Ausgabe Bern - Ensuite
Ausgabe Bern - Ensuite
Ausgabe Bern - Ensuite
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
WEIN? GUT!<br />
Von Claudia Langenegger<br />
ALLTAGSKULTUR<br />
SÜDHANG MAL<br />
EIGENSINN<br />
Schampus war letztes Jahr. Dieses Jahr gibts<br />
Wein zum Vorweihnachtsapéro. Ich suche<br />
Serge auf, den Weinhändler meines Vertrauens,<br />
und sage: «Apéro, süffig, nicht zu süss, maximal<br />
fünfzehn Franken.» Er greift zu einer Flasche,<br />
stellt sie auf die Theke und antwortet: «Dieser<br />
passt perfekt. Er ist leicht in der Säure, hat viel<br />
reife Frucht, exotische Komponenten und ist<br />
sehr cremig.» Tönt gut. Und wie heisst er? «Schweicher<br />
Burgbauer Kabinett halbtrocken.» Wie<br />
bitte? Schweicher... was?!? Ist das der Name eines<br />
Weins? «Ja, Mademoiselle.» Dann klärt er<br />
mich auf. Schweich ist der Name eines Ortes,<br />
der malerisch an der Mittelmosel im Südwestdeutschland<br />
liegt. Die Uferhänge sind einmalig<br />
für Rebberge, eine der Lagen heisst Burgmauer:<br />
nach Süden ausgerichtet, windgeschützt, steil,<br />
und steiniger Boden – so müssen die Reben ihre<br />
Wurzeln tief in den Boden hinunterwachsen lassen,<br />
um zu Wasser zu kommen.<br />
Kabinett bezeichnet die Güteklasse, der<br />
Öchslegehalt muss bei 73 Grad liegen, der Wein<br />
darf frühestens am ersten Januar nach der Ernte<br />
abgefüllt werden – und halbtrocken bedeutet,<br />
dass er weder trocken noch süss ist. «Alles<br />
klar?» Ich nicke. Dann probiere ich. Fruchtig<br />
in der Nase, spritzig, und dicht im Geschmack,<br />
wunderbare Säure, mineralisch im Abgang. Der<br />
Goût insgesamt stark und eigensinnig. Nichts<br />
für Langweiler, denke ich. Aber was für eine<br />
Traube ist es eigentlich, frage ich mich, als ich<br />
in das satte Gelb des Weins blicke, in den das<br />
nachmittägliche Winterlicht scheint. Ach so,<br />
das steht ja gross auf der Flasche: Riesling. Warum<br />
der Wein aber perfekt für ein Winterapéro<br />
passt? Weil er die Sonne des Sommers zurückbringt.<br />
Soviel Poesie und Wissen hat natürlich<br />
nur der Weinkenner, nicht ich.<br />
Preis: 14.50 Fr.<br />
Wo: Tredici Percento Weinkeller, Rathausgasse<br />
25, 3011 <strong>Bern</strong>.<br />
Wann: DI, MI, FR: 12–19h, DO: 12–21h, SA 9–17h<br />
www.tredicipercento.ch<br />
Design in der Küche –<br />
mit Werner Rohten<br />
Auch wenn der «Funky Kitchen»-Koch<br />
René Schudel eben erst meinte: «Zuviel<br />
Hochglanz bringt es doch nicht, im Gegenteil,<br />
das nimmt einem die Freude am Kochen», so<br />
stimmt dies in Bezug auf das Kochbuch von<br />
Werner Rothen nicht. Der <strong>Bern</strong>er Gault-Millau-<br />
Spitzenkoch aus dem Restaurant Schöngrün legt<br />
jetzt sein erstes Kochbuch vor.<br />
Werner Rothen ist ein Vollblut-Koch. Oft mit<br />
Bleistift hinter dem Ohr und einem Blick, der<br />
oftmals mehr auf ein inneres Bild gerichtet ist,<br />
wirkt er zwar mehr wie ein Innenarchitekt – und<br />
irgendwie ist er das auch. Zumindest ein Designer<br />
ist er, und dies hervorragend auf dem Teller<br />
und Tisch vor uns, was dieses Buch mehr als<br />
beweist. Er spielt mit Formen, intensiven Farben,<br />
und zeichnet seine Kreationen zuerst auf<br />
Papier, bevor diese zubereitet werden. Das mag<br />
verkrampft klingen und geometrisch-leblos – vor<br />
allem nicht essbar. Doch Werner Rothen und<br />
sein Team verstehen es, die Esskunst für das<br />
Auge eben als wirkliche Kunstform umzusetzen.<br />
Das hat nichts Abschreckendes – aber schwer<br />
Kopierbares an sich.<br />
Die Menüs im 152-Seiten starken Buch<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
wirken anregend für das Kopieren von Design-<br />
Gerichten. Und wer dabei die Nase rümpft, soll<br />
sich erst mal an einem Menü versuchen. Das ist<br />
hohe Kunst, und mit beim Lesen wird man demütiger<br />
der Gourmet-Küche gegenüber. Aus eigener<br />
Erfahrung darf ich anmerken, dass nicht<br />
nur das Auge, sondern auch der Gaumen auf die<br />
Rechnung kommt. Unschön am Buch selber ist<br />
allerdings, dass es kein Inhaltsverzeichnis gibt,<br />
welches die Menüs auflistet, und es fehlt auch<br />
ein Index, zum Beispiel von Zutaten, was das<br />
Buch als Arbeitsbuch brauchbar machen würde.<br />
Es ist in saisonale Kapitel aufgeteilt, auf<br />
die wir irgendwie stossen. Wir können uns nur<br />
nach dem Zufallsprinzip darin bewegen, und<br />
vom Auge führen lassen. Insofern aber ist das<br />
korrekt: Ein Design-Kochbuch funktioniert über<br />
das Auge – nicht über Erklärungen. Und so wurden<br />
auch die Begleittexte zu den Menüs kurz<br />
gehalten. Dadurch lässt das Buch Spielraum für<br />
eigene Experimente.<br />
Werner Rothen – Mein Gourmetdesign<br />
ISBN 978-3-909532-77-3<br />
Weber AG Verlag, Thun<br />
62