Predigt zum 2. Advent Jes. 35,3-10 - elydia
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<strong>Predigt</strong> <strong>zum</strong> <strong>2.</strong> <strong>Advent</strong> <strong>Jes</strong>. <strong>35</strong>,3-<strong>10</strong><br />
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn <strong>Jes</strong>us<br />
Christus.<br />
G.: AMEN<br />
Lasst uns stille werden, vor Gott treten und um Segen für sein Wort bitten.<br />
Gebetsstille Dein Wort sei meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg. Amen.<br />
Lesung des Textes: <strong>Jes</strong>. <strong>35</strong>,3-<strong>10</strong><br />
Liebe Gemeinde – Liebe Schwestern und Brüder!<br />
Acht Tage ist es her, da sangen wir voll freudiger Erwartung glücklich und feierlich laut<br />
„Macht hoch die Tür die Tor macht, weit es kommt der Herr der Herrlichkeit“. Unsere<br />
Kinder öffneten die ersten <strong>Advent</strong>skalendertürchen und wir träumten beim Schmücken der<br />
Stuben. Die Sehnsucht nach unserer Kindheit lebt wieder auf. Das klang auch in der<br />
Wiederholung der Uraufführung von Manfred Weiss, in seinem musikalisch nicht<br />
geschriebenen und abgeschickten Weihnachtsbrief, an.<br />
Wie viele Kinder erfahren nie etwas von der Weihnachtssehnsucht ihrer Eltern. Ich erlebe<br />
<strong>zum</strong> Beispiel in meiner ehrenamtlichen Arbeit im Findelbaby Projekt bei KALEB<br />
Neugeborene, die nie etwas davon erfahren. Ihre Eltern geben sie in unsere Obhut. Sie<br />
sehen keine Möglichkeit, haben keine Kraft, Verantwortung und ein gemeinsames Leben<br />
mit ihrem Kind zu beginnen. Wieder hat eine Mutter ihr neugeborenes Kind in Decken<br />
gehüllt vor dem Diakonissenkrankenhaus abgelegt. Warum? Warum hier? Die sichere<br />
Babyklappe ist nur einen Steinwurf entfernt.<br />
Die Realität hat uns eingeholt. So werden die Weihnachtserwartungen gedämpft bzw. auf<br />
den Boden der Realität zurückgebracht.<br />
Der Lobgesang des Zacharias und der jubelnde Einzug in Jerusalem sind verklungen.<br />
Wir erleben uns: Müde mit kraftlosen Händen.<br />
Gerade noch so kann ich die Arbeit bewältigen, aber eigentlich schleppe ich mich nur hin.<br />
Meine Seele und das Herzen sind traurig, verzagt und resigniert. Natürlich zünde ich die<br />
erste <strong>Advent</strong>skerze an und heute die zweite, aber Finsternis und Dunkelheit umgeben mich<br />
trotzdem. Die Resignation nimmt mich gefangen, besonders wenn ich den Blick auf das<br />
Weltgeschehen und das Leid der Menschen richten.<br />
In Ägypten wird die zarte Pflanze Demokratie in eine neue Diktatur verwandelt und damit<br />
reißt die Gewalt in den arabischen Ländern nicht ab.<br />
Wo ist Gottes Gerechtigkeit – Wo ist Gott? Nicht mal ein Funken Hoffnung auf das große<br />
Endziel des Herrn und seine Erlösung und Verwandlung für die ganze Schöpfung ist nach<br />
den zweitausend Jahren übrig geblieben. Alle Wiederkunftserwartungen sind zerplatzt.<br />
Wir sind zu unserem stressigen Alltag mit seinen routinemäßigen Abläufen zurückgekehrt.<br />
Wir drehen uns im Hamsterrad und gehen davon aus, dass es so weiter gehen wird!!!
Kaum ein Funken himmlischer Hoffnung – wir haben alles gelöscht im Alltag unseres<br />
Tuns. Der Funken kann keine Nahrung finden, weil vermeintliche Sachzwänge unser Tun<br />
optimieren. Es ist keine Zeit und keine Kraft da, Funken sprühen zu lassen.<br />
<strong>Advent</strong>, ja natürlich wir erwarten, zünden Kerzen an und warten auf die Weihnachtsfreude<br />
– erinnern uns an die Geburt des göttlichen Kindes. Aber Geburtstagsstimmung stellt sich<br />
nur schwer ein. Christus, das kleine Kind, ein Funken Hoffnung – kann dieser Funke<br />
wirklich ein göttliches Licht entzünden?<br />
Mit Lachen und Scherzen erwähnen wir den Weltuntergang, der nach dem Maja Kalender<br />
am 21. Dezember stattfinden soll, oder eine große Zeitenwende. Aber wir sind uns sicher,<br />
es wird nichts passieren.<br />
In der Realität leben wir und nur sie ist entscheidend und relevant, alles andere ist Utopie.<br />
Wir weigern uns, uns die Zukunft wirklich vorzustellen. Wir lassen uns gefangen nehmen<br />
von dem was ist – das reicht schon. Mehr wollen wir gar nicht, Christus ist weit weg.<br />
Das schlimmste ist für mich: es gibt kaum Visionen, es gibt keine Zielvorstellungen auf die<br />
wir gemeinsam hinarbeiten könnten.<br />
Wieso wundern wir uns da über unsere müden Hände, wankenden Knie und verzagten<br />
Herzen? Ich frage Euch, kann man ohne Hoffnung leben? Wir sind uns sicher einig. Es<br />
ist kein erfülltes Leben.<br />
In einem Seminar mit dem Thema „Ernste Vorfreude auf das Jüngste Gericht“ sollten wir<br />
unsere Hoffnung – (über den Tod hinaus hoffe ich darauf, dass -...) formulieren. Jeder für<br />
sich sollte es aufschreiben. Das war ungeheuer schwer und mir wurde deutlich, wie wenig<br />
von dem Funken Hoffnung wirklich brennt. Aber dieser Funken entzündet erst das Licht,<br />
dass auf meinem Lebensweg leuchtet und mir ein Ziel gibt.<br />
Dieser Funke muss gepflegt werden, dass er nicht erlischt. Er braucht Nahrung, dass er zu<br />
Licht wird.<br />
Sonst wanken wir kraftlos durch die Dunkelheit mit müden Händen, wankenden Knien und<br />
verzagten Herzen.<br />
Gegen unser Torkeln wird uns dieses prophetische Wort gesagt, so wie zu den Israeliten in<br />
der nachexilischen Zeit. Voller Hoffnung und Erwartung waren sie heimgekehrt. Aber alle<br />
Euphorie ist verflogen, der Alltag macht sich mit seinen Mühen breit und die<br />
Prophezeiungen sind nicht so eingetroffen, wie sie es sich gedacht haben.<br />
Mutlosigkeit nimmt ihnen die Kraft. Hoffnungslosigkeit nimmt ihnen das Ziel.<br />
Haben Sie das Wort gehört? „Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden<br />
Knie!“<br />
Haben Sie es noch im Ohr, den Spruch für die kommende Woche: „Seht auf und erhebt<br />
Eure Häupter, weil sich Eure Erlösung naht.“ (Luk. 21,28)<br />
Haben Sie gehört? „Saget den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht!<br />
Seht, da ist Euer Gott!“<br />
Das sind alles Aufforderungen. Der Sprachwissenschaftler würde sagen Befehlsform –<br />
Imperativ.
Die Aufforderung „Kopf hoch“ ist umgangssprachlich die lapidare Form.<br />
Ich würde sagen:<br />
Richte dich auf!<br />
Nimm Haltung an!<br />
Werde aktiv!<br />
Wechsle die Perspektive!<br />
Steh auf!<br />
Mach dich auf den Weg in dieser <strong>Advent</strong>swoche.<br />
Begreif die adventliche Erwartung als eine Lebenseinstellung und Lebenshaltung.<br />
Das ist mehr als eine körperliche Übung.<br />
Nimm, was dir begegnet, aufmerksam in den Blick. Schau nach vorn aber „Fürchte Dich<br />
nicht!“ So wie den Hirten auf dem Felde in der Weihnachtsgeschichte wird uns heute<br />
gesagt – „Fürchtet Euch nicht! Seht, da ist Euer Gott. Er kommt.“ Er ist an unserer Seite.<br />
Dazu müssen wir in adventlicher Erwartung Haltung annehmen – uns aufrichten! Sonst<br />
können wir die Vision nicht sehen und erleben, werden kraftlos und wanken.<br />
In dieser hoffnungsarmen Zeit sollten wir unsere adventliche Erwartung aktualisieren.<br />
Wir brauchen die aktuelle, hoffnungsstiftende Erwartungshaltung und die Aktualisierung<br />
der Botschaft, dass Gott da ist und unserer Welt Frieden und Gerechtigkeit verheißt.<br />
Ich vertraue auf die Zuversicht mit der ich einst sang „Ein Funke nur genügt“ – wie arm<br />
wäre die Welt, würden wir nicht erleben, dass Funken überspringen und Feuer entzünden.<br />
So hoffe ich, dass in Ägypten der Funke der Gerechtigkeit nicht ausgetreten wird….<br />
Wir brauchen die Erinnerung, dass Gott uns und diese Welt verwandeln wird. So wie<br />
es in der Verheißung des <strong>Jes</strong>aja angesagt wird.<br />
Es ist schwer die Welt im Lichte der Verheißung Gottes zu sehen, wie <strong>Jes</strong>aja sie uns vor<br />
Augen hält: Lebenswasserströme fließen, die dürre Wüste blüht, Kranke werden geheilt, es<br />
gibt keine Bedrohung mehr – Krieg und Unterdrückung wandeln sich in Frieden und<br />
Gerechtigkeit, auch Blinde sehen das Licht.<br />
Begonnen hat es schon. <strong>Jes</strong>us sagt es den Jüngern des Johannes an. Er erinnert sie an die<br />
<strong>Jes</strong>aja Verheißung: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören,<br />
Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, der nicht<br />
Ärgernis nimmt an mir“.<br />
Gott kommt um Gerechtigkeit zu schaffen. So verstehe ich die zweite Hälfte des vierten<br />
Verses „Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“<br />
Das ist eine meiner Hoffnungen, dass Gott Gerechtigkeit schaffen wird und uns so<br />
überraschen wird, dass es all unsere Vorstellungen übersteigt.<br />
„Hoffnung trägt in sich das schmerzliche Bewusstsein, dass die Welt nicht so ist, wie sie<br />
sein sollte und redet von Möglichen.“ (Michael Morgenroth) Dem Hoffenden öffnen sich<br />
andere Räume und Horizonte, der Alltag wird durchsichtig für Spuren des Reiches Gottes.<br />
Kann ich glauben und mich einlassen auf die adventliche Hoffnung und Erwartung, aller<br />
Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit <strong>zum</strong> Trotz???<br />
Wenn ich der Verheißung Gottes traue, gebe ich mich nicht zufrieden mit dem was ist,<br />
sondern begebe mich gemeinsam mit anderen auf den „heiligen Weg“ (<strong>Jes</strong>. <strong>35</strong>,8f.). Dieser<br />
Weg wird heilig durch die, die auf ihm gehen.<br />
Die Erlösten – die Losgekauften JHWHs, zu denen auch wir uns in der Nachfolge <strong>Jes</strong>u<br />
zählen dürfen, legen eine göttliche Spur in der Wüste hin <strong>zum</strong> Zion.
„Seht da ist euer Gott“ Gott kommt uns entgegen.<br />
Unser klares Reden, Beten, Singen und Leben in dieser Hoffnung kann dazu beitragen,<br />
dass auch andere mit diesen Weg beschreiten.<br />
Frau Günther hat es vorhin mit den Worten Christoph Eisenhuth und der Musik von<br />
Manfred Weiss gesungen: Ich lade dich ein – Zu bieten habe ich Nichts als Trümmer – Aber Gott<br />
kommt auch<br />
Achten wir in der Gemeinde aufeinander/ richten wir einander auf/ besuchen wir einander/<br />
halten wir die adventliche Hoffnung lebendig. Der offene <strong>Advent</strong>skalender hier in unserer<br />
Gemeinde, zusammen mit den katholischen Schwestern und Brüdern, bietet uns eine<br />
großartige Gelegenheit einander zu besuchen, kennenzulernen und gemeinsam in die<br />
<strong>Advent</strong>shoffnung einzustimmen.<br />
Wir haben es auch vorhin im Glaubensbekenntnis gesungen im Vers 4: „Der niederfuhr<br />
und auferstand, erhöht zu Gottes rechter Hand und kommt am Tag vorherbestimmt, da alle<br />
Welt ihr Urteil nimmt.“ Entfachen wir diesen Funken an die Wiederkunft neu.<br />
Ich bin mir sicher Gott wird uns am jüngsten Tag überraschen. All unsere Vorstellungen<br />
wird er übertreffen!!!<br />
Aufsehen/Aktiv werden – sich auf den Weg machen – einstimmen in den Jubel der<br />
Erlösten.<br />
Das ist der Dreiklang zu dem uns die <strong>Jes</strong>aja Verheißung heute am <strong>2.</strong> <strong>Advent</strong><br />
auffordert.<br />
Vers <strong>10</strong>: „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und gen Zion kommen mit<br />
Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie<br />
ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.“<br />
Vielleicht haben auch Sie die wunderbar jubelnde Musik der Fuge des Brahms Requiem<br />
im Ohr und hören den Lobgesang der zukünftigen Gemeinde aus dem letzten Buch der<br />
Bibel.<br />
Lassen Sie uns einstimmen, gemeinsam, in diesen Gloria Jubel und daraus Kraft schöpfen!<br />
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, erneure unsere<br />
Herzen und Sinne in dieser adventlichen Erwartungshoffnung auf Christus <strong>Jes</strong>us hin.<br />
AMEN