Ausgabe Bern - Ensuite
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ALLTAGSKULTUR<br />
ONE-NIGHT-STAND IM<br />
Hotel Schweizerhof, <strong>Bern</strong><br />
Von Lukas Vogelsang Bild: zVg.<br />
ensuite startet eine neue Serie über<br />
Hotels und über unsere Gastfreundschaft.<br />
Mit Zahnbüste und Pyjama ausgerüstet<br />
brechen wir auf zu unserem<br />
ersten Testschlaf in der Hauptstadt,<br />
dem wiedereröffneten Hotel Schweizerhof<br />
in <strong>Bern</strong>.<br />
Es ist eigenartig, in der eigenen Stadt als<br />
Tourist aufzukreuzen, aber durchaus ein<br />
Experiment wert. Der Schweizerhof beim Bahnhofsplatz<br />
ist super zentral und verkehrstechnisch<br />
unmöglich plaziert. So stellt man sich kein<br />
Luxushotel vor: Die öffentlichen Busse mit den<br />
YB-Fans fahren direkt vor der Türe durch, und<br />
wer mit dem Auto anreist, kämpft sich garantiert<br />
etwas verwundert durch den aggressiven<br />
Feierabend- und Fussgängerverkehr. Auch die<br />
Bettler und Junkies vor dem Hotel wirken surreal.<br />
<strong>Bern</strong> zeigt sich an dieser Ecke von seiner<br />
eigenwilligsten Seite.<br />
Im Hotel drinnen herrscht aber eine andere<br />
Welt. Leider ist nach der Renovation nichts<br />
mehr aus der alten Hotelzeit und der Geschichte<br />
spürbar geblieben. Das Alter wurde wegrenoviert<br />
und wer nicht weiss, wie das Hotel früher<br />
lebte, kann nur aufgrund des restaurierten<br />
Personenliftes eine Idee bekommen. Ansonsten<br />
wurde jeder Stein gedreht – so scheint es. Die<br />
Hotelbar und –Lobby ist leicht kühl gehalten,<br />
strahlt aber eine angenehme Anonymität aus.<br />
Und das Jack’s Restaurant tröstet über die vermissten<br />
alten Zeiten sofort weg.<br />
Das Check-In wurde im Voraus per E-mail erledigt.<br />
Eine praktische Sache. Das Hotel kennt<br />
dadurch bereits unsere Vorlieben und Wünsche<br />
und am Empfang wird nicht lange administriert.<br />
Wir werden sogleich in die vierte Etage begleitet,<br />
ein geräumiges, aufgeräumtes und stilbewusst<br />
eingerichtetes Zimmer erwartet uns. Auf<br />
meinen Wunsch hin führt das Zimmer auf die<br />
Bahnhofsplatzseite – auf den Lärmtest konnte<br />
ich nicht verzichten.<br />
Das Badezimmer ist riesig – die Toilette<br />
ebenfalls, und das dort hängende, riesige Spiegelbild,<br />
welches bei jedem «Geschäft» zurückschaut,<br />
macht nachdenklich. Das Innenarchitekturbüro<br />
hat einige grobe konzeptuelle Schnitzer<br />
gebaut und man merkt, dass einige Überlegungen<br />
mehr hilfreich wären für den guten Namen.<br />
Da ist zum Beispiel das Eingangsproblem: Wer<br />
mit Regenmantel und Regenschuhen das Zimmer<br />
betritt, muss durch den Schlafbereich, diagonal<br />
durch das ganze Zimmer gehen, um sich<br />
der nassen Kleider zu entledigen. Ein Kleiderhaken<br />
und eine Schuhablage neben der Türe würden<br />
Wunder wirken. Es erstaunt, dass niemand<br />
auf eine solche Idee kommt.<br />
Hervorragend und sehr funktionell wurde<br />
der kleine, aber solide Arbeitstisch eingesetzt.<br />
Bequem sitzt es sich in einem der beiden Vitra<br />
Alu-Chair-Stühlen, und konzentriertes Arbeiten<br />
macht Spass. Ebenso zum Spielen lädt das neuste<br />
VoIP-Alcatel-Telefon (Voice over Internet Provider)<br />
ein – es hinterlässt den grossen Wunsch,<br />
so ein Telefon im eigenen Büro installiert zu<br />
haben. Für ein Hotelzimmer einfach Superluxus<br />
– auch wenn man es nicht braucht. Internetzugang<br />
und Verkabelungen sind hervorragend gelöst.<br />
Dem «Businessman» steht nichts im Wege.<br />
Auf dem Schreibtisch finde ich die Hotelmappe<br />
mit den zusätzlichen Infos. Speziell die<br />
Qualität des detaillierten Hotel-Alphabets ist<br />
beeindruckend. Ebenso freut die Zimmerbar:<br />
Ein kleiner Erker präsentiert Kühlschrank, Nespresso-Kaffeemaschine,<br />
Teekocher und diverse<br />
Krümmeleien, die den erholsamen Fernsehabend<br />
begleiten. Allerdings haben die Innenarchitekten<br />
vergessen Licht einzubauen. Wer bei<br />
romantischem Fernsehdämmerlicht einen Tee<br />
machen will, sieht nichts – und wer sich dann<br />
logischerweise am Lichtschalter vergreift, endet<br />
unweigerlich mit einer heimtückischen Lightshow<br />
und zerstört garantiert jeglichen Zimmerfrieden.<br />
Diesen Fehler macht das Hotel aber mit<br />
einem grossen Gratisangebot an Getränken aus<br />
60