterin für das Uno-Hochkommissariat<br />
für Flüchtlinge, George Clooney und sein<br />
Engagement für die Umwelt und gegen politische<br />
Korruption («Syriana»), der ehemalige US-Vizepräsident<br />
Al Gore und sein Film gegen den Klimawandel<br />
(«An Inconvenient Truth») nur Gutmenschen<br />
und clevere PR-Strategen, oder die Vorläufer einer<br />
neuen Verstrickung von Kultur und Gesellschaft?<br />
Informationen zu «Nein zu Konfliktdiamanten» auf<br />
www.amnesty.ch oder www.globalwitness.org<br />
SONG & DANCE MEN<br />
Musikfilme in der Cinématte 1<br />
Der Musikfilmzyklus «Song&Dance Men» präsentiert Filme, die die Vielfalt<br />
einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl<br />
versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen<br />
Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten<br />
führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein.<br />
Mittwoch, 28. Februar 2007, 20.00h<br />
24 Hour P<strong>art</strong>y People<br />
Regie: Michael Winterbottom; mit: Steve Coogan,<br />
John Thomson, Shirley Henderson, Paddy Considine, Sean Harris;<br />
UK/2002, 35mm, OV mit f UT, 117 Min.<br />
Die Pseudo-Dokumentation des Regisseurs von «The Road<br />
to Guantanamo», «9 Songs» und «Wonderland» bewegt sich<br />
auf den Spuren des Label- und Clubbetreibers Tony Wilson,<br />
dargestellt von Steve Coogan, der im Manchester der 80er<br />
Jahre Bands wie Joy Division, New Order und die Happy<br />
Mondays produzierte. «24 Hour P<strong>art</strong>y People» portraitiert<br />
vergnüglich und selbstironisch die Musikszene Manchesters<br />
im Übergang zwischen Punk und Techno.<br />
Einführung: Christian Gasser liest aus seinem Buch<br />
«Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-Besessenen».<br />
Vorschau<br />
28. März: The Devil & Daniel Johnston Einführung: Albert Kuhn (Weltwoche)<br />
18. April: The Fearless Freaks – The Wondrously, Highly Improbable Story of the Flaming Lips<br />
Einführung: Christian Gasser<br />
30. Mai: Hardcore Chambermusic – Koch Schütz Studer<br />
27. Juni: Wattstax (TBC) Einführung: Bänz Friedli<br />
Konzept, Programmation: Benedikt S<strong>art</strong>orius, Sarah Stähli<br />
Musikfilme in der Cinématte 1<br />
wasserwerkgasse 7, bern Reservationen: Tel. 031 312 45 46 oder www.cinematte.ch<br />
28<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
magazin<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
bern ist zum beispiel – noch<br />
Von Peter J. Betts<br />
■ Bern ist zum Beispiel – noch – und zwar seit<br />
etwa eineinhalb Jahrhunderten unbestritten eine<br />
Hauptstadt, was zur Bezeichnung «Metropole»<br />
berechtigt. Metropole bedeutet auch «Weltstadt».<br />
Bern, das Provinzstädtchen, eine Weltstadt?<br />
Was führt eigentlich dazu, dass man – man?<br />
– sich fragt, ob ein bestimmter urbanisierter Raum<br />
Provinz oder Metropole sei? «Man» ist wohl meistens<br />
die jeweilige Bewohnerin oder der jeweilige<br />
Bewohner eines so dicht überbauten Gebietes,<br />
das gemeinhin ohne viel Federlesen als «Stadt»<br />
bezeichnet wird. WARUM überhaupt diese Frage<br />
gestellt wird, ist die eigentliche Frage.<br />
Als «Metropolitan Area» wird auf amerikanisch<br />
das verstädterte, also urbanisierte Gebiet über<br />
die Verwaltungsgrenzen einer Stadt hinaus umschrieben:<br />
Es zeichnet sich durch Siedlungsdichte,<br />
städtische Lebensweise, wirtschaftliche, kulturelle<br />
und soziale Verflechtung mit der Kernstadt aus; in<br />
den USA wurde es 1950 erstmals in der amtlichen<br />
Statistik erfasst, falls die minimale Zahl der Einwohnerschaft<br />
50‘000 betrug. (Bezüglich Kultur<br />
wäre etwa die Metropole Bern seit einigen Jahren<br />
also Teil der RKK-Bern, der Regionalen Kulturkonferenz...)<br />
Apropos Region: die Griechen bezeichneten<br />
als «Metropole» die Mutterstadt einer Kolonie<br />
(im Gegensatz zur Tochterstadt). Apropos Kolonie<br />
– war nicht kürzlich aus Kreisen der Politik wieder<br />
einmal zu hören, der Graben zwischen Stadt und<br />
Land gehöre nun wirklich endlich verringert oder<br />
gar zugeschüttet? Aber irgendwo – im kollektiven<br />
Gedächtnis? – geistern immer noch Bilder der Gnädigen<br />
Herren, der Eroberer der Waadt, der Landvögte<br />
herum...<br />
Zum Beispiel die Stadt Bern: Provinz oder<br />
Weltstadt? «Geoid» ist die Bezeichnung für den<br />
der wirklichen Erdgestalt weitgehend angenäherten<br />
mathematischen Körper. Er unterscheidet sich<br />
sowohl von der Kugel wie auch vom Rotationsellipsoid<br />
insofern, als seine Oberfläche ungefähr im<br />
mittleren Meeresniveau verläuft und die Richtung<br />
der Schwerkraft überall senkrecht auf dieser Oberfläche<br />
steht (und deshalb etwas gewellt ist). Die<br />
konkrete menschliche Erfahrung, die Grössenverhältnisse<br />
zwischen Erddurchmesser und Mensch<br />
etwa, macht in der Praxis den Unterschied von Kugel<br />
und Geoid unbedeutend. Genauso wie wir, weil<br />
die Genauigkeitsabweichungen für unsere praktischen<br />
Bedürfnisse meist unbedeutend sind, in<br />
der Planimetrie oder in allen von ihr beeinflussten<br />
technischen Zeichnungen ruhig davon ausgehen<br />
dürfen, dass es Ebenen, Parallelen, Geraden gibt<br />
– auch wenn wir inzwischen wohl WISSEN, dass in<br />
Wirklichkeit der Raum gekrümmt ist, Geraden nicht<br />
existieren usw. Aber sowohl auf der Kugel wie auf<br />
dem Geoid gibt es keinen einzigen Punkt, der wichtiger,<br />
der «mehr Welt» wäre als der andere! Jeder<br />
Punkt bedingt die Existenz jedes anderen.<br />
«Die Kulturpolitik der Stadt Bern für die Jahre<br />
1996 bis 2008», das Konzept des Gemeinderates,<br />
zeigt auf dem Titelblatt eine Luftaufnahme eines<br />
grossen Teils des Stadtgebietes. Darauf ist eine<br />
geschlossene weisse Linie projiziert: sie kann als<br />
Grenze der Schweiz gelesen werden. Das Stadtbild<br />
ginge über die weisse Projektion hinaus und endet<br />
– zufällig, eben durch den Bildausschnitt begrenzt.<br />
Darunter steht: «Bundesstadt und Region<br />
bilden eine kulturelle, wirtschaftliche, ökologische<br />
Schicksalsgemeinschaft». Die Aussageabsicht:<br />
«Alles, was auf der Erde geschieht, hat auch mit<br />
Bern zu tun, alles was in Bern geschieht, hat Auswirkungen<br />
auf ‹die Welt›.» Die Frage, ob Provinz<br />
oder Metropole, wird nicht einmal gestreift. Eine<br />
für eine Exekutivbehörde überraschend weise, einsichtige<br />
und ungewohnte Auslassung.<br />
Meiner Ansicht nach steht hinter der Frage, ob<br />
«man» weltstädtisch oder provinziell sei, immer<br />
kleinkariertes Wettbewerbsdenken, das letztlich<br />
auf dem Nährboden der Tugenden Missgunst,<br />
Neid, Misstrauen, Engstirnigkeit, Gier, Unverständnis,<br />
Überheblichkeit die absurdesten Blüten treibt,<br />
den Tanz der Aasgeier nach bekannter Choreographie<br />
anspornt – bis dann schliesslich nirgendwo<br />
mehr etwas blüht. Nein, nicht auf der Unsicherheit<br />
fusst die Frage. Unsicherheit, das Erkennen eines<br />
Ungenügens oder eines Mangels, Sehnsucht,<br />
Neugier, Verstehenwollen, Interesse, Verantwortungsbewusstsein,<br />
Verbundenheit, Veränderungsbereitschaft<br />
führen zu schöpferischem Entwickeln<br />
neuer Werte oder zum Verbessern alter. Zu Gewinnoptimierung<br />
– völlig abseits jeglicher geldmässiger<br />
Messgrössen! Zu Shareholder Value für<br />
alle, die ihr LEBEN als Anteilschein und Ausweis<br />
für ihre Existenz auf diesem Planeten betrachten<br />
und in der Vollversammlung mitgestalten wollen.<br />
Für eine solche Geisteshaltung ist es völlig irrelevant,<br />
auf welchem Punkte der Erdkugel man sein<br />
Dasein fristet, sein Lebenswerk erschafft. Und dieser<br />
Sachverhalt macht nicht aus allen Entwurzelte,<br />
im Gegenteil! Wer also zum Beispiel für eine Stadt<br />
und ihre Region eine bestmögliche Entwicklung<br />
anzustreben beabsichtigt und damit eben auch<br />
für «die Welt», ist gut beraten, auf bestmögliche<br />
Weise die Kreativität ALLER in ihrem Einflussbereich<br />
(auch der so genannten Kulturschaffenden)<br />
zu fördern. Eine Frage der politischen Kultur. So<br />
gesehen, käme einer Kulturpolitik ein recht hoher<br />
Stellenwert zu.<br />
Ob Bern eine Provinzstadt ist oder eine echte<br />
Metropole, hängt – betrachtet man «Kultur» im wie<br />
üblich eingeschränkten Sinne - weder von der Veranstaltungsdichte<br />
noch von den Besuchszahlen<br />
ab, nicht von «Profilen» die man werbewirksam<br />
verbraten kann, nicht von Publikumsmagneten<br />
auf den Plakaten, nicht vom City Marketing im<br />
Verbund mit den Tourismusorganisationen. Auch<br />
nicht vom MusterschülerInnenverhalten: «Äätsch,<br />
unser Orchester ist weltbekannter als eures!» Es<br />
hängt davon ab, beispielsweise, was in der Bevölkerungen<br />
(Kulturschaffende gehören dazu!)<br />
für Diskussionen, Denk- und Verhaltensweisen,<br />
Handlungen von Veranstaltungen oder sonstwie<br />
geförderten Projekten ausgelöst werden. Es hängt<br />
vom Vertrauen der Fördernden ab. Und von jenem<br />
der Geförderten. Von Verlässlichkeit, Klarheit, Offenheit,<br />
Neugier, Verantwortung, Fairness. Und es<br />
wäre in Bern kein allzu gewagtes Unterfangen, der<br />
Nährboden ist sehr gut: Die Schöpfungskraft in<br />
Bern, und von Bern ausgehend, ist immer schon<br />
beeindruckend gewesen, die Abstimmungsresultate<br />
der Bevölkerung bezüglich Ökologie, Umgang<br />
mit Fremdem, Minderheiten, sozial- und kulturpolitischen<br />
Anforderungen sind es seit Jahrzehnten<br />
nicht weniger, das wird ebenfalls Gründe haben.<br />
Auch wenn Arnold Rüdlinger, er hat 1947 als<br />
Achtundzwanzigjähriger die Leitung der Kunsthalle<br />
übernommen, in den fünfziger Jahren sagte: «Die<br />
schlichte Uninteressiertheit Berns sichert zwar<br />
keine Unterstützung, jedoch die nötige Toleranz»<br />
(Einiges mag sich hier in der Zwischenzeit etwas<br />
geändert haben). Auch wenn das Berner Publikum<br />
das wienerisch oder berlinerisch gefärbte Bühnendeutsch<br />
im Theater als charmant oder pfiffig<br />
einstuft, das bernerisch gefärbte als eher unprofessionell<br />
(hier: keine Änderung). Auch wenn alle<br />
EinwohnerInnen einzeln und auch als Gesamtheit<br />
nicht nur positivste Merkmale oder Eigenschaften<br />
oder zum Teil sogar recht skurrile aufweisen: Bern<br />
IST Welt.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 29
magazin<br />
INSOMNIA<br />
DER DUFT VERGANGE-<br />
NER ZEITEN<br />
Von Eva Pfirter<br />
■ Wir Frauen sind kompliziert, nicht wahr? Wir<br />
wollen moderne Männer, die sensibel, emanzipiert<br />
und eigenständig sind. Aber wir wollen auch<br />
Männer, die einen Touch Altmodigkeit aufweisen,<br />
Männer, die uns die Tür aufhalten, initiativ sind<br />
und auch mal Blumen mitbringen. Und wir wollen<br />
Männer, die Walzer tanzen können. Ja: Walzer.<br />
Selbst Hobbes kann zu klassischer Musik tanzen<br />
– weshalb Ihr Männer von heute nicht?<br />
Ach ja, unsere schnelllebige Zeit. Lässt kaum<br />
Raum, sich an die Geschichten unserer Grosseltern<br />
zu erinnern, sich vorzustellen, wie unsere<br />
Grossväter einst unsere Grossmütter über einen<br />
gewachsten, quietschenden Holzboden gewirbelt<br />
haben und wie sie es genossen haben - die Damen<br />
- von den Herren geführt zu werden.<br />
Ich habe einmal eine P<strong>art</strong>y veranstaltet – aber<br />
nein: eigentlich ist «P<strong>art</strong>y» das falsche Wort. Es<br />
war eine Belle Nuit de Danse. Es gab sogar einen<br />
Dresscode: chic à très chic. Chic, nicht? Die Herren<br />
waren überdies gebeten, eine Rose mitzubringen.<br />
Und für den ersten Tanz wurde per Los<br />
jedem Herrn eine Dame zugeordnet. Es war richtig<br />
schön altmodisch-romantisch. Bis auf die Tatsache,<br />
dass beim ersten Takt Walzer die Damen<br />
die Herren übers Parkett führen mussten. Seufz.<br />
Es gab natürlich auch ein oder zwei Ausnahmen<br />
(ich möchte mich ja nicht mit den Herren anlegen,<br />
die des Walzers auch wirklich mächtig sind!),<br />
welche die adrett gekleideten Tänzerinnen hoch<br />
erhobenen Hauptes durch den Tanzsaal führten.<br />
Aber im Grossen und Ganzen war es ein lustiges<br />
Durcheinander von führenden Frauen, die ihren<br />
Tanzp<strong>art</strong>nern «eins, zwei, drei, eins, zwei, drei,<br />
eins, zwei, drei» einzuverleiben versuchten. Mit<br />
dem Resultat, dass ich mich nun nicht mehr führen<br />
lassen kann. Ja: es geht fast nicht mehr! Jedes<br />
Mal, wenn ich Walzer tanze, übernehme ich<br />
die Rolle des Mannes und führe mein Gegenüber<br />
bestimmt in die Richtung, in die ich will. Lustig,<br />
nicht? Einmal hab ich sogar aus tiefstem Bauch<br />
heraus Adi gefragt: «Bist nun Du der Mann oder<br />
ich?» Solche Verwirrung herrscht heutzutage auf<br />
dem Tanzparkett. Dabei gibt es nichts Schöneres<br />
als Walzertanzen. Wiener Walzer! Walzer ist der<br />
Gipfel der Romantik, die Inkarnation der Eleganz,<br />
die Erinnerung an Reifenröcke, Marmortreppen<br />
und wedelnde Fächer. Richtiges, leichtfüssiges,<br />
atemloses Walzertanzen ist Schweben, ist Fliegen,<br />
ist Träumen. Träumen am helllichten Tage.<br />
Manchmal, liebe Herren, gibt es nichts Schöneres,<br />
als richtig gut geführt zu werden. Zumindest<br />
einen Abend lang.<br />
POPMUSIK<br />
raphelson - musik in tiefer<br />
traurigkeit<br />
Von Lukas Vogelsang (Bild: zVg.)<br />
■ Eigentlich heisst er Raphaël Enard und spielte<br />
mit den «Magicrays», von denen zur Zeit nicht<br />
viele Informationen zu finden sind (ausser, dass im<br />
Februar ein neues Album erscheinen soll…). Letzten<br />
Oktober veröffentlichte Raphelson sein erstes<br />
überraschendes Soloprojekt: «Hold this moment<br />
still». Es war purer Zufall, dass ich in myspace.com<br />
über seine Musik stolperte, hellhörig wurde, das<br />
Album anforderte, um danach festzustellen, dass<br />
er im März gar zum Qest-Est-Festival in der Berner<br />
Dampfzentrale spielen wird. Dinge gibt’s…<br />
Es sind schwermütige sanfte Klänge, reduzierte<br />
Begleitungen, einfach produzierte Aufnahmen. Raphelson<br />
singt unüberhörbar eigenwillig und hoch.<br />
Als erstes erinnerte mich die Stimme an «Antony<br />
and the Johnsons», doch auch Raphelsons musikalische<br />
Vorbilder «Sufjan Stevens» und «Sparklehorse»<br />
sind unüberhörbar präsent. Die Stimme<br />
ist es denn auch, welche den Klängen diese klare,<br />
bizzare Mystik verleihen. Raphelson klingt verletzlich,<br />
entsagt jedem Zeitgefühl des Alltags. Er steht<br />
neben den Gleisen und möchte den fahrenden Zug<br />
anhalten, doch scheint es unmöglich, sich zu bewegen.<br />
Die Zeit dreht unaufhörlich weiter. Damit hat<br />
er bestens den «Zeitgeist» getroffen.<br />
Die Aufnahmen entstanden im Studio in Bristol.<br />
Zum Teil hört man im Hintergrund das Surren des<br />
Verstärkers oder das Knarren eines Stuhls. Doch<br />
sind es Stimmungen, die dazugehören. Der Klang<br />
dieser CD trägt eine Wahrheit in sich, die uns nicht<br />
kalt lässt. Wir möchten uns am liebsten in die Ecke<br />
zurückziehen und innehalten. Traurige Lieder, in<br />
tiefer Melancholie und wie in vielen (abgeschriebenen)<br />
Vorbesprechungen erwähnt: Lieder, die<br />
dich an Orte bringen, die du nie bereuen wirst, gefunden<br />
zu haben. Ein Vergleich mit der ersten CD<br />
von «Polar» ist durchaus angebracht, sie sind auch<br />
teils gemeinsam auf den Bühnen anzutreffen.<br />
Erstaunlich kreativ zeigt sich Raphelson in<br />
der Instrumentalisierung. Von Harfe, akustischen<br />
Gitarren, einfachen Schlagzeugen, verstimmten<br />
Klavieren, Glockenspiel, Flöten, aber auch Synthesizern,<br />
Orgeln, Mundharmonika und einem Banjo…<br />
Das mag jetzt etwas abschreckend wirken, doch<br />
bei Raphelson klingt das wundervoll – die Unterstützung<br />
von John Parish, einem nicht gerade unbekannten<br />
Performer und Multi-Instrumentalisten,<br />
tut dazu ihren Dienst. Jeder der elf Songs ist eine<br />
Perle, bildet in sich eine Einheit, ein abgeschlossenes<br />
Universum in traurig schöner Einsamkeit. Und<br />
doch wirkt die Schwermut nicht unerträglich. Im<br />
Gegenteil: Stoppt der CD-Spieler, schalten wir wieder<br />
auf «Play» – garantiert.<br />
So karg die Musik uns in Trauer stehen lässt,<br />
so karg sind die Dokumentation oder die Informationen<br />
über den Künstler. Das mir überreichte Album<br />
beschränkt sich auf die CD und eine einfache<br />
Hülle. Keine Musikerhinweise, keine Texte, nichts.<br />
Doch Raphelson wird am 22. März 2007 im Rahmen<br />
des Quest-Est Festivals in Bern spielen. Dort<br />
werden wir mehr erfahren. Das Konzert (wie auch<br />
das Festival) ist ein Geheimtipp und wärmstens<br />
empfohlen.<br />
www.raphelson.com (Weiterleitung myspace.com)<br />
www.gentlemen.ch<br />
30<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
CARTOON<br />
www.fauser.ch<br />
magazin<br />
VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />
die schweizer medien sind die besten<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
■ Jetzt habe ich genug gelästert über die Schweizer<br />
Medien. Ich muss auch einmal ein Lob aussprechen,<br />
denn die Schweizer Medien sind die Besten!<br />
Zwar hat der Köppel, oder besser sein Engeler, mit<br />
der Weltwoche noch ein Problem mit den Rätoromanen<br />
zu lösen. Die haben diese nämlich verklagt,<br />
weil der Engeler die Rätoromanen unter anderem<br />
als «räuberisch» und «erpresserisch» bezeichnete.<br />
Das stosse gemäss dem klagenden Anwalt gegen<br />
den Rassismus-Artikel. Nun, das sind Bagatellen<br />
des Wohlstandes und die Rätoromanen sollten<br />
für die Köppelsche Schar Verständnis zeigen: Die<br />
Weltwoche wird bald weg sein – das politisch unkorrekte<br />
Zappeln sollte man deswegen nicht allzu<br />
ernst nehmen. Ist doch ganz lustig, wie die untergehen<br />
(Die letzte Ausgabe war schon schwarz gekleidet...).<br />
Etwa genau so unterhaltsam ist der Sonntags-<br />
Blick! Mei, die haben ja den Vogel total abgeschossen.<br />
Und genau das meine ich mit «die Schweizer<br />
Medien sind die Besten!»: Wir haben Zeitungen<br />
mit totalem Unterhaltungswert! Das ist sooo lustig,<br />
wenn man sich mit dem Artikel «Tomy hat<br />
auch meine Frau begeistert» (SoBli, 21.1.2007) den<br />
Sonntag verdummen kann. Das ist wie die Afterhour-P<strong>art</strong>y<br />
zum SRG-Programm. Für jene, die jetzt<br />
nicht durchblicken: Der besagte Artikel beschwört<br />
einen Erich von Däniken, der nach zwanzig Jahren<br />
Schweigen endlich verrät: «Ich lebte vier Wochen<br />
mit einem Ausserirdischen». Und jetzt kommt’s<br />
erst: «Spätsommer 1987: Der Solothurner Erich<br />
von Däniken, damals 52 Jahre alt und längst weltberühmt,<br />
reist durch Belutschistan, das Wüstengebiet<br />
zwischen Iran und Pakistan. Die Nacht ist<br />
sternenklar. Der prominente Autor schläft auf dem<br />
Dach seines Range Rovers. ‹Plötzlich knallte es, ich<br />
erwachte abrupt. Ein Blitz, die Trinkwassertanks<br />
neben mir rissen. In die ausströmende Flüssigkeit<br />
hinein materialisierte sich ein Mensch. Aus Fleisch<br />
und Blut. Direkt vor meinen Augen!›»<br />
Und? Haben Sie jetzt auch Pickel gekriegt? Ist<br />
doch beste Unterhaltung – das ist der Stoff, der<br />
unser Leben pflastert. Da kann der Chris von Rohr<br />
einfach einpacken – so was Blödes kriegt der gar<br />
nicht unter seine Mähne. Doch die Konkurrenz<br />
belebt das Geschäft, ich freue mich schon darauf,<br />
was der SRG dazu einfallen wird. Es ist 1:0 für den<br />
SoBli und bleibt spannend bis zur EURO 08. (Da<br />
werden wir dann das Plus entdecken...).<br />
Aber die Schweizer Medien sind nicht nur inhaltlich<br />
super. Nein, auch im Rechnen haben sie’s<br />
total im Griff. Jetzt haben die Verlage uns ein Jahr<br />
lang vorgerechnet, dass es schlimm um die Werbung<br />
steht, dass man kein Geld mehr habe, die<br />
Werbeeinnahmen so schlecht sind, dass man die<br />
Leute rausschmeissen muss. Überhaupt war die<br />
klassische Zeitung am Ende. Und dann kommt das<br />
«Gugguus, Däddää»-Spielchen im Januar 2007, wo<br />
so ein trübes Loch herrscht und niemand so richtig<br />
lachen will: «Mit einem Plus von 8,5 Prozent stiegen<br />
im Jahr 2006 die Brutto-Werbeinvestitionen<br />
auf 3,674 Milliarden Franken, wie die Marktforschungsfirma<br />
Media Focus mitteilte. Damit sei der<br />
bisherige Spitzenjahrgang 2000 überflügelt worden.<br />
Zum ersten Mal seit über 10 Jahren gewinne<br />
die Mediengruppe Tageszeitungen an Marktanteil<br />
und sei gleichzeitig der wichtigste Treiber der Gesamtmarktentwicklung».<br />
Meine Güte, zum Glück<br />
können die Medien nicht rechnen. Dieser Spass<br />
wäre uns glatt verdorben worden.<br />
Wie gesagt, die Schweizer Medien sind die Besten.<br />
Immer für ein Scherzchen aufgelegt und nie<br />
so ernst, dass wir sie ernst nehmen müssen. Zum<br />
Glück!<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 31
magazin<br />
BERNER KULTURMENSCHEN<br />
tanzen und hundert nebenjobs<br />
Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet)<br />
■ Die 32-jährige Marion Ruchti trägt ein breitrandiges<br />
Brillengestell. Die Stirnfransen sind kurz geschnitten<br />
und leicht nach rechts frisiert. Bevor sie<br />
als Choreographin für ein Tanzprojekt nach Neuseeland<br />
fliegt, leitet die zeitgenössische Tänzerin<br />
einen Jugend & Sport-Tanzkurs. Den Lebensunterhalt<br />
verdient sie sich mit Auftritten, Tanzunterricht,<br />
Luftakrobatik bei öff öff productions Bern, Yogastunden<br />
und gelegentlichen Stellvertretungen und<br />
Tanzprojekten an der Primarschule. Sie zwinkert<br />
mit den Augen: «Ich habe hundert Nebenjobs.»<br />
Marion und Neuseeland Marions Schwester<br />
studiert in Neuseeland. So kommt die Tänzerin in<br />
Kontakt mit dieser Insel auf der Südhalbkugel. Die<br />
Fläche von Neuseeland ist vier Mal so gross wie die<br />
der Schweiz, aber es leben dort nur halb so viele<br />
Einwohner. «Das ist typisch, es hat viel Platz, das<br />
spürt man auch in den Bewegungen. Die Tanzstudios<br />
sind so gross, wie hier die Turnhallen.»<br />
Marion absolviert ihre Tanzausbildung während<br />
zwei Jahren in Contemporary Dance an der School<br />
of Performing and Screen Arts in Auckland: «Es<br />
war eine sehr kreative Zeit.» Die Tanzschule ist<br />
an die Universität angeschlossen. Die Studierenden<br />
aus den Abteilungen Zeitgenössischer Tanz,<br />
Schauspiel, Film, Bühnenbild und Lichtdesign arbeiten<br />
für unterschiedliche Projekte zusammen.<br />
Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist das<br />
Choreographieren. Marion hat vier Stücke selbst<br />
choreographiert. «Entweder man erzählt tanzend<br />
eine Geschichte, oder man geht von Bewegungsmustern<br />
aus. Ich mag bildende Kunst, deshalb<br />
schaue ich stark auf die durch die Körper dargestellten<br />
dreidimensionalen Bilder.»<br />
Nach der Ausbildung bekommt Marion einen<br />
Jahresvertrag bei der Footnote Dance Company.<br />
Die Tournee führt durch verschiedene Städte. Zum<br />
Arbeitspensum gehören zahlreiche Schulaufführungen<br />
und das Leiten von Workshops. An neuseeländischen<br />
Schulen ist Tanzen Teil des Lehrplans.<br />
Zwischen Neuseeland und Neuseeland Nach<br />
dieser Tournee kehrt Marion in die Schweiz zurück.<br />
Um sich fit zu halten schwimmt sie, macht Yoga,<br />
geht in den Kraftraum und nimmt an verschiedenen<br />
Profitrainings teil.<br />
Sie arbeitet an verschiedenen Projekten: Sie<br />
entwickelt und choreographiert eigene Solostücke,<br />
tanzt aber auch in Gruppenstücken mit. Im Tanzsolo<br />
«Raum» beschränkt Marion ihre Tanzfläche auf<br />
einen Kubus von 1m 3 .<br />
In Zusammenarbeit mit Daria Gusberti probt<br />
Marion an einem abendfüllenden Stück mit dem<br />
Arbeitstitel «Solo2». Die Tänzerinnen bewegen<br />
sich im Spannungsfeld zwischen normierender<br />
Codierung und einzig<strong>art</strong>iger Zufälle innerhalb der<br />
gleichen Bedingungen: Je ein Rasenstück steht als<br />
Tanzfläche zur Verfügung. Im Hintergrund werden<br />
u. a. gesprochene Codes abgespielt, die einheitliche<br />
Bewegungsabläufe signalisieren. Die Eigenständigkeit<br />
kommt in den improvisierten Solop<strong>art</strong>s<br />
zur Geltung.<br />
Die Luft<strong>art</strong>istik und Yoga Marions erster Auftritt<br />
mit einem Kurzprogramm der öff öff productions<br />
war an der Museeumsnacht 2005. «Davor<br />
habe ich ein halbes Jahr trainiert. Die Artistik am<br />
frei hängenden Tuch braucht viel Kraft. Die Höhe<br />
war zuerst beängstigend. Beim Bungeejumping am<br />
Trapez mit Saltos während fünfzehn Metern freien<br />
Falls bin ich gesichert.»<br />
Neben der Luftakrobatik braucht Marion Yoga,<br />
um zur Ruhe zu kommen. Sie bevorzugt die Technik<br />
nach Iyengar. «Die Arbeit mit dem Material<br />
(Klötze, Seile, Kissen usw.) kommt den individuellen<br />
Voraussetzungen des Körpers entgegen.»<br />
Parallel zur Yoga-Ausbildung unterrichtet Marion<br />
jeden Mittwochabend «Yoga for Dancers» im<br />
PROGR Bern. Es nehmen auch Nicht-Tanzende teil.<br />
In Neuseeland again Marion geniesst momentan<br />
sommerliche Temperaturen in Neuseeland und<br />
freut sich darüber, dass sie sich während drei Wochen<br />
auf eine einzige Sache konzentrieren kann.<br />
Sie nimmt an einer Plattform für Choreographierende<br />
teil, bei der sie sich mit einem Projekt zum<br />
Thema Schnee beworben hat. Gerade dieser jahreszeitliche<br />
Kontrast verspricht eine interessante<br />
Auseinandersetzung mit den Tänzern und Tänzerinnen.<br />
Die Gleichzeitigkeit, die verschiedenen<br />
«Jetzts» sind für Marion von Bedeutung.<br />
Warum Marion das alles kann? Sie ist in Zweisimmen<br />
aufgewachsen und hat während zehn Jahren<br />
als Kunstturnerin fünfzehn Stunden pro Woche<br />
trainiert. Danach war klar: «Wenn ich mit Kunstturnen<br />
aufhöre, beginne ich zu tanzen.»<br />
mailto: marion_ruchti@hotmail.com<br />
32<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
magazin<br />
STADT UND LAND<br />
in einer stadt, vom fluss gleichsam umarmt<br />
Von Anne-Sophie Scholl (Bild: zVg.)<br />
■ Ein Berner Redaktor war es, der Robert Walser<br />
literarisch auf die Sprünge half: Josef Viktor<br />
Widmann, massgebender Feuilletonjournalist der<br />
Zeit. Ihm hatte der Zwanzigjährige eine Sammlung<br />
erster Gedichte geschickt, von denen dieser 1998<br />
eine Auswahl im Sonntagsblatt des Berner «Bund»<br />
publizierte. Nach Bern zog Walser erst gut zwanzig<br />
Jahre später. Eine Anstellung im Staatsarchiv, das<br />
damals noch im Rathaus untergebracht war, brachte<br />
ihn 1921 in die Bundeshauptstadt.<br />
Zwischen Lohnarbeit und Dichterdasein<br />
«[I]ch arbeite tagsüber in einem Büro, das heisst:<br />
in einer Art Gewölbe, blättere in allerhand alten<br />
Akten, in Briefen, Berichten, Verordnungen, Erlassen,<br />
lege Verzeichnisse an und bemühe mich,<br />
sachlich zu sein, was ich ganz hübsch finde, obschon<br />
ich mich dabei ein wenig anstrengen muss.»<br />
So beschrieb Walser seine Arbeit und bemängelte<br />
einzig, durch die Pflichtpensen nun nicht mehr viel<br />
Erzählenswertes zu erleben. Nach nur vier Monaten<br />
kündigt er und kann sich fortan mit einem in<br />
der Zwischenzeit gemachten Erbe finanzieren.<br />
Einmal in Bern, begnügt sich Walser «innerhalb<br />
der Grenzen unserer Stadt zu nomadisieren.» In<br />
acht Jahren ändert er den Wohnort insgesamt<br />
fünfzehnmal. Zu Beginn wohnt er am Murifeldweg<br />
bei einer verwitweten Mutter mit zwei ledigen<br />
Töchtern und fühlt sich bei dieser Familie so wohl,<br />
dass er mit ihnen in die Manuelstrasse umzieht.<br />
Glaubt man seinen dichterischen Ausführungen,<br />
war es die Heiratswilligkeit der beiden Töchter, die<br />
ihn zurück an den Murifeldweg und später in die<br />
Kramgasse getrieben hat.<br />
Lebensempfindungen im literarischen Wort<br />
Literarisch überformt hat Walser seiner Vermieterin<br />
an der Kramgasse 19 ein kleines Denkmal gesetzt:<br />
«Es ergibt sich, dass die grüne Spinne, deren<br />
Haar von der Farbe der Löwen war und deren Augen<br />
tückisch, hinterlistig schillerten, gleich grünen<br />
und unergründlichen Steinen, und die Arme besass,<br />
die mit rötlichen Punkten übersät schienen<br />
und auch in der Tat gewesen sind oder geschienen<br />
haben zu sein, einen bezaubernd jungen schönen<br />
edlen angesehenen und nochmals jungen und vielversprechenden<br />
Menschen einst unter sich hatte,<br />
will sagen sanft leitete und bannte.» Stehend<br />
habe er der Witwe jeweils in der Küche von seinen<br />
Erlebnissen erzählt oder ihr neuste Texte vorgelesen.<br />
Auch seine nächste Schlummermutter an<br />
der Fellenbergstrasse in der Länggasse findet im<br />
«Räuber»-Roman Eingang in Walsers literarischen<br />
Kosmos.<br />
Gerechtigkeitsgasse, Junkerngasse, Thunstrasse,<br />
so die folgenden Stationen, bis Walser an der<br />
Gerechtigkeitsgasse 29, im dritten Stock ein optimales,<br />
mit Putzfrau und Blick auf die Gasse schon<br />
fast feudales Zimmer findet, das seiner literarischen<br />
Produktivität zugute kommt. An diesem Ort<br />
verfasst er den «Räuber»-Roman und schreibt in<br />
diesen Erfahrungen und Empfindungen aus seinen<br />
Berner Jahren ein.<br />
Nach einem kurzen Aufenthalt an der<br />
Thunstrasse wird Walser von der Stadt eine Bleibe<br />
im Landgut Elfenau angeboten und ein zuvor literarisch<br />
antizipierter Wunsch scheint in Erfüllung<br />
zu gehen: «Nun kam ein entzückend lichtes Leben<br />
in mich. Das Gemüt wurde mir zum fortwährend<br />
blauen Himmel» liest man in dem bereits 1921 verfassten<br />
Text «Die Elfenau». Lange kann Walser<br />
dort jedoch nicht bleiben. In kurzen Abständen<br />
zieht er weiter über die Junkerngasse, die Gerechtigkeitsgasse,<br />
die Kramgasse und findet schliesslich<br />
im Kirchenfeldqu<strong>art</strong>ier an der Luisenstrasse<br />
14 eine Unterkunft, in der er mit einem Aufenthalt<br />
von zweieinhalb Jahren am längsten verweilt. Im<br />
Winter 1928/29 kommt es zu einer Krise. Seinen<br />
Vermieterinnen macht er gleichzeitig Heiratsanträge<br />
und bittet sie, ihn mit einem Messer zu erstechen.<br />
Walser sieht ein, dass er Hilfe braucht<br />
und ihm keine andere Wahl bleibt, als sich in die<br />
Waldauklinik zu begeben. Auf dem Krankenblatt<br />
ist Schizophrenie eingetragen – eine Diagnose, die<br />
sich als fataler Irrtum erwiesen hat.<br />
Würdigung in der Altjahrwoche Schwerwiegender<br />
Einschnitt in Walsers Leben ist die Verlegung<br />
in die Pflegeanstalt Herisau in seinem Heimatkanton<br />
Appenzell. Die Geschichte ist bekannt: Walser<br />
verstummt als Dichter. 1956, am Weihnachtstag,<br />
starb er einsam auf einem Spaziergang im Schnee<br />
– einen Tod, den er fünfzig Jahre zuvor in seinem<br />
ersten Roman «Geschwister Tanner» in der<br />
Figur des Dichters Sebastian vorweggenommen<br />
hatte. Fünfzig Jahre später, und vor der grossen<br />
Ausstellung im ZPK, ist Walser in Bern in kleinem<br />
Rahmen gewürdigt worden: Mit einer sorgfältigen<br />
Ausstellung zu dem «Räuber»-Roman in der Galerie<br />
«raum» als Ausgangspunkt und Anker eines intensiven<br />
Rahmenprogramms zu Walser ehrte das<br />
Berner Ausstellungskollektiv Palma3 den Dichter<br />
in der Altjahrwoche. Werner Morlang, langjähriger<br />
Leiter des Robert-Walser-Archivs, der zusammen<br />
mit Bernhard Echte in Walsers mikrographischen<br />
Entwurfschriften auch den «Räuber»-Roman entziffert<br />
hat, führte in einem Rundgang auf Walsers<br />
Spuren durch Bern. Von ihm ist auch eine Publikation<br />
zu Robert Walsers Zeit in Bern erschienen.<br />
Werner Morlang<br />
«Ich begnüge mich, innerhalb der Grenzen unserer<br />
Stadt zu nomadisieren...» Robert Walser in Bern.<br />
Haupt, 1995. vergriffen.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 33
magazin<br />
REISEZIEL HOTEL<br />
basel zeigt pioniergeist<br />
Von Andrea Baumann - Der Betrieb DasBreiteHotel wird von Menschen mit Behinderung geführt (Bild: zVg.)<br />
■ «Stelle infolge von Mobbing gekündigt» oder<br />
«es muss eine Strategie bezüglich Integration entwickelt<br />
werden» oder «Anforderungsprofil: zwischen<br />
25 und 35 Jahren; mit Hochschulabschluss<br />
in Multimanagement, Theologie und Biologie mit<br />
Spezialgebiet Vorderasien; wohnhaft im Kanton<br />
Fribourg, blond, dunkeläugig, Sternzeichen Stier»<br />
– alles Leitsätze, denen gesunde Arbeitnehmer im<br />
heutigen Berufsleben begegnen. Die Anforderungen<br />
auf dem Arbeitsmarkt sind gestiegen und die<br />
Angst, dass man dem Profil nicht entspricht oder<br />
gar ersetzt wird, ist weit verbreitet. Wie ergeht<br />
es jedoch Personen, die körperlich oder geistig<br />
behindert sind? Haben die überhaupt noch eine<br />
Chance auf das rasant kreisende Karussell aufzuspringen?<br />
DasBreiteHotel in Basel möchte mit seinen 26<br />
geschützten Arbeitsplätzen behinderten Menschen<br />
eine Möglichkeit zur Integration bieten.<br />
Anders als in vielen geschützten Werkstätten, wo<br />
es kaum berufliche Kontakte zur Aussenwelt gibt<br />
und deshalb kein Austausch gepflegt werden kann,<br />
geschieht in einem Hotelbetrieb viel Zwischenmenschliches.<br />
Genau dies bestärkte die Initianten,<br />
dass ein kleiner Hotelbetrieb das richtige Umfeld<br />
ist, um Integration, Weiterbildung und Beschäftigung<br />
zu vereinen. Nach mehreren Jahren der<br />
Projektionsphase war es dann im Oktober 2005<br />
soweit: DASBREITEHOTEL konnte seine Eröffnung<br />
feiern.<br />
Ganz im Sinne, dass es nichts zu verbergen gibt,<br />
gewährt die riesige Fensterfront der Eingangshalle<br />
mit der Rezeption und dem Frühstücksraum freie<br />
Ein- und Ausblicke. Das Hotel wird als Garni mit<br />
3-Sterne Klassifikation geführt. Den Gästen wird<br />
morgens ein reichhaltiges Frühstück auf den Tisch<br />
gezaubert. Die Mitarbeitenden werden hingegen<br />
auch mittags von der Küchenmannschaft kulinarisch<br />
verwöhnt. Nebst seiner Funktion als Hotel<br />
sollen die Räumlichkeiten auch als Begegnungsort<br />
fürs Qu<strong>art</strong>ier genutzt werden. Schliesslich ist das<br />
Hotel im Breitezentrum eingebettet. Anziehungspunkt<br />
ist unter anderem der sonntägliche Brunch<br />
einmal im Monat mit Jazzkonzert.<br />
Alle Räumlichkeiten sind äusserst grossflächig<br />
gebaut, inklusive Hotelzimmer, die bezüglich Fläche<br />
5*-Hotel-Anforderungen entsprechen. Es versteht<br />
sich von selbst, dass das ganze Hotel hindernisfrei<br />
gebaut ist und die Badezimmer keine Türe<br />
haben, was alle Gäste sehr schätzen. Das Hotel<br />
wird übrigens nur von wenigen körperlich Behinderten<br />
frequentiert. Insbesondere Messebesucher<br />
und Geschäftsleute finden den Weg ins BreiteHotel<br />
und schätzen die Nähe zu Autobahn, Messegelände<br />
und Industriegebieten sowie die herzliche Beherbergung.<br />
Ueli Genner, der Hoteldirektor, ist stolz auf sein<br />
Team. Er ist überzeugt, dass er das motivierteste<br />
Team der Stadt hat. Da das Hotel auch nach ökonomischen<br />
Aspekten geführt wird, gestaltet sich<br />
das Bewerbungsverfahren sehr ähnlich wie bei<br />
anderen Arbeitgebern. Interessenten bewerben<br />
sich schriftlich auf die Anzeige und werden zu<br />
einem Anstellungsgespräch eingeladen. In einem<br />
weiteren Schritt lernen die Bewerber den Betrieb<br />
während einer Schnupperzeit kennen. Ueli Genner<br />
betont: «Eine wichtige Voraussetzung ist, dass die<br />
Kandidaten den Arbeitsweg selbstständig bewältigen<br />
können.» Anstellungsmöglichkeiten sind im<br />
Bereich Hauswirtschaft und Küche gegeben. Um<br />
die Rezeption und Direktion kümmert sich nichtbehindertes<br />
Fachpersonal. Die BereichsleiterInnen<br />
bringen Erfahrungen aus dem Hotelfach und der<br />
Pädagogik mit. Im Umgang mit den Mitarbeitern<br />
benötigen die Fachkräfte viel Zeit und Geduld. Im<br />
BreiteHotel sind dreimal so viele Mitarbeitende angestellt,<br />
verglichen mit einem normalen Garni-Hotel<br />
derselben Grösse, was sich auch positiv auf die<br />
Atmosphäre auswirkt, denn Hektik kommt nicht<br />
auf. Die Bedienung ist sehr aufmerksam, ja sogar<br />
liebevoll. Thomas Degen, einer der glücklichen Mitarbeiter<br />
ist froh, dass er als Allrounder fungieren<br />
kann. Ob Betten machen, Zimmer reinigen, Küchendienst,<br />
PR-Aufgaben, Servieren oder Botengänge,<br />
der Alltag im BreiteHotel bietet Thomas<br />
viel spannende Abwechslung. Auch die täglichen<br />
Begegnungen mit den Gästen und Kollegen bedeuten<br />
eine Bereicherung für ihn.<br />
Nicht nur das innerbetriebliche Klima stimmt<br />
zu Freude an, auch die Tatsache, dass bereits im<br />
ersten Geschäftsjahr die Bettenauslastung alle Erw<strong>art</strong>ungen<br />
übertroffen hat und sich ein Kreis von<br />
Stammgästen gebildet hat. Die Medienpräsenz,<br />
auch aus dem benachb<strong>art</strong>en Ausland, und das<br />
allgemeine Interesse waren sehr hoch und unterstützten<br />
die positive Bilanz entscheidend. Es bleibt<br />
zu hoffen, dass dieses engagierte, mutige Pionierprojekt<br />
Ausstrahlung in die ganze Schweiz hat.<br />
DASBREITEHOTEL<br />
Zürcherstrasse 149, CH-4052 Basel<br />
Telefon: +41 (0)61 315 65 65<br />
Fax: +41 (0)61 315 65 00<br />
E-Mail: mail@dasbreitehotel.ch<br />
www.dasbreitehotel.ch<br />
Besitzer: Verein Zämme – das andere Hotel<br />
Anreise:<br />
Mit dem Auto – Autobahnausfahrt «Breite» der<br />
Nord-Süd-Achse A2. Im Parking des Hotels stehen<br />
18 Plätze zur Verfügung.<br />
Mit dem öffentlichen Verkehr ab Bahnhof<br />
SBB mit dem Tram 8, 10 oder 11 eine Station bis<br />
«Aeschenplatz», dort auf die Linie 3 Richtung<br />
Birsfelden wechseln und an der Station «Breite»<br />
aussteigen.<br />
Preis pro Zimmer / Nacht/ inkl. Frühstück:<br />
EZ: Fr. 90–170.- / DZ, Grand lit: Fr. 120–210.- / DZ,<br />
zwei Betten: Fr. 170–250.-<br />
Gastronomie:<br />
Nur Garnibetrieb; Kaffee, Tee, Kuchen; Sonntagsbrunch<br />
34<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
magazin<br />
REISEN<br />
diesmal vancouver<br />
Von Simone Wahli - Object May Be Closer Than They Appear Vol II: Amerikanisches Diner meets Mühle Hunziken<br />
■ Regen und andere Katastrophen Momentan<br />
wirft der Prozess um einen Schweinezüchter aus<br />
Vancouver, der sage und schreibe neundundvierzig<br />
Opfer vergewaltigt und getötet haben soll, ein<br />
schlechtes Licht auf die angeblich schönste Stadt<br />
der Welt.<br />
Und auch mich hat sie im November letzten<br />
Jahres, zumindest was das Wetter anbelangt,<br />
nicht mit offenen Armen willkommen geheissen.<br />
Denn die ersten zwei Wochen meines Aufenthalts<br />
fiel mehr Regen als normalerweise im gesamten<br />
Monat November fällt. Dazu kam ein tückischer<br />
Wind, der meinen Verschleiss an Regenschirmen<br />
der<strong>art</strong> in die Höhe trieb, dass ich schon versucht<br />
war nach einer entsprechenden Kundenk<strong>art</strong>e zu<br />
fragen. Die ersten vierzehn Tage war mein Blickfeld<br />
also ziemlich eingeschränkt.<br />
Nachdem die Sintflut überstanden war, folgte<br />
ein Schäumchen Schnee, welches dazu führte,<br />
dass die städtische Infrastruktur für Tage darniederlag:<br />
Busse fuhren, wenn überhaupt, mit mehreren<br />
Stunden Verspätung, ein Grossteil der Schulen<br />
war geschlossen und viele Arbeitnehmer blieben<br />
ihren Büros fern. Da ich mein Erstaunen ob diesem<br />
unerw<strong>art</strong>eten Verhalten gegenüber Schnee nicht<br />
ganz zu verbergen vermochte, wurde ich darüber<br />
in Kenntnis gesetzt, dass Vancouver nur alle zwei<br />
bis drei Jahre Schneefall zu erw<strong>art</strong>en hat und insofern<br />
wahrhaftig nicht gerüstet ist, geschweige<br />
denn gerüstet sein kann.<br />
Doch es gab auch Lichtblicke, denn wenn dann<br />
die Sonne einmal scheint, und sei auch nur für wenige<br />
Stunden, freuen sich die Einwohner Vancouvers<br />
über alle Massen und ziehen ihre Jogginghosen<br />
an, um eine Runde im Stanley Park zu drehen.<br />
Ein Ort zum Verweilen Weniger Sportliche<br />
fröhnen des Amerikaners, pardon Kanadiers, liebster<br />
Beschäftigung: dem Shoppen. Und dies am<br />
besten in Kitsilano, wo nebst individuellen Kleidergeschäften<br />
auch fantastische Inneneinrichter und<br />
Delikatessenläden zu finden sind. Und ist man vom<br />
Anprobieren und Geschirrschleppen - denn schönes<br />
Geschirr ist in Vancouver zu echten Schnäppchenpreisen<br />
zu haben - erschöpft, setzt man sich<br />
am Besten in Sophie’s Cosmic Café.<br />
Vollgestellt mit Spielzeug aus den 1950er und<br />
1960er Jahren, Postk<strong>art</strong>en, Souvenirs und mannigfaltigen<br />
Erinnerungsstücken ist seine Einrichtung<br />
so ziemlich das pure Gegenteil derjenigen<br />
von Starbucks.<br />
Seit dem Jahre 1988 ist dieses Fundstück, im<br />
Herzen Kitsilanos gelegen, sieben Tage die Woche<br />
geöffnet. Die Familie Dikeakos und insbesondere<br />
die Namensgeberin Sophie sorgen dafür, dass sich<br />
hier jeder Gast wie zu Hause fühlt. Und so treffen<br />
wir neben den mehrheitlich hippen Bewohnern<br />
Kitsilanos auch auf Rentner, welche sich hier zu<br />
einem kurzen oder längeren Plausch treffen und<br />
dabei vom kostenlosen Kaffeenachschenkservice<br />
ausgiebig Gebrauch machen, sowie auf ganze Familien,<br />
die sich auf den 65 Sitzplätzen häuslich<br />
einrichten. Denn Kinderherzen schlagen nicht nur<br />
wegen der riesigen Milkshakes höher, auch Farbstifte<br />
und Zeichenpapier sind immer zur Hand und<br />
wer weiss, vielleicht hängt eines der von den kleinen<br />
Künstlern geschaffen Kunstwerke schon bald<br />
an der proppenvollen Wand.<br />
Auf der Speisek<strong>art</strong>e sind neben Burgern und<br />
Fries auch Pasta und einzelne mexikanische Gerichte<br />
zu finden, die alle aus frischen Zutaten<br />
hergestellt werden. Doch wofür Sophie’s über die<br />
Jahre berühmt geworden ist und sogar mehrere<br />
Preise entgegennehmen durfte, ist und bleibt sein<br />
Frühstück. Insbesondere Sonntags erfreuen sich<br />
die Egg Benedict und Spanish Omelettes der<strong>art</strong>iger<br />
Beliebtheit, das man gut und gerne eine halbe<br />
Stunde Anstehen in Kauf nehmen muss.<br />
Hat man das Diner einmal so sehr ins Herz<br />
geschlossen, dass man sich öffentlich zu ihm bekennen<br />
möchte, kann man für 20 CAD sogar ein<br />
T-Shirt aus 100 Prozent Baumwolle erwerben, alsdann<br />
man den Sophie’s Schriftzug fortan stolz auf<br />
seiner Brust spazieren führen darf (die legendäre<br />
Hotsauce ist für läppische 5 CAD zu erstehen).<br />
Auch ohne entsprechendes T-Shirt ist man jedoch<br />
herzlich willkommen.<br />
Sophie’s Cosmic Cafe, 2095 West 4th Avenue,<br />
Vancouver / Tel: 604-732-6810<br />
Öffnungszeiten:<br />
Sieben Tage die Woche, 8:00am - 9:30pm<br />
www.sophiescosmiccafe.com<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07 35
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36<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07
<strong>art</strong>ensuite<br />
nr. 02/2007<br />
Titelseite: M.S.Bastian<br />
M.S.Bastian’s Lonely He<strong>art</strong>s Club Bänd, 2006, Mischtechnik<br />
mit Collage auf LW, 140 x 120 cm / Seite 43<br />
Eine Reise durch drei Sphären... 38 | Ohrenbetäubende Entgrenzung 39 | Unendlich viel K<strong>art</strong>on im freien Raum... 40 |<br />
Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | off 07 44 | Auf winzigstem Raum 45 | «Ich stelle die wahrheit dar, so wie<br />
ich sie empfinde.» 46 | Berner Galerien 47 | Augenspiel 50 | Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51
38<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Christian Vogt, Ausblicke,<br />
Piezzo Print auf<br />
Büttenpapier, 150 x<br />
220 cm<br />
Claudia di Gallo<br />
- TRAILBLAZER<br />
Selected by…<br />
– Ankäufe 2003-<br />
2006 der Kunstsammlung<br />
der<br />
Stadt Biel<br />
CentrePasquArt,<br />
Seevorstadt 71-<br />
75, Biel. Bis 18.<br />
März.<br />
Christian Vogt<br />
- Photographic<br />
Essays on Space<br />
Bis 4. März.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h,<br />
Samstag und<br />
Sonntag 11:00-<br />
18:00 h.<br />
Eine Reise durch drei Sphären…<br />
■ Claudia di Gallo präsentiert im<br />
CentrePasquArt Biel in ihrer bisher<br />
grössten Einzelausstellung ihre persönliche<br />
Kosmologie, bestehend aus<br />
den drei Sphären «Galaksy», «Biosphere»<br />
und «Underworld». Vernetzt sind<br />
diese drei Welten, die auf die unterschiedlichen<br />
Zustände der menschlichen<br />
Psyche Bezug nehmen, durch<br />
Monika Schäfer<br />
die «Transit Area». Um den BesucherInnen<br />
die Reise durch die menschliche<br />
Befindlichkeit zu erleichtern,<br />
stellt die Künstlerin verschiedene<br />
Navigationshilfen – «Trailblazer»-Cosmogramm,<br />
-Stäbe und -Compass<br />
– zur Verfügung. Fotografien zeigen,<br />
wie weissgewandete «Voyagers» auf<br />
die drei Welten, symbolisiert durch<br />
blaue, rote und schwarze Kugeln, reagieren.<br />
Die detaillierte Ankündigung<br />
der Ausstellung «Trailblazer» hat mich<br />
sehr angesprochen und ich habe von<br />
di Gallos Kosmologie viel erw<strong>art</strong>et<br />
– und auch wenn ich mit Vergnügen<br />
durch den 60 Meter langen Textiltunnel<br />
mit Licht- und Videoinstallation,<br />
die «Transit Area», gewandelt bin, hält,<br />
meines Erachtens, das Konzept nicht,<br />
was es verspricht. Die drei Sphären<br />
entbehren an Intensität – der Wechsel<br />
von einer Welt in die andere stellt weder<br />
ein psychisch noch ein physisch<br />
intensives Erlebnis dar. Aber am besten<br />
gehen und sehen Sie selbst, denn<br />
empfehlen möchte ich den Besuch im<br />
CentrePasquArt und dem Photoforum<br />
allemal, bieten doch diese mit drei<br />
Ausstellungen gewissermassen auch<br />
eine Reise durch drei Sphären an.<br />
In «Selected by…» bezieht die<br />
Kunstkommission der Stadt Biel zu<br />
den Ankäufen der letzten vier Jahre<br />
Stellung. Dabei hat sie sich für ein<br />
originelles Ausstellungskonzept entschieden:<br />
Jedes Mitglied der Kommission<br />
gestaltet einen Raum des<br />
CentrePasquArt mit Werken seiner<br />
Präferenz und steht an einer Führung<br />
persönlich Rede und Antwort. Entstanden<br />
sind auf diese Weise zwölf<br />
sehr individuell gestaltete Mini-Ausstellungen.<br />
Während beispielsweise<br />
Ruedi Vogt seinen Raum mit Fotoarbeiten<br />
von Pierre Montavon, Christian<br />
Staub und Andreas Tschersich<br />
bestückt, Betty Stocker in den ihren<br />
eine Installation von San Keller einqu<strong>art</strong>iert,<br />
greift Hannah Külling mit<br />
den Objekten von Pavel Schmidt und<br />
Daniel Zimmermann das Thema der<br />
Vergänglichkeit auf. In «Selected by…»<br />
werden Freude und Eifer der zwölf<br />
KuratorInnen sofort spürbar – kein<br />
Wunder, durfte doch jedes Mitglied<br />
ohne langwieriges Abstimmungsprozedere<br />
die Werke ganz nach eigenem<br />
Gusto auswählen und war von deren<br />
Transport bis zur Hängung/Installation<br />
selbst für jeden Arbeitsschritt zuständig.<br />
Eine entsprechend vielseitige<br />
und spannende Ausstellung erw<strong>art</strong>et<br />
die BesucherInnen – und wem dies<br />
nicht genügt, der kann sich mittels<br />
Terminals in der gesamten Kunstsammlung<br />
der Stadt Biel umsehen.<br />
Im Photoforum regt Christian Vogt<br />
zum Nachdenken über die visuelle<br />
Wahrnehmung von Raum und Zeit<br />
an. So spielt der Künstler in der dreiteiligen<br />
Serie «Lenin/Klee/Fromm»<br />
mit der individuellen Vorstellungskraft<br />
der BetrachterInnen: Auf einer<br />
der grossformatigen Schwarzweiss-<br />
Aufnahmen erkennen wir das Interieur<br />
einer Kneipe, auf den ersten Blick<br />
eine durchaus gelungene Fotografie<br />
eines eher banalen Ortes. Erfahren<br />
wir nun aber aus der Bildlegende,<br />
dass Lenin in diesem Basler Restaurant<br />
1916 eine Rede gehalten hat,<br />
verändert sich unsere Wahrnehmung<br />
der Aufnahme. Vogt meint dazu: «Ein<br />
Ort, an dem etwas geschehen ist, ist<br />
nicht mehr derselbe Ort. Zumindest<br />
im Kopf.» In der Serie «Zweidimensionale<br />
Räume (Garagen)» führt der<br />
Künstler das Spiel mit der visuellen<br />
Wahrnehmung weiter. Wir erkennen<br />
sofort die Innenansichten von Garagen<br />
in ihrer ganzen Dreidimensionalität.<br />
Bei längerer Betrachtung stellen<br />
unsere Augen aber unwillkürlich von<br />
räumlichem Sehen auf zweidimensionales<br />
Sehen um. Losgelöst vom<br />
Bildsujet nehmen wir nun in einer<br />
zweidimensionalen Bildfläche nebenund<br />
übereinander liegende Farbfelder<br />
und Linien wahr. Den Fotografien<br />
sind zwei verschiedene Les<strong>art</strong>en eingeschrieben:<br />
zwei- und dreidimensionale<br />
Wahrnehmung wechselt sich<br />
ab. «Photographic Essays on Space»<br />
- einen treffenderen Titel hätte Vogt<br />
für diese Ausstellung kaum wählen<br />
können.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
39<strong>art</strong>ensuite<br />
Ohrenbetäubende Entgrenzung<br />
Nicola Schröder<br />
risch geordnete Abstrakta von Balken<br />
und Punkten zahlreiche stark expressiv<br />
bewegte Strichverläufe, allesamt in<br />
farblosem Schwarz. Erhellt von einer<br />
wechselnden Projektion der gleichen<br />
Arbeiten an der Frontseite des Raumes,<br />
ist in seiner Mitte das Zentrum<br />
des Geschehens markiert. Von dort<br />
gehen nun rhythmisch abgehakte<br />
Geräusche aus, untermalt von dem<br />
dumpfen Ton eines Keyboards. Abwechselnd<br />
zum Klopfen ertönt wie<br />
von fern eine brummend singende<br />
Stimme. Die Qualität der Geräuschkulisse<br />
verändert sich jedoch schnell.<br />
Ohrenbetäubendes Kreischen von E-<br />
Gitarre und Keyboard schmettern jetzt<br />
auf das Publikum ein. Als extrahierte<br />
und bis zur Unerträglichkeit gedehnte<br />
Störungssequenzen dringen die<br />
Geräusche in die Köpfe. Anwesende,<br />
dicht gedrängt auf der Treppe und am<br />
Boden sitzend, halten sich schützend<br />
■ Die Wände des abgedunkelten<br />
Kellerraums der Kunsthalle finden<br />
sich bepflastert mit einer Sammlung<br />
neben und übereinander angeordneter<br />
heller Leinwände. Darauf zu<br />
erkennen sind eingestreut in geometdie<br />
Ohren oder leisten der Überforderung<br />
tapfer Widerstand. Die Bilder<br />
scheinen nun ihren Sinn als Verbildlichung<br />
des Gehörten zu erhalten - wie<br />
eine Reminiszenz an das romantische<br />
Ideal vom Gesamtkunstwerk, das nun<br />
in seiner übertriebenen Verzerrtheit<br />
in schmerzhafte und damit körperliche<br />
Bereiche vordringt.<br />
Als Teil der Eröffnung ihrer derzeit<br />
in der Kunsthalle Bern zu sehenden<br />
Ausstellung fand sich die Künstlerin<br />
Jutta Koether hier mit der Musikerin<br />
Kim Gordon, Gründungsmitglied der<br />
legendären alternativen Rockgruppe<br />
«Sonic Youth», zu einer Performance<br />
zusammen. Der Titel der Ausstellung<br />
«Änderungen aller Art» vermittelt in<br />
der Anspielung auf das aussterbende<br />
Gewerbe des Änderungsschneiders<br />
einen Eindruck vom Anspruch,<br />
Qualität in Passform zu bringen. Ob<br />
dieser Anspruch für Koether selbst<br />
gilt, die für eine Neubewertung der<br />
Malerei eintritt oder als kritische Bewertung<br />
der zeitgenössischen Kunst,<br />
die sich häufig als gebetsmühlen<strong>art</strong>ige<br />
Wiederholung tradierter Formen<br />
und Inhalte mit minimalen Modifikationen<br />
erweist, bleibt jedoch offen.<br />
Denn gleichzeitig geht es ihr um die<br />
Lösung von alten Kategorien, darum<br />
den Kanon anzugreifen und Mobilität<br />
zu schaffen.<br />
Die Auswahl der Kunsthalle befasst<br />
sich mit einem Überblick über das<br />
Werk Koethers und beginnt mit Arbeiten<br />
der achtziger Jahre, unter denen Titel<br />
wie «Ursprung der Welt», «Cezanne,<br />
Courbet, Manet, van Gogh, ich» oder<br />
«Spargelbund» unmissverständlich auf<br />
die Auseinandersetzung mit zentralen<br />
Figuren der frühen Moderne und die<br />
Kunst des 19. Jahrhunderts verweisen.<br />
In starker Farbigkeit modifiziert<br />
Koether die Motive der Vorbilder oder<br />
bringt sie wörtlich in Lettern in einen<br />
gemeinsamen Bildraum. Im Laufe der<br />
Zeit und in wandelnder Bildgrösse<br />
bis hin zu Arbeiten von sechs Quadratmetern<br />
Fläche lässt Koether wahlweise<br />
in grellbunten oder gebrochenen<br />
Farben Abstrakta mit figürlichen<br />
Elementen verwachsen. Bilder wie<br />
Explosionen stehen neben solchen<br />
mit klar abgegrenzter Formensprache,<br />
häufig mit Bezug auf den weiblichen<br />
Körper. Kleinere Arbeiten verweisen<br />
auf Punk und Fetisch mittels collage<strong>art</strong>iger<br />
Anbringung populärer Gegenstände<br />
wie Totenschädel, Ketten oder<br />
Dollarnoten. An gleicher Stelle finden<br />
sich aber auch konservativ anmutende<br />
Ortsdarstellungen aus New York.<br />
Jutta Koether.<br />
Änderungen<br />
aller Art.<br />
Kunsthalle Bern,<br />
Helvetiaplatz 1<br />
Geöffnet<br />
Mittwoch bis<br />
Sonntag 10:00-<br />
17:00h, Dienstag<br />
10:00-19:00h. Bis<br />
11. März.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
40<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Mit Verweisen, Anspielungen und Erwähnungen<br />
in verbaler und gemalter<br />
Form versucht sich die Künstlerin im<br />
Rahmen einer künstlerischen Ausrichtung<br />
zu positionieren, die sich neben<br />
den bereits Genannten über Grössen<br />
wie Füssli, Blake, Moreau und ähnliche<br />
definiert. Ihre Techniken hingegen<br />
erinnern häufig an die amerikanische<br />
und betont sinnentleerte Malerei<br />
des 20. Jahrhunderts. Zu den jüngeren<br />
Arbeiten Koethers zählen einige<br />
kleinformatige Blätter, Zeichnungsund<br />
Bildmaterial, das im Eingangsbereich<br />
an Stellwänden angebracht<br />
ist. In Schwarz und Silber gehalten,<br />
eingerissen und mit Liquidglas übergossen,<br />
finden sich darauf z<strong>art</strong>e Spuren<br />
von Schrift, die den Arbeiten eine<br />
ganz eigene Präsenz verleihen. Sie<br />
erscheinen wie Gedankenfetzen und<br />
flüchtige Experimente. Im Raum daneben<br />
spiegelt angekratztes, aufgerissenes<br />
Glanzpapier auf silberner Wand<br />
seinen Betrachter, am Boden eine auf<br />
Hochglanz polierte Metallkugel.<br />
Es ist die Vielfältigkeit und das Undefinierte<br />
im Werk Koethers, das den<br />
Betrachter häufig unentschieden und<br />
ratlos macht. Es erscheint vieles bekannt<br />
und ist angesichts der übrigen<br />
Arbeiten doch nicht im Sinne einer<br />
Entwicklung oder eines Kontextes<br />
einzuordnen. Die Suche nach Neuem<br />
und Unbelastetem mag hier im Vordergrund<br />
stehen, das primäre Ergebnis<br />
dieser Suche ist ihre Sichtbarwerdung.<br />
Die aus Köln stammende Jutta Koether<br />
wird häufig in engem Bezug<br />
zur dortigen Kunstszene der achtziger<br />
Jahre gesehen. Ihre Erfahrungen in<br />
New York seit den neunziger Jahren<br />
haben sie jedoch ihren Ansatz festigen<br />
lassen, als Künstlerin nicht fassbar zu<br />
sein und als Persönlichkeit zwischen<br />
den Genres in Bewegung zu bleiben.<br />
Die ausgebildete Kunstpädagogin, deren<br />
Überzeugung es entstammt, dass<br />
Kunst nicht lehrbar sei, verlegte sich<br />
auf die Bedienung verschiedener Rollen<br />
der Kunstwelt. Neben ihrem Engagement<br />
als Malerin, Performancekünstlerin<br />
und Musikerin bespielte sie<br />
auch die andere Seite der kulturellen<br />
Produktion als Kritikerin und Redakteurin<br />
einer Popkulturzeitschrift<br />
sowie als Dozentin. Die Grenzen all<br />
dieser Rollen und Engagements sind<br />
fliessend.<br />
Bei der in Zusammenarbeit mit<br />
dem Kölnischen Kunstverein entstandenen<br />
Ausstellung handelt es sich um<br />
die erste Einzelausstellung von Jutta<br />
Koether in der Schweiz.<br />
Ausstellungsansicht:<br />
Suzanne Castelberg<br />
im espace libre.<br />
Suzanne Castelberg<br />
- unendlich<br />
endlich<br />
espace libre,<br />
Seevorstadt 73<br />
(hinter CentrePasquArt),<br />
Biel. Geöffnet<br />
Mittwoch bis<br />
Freitag 14:00-<br />
18:00 h, Samstag<br />
und Sonntag<br />
11:00-18:00 h.<br />
Finissage 4. März<br />
15:00-18:00 h.<br />
Unendlich viel K<strong>art</strong>on im freien Raum…<br />
■ Well-, Falt- und Kraftk<strong>art</strong>on,<br />
Schuh-, Spende- und Selbstaufrichtk<strong>art</strong>on…<br />
die Vielfalt des K<strong>art</strong>ons ist<br />
unermesslich! Das meist graubraune<br />
Material ist aus unserem Alltag nicht<br />
mehr wegzudenken, und doch nehmen<br />
wir es meist erst beim Altk<strong>art</strong>onbündeln<br />
richtig wahr. Haben Sie sich<br />
nicht auch schon gefragt, was wohl<br />
nach dem Recycling aus der entsorgten<br />
Pralinenschachtel werden wird?<br />
Suzanne Castelberg, im Raum Biel<br />
unter anderem durch unterschiedlichste<br />
Kunstprojekte und «design<br />
desire», ihr Atelier für Kunst, Grafik<br />
und Musik bekannt, beschäftigt sich<br />
bereits seit einigen Jahren mit dem<br />
faszinierenden Gemisch aus Zellstoff,<br />
Holzschliff und Altpapier, so zum<br />
Beispiel in «carpe c<strong>art</strong>onem» und «my<br />
home is my castle». Dabei interessiert<br />
die Künstlerin vor allem der ewige<br />
Kreislauf, den das rezyklierbare Material<br />
K<strong>art</strong>on durchläuft. Ihr aktuelles<br />
Werk, die begehbare Installation<br />
«unendlich endlich», versteht Castelberg<br />
denn auch als Metapher für das<br />
Gegenwärtige und das Vergängliche.<br />
Sie nähert sich diesen grundlegenden<br />
Fragen des Seins auch über ihre Stimme<br />
an. In Zusammenarbeit mit der<br />
Violinistin Ursula Grossenbacher sind<br />
«Klang-Transformationen» entstanden,<br />
die die visuelle und haptische Dimension<br />
der Installation um eine auditive<br />
erweitern. So finden die BesucherInnen<br />
im kargen Raum des espace libre<br />
sowohl einen Klang- als auch einen<br />
K<strong>art</strong>onteppich vor – beide Resultat<br />
der künstlerischen Auseinandersetzung<br />
mit dem Kreislauf von Vergehen<br />
und Werden.<br />
Noch einige Bemerkungen zum<br />
espace libre: Gegründet wurde der<br />
alternative Kunstraum von vis<strong>art</strong>e<br />
Biel, um Kunstschaffenden die Auseinandersetzung<br />
mit einem unbewachten,<br />
institutionell unabhängigen<br />
Ausstellungsraum zu ermöglichen.<br />
Seit der Gründung im Jahr 2000 haben<br />
bereits über vierzig Kunstschaffende<br />
im espace libre ausgestellt. Mit<br />
der Installation von Suzanne Castelberg<br />
verabschieden sich nach über<br />
zweijähriger Führung Katrin Weilenmann<br />
und Hans Kloeti. Sie übergeben<br />
die Leitung des espace libre den<br />
Bieler Kunstschaffenden Pat Noser,<br />
Monika Loeffel und Lorenzo le kou<br />
Meyr. (ms)<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
41<strong>art</strong>ensuite<br />
Kunst im Buch<br />
Blickwechsel<br />
■ «AH-OH» heisst eines von Markus<br />
Raetz’ bekanntesten Objekten, zwei<br />
Laute, die dem erstaunten Ausruf<br />
Ausdruck verleihen, eine Reaktion,<br />
die angesichts der witzigen Augenspielereien<br />
Raetz’ nicht gerade selten<br />
eintritt. Zugleich markiert das Werk,<br />
das eine Art Würfel aus besagten vier<br />
Buchstaben darstellt, auch die sprachliche<br />
Dimension, die häufig integraler<br />
Bestandteil von Raetz’ Kunst ist.<br />
Die Irritation in Wort und Bild, das<br />
Veränderliche und Zweideutige der<br />
Wirklichkeit hat zahlreiche Autoren<br />
zu Äusserungen animiert und inspiriert.<br />
Eine nahezu komplette Sammlung<br />
aus dieser Vielzahl an Texten ist<br />
nun in einer handlichen Ausgabe als<br />
Lesebuch erschienen.<br />
Zwischen Werkbeschreibungen,<br />
Erläuterungen zu künstlerischen<br />
Techniken und sogar Poesie umfasst<br />
die Publikation «Blickwechsel» Texte<br />
aus den Jahren 1966 bis 2005 und<br />
gibt damit nicht nur einen breit angelegten,<br />
kohärenten Überblick über<br />
Raetz’ Schaffen, sondern lässt auch<br />
bedeutende Personen aus Zeit- und<br />
Kunstgeschichte des schweizerischen<br />
Umfelds zu Wort kommen wie etwa<br />
Harald Szeemann, Jean-Christophe<br />
Ammann oder Theo Kneubühler. Neben<br />
Aufsätzen aus teilweise bereits<br />
vergriffenen Katalogen finden sich<br />
auch Artikel aus Zeitschriften und<br />
Zeitungen.<br />
Die Versprachlichung der Kunstwerke<br />
weckt wie vor den Originalen<br />
die Vorstellungskraft und Erinnerung<br />
der Leser. Lohnenderweise wurde<br />
dennoch auf dezente Illustrationen in<br />
schwarzweiss nicht verzichtet, bieten<br />
sie doch immer noch eine willkommene,<br />
visuelle Orientierungshilfe.<br />
Zwischen Wortmetamorphosen, babylonischem<br />
Sprachgewirr, verändertem<br />
Blickwinkel und Aha-Erlebnissen<br />
mag dieses Buch als Leitfaden dienen.<br />
Aber Achtung: Für eine Sicherheit<br />
gegenüber Raetz’ Werken gibt es<br />
dennoch keine Gewähr. (sm)<br />
Blickwechsel, Texte zum Werk von<br />
Markus Raetz, hrsg. von Stephan<br />
Kunz, Aargauer Kunsthaus / Verlag<br />
für moderne Kunst, 2005, 362 Seiten,<br />
Fr. 42.00.<br />
Ausdruckskraft<br />
■ Auguste Rodin (1840-1917) hat die<br />
vom Klassizismus dominierte Bildhauerei<br />
in die Moderne geführt und gilt<br />
als einer der Wegbereiter der modernen<br />
Kunst. In seinen ersten Arbeiten<br />
herrscht noch Realismus vor. Wenige<br />
Jahre später sind seine eindrücklichen<br />
Skulpturen voll expressiver<br />
Ausdruckskraft und einer sinnlichen<br />
Symbolik. Letztere ist eine von Intuition<br />
geprägte, statt auf literarische<br />
Vorlagen beruhende; der unmittelbare<br />
Kontakt mit der Natur ist ausschlaggebend:<br />
«Ich erschaffe nicht, ich sehe,<br />
und weil ich sehe, bin ich in der Lage<br />
etwas hervorzubringen.»<br />
In den 1880er Jahren beginnt Rodin<br />
mit monumentalen Werken wie dem<br />
«Höllentor», wodurch wiederum Arbeiten<br />
wie «Der Kuss» oder «Der Denker»<br />
entstehen können, zwei der bekanntesten<br />
Werke des Bildhauers und der<br />
Geschichte der Skulptur schlechthin.<br />
Die «Bürger von Calais» sind von einer<br />
klaren Charakterisierung ohne weitere<br />
Beigaben geprägt. Hier wird bereits<br />
die für Rodins Spätwerk so typische<br />
Reduktion auf das Wesentliche deutlich.<br />
Nichts Überflüssiges ist auszumachen,<br />
verbunden mit einer spontanen<br />
Behandlung des Materials.<br />
Nach Ausstellungen zu Rodin und<br />
Beuys, Rodin und Claudel oder Rodin<br />
und Picasso wird uns nun vom Kunsthaus<br />
Zürich (9. Februar - 13. Mai) und<br />
der Royal Academy of Arts in London<br />
wieder einmal der ganze Rodin präsentiert.<br />
Die zu den beiden Ausstellungen<br />
erschienene Publikation ist<br />
ebenso umfassend. Die Essays sind<br />
vor allem Rodins Rezeption und speziell<br />
der Rezeption in England gewidmet.<br />
Danben werden wichtige Werke<br />
wie das «Höllentor», «Die Bürger von<br />
Calais» oder das «Balzac-Denkmal»<br />
hervorgehoben. Ein beachtlicher<br />
Werkkatalog und die hervorragenden<br />
Abbildungen kommen hinzu. Insbesondere<br />
die zahlreichen historischen<br />
Fotografien aus Rodins Zeit sind ein<br />
Leckerbissen. (di)<br />
Rodin, Katalog zur Ausstellung in London<br />
2006/2007 und Zürich 2007, Hatje<br />
Cantz, 2006, 320 Seiten, Fr. 83.00.<br />
Ateliergeschichten<br />
■ Nachdem uns der Knesebeck Verlag<br />
vor einiger Zeit (ensuite - kulturmagazin<br />
Nr. 42/43) mit der Publikation<br />
«Francis Bacon. Spuren im Atelier<br />
des Künstlers» bereits ins Atelier von<br />
Francis Bacon führte, so folgt nun der<br />
Gang ins Atelier von Lucian Freud<br />
(1922-2005). Freud steht in Wichtigkeit<br />
und Bekanntheit wohl nur wenig<br />
hinter Bacon – wenn denn überhaupt.<br />
Und sie sind natürlich irgendwo Verwandte<br />
im Geiste; beide blieben in<br />
einer Zeit der vorherrschenden Abstraktion<br />
dem Gegenstand und der<br />
Figur treu, entwickelten aber auch einen<br />
ganz unterschiedlichen Umgang<br />
mit Gegenstand und Figur.<br />
Die Publikation zu Freud unterscheidet<br />
sich in vielem von derjenigen<br />
zu Bacon. Dem eigentlichen Katalog<br />
mit Fotografien von Bruce Bernard<br />
und David Dawson ist nur gerade<br />
ein Interview vorangestellt. Sebastian<br />
Smee (Kunstkritiker und Freud-Kenner)<br />
führte das Interview, das manchmal<br />
etwas befremdet, wenn Smee<br />
z. B. nach Freuds Bekanntschaften zu<br />
Bacon, Gaicometti, Duchamp und natürlich<br />
zu Freuds Grossvater Sigmund<br />
Freud befragt, was eher den Anschein<br />
eines Namedroppings weckt. Dies<br />
sind Stellen, in denen man nur wenig<br />
über Freuds Arbeit erfährt, die ja eigentlich<br />
im Zentrum stehen sollte.<br />
Es ist sicher kein Buch, das als Einführung<br />
in Freuds Leben und Werk zu<br />
verwenden ist. Die Herausgeber fokussieren<br />
auf Bernards und Dawsons<br />
Fotografien des Künstlers und seiner<br />
Modelle, so dass wenig Hintergrund<br />
und Information zu Freuds Schaffen<br />
geliefert wird. Aber es ist auch nicht<br />
notwendig, dass jede Publikation das<br />
Schaffen eines Künstlers umfassend<br />
beleuchtet. Hingegen wunderbar und<br />
berührend sind die frühen Fotos von<br />
Bernard, in denen Freud posiert und<br />
akrobatische Einlagen macht oder<br />
Dawsons Fotos, die kurz vor Freuds<br />
Tod entstanden sind. (di)<br />
Lucian Freud im Atelier. Lucian Freud<br />
im Interview mit Sebastian Smee. Fotos<br />
v. Bruce Bernard u. David Dawson,<br />
Knesebeck, 2006, 250 Seiten, Fr.<br />
97.00.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
42<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
43<strong>art</strong>ensuite<br />
«Jeder macht, was er will…»<br />
■ …spricht eine männliche Stimme<br />
aus dem Off. Auf einen künstlerischen<br />
Ausdruck hin bezogen ist diese Aussage<br />
sicher nicht falsch und für Yves<br />
Mettlers Ausstellung in der Galerie<br />
Annex14 bedeutet dies unter anderem<br />
eine Auseinandersetzung mit Architektur.<br />
In den «Kairopieces» von 2006<br />
treffen in Inkjetprints weisse Flächen<br />
auf Recyclingpapier und grenzen sich<br />
ohne Zwischentöne h<strong>art</strong> gegen den<br />
Papierton ab. Nach fotografischen<br />
Vorlagen von Gebäuden gestaltet,<br />
dominieren in der Umsetzung die<br />
ornamentalen Strukturen der eckig<br />
geraden oder kurvig geschwungenen<br />
Formen. Als hätte ein Blitzlicht die<br />
Umwelt fast bis zur Unkenntlichkeit<br />
erhellt, ist aus den Darstellungen kein<br />
identifizierbarer, eindeutiger Ort mehr<br />
auszumachen, denn die individuellen<br />
Details fehlen gänzlich, womit im allgemeinen<br />
Bild die Frage nach der fehlenden<br />
kulturellen Identität aufkommt:<br />
Zunehmend erstaunt, dass diese moderne,<br />
europäisch anmutende Architektur<br />
in Kairo zu finden sein soll.<br />
Dieses Tunnel-Denken thematisiert<br />
Mettler in einer Klang-Installation, die<br />
aus dem Inneren von vier Souffleur-<br />
Kästen den Galerieraum bespricht.<br />
Egoistisches, eigenbrötlerisches Denken<br />
der vier Tunnel-Protagonisten,<br />
«Ich verrate gar nichts…», wechselt zu<br />
Durchlässigkeit. «Nichts ist sicher, alles<br />
ist offen…» oder komplette Abschottung<br />
«Ich will es gar nicht wissen…»,<br />
was verschiedene Haltungen der<br />
Umwelt gegenüber demonstriert. Gewachsene,<br />
urbane Strukturen werden<br />
schliesslich mit der Installation «Innenhof»<br />
visualisiert, eine durchlässige<br />
Skulptur, die den Galerieeingang fast<br />
verbarrikadiert und das Aussen zum<br />
Innen und das Innen zum Aussen verwandelt.<br />
Löcher versus hoch in den Raum<br />
ragende Wände, dreidimensionale<br />
Gebilde gegenüber Papierarbeiten im<br />
alles vereinheitlichenden, farblichen<br />
Konzept von K<strong>art</strong>onbraun und sich<br />
abhebendem Weiss, verwandeln den<br />
White Cube der Galerie in einen ästhetisch<br />
stimmigen Kunstraum. (sm)<br />
Yves Mettler,<br />
Wiederholt<br />
winkt uns etwas<br />
zu<br />
annex14, Junkerngasse<br />
14.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h,<br />
Samstag 11:00-<br />
16:00 h. Bis 17.<br />
Februar.<br />
Yves Mettler, Wiederholt<br />
winkt uns etwas zu, 2006<br />
Pulp Fiction<br />
■ Die Farbe schreit. Ein vereinnahmender,<br />
knalliger Sog von Blau zu<br />
Rot, Neongelb und leuchtendem Rosa<br />
zieht den Betrachter in Darstellungen<br />
hinein, deren Reichtum zu einer intensiven<br />
Entdeckungsreise einladen und<br />
zugleich dynamische Beschleunigung<br />
und in einem gewissen horror vacui<br />
gar ein wenig Verlorenheit vermitteln.<br />
Dicht an dicht, in überschäumender<br />
Petersburger Hängung an einer Wand<br />
der Galerie M<strong>art</strong>in Krebs angebracht,<br />
betören sie den Betrachter in «100<br />
Ansichten von Bastropolis», der Heimat<br />
des schlaksigen, liebenswerten<br />
«Pulp». Der Bieler M.S. Bastian hat<br />
das schmächtige Comic-Figürchen mit<br />
übergrossem Kopf und glotzenden<br />
Knopfaugen mitsamt einem ganzen<br />
Lebensuniversum und einem Heer an<br />
Nebenprotagonisten geschaffen.<br />
Bastians Bilder sind keine eigentlichen<br />
Comic-Strips mit fortlaufendem<br />
Erzählstrang, eher C<strong>art</strong>oons ohne Worte<br />
mit gelegentlichen, lautmalerischen<br />
Einsprengseln, wo sich eine immens<br />
detaillierte, wuselnde Welt voller Hinweise<br />
auf die Geschichte der Kunst<br />
sowie Pop-Kultur zu einer einzig<strong>art</strong>igen<br />
Pulp-Kultur eröffnet. Hier gehen<br />
High und Low Art Hand in Hand und<br />
verdichten sich in unzähligen, witzigen<br />
Zitaten zu einer eigenständigen<br />
Synthese: So schreiten die Figürchen<br />
beispielsweise im charakteristischen<br />
Stechschritt von links nach rechts über<br />
die Abbey Road, während sie sich in<br />
einer anderen Darstellung vor romantisch<br />
rosa getränkten Himmel im Grün<br />
zu einem «Déjeuner sur l’herbe» arrangieren.<br />
Zwischen Übernahmen von<br />
Keith Haring, Roy Lichtenstein und<br />
Andy Warhol tummeln sich Superman,<br />
Popeye und Tigerente, während Mickey<br />
Mouse von Hokusais Welle weggespült<br />
wird und Munchs Schrei der<br />
«Lonely-He<strong>art</strong>s Club Band» Stimmkraft<br />
verleiht. Beim Ausgang winkt einem<br />
eine handvoll Figuren zum Abschied<br />
aus einer kleinen Scholle fröhlich<br />
zu und plötzlich wirken die Lauben<br />
Berns etwas gar grau und gemächlich<br />
im Gegensatz zur freakig bunten<br />
Pulpomanie. (sm)<br />
M.S.Bastian<br />
Galerie M<strong>art</strong>in<br />
Krebs, Münstergasse<br />
43. Geöffnet<br />
Dienstag bis<br />
Freitag 14.30-<br />
18.30 h, Samstag<br />
10:00-14:00 h. Bis<br />
24. Februar.<br />
M.S. Bastian, Bastian<br />
Square, 2006, Kunstharz<br />
auf LW, 70 x 300 cm<br />
Dreidimensional flächig<br />
■ Unscheinbar steht sie in der Mitte<br />
des Raums: «Monstera», 2007, Lebendpflanze<br />
(monstera deliciosa), eingetopft,<br />
Dimensionen variabel, Durchmesser<br />
Topf 48 cm, 4‘300.-. Während<br />
man noch darüber sinniert, welche<br />
Kunstsammlung dieses gemeine Zimmergrün<br />
über einen Ankauf wohl bereichern<br />
mag oder ob man hier eher<br />
einem Witz aufgesessen ist, weist einen<br />
der Ausstellungstitel glücklicherweise<br />
auf den rechten Pfad: Unter «Absurdities»<br />
zeigt die Galerie bk in einer idealen<br />
Gegenüberstellung von Installation<br />
mit Gesamtkonzept einerseits und Malerei<br />
andererseits die beiden Künstler<br />
Urs Zahn und Luc Andrié.<br />
Während das teure Pflänzchen<br />
die vollkommene Realität verkörpert,<br />
findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
ein über zwei Meter hohes,<br />
begehbares Holzgestell, «der heckenfriend»,<br />
gewissermassen ein nackter<br />
Bauplan eines Gebüsches, während<br />
die fehlenden Blätter in 47 ausschnitthaften<br />
Farblaserprints separiert an<br />
der angrenzenden Wand beigefügt<br />
sind. Die Frage nach einem universellen<br />
Bauplan führt Urs Zahn auch in<br />
farbigen Laserdrucken aufgetürmter<br />
G<strong>art</strong>enstühle weiter: Mit der Computermaus<br />
wurden deren Umrisse zeichnerisch<br />
digital festgehalten. Aufeinander<br />
geschichtet, durchlässig, fragil und<br />
zweidimensional wirken die Sitzmöbel<br />
wie eine Bildhülse, ein Bildgerüst,<br />
während der Bildträger, der aus lauter<br />
kleinen Kästen besteht, in den Realraum<br />
weist, so dass der Anschein eines<br />
vermeintlichen Leinwandkörpers<br />
entsteht.<br />
Zwischen Fläche und dreidimensionaler<br />
Wirkung schweben passend die<br />
Malereien Luc Andriés, dessen Sujets,<br />
beispielsweise Skulpturen, Tiere oder<br />
Menschen, unwillkürlich mit Volumen<br />
assoziiert, in den Darstellungen aber<br />
auf das Plane der Leinwand zurückgestutzt<br />
werden. So stösst der kleine Pudel<br />
mit der Nase an die Bildfläche: Die<br />
Farbe umfasst ihn beinahe konturlos,<br />
praktisch ohne Zwischentöne und hält<br />
ihn in seiner milchig-rosa Welt gefangen.<br />
(sm)<br />
Absurdities -<br />
Luc Andrié, Urs<br />
Zahn<br />
bk Galerie Bernhard<br />
Bischoff &<br />
P<strong>art</strong>ner, Speichergasse<br />
8. Geöffnet<br />
Mittwoch bis<br />
Freitag 14:00-<br />
18:00 h , Samstag<br />
11:00-16:00 h. Bis<br />
24. Februar.<br />
Luc Andrié, shampoo,<br />
2005, Acryl auf Leinwand,<br />
50 x 65 cm<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
44<br />
off 07<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
off 07<br />
Ölegässchen<br />
73, 3600 Thun.<br />
Schaufenstersituation.<br />
Öffnungszeiten<br />
nach Vereinbarung.<br />
■ Der off-Raum in Thun besteht<br />
schon seit vielen Jahren und ist gewissermassen<br />
ein Vorreiter der neuen<br />
Galerien-Generation: Ein Schaufenster,<br />
das die Passanten irritiert, erfreut<br />
– was auch immer – und zum Ziel<br />
hat, Kunst den Leuten ins Auge springen<br />
zu lassen. Man muss keinen Mu-<br />
Tabea Steiner, Jasmin Welte<br />
seumseingang passieren oder in die<br />
geschlossene Gesellschaft einer Galerie<br />
eindringen, sondern man kann<br />
von aussen, en passant, Gegenw<strong>art</strong>skunst<br />
betrachten und keiner merkt,<br />
wenn man sie nicht versteht. Man<br />
kann an der Vernissage teilnehmen<br />
und keiner merkt, dass man einfach<br />
nur Lust auf ein Glas Wein hat. Selbst<br />
der Laie merkt so aber, dass Kunst<br />
eben doch eine Faszination hat und<br />
geht vielleicht plötzlich sogar freiwillig<br />
ins Museum – Ziel erreicht.<br />
Ab dem 21. Februar wird die neue<br />
Saison am Ölegässchen eröffnet, die<br />
einzelnen Projekte sollen im Folgenden<br />
vorgestellt werden:<br />
Wer kennt sie nicht: Der Pflugstein<br />
in Herrliberg, die Grossi Flue in Steinhof<br />
oder die beiden Pierres du Niton<br />
im Genfer Hafenbecken. Der grössere<br />
der beiden letztgenannten dient<br />
als Repère Pierre du Niton, seit dem<br />
19. Jahrhundert gar als Referenzpunkt<br />
der Schweizer Landvermessung. Auch<br />
in Thun wird man ab Februar einen<br />
Findling antreffen. Ob er so berühmt<br />
wird wie sein grosser Bruder im Genfer<br />
Hafenbecken? Wer weiss. Auf jeden<br />
Fall wurde er nicht von einem<br />
Gletscher nach Thun gerollt, sondern<br />
dort durch aufwendige Arbeit von<br />
Menschenhand erschaffen.<br />
Dieser intensiven, mehrmonatigen<br />
Aufgabe hat sich Reto Steiner gewidmet.<br />
In seinem Atelier in Thun fertigt<br />
er von verschiedenen Steinbrocken,<br />
die er in Steinbrüchen gesammelt hat,<br />
Abgüsse aus Gips an. Jeder dieser<br />
Gipssteine ist eine detailgetreue Abbildung<br />
des Originals, und dennoch<br />
entsteht am Ende etwas Neues, Einzig<strong>art</strong>iges.<br />
Denn die über dreihundert<br />
Abgüsse werden zu einem künstlichen<br />
Findling zusammengesetzt, der<br />
somit einerseits ein Abbild der Natur<br />
ist, aber andererseits auch ein Produkt<br />
des Menschen oder besser gesagt des<br />
Künstlers, der durch seine Arbeit einen<br />
Teil der Natur neu erschafft.<br />
Durch die Arbeit von Reto Steiner<br />
wird Künstliches und Natürliches verbunden.<br />
Eine ungewöhnliche Symbiose<br />
– aber eine sehr faszinierende!<br />
Im März verbarrikadiert die Fotografin<br />
Myriam Aline Loepfe mit<br />
dreihundert selbstgegossenen Schokolade-Kinderköpfen<br />
den off-Raum.<br />
Die Giessschokolade wird übrigens<br />
vom besten Konditor der Stadt gesponsert.<br />
Über dem süssen Gebilde<br />
werden Glühbirnen hängen, so dass<br />
die Schoggiköpfe langsam in den milder<br />
werdenden Temperaturen dahinschmelzen.<br />
Die irgendwo an Dieter<br />
Roth gemahnende Installation wird<br />
technisch aufgemotzt und trashig beblinkt<br />
mit einer Neonschrift: «undo?».<br />
Insgeheim hoffe ich, dass die Künstlerin<br />
an der Vernissage wieder ihren<br />
Blinkgurt trägt, bei dem sie Laufbotschaften<br />
eintippen kann.<br />
Das pädagogisch wertvolle Sehbüro<br />
Bach unter der Leitung von Kunstpreisgewinner<br />
Hans Walter Graf hat<br />
ab dem 2. Mai während zehn Tagen<br />
jeden Morgen zwei Stunden geöffnet.<br />
In den Kontors sitzen Kinder, welche<br />
Bestellungen entgegennehmen.<br />
Bestellungen kann jeder machen, es<br />
geht dabei darum, das Heim, den<br />
G<strong>art</strong>en, seine Umwelt zu verschönen.<br />
Die Kinder werden ihre Kunden beraten,<br />
Offerten und Bestellungen werden<br />
direkt an die Wand geschrieben.<br />
Nach diesen ersten zehn Tagen wird<br />
der Raum für den Rest der Ausstellungsdauer<br />
nicht leerstehen, da die<br />
Wand geschmückt sein wird mit Arbeitsaufträgen.<br />
Im Anschluss an die<br />
Ausstellung wird der Künstler in Absprache<br />
mit den Auftraggebern die<br />
Bestellungen zusammen mit den Kindern<br />
ausführen.<br />
Sabine Portenier und Evelyne Roth<br />
verwandeln den Glaskasten in einen<br />
Mode-Shop. Die beiden Designerinnen<br />
haben das ehrgeizige Ziel, Thun<br />
einzukleiden mit Mode, die Welt trägt,<br />
und bieten dazu passende Schuhe<br />
und Taschen an. Fashion soll angewandt<br />
werden, man kann sich neu<br />
eingewanden, frau darf sich also freuen.<br />
Die beiden Frauen, «who present<br />
the flying fashion store», bieten ihre<br />
Ware auch auf dem Netz zum Kauf<br />
an: www.laboutiquevolante.com.<br />
Nicolas Zimny aus Strasbourg,<br />
der G<strong>art</strong>entor Stipendiat dieses Jahres,<br />
war der<strong>art</strong> beeindruckt von der<br />
Militärmacht Thun, dass er sein off-<br />
Projekt «war games in Thun» nennt.<br />
Heerestage sei Dank.<br />
Paul Le Grand bespielt den Raum<br />
mit einer kommunizierenden Spiegel-Galerie,<br />
die er treffend «alles echt<br />
wahr» nennt. Die Installation wird<br />
einfach sein, übersichtlich, und dennoch<br />
irritierend für den Betrachter.<br />
Das kennt man auch vom Friseur und<br />
von H&M, solche Lokalitäten verlässt<br />
der Betrachter auch stets etwas irritiert,<br />
da halt alles echt wahr ist.<br />
Gisela Kleinlein, seit 1999 Professorin<br />
an der Bergischen Universität<br />
Wuppertal, kommt mit Schlingen<br />
und Schlaufen nach Thun. Sie macht<br />
Rauminstallationen, Skulpturen, es<br />
schlauft und schlingt auch auf ihrer<br />
Homepage: www.giselakleinlein.de.<br />
G<strong>art</strong>entor, der Schweizerische Kulturminister,<br />
gibt sich lokalpatriotisch<br />
und nennt seine Arbeit «thun-le-Paradis».<br />
Genaugenommen setzt er sich<br />
aber mit einem kleinen Ort in Frankreich<br />
auseinander, der der hiesigen<br />
Stadt eben etwas voraus hat: einen<br />
wohlklingenderen Namen.<br />
Bei Giro Annen freut sich das Germanistenherz<br />
über den Titel: «Das ist<br />
nicht ein Kopf, ein Schrank ist das».<br />
Nummer vier wird es sein. Diese Serie<br />
besteht aus K<strong>art</strong>on-Installationen, die<br />
zusammengeschustert werden und<br />
trotz aller Fragilität sehr monumental<br />
daherkommen. Annen, der auch seine<br />
Kissen-Skulpturen auf Betonsockel<br />
setzt, arbeitet hier fragil, baut Ruinen<br />
auf, oder eben: einen Schrank.<br />
21. Februar – 25. März:<br />
Reto Steiner «Findling»<br />
28. März – 29. April:<br />
Myriam Aline Loepfe «undo?»<br />
2. Mai – 19. Mai:<br />
Sehbüro Thun «Sehbüro Bach zu Gast in Thun»<br />
23. Mai – 24. Juni:<br />
Sabine Portenier und Eveline Roth «Evelyne Roth und<br />
Sabine Portenier present the flying fashion store»<br />
27. Juni – Juli:<br />
Nicolas Zimny «war games in Thun»<br />
22. August – 23. September:<br />
Paul Le Grand «alles echt wahr»<br />
26. September – 28. Oktober:<br />
Gisela Kleinlein «Schlingen und Schleifen»<br />
31. Oktober – 2. Dezember:<br />
Heinrich G<strong>art</strong>entor «thun-le-Paradis»<br />
5. Dezember – 6. Januar:<br />
Giro Annen «Das ist nicht ein Kopf, ein Schrank ist das»<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
45<strong>art</strong>ensuite<br />
Auf winzigstem Raum<br />
■ Auf winzigstem Raum neun Bilder.<br />
Auf der Postk<strong>art</strong>e steht: «Bilder-Ausstellung<br />
/ Rest. Bistro / Langenthal /<br />
8. Jan. bis 15. Febr. 2007 (Sonntags<br />
geschlossen) / Annemarie Bösiger.»<br />
Zusätzlich eine handschriftliche Bemerkung:<br />
«Oel auf Leinwand». Annemarie<br />
Bösiger blickt auf ein beachtli-<br />
Peter J. Betts<br />
ches künstlerisches Werk zurück. Bis<br />
in die neunziger Jahre hat sie allen<br />
Schicksalsschlägen zum Trotz gearbeitet.<br />
Ich bin hingefahren: ein winziges<br />
Bar-Restaurant an der Marktgasse;<br />
neun Bilder an der Wand; suboptimal<br />
ausgeleuchtet (es ist nicht schwer, sich<br />
eine Malerin vorzustellen, die unter<br />
miserablen Lichtverhältnissen Bleibendes<br />
schafft oder schaffen muss);<br />
mögliche Betrachtungsdistanz, auch<br />
zu grösseren Werken, meist etwa<br />
zwei Meter (wie es eine Malerin erlebt,<br />
die knapp drei Schrittchen von<br />
der Staffelei zurücktreten kann um<br />
zu beurteilen, wie ihre Komposition<br />
im Museum wirken wird). Es ist für<br />
Betrachtende leicht, sich in für eine<br />
Künstlerin schwierigste Lebens- und<br />
Arbeitsbedingungen hineinzudenken<br />
– und so gehen diese sehr authentischen<br />
neun Muster eines Lebenswerkes<br />
zusätzlich unter die Haut – die<br />
Fahrt nach Langenthal und zurück:<br />
– auch bewusstseinsverändernd, weil<br />
man spürt, was man alles nicht sehen,<br />
nicht erleben kann.<br />
1972 schrieb ich im «Bund» unter<br />
anderem über sie: «Die Malerei von<br />
A. B. ist Suche nach Wirklichkeit.<br />
Ihr Thema ist der Mensch, und zwar<br />
in der Beziehung zu anderen Menschen.<br />
Kritiker haben ihre Bilder als<br />
grausam bezeichnet, vielleicht mit<br />
Recht…Beim Betrachten der Gemälde<br />
erlebt der Besucher, wie scheinbar<br />
unverletzliche Ganzheiten zerstört,<br />
aufgerissen, zerlegt werden. Es handelt<br />
sich nicht um eine klinisch saubere<br />
Sektion, sondern um elementares<br />
Aufreissen... sie öffnet die nicht<br />
sehr ansehnlichen Türen zu Schlachthäusern…<br />
Für eine Gesellschaft von<br />
Konsumenten ausschliesslich gebrauchsfertig<br />
verpackter Waren (dies<br />
auch auf das Geistige übertragen),<br />
wirkt plötzliche Konfrontation mit<br />
der Realität schockierend und brutal.<br />
Und dennoch: echte Menschlichkeit<br />
lässt sich wohl nur erreichen, wenn<br />
der Mensch ungeschützt durch Konventionen<br />
und Tabus bis zu den vielleicht<br />
etwas unangenehmen Wurzeln<br />
des Seins vordringt: Er muss sich in<br />
Gefahr begeben…»<br />
Betrachte ich stellvertretend für<br />
die neun Bilder etwa «GROSS» (diskret<br />
hinter der Bar: Farbformen aus<br />
fast monochromem Grau heraus, sattes<br />
Hoffnungsgrün – eine Silhouette<br />
eines Torsos einer Schwangeren? – in<br />
bewegtere Farbräume ausstrahlend)<br />
oder «PFLANZLICHES» (eine kristalline<br />
Karikatur dessen, was in Vasen<br />
vor sich hinzusterben pflegt?), beide<br />
zwischen 1995 und 1997 entstanden,<br />
denke ich, dass was ich vor fünfunddreissig<br />
Jahren geschrieben habe,<br />
noch Gültigkeit hätte. Eine grössere<br />
Ausstellung und vor allem die Möglichkeit<br />
für die Künstlerin, wieder<br />
Spachtel und Pinsel wirken zu lassen,<br />
wären höchst wünschenswert... Keine<br />
Frage, ob sie noch etwas zu sagen<br />
hat.<br />
Annemarie<br />
Bösiger<br />
Restaurant Bistro,<br />
Langenthal. Sonntags<br />
geschlossen.<br />
Bis 15. Februar.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
46<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
«Ich stelle die Wahrheit dar,<br />
so wie ich sie empfinde.»<br />
Vera Goul<strong>art</strong>.<br />
Unsere Heilige<br />
Mutter Gottes<br />
Galerie Artdirekt.<br />
Herrengasse 4,<br />
Bern. Geöffnet<br />
Mittwoch, Donnerstag,<br />
Freitag<br />
14:00-18:30 h,<br />
Samstag 11:00-<br />
16:00 h und nach<br />
Vereinbarung.<br />
Bis 10. Februar<br />
2007.<br />
■ Vera Goul<strong>art</strong> im Gespräch:<br />
Dein Werk ist eklektisch, es gibt<br />
kein eigentliches Medium: Plastik,<br />
Zeichnungen, Fundgegenstände<br />
und Texte ergänzen einander. Wie<br />
definierst Du Deine Arbeit, beziehungsweise<br />
Deine Arbeitsweise?<br />
Ich bin stark vom Theater inspiriert,<br />
wo ja auch verschiedene Disziplinen<br />
wie Text und Bild aufeinandertreffen,<br />
aber ich bin keine Theaterfrau,<br />
sondern eine plastische Künstlerin.<br />
Ich arbeite sehr zurückgezogen und<br />
allein in meinem Atelier. Alles wird<br />
von Hand gefertigt, es gibt nichts industriell<br />
Gefertigtes. Meine Arbeit ist<br />
deshalb sehr zeitaufwendig.<br />
Am Anfang meiner künstlerischen<br />
Tätigkeit zeichnete ich hauptsächlich.<br />
Dann hatte ich das grosse Bedürfnis<br />
diese Zeichnungen in die Dreidimensionalität<br />
zu übertragen und so entstanden<br />
meine Figuren. Meine Arbeit<br />
ist in ständiger Evolution begriffen.<br />
Woher kommen Deine Figuren?<br />
Machst Du ein Konzept oder kommen<br />
sie direkt aus dem Unterholz<br />
der Seele?<br />
Sie kommen aus dem Nichts. Aber<br />
es gibt schon ein Konzept, ich mache<br />
keine «Art Brut». Ich stelle die Wahrheit<br />
dar, so wie ich sie empfinde.<br />
Es ist ein sehr emotionaler Prozess.<br />
Manchmal fertige ich Skizzen an.<br />
Meine Welt ist surreal, aber ich bin<br />
nicht verrückt (lacht). Auch wenn wir<br />
das alle vielleicht werden, wenn es<br />
mit der Erde so weiter geht.<br />
Gibt es ein wiederkehrendes<br />
Thema in Deinem Werk?<br />
Ich habe kein fixes Thema. Etwas<br />
inspiriert mich ganz plötzlich auf einen<br />
Schlag. Lange Zeit faszinierten<br />
mich beispielsweise Schuhe.<br />
Meine Arbeit spricht nie einfach<br />
von mir, sondern setzt sich mit den<br />
grossen Problemen der Welt, wie<br />
beispielsweise der materiellen oder<br />
auch spirituellen Armut, auseinander.<br />
Es gibt zum Beispiel eine Figur,<br />
den «chinesischen Bischoff», der gerne<br />
über den Weltfrieden diskutieren<br />
möchte. Er sitzt auf einem Rollstuhl<br />
und niemand hört ihm zu, bis er ganz<br />
traurig wird und sich schliesslich in<br />
ein Schloss aus Zucker zurückzieht.<br />
Zurzeit beschäftigen mich religiöse<br />
Themen. Aber ich übe keine explizite<br />
Kritik am Glauben und es geht mir<br />
auch nicht um Provokation. Es ist einfach<br />
eine Inspirationsquelle.<br />
Krokodile und Schlangen tauchen<br />
vermehrt in Deinen Arbeiten<br />
auf. Beeinflusst Dich die Exotik<br />
Deines Heimatlandes Brasilien?<br />
Ganz bestimmt habe ich nichts<br />
Folkloristisches im klassischen Sinne<br />
in meiner Arbeit. Die Schlangen<br />
faszinieren mich vor allem in ihrer<br />
vielfältigen Bedeutung und Symbolik.<br />
In Indien gibt es beispielsweise einen<br />
Tempel voller Schlangen, zu welchem<br />
Frauen pilgern, in der Hoffnung,<br />
schwanger zu werden. In einem anderen<br />
Land gibt es einen «König der<br />
Krokodile» und so weiter.<br />
Es gibt viel Beunruhigendes in<br />
Deinen Installationen. Wie fallen<br />
die Reaktionen auf Dein Werk<br />
aus?<br />
Es gibt stets eine starke Polarisierung.<br />
Es gibt Leute, die gleich wieder<br />
aus der Galerie gehen und dann<br />
gibt es die, die bleiben und dann sehr<br />
stark fasziniert sind.<br />
(Interview von Helen Lagger)<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
47<strong>art</strong>ensuite<br />
BERNER<br />
GALERIEN<br />
Galerieneintrag:<br />
Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />
noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />
Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />
sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />
bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />
redaktion@ensuite.ch.<br />
Bild rechts:<br />
Gabi Hamm - Galerie Kabinett<br />
vom 13. Januar - 10. März 2007<br />
Altes Schlachthaus<br />
Metzgergasse 15, Burgdorf<br />
T 034 422 97 86<br />
Sa&So jeweils 11:00-17:00 h<br />
annex14 - Galerie für zeitgenössische<br />
Kunst<br />
Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />
T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h, oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Yves Mettler<br />
Wiederholt winkt uns etwas zu<br />
bis 17.2.<br />
Art-House<br />
Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />
T 033 222 93 74 7 www.<strong>art</strong>-house.ch<br />
Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />
11:00-16:00 h<br />
«Spiritualität in der Kunst»<br />
Jakob Jenzer: Malerei, Urs Kurth: Fotografie,<br />
Renato Jordan: Text-Bilder, Max Roth:<br />
Skulptur<br />
bis 15.2.<br />
Art + Vision<br />
Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />
T 031 311 31 91<br />
Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />
Sa & So 11:00-16:00 h<br />
Michael Wissmann<br />
bis 3.2.<br />
Bärtschihus Gümligen<br />
Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />
Mary Poppins!<br />
superkalifragilistigexpialigetisch<br />
ESPACE Indigo<br />
Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern<br />
T 0844 88 00 40<br />
Ladenöffnungszeiten<br />
Fri-Art<br />
22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />
T 026 323 23 51 / www.fri-<strong>art</strong>.ch<br />
Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />
Nocturne Do 18:00-20:00 h<br />
Exposition 1 l‘age critique<br />
Nicolas Savary en collaboration avec :<br />
Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor,<br />
Daniel Ruggiero<br />
bis 11.3.<br />
bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner<br />
Speichergasse 8, 3011 Bern<br />
T 031 312 06 66<br />
www.bernhardbischoff.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />
nach Absprache<br />
Luc Andrié, Urs Zahn - absurdities<br />
bis 24.2.<br />
Galerie 25 Regina Larsson<br />
2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />
www.galerie25.ch<br />
Fr-So 14:00-19:00 h oder nach<br />
tel. Vereinbarung<br />
Die Galerie ist bis am 24.2. geschlossen.<br />
Marianne Eigenheer - Neue Arbeiten<br />
25.2. - 25.3.<br />
Galerie 67<br />
Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />
www.galerie67.ch<br />
Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />
14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />
Dany Mar, Bern<br />
Öl / Acryl auf Leinwand<br />
bis 28.2.<br />
Galerie 849 MüM<br />
Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern<br />
Täglich von 9:00-18:00 h<br />
Galerie Artdirekt<br />
Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />
www.<strong>art</strong>direkt.ch<br />
Vera Goul<strong>art</strong><br />
Malerei, Zeichnungen, Installation<br />
bis 10.2.<br />
Galerie Artraktion<br />
Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />
T 031 311 63 30 / www.<strong>art</strong>raktion.ch<br />
Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
oder nach Vereinbarung<br />
Denise Felber, Bildobjekte<br />
Gabi Kopp, Bilder und Objekte<br />
Galerie bis Heute<br />
Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />
T 031-311 78 77 / www.galerie-bisheute.ch<br />
Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />
nach Vereinbarung<br />
Judith Schönenberger<br />
Début<br />
Finissage: 10.2 ab 14:00 h<br />
bis 10.2.<br />
Galerie Beatrice Brunner<br />
Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />
T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Kunst in Bern - Berner Künstler<br />
Ausstellungsdauer bis 10.2.<br />
<strong>art</strong>_clips.ch performativ<br />
Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori<br />
Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich<br />
Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RE-<br />
LAX, Rudolf Steiner.<br />
bis 17.3.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
48<strong>art</strong>ensuite<br />
25 Jahre Galerie Margit Haldemann zeigt: Heinz Egger «Gehzeiten - Strange Tidings» vom 8.2. - 17.3.2007 (Bilder: Wand und Wolken; 2005/06; Fenster; 2005/06)<br />
Galerie Duflon & Racz<br />
Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />
T 031 311 42 62<br />
Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder<br />
nach tel. Vereinbarung.<br />
Markus Baumann<br />
série rouge<br />
Markus Baumann zeigt erstmals seit 5 Jahren<br />
erneut Bilder, welche sich kritisch mit<br />
dem Zeitgeschehen auseinandersetzen.<br />
bis 23.2.<br />
Galerie Henze & Ketterer<br />
Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />
T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />
Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
60 Jahre «bewegte Bilder» vom Expressionismus<br />
zur Videokunst<br />
bis 17.3.<br />
Galerie I Ebene 3:<br />
Expressionismus, insbesondere Brücke<br />
Galerie I Ebene 2:<br />
Abstraktion nach 1945<br />
Galerie I Ebene 1:<br />
Neue Figuration nach 1960<br />
Galerie II kunst Depot. Videokunst 2002-<br />
2006 <strong>art</strong>_clip.ch performativ<br />
Galerie im Graben<br />
Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />
T 031 911 96 06<br />
Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />
11:00-17:00 h<br />
Fotoausstellung<br />
Erlös für das Ladakh-Projekt im indischen<br />
Himalaya<br />
Fr, 2.2. ab 17:00 h Vernissage, 18:00 h Vortrag<br />
Sa, 3.2., 16:00-20:00 h, ab 18:30 h Tibetanisches<br />
Essen<br />
Galerie Margit Haldemann<br />
Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />
T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin.<br />
ch, www.<strong>art</strong>galleries.ch/haldemann<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />
Ausstellung 4/5<br />
Heinz Egger: «Gehzeiten - Strange Tidings»<br />
8.2. - 17.3.<br />
Vernissage: Do, 8.2., 18:00-20:00 h<br />
Mi, 21.2., 18:30 h: Hans Baumann und Sylvia<br />
Mutti im Gespräch mit Heinz Egger zur<br />
Publikation «Gehzeiten - Strange Tidings»<br />
So 4.3., 11:00 h: Stefan Suske liest Texte von<br />
Bernhard, Walser u. a.<br />
Galerie M<strong>art</strong>in Krebs<br />
Münstergasse 43, 3011 Bern<br />
T 031 311 73 70 / www.krebs.<strong>art</strong>galleries.ch/<br />
Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />
M.S. Bastian<br />
100 Ansichten von Bastropolis<br />
Finissage: 24.2., 11:30-14:00 h<br />
Galerie Kornfeld<br />
Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />
T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />
Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />
Ernst Ludwig Kirchner<br />
Lithographien<br />
Neue Erkenntnisse<br />
8.2. - 10.3.<br />
Galerie Ramseyer & Kaelin<br />
Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />
T 031 311 41 72<br />
Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />
M<strong>art</strong>in Peter Flück - Malerei<br />
Vernissage: 6.2., 19:00 h<br />
Finnissage: 24 2., 13:00-16:00 h<br />
6.2. - 24.2.<br />
Galerie Rigassi<br />
Münstergasse 62, 3011 Bern<br />
T 031 311 69 64 / www.swiss<strong>art</strong>.net/rigassi<br />
Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />
10:30-16:00 h<br />
anniversary 20<br />
20 Jahre Verein Berner Galerien<br />
bis 24.2.<br />
Galerie Silvia Steiner<br />
Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />
www.silviasteinergalerie.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />
nach Vereinbarung<br />
ANDY WILDI<br />
Vernissage: 17. Februar, 17:00-19:00 h<br />
17.2. - 17.3.<br />
Galerie Tom Bleass<br />
Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />
www.tomblaess.ch<br />
Kabinett Bern<br />
Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />
T 031 312 35 01 www.kabinett.ch<br />
Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />
Gabi Hamm & Nikolaus List<br />
bis 10.3.<br />
Kornhausforum -<br />
Forum für Medien und Gestaltung<br />
Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />
T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />
Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
Shaxi Rehabilitation Project<br />
bis 3.3.<br />
Stairway to Heaven<br />
Vernissage: Do, 1.2., 18:00 h<br />
2.2 - 11.2.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
49<strong>art</strong>ensuite<br />
Judith Schönenberger in der Galerie Bis Heute 13.1. - 10.2.07<br />
Galerie Kornfeld: Aus Auktion Moderne Kunst Juni 2007<br />
Max Buri, Mutteridyll, 1900/1901<br />
Galerie Kornfeld: Ernst Ludwig Kirchner 1880 - 1938<br />
Lithographien, Neue Erkenntnisse 8.2. - 10.3.07<br />
Kunstreich<br />
Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />
T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />
Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa<br />
09:00-16:00 h<br />
Heinz-Peter Kohler<br />
bis 24.2.<br />
Kunstraum Oktogon<br />
Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />
Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h<br />
KunstQuelle<br />
Brunngasse 14, 3011 Bern<br />
T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch<br />
Mi 15:30-18:00h Do 16-19:00h, Fr 14:30-<br />
18:00 h & Sa 13:00-16:00h<br />
Überlagerungen<br />
Silvia Bongard<br />
Zeichnungen<br />
Vernissage: Do, 22. 2., 17:00-20:00 h<br />
22.2. - 15.3.<br />
ONO Bühne Galerie Bar<br />
Kramgasse 6, 3011 Bern<br />
T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />
Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />
telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />
Veranstaltungen<br />
Adrian Moser<br />
‘Berns Unterwelt’<br />
bis 28.2.<br />
PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />
Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch<br />
Videokunst.ch:<br />
Arno Nollen (NL)<br />
Ort: videokunst.ch, 1.OG<br />
«MPLS The Avenue», 2002 / 59‘<br />
Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h / Sa<br />
14:00-21:00 h<br />
bis 10.2.<br />
«No place like home»<br />
Ort: Loge im PROGR_Hof<br />
bis 24.2.<br />
Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
Frauenkunstpreis 2006<br />
(bildende Kunst)<br />
Preisträgerin: Eva Baumann, Finalistinnen:<br />
Salomé Bäumlin, Sylvia Hostettler.<br />
Di, 6.2., 18:00 h, Austellungszone<br />
Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
7.2. - 10.2<br />
Diplomausstellung 2007<br />
HKB-Studiengang Visuelle Kommunikation<br />
Vernissage: Fr, 23.2., 19:00 h<br />
Di 14:00-20:00 h & Mi-Sa 14:00-17:00 h<br />
27.2. - 10.3.<br />
R A U M<br />
Militärstrasse 60, 3014 Bern /<br />
www.kulturraum.ch<br />
Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />
Jean Luc Darbellay, l’<strong>art</strong> pour l’Aar<br />
Fotografie<br />
bis 2.2.<br />
Kathrin Fröhlin<br />
Zeitspuren<br />
Ölbilder, Zeichnungen, Farbkopien<br />
Vernissage Freitag, 16.2. 18:00-20:00 h<br />
bis 2.3<br />
Die Autören: Christoph Simon, Lorenz Langenegger,<br />
Urs Mannh<strong>art</strong> lesen im Raum<br />
Fr, 23.2., 20:00 h<br />
Schloss Hünigen<br />
3510 Konolfingen<br />
Täglich von 8:00-21:00 h<br />
www.schlosshuenigen.com<br />
SLM Kunstausstellung<br />
Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />
T 031 724 11 11<br />
Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />
8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />
Stadtgalerie<br />
Speichergasse 4 3001 Bern<br />
T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />
Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />
No place like home (1)<br />
Daniel Robert Hunziker<br />
bis 24.2.<br />
W<strong>art</strong>saal 3<br />
Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />
T 031 351 33 21 www.w<strong>art</strong>saal3.ch<br />
Temporäre Austellungsräume<br />
Schwarztor 102<br />
Schwarztorstrasse 102<br />
(Bus 13,14,17 Brunnmatt)<br />
Feste der Welt - Religionen in Bern<br />
Vernissage mit Christoph Reichenau und<br />
Gaby Fierz<br />
14.2., 19:30 h<br />
Mit grossem Erfolg wurde im Basler Museum<br />
der Kulturen die Ausstellung ‚Feste im Licht.<br />
Religiöse Vielfalt in einer Stadt‘ gezeigt. Sie<br />
kommt jetzt mit Berner Ergänzungen in eine<br />
Werkhalle an der Schwarztorstrasse. Werkhalle<br />
stimmt. Denn dort, wo Lastwagen repariert<br />
wurden, wird heute am Projekt Haus<br />
der Religionen gearbeitet und für einen Dialog<br />
zwischen Weltanschauungen und Religionen<br />
gearbeitet. Mit der Vernissage wird<br />
das Halbjahresprogramms ‚Feste der Welt<br />
- Religionen in Bern‘ eröffnet.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
50<strong>art</strong>ensuite<br />
Sechzig Jahre «Bewegte Bilder» vom Expressionismus zur<br />
Videokunst; 1946 - 2006<br />
Galerie Henze & Ketterer Wichtrach/ Bern 13.1. - 17.3.2007<br />
Augenspiel<br />
Von Dominik Imhof<br />
■ Endlich Februar. Das Ausstellungsjahr<br />
hat nun so richtig begonnen. Nachdem alle<br />
Jahres- und Weihnachtsausstellungen weggepackt<br />
sind, geht man wieder über zu den<br />
«richtigen» Ausstellungen. In Bern eröffnet<br />
Mitte Februar die grosse Übersichtsausstellung<br />
zum Schaffen von Oscar Wiggli (1927).<br />
Ausserordentlich daran ist vor allem, dass<br />
die Ausstellung im Kunstmuseum Bern und<br />
im Zentrum Paul Klee stattfindet. Es ist die<br />
erste gemeinsame Ausstellung der beiden<br />
Häuser und lässt hoffen. Das ZPK zeigt<br />
zudem eine Ausstellung anlässlich des 50.<br />
Todestages von Robert Walser und ab dem<br />
2. Februar eine Retrospektive des Schaffens<br />
des 2005 verstorbenen Rémy Zaugg mit seinen<br />
minimalistisch-reduzierten Schriftbildern.<br />
Im Pavillon der Stadtgalerie st<strong>art</strong>ete im<br />
Januar das Gastkuratorenprojekt «LOGE<br />
2007». Gastkuratoren erhalten hier die<br />
Möglichkeit, den Pavillon im Innenhof des<br />
PROGR für Ausstellungsprojekte zu nutzen.<br />
Erster Gastkurator ist Noah Stolz (1976), der<br />
als freier Kurator und Kunstkritiker arbeitet<br />
und in Locarno den unabhängigen Ausstellungsraum<br />
«La Rada» führt. Mit «NO PLACE<br />
LIKE HOME» st<strong>art</strong>et das Projekt mit einem<br />
mehrmonatigen Zyklus aus Installationen<br />
von Daniel Robert Hunziker, Andrea Dojmi<br />
und den Brüdern Chapuisat. Den etwas<br />
anderen Raum der Stadtgalerie-LOGE will<br />
Noah Stolz mit seinem Projekt thematisieren.<br />
Ein ganz anderes Projekt kommt ab dem<br />
14. Februar aus Deutschland nach Bern.<br />
Die Ausstellung «Zeige deine Wunde – Befreiende<br />
Kunst» im Psychiatriemuseum und<br />
der Galerie Artdirekt ist Resultat eines in<br />
Deutschland durchgeführten Wettbewerbs<br />
für Künstler mit Psychiatrieerfahrung. Eine<br />
Jury, in der unter anderen Enfant Terrible<br />
Christoph Schlingensief mitwirkte, wählte<br />
Künstlerinnen und Künstler für die Ausstellungen<br />
in der Saarländischen Galerie und<br />
dem Kleisthaus in Berlin aus. Jetzt sind die<br />
Arbeiten in Bern zu sehen und sie werden<br />
sicher wieder einmal die Frage anregen:<br />
Was unterscheidet diese Arbeiten von Werken<br />
angesehener und überall ausgestellter<br />
Künstler?<br />
Bei «Marks Blond» werden im Februar<br />
Mark Divo, Anna Katharina Scheidegger<br />
und Florian Dombois zu sehen sein. Viel<br />
Spass!<br />
Impressum<br />
<strong>art</strong>ensuite erscheint monatlich als Beilage<br />
im ensuite - kulturmagazin.<br />
Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />
Redaktion: Dominik Imhof (di); Monique<br />
Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Nicola<br />
Schröder (ns), Sylvia Rüttimann (sr), Monika<br />
Schäfer (ms)<br />
Die Redaktion <strong>art</strong>ensuite ist politisch,<br />
wirtschaftlich und ethisch unabhängig<br />
und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht<br />
jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />
liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />
und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: <strong>art</strong>@ensuite.ch<br />
www.<strong>art</strong>ensuite.ch<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
51<strong>art</strong>ensuite<br />
BERNER MUSEEN<br />
BERN / BIEL / THUN<br />
Abegg-Stiftung<br />
Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />
täglich 14:00-17:30 h<br />
Winterpause<br />
Antikensammlung Bern<br />
Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />
Mi 18:00-20:00 h<br />
Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />
den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />
Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />
Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />
auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />
Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />
Antike.<br />
Bernisches Historisches Museum<br />
Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
Centre Dürrenmatt<br />
Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />
Neuchâtel<br />
Mi-So 11:00-17:00 h<br />
Dauerausstellung: Friedrich Dürrenmatt,<br />
Schrifsteller und Maler.<br />
Einstein-Haus<br />
Kramgasse 49, 3011 Bern<br />
1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />
16:00 h<br />
Führungen jederzeit nach Absprache<br />
Heilsarmeemuseum<br />
Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />
Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />
Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />
Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />
und andere Sammelobjekte.<br />
Institut für Archäologie der<br />
Universität Bern<br />
Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />
Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr<br />
Das Pantheon in Rom<br />
Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects<br />
bis 31.3.<br />
Kunsthaus Centre Pasqu’<strong>art</strong><br />
Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />
SELECTED BY... Ankäufe 2003-2006 der<br />
Kunstsammlung der Stadt Biel<br />
bis 18.3.<br />
Claudia Di Gallo TRAILBLAZER<br />
bis 18.3.<br />
Photoforum<br />
CHRISTIAN VOGT<br />
Photographic Essays on Space<br />
bis 4.3.<br />
Kunsthalle Bern<br />
Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />
Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />
JUTTA KOETHER<br />
bis 11.3.<br />
active coexistence<br />
Fr, 2.2., 18:00 h<br />
Kunstmuseum Bern<br />
Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />
Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />
Serge Spitzer – Installation<br />
»Re/Search (Alchemy and/or Question<br />
Marks with Swiss Air)”, 1996-2002<br />
Bis Ende 2007<br />
Im Graphischen Kabinett<br />
Louise Bourgeois – Fugue<br />
bis 8.4.<br />
Chinafenster: Ji Dachun, Liu Ye<br />
7.2. - 1.4.<br />
Eröffnung: Di, 6.2.<br />
Eine Ausstellung gemeinsam mit dem<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Oscar Wiggli. Körper – Raum - Klang<br />
Eine Werkübersicht<br />
16.2. - 13.5.<br />
Eröffnung: Do, 15.2.<br />
Kunsthaus Langenthal<br />
Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />
Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />
So 10:00-17:00 h<br />
Il faut cultiver notre jardin<br />
Vernissage: Mi, 14.2., 19:00 h<br />
15.2. - 15.4.<br />
Kunstmuseum Thun<br />
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />
Gegenlicht<br />
11.2. - 9.4.<br />
Projektraum enter: Christian Andersen<br />
11.2. - 11.3.<br />
museum franz gertsch<br />
Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />
Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h<br />
Zurück zur Figur. Malerei der Gegenw<strong>art</strong><br />
bis 11.2.<br />
Wegen Ausstellungsumbaus ist das<br />
Museum vom 11.-23. Februar 2007 geschlossen<br />
Museum für Kommunikation<br />
Helvetiastrasse 16, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend»<br />
Tier–Mensch–Kommunikation<br />
bis 1.7.<br />
Öffentliche Führungen:<br />
So, 11:00 h: haarsträubend: Tier – Mensch<br />
– Kommunikation<br />
So, 13:00 h: Top Secret - Von Hieroglyphen,<br />
Hackern und Codetalkers<br />
So, 15:00 h: Abenteuer Kommunikation im<br />
Überblick<br />
Museum Neuhaus Biel<br />
Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />
Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />
Bürgerlicher Lebensstil im 19. Jahrhundert:<br />
Wohnen und Haushalten<br />
Die Stiftung Sammlung Robert präsentiert<br />
eine neu gestaltete permanente Ausstellung<br />
im Museum Neuhaus.<br />
Die Welt der Vögel<br />
Werke von Léo-Paul (1851-1923) und Paul-<br />
André Robert (1901-1977)<br />
Museum Schwab / Museum<br />
für Archäologie<br />
Seevorstadt 50, 2502 Biel<br />
Di-Sa 14h-18h / So 11h-18h<br />
Permanente Ausstellung<br />
Das archäologische Fenster der Region<br />
Eine Zeitreise zu wichtigen archäologischen<br />
Fundstellen rund um den Bielersee, Berner<br />
Jura und Stadt Biel. Unsere Themen: Geschichte<br />
der Archäologie, Leben und Überleben,<br />
Gräber und Riten<br />
Sonderausstellung<br />
bis 1.4.<br />
Röstigraben - Unterschiede<br />
zum Auskosten<br />
Der Röstigraben – die Romands nennen ihn<br />
«Rideau de rösti», Röstivorhang - ist nicht nur<br />
eine Sprachgrenze. Dass sich dahinter mehr<br />
verbirgt seit der Zeit der ersten Bauern bis<br />
heute, zeigt diese Ausstellung.<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07
52<strong>art</strong>ensuite<br />
Naturhistorisches Museum der<br />
Burgergemeinde Bern<br />
Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />
Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />
bis 1.7.<br />
Psychiatrie Museum Bern<br />
Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />
Mi 14:00-16:00 h<br />
Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />
und Dokumenten beherbergt das Museum<br />
auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />
die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />
beruht. Sie umfasst über 2500<br />
Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />
und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />
viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />
Keramik und anderen Materialien.<br />
Schloss Landshut<br />
Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />
3427 Utzenstorf<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h<br />
Das Schloss ist bis und mit 12.5. geschlossen<br />
Schlossmuseum Thun<br />
Schlossberg 1, 3600 Thun<br />
Bis Januar jeden Sonntag 13:00-16:00 h<br />
Das historische Museum mit einmaliger<br />
Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />
Schweizerische Landesbibliothek<br />
Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />
Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />
9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />
Schweizerisches Alpines Museum<br />
Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />
«Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale<br />
aus der alpinen Eiswelt»<br />
Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers,<br />
der auf der Postk<strong>art</strong>e von 1900 hinter<br />
dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist<br />
auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu<br />
sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein<br />
Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge<br />
weit oberhalb des Hotels.Ein einzig<strong>art</strong>iges<br />
Landschaftsbild droht verloren zu<br />
gehen. Gehören wir zur letzten Generation,<br />
die die gross<strong>art</strong>igen Eisriesen bewundern<br />
kann?<br />
bis 25.3.<br />
Schweizerisches<br />
Schützenmuseum Bern<br />
Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />
14:00-17:00 h<br />
Stadt- und Universitätsbibliothek Bern<br />
Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />
Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />
Connaisseure unterwegs:<br />
Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius<br />
von Schlosser zu kulturellen Stätten im<br />
Europa der zwanziger Jahre.<br />
bis 24.2.<br />
Stiftung Historisches Erbe SBB<br />
Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />
Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />
Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />
zum Nachlesen und Ansehen.<br />
Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />
Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen an:<br />
regelmässige Publikation ausgewählter Neuerscheinungen.<br />
Beratung in Dokumentationsfragen<br />
und bei Recherchen. Leseplätze<br />
mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw. Konsultationsmöglichkeit<br />
für aktuelle Zeitschriften,<br />
Wörterbücher, Nachschlagewerke und<br />
aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />
Zugang zu den historischen<br />
und audiovisuellen Archiven (auf Voranmeldung).<br />
Bereits 1923 wurde die Bibliothek<br />
der Generaldirektion SBB gegründet. Später<br />
wurde sie zum Dokumentationsdienst<br />
erweitert und seit 1996 ist sie als «Infothek<br />
SBB» bekannt. 1999 wurden ihr die Plakatsammlung<br />
und 2001 das historische Archiv,<br />
das Fotoarchiv, - und Videoarchiv anvertraut.<br />
2002 wurde sie in die neu gegründete Stiftung<br />
Historisches Erbe der SBB integriert.<br />
Die Bestände der Bibliothek und Archive<br />
werden laufend ergänzt und erweitert.<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />
Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />
bis 21:00 h<br />
Robert Walser zu Gast bei Paul Klee<br />
Gedenkausstellung zum 50. Todestag des<br />
Dichters.<br />
bis 25.2.<br />
Paul Klee – Die Sammlung. Neuhängung<br />
2007<br />
Rémy Zaugg – Nachbar Tod und die<br />
Wahrnehmung<br />
Vernissage: Fr, 2.2.<br />
18:00 h, Auditorium. Begrüssung und Einführung,<br />
Besichtigung der Ausstellung &<br />
Apéro.<br />
3.2. - 3.6.<br />
Oscar Wiggli – Körper – Raum – Klang<br />
Werkschau im Kunstmuseum Bern und im<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Vernissage: Do, 15.2.<br />
17:00 h Ausstellungseröffnung im Kunstmuseum<br />
Bern<br />
19:00 h Shuttlebus zum Zentrum Paul Klee<br />
19:30 h Ausstellungseröffnung im Zentrum<br />
Paul Klee in Anwesenheit von Oscar Wiggli<br />
16.2. - 13.5.<br />
Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden<br />
Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda<br />
und unter www.zpk.org<br />
<strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07