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Lernbegleitung-Lernberatung- Coaching - EHB

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SIBP Schriftenreihe Nummer 21<br />

<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<br />

<strong>Coaching</strong><br />

Dokumentation zur<br />

Tagung vom 25. und 26. Oktober 2002<br />

im Schweizerischen Institut für Berufspädagogik<br />

SIBP, Zollikofen<br />

..........................................................................................................<br />

EIN INSTITUT DES BUNDESAMTES FÜR BERUFSBILDUNG UND TECHNOLOGIE BBT


Herausgeber<br />

Schweizerisches Institut für Berufspädagogik (SIBP)<br />

Postfach 637<br />

CH – 3052 Zollikofen<br />

Homepage: www.sibp.ch<br />

Umschlaggestaltung<br />

Adrian Siegenthaler / Benjamin Polli, Visualize, 3400 Burgdorf<br />

Lektorat<br />

Marietheres Schuler, SIBP Zollikofen<br />

Marlène Egli, SIBP Zollikofen<br />

Layout<br />

Marlène Egli, SIBP Zollikofen<br />

Druck<br />

Druckerei Glauser AG, 3312 Fraubrunnen<br />

Copyright<br />

©SIBP 2003<br />

2.2003 1600 10 V 37055<br />

2


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung Andreas Grassi 6<br />

Referat I<br />

<strong>Lernbegleitung</strong><br />

„Was muss ich wissen, was muss ich können, Prof. Dr. Hansjörg Neubert 8<br />

was soll ich tun?“<br />

Ateliers I<br />

Pädagogische Fördermassnahmen an Berufsschulen – <strong>Lernbegleitung</strong><br />

1. Das Angebot an Stütz- und Fördermass- Anne Böhlen und 19<br />

nahmen an der Gewerblich-Industriellen Ursula Haerri<br />

Berufsschule Bern<br />

2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Urs Stucki 23<br />

Lehrpersonen im Stütz- und Förderunterricht<br />

3. DaZ – Deutsch als Zweitsprache Susann Schläppi 27<br />

SFK – Stütz- und Förderkurse im Team Hans-Heini Winterberger<br />

4. Vom verordneten Stützkurs zum freiwilligen Bernadette Neff, Katy 31<br />

Trainingsmodul – ein Paradigmawechsel Rhiner Grassi, Marlies Stoll<br />

5. Sprachförderung nach modularem Konzept BBZ Bruno Furrer 35<br />

Marc-André Peter<br />

Referat 2<br />

<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf Dr. Ursula Scharnhorst 39<br />

dem Weg zum selbstgesteuerten Lernen<br />

Ateliers 2<br />

<strong>Lernberatung</strong><br />

1. <strong>Lernberatung</strong> an der Allgemeinen Gewerbe- Ruth Wolfensberger 54<br />

schule Basel<br />

2. Lernmotivationstraining und selbstorganisiertes Peter Ming 58<br />

Lernen in der LERNWERKSTATT – ein inte- Marbeth Reif<br />

gratives Lerncoachingmodell<br />

3. Projekt „Wie weiter?“ Gabriela Hofer 62<br />

3


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Referat 3<br />

<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues Lic. phil. Rainer Bürki 65<br />

Modell?<br />

Ateliers 3<br />

<strong>Coaching</strong><br />

1. Bildungsnetz Zug – Projektbeschrieb und Matthias Buzzi 78<br />

Einblick ins <strong>Coaching</strong><br />

2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Helmut Gehrer 82<br />

Lehrpersonen im Stütz- und Förderunterricht Hans Heeb<br />

3. Professionell und unabhängig – der externe Thomas Diener 84<br />

Coach in der Berufsbildung<br />

4. <strong>Coaching</strong> in der Berufsschule – Ziele, Liliane Günter 87<br />

Instrumente, Erfahrungen<br />

Georges Kübler<br />

Tagungsergebnisse und Schluss- Andreas Grassi 91<br />

folgerungen<br />

4


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Adressverzeichnis Referierende<br />

Referierende Institution Adresse Tel. / E-Mail<br />

Böhlen Röthlisberger GIBB / Abt. AVK Lorrainestrasse 1, 3000 Bern 11 031 335 91 46<br />

Anne<br />

anne_boehlen@gmx.ch<br />

Bürki Rainer<br />

Praxis für Psychotherapie, Freiestrasse 178<br />

01 382 00 48<br />

Ausbildung, <strong>Coaching</strong> 8032 Zürich<br />

rainer.buerki@bluewin.ch<br />

Buzzi Matthias<br />

Verein Bildungsnetz Zug Aabachstrasse 1, 6301 Zug 041 724 57 80<br />

Amt für Berufsbildung Zug<br />

buzzi-aegeri@bluewin.ch<br />

Diener Thomas Verein Job, Zürich Ohmstrasse 14, 8050 Zürich<br />

01 310 16 55<br />

thomas.diener@vereinjob.ch<br />

Furrer Bruno<br />

Baugewerbliche Berufsschule<br />

Zürich<br />

brunofurrer@educanet.ch<br />

01 482 68 67<br />

Reishauerstrasse 2, 8090 Zürich<br />

Gehrer Helmut Stiftung „Die Chance“<br />

Appenzeller Strasse 4<br />

071 886 70 47<br />

9424 Rheineck<br />

chance.gehrer@bluewin.ch<br />

Günter Liliane<br />

Technische Berufsschule Ausstellungsstrasse 70<br />

01 446 96 60<br />

Zürich<br />

8090 Zürich<br />

l.guenter@bluemail.ch<br />

Haerri Ursula GIBB / Abt. AVK Lorrainestrasse 1, 3000 Bern 11<br />

031 335 91 46<br />

haerri.marly@bluewin.ch<br />

Heeb Hans<br />

Stiftung „Die Chance“<br />

Bündt<br />

081 757 23 95<br />

9468 Sax<br />

hansheeb@bluewin.ch<br />

Hofer Gabriela<br />

Jugendberatungsstelle Hofstrasse 31<br />

061 378 93 72<br />

Wie Weiter<br />

4127 Birsfelden<br />

wieweiterga@smile.ch<br />

Kübler Georges<br />

Weiterbildung für<br />

Ausstellungsstrasse 80<br />

01 447 27 73<br />

Berufsschulen<br />

8005 Zürich<br />

gkuebler@schulnetz.ch<br />

Ming Peter<br />

Berufs- und Weiterbildungszentrum<br />

BWZ Obwalden 6061 Sarnen<br />

peter.ming@schuleow.ch<br />

Grundacher, Postfach 1164 041 675 16 16<br />

Neff Bernadette<br />

Allgemeine Berufsschule<br />

01 444 54 44<br />

Zürich<br />

Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />

bernadette.n@bluewin.ch<br />

Abt. Mode und Gestaltung<br />

Neubert Hansjörg<br />

Peter Marc-André<br />

Reif Marbeth<br />

Rhiner Grassi Katy<br />

Scharnhorst Ursula<br />

Schläppi Kneer Susann<br />

Stoll Marlies<br />

Stucki Urs<br />

Winterberger<br />

Hans-Heini<br />

Wolfensberger Ruth<br />

Freie Universität Berlin<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

und Psychologie<br />

Baugewerbliche Berufsschule<br />

Zürich<br />

Berufs- und Weiterbildungszentrum<br />

BWZ Obwalden<br />

Allgemeine Berufsschule<br />

Zürich<br />

Abt. Mode und Gestaltung<br />

Schweizerisches Institut für<br />

Berufspädagogik SIBP<br />

Berufsschulzentrum<br />

Oberland bzi<br />

Allgemeine Berufsschule<br />

Zürich<br />

Abt. Mode und Gestaltung<br />

Berufsschulzentrum<br />

Oberland bzi<br />

Gewerblich Industrielle<br />

Berufsschule<br />

Allgemeine Gewerbeschule<br />

Basel<br />

Habelschwerdter Allee 45<br />

D – 14195 Berlin<br />

Reishauerstrasse 2, 8090 Zürich<br />

Grundacher, Postfach 1164<br />

6061 Sarnen<br />

Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />

Kirchlindachstrasse 79<br />

Postfach 637<br />

3052 Zollikofen<br />

Obere Bönigstrasse 21<br />

Postfach 653<br />

3800 Interlaken<br />

Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />

Obere Bönigstrasse 21<br />

Postfach 653<br />

3800 Interlaken<br />

Mönchstrasse 30 B<br />

3600 Thun<br />

Vogelsangstrasse 15<br />

Postfach<br />

4021 Basel<br />

0049 (0)30 – 838 55 971 / 55 786<br />

rosotto@zedat.fu-berlin.de<br />

01 446 98 88<br />

poseidon@swissonline.ch<br />

041 666 64 80<br />

reif.m@bluewin.ch<br />

01 444 54 44<br />

katyrhiner@bluewin.ch<br />

031 324 21 34<br />

ursula.scharnhorst@bbt.admin.ch<br />

033 828 11 11<br />

susann.schlaeppi@bluewin.ch<br />

01 444 54 44<br />

stollmarlies@bluewin.ch<br />

033 828 11 11<br />

stucki.urs@bzi-interlaken.ch<br />

033 227 33 44<br />

hh.winterberger@gibthun.ch<br />

061 695 65 55<br />

lernberatung.ags@bluemail.ch<br />

oder<br />

wolfis@datacomm.ch<br />

5


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Einleitung<br />

Andreas Grassi<br />

Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II, SIBP<br />

Begründung und Konzeption der Tagung<br />

Eine zunehmende Zahl von Berufslernenden bringt die erforderlichen Lernvoraussetzungen<br />

für den gewählten Beruf nur lückenhaft mit. Mangelndes Textverständnis, Defizite in den<br />

mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenkenntnissen, eine für das Absolvieren<br />

der Berufslehre wenig ausgebildete Lern- und Arbeitstechnik u.a.m. führen dazu, dass<br />

eine wachsende Zahl von Lernenden ein- oder mehrmals während der beruflichen Ausbildung<br />

besonderer Unterstützung bedarf. Die auftretenden Lernprobleme zeigen sich in den verschiedensten<br />

Berufsfeldern in unterschiedlicher Ausprägung, sie haben jedoch immer mehrere Ursachen.<br />

Mit welchen Konzepten begegnen Berufsschulen diesen Problemen? Was unternehmen sie,<br />

um das Lernen von Berufsschülerinnen und Berufsschülern zu unterstützen? Wie weit kann<br />

die Unterstützung durch Lehrpersonen im Regelunterricht geleistet werden? Wann braucht es<br />

zusätzliche Massnahmen? Worin bestehen die zusätzlichen Massnahmen?<br />

Das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) sieht für Personen mit Lernschwierigkeiten eine<br />

fachkundige individuelle Begleitung vor. Wie kann diese Begleitung ausgestaltet werden? Um<br />

einige dieser Fragen zu klären, organisierte die Anlauf- und Fachstelle erweiterte pädagogische<br />

Fördermassnahmen Sek II des SIBP die dreiteilige Fachtagung <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong><br />

– <strong>Coaching</strong>.<br />

<strong>Lernbegleitung</strong><br />

Der erste Teil der Tagung ging der Frage nach, welches Mass an <strong>Lernbegleitung</strong> durch die<br />

Lehrpersonen im Regelunterricht zu leisten ist; wohl wissend, dass sich die Rahmenbedingungen<br />

für die individuelle Begleitung von leistungsschwächeren Lernenden in den letzten<br />

Jahren verschlechtert haben. Das Referat von Prof. Neubert mit dem Titel <strong>Lernbegleitung</strong> -<br />

Was muss ich wissen, was muss ich können, was soll ich tun? gibt Antworten auf diese Fragen.<br />

Berufsschulen suchen den auftretenden Problemen mit Stütz- und Fördermassnahmen zu begegnen.<br />

Je nach Schulort sind diese Massnahmen mehr oder weniger ausgebaut, konzeptionell<br />

unterschiedlich stark durchdacht und werden durch besser oder weniger gut ausgebildete<br />

Lehrpersonen erteilt. Unter Ateliers 1 „Pädagogischen Fördermassnahmen an Berufsschulen –<br />

<strong>Lernbegleitung</strong>“ werden innovative Ansätze und Formen von Stütz- und Förderunterricht<br />

dargestellt.<br />

<strong>Lernberatung</strong><br />

Leistungsdefizite und Lernschwierigkeiten haben immer mehrere Ursachen, d.h. verschiedene<br />

Faktoren tragen dazu bei, dass die Lernenden die angestrebte Leistung nicht erbringen können.<br />

Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist oft komplex, und vor schnellem, rezeptartigem<br />

6


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Vorgehen ist zu warnen. Vielmehr gilt es, mit der lernenden Person zusammen nach den Ursachen der<br />

Schwierigkeiten zu forschen, die geeigneten Massnahmen einzuleiten und diese durch (Lern-) Vereinbarungen<br />

zu sichern.<br />

Diese Tätigkeit übersteigt in einigen Fällen die Möglichkeiten der Lehrpersonen der Stützund<br />

Fördermassnahmen und geschieht besser in einer persönlichen Beratungssituation. Einzelne<br />

Berufsschulen haben deshalb eine Stelle für <strong>Lernberatung</strong> eingerichtet, andere sind im<br />

Begriffe, solche Beratungsangebote zu schaffen. Über welche professionellen Kompetenzen<br />

müssen Lernberaterinnen und Lernberater verfügen, um ihre Tätigkeit erfolgreich zu gestalten?<br />

Das Referat „<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf dem Weg zum selbstgesteuerten<br />

Lernen“ von Frau Dr. Ursula Scharnhorst zeigt auf, wie <strong>Lernberatung</strong> entwickelt werden<br />

kann. Unter Ateliers 2 „<strong>Lernberatung</strong>“ werden Ansätze gezeigt, wie Beratungsangebote<br />

an Berufsschulen unterschiedlicher Grösse bereits entwickelt wurden.<br />

<strong>Coaching</strong><br />

Der Begriff „<strong>Coaching</strong>“ taucht heute in den verschiedensten Bereichen (Unternehmensführung,<br />

Sport, usw.) auf. Das Referat von lic.phil. Rainer Bürki beleuchtet die Herkunft und<br />

Entwicklung der <strong>Coaching</strong>methode und stellt die Frage, inwieweit <strong>Coaching</strong> ein Modell für<br />

die Begleitung von Berufslernenden sein kann. Welche Aufgaben hat ein Coach und welche<br />

Erfahrungen wurden in den Pilotprojekten gemacht? Die Beiträge unter Ateliers 3 „<strong>Coaching</strong>“<br />

zeigen unterschiedliche Ansätze von <strong>Coaching</strong>, wie sie in einigen Kantonen erprobt werden.<br />

Die externen Evaluationsberichte der Projekte werden in Zukunft bestimmt weitere Erkenntnisse<br />

liefern und die an der Tagung vermittelten Erfahrungsberichte ergänzen.<br />

7


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Referat 1<br />

<strong>Lernbegleitung</strong><br />

Was muss ich wissen, was muss ich können, was soll ich tun?<br />

Prof. Dr. Hansjörg Neubert<br />

Freie Universität Berlin<br />

Die erste große Frage: Was muß ich wissen?<br />

Drei Begriffe stehen im Mittelpunkt dieser Tagung, und wir werden uns in den nächsten beiden<br />

Tagen darüber austauschen, was gemeint ist, wenn wir von <strong>Lernbegleitung</strong>, <strong>Lernberatung</strong><br />

und <strong>Coaching</strong> sprechen. Es ist aus theoretischen, praktischen und wohl auch aus<br />

bildungspolitischen Erwägungen wichtig, bei der Verwendung dieser Begriffe möglichst<br />

genau zu sein; denn alle drei Begriffe – und ich hoffe dies wird die Tagung zeigen – weisen<br />

auf spezifische pädagogische Handlungsweisen hin, die erst dann in den Blick geraten, wenn<br />

die genannten drei Begriffe klar, präzise und inhaltsreich verwendet werden. Und dies ist<br />

nicht ganz einfach in einer Zeit, in der solche Begriffe oft als Schlagwörter – im wahrsten<br />

Sinn des Wortes – missbraucht werden.<br />

Eine kleine Geschichte, als fabulierender und entspannender Einstieg, möge Ihnen die Bedeutung<br />

einer prägnanten und eindeutigen Begrifflichkeit vor Augen führen. Die Geschichte, die<br />

um 480 vor Christus datiert, ist dem Buch LUN YÜ, der Sammlung der Gespräche des Konfuzius,<br />

entnommen:<br />

- Dsi Lu sprach: ‚Der Fürst von We wartet auf den Meister, um die Regierung auszuüben.<br />

Was würde der Meister zuerst in Angriff nehmen?’ Der Meister sprach: ‚Sicherlich die Richtigstellung<br />

der Begriffe.’ Dsi Lu sprach: ‚Darum sollte es sich handeln? Da hat der Meister<br />

weit gefehlt! Warum denn deren Richtigstellung?’ Der Meister sprach: ‚Wie roh Du bist! ...<br />

Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so<br />

kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und<br />

Kunst nicht... Darum sorge der Edle, dass er seine Begriffe unter allen Umständen zu Wort<br />

bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann ...’ (1) -<br />

Betrachten wir uns auf dieser Tagung im Sinn dieser Geschichte als „Edle“ und „Meister“<br />

und versuchen wir eine Schneise zu schlagen in das Begriffswirrwar von <strong>Lernbegleitung</strong>,<br />

<strong>Lernberatung</strong> und <strong>Coaching</strong>.<br />

Mein Thema ist die <strong>Lernbegleitung</strong>, und ich möchte der begrifflichen Klärung insofern dienen,<br />

als ich nach dem Wissen, Können und Tun frage, welches für die <strong>Lernbegleitung</strong> notwendig<br />

ist. Und da ich nun einmal in der Schweiz diesen Vortrag halte, möchte ich nicht versäumen,<br />

den großen Pestalozzi ab und an zu Wort kommen zu lassen. Lehren war bei ihm<br />

zutiefst <strong>Lernbegleitung</strong>, auch wenn er dieses etwas spröde Kunstwort nie gebraucht hat.<br />

8


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Der Bettellieutenant und „Vater Schulmeister“ Glülphi in Pestalozzis Roman „Lienhard und<br />

Gertrud“ hat sein Lehren und Unterrichten immer als <strong>Lernbegleitung</strong> verstanden, als „umfassende<br />

Besorgung“, wie er es nannte.<br />

Lassen Sie mich zunächst mit einer umgangssprachlichen Klärung beginnen:<br />

Im Begriff der <strong>Lernbegleitung</strong> steckt das Wort „Begleitung“. Wir begleiten jemanden, zumeist<br />

eine uns nahestehende Person, auf einem bestimmten Weg, sei es z.B. zum Arzt, zum<br />

Bahnhof, zu einem Fest oder wir begleiten ein Kind zur Schule. Die Gründe, warum wir dies<br />

tun, sind viele. Aber immer geht es darum, dem anderen durch unsere Begleitung, durch einen<br />

gemeinsamen und gemeinschaftlich zu gehenden Weg vielleicht Geselligkeit, aber in den<br />

meisten Fällen Unterstützung, Stärkung, Anleitung und Hilfe anzubieten. Gemeinsam geht’s<br />

sich eben leichter. Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid nur halbes Leid. Nähe,<br />

Anteilnahme, aber auch Führung – das wären wohl die Einfälle, wenn wir an Begleitung denken.<br />

Was ist nun <strong>Lernbegleitung</strong>? Ich denke, hier geht es auch darum, über eine gewisse Zeit einen<br />

gemeinsamen Weg zu gehen, jemanden auf seinem Lernweg zu begleiten, der aus verschiedenen<br />

Gründen - sei es Behinderung, Retardierung, Verhaltensstörung oder schlicht vorübergehenden<br />

Lernschwierigkeiten - Hilfe, Anleitung, Unterstützung, Stärkung und Wegweisung<br />

braucht. Also auch hier: Nähe, Anteilnahme, Führung – in gewisser Weise lebensweltlichintuitive<br />

Fähigkeiten - aber eben nicht nur. Die <strong>Lernbegleitung</strong> setzt auch ein bestimmtes professionelles<br />

Wissen und Können voraus. Die lernbegleitende Person ist eine des Lernens und<br />

Lehrens Kundige. Sie weiß um die Schwierigkeiten des Lernens, sie kann eingreifen, wenn es<br />

Not tut, sie kennt hilfreiche Methoden um das Lernen zu fördern. Kurz, die lernbegleidende<br />

Person weiß um den Lernweg und die Lernschritte und sie kann daher das Kind oder den Jugendlichen<br />

entsprechend anleiten und führen. Sie ist eben Pädagogin/Pädagoge – im Griechischen<br />

„paidagogós“, d.h. in der Antike ein in der Knabenführung Kundige/r.<br />

Ich möchte an dieser Stelle die umgangssprachlichen Annäherungen an den Begriff „<strong>Lernbegleitung</strong>“<br />

beenden. Nähe, Anteilnahme, Führung sowie professionelles Wissen und Können –<br />

damit ist das Terrain abgesteckt, das ich nun genauer abschreiten werde, um die Fragen klären<br />

zu können: Was muß ich wissen? Was muß ich können? Was soll ich tun?<br />

Wenden wir uns der ersten Frage zu: Was muß ich wissen? Drei Wissensaspekte möchte ich<br />

betonen:<br />

Erster Aspekt des Wissens: Das theoretische Wissen<br />

Damit <strong>Lernbegleitung</strong> gelingt, muß die lernbegleitende Person wissen, wie Lernen sich vollzieht<br />

und welche Schwierigkeiten auftreten können. Gerade diejenigen, die der <strong>Lernbegleitung</strong><br />

bedürfen, haben Defizite über deren Ursachen, Erscheinungsformen, Diagnose- und Interventionsmöglichkeiten<br />

ein schier unüberschaubares theoretisches Wissen vorliegt. Ebenso<br />

unüberschaubar ist das theoretische Wissen, über das, was Lernen ist und wie es abläuft. Welches<br />

theoretische Wissen ist angesichts dieser Unüberschaubarkeit nun gemeint? Die Frage ist<br />

natürlich nicht allgemein zu beantworten. Nur soviel: Die Professionalität der lernbegleitenden<br />

Person zeigt sich meines Erachtens auf dreierlei Weise: Erstens, daß sie angesichts der<br />

Unmöglichkeit alles wissen zu können um Eduard Sprangers Worte aus dem „Geborenen Er-<br />

9


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

zieher“ weiß: „Im mutigen Handeln gelingt vieles, wofür die Theorie noch nicht gefunden ist“<br />

(2). Zweitens, daß sie angesichts der Unüberschaubarkeit des theoretischen Wissens nicht<br />

ganz die Lust auf Theorie verliert und sich trotz der alltäglichen pädagogischen Routine noch<br />

einen Rest an theoretischer Neugier bewahrt; und drittens, daß sie zumindest eine Ahnung hat<br />

– ich betone eine Ahnung - von einigen zum Verständnis des Lernens grundlegenden theoretischen<br />

Positionen. Konkret: jede lernbegleitende Person sollte Ahnung davon haben, daß<br />

1. Lernen ein subjektiver Konstruktionsprozeß ist, der ohne die aktive Beteiligung der<br />

lernenden Person nicht möglich ist.<br />

2. Lernen ein hohes Maß an Selbststeuerung und Selbstkontrolle erfordert.<br />

3. Lernen nur gelingen kann, wenn es an bestehende Wissensstrukturen und vorgängige<br />

individuelle Erfahrungen anknüpft.<br />

4. Lernen um so leichter erfolgt, je verständlicher, anschaulicher und interessanter gelehrt<br />

wird.<br />

5. Lernen an eine angstfreie und aufmunternde Atmosphäre geknüpft ist.<br />

Viel kluges theoretisches Wissen rankt sich um diese fünf Lehrsätze, die man mühelos um<br />

einige erweitern könnte. Wie gesagt, es wäre gut, von diesen Dingen etwas Ahnung zu haben.<br />

Doch mehr als eine Ahnung, meine Damen und Herren, braucht es nicht zu sein. Denn es<br />

stimmt einfach nicht, daß ohne theoretisches Wissen eine kluge, sorgfältige und hilfreiche<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> nicht möglich ist. Dies ist eine „intellektualistische Legende“ (RYLE), die die<br />

jüngste pädagogische Professionalisierungsdiskussion längst hinter sich gelassen hat (3). Der<br />

Psychologe Dörner spricht im Blick auf die geringe Handlungsrelevanz der Theorie drastisch<br />

vom theoretischen Wissen als „Eunuchenwissen“, d.h., die Theoretiker wissen, wie es geht,<br />

können es aber nicht (4).<br />

Der Theorie-Praxis-Bruch, meine Damen und Herren, ist Ihnen wohl bekannt. Alle Erfahrungen<br />

weisen daraufhin, daß das theoretische Wissen aufgrund seiner Abstraktheit und wissenschaftssystematischen<br />

Logik bei der Bewältigung pädagogischer Situationen eine eher marginale<br />

Rolle spielt und nur sehr vermittelt in praktisch-pädagogisches Handeln einfließt. Die<br />

Komplexität, Dynamik, Situationsabhängigkeit und das diffus Atmosphärische jeder <strong>Lernbegleitung</strong><br />

ist theoretisch einfach nicht einzufangen und in allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten<br />

zu formulieren. Ja, diese Gesetzmäßigkeiten trüben häufig den Blick für den konkreten<br />

Fall.<br />

Hören wir hier zum ersten Mal Pestalozzi: „Wir ... träumen uns Bilder von der Menschheit, und geben indessen<br />

auf den Buben nicht Achtung, den du Hans heisst, und der Bub wird nichts nutz, weil wir, umnebelt von den<br />

Träumen der Menschheit, den Hans vergessen, in welchem der Mensch, den wir erziehen wollten, aufgewachsen“<br />

(5).<br />

Der konkrete Fall ist also nicht das Thema der Wissenschaft. In der <strong>Lernbegleitung</strong>, wie im<br />

pädagogischen Handeln ganz allgemein, wird daher zumeist auf ein eingelebtes pädagogisches<br />

Alltagswissen zurückgegriffen - und dies umso mehr, je persönlicher, komplexer und<br />

labiler die pädagogische Situation ist, und je stärker der Reaktions- und Handlungsdruck ist.<br />

Wenden wir uns daher dem pädagogischen Alltagswissen als einem zweiten Wissensaspekt<br />

zu.<br />

10


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Zweiter Aspekt des Wissens: Das pädagogische Alltagswissen<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> ist ein sehr persönliches zwischenmenschliches Geschehen und überaus situationsabhängig.<br />

In dem Maße, wie die Beteiligten die Situation unterschiedlich erleben, aktualisieren<br />

sich Probleme und Bedürfnisse, treten Spannungen und Konflikte auf, eröffnen sich<br />

Handlungsmöglichkeiten, werden Kräfte mobilisiert. Auf diese persönliche und situative Dynamik<br />

muß situationsgemäß reagiert werden, und zwar in pragmatisch-kluger wie in praktisch-ethischer<br />

Hinsicht. Das für ein derart situationsbewältigendes Handeln notwendige Wissen<br />

ist nicht das theoretische Wissen, sondern ein pädagogisches Alltagswissen, das in eigenen<br />

Erziehungserfahrungen, intuitiven Einsichten, pädagogischen Weltbildern, Haltungen,<br />

theoretischen Relikten und einfachem Rezeptwissen wurzelt. Dieses pädagogische Umgangswissen<br />

ist, wenn man will, gelebtes Wissen, das die ursprüngliche Vielgestaltigkeit und<br />

Breite der pädagogischen Situation widerspiegelt und unmittelbar Orientierungshilfe leistet.<br />

Was die <strong>Lernbegleitung</strong> betrifft, so verfügen wir alle immer schon über ein solches pädagogisches<br />

Alltagswissen, das theoretisch noch nicht verfremdet, gleichsam auf Urformen pädagogischen<br />

Handelns hinweist: Ich denke hier u.a. an: Zeigen, Vormachen, Fragen stellen, Wiederholen,<br />

Ratgeben, Veranschaulichen, Anregen, Verfremden, Appellieren, Anmahnen, Zumuten,<br />

Loben, Tadeln, Trösten, Strafen, Üben usw. <strong>Lernbegleitung</strong> ist ohne diese einfachen<br />

Formen didaktischer und pädagogischer Unterweisung und Hilfestellung nicht denkbar. Es<br />

scheint mir dringend notwendig, diese im alltäglichen Leben und in jeder <strong>Lernbegleitung</strong> immer<br />

schon geübten einfachen Formen des pädagogische Umgangs kunstvoll zu verfeinern und<br />

immer wieder neu zu erproben. Denn hier, meine Damen und Herren, verfügen wir alle über<br />

eine unausschöpfliche Klaviatur pädagogischen Wissens, das höchst nuancenreich, subtil,<br />

authentisch und vor allem jederzeit verfügbar ist.<br />

Dritter Aspekt des Wissens: Das Wissen über sich selbst<br />

Kaum ein pädagogisches Handeln ist so an die Person gebunden und von dieser beeinflusst<br />

wie die <strong>Lernbegleitung</strong>. Die Lernleistung, der pädagogische Umgang, die pädagogische Atmosphäre,<br />

die Stimmung, der Ton, der Mut, etwas anzupacken, die Neugierde auf das zu Lernende<br />

– diese subtilen Details pädagogischer Kunst sind nicht nur das Ergebnis fachlicher<br />

Kompetenz und didaktischer Geschicklichkeit, sondern hängen entscheidend von der Lehrperson<br />

ab, von der Ausstrahlung, dem Engagement, der Fähigkeit begeistern zu können. Gerade<br />

in der <strong>Lernbegleitung</strong> ist die Lehrperson keine „Nur-Lehrperson“, sondern Begleiterin,<br />

Gefährtin, Helferin. <strong>Lernbegleitung</strong> ist Miteinanderhandeln, das gemeinsame Bewältigen von<br />

schwierigen Situationen, ist Beraten und Helfen, Ermutigen und Unterstützen. Neben theoretischem<br />

Wissen und pädagogischem Alltagswissen bedarf es hier vor allem der Begeisterungsfähigkeit,<br />

der Klugheit, der Beharrlichkeit, des Mutes, des Augenmaßes und der Neugier<br />

am Menschen.<br />

Diese höchstpersönlichen Formen des pädagogischen Umgangs, die in der <strong>Lernbegleitung</strong> so<br />

wichtig sind, wurzeln in einem lebensgeschichtlichen Wissen, dem die Erfahrung der eigenen<br />

Identität zugrunde liegt. Es ist ein selbstreflexives Wissen, das im Verstehen und Deuten der<br />

eigenen Lebensgeschichte Konturen gewinnt und im Nachdenken über sich selbst deutlich<br />

wird, in rein persönlicher, aber auch professioneller Hinsicht. Das Wissen über sich selbst ist<br />

Voraussetzung für eine gelingende <strong>Lernbegleitung</strong>: Die eigenen Möglichkeiten und Grenzen<br />

des pädagogischen Umgangs werden deutlicher, das Profil wird klarer, die Selbsteinschätzung<br />

realistischer. Ohne dieses Wissen über sich selbst, oder sagen wir es auch hier bescheidener,<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

ohne eine Ahnung über sich selbst kann es keine authentische und zugewandte <strong>Lernbegleitung</strong><br />

geben.<br />

Hören wir hier Pestalozzi: Glülphi stellt sich häufig die ängstliche, ja selbstzweiflerische Frage „... wer darf zum<br />

Dorfschulmeister werden, wenn er fürchten muß, daß jeder seiner Fehler seinen Schulkindern zum Unsegen ...<br />

sogar zum Fluch werden kann ... Er ging mit hohem Ernst in sich selbst“ (6).<br />

Die zweite große Frage: Was muß ich können?<br />

Können ist etwas anderes als Wissen. Während das Wissen noch eine relative Distanz zum<br />

konkreten Handeln hat und bezogen auf den Handlungsvollzug einen gleichsam freischwebenden<br />

Bewusstseinszustand darstellt, ist das Können unmittelbar auf das praktische<br />

Handeln, auf den konkreten Vollzug ausgerichtet. Im Unterschied zum Wissen ist das Können<br />

eine direkte Vorstufe praktischen Tuns, mit diesem eng vertraut und potentiell verwoben.<br />

Können ist immer leibhaftiges Umgehen können mit Menschen, Dingen und Situationen.<br />

Belassen wir es bei diesen etwas theoretischen Hinweisen.<br />

Was also muß die lernbegleitende Person können? Ich möchte hier wiederum drei Aspekte<br />

unterscheiden, die mir gerade für die Qualität des pädagogischen Umgangs im Rahmen der<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> von Bedeutung sind.<br />

Erster Aspekt des Könnens: Die genaue Wahrnehmung<br />

Vor allem pädagogischen Verstehen, vor allem pädagogischen Tun liegt die Kunst der Wahrnehmung,<br />

das richtige Beobachten, das sich Vertrautmachen mit der Situation. Die <strong>Lernbegleitung</strong><br />

läuft fehl, wenn der pädagogische Blick ungeübt ist. Die Wahrnehmung von Fakten,<br />

Sachverhalten, Tatsachen ist zu wenig. Die Nuancen, Schattierungen, das Angedeutete, die<br />

Stimmung müssen erkannt werden. Die eher generalisierende pädagogische Wissenschaft gibt<br />

hier wenig Hilfe. Ihre Theorielastigkeit und ihre abstrakte Begrifflichkeit verstellen den Blick<br />

für Nuancen, Atmosphärisches und Stimmungen. Das Unausgesprochene, nur diffus Gespürte,<br />

das subtile Detail – und dies ist es doch, was den pädagogischen Umgang in der <strong>Lernbegleitung</strong><br />

ausmacht – sind nicht das Thema der Wissenschaft.<br />

Wenn die <strong>Lernbegleitung</strong> gelingen soll, dann bedarf es der Achtsamkeit und der Kultivierung<br />

pädagogischer Wahrnehmung . Der franzöische Philosoph Lévinas drückt es pointiert aus:<br />

“Anders wahrnehmen ist anderes wahrnehmen.“ Die schwierige Kunst eines gleichsam physiognomischen<br />

Blicks ist die Voraussetzung für einen teilnehmenden, nicht-distanzierenden<br />

pädagogischen Umgang, in der die für die <strong>Lernbegleitung</strong> so wichtigen ästhetisch-sinnlichen<br />

Erkenntnisweisen wie Imagination, Phantasie und Einbildungskraft Raum haben.<br />

Hier und da tauchen vor allem in der phänomenologischen Pädagogik solche Überlegungen<br />

auf; aber sie haben es schwer, sich in einer Zeit der Lernschnellwege und Effektivitätshybris<br />

durchzusetzen. Denn der die genaue Wahrnehmung bedarf der Achtsamkeit, des Innehaltens,<br />

der Zeit und der geduldigen Betrachtung, um „ ... in langwierigen Bemühungen die Kräfte der<br />

Aufmerksamkeit, des probierenden Nachdenkens, Vergleichens, Vermutens, Überprüfens,<br />

Besprechens zu kultivieren“ (7). Ich zitiere Horst Rumpf, dem die Kunst der achtsamen<br />

Wahrnehmung in der Pädagogik ein besonderes Anliegen ist.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Pestalozzi wusste darum. Er spricht von Glülphis „Falkenauge“. „Und der Lieutenant ließ seine Falkenaugen<br />

wie ein Bliz herumgehen von Kind auf Kind, von Hand auf Hand, von Arbeit auf Arbeit von Aug auf Aug. ...<br />

Der Lieutenant sah dem schlausten Buben unter den Bauern in die Seele“ (8).<br />

Zweiter Aspekt des Könnens: Die Lebendigkeit<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> kann nur gelingen, wenn sie durchdrungen ist vom Pathos der inneren Lebendigkeit.<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> ist Begeistern, Beleben, Animieren, Anstoßen, Interessieren, Ausstrahlen,<br />

Faszinieren. Dies klingt überzogen, ein wenig weltfremd und idealisierend, betrachtet<br />

man all’ die Routineprogramme und z.T. auch eintönigen Lehrverrichtungen, die im Rahmen<br />

jeder <strong>Lernbegleitung</strong> auftreten. Gleichwohl gehe ich nicht davon ab! Je länger ich das<br />

pädagogische Handeln studiere und nach den entscheidenden Wirkfaktoren suche, um so<br />

wichtiger erscheint mir genau dieses Pathos der Lebendigkeit. Zuwendungsfähigkeit und Authentizität<br />

sind hier gleichermaßen wichtig wie das Engagement am Menschen und an der<br />

Sache. Es bedarf hier der Nüchternheit und Klugheit genauso wie der Begeisterungsfähigkeit<br />

und persönlichen Ausstrahlungskraft. Und es bedarf der Faszination durch Sprache.<br />

Stoßen wir hier nicht an zutiefst charismatische Dimensionen der Persönlichkeit der Lehrperson?<br />

Ich denke, ja: Aber gerade solche, jede <strong>Lernbegleitung</strong> prägenden charismatischen Dimensionen<br />

bedürfen in einer Zeit naiven Professionalisierungsdenkens in besonderer Weise<br />

wieder der Aufmerksamkeit. Wenn sie auch nicht so einfach verfügbar und erlernbar sind, so<br />

stellen sie doch wichtige atmosphärische Bedingungen gelingender <strong>Lernbegleitung</strong> dar. Nicht<br />

umsonst hat Eduard Spranger in seinem auch für die <strong>Lernbegleitung</strong> heute noch lesenswerten<br />

Buch „Der geborene Erzieher“ die Bedeutung des „lebendigen Umgangs“ für die Erziehung<br />

über den sogenannten „erziehenden Unterricht“ gestellt.<br />

Dritter Aspekt des Könnens: Die Präsenz<br />

Unter Präsenz verstehe ich einen Stil der Anwesenheit, der durch einen hohen Grad an Nähe,<br />

zwischenmenschlichen Kontakt und situativer Gegenwärtigkeit geprägt ist. Präsent ist jemand,<br />

der für den anderen spürbar, gleichsam anfaßbar und angreifbar ist. Ich will es überspitzt<br />

formulieren: Im pädagogischen Umgang kommt es nicht so sehr darauf an, was jemand<br />

tut, sondern daß er präsent, spürbar, gleichsam mit Leib und Seele da ist.<br />

Dieses existentielle Anwesendsein, ja in gewisser Weise Befangensein in der Situation ist<br />

gerade in der <strong>Lernbegleitung</strong> ein wichtiger Aspekt pädagogischen Könnens. Die hohe emotionale<br />

Dichte, die Ängste der Lernenden, die für die Lernenden typischen Orientierungsbedürfnisse,<br />

das Bedürfnis nach Sich-Ausprobieren und Sich-an-jemandem Reiben – dies alles<br />

verlangt von der lernbegleitenden Person Präsenz und die Fähigkeit, Nähe ausstrahlen, aber<br />

auch aushalten zu können. Dieses in der Situation und beim Lernenden zutiefst Anwesendsein<br />

ist die Voraussetzung für die in der <strong>Lernbegleitung</strong> notwendige Sensibilität, Achtsamkeit<br />

und Geduld. Sie ermöglicht es, das Atmosphärische, das Nichtausgesprochene, die Stimmung<br />

und Gestimmtheit der Situation zu erfassen und in der <strong>Lernbegleitung</strong> aufzunehmen.<br />

Die Fähigkeit zur Präsenz als Intuition zu bezeichnen ist nicht nur schlagwortartig verkürzend,<br />

sondern auch zu psychologisch. Das in der Präsenz zum Ausdruck kommende Pathos<br />

der Nähe ist vielmehr eine zutiefst auch moralisch gemeinte Haltung der Achtsamkeit und der<br />

pädagogischen Zuwendungsfähigkeit, die auch die Brüchigkeit der Situation und der darin<br />

befindlichen Menschen, ihre Labilität, Bedürftigkeit und Verstricktheit, kurz deren Pathologie,<br />

erfahren und nacherleben lässt. Die Präsenz gewinnt hier die Qualität des teilhabenden<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Verstehens, des Mitfühlens und Mitleidens - wie ich denke, Urformen pädagogischen Könnens.<br />

Hören wir wieder Pestalozzi: „(Der Lieutenant) war ... mit Leib und Seel der Schulmeister, der nur den Augenblick vor sich sah, in dem er<br />

jetzt als Vater und Lehrer in der Mitte seiner Kinder dastand. Er lebte ganz in diesem Augenblick“ (9).<br />

Die dritte große Frage: Was soll ich tun?<br />

Vieles ist bisher indirekt schon zur Beantwortung dieser Frage gesagt worden. Sowohl die<br />

Aspekte des Wissens wie auch die Aspekte des Könnens fließen potentiell in das pädagogische<br />

Tun ein und geben der <strong>Lernbegleitung</strong> ihre Konturen. Wie diese Konturen aussehen,<br />

möchte ich im Rückgriff auf ein Zitat von Werner Loch so zusammenfassen. In der <strong>Lernbegleitung</strong><br />

geht es darum, daß Erwachsene und Jugendliche „... in „gemeinsamen Situationen“<br />

Zeit für einander haben, einander leibhaftig erleben, wahrnehmen, miteinander umgehen, sich<br />

ein Bild voneinander machen, sich gegenseitig „spielerisch identifizieren“ und somit lehrend<br />

und lernend interagieren können“ (10). <strong>Lernbegleitung</strong> also als Gespräch, Begegnung, Dialog.<br />

Vor diesem Hintergrund stellen wir jetzt noch einmal die Frage: Was soll ich tun?<br />

Erster Aspekt des Tuns: Führen und Anleiten<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> ist immer auch Lernführung. Dies kann nicht deutlich genug gesagt werden.<br />

In der <strong>Lernbegleitung</strong> geht es immer um Leiten und Anleiten, Einflussnehmen, Lernziele festlegen<br />

und auf deren Erfüllung achten, Lernschritte vorgeben, Anforderungen stellen, Leistungen<br />

einfordern, Zumuten und Anmahnen – und vielfach hundertmal dasselbe sagen. Dies geht<br />

nicht ohne Autorität, Entschiedenheit und Strenge; sonst schlägt die <strong>Lernbegleitung</strong> in pädagogische<br />

Wurstelei um. „Lehrerzentriert und Schülerorientiert“. Mit dieser Formel ist das<br />

Geheimnis erfolgreichen Unterrichts umschrieben - sie dürfte auch das Geheimnis gelingender<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> sein – viele empirische Untersuchungen bestätigen dies (11).<br />

Lassen Sie mich skizzenhaft einige Dimensionen pädagogischen Führens aufzählen, die mir<br />

in der <strong>Lernbegleitung</strong> wichtig erscheinen.<br />

- Führen heißt die Lernsituation vorbereiten<br />

Lernschwierigkeiten sind immer auch Abstraktionsschwierigkeiten. Die <strong>Lernbegleitung</strong><br />

hat dem Rechnung zu tragen und in besonderer Weise bei der konkreten lebensweltlichen<br />

Erfahrung anzusetzen. Das sinnlich Gegebene, das Wahrnehmbare und Greifbare, die Situation<br />

mit ihren Anmutungen und Aufforderungen, die Dinge und Gegenstände, ihre Farben<br />

und Formen, die Atmosphären und Stimmungen, der Rhythmus des Tages und des Lernens<br />

– kurz, die konkrete Lernsituation bedarf hoher Aufmerksamkeit und muß – ähnlich Montessoris<br />

„vorbereiteter Umgebung“ – zum Pädagogikum werden.<br />

- Führen heißt auf Regeln und Ordnungen achten<br />

Lernen geht nicht ab ohne Regeln, Regelmäßigkeiten, Pläne und Ordnungen. Lernschwierigkeiten<br />

sind in den meisten Fällen auch Schwierigkeiten im Umgang mit solchen regulie-<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

renden Strukturen. Die <strong>Lernbegleitung</strong> wird den Regeln und Ordnungen des Lernens besondere<br />

Beachtung schenken – auch im Blick auf eine Erziehung zur Verlässlichkeit und<br />

zur Akzeptanz sozialer Spielregeln.<br />

- Führen heißt diagnostizieren<br />

„Ein Lehrer, der allein auf Didaktik setzt, ohne über diagnostische Fähigkeiten zu verfügen,<br />

und der den Kenntnisstand und Lernfähigkeitsstand seiner Schüler nicht zutreffend<br />

beurteilen kann, wird wenig Erfolg haben“. Mit dieser Aussage fasst die FAZ vom<br />

9.6.1997 die Ergebnisse der Scholastik-Studie zusammen, in der u.a. bei den meisten<br />

Lehrpersonen sehr gering ausgeprägte Fähigkeiten zur Lerndiagnose festgestellt wurden.<br />

Gerade für die <strong>Lernbegleitung</strong> ist die zuverlässige und regelmäßige Lerndiagnose unabdingbar.<br />

Sie garantiert nicht nur die Einführung adäquater Lernhilfen, sondern lenkt den<br />

Blick auf die für jedes Lernen bedeutsamen metakognitiven und metakommunikativen Fähigkeiten,<br />

wie sie z.B. im Genfer DELV-Projekt eingeübt werden (DELV: Das Eigene<br />

Lernen Verstehen; siehe auch SIBP Schriftenreihe Nr. 16: „Die Evaluation des DELV-<br />

Programmes bei Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Ausbildung“).<br />

- Führen heißt Ermutigen<br />

Ich denke, es gibt hierzu nicht viel zu sagen. Sollte ich ein Leitmotiv für die <strong>Lernbegleitung</strong><br />

nennen, dann wäre es der Satz Hartmut von Hentigs „Die Menschen stärken, die Sachen<br />

klären“ (12). Mut machen, Trösten, Hoffnung wecken und das oft so angeschlagene<br />

Selbstbewusstsein stärken – ohne dies ist pädagogische Führung und <strong>Lernbegleitung</strong> überhaupt<br />

nicht denkbar.<br />

An dieser Stelle sei wieder Pestalozzi erwähnt, der auf eine beim Lernen vielfach vernachlässigte<br />

Form der Ermutigung und Aufmunterung hinweist: „Das Gefühl: ich kann etwas,<br />

ist für jede(n) ... eine größere Belohnung und eine größere Freude, als alle die Zierarthen<br />

sein können, die ihm die Kunst und die Gunst der Menschen zur Aufmunterung, etwas zu<br />

lernen, zu ertheilen vermag. Diese Kunst ist in den Schulen unermesslich vernachlässigt<br />

...“ (13).<br />

Zweiter Aspekt des Tuns: Zeigen und Vormachen<br />

Jedes Lehrgespräch, jede Unterweisung vollzieht sich im Gespräch. Die Thematisierung der<br />

Inhalte, die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten, der Austausch über Schwierigkeiten,<br />

Fehler und Erfolge, dies alles sind Formen des Lernens im Gespräch, wobei das Wechselspiel<br />

von Frage und Antwort von zentraler Bedeutung ist. Dies gilt auch für die <strong>Lernbegleitung</strong> und<br />

die hier Tätigen sollten Meister in der Kunst sein, ein Lehrgespräch führen zu können.<br />

Neben dem Gespräch möchte ich aber gerade für die <strong>Lernbegleitung</strong> eine Form des didaktischen<br />

Tuns hervorheben, die man meines Erachtens zu schnell als pädagogische Schlichtheit<br />

abtut und dadurch in seiner Bedeutsamkeit für gelingendes Lehren und Lernen unterschätzt:<br />

Das Zeigen und Vormachen: „Komm’, ich zeig’ Dir, wie man das macht!“ Komprimiert sich<br />

nicht in diesem Satz, geduldig und verständnisvoll ausgesprochen, das ganze Anliegen jeder<br />

<strong>Lernbegleitung</strong>: nämlich eine lernende Person, im Wissen um das eigene Können, an die<br />

Hand nehmen und ihr etwas zeigen und vormachen, in aller Anschaulichkeit, Detailliertheit<br />

und Konkretheit und vor allem in aller Sinnlichkeit, dabei ihre Wahrnehmung für die schwie-<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

rigen Stellen schärfen, sie zum Nachmachen auffordern - dies alles im Miteinandertun und<br />

Aneinanderlernen?<br />

Pestalozzi stellt keine derart akademische Frage. Er sagt es in schweizerischer Klarheit und Unmissverständlichkeit:<br />

„Man muß nicht mit dem Maul, man muß es auch mit den Händen zeigen“ (14).<br />

Es lohnt sich, über die Kunst des Zeigens und Vormachens nachzudenken, sie in das didaktische<br />

Tun einfließen zu lassen und immer wieder neu auszuprobieren. Und wenn dann beim<br />

Zeigen und Vormachen noch Geschichten erzählt werden, vor allem von der Art, wie man<br />

selbst einmal Mühe hatte, das Gezeigte irgendwann einmal mühevoll zu lernen, dann verliert<br />

das pädagogische Handeln seine notorische Ernsthaftigkeit (15).<br />

Dritter Aspekt des Tuns: Neugierde, Spannung und Interesse wecken<br />

Ich wage kaum, eine solche pädagogische Binsenweisheit überhaupt zu erwähnen – gibt es<br />

doch scheinbar andere Aspekte des Tuns, die für die <strong>Lernbegleitung</strong> wichtig sind. Aber nach<br />

wie vor gilt das eindeutige und klare Wort von Herbart „Langeweile ist die größte Sünde des<br />

Unterrichts“ (16).<br />

Dies gilt in besonderer Weise für die <strong>Lernbegleitung</strong>. Denn hier ist das Lernen besonders mühevoll<br />

und anstrengend. Konzentrationsschwierigkeiten, die Unfähigkeit, sich über längere<br />

Zeit mit einem Thema zu befassen, die Schwierigkeiten des Verstehens und immer wieder an<br />

die eigenen Grenzen stoßen und sich in Frage stellen. Lernen im Rahmen der <strong>Lernbegleitung</strong><br />

kann unsäglich mühevoll sein, manchmal tief traurig. Mit Augenzwinkern, humorvollen Auflockerungen<br />

und ein bisschen Spaß kann man zwar die Situation entspannen - auch das gehört<br />

zum pädagogischen Tun in der <strong>Lernbegleitung</strong>. Aber um Neugierde, Spannung und Interesse<br />

zu wecken, bedarf es m.E. einer grundlegenden Neuorientierung der Didaktik in Richtung<br />

einer didaktischen Dramaturgie. Die Dramaturgie ist die Kunst, durch geeignete Ausdrucksformen,<br />

Darstellungsweisen und Gestaltungsmittel, zumeist sehr subtiler Art, eine sinnlich<br />

anregende und ästhetisch stimulierende Atmosphäre zu schaffen. Das Dramaturgische geht<br />

weiter über die Bühnendramaturgie hinaus und ist für alle Formen sozialen Handelns relevant,<br />

die darauf abzielen, Menschen anzuregen, zu begeistern, für etwas zu interessieren und – eher<br />

spielerisch - zu motivieren. Sind dies aber nicht auch Ziele der <strong>Lernbegleitung</strong>? Wäre es nicht<br />

ein lohnenswerter Gedanke, das Eintönige, Mühevolle und zuweilen auch Langweilige jeder<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> durch eine didaktische Dramaturgie und durch performative Raffinesse aufzulockern?<br />

Und könnte nicht dadurch das der Pädagogik immer schon anhaftende Oberlehrerhafte<br />

durch etwas Spielerisch-Ästhetisches, vielleicht sogar Heiter-Komödiantisches aufgelockert<br />

werden? Der alte pädagogische Topos von der Lehrperson als Magier und Magister<br />

scheint hier auf.<br />

Lassen Sie mich schließen. Ich habe mit einer Geschichte begonnen. Ich möchte - auch aus<br />

Gründen der Dramaturgie – mit einer Geschichte enden, die in poetischer Weise erzählt, was<br />

<strong>Lernbegleitung</strong> sein kann.<br />

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Es ist eine chassidische Geschichte:<br />

Rabbi Ahron kam einst in die Stadt, in der der kleine Mordechai, der<br />

nachmalige Rabbi von Lechowitz, aufwuchs. Dessen Vater brachte<br />

ihm den Knaben und klagte, dass der im Lernen keine Ausdauer habe.<br />

„Lass ihn mir eine Weile hier“, sagte Rabbi Ahron.<br />

Als er mit dem kleinen Mordechai allein war, legte er sich hin und<br />

bettete das Kind an sein Herz. Schweigend hielt er es am Herzen,<br />

bis der Vater kam. „Ich habe ihm ins Gewissen geredet“, sagte er,<br />

„Hinfort wird es ihm an Ausdauer nicht fehlen“.<br />

(Erzählung der Chassidim)<br />

Was also ist <strong>Lernbegleitung</strong>? Poetisch, im Sinne dieser Geschichte gesprochen, ist sie der<br />

mühevolle Versuch, den Lernenden „an sein Herz zu legen“ und ihm zugleich „ins Gewissen<br />

zu reden“. Dies aber ist wahrlich eine große Kunst, die reflektiertes Wissen, gediegenes Können<br />

und engagiertes Tun erfordert.<br />

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Literatur<br />

(1) Kung-Futse, Gespräche, verdeutscht und erläutert von R. Wilhelm, Jena 1945<br />

(2) E. Spranger, Der geborene Erzieher, in: ders., Geist der Erziehung, hrsg. von G. Bräuer<br />

und A. Flitner, Heidelberg 1969, S. 287<br />

(3) G. Ryle, Der Begriff des Geistes, Stuttgart 1969<br />

(4) D. Dörner, Die Logik des Mißlingenens. Strategisches Denken in komplexen Situationen,<br />

Reinbek 1989, S. 304<br />

(5) J.H. Pestalozzi, Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, begründet von A. Buchenau u.a.,<br />

Berlin, Zürich, 1927, Bd. 8, S. 287<br />

(6) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 3o7<br />

(7) H. Rumpf, Kostbares Befremden. Über die anfängliche Nachdenklichkeit bei Wagenchein,<br />

in: W. Köhnlein (Hg.), Der Vorrang des Verstehens. Beiträge zur Pädagogik<br />

Martin Wagenscheins, Bad Heilbrunn, S. 22 – 36<br />

(8) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 220 und Bd. 3, S. 337<br />

(9) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 515<br />

(10) W. Loch, Die Erneuerung der Pädagogik aus dem Gespräch des Erwachsenen mit dem<br />

Kind, in: Bildung und Erziehung 1989, S. 424<br />

(11) siehe hier vor allem die Ergebnisse der am Max-Planck-Institut für psychologische Forschung<br />

in München durchgeführte SCHOLASTIK-Studie<br />

(12) H.v.Hentig, Die Menschen stärken, die Sachen klären. Ein Plädoyer für die Wiederbelebung<br />

der Aufklärung, Stuttgart 1985<br />

(13) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 7, S. 534<br />

(14) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 3, S. 147<br />

(15) H. Neubert, Die Suche nach Geschichten als Prinzip pädagogischer Reflexion, in:<br />

Grundschule 1986, S. 44 ff.<br />

(16) J.F. Herbart, Pädagogische Schriften, 3. Bd., hrsg. von W. Asmus, Düsseldorf 1965,<br />

S. 61<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Ateliers 1<br />

Pädagogische Fördermassnahmen an Berufsschulen -<br />

<strong>Lernbegleitung</strong><br />

1. Das Angebot an Stütz- und Fördermassnahmen<br />

an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern<br />

(Abteilung für Anlehren, Vorlehren, Stützkurse und Freifächer [gibb avk])<br />

Anne Böhlen und Ursula Haerri<br />

GIB Bern<br />

Daniel, Zimmermann, 3. Lehrjahr.<br />

Sehr guter Schüler mit einer Teilleistungsschwäche in Legasthenie, die er in den Griff bekommen<br />

möchte.<br />

Edith, Floristin, 1. Lehrjahr, deutschsprachig.<br />

Hat durch eine lange Krankheit viel Schulstoff verpasst und weist vor allem im Rechnen grössere<br />

Lücken auf.<br />

Giovanni, Vorlehre, seit einem Jahr in der Schweiz.<br />

Sprachbegabt, möchte zusätzlich zum Unterricht noch Englisch oder Französisch belegen.<br />

Helena, Coiffeuse, 1. Lehrjahr, deutschsprachig.<br />

Fleissig, aber unsicher in der Berufsschule, verfügt über gute sprachliche Grundkenntnisse<br />

aber keine persönlichen Lernstrategien.<br />

Igbale, KV, 2. Lehrjahr, seit zehn Jahren in der Schweiz.<br />

Sprachbegabt, aber mangelhafte Noten in Mathematik, vor allem in Algebra.<br />

Jusuf, Schreiner, 1. Lehrjahr, seit drei Jahren in der Schweiz.<br />

Guter Schüler mit Sprachverständnisproblemen.<br />

Marc, Hochbauzeichner, 2. Lehrjahr, bis zu seinem zehnten Lebensjahr in der Westschweiz<br />

wohnhaft.<br />

Spricht sehr gut Dialekt, hat Mühe mit der Schriftsprache.<br />

Stéphanie, Elektronikerin, letztes Lehrjahr, deutschsprachig.<br />

Sehr gute Noten in allen Fächern, möchte sich auf die Aufnahmeprüfung in die BMS vorbereiten.<br />

Diesen Lehrlingen kann in ihren Wünschen und Bedürfnissen geholfen werden, wenn sie<br />

das umfassende Stütz- und Förderangebot der gibb in Anspruch nehmen.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Ueber 300 Jugendliche haben sich im August 2002 für das laufende Schuljahr für einen der<br />

ausgeschriebenen Stützkurse angemeldet, mehr als 800 Schülerinnen und Schüler für Freikurse.<br />

Von Montag bis Donnerstag und am Samstagmorgen werden momentan insgesamt 36<br />

Stützkurse angeboten, 10 à 4 Lektionen und 26 à 2 Lektionen. An den Abenden und am<br />

Samstagmorgen stehen insgesamt 58 Freikurse auf dem Programm. Sowohl Stütz- wie Freikurse<br />

werden seit vielen Jahren angeboten und stossen zunehmend auf grosses Interesse, nicht<br />

nur an der Schule selber.<br />

Stützkurse als Lernhilfe<br />

Stützkurse sind ein Förderangebot für Lernende mit Lerndefiziten und Lernschwierigkeiten.<br />

Mit Lerndefiziten sind im Bereich Deutsch mangelhafte Fertigkeiten wie Lesen, Verstehen,<br />

Schreiben, Lernen und Problemlösen gemeint. Auch in der Mathematik werden den Lernenden<br />

Stützkurse angeboten.<br />

Ziel eines Stützkurses ist es, die Lern- und Problemlösefähigkeit der Jugendlichen zu verbessern.<br />

Sie arbeiten am Inhalt und werden dabei angeleitet, ihre Lern- und Problemlösungsprozesse<br />

in die eigene Hand zu nehmen und diese Prozesse auf Grund ihrer Lernbedürfnisse,<br />

ihrer Ziele und ihrer momentanen Möglichkeiten zu optimieren. Die Jugendlichen steigern so<br />

ihre Chance, die Lehrabschlussprüfung zu bestehen und legen die Grundlage für ihre Weiterbildung.<br />

Die Mehrheit der Stützkursteilnehmenden hat das Ziel, ihre Anlehre oder Lehre erfolgreich<br />

abzuschliessen. Einige wenige stehen noch vor der Berufswahl und bemühen sich z.B. um<br />

mehr Sprachkompetenz, damit sie in naher Zukunft eine Lehrstelle finden und die Ausbildung<br />

schaffen werden. Die Teilnehmenden wählen in der Ausschreibung ihren Stützkurs je nach<br />

Lerndefiziten und Bedürfnissen. Sie werden auf Grund einer genauen Sprachstandsabklärung<br />

nach Möglichkeit in die Lerngruppe eingeteilt, die ihrer momentanen Sprachkompetenz entspricht.<br />

In den Grundkursen für Deutsch und Mathematik treffen wir oft Jugendliche, denen grundlegende<br />

Kenntnisse fehlen, um dem komplexen Unterricht an der Berufsschule folgen zu können.<br />

Ihnen werden vorerst die wichtigsten Grundlagen vermittelt, damit sie möglichst schnell<br />

den Anschluss in den Regelklassen finden. Die kleine Anzahl der Teilnehmenden (ca. 10)<br />

erlaubt es, dass rasch, effizient, zielgerichtet und individualisierend gearbeitet werden kann.<br />

Auch fortgeschrittene Schüler finden Unterstützung im Stütz- und Förderprogramm der gibb.<br />

So brauchen gute Rechner Hilfe in einem bestimmten mathematischen Bereich; fortgeschrittene,<br />

gut integrierte, im Dialekt akzentfrei sprechende Fremdsprachige tun sich schwer mit<br />

der Schriftsprache; Auszubildende aus Berufsgruppen mit höherem Anspruchsniveau (z.B.<br />

administrative, kaufmännische Berufe) stehen auf Kriegsfuss mit den schwierigsten grammatikalischen<br />

Strukturen. Sie alle finden die Form von Unterstützung und Förderung, die sie in<br />

ihrem Bemühen um eine gute Berufsausbildung weiterbringt.<br />

Die Stützkurse sind zusätzlich ein wichtiges Gefäss, das Hilfe in den verschiedensten Lebensbereichen<br />

bietet. So können auch persönliche, lerntechnische, berufliche oder kulturelle<br />

Fragen besprochen und Lösungen gesucht werden. Stützkurse können jedoch keine Therapie<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

ersetzen; Schülerinnen und Schüler mit schwerwiegenden persönlichen oder beruflichen<br />

Problemen finden offene Türen bei der schulinternen Beratungsstelle.<br />

Mit zunehmendem Wissen wird die Wahrscheinlichkeit grösser, die berufliche Ausbildung<br />

erfolgreich abschliessen zu können, und damit wächst auch die individuelle Sicherheit und<br />

das Selbstvertrauen der Jugendlichen. Persönliche Lernfortschritte sollen in Zukunft mit Hilfe<br />

des Europäischen Sprachenportfolios aussagekräftig dokumentiert werden. SchülerInnen mit<br />

gutem Sprachwissen haben an der gibb zudem die Möglichkeit, sich auf die Prüfungen des<br />

Goethe-Instituts vorzubereiten.<br />

Der Unterricht an Stützkursen stellt hohe Anforderungen an die Lehrkräfte, muss der Unterricht<br />

doch individuell auf die Bedürfnisse und Probleme jedes einzelnen Schülers ausgerichtet<br />

werden.<br />

Freikurse als Fördermassnahme und Weiterbildung<br />

An der gibb werden nicht nur Stützkurse als Fördermassnahme angeboten. So finden z.B.<br />

stärkere Schüler Unterstützung bei der Vorbereitung für die Aufnahme in die BMS.<br />

Auch die Freikurse stellen Förderkurse dar. Sie bieten Sprachkurse in Englisch, Französisch<br />

und Italienisch an, aber auch diverse Sportarten und Kurse für verschiedene Lebens- und Wissensgebiete<br />

wie Computerwissenschaften und Kunst.<br />

Das Angebot an Stütz- und Freikursen steht allen BerufsschülerInnen offen, der Besuch setzt<br />

aber Verbindlichkeit, Eigeninitiative, Lernwillen und aktive Mitarbeit voraus.<br />

Die organisatorischen und finanziellen Aspekte des <strong>Coaching</strong>s und<br />

der <strong>Lernbegleitung</strong><br />

Das grosszügige Angebot an Stütz- und Förderkursen an der gibb erfordert eine umfassende,<br />

umsichtige Planung. Pädagogische, finanzielle und administrative Fragestellungen, die sich<br />

zu einem vernetzten Ganzen fügen, müssen in komplexen, intensiven Prozessen geklärt werden.<br />

Auf der Grundlage des klar definierten, schulischen Konzepts erarbeiten die einzelnen Fachgruppen<br />

die Umsetzung der pädagogischen Fördermassnahmen in den Kursen. Hier werden<br />

von den Lehrkräften Ziele definiert, Projekte vorbereitet, evaluiert, durchgeführt und analysiert.<br />

Pädagogische Fördermassnahmen, professionelles <strong>Coaching</strong>, intensive <strong>Lernbegleitung</strong> sind<br />

nicht zum Nulltarif zu haben! Eine weitsichtige Budgetierung der benötigten finanziellen Mittel<br />

ist die grundlegende Voraussetzung für erfolgreichen Förderunterricht. In einer Ziel- und<br />

Tätigkeitsplanung werden die finanziellen Mittel zwei Jahre im Voraus budgetiert und bereitgestellt.<br />

Dabei sind die Aufwendungen für die Lehrmittel, die in der Bibliothek zur Verfügung<br />

stehen, speziell berücksichtigt. Dies ist bei einem Stütz- und Förderkonzept, dem neue<br />

Lehr- und Lernformen zu Grunde liegen, in besonderem Masse zu beachten.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Das auf individualisiertem Unterricht basierende Stütz- und Förderkonzept der gibb verlangt<br />

eine intensive Planung im Bereich der Organisation der Kurse, die jährlich in einem Kursprogramm<br />

ausgeschrieben werden. Der Auswahl der Lehrkräfte muss grosse Aufmerksamkeit<br />

geschenkt werden und nicht zuletzt ist die Erstellung des Raumprogramms ein wichtiger Faktor,<br />

der zum Gelingen einer effektiven <strong>Lernbegleitung</strong> beiträgt. Um ein individuelles, Selbstkompetenzen<br />

förderndes Arbeiten zu ermöglichen, sind genügend Räume und Rückzugsmöglichkeiten<br />

eine unabdingbare Voraussetzung.<br />

Wenn die zu Beginn des Artikels porträtierten Lehrlinge Daniel, Edith, Giovanni, Helena,<br />

Igbale, Jusuf, Marc und Stéphanie erwartungsvoll in einem der ungefähr 90 angebotenen<br />

Kurse sitzen und vom gibb-Konzept Stützen und Fördern profitieren, ahnen die wenigsten,<br />

welche immense Vorarbeit zu ihrem Nutzen von den verschiedenen Stellen geleistet worden<br />

ist.<br />

(Das detaillierte Konzept „Stützen und Fördern an der gibb“ ist bei den Autorinnen erhältlich).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Lehrpersonen<br />

im Stütz- und Förderunterricht<br />

Der lernschwache Lernende wird gefördert<br />

Urs Stucki<br />

Berufsschulzentrum Interlaken (bzi)<br />

Nicht erst seit der Veröffentlichung der Pisa-Studie ist bekannt, dass lernschwächere Schülerinnen<br />

und Schüler spezifischer gefördert werden sollten.<br />

Die pädagogischen Fördermassnahmen im bzi tragen dazu bei, dass jede/r Lernende weiss,<br />

was schulisch von ihr/ihm verlangt wird. Sie/er wird individuell betreut und gefördert und hat<br />

bei Problemen eine entsprechende Anlaufstelle.<br />

Im Team beschreiten Schulleitung und Lehrerschaft des bzi einen Weg, dessen zentrales Anliegen<br />

die Begleitung der/des lernschwachen Lernenden ist.<br />

Nachstehend findet sich ein Auszug der Förderangebote des bzi. Er ist weder vollständig noch<br />

endgültig.<br />

Volksschule ► Berufsschule ► LAP<br />

Infoveranstaltungen<br />

für Volksschullehrerinnen<br />

und -lehrer<br />

Konzept Schnuppern<br />

im bzi<br />

Früherkennung<br />

Notentransparenz<br />

Stützkurse<br />

Konzept:<br />

- Lernvoraussetzungen<br />

einschätzen<br />

- Zielvereinbarungen<br />

treffen<br />

Repetentinnen<br />

und<br />

Repetenten<br />

erfassen<br />

Transparentes Anforderungsprofil<br />

(www.bzi-interlaken.ch)<br />

Hilfe bei Konflikten<br />

im Schulbetrieb<br />

- Freiwilligkeit<br />

- Standortangebote<br />

- Weiterentwicklung<br />

- Weiterbildung<br />

für Lehrkräfte<br />

Nachstehend werden die einzelnen Bausteine des Förderkonzepts beschrieben.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Infoveranstaltung für Volksschullehrpersonen<br />

Der Übergang von der Volksschule in die Berufsbildung ist für Jugendliche ein wichtiger<br />

Schritt, dem besondere Beachtung geschenkt werden muss. Gemeinsam mit den Berufsschulen<br />

des Berner Oberlandes organisiert das bzi eine jährliche Informations- und Austauschveranstaltung<br />

für Berufs- und Volksschullehrpersonen, in der die Vernetzung zwischen den<br />

Schulstufen gefördert wird.<br />

Konzept Schnuppern im bzi<br />

Schnupperlernende werden einzeln für einen Tag in ein erstes Lehrjahr integriert. Die<br />

Schnupperlernenden erhalten je einen „Götti“ zugeteilt, der mit einer Checkliste ausgerüstet<br />

die zukünftigen Lernenden durch den Tag begleitet. Der Götti ist verantwortlich, dass die<br />

Schnupperlernenden bei Schulschluss informiert sind über die Örtlichkeiten, die Lehrmittel,<br />

das Trialsystem, die Heftführung, den Stundenplan, die Berufsauslagen, die Berufsanforderungen<br />

und die zusätzlichen Kursangebote des bzi.<br />

Nach der letzten Schulstunde wertet die Lehrperson den Schulbesuch mit den Schnupperlernenden<br />

schriftlich und mündlich aus.<br />

Transparentes Anforderungsprofil<br />

Auf der homepage www.bzi-interlaken.ch erhalten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit,<br />

allgemeine und berufsspezifische Anforderungen nachzulesen, die im ersten Lehrjahr an<br />

sie gestellt werden. Im weiteren können sie diverse Tests lösen und sich selber einschätzen.<br />

Diese Informationen sollen ihnen helfen, sich im Hinblick auf den Start der Lehre zielgerichtet<br />

Kompetenzen und spezifisches Wissen anzueignen.<br />

Früherkennung<br />

Zwischen 10- und 20% aller Lernenden benötigen im Laufe ihrer Berufslehre einen Stützkurs.<br />

Die Früherkennung von Lernenden mit Lernschwierigkeiten ist ein äusserst wichtiger Punkt,<br />

damit möglichst alle Lernenden die Lehrabschlussprüfung bestehen.<br />

Im bzi basiert die Früherkennung auf drei Ebenen:<br />

1. Zu Beginn jedes neuen Schuljahres werden die Lehrpersonen des bzi aufgefordert, die<br />

neu eintretenden Lernenden zu beobachten, bei Lernschwierigkeiten mit ihnen das Gespräch<br />

aufzunehmen und ihnen den Stützkurs zu empfehlen (ca. 40% aller Anmeldungen<br />

erfolgen durch Lehrpersonen des bzi oder Lernende).<br />

2. Die Zeugnisnoten der einzelnen Fächer werden von jeder Lehrperson mit jedem Lernenden<br />

einzeln besprochen. Befindet sich eine ungenügende Note darunter, wird die<br />

ausbildende Person im Lehrbetrieb in einem Bericht darüber informiert und aufgefordert,<br />

Massnahmen zur Verbesserung einzuleiten. Eine mögliche Massnahme ist der<br />

Stützkurs (ca. 20% aller Anmeldungen).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

3. Lehrbetriebe erhalten seit Jahren mit jeder Stützkursanmeldung einen Flyer, in dem der<br />

spezifische Förderunterricht erklärt wird (ca. 5% aller Anmeldungen erfolgen durch<br />

Lehrbetriebe).<br />

Ungefähr 35% aller Stützkursteilnehmerinnen und -teilnehmer werden durch andere Berufsschulen<br />

überwiesen.<br />

Notentransparenz<br />

Gerade für die/den lernschwächere/n Lernende/n ist es wichtig, dass die Notenerhebung transparent<br />

und fair durchgeführt wird. Noten dürfen nicht als Disziplinierungs- und Machtmittel<br />

eingesetzt werden.<br />

Die Lehrpersonen des bzi haben sich folgende Minimalstandards gesetzt (Auszug daraus):<br />

• In Lernzielkontrollen werden nur Lernziele geprüft, die zuvor mit den Lernenden behandelt<br />

wurden.<br />

• Die Lernzielkontrollen werden möglichst gleichmässig aufs Quartal verteilt.<br />

• Pro Fach und Semester werden mindestens drei Lernzielkontrollen durchgeführt.<br />

• Die erreichbaren Punkte pro Aufgabe müssen ersichtlich sein.<br />

• Jede Lernzielkontrolle muss mindestens eine Woche im Voraus angesagt werden.<br />

• Notengebung und Korrektur müssen nachvollziehbar sein.<br />

• Eine Lernzielkontrolle wird nicht gewertet, wenn der Klassenschnitt ungenügend ist.<br />

Hilfe bei Konflikten im Schulbetrieb<br />

Ein vorgegebener Lösungsweg sichert der/dem Lernenden zu, dass Unstimmigkeiten zwischen<br />

ihr/ihm und einer Lehrperson nachhaltig gelöst werden. Lehrperson und Lernende/r<br />

erhalten die Gewissheit, dass der Problemlösungsweg transparent ist. Diese Regelung soll für<br />

beide Seiten eine faire Problembearbeitung garantieren.<br />

Stützkurskonzept<br />

Der Stützkursunterricht ist das Hauptinstrument im Förderbereich. Um ihm den nötigen Stellenwert<br />

innerhalb der Schule zu verleihen und ihn qualitativ zu sichern, haben die Stützkurslehrkräfte<br />

ein Konzept erstellt, welches durch die Schulleitung gutgeheissen wurde. Es wird<br />

regelmässig überarbeitet.<br />

Einige Auszüge daraus:<br />

• Stützkurs ist freiwilliger Zusatzunterricht. Die/der Lernende erkennt den Unterricht als<br />

Hilfestellung zur Selbsthilfe.<br />

• Der Unterricht ist vollständig individualisiert<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

• Der Stützkursunterricht soll die Lern- und Problemlösestrategien der Lernenden nachhaltig<br />

verbessern.<br />

• Die Klassengrösse beträgt vier bis acht Lernende.<br />

• Der Stützkurs findet in der Regel an Randstunden und nicht am Schultag statt.<br />

• Stützkurse werden möglichst in der Nähe des Lehrbetriebes oder Wohnortes der Lernenden<br />

durchgeführt.<br />

• Stützkurslehrpersonen treffen sich jährlich zu einer Fachtagung.<br />

• Jede Stützkurslehrperson besitzt mindestens ein Attest, das sie befähigt, Stützkurse zu<br />

erteilen.<br />

Repetentinnen und Repetenten erfassen<br />

Jährlich Ende August werden die Lernenden erfasst, welche die LAP nicht bestanden haben.<br />

Lehrerinnen und Lehrer des bzi nehmen mit den Betroffenen Kontakt auf und besprechen das<br />

weitere Vorgehen.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

3. DaZ – Deutsch als Zweitsprache<br />

SFK – Stütz- und Förderkurse im Team<br />

Susann Schläppi<br />

Berufsschulzentrum Oberland (bzi)<br />

Hans-Heini Winterberger<br />

Gewerblich Industrielle Berufsschule Thun (GIB Thun)<br />

Infoveranstaltung für Volksschullehrpersonen<br />

Auf den gesetzlichen Grundlagen von BBG/BBV sowie dem Stützkurskonzept des Kantons<br />

Bern führt die GIB Thun seit Jahren Stütz- und Förderkurse durch.<br />

Die Teilnahme ist grundsätzlich freiwillig, der Lehrbetrieb unterstützt den Besuch des SFK,<br />

die berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen sind informiert.<br />

Die inhaltlichen Grundlagen des SFK DaZ basieren einerseits auf den Aussagen der SIBP-<br />

Schriftenreihe „Lernen in einer neuen Kultur und Sprache“ Nr. 9, Zollikofen 1998 (Kübler,<br />

Stricker, Winterberger) und berücksichtigen andererseits die Erfahrungen der Fort- und Weiterbildungsprogramme<br />

in Interkultureller Pädagogik (Schläppi und Stricker).<br />

Die SFK DaZ Konzeption entstand in Zusammenarbeit zwischen den Integrationsklassen Interlaken/Thun<br />

(10. Schuljahr) und der beiden Berufsschulen BZ Interlaken und GIB Thun.<br />

In der hier vorgestellten Form wird der Kurs in Interlaken seit 2000 und in Thun seit 2001<br />

geführt. Vorher wurden die DaZ-Lernenden in die Stütz- und Förderkurse integriert.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Erfahrungen<br />

Die Arbeit im SFK DaZ ist für alle Beteiligten eine Herausforderung, die von den Teilnehmenden<br />

und den beiden Lehrpersonen grundsätzlich als sinnvoll und wirkungsvoll erlebt<br />

wird.<br />

Focus Teilnehmende<br />

Der SFK DaZ wird jede Woche auf den individuellen Bedarf der Lernenden abgestimmt.<br />

Grundsätzlich wird mit den Unterlagen der Teilnehmenden gearbeitet, die Lehrpersonen halten<br />

erst in letzter Linie Material bereit. Die Teilnehmenden können somit die Zeit von 16.00 –<br />

18.15 möglichst für ihren persönlichen Fortschritt nutzen.<br />

Im SFK DaZ werden unterschiedliche Zielsetzungen angestrebt:<br />

- Als langfristiges Ziel werden mit Hilfe der beruflichen Reglemente die LAP-Voraussetzungen<br />

und Rahmenbedingungen besprochen und verständlich gemacht.<br />

- Die mittelfristigen Ziele werden aufgrund der Selbsteinschätzung der nächsten Semesterzeugnisnoten<br />

für jedes Fach festgelegt.<br />

- In den wöchentlichen Zielsetzungen werden die zu erledigenden Hausaufgaben und die<br />

zu lernenden Proben (mit Selbsteinschätzung der erwünschten Note) festgehalten.<br />

Die Planungs- und Steuerungsinstrumente bieten kurz- und mittelfristige Orientierung an:<br />

- Mit jeder/m neuen Teilnehmerin/Teilnehmer wird ein längeres Gespräch im Sinne einer<br />

„Bestandesaufnahme“, einer „Bedarfsabklärung“ und möglicher SFK DaZ-Ziele und<br />

Inhalte geführt, das in einer gemeinsamen Vereinbarung mündet.<br />

- Mit der Sprachstandsanalyse werden die individuellen Kompetenzen erhoben, die DaZ<br />

Begleitmaterialien vorgestellt und bei Notwendigkeit von der Teilnehmerin/vom Teilnehmer<br />

angeschafft.<br />

Die Lernenden können ihrerseits zwei Erfahrungsbereiche nutzen. Bei sachbezogenen Fragen<br />

wählen sie zwischen Berufsschullehrer oder DaZ-Lehrerin, bei persönlichen Fragestellungen<br />

haben sie die Möglichkeit, bewusst die Frau oder den Mann anzusprechen.<br />

Vor dem Abschluss des Unterrichts wird den Lernenden die im SFK DaZ geleistete Arbeit<br />

von einer der beiden Lehrpersonen visiert. Diese Kurzgespräche sind wichtige Momente. Jene,<br />

welche nicht berücksichtigt werden konnten, können für den nächsten SFK DaZ vorgemerkt<br />

werden. Persönliche Probleme können in einer entspannteren Atmosphäre besprochen<br />

werden.<br />

Diese wöchentlichen Beratungen der Lernenden entfalten ihre vollständige Wirksamkeit erst<br />

in der Zusammenarbeit von Lehrpersonen mit Lehrbetrieb, Eltern, gesetzlichen Vertretern<br />

und dem Amt für Berufsbildung.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Soweit möglich werden die Informationen immer von den Lernenden weitergetragen. Falls es<br />

sinnvoll und notwendig ist, vernetzen wir Lehrpersonen aktiv, im Einverständnis mit den Betroffenen.<br />

Focus Lehrpersonen<br />

Dank der definierten Aufgabenverteilung, die den Lernenden bekannt ist, erleben wir Lehrpersonen<br />

die gemeinsame Unterrichtsarbeit als interessant und lernintensiv. Die Gespräche,<br />

der Austausch, die Absprachen und Planungsschritte sind wertvoll. Dafür nehmen wir uns<br />

Zeit, und das ist unabdingbar.<br />

Focus Schule<br />

Die Schule signalisiert mit der Anstellung des Teams, dass sie die gleichberechtigte Zusammenarbeit<br />

zwischen Frau und Mann unterstützt. Diese Einstellung ermöglicht auch, dass kulturbedingte<br />

Berührungsängste von Lernenden und deren Eltern im Umgang mit dem anderen<br />

Geschlecht ernst genommen und dadurch abgebaut werden können.<br />

Die Schule ermöglicht allen Lehrpersonen, Stütz- und Förderkurse ins Grundpensum zu integrieren.<br />

Als minimale Qualifikation der Lehrpersonen werden der SIBP-Grundkurs PFM<br />

(Pädagogische Fördermassnahmen) oder gleichwertige Kurse verlangt. Die permanente Fortund<br />

Weiterbildung wird unterstützt und gefördert.<br />

Diese beiden institutionellen Rahmenbedingungen erzeugen einen nachhaltigen Wert, der den<br />

einzelnen Lernenden bei der <strong>Lernbegleitung</strong> und –beratung zugute kommt.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

4. Vom verordneten Stützkurs zum freiwilligen Trainingsmodul<br />

– ein Paradigmawechsel<br />

Bernadette Neff, Katy Rhiner Grassi und Marlies Stoll<br />

Allgemeine Berufsschule Zürich<br />

1. Ziele der Arbeit<br />

1.1 Mathematik<br />

Problemlösestrategien und die daraus resultierende Rechenfertigkeit sind bei unseren Schülerinnen<br />

und Schülern während der Grundschulzeit oft ungenügend gefestigt worden. Der einjährige<br />

Unterbruch während dem ersten Lehrjahr trägt zu einem weiteren Absinken der kaum<br />

gefestigten Fähigkeiten bei. Dazu kommt ein oft ungenügendes Textverständnis, das ein sinnverstehendes<br />

Lesen der Aufgabe erschwert.<br />

Die Lernenden sollen ihre Problemlösestrategien analysieren und wo nötig verbessern und<br />

trainieren, um einen Wissens- und Könnensstand zu erreichen, der sie dazu befähigt, dem<br />

Rechenunterricht folgen zu können.<br />

1.2 Berufskunde<br />

Die in Lehr- und Fachbüchern formulierten Aufgabentexte sind häufig so formuliert, dass sie<br />

sowohl für SchülerInnen deutscher und erst recht für solche anderer Muttersprache schwer<br />

verständlich sind.<br />

Zentrale Anliegen der Trainingsmodule sind deshalb:<br />

• Trainieren von Lesestrategien, welche das Verständnis und die Behaltensleistung fördern.<br />

• Sich mit unterschiedlichen Texten auseinandersetzen und unterschiedliche Textstrukturen<br />

erkennen.<br />

• Texte ihrer Struktur entsprechend zusammenfassen und deren Inhalt memorieren.<br />

1.3 Metalernen<br />

Gute Lernerinnen und Lerner haben wirkungsvolle kognitive Strategien und verfügen auch<br />

über metakognitive Strategien, welche das Lernen steuern.<br />

Besucherinnen und Besucher der Trainingsmodule dokumentieren einerseits ihre Lernfortschritte<br />

im Lernjournal und reflektieren anderseits die angewendeten Strategien, welche zum<br />

Lernerfolg führten. Dadurch erfahren sie, dass Erfolg in hohem Mass von der eigenen Anstrengung<br />

abhängig ist.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. Projektidee<br />

Im Trainingsmodul können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählen, ob sie sich in Berufskunde<br />

oder im Fachrechnen weiterbilden wollen. Zudem legen wir grossen Wert auf<br />

selbstreguliertes Lernen, und fördern entsprechend die kognitiven und metakognitiven Fähigkeiten<br />

der Teilnehmenden.<br />

Die Trainingsmodule finden in einem grossen „Lernraum” statt; den Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmern stehen drei Lernbegleiterinnen zur Verfügung.<br />

3. Neuerungen<br />

3.1 Freiwilligkeit<br />

Verordnete Stützkurse brachten oft nicht den erhofften Leistungszuwachs. Ausserdem können<br />

herkömmliche Stützkurse stigmatisierend wirken. Die Lernumgebung in einem Stützkurs mit<br />

ausschliesslich schwächeren Schülerinnen und Schülern ist nicht besonders stimulierend, weil<br />

sich die Stützkursbesucherinnen und -besucher leistungsmässig wenig unterscheiden.<br />

Die Freiwilligkeit ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, ein Trainingsmodul nach Bedarf<br />

zu wählen und dadurch Eigenverantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Auch Schülerinnen<br />

und Schüler mit guten Leistungen haben die Möglichkeit, sich zu verbessern, das<br />

Thema zu repetieren und zu vertiefen.<br />

Die Heterogenität der Gruppe bezüglich Lernkompetenzen und Wissensstand ermöglichen<br />

einerseits das Tutorenlernen; anderseits erleben vor allem die schwächeren Schülerinnen und<br />

Schüler, dass auch gute Lernerinnen und Lerner sich anstrengen, um gute Leistungen erbringen<br />

zu können.<br />

3.2 Zeitliche Begrenzung<br />

Der konventionelle Stützkurs fand während eines ganzen Semesters statt. Das bedeutete, dass<br />

die Lernenden während rund zwanzig Wochen bis zu einem halben Tag zusätzlich im Betrieb<br />

fehlten, und dies je nach Erfolg während eines zusätzlichen Semesters.<br />

Ein Trainingsmodul hingegen ist auf 5 mal 4 Lektionen pro Semester begrenzt. Die Aussicht<br />

auf eine zeitliche Begrenzung ist für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrbetriebe<br />

grundsätzlich motivierender; einerseits bezüglich des Entschlusses, das Trainingsmodul<br />

zu besuchen, anderseits bezüglich des Durchhaltevermögens, den Zusatzunterricht regelmässig<br />

zu besuchen.<br />

3.3 Lernjournal<br />

Die Schülerinnen und Schüler führen ein Lernjournal, in dem sie Aussagen machen zu:<br />

• Das habe ich heute gemacht<br />

• Das habe ich gelernt<br />

• Das ist mir gut gelungen<br />

• So bin ich vorgegangen, dass es mir gelungen ist<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

• Damit hatte ich Schwierigkeiten<br />

• So habe ich auf die Schwierigkeiten reagiert<br />

• So fühlte ich mich heute im Trainingsmodul<br />

• Das will ich auf nächstes Mal zu Hause erledigen<br />

Die Lernbegleiterin schreibt jedes Mal eine individuelle Rückmeldung, wobei sie vor allem<br />

auf die Lernfortschritte reagiert und allenfalls inhaltliche Korrekturen anbringt.<br />

Diese Rückmeldungen werden von den Teilnehmenden als sehr motivierend empfunden und<br />

regen sie zu weiteren ausführlichen Journaleinträgen an.<br />

3.4 Teilnehmende<br />

Das Angebot wird zum grossen Teil von Coiffeuse-Lehrfrauen und -Lehrlingen unterschiedlicher<br />

Leistungsstufen wahrgenommen, aber auch Lehrfrauen aus anderen Berufen wie Floristin<br />

oder Damenschneiderin besuchen mitunter die Module. Die Teilnahme ist, wie oben erwähnt,<br />

freiwillig.<br />

Die Teilnehmenden melden sich wie für ein Weiterbildungsangebot mittels eines Formulars<br />

an und verpflichten sich dadurch zum regelmässigen Besuch. Zweimaliges Fernbleiben ohne<br />

triftigen Grund hat den Ausschluss zur Folge und führt unter Umständen dazu, dass die Schülerin/der<br />

Schüler auch zu späteren Modulen nicht mehr zugelassen wird. Soll eine Verbesserung<br />

der Leistung erreicht werden, ist ein lückenloser Besuch Voraussetzung.<br />

3.5 Inhalt der Arbeit, Arbeitsmittel und Erfahrungen<br />

Zu Beginn eines jeden Trainingsnachmittages entscheiden die Teilnehmenden, ob sie im Bereich<br />

Berufskunde oder Rechnen arbeiten wollen. Anschliessend bespricht die Lernbegleiterin<br />

mit jeder Schülerin und jedem Schüler das konkrete Thema und die Ziele, die sie/er heute<br />

erreichen will. Je nach Themenbereich stehen vorbereitete Aufträge, resp. eine Übungswerkstatt<br />

zur Verfügung, mit denen die Teilnehmenden das Thema selbstständig oder auch in<br />

Partnerarbeit aufarbeiten können. Die Aufträge und Aufgaben sind so formuliert, dass das<br />

Thema methodisch und lernstrategisch auf verschiedene Arten vertieft wird.<br />

3.6 Lernstrategien und metakognitive Strategien<br />

Die Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Trainingsmodule zeigen auf,<br />

dass viele Lernenden nur über wenige kognitive und metakognitive Strategien verfügen. Diese<br />

Lernenden besitzen ein geringes Selbstvertrauen, was ihre Problemlösekompetenzen und<br />

ihre Leistungsfähigkeit anbelangt. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, den Lernenden<br />

Strategien aufzuzeigen, mit denen sie die gestellten Aufgaben bewältigen können.<br />

Weiter müssen sich die Lernenden bewusst werden, dass „Lernen” Zeit und Anstrengung erfordert.<br />

Dies ist einer der Gründe, weshalb die Lernenden im Lernjournal festhalten, wo sie<br />

ein Erfolgserlebnis zu verzeichnen hatten und was ihre Anstrengung bezüglich dieses Erfolgserlebnisses<br />

war. Die Lernenden müssen sich bewusst werden, dass Erfolg mit Anstrengung<br />

zusammenhängt; und sie müssen diese Erfahrung immer wieder machen, um dieses Bewusstsein<br />

zu stärken.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

4. Theoretische Grundlagen<br />

Unsere Arbeit basiert auf dem Modell von C. Artelt 1 . Die Autorin zeigt auf, welche Regulationssysteme<br />

beim Selbstregulierten Lernen zusammenspielen und den Lernprozess steuern:<br />

Das ist einerseits die “kognitiv/metakognitive Regulation”, welche das bereichsspezifische<br />

Vorwissen, die kognitiven Lernstrategien sowie die metakognitiven Strategien umfasst. Anderseits<br />

wird selbstreguliertes Lernen gesteuert durch die “motivationale Selbstregulation”<br />

bezüglich Selbstkonzept, Interesse, Prüfungsangst, sowie Aufmerksamkeit und Ausdauer und<br />

Merkmale der willentlichen Handlungssteuerung.<br />

5. Evaluation<br />

Die besseren Leistungen im Regelunterricht sprechen sicher für den Erfolg unserer Arbeit.<br />

Dass Schülerinnen und Schüler die Module während mehrerer Semester besuchen, ist unseres<br />

Erachtens ein weiterer Beweis für den Erfolg, speziell bezüglich der Lernatmosphäre, den<br />

Angeboten an Übungsanlagen und einer <strong>Lernbegleitung</strong> im Sinn des „scaffolding und fading”<br />

(= allmähliche Zurücknahme der Hilfestellung durch die Lernbegleiterin). Die Rückmeldungen<br />

der Lernenden am Ende eines Moduls vervollständigen das Bild unserer Arbeit.<br />

Die Evaluation der Semesternoten von Beginn der Trainingsmodule bis zur LAP zeigt bei den<br />

meisten Absolventinnen und Absolventen eine klare Steigerung. Auffallend sind auch eine<br />

Reihe guter Schlussnoten im Fach Berufskunde (Fachrechnen integriert). Leider steht kein<br />

Geld für eine externe Evaluation unseres Projekts zur Verfügung.<br />

6. Kompetenzen der Lernbegleiterinnen<br />

Alle drei Lernbegleiterinnen haben die Grundausbildung SIBP absolviert. Sie haben sich im<br />

Bereich der pädagogischen Fördermassnahmen in folgenden Kursangeboten weitergebildet:<br />

Grund- und Aufbaukurse DELV (Das Eigene Lernen Verstehen)<br />

Grund- und Aufbaukurse „Stützkurs“<br />

Sprache und Mathematik<br />

Variablen der schulischen Leistung, FzL (Fragen zum Lernen)<br />

Sie verstehen kaum Deutsch<br />

Lernfähigkeit einschätzen – Lernfähigkeit fördern<br />

Umgang mit Mathematikschwierigkeiten<br />

Das Verstehen von Sach- und Fachtexten fördern<br />

NDS-Lehrgang Praxisberatung SIBP<br />

Prof. Dr. F. Büchel<br />

A. Grassi, ePFM SIBP<br />

Prof. Dr. A. Hollenstein<br />

Prof. Dr. F. Büchel<br />

Dr. S. Kübler, E. Maurer<br />

A. Grassi, ePFM, SIBP<br />

PD Dr. H. Linneweber<br />

Dr. U. Scharnhorst, SIBP<br />

SIBP<br />

Sprache und Mathematik als schriftlicher Leistungsnachweis in der Grundausbildung, SIBP<br />

Sprachenportfolio und didaktisieren von Fachtexten als schriftlicher Leistungsnachweis in der<br />

Grundausbildung, SIBP<br />

z.Z. Intensivweiterbildung zur Erlangung einer Zusatzqualifikation in <strong>Lernberatung</strong> (Lernund<br />

Denkstrategien), Dr. U. Scharnhorst<br />

5. Sprachförderung nach modularem Konzept BBZ<br />

1 Artelt, C. (2000), Strategisches Lernen, Münster: Waxmann<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Bruno Furrer und Marc-André Peter<br />

Baugewerbliche Berufsschule Zürich<br />

Gezielte Sprachförderung an der Baugewerblichen Berufsschule<br />

Zürich BBZ<br />

Seit nunmehr drei Jahren arbeiten Fach- und ABU-Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem<br />

Institut für Interkulturelle Kommunikation (iik) unter der wissenschaftlichen Begleitung von<br />

Dr. C. Nodari am Projekt Deutsch. 2<br />

Es folgt ein Überblick über das Projekt, das bereits in den beiden SIBP Schriftenreihen Nummer<br />

12 „Integration oder Re-Integration?“ und Nummer 18 „Barriere Sprachkompetenz“<br />

beschrieben wurde.<br />

1. Lesekompetenz<br />

1.1 Pilotphase 2000/01<br />

Herbstsemester 2000/01<br />

• Erhebung der Lesekompetenz der neu eintretenden SchülerInnen: In vier Klassen werden<br />

die Kompetenzen von 65 SchülerInnen erhoben. Die Selbst- und Fremdevaluation<br />

wird zeitlich getrennt durchgeführt. Es werden innerhalb von 7-8 Wochen 6-8 Texte bearbeitet.<br />

Frühjahrssemester 2001<br />

• Für Lernende, die das Niveau B1 3 im Leseverstehen nicht erreicht haben (knapp 40%):<br />

Es werden zwei Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul 4 durchgeführt.<br />

• Evaluation der Erhebung Lesekompetenz: Überarbeitung der Checklisten und der didaktisierten<br />

Texte sowie des Basismoduls.<br />

1.2 Pilotphase 2001/02<br />

Herbstsemester 2001/02<br />

• Erhebung der Lesekompetenz der neu eintretenden Schülerinnen und Schülern: In 12<br />

Klassen werden die Kompetenzen von 160 Schülerinnen und Schülern erhoben. Die<br />

Selbst- und Fremdevaluation geschieht parallel anhand von zwei ABU- und zwei Fachtexten;<br />

Dauer: 5 Wochen.<br />

Frühjahrssemester 2002<br />

2 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18 Barriere Sprachkompetenz, S. 37f; 45-48<br />

3 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 12 Integration oder Re-Integration?, S. 70-71<br />

4 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18, S. 49-53<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

• Für Lernende, die das Niveau B1 im Leseverstehen nicht erreicht haben (wiederum<br />

knapp 40% 5 ): Es werden sechs Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul<br />

durchgeführt.<br />

• Evaluation der Erhebung Lesekompetenz: Überarbeitung der Checklisten und der<br />

didaktisierten Texte sowie des Basismoduls; Vorbereitung für die Erprobung der Trainingspakete<br />

Deutsch Fachtexte verstehen (Tp1) und Mathematikaufgaben verstehen<br />

(Tp2) für Schülerinnen und Schüler ab dem dritten Semester; eine Datenbank zur Vereinfachung<br />

der Erhebung wird erarbeitet.<br />

Vor und nach den Sommerferien 2002 führte die BBZ für alle Lehrpersonen, die Pflichtunterricht<br />

erteilen, einen zweistufigen Schilfkurs unter der Leitung des iik zum Thema Didaktisieren<br />

von Texten durch, dies v.a. auch als Vorbereitung für die flächendeckende Erhebung der<br />

Lesekompetenz der Erstsemestrigen an der BBZ im Herbstsemester 2002/03.<br />

1.3 Flächendeckende Erhebung Lesekompetenz an der BBZ<br />

Herbstsemester 2002/03<br />

• Erhebung der Lesekompetenz für alle neu eintretenden Schülerinnen und Schüler: 31<br />

Klassen, 481 Schülerinnen und Schüler; Selbst- und Fremdevaluation parallel anhand<br />

von zwei ABU- und zwei Fachtexten; Dauer 5 Wochen.<br />

• Die Resultate der Erhebung werden laufend in die erstellte Datenbank eingegeben; Ende<br />

Semester liegen die Schlusseinschätzungen vor, die Aufgebote für die Modulbesuche<br />

werden versandt.<br />

Frühjahrssemester 2003<br />

• für Lernende, die das Niveau B1 im Leseverstehen nicht erreichen: Es werden wiederum<br />

Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul durchgeführt.<br />

• für Lernende ab dem 3. Semester wird das Modul Fachtexte verstehen (Tp1) angeboten.<br />

2. Schreibkompetenz<br />

Mit Beginn des Herbstsemesters 2002/03 nahm die Projektgruppe auch die Arbeit für die Erhebung<br />

der Schreibkompetenz in Angriff 6 . Checklisten Schreiben wurden bereits erarbeitet,<br />

Schreibanlässe für die BBZ, die es zu didaktisieren gilt, wurden definiert. Einig ist man sich<br />

auch, dass für die Umsetzung von didaktisierten Schreibanlässen ein Schilfkonzept erarbeitet<br />

werden muss.<br />

Im Gegensatz zu den Fördermassnahmen Lesekompetenz, die an der BBZ zweigleisig, nämlich<br />

durch integrierte Förderung im Normalunterricht sowie durch zusätzliche Module umgesetzt<br />

werden, konzentriert sich die Projektgruppe bezüglich der Schreibkompetenz vorerst auf<br />

die integrierte Förderung, denn:<br />

5 bei den dreijährigen Handwerkerberufen lag die Quote bei knapp 50%<br />

6 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18, S. 15-23<br />

36


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

1. Die Mehrheit der Lernenden kommt mit Kompetenzen auf Stufe A1-A2. Das zu erheben<br />

ist überflüssig. Wir müssen die Zeit nutzen und die Berufslernenden innerhalb von<br />

3-4 Jahren um mindestens eine Stufe fördern.<br />

2. Wenn die Schreibkompetenz mittels Modulen von A1 bzw. A2 auf B1 entwickelt werden<br />

soll, dann müssten praktisch alle Lernenden ein oder mehrere Module besuchen.<br />

Dies ist unrealistisch.<br />

3. Die Weiterbildung der Lehrpersonen muss Vorrang haben, damit die Lernenden das<br />

Ziel durch die integrierte Förderung erreichen. Die Lehrpersonen müssen wissen, welche<br />

Textsorten mit welchen Instrumenten geschrieben werden sollen. In der Weiterbildung<br />

sollten Lehrpersonen befähigt werden, am Text zu arbeiten und die Lernenden individuell<br />

zu fördern.<br />

4. Die Module für die Lernenden sollten nicht prioritär behandelt werden und zwar aus<br />

drei Gründen:<br />

a) Die Erhebung ist aufwändig und unnötig (wir wissen, wer Schreibschwierigkeiten<br />

hat);<br />

b) Trainingspakete lösen bei den Lehrpersonen den Reflex der Verantwortungsabschiebung<br />

aus;<br />

c) Es können gar nicht so viele Trainingspakete durchgeführt werden, wie sie nötig<br />

wären.<br />

5. Es braucht ein Weiterbildungskonzept, in dem die Lehrpersonen das Know-how für die<br />

Schreibförderung bekommen und in dem auch gleichzeitig die eigene Schreibfähigkeit<br />

ausgebaut wird. Viele Lehrpersonen haben mit dem Schreiben selber Mühe. Die Weiterbildung<br />

sollte fachgruppenspezifisch erfolgen.<br />

6. Ideal wäre ein Vademecum für Schreibanlässe für Lehrpersonen.<br />

7. Schreiben braucht eine höhere Verbindlichkeit in der Schule! Die Schulleitung muss die<br />

Weiterbildung als verpflichtend postulieren. Es darf nicht sein, dass viele Lehrpersonen<br />

fehlerhaft schreiben, bzw. dem Schreiben wenig bis kein Gewicht verleihen.<br />

3. Erfahrungen, Erkenntnisse und Ausblicke<br />

Zur Selbsteinschätzung der Lernenden: Es lässt sich feststellen, dass sich die Schülerinnen<br />

und Schüler fast ausnahmslos ein bis zwei Kompetenzniveaus zu hoch einschätzen, und es<br />

wird kaum überraschen, dass die Selbsteinschätzung um so höher ausfällt, je bescheidener die<br />

tatsächliche Lesekompetenz ist.<br />

Zudem – und auch dies ist wenig erstaunlich – nehmen Lernende mit Kompetenzniveau<br />

A2→B1 die Erhebung ihrer Lesekompetenz ernster als diejenigen mit tieferem Leseniveau.<br />

Ihnen scheint einigermassen bewusst zu sein, dass nur wer ansprechend lesen kann, das Lesen<br />

auch zum Lernen nutzen kann.<br />

Der Modulunterricht Techniken des Leseverstehens: Basismodul wird von den Lernenden<br />

grundsätzlich positiv bewertet und zeigt bei denjenigen gute Erfolge, die das gesamte Modul<br />

mit Einsatz besuchen. Im Normalunterricht lässt sich feststellen, dass Lernende nach dem<br />

Modulbesuch teilweise deutlich länger brauchen als vorher, um einen vergleichbaren Text zu<br />

lesen – die Erklärung hierzu liefern sie gleich selber: Damit ich den Text verstehen kann,<br />

brauche ich nun mehr Zeit, ich lese langsamer, dafür verstehe ich, was ich lese!<br />

Für Lehrpersonen bedeutet die Erhebung der Lesekompetenz der Erstsemestrigen einen gewissen<br />

Mehraufwand für die Fremdbewertung der Texte von Schülerinnen und Schülern.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Dank den zwei vorangegangenen Pilotphasen konnte der administrative Aufwand jedoch<br />

stark reduziert werden. Im kommenden Schuljahr wird jede Lehrperson ihre Bewertungen<br />

direkt via PC in die Datenbank eingeben.<br />

Die Resonanz auf die obligatorische schulinterne Weiterbildung Didaktisieren von Texten im<br />

vergangenen Sommer war mehrheitlich gut, das Interesse für diese Arbeit wurde bei vielen<br />

Lehrpersonen, v.a. auch bei berufskundlichen, geweckt und zeigt da und dort bereits Früchte<br />

im Regelunterricht.<br />

Die Schulleitung wird vom Projekt organisatorisch nicht allzu stark beansprucht, im Gegensatz<br />

zum Sekretariat (erstellen und versenden der Aufgebote für den Modulbesuch); finanziell<br />

hingegen dürften sich ihr in Zukunft einige Probleme stellen: Alleine für das kommende<br />

Frühjahrssemester 2003 rechnet die Projektgruppe mit zehn bis fünfzehn durchzuführenden<br />

Basismodulen Techniken des Leseverstehens!<br />

Die Projektgruppe schliesslich versuchte und versucht, die Organisation und Durchführung<br />

der Erhebung der Lesekompetenz bei den Erstsemestrigen so schlank und reibungslos wie<br />

möglich zu gestalten. Sie stösst allerdings v.a. während der fünf Wochen dauernden Erhebungsphase<br />

nervlich an ihre Grenzen. Die Durchführung der Erhebung verlangt von allen<br />

beteiligten Lehrpersonen nebst Engagement für die Sache v.a. auch Disziplin; das Einhalten<br />

der von der Projektgruppe aufgestellten strikten Regeln scheint für die eine oder andere der<br />

rund fünfzig involvierten Lehrpersonen schwierig zu sein!<br />

Viel erhofft sich die Projektgruppe von der erwähnten Datenbank. Diese wird es erlauben,<br />

einerseits namensscharfe Aussagen zur Lesekompetenz 7 der Erstsemestrigen an der BBZ zu<br />

machen, andererseits wird auch die Organisation der Aufgebote für die Module vereinfacht.<br />

Nicht zuletzt bekommt die Gruppe damit die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit der Fördermassnahmen<br />

zu evaluieren.<br />

7 auch die Daten der Erhebung Rechnen/Mathematik finden in der Datenbank Eingang.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Referat 2<br />

<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf dem<br />

Weg zum selbstgesteuerten Lernen<br />

Dr. Ursula Scharnhorst<br />

Schweizerisches Institut für Berufspädagogik (SIBP)<br />

Ziel der <strong>Lernberatung</strong><br />

An den Anfang meiner Ueberlegungen zum Thema <strong>Lernberatung</strong> möchte ich eine Aussage<br />

von Maria Montessori stellen, die schlicht aber treffend zusammenfasst, was das Ziel einer<br />

<strong>Lernberatung</strong> sein könnte: „Hilf mir, es allein zu tun“. Mit andern Worten ausgedrückt, eine<br />

Lernberaterin oder ein Lernberater bietet Unterstützung auf dem Weg zum autonomen,<br />

selbstgesteuerten Lernen.<br />

Als pädagogische Massnahme hat <strong>Lernberatung</strong> Lernende mit Lernschwierigkeiten im Fokus,<br />

d.h. <strong>Lernberatung</strong> wird hier als pädagogisch-psychologische Hilfestellung zum Abbau oder<br />

der Bewältigung von Lernschwierigkeiten verstanden, was selbstverständlich impliziert, dass<br />

es auch darum geht, bei den Lernenden vorhandene Stärken oder Ressourcen zu festigen und<br />

auszubauen.<br />

An dieser Tagung werden mögliche Formen der <strong>Lernberatung</strong> insbesondere im Hinblick auf<br />

Lernende in der Berufsausbildung vorgestellt und diskutiert. Geht man zudem eher von individualisierten<br />

Formen der <strong>Lernberatung</strong> oder <strong>Lernbegleitung</strong> 8 aus, so steht die individuell<br />

angepasste Förderung der Lernmöglichkeiten und der Lernprozesse im Zentrum, die für das<br />

Erreichen bzw. den Erwerb wichtiger Ausbildungsziele und -inhalte notwendig sind. Nebst<br />

den individuell ausgeprägten Lernpotentialen, Lernprozessen und Wissensbeständen, die als<br />

lernerbezogene Faktoren bezeichnet werden können, beeinflussen andere, ebenfalls wichtige<br />

Faktoren den jeweiligen individuellen Lernkontext: Dazu gehören sowohl lehrseitige Faktoren<br />

(z.B. Rahmenbedingungen und Qualität des Regelunterrichts u.a.m.) als auch psychosoziale<br />

Einflüsse (z.B. sozio-kultureller und sozio-ökonomischer Hintergrund u.a.m.), die sich<br />

positiv oder negativ aufs individuelle Lernen auswirken.<br />

Wenn <strong>Lernberatung</strong> in der Berufsbildung – wie hier vertreten – vornehmlich als pädagogische<br />

Stütz- und Fördermassnahme verstanden und konzipiert wird, die von professionell weitergebildeten<br />

Lehrpersonen durchgeführt werden kann, muss man sich auch bewusst sein, dass<br />

hinderliche oder belastende psycho-soziale Einflüsse auf das Lernen meist nicht direkt angegangen<br />

und verändert werden können. Auch bei einer grundsätzlich systemisch geprägten<br />

Sichtweise liegen sie in der Regel leider nicht im Aktionsradius pädagogischen Wirkens, was<br />

aber nicht bedeutet, dass eine Beratung, die das Lernen ins Zentrum stellt, deshalb zu kurz<br />

greifen muss.<br />

8 Damit ist auch die im neuen Berufsbildungsgesetz vorgesehene „ fachkundige individuelle Begleitung“ angesprochen.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Folgende Voraussetzungen erscheinen im Hinblick auf eine erfolgreiche <strong>Lernberatung</strong> als<br />

zentral:<br />

• pädagogisch-beraterische Grundhaltung 9<br />

• Kompetenzen im Bereich der Lerndiagnostik<br />

• Kompetenzen im Bereich der Lernförderung<br />

• Vernetzung mit anderen Bezugspersonen im Lern- bzw. Ausbildungskontext<br />

Wie oben erwähnt, stellt eine möglichst optimal vernetzte Zusammenarbeit mit anderen Bezugspersonen<br />

im ganzen Kontext des Lerngeschehens ein Ziel dar, das in Abhängigkeit der<br />

jeweils gegebenen Bedingungen mehr oder weniger gut realisiert werden kann. Auf die Lerndiagnostik<br />

und Lernförderung wird später noch näher eingegangen.<br />

Wer sich professionell mit <strong>Lernberatung</strong> beschäftigt, sollte auch möglichst gute Kenntnisse<br />

über Lernende haben, die besondere Lernbedürfnisse haben bzw. Lernbehinderungen, Lernschwächen<br />

oder Lernschwierigkeiten aufweisen.<br />

Arten von Lernschwierigkeiten<br />

Es gibt in der Sonderpädagogik keine einheitlich Definition des Begriffs Lernschwierigkeiten,<br />

sondern es werden verschiedene Gruppen oder Kategorien von Lernschwierigkeiten unterschieden:<br />

Allgemeine Lernbehinderungen 10 , bei denen die gesamte Informationsverarbeitung<br />

betroffen ist, werden von spezifischen Lernschwierigkeiten 11 oder sog. Teilleistungsstörungen<br />

unterschieden, bei denen nur bestimmte Prozesse reduziert sind (z.B. Lese- und<br />

Schreibschwäche). Allgemeine Lernbehinderungen werden zudem diagnostisch abgegrenzt<br />

von geistigen Behinderungen 12 , auch wenn dies bei leichten Formen der geistigen Behinderung<br />

nicht immer klar möglich ist. Im Weiteren müsste differenziert werden, ob es sich eher<br />

um kognitive Lernschwierigkeiten handelt, welche die Wahrnehmung, das Denken oder<br />

Problemlösen betreffen, oder ob eher nicht-kognitive Lernprobleme (z.B. motivationale,<br />

emotionale Lernblockierungen) im Vordergrund stehen.<br />

Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen sind bezüglich ihrer schulischen, ausserschulischen<br />

und personalen Voraussetzungen in einer ihnen nicht angepassten Lernsituation.<br />

Deshalb können sie den Anforderungen des Regelunterrichts nicht genügen, was zu schulischen<br />

Misserfolgen und psychischen Ueberforderungen führt (Sturny, 1985). Leichte Verhaltensstörungen<br />

werden in diese Definition eingeschlossen. Schwere Verhaltensstörungen, geistige<br />

Behinderungen, sowie motorische und sensorische Behinderungen werden dagegen ausgeschlossen.<br />

9 Dazu gehören z.B. die Variablen Akzeptanz, Empathie und Kongruenz, die nach Rogers (1972) eine klientenzentrierte,<br />

non-direktive Beratung kennzeichnen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine <strong>Lernberatung</strong> als pädagogische<br />

Beziehung mit den damit verbundenen Zielen immer durch eine gewisse Asymmetrie und durch<br />

Intentionalität charakterisiert ist. Sie kann daher kaum völlig non-direktiv bleiben, doch ist eine Kultur der Aushandlung<br />

und Vereinbarung von Zielen mit den Lernenden anzustreben.<br />

10 In der anglo-amerikanischen Fachliteratur wird auch von „slow learners“ gesprochen (z.B. Borkowski & Day,<br />

1987).<br />

11 Im Englischen als „learning disabilities“ bezeichnet.<br />

12 Dies hat u.a. sozial-administrative und versicherungsrechtliche Gründe, weil Beschulungs- und Sondermassnahmen<br />

sowie Berufsausbildungen von Personen mit einer geistigen Behinderung von der Invalidenversicherung<br />

subventioniert werden.<br />

40


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Wichtig erscheint der Zusatz, dass Personen mit einer Lernbehinderung mit geeigneter Unterstützung<br />

eine Chance haben, Wissen und Fertigkeiten zu erwerben.<br />

Eine Einteilung von Kobi (1977) kann zur Illustration unterschiedlicher Lernbehinderungen 13<br />

herangezogen werden (vgl. Tabelle 1). Kobi (1977) betont auch, dass Lernbehinderungen<br />

immer unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden müssen, wobei inbesondere schulische,<br />

intellektuelle, lernbezogene und sozio-kulturelle Aspekte zu differenzieren sind.<br />

Tabelle 1: Arten von Lernbehinderungen (nach Kobi, 1977)<br />

Lernbehinderungen (i.w.S.)<br />

Lernbehinderung Lernstörung Lernverwahrlosung<br />

Permanente Beeinträchtigung<br />

des Lernens<br />

Passagere oder partielle Beeinträchtigung<br />

des Lernens<br />

Beeinträchtigung des Lernens<br />

mangels Lernerfahrungen<br />

und Wissen<br />

Allgemeine Schwierigkeiten,<br />

vor allem im kognitivabstrakten<br />

Bereich<br />

Spezifische Schwierigkeiten:<br />

- Psychomotorik<br />

- Wahrnehmung<br />

- Aufmerksamkeit<br />

- Gedächtnis<br />

Schwierigkeiten vor allem im<br />

sprachlichen und motivationalen<br />

Bereich<br />

IQ ≈ 70 - 85<br />

(«slow learners»)<br />

IQ ± 85<br />

(allgemeiner Eindruck sehr<br />

unterschiedlich)<br />

IQ ≈ 85 - 100<br />

(Diskrepanz zwischen verbalen<br />

und non-verbalen Leistungen)<br />

Wenn man die Unterscheidung in Lernbehinderung, Lernstörung und Lernverwahrlosung in<br />

der Tabelle 1 näher betrachtet, wird klar, dass in Anlehrklassen 14 und Stützkursen der Berufsschulen,<br />

aber auch in den zur Berufsbildung führenden Brückenangeboten alle drei Kategorien<br />

von Lernenden zu finden sind. Auch wenn aus sonderpädagogischer Perspektive verschiedene<br />

Arten von Lernbeeinträchtigungen unterschieden werden, so finden sich diese letztlich<br />

in der Realität häufig doch alle zusammen und tragen zur Heterogeneität von besonderen<br />

Klassen oder Gruppen bei, die im Vorfeld oder Umfeld der Berufsbildung geführt werden.<br />

Diese Tatsache weist auch darauf hin, dass geeignete Formen der Unterstützung bei so heterogenen<br />

Populationen individualisierende, teilweise sogar individuell durchgeführte Massnahmen<br />

erfordern.<br />

Im Folgenden wird generell der weniger differenzierte, aber relativ neutrale Begriff „Lernschwierigkeiten“<br />

verwendet, wobei damit alle oben genannten Kategorien von Lernbehinderungen<br />

gemeint sind.<br />

13 Der Begriff Lernbehinderung i.w.S. wird einerseits als Oberbegriff für die drei dargestellten Kategorien verwendet,<br />

andererseits wird er i.e.S. für allgemeine Beeinträchtigungen im kognitiv-abstrakten Bereich verwendet.<br />

14 Gemäss nBBG wird die Anlehre neu als berufliche Grundbildung mit Attest bezeichnet.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Zur Erfassung und Beschreibung von Lernschwierigkeiten ist die Frage nach deren Ursachen<br />

nicht immer prioritär. Auch für die pädagogische „Behandlung“ von Lernschwierigkeiten<br />

braucht es oftmals keine genauere Kenntnis der Ursachen. Andererseits beeinflussen unsere<br />

Annahmen über ursächliche Zusammenhänge bei Lernschwierigkeiten deren Wahrnehmung<br />

und Verständnis sowie die Ausrichtung von Interventionsmassnahmen, so dass diese bewusst<br />

reflektiert werden sollten. Ohne auf die vielen möglichen person- oder umweltbedingten Ursachenfaktoren<br />

von Lernschwierigkeiten einzugehen, kann man sagen, dass diese meist in<br />

komplexer Weise interagieren und die genauen Ursachen oft nicht befriedigend geklärt werden<br />

können.<br />

Lerndefizite können grundsätzlich auf drei Ebenen lokalisiert werden, nämlich als<br />

• individuelle Merkmale (Mängel) von Lernenden<br />

• unterrichtliche Merkmale (Mängel)<br />

• systemisch-gesellschaftliche Merkmale (Mängel)<br />

Dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Ursachenfaktoren entspricht sicher ein Verständnis<br />

von Lernschwierigkeiten, das alle drei Ebenen einbezieht, insbesondere auch die<br />

systemisch-gesellschaftliche. Die Ansatzpunkte für eine Intervention im Sinne einer pädagogisch<br />

orientierten, individualisierten <strong>Lernberatung</strong> in der beruflichen Ausbildung liegen aber<br />

auf den ersten beiden Ebenen. Als Lernberaterinnen und Lernberater können wir primär den<br />

Lernenden selbst und – bei entsprechender Bereitschaft – ihren Ausbildenden pädagogische<br />

Hilfestellungen bieten.<br />

<strong>Lernberatung</strong> als Förderung von Lernprozessen<br />

Wenn wir in der <strong>Lernberatung</strong> den Blick auf individuelle Lernvoraussetzungen und Lernschwierigkeiten<br />

richten, intervenieren wir vor allem auf der Ebene der kognitiven und metakognitiven<br />

Prozesse, die es zu optimieren gilt. Büchel (1995) spricht von kognitiver Förderung<br />

oder Erziehung 15 und betont deren klinische, d.h. individualisierte Vorgehensweise.<br />

Daneben zeichnet sich kognitive Förderung dadurch aus, dass nicht die Vermittlung von neuem<br />

Wissen im Zentrum steht, sondern der Auf- und Ausbau der kulturell geprägten Werkzeuge<br />

des Lernens und Denkens durch die Anpassung und Restrukturierung der individuellen<br />

Lernerfahrungen.<br />

Kognitive Prozesse sind immer mit motivational-emotionalen Prozessen verbunden, die bei<br />

der Informationsverarbeitung ebenfalls wichtige Rolle spielen 16 (z.B. Haywood, 1992). Beim<br />

Lernen kann eine Reihe kognitiver Prozesse beeinträchtigt oder mangelhaft ausgeprägt sein,<br />

die sich z.B. auf folgende Bereiche beziehen (Borkowski & Day, 1987):<br />

15 „L’éducation cognitive est une approche systématique de transmission des outils du fonctionnement intellectuel.<br />

Elle s’inscrit dans une orientation clinique de l’éducation. Il ne s’agit donc pas de l’enseignement de nouvelles<br />

connaissances, mais bien d’une médiation de la reconstruction individuelle des outils culturels de l’apprentissage<br />

et de la pensée, par une adaptation et une restructuration d’expériences personnelles“ (Büchel, 1995,<br />

9).<br />

16 Der Ausdruck „hot cognition“ weist z.B. auf die enge Verbindung zwischen kognitiven und motivationalemotionalen<br />

Prozessen hin. Kognitive Lernförderung wird hier als Intervention verstanden, die nicht rein kognitivistisch<br />

ausgerichtet ist, sondern sich auch mit motivational-emotionalen Aspekten des Lernens auseinandersetzt.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

• Aufmerksamkeit<br />

• Diskriminationsfähigkeit<br />

• Sensorische Integration<br />

• Gedächtnis<br />

• Begriffsbildung<br />

• Problemlösen<br />

Eine prozessorientierte Betrachtungsweise kommt in neueren Definitionen des Begriffs Lernschwierigkeiten<br />

17 zum Ausdruck:<br />

• Lernschwierigkeiten betreffen elementare Prozesse, die am mündlichen oder schriftlichen<br />

Verstehen oder Verwenden von Sprache beteiligt sind. Sie äussern sich in einer<br />

verminderten Fähigkeit zuzuhören, zu sprechen, zu lesen, zu schreiben und zu rechnen<br />

(Educational Office, zit. nach Borkowski & Day, 1987, 6).<br />

• Lernschwierigkeiten beeinträchtigen den Erwerb, die Organisation, die Speicherung<br />

und das Verständnis verbaler und non-verbaler Information; sie beeinträchtigen den<br />

Erwerb und Gebrauch der mündlichen Sprache, des Lesens, des Schreibens und der Mathematik.<br />

Sie können auch beteiligt sein bei Schwierigkeiten in der sozialen Wahrnehmung<br />

und Interaktion. Sie sind bedingt durch eine Schwäche oder Veränderung von<br />

Prozessen, die an der Wahrnehmung, dem Denken, dem Gedächtnis oder dem Lernen<br />

beteiligt sind. Dazu gehören u.a.: sprachliche, phonologische, visuell-räumliche Verarbeitung,<br />

Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen. Dabei liegen zumindest<br />

durchschnittliche allgemeine intellektuelle Fähigkeiten vor (Learning Disabilities Association<br />

of Canada, 2002).<br />

Lernberaterinnen und Lernberater, die Schülerinnen und Schüler in Bezug aufs Lernen beraten<br />

und unterstützen, fokussieren ihre Bemühungen also auf die individuell zu verbessernden<br />

Lernprozesse. Das heisst, sie können mangelhafte Lernprozesse erfassen und analysieren und<br />

aufgrund ihrer Analyse die Lernförderung planen und durchführen. Hauptziel einer <strong>Lernberatung</strong><br />

ist dabei, wie eingangs erwähnt, die Lernenden möglichst zum unabhängigen, selbstgesteuerten<br />

Lernen zu führen.<br />

17 Diese Definitionen beziehen sich auf „learning disabilities“ bzw. „troubles d’apprentissage“, d.h. also auf<br />

spe-zifische Lernschwierigkeiten (siehe auch Fussnote 4).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Selbststeuerung des Lernens<br />

Autonomes, selbstgesteuertes Lernen erfordert die Entwicklung und das Zusammenwirken<br />

verschiedenster Komponenten bei den Lernenden (vgl. z.B. Borkowski, Carr, Rellinger, &<br />

Pressley, 1990; Friedrich & Mandl, 1997). Sie können generell in drei grössere Gruppen von<br />

Faktoren eingeteilt werden:<br />

• Motivational-emotionale Faktoren<br />

• Metakognitive Faktoren<br />

• Kognitive Faktoren<br />

Je nach Theoriebezügen, die im Vordergrund stehen, kann man innerhalb dieser drei Gruppen<br />

verschiedene Teilkomponenten unterscheiden, die als wichtige Grundlage für selbstgesteuertes<br />

Lernen erachtet werden. In den nachfolgendenen Auflistungen 18 werden einige Teilkomponenten<br />

aufgezählt und kurz besprochen. Sie werden als theoretische Konzepte vorgeschlagen<br />

und untersucht, gelten aber auch als wichtige Elemente von Lernförderprogrammen oder<br />

kognitiven Trainings:<br />

Motivational-emotionale Faktoren<br />

- Intrinsische Motivation (im Gegensatz zu extrinsischer Motivation)<br />

- Lernorientierung (im Gegensatz zu Leistungsorientierung)<br />

- Aufgabenorientierung (im Gegensatz zu Lageorientierung)<br />

- Kausalattribution (lernförderliche vs. lernhinderliche)<br />

- Selbstwirksamkeitsüberzeugung (im Gegensatz zu Hilflosigkeit)<br />

Beispielsweise wird intrinsische Motivation, d.h. ein von innen gesteuerter Lernantrieb, als<br />

zentral für das Entwickeln und Verfolgen eigener Lerninteressen erachtet, aber auch andere<br />

Aspekte eines günstigen Lernverhaltens (z.B. Ausdauer, eigenes Anspruchsniveau, Explorationsfreudigkeit,<br />

u.a.m.) werden damit in Verbindung gebracht. Bei der extrinsischen Motivation<br />

sind äusserliche Anreize massgebend (z.B. soziale oder materielle Folgen, gute Noten,<br />

u.ä.) Die besonderen motivationalen Prozesse, die das Lernen von Personen mit Lernschwierigkeiten<br />

oder geistigen Behinderungen kennzeichnen, wurden z.T. schon früh untersucht<br />

(z.B. Haywood, 1971), sind aber auch Gegenstand aktueller Publikationen (vgl. z.B. Switzky,<br />

2001).<br />

Als Lernorientierung wird, im Gegensatz zur Leistungsorientierung, ein Lernverhalten definiert,<br />

das vor allem motiviert ist durch das Bestreben, das eigene Wissen und die eigenen Fertigkeiten<br />

im jeweiligen Inhaltsbereich auszubauen (z.B. Dweck, 1992; Nicholls, 1989). Es<br />

wird also um der Sache willen und im Hinblick auf die individuelle Bezugsnorm gelernt, und<br />

nicht weil über Lernerfolge z.B. der eigene Status gehoben oder die Ueberlegenheit gegenüber<br />

anderen demonstriert werden kann.<br />

18 Diese erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und klare Abgrenzbarkeit der einzelnen Teilkomponenten.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Eine Aufgabenorientierung kennzeichnet Personen, die sich angesichts von Schwierigkeiten,<br />

Fragen oder Zweifeln beim Lernen positiv herausgefordert fühlen und deshalb ihre Aufmerksamkeit<br />

und Lösungsbemühungen auf die Bewältigung der sachlichen Probleme fokussieren<br />

können. Dagegen bedeutet eine Lageorientierung, dass beim Lernen auftretende Hindernisse<br />

negative Emotionen hervorrufen, deren Kontrolle die zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />

von Lernenden unter Umständen völlig absorbiert, so dass sie für sachbezogene Aspekte<br />

kaum mehr freie Kapazitäten haben (z.B. Kuhl, 1983).<br />

Bei der Kausalattribution geht es darum, wie Lernende ihre Lernergebnisse, also Erfolge und/<br />

oder Misserfolge, subjektiv erklären. Lernförderliche Attributionen stärken das Selbstbild<br />

und bewirken eine Erfolgsorientierung beim Lernen, indem die Gründe für Lernerfolg in der<br />

eigenen Anstrengung oder Begabung gesucht werden, während Misserfolge mit mangelnder<br />

Anstrengung oder äusseren Faktoren (z.B. Aufgabenschwierigkeit, Pech) erklärt werden, aber<br />

nicht mit einer Geringschätzung der eigenen Fähigkeiten. Bei lernhinderlichen Attributionsmustern<br />

verhält es sich umgekehrt, d.h. Lernerfolge werden auf äussere, nicht beeinflussbare<br />

Faktoren (z.B. geringe Anforderung, Glück), Misserfolge dagegen auf einen Mangel an eigenen<br />

Fähigkeiten zurückgeführt (z.B. Heckhausen, 1984; Weiner, 1972).<br />

Positive oder negative Attributionsmuster verfestigen sich über die Zeit und über Situationen<br />

hinweg und werden zu mehr oder weniger generalisierten Erwartungshaltungen, die zukünftige<br />

Lernprozesse beeinflussen. Dies kann in der Form von positiven Selbstwirksamkeitsüberzeugungen<br />

geschehen, d.h. dem Gefühl, die eigenen Lernprozesse erfolgreich kontrollieren<br />

zu können (z.B. Bandura, 1977; Flammer 1990). Wiederholte Misserfolgserlebnisse beim<br />

Lernen, die mit ungünstigen Kausalattributionen einhergehen, führen hingegen zu negativen<br />

Gefühlen bezüglich der eigenen Wirksamkeit, was auch als „erlernte Hilflosigkeit“ 19 bezeichnet<br />

wird.<br />

Metakognitive Faktoren<br />

- Metawissen über Personen, Aufgaben und Strategien<br />

- Exekutive Prozesse (antizipieren, planen, überwachen, kontrollieren der eigenen Lernprozesse)<br />

In theoretischen Ansätzen der Metakognition sowie in metakognitiv orientierten Trainingsstudien<br />

wurde postuliert und teilweise klar gezeigt, dass beim erfolgreichen Lernen – nebst<br />

(vor)wissensbezogenen Faktoren – übergeordnete Wissensbestände und Kontrollprozesse den<br />

Einsatz untergeordneter Lern- und Problemlösestrategien steuern und koordinieren.<br />

So hat Flavell (1971) den Begriff „Metagedächtnis“ geprägt, dem er die Repräsentation des<br />

Metawissens zuordnete, d.h. Wissen über sich selbst und andere Personen bezüglich der Informationsverarbeitung,<br />

Wissen über Aufgabentypen und Strategien der Bearbeitung. Metawissen<br />

gilt als zentral im Hinblick auf zielorientiertes, selbstgesteuertes und bewusstes Lernen.<br />

Es baut sich vor allem im Verlauf und als Folge der Beschulung auf.<br />

In anderen Ansätzen wurden, im Gegensatz bzw. in Ergänzung zum Metawissen, eher die<br />

übergeordneten prozeduralen Komponenten der Informationsverarbeitung ins Zentrum gestellt<br />

(z.B. Brown, 1975, Brown & DeLoache, 1978). Darunter zählt man die Prozesse, die<br />

Lernenden erlauben, ihre mentalen Handlungen zu planen, zu überwachen und zu evaluieren.<br />

19 Wenn Hilflosigkeitsgefühle auf viele Lebensbereiche generalisieren, kann dies zu Depressionen führen (vgl.<br />

Seligman, 1975)<br />

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Personen mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen fallen regelmässig durch<br />

Defizite im Metawissen und in den exekutiven Funktionen auf. Trainingsstudien haben gezeigt<br />

(vgl. z.B. Campione, 1984), dass metakognitive Defizite unter günstigen Instruktionsbedingungen<br />

zumindest teilweise überwunden werden können, was zu einer Steigerung der<br />

Lernleistungen führt. Die spontane und selbständige Weiterentwicklung und Nutzung metakognitiver<br />

Funktionen bleibt jedoch leider oft begrenzt. Dies wird auch dahingehend interpretiert,<br />

dass individuelle Differenzen in der allgemeinen intellektuellen Fähigkeit sich vor allem<br />

auch im Ausmass des spontanen Erwerbs und Gebrauchs von Metakognitionen ausdrücken<br />

(z.B. Campione, Brown, & Ferrara, 1978).<br />

Kognitive Faktoren<br />

- Strategien zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Lerninhalten<br />

- Elementare mentale Operationen und Funktionen<br />

Als kognitive Faktoren werden die von den metakognitiven Komponenten gesteuerten Lern-,<br />

Denk- und Problemlösestrategien betrachtet, welche die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung<br />

von Informationen betreffen. Es gibt verschiedene theoretische Konzeptionen und<br />

unzählige empirische Forschungsergebnisse über die Vermittlung von Lern- und Problemlösestrategien,<br />

die hier nicht angemessen dargestellt werden können. Umfassendere, deutschsprachige<br />

Ueberblicke finden sich bei Mandl & Friedrich (1992) und Klauer (1993). Bei Lernenden<br />

mit allgemeinen Lernschwierigkeiten muss zudem oft die Vermittlung von elementaren<br />

mentalen Operationen und Funktionen (z.B. Vergleichen, Kategorisieren u.ä.) nachgeholt<br />

werden (vgl. z.B. Feuerstein et al., 1980).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Das Zusammenwirken kognitiver, metakognitiver und motvationaler Faktoren beim Lernen<br />

Zur Illustration des Zusammenspiels zwischen kognitiven, metakognitiven und motivationalemotionalen<br />

Faktoren kann ein Modell von Borkowski & Muthukrishna (1992) dienen.<br />

Metawissen über sich selbst<br />

- Aufgabenorientierung<br />

- Selbstwert<br />

- Selbstbild-Möglichkeiten<br />

- Lernziele<br />

Bereichsspezifisches<br />

Wissen<br />

Exekutive<br />

Prozesse<br />

Spezifisches Strategiewissen<br />

1. Repetition<br />

2. Organisation<br />

3. Verbale Elaboration<br />

4. Zusammenfassung<br />

etc.<br />

Aufgabe Strategie-Einsatz Leistung Feedback<br />

Motivation<br />

- Attribution<br />

- Anspruchsniveau<br />

- Selbstkonzept<br />

- Bedürfnisaufschub<br />

- Intrins. Motivation<br />

etc.<br />

Abbildung 1: Modell des Einsatzes von Lernstrategien (Borkowski & Muthukrishna, 1992)<br />

Das Modell erscheint auf den ersten Blick komplex, doch wenn die abgebildeten Zusammenhänge<br />

in einzelne Schritte bzw. Regelkreise zerlegt werden, lässt es sich leichter erfassen. Im<br />

unteren Teil der Abbildung hat es mehrere Kästchen nebeneinander, wobei ganz links von<br />

einer möglichen Aufgabe ausgegangen wird. Wenn bei einer Aufgabe bestimmte Strategien<br />

eingesetzt werden, resultiert eine Lernleistung bzw. ein -produkt, auf das im schulischen Kontext<br />

(z.B. von der Lehrperson) meist ein Feedback erfolgt. Ueber dieses Feedback werden<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

verschiedene motivationale Komponenten (vgl. unterstes Kästchen) beeinflusst, z.B. die erwähnten<br />

Kausalattributionen. Die Entwicklung und Ausprägung der motivationalen Gesamtlage<br />

mittels fremder und eigener Bewertungsprozesse beeinflusst, ob und wie neue Aufgaben<br />

angepackt werden.<br />

Weiter halten Lernende ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von Lernstrategien im Gedächtnis<br />

fest und bauen so über die Zeit ihr spezifisches Strategiewissen auf (vgl. separates Kästchen).<br />

Das spezifische Strategiewissen differenziert sich zunehmend und beeinflusst den zukünftigen<br />

Einsatz von Strategien. Je mehr strategisches Wissen Lernenden zur Verfügung steht, umso<br />

wichtiger werden die Prozesse, welche die geeignete Auswahl und Koordination möglicher<br />

Strategien steuern. Dabei helfen exekutive Prozesse, deren Aktivierung einerseits über die<br />

Aufgabe selbst, andererseits über die motivationalen Prozesse erfolgt. Das Vorhandensein<br />

günstiger strategischer, motivationaler und exekutiver Bedingungen allein reicht aber nicht<br />

aus, um Aufgaben erfolgreich zu lösen – es braucht auch bereichsspezifisches Sachwissen,<br />

das in einem separaten Kästchen mit Verbindungen zur Aufgabe und zur Lernleistung dargestellt<br />

ist. Je mehr Aufgaben im Laufe der Zeit bearbeitet werden, desto mehr Wissen und Erfahrungen<br />

werden abgelegt, die letztlich in Form von Metawissen über die eigene Person als<br />

lernendes Wesen vorliegen, und die ganze Selbstwahrnehmung in Bezug aufs Lernen prägen.<br />

Dieses Modell ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie man sich das komplexe Zusammenspiel der<br />

verschiedenen Faktoren vorstellen kann, die beim Erbringen von Lernleistungen eine Rolle<br />

spielen. Man könnte beispielsweise auch das Modell der Variablen des schulischen Lernens<br />

von Büchel (1996) heranziehen, das einem Fragebogen zugrunde liegt, den Berufsschullehrpersonen<br />

bei ihren Schülerinnen und Schülern für eine erste Analyse von Lernschwierigkeiten<br />

einsetzen können. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang vor allem, dass Lernberaterinnen<br />

und Lernberater sich von prozessorientierten Modellen leiten lassen, wenn sie das Lernen<br />

von Schülerinnen und Schülern beobachten, analysieren und daraus Schlüsse im Hinblick<br />

auf die Lernförderung ableiten.<br />

Wenn eine gezielte metakognitive Analyse des Lernens und Denkens vorgenommen wird,<br />

kann die Förderung gezielt und differenziert geplant und durchgeführt werden. Aus lerndiagnostischer<br />

Sicht kommen nach Büchel (2002) beispielsweise folgende Interpretationen und<br />

Massnahmen in Betracht, wenn Lernschwierigkeiten genauer beobachtet und erfasst werden:<br />

• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz nicht erworben haben, aber die Fähigkeit<br />

haben sollten, dies zu tun Bilanz der Lernfähigkeit erstellen<br />

• Lernende, welche die Fähigkeit haben sollten, ein Wissen / eine Kompetenz zu erwerben,<br />

aber ungeeignete Strategien benutzen Metawissen über Strategien aufbauen<br />

• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, sich aber dessen nicht<br />

bewusst sind allgemeines lernbezogenes Selbstbild fördern<br />

• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, aber deren Relevanz in<br />

einer gegebenen Situation nicht erkennen Metawissen über Aufgaben (kognitiver<br />

Aspekt) und günstige Kausalattribution (motivationaler Aspekt) aufbauen<br />

• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, diese aber nicht effizient<br />

nutzen exekutive Funktionen (= Planung, Ueberwachung, Kontrolle) fördern, Gedächtnisüberlastung<br />

vermeiden (= Automatisierung, geeignete kognitive Strategien)<br />

Von der Fremdsteuerung zur Selbststeuerung<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Selbststeuerung beim Lernen wird über verschiedene Formen von Fremdsteuerung, d.h. über<br />

Anleitung und Unterstützung durch andere, expertere (Lehr)Personen erworben. Der<br />

soziale Ursprung intellektueller Funktionen wurde von Wygotski (1934/1977) hervorgehoben,<br />

der das Lernen in der „Zone der nächsten Entwicklung“ in Bezug auf die differentialdiagnostische<br />

Einschätzung intellektueller Fähigkeiten sogar für aussagekräftiger hielt als den<br />

aktuellen Entwicklungsstand eines Individuums, der das selbständige Problemlösen kennzeichnet.<br />

Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung bedeutet, dass Lernende entsprechende<br />

Aufgabenstellungen (noch) nicht allein bewältigen können, sondern auf Anleitung und<br />

Unterstützung von kompetenteren Erwachsenen oder Peers angewiesen sind. Bei der Erfassung<br />

und Einschätzung intellektueller Leistungen unter Hilfebedingungen wird gleichzeitig<br />

sichtbar, wie Lernende die Hilfen aufnehmen und inwiefern sie ihre Leistungen damit steigern<br />

können. Das mit Unterstützung realisierbare Potential kann – auch bei gleichem aktuellem<br />

Entwicklungsstand von Lernenden – unterschiedlich ausfallen.<br />

Beim aufmerksamen Beobachten individueller Lernprozesse unter Hilfebedingungen (die man<br />

in der Regel selber gibt) erhalten Lernberaterinnen und Lernberater wichtige diagnostische<br />

Informationen, die Hinweise über mögliche Ansatzpunkte in der Lernförderung liefern.<br />

Wenn Prozesse der Anleitung und Unterstützung beim Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung<br />

genauer betrachtet werden, so stellt man fest, dass es sich um sozial-interaktive<br />

Vermittlungsformen handelt, bei denen<br />

• Imitationslernen<br />

• Erzeugung kognitiver Konflikte<br />

• gemeinsames Verstehen und Problemlösen<br />

eine wichtige Rolle spielen. Sowohl das Vorzeigen und Nachmachen als auch das Hervorheben<br />

von Widersprüchen oder Unstimmigkeiten und das gemeinsame Bearbeiten von Problemen<br />

läuft dabei vornehmlich in einer sprachlich-dialogischen Form ab. Wygotksi nahm an,<br />

dass diese sozial-interaktiven Muster mit den Regulationen von aussen zunehmend verinnerlicht<br />

werden und schliesslich – wenn die entsprechenden Kompetenzen ins eigene kognitive<br />

Repertoire übergehen – als innere Sprache zur Steuerung des eigenen Denkens in verkürzter<br />

und veränderter Form weitergeführt werden.<br />

Neben den diagnostischen Einsichten, die beim Beobachten der Reaktionen von Lernenden<br />

auf angebotene Hilfen gewonnen werden können, interessiert beim Lernen in der Zone der<br />

nächsten Entwicklung die feine Abstimmung der Hilfestellungen auf die jeweiligen Bedürfnisse<br />

der Lernenden, wie sie bei erfahrenen und geschickten Vermittlern beobachtet werden<br />

kann. Die Rolle der kompetenteren oder experten Person, die das Lernen in der Zone der<br />

nächsten Entwicklung so unterstützen kann, dass es sich letztlich zur selbstgesteuerten Kompetenz<br />

weiterentwickelt, ist wohl für alle Lernberatinnen und Lernberater von besonderem<br />

Interesse.<br />

Verschiedene Autoren haben solche optimal angepassten Vermittlungsprozesse beschrieben<br />

und mit theoretischen Vorstellungen verbunden. Dazu gehören:<br />

• Kognitive Stützfunktionen (engl. scaffolding) (Wood, Bruner, & Ross, 1976)<br />

• Variablen der Mediation (Feuerstein et al., 1980)<br />

• Cognitive apprenticeship (Brown, Collins, & Duguid, 1989)<br />

• Peripheral legitimate participation (Lave & Wenger, 1991)<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Zwei dieser Vermittlungsmodelle werden nachfolgend kurz erläutert, für die anderen verweisen<br />

wir lediglich auf die entsprechende Literatur.<br />

Experten 20 bieten Lernenden im allgemeinen folgende kognitive Stützfunktionen an (nach<br />

Wood, Bruner, & Ross, 1976):<br />

• Interesse für die Aufgabe wecken und Aufmerksamkeit sichern.<br />

• Aufgabe durch Handlungsbegrenzung der Lernenden vereinfachen (nicht durch aufgabenseitige<br />

Reduktion der Komplexität!). Die experte Person unterstützt oder übernimmt<br />

die Anteile der Aufgabenlösung, welche die Lernenden noch nicht alleine meistern.<br />

• Zielorientierung erhalten, d.h. verhindern, dass sich die Lernenden in Nebenzielen verlieren.<br />

• Auf wichtige Aspekte der Aufgabenbearbeitung und mögliche Verbesserungen hinweisen.<br />

• Frustrationen bei der Aufgabenbearbeitung verhindern (Lernerfolg dank gemeinsamer<br />

Aufgabenlösung sichern, ohne zu viel Abhängigkeit zu erzeugen).<br />

• Erwünschte Lösungsschritte vorzeigen, nicht nur erklären.<br />

Ganz ähnlich beschreiben Collins, Brown und Duguid (1989) die Expertenvermittlung, wobei<br />

sich ihr Konzept der „cognitive apprenticeship“ an Prozessen orientiert, wie sie für das Vermitteln<br />

bzw. Erlernen eines Handwerks typisch sind, d.h. Experten<br />

• zeigen Novizen Lernhandlungen 21 vor (modeling)<br />

• verweisen auf relevante Situations- und Handlungsbedingungen (scaffolding)<br />

• geben korrigierende Hinweise, wenn Novizen die Handlungen selber vollziehen (coaching<br />

22 )<br />

• lassen den Handlungsverlauf explizit beschreiben (articulation)<br />

• lassen die vollzogenen Handlungen rückblickend reflektieren (reflection)<br />

• bauen mit zunehmender Expertise der Novizen ihre Unterstützung langsam ab (fading<br />

out), damit Handlungssteuerung und -kontrolle allmählich auf die Novizen übergehen.<br />

In diesem Kontext kann noch erwähnt werden, dass der aktive Austausch in Kleingruppenund<br />

Klassendiskussionen, in Lerntandems und -partnerschaften, aber auch das Führen von<br />

Lernjournalen oder Lernportfolios geeignete Methoden zur Artikulation und Reflexion von<br />

Lernprozessen darstellen (vgl. z.B. Beck, Guldimann, & Zutavern, 1995).<br />

20 In der ersten Studie, in der diese Stützfunktionen beschrieben wurden, waren die Expertinnen Mütter, die ihre<br />

Kleinkinder beim Aufbau eines komplexen Puzzle-Turms unterstützten.<br />

21 Im Gegensatz zum handwerklichen Lernen geht es bei „cognitive apprenticeship“ vor allem darum, den Lernenden<br />

mentale Handlungen zugänglich zu machen; vormachen heisst in dem Kontext, dass z.B. laut<br />

(vor)gedacht wird.<br />

22 „<strong>Coaching</strong>“ wird in dem Kontext als Teilprozess verstanden, bei dem Lernende nicht mehr mit den stärkeren<br />

Hilfen wie modeling und scaffolding, sondern nur noch mit korrigierenden verbalen Hinweisen angeleitet werden.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Voraussetzungen einer erfolgreichen <strong>Lernberatung</strong><br />

Gemäss den bisherigen Ausführungen erfordert eine <strong>Lernberatung</strong>, die Lernenden auf dem<br />

Weg zur Selbststeuerung optimal angepasste Unterstützung bieten kann, Expertinnen und<br />

Experten, deren Analyse- und Vermittlungsfertigkeiten bezüglich Lernvorgängen eine hohe<br />

Qualität 23 aufweisen.<br />

Abschliessend lassen sich die erforderlichen Kompetenzen und Rahmenbedingungen einer<br />

erfolgreichen <strong>Lernberatung</strong> wie folgt zusammenfassen: Lernberaterinnen und Lernberater<br />

konzentrieren sich auf das<br />

• Einschätzen von Zonen der nächsten Entwicklung, indem sie eine individuell orientierte<br />

Lern- und Förderdiagnostik betreiben<br />

• Anwenden von Prinzipien und Methoden der kognitiv-motivationalen Lernförderung<br />

Letztere sind<br />

• individualisiert, d.h. realisierbar in individuellen <strong>Lernberatung</strong>ssitzungen 24 mit<br />

intraindividuellen und kriterienorientierten Normbezügen<br />

• vereinbart, d.h. bezogen auf individuelle Ziele und Bedürfnisse<br />

• transferorientiert, d.h. bezogen aufs schulische und betriebliche Lernen (aber<br />

nicht bloss als Repetitorium oder Nachhilfe verstanden)<br />

• integrativ, d.h. sehen eine rasche oder gleichzeitige (Re)Integration in kollektive<br />

pädagogische Fördermassnahmen vor<br />

• vernetzt, d.h. werden möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Ausbildungsverantwortlichen<br />

gestaltet<br />

23 Dazu braucht es entsprechende Lehrqualifikationen und eine Weiterbildung im Bereich der kognitiven Lernförderung.<br />

Daneben wären für Lernberaterinnen und Lernberater gewisse Formen der Supervision von Nutzen.<br />

24 Die Möglichkeit, individuelle Beratungssitzungen abzuhalten, schliesst nicht aus, dass der aktive Austausch<br />

zwischen Lernenden in Gruppen oder Klassen gefördert wird (z.B. in Stützkursen), welcher genau so wichtig ist.<br />

Individuelle <strong>Lernberatung</strong> und -förderung ist zudem als zeitlich beschränkte Massnahme im Sinne einer Kurztherapie<br />

(10-15 Sitzungen) zu planen, die den Transfer auf den schulischen Lernkontext im Auge behält (vgl.<br />

auch Büchel, 2002).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Literatur<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Ateliers 2<br />

<strong>Lernberatung</strong><br />

1. <strong>Lernberatung</strong> an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel<br />

Ruth Wolfensberger<br />

Allgemeine Gewerbeschule Basel<br />

Gefragte Dienstleistung<br />

Seit drei Jahren gibt es in der Allgemeinen Gewerbeschule eine <strong>Lernberatung</strong>. Sie wurde<br />

zuerst als Projekt des Lehrstellenbeschlusses 2 geführt und ist seit August 2002 an<br />

der AGS institutionalisiert. Sie ist eine Dienstleistung der Schule und steht allen Jugendlichen<br />

mit einem Lehrvertrag und Schulort Basel-Stadt offen.<br />

Claudia F. ist Floristin. Sie steht unter grossem Druck, denn Mathematik war noch nie ihre<br />

Stärke. Sie braucht länger als die andern, um einen Text zu verstehen oder selbst zu verfassen,<br />

und trotz grossem Lerneinsatz wollen ihr die vielen Pflanzennamen einfach nicht in den Kopf.<br />

Dabei macht ihr der Beruf eigentlich Spass, und wohl fühlt sie sich in ihrem Betrieb ebenfalls.<br />

Deshalb kommt sie während ihrer Mittagspause zu uns in die <strong>Lernberatung</strong>.<br />

In der <strong>Lernberatung</strong> versuchen wir gezielt, Claudias Lernstrategien zu verbessern. Sie erhält<br />

zusätzlich auch eine individuelle Betreuung in einem Stützkurs. Doch wir stellen bald fest,<br />

dass Claudia überfordert ist. Zu einem gemeinsamen Orientierungsgespräch treffen sich sieben<br />

Personen: Claudia, ihre Mutter, die Lehrmeisterin, der Gewerbeinspektor, die beiden<br />

Lehrer und die Lernberaterin. Und wir finden für Claudia eine gute Lösung: Ihr Lehrvertrag<br />

wird in einen Anlehrvertrag umgewandelt, sie kann aber in ihrer Schulklasse bleiben, wo ihr<br />

die beiden Lehrer ein eigenes Förderprogramm ohne Notendruck zusammenstellen.<br />

Yusuf M. ist erst seit wenigen Jahren in der Schweiz, lernt Montageelektriker und lebt seit<br />

kurzer Zeit allein. Er hat Mühe, kompliziertere Anweisungen zu verstehen, will aber die Lehre<br />

unbedingt abschliessen. Er bekommt auf seinen Wunsch in der <strong>Lernberatung</strong> ein <strong>Coaching</strong><br />

mit einer Lernvereinbarung und Hilfe bei seinen Kontakten mit Einwohnerdiensten und Sozialamt,<br />

besucht an der Schule einen Deutsch-Stützkurs und in seiner Freizeit noch einen individuellen<br />

Förderkurs. Für die Budgetberatung wird er an die bfa-Jugendberatung weitergeleitet,<br />

sein Lehrmeister unterstützt ihn im Betrieb und ist notfalls auch bereit, seine Lehrzeit zu<br />

verlängern. Yusuf erscheint regelmässig zu seinen <strong>Coaching</strong>terminen und ist stolz auf seine<br />

Fortschritte.<br />

Die beiden Beispiele geben einen Einblick in die tägliche Arbeit der <strong>Lernberatung</strong> und zeigen,<br />

dass individuelle Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe eine Dienstleistung ist, die an unserer<br />

Schule dringend erforderlich ist. Es hat sich an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel<br />

deutlich gezeigt, dass nicht nur fremdsprachige Schülerinnen und Schüler grosse sprachliche<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Schwierigkeiten haben. Auch Jugendliche, die in der Schweiz geboren sind oder sogar<br />

Deutsch als Erstsprache gelernt haben, fühlen sich häufig überfordert und können den schulischen<br />

Anforderungen einer Lehre nicht genügen.<br />

Beratung und Begleitung<br />

Jugendliche mit Lern- und Leistungsdefiziten oder mit Sprachschwierigkeiten werden von<br />

uns gezielt beraten und begleitet. Wir unterstützen sie so bei ihrem - manchmal recht grossen<br />

- Schritt von der Schule ins Berufsleben. Auch wenn Probleme anderer Art auftauchen, zum<br />

Beispiel Ablösungsprobleme, familiäre Schwierigkeiten, Lebenskrisen, Prüfungsangst, gesundheitliche<br />

oder auch finanzielle Probleme, so hat dies meist direkte Auswirkungen auf das<br />

Lernen. Spätestens dann, wenn das beeinträchtigte Lernen auch Leistungsabfall und Motivationsmangel<br />

mit sich bringt, wird es sinnvoll, die <strong>Lernberatung</strong> aufzusuchen. In der Bezeichnung<br />

”<strong>Lernberatung</strong>” schwingen weder amtlich-bürokratische Töne mit, noch werden psychologisch-therapeutische<br />

Ansätze vorgegeben; das Angebot ist niederschwellig.<br />

Die <strong>Lernberatung</strong> ist freiwillig, unbürokratisch, kostenlos und vertraulich!<br />

Damit wir die Probleme, aber auch das Potenzial und Lösungswege gemeinsam mit der Rat<br />

suchenden Person herausfinden können, nehmen wir uns Zeit für ein ausführliches, persönliches<br />

Gespräch.<br />

Triage und trouble-shooting<br />

Wir verstehen uns als Anlauf- und Beratungsstelle, bei der die Auszubildenden kompetent<br />

beraten, begleitet und – auf ihren eigenen Wunsch - an entsprechende Fachstellen weiter empfohlen<br />

werden. Gemeinsam mit den Lernenden suchen wir für die Probleme Lösungsansätze<br />

und leiten Massnahmen in die Wege.<br />

Bei Bedarf und auf Wunsch der Jugendlichen koordinieren wir die nötigen Schritte und besprechen<br />

sie mit allen an der Ausbildung beteiligten Personen. Daneben sind wir auch ”trouble-shooters”,<br />

Ansprechpersonen für Kurzinterventionen, Konfliktmanagement oder persönliche<br />

Gespräche.<br />

Information und Koordination<br />

Die <strong>Lernberatung</strong> ist eine Schnittstelle für alle internen und externen Fachstellen und Förderangebote,<br />

für alle möglichen Unterstützungs- und Beratungsstellen, für Lehrbetriebe, Lehrpersonen,<br />

Eltern und Ämter. Sie soll gleichzeitig für die Lehrpersonen auch eine Entlastung<br />

sein, denn im Unterricht fehlt erfahrungsgemäss oft die Zeit für ein ausführliches persönliches<br />

Gespräch. Die AGS-Lehrpersonen sind täglich konfrontiert mit dem hohen Anspruch, Fachund<br />

Allgemeinwissen zu vermitteln und gleichzeitig individuell und integriert Sprache zu<br />

fördern. Bedingt durch das System der berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen<br />

und die kurze Präsenzzeit der Jugendlichen an der Berufschule haben die Lehrpersonen<br />

oft weder Zeit noch Gelegenheit, die Probleme der Jugendlichen in nützlicher Frist wahrzunehmen<br />

und angemessen zu handeln.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Wir unterstützen und entlasten die Lehrpersonen, indem wir die Informationen sammeln und<br />

die Massnahmen koordinieren.Die Jugendlichen können bei uns auch einfache Informationen,<br />

z.B. rechtlicher Art, holen.<br />

Angebot und Nachfrage<br />

Im Zentrum der <strong>Lernberatung</strong> steht die/der Jugendliche, die Person, die einen Rat, eine Unterstützung,<br />

ein Gespräch, Vermittlung oder einfach „trouble-shooting” braucht.<br />

Bis jetzt haben ungefähr 170 Jugendliche das Angebot der <strong>Lernberatung</strong> genutzt. Einige standen<br />

nach einem oder zwei Gesprächen, Informationen, der Vermittlung von Förderangeboten<br />

oder externen Kontakten wieder „auf eigenen Beinen”, andere brauchten genauere Abklärungen,<br />

die <strong>Coaching</strong> über längere Zeit oder eine speziell angepasste, individuelle Lösung, Gespräche<br />

in ihren Lernbetrieben, Eltern, Lehrpersonen und Behörden erforderte. Bei gut drei<br />

Vierteln der Jugendlichen ist die Beratung im Moment abgeschlossen, die andern werden von<br />

uns noch begleitet. Neben der Vermittlung von Stütz- und Förderangeboten haben wir eine<br />

grosse Nachfrage nach Lernhilfen und Lernstrategien oder Hilfe bei Teilleistungsschwächen<br />

wie Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen, Legasthenie, Diskalkulie etc.. Auch Orientierungshilfe<br />

oder eine erneute Berufs-/Laufbahnberatung, Unterstützung bei der Verhandlung<br />

mit dem Amt für Ausbildungsbeiträge, mit der Jugendfürsorge, IV oder Jugendberatung<br />

sind gefragt.<br />

Wir werden um Hilfe gebeten bei der Bewältigung von Prüfungsangst, um Unterstützung bei<br />

einem Gespräch mit einer Lehrperson oder einer verantwortlichen Person im Lernbetrieb, um<br />

Vorbereitung und/oder Moderation eines Konfliktgesprächs. Wir führen Gespräche mit Therapeutinnen<br />

und Therapeuten, Aerztinnen und Aerzten, stützen zeitweise verzweifelte Jugendliche<br />

bis sie wieder einen gangbaren Weg erkennen und klären mittels Lernstrategieprofil<br />

und Sprachstandanalyse Neigungen und Fertigkeiten, Stärken und Schwächen ab. Wir stärken<br />

verunsicherte Jugendliche und versuchen mit ihnen und den an ihrer Ausbildung beteiligten<br />

Personen die beste Lösung zu finden und entsprechende Massnahmen einzuleiten.<br />

Manchmal brauchen und wünschen die Jugendlichen etwas Druck und Verbindlichkeit, oft<br />

sind unsere Gespräche auch persönlicher Art. Identitätskrisen, Familientragödien, Migrationsprobleme,<br />

gesundheitliche Probleme oder ein diffuses „Nicht-mehr-weiter-wissen” führen<br />

die Jugendlichen zu uns. Hin und wieder genügt schon die Tatsache, dass jemand sich Zeit<br />

nimmt, einmal zuzuhören und zu verstehen.<br />

Erfolge und Resultate<br />

Es ist oft schwierig, Beratungserfolge in Zahlen zu dokumentieren. Sicher ist, dass der Erfolg<br />

immer auch vom Einsatz der Jugendlichen abhängt. Wir bieten deshalb vor allem Hilfe zur<br />

Selbsthilfe an. Nicht immer führen unsere Interventionen zum erhofften Erfolg, es kann sich<br />

erweisen, dass eine Umwandlung der Lehre in eine Anlehre oder sogar eine Auflösung des<br />

Lehrverhältnisses mit einer anschliessenden Neuorientierung sinnvoll ist, manchmal werden<br />

auch Probleme sichtbar, die nur längerfristig gelöst werden können. Es kommt aber auch vor,<br />

dass die Jugendlichen sich gegen eine grössere Lerninvestition (Stützkurs, Förderkurs etc.)<br />

entscheiden. Dann müssen sie die daraus entstehenden Konsequenzen in Kauf nehmen.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Die <strong>Lernberatung</strong> ist am Ende der dreijährigen Projektphase von der Schweizerischen Zentralstelle<br />

für die Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen (WBZ) in Luzern evaluiert worden.<br />

Die Resultate sind sehr erfreulich. Verantwortliche in den Lernbetrieben, Lehrpersonen<br />

und Kontaktpersonen im unterdessen grossen Netzwerk sind einhellig der Meinung, dass die<br />

<strong>Lernberatung</strong> für die Jugendlichen einem dringenden Bedarf entspricht und unbedingt weitergeführt<br />

werden muss.<br />

Die Rückmeldungen der beratenen Jugendlichen: „<strong>Lernberatung</strong> ist eine nützliche und wichtige<br />

Dienstleistung, die für mich dringend nötig war und nicht mehr wegzudenken ist.“<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. Lernmotivationstraining und selbstorganisiertes<br />

Lernen in der LERNWERKSTATT – ein integratives<br />

Lerncoachingmodell<br />

Peter Ming und Marbeth Reif<br />

Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) Obwalden<br />

Im Rahmen der nationalen Pilotprojekte für die Umwandlung der bisherigen Anlehre in eine<br />

zweijährige Berufsausbildung mit Attest läuft in Kanton Obwalden seit dem Schuljahr<br />

2001/2002 eine Versuchsphase mit der sogenannten LERNWERKSTATT, einem integrativen<br />

Lerncoachingmodell.<br />

Einbezogen in die Pilotprojekte sind eine Klasse der metallbearbeitenden Branche in Giswil,<br />

eine Dienstleistungsklasse (vorwiegend aus dem Bereich Verkauf und dem Kochberuf) in<br />

Sarnen sowie zwei Logistikpraktikerklassen mit Lehrfrauen und Lehrlingen aus der ganzen<br />

Zentralschweiz. Zudem werden im Rahmen des Stützkursunterrichts für drei- und vierjährige<br />

Lehren Erfahrungen mit dem Einsatz der LERNWERKSTATT (Ordner bei der DBK zu beziehen)<br />

gesammelt.<br />

Das Projektteam setzt sich zur Zeit aus sechs berufskundlichen und zwei allgemeinbildenden<br />

Lehrpersonen zusammen.<br />

Die Ziele der LERNWERKSTATT<br />

Nahziel ist die Förderung der schulischen Grundkompetenzen innerhalb der berufsfeldorientierten<br />

Allgemeinbildung.<br />

Als mittelfristiges Ziel sehen wir den zukünftigen, modularen Weiterbildungsweg in Richtung<br />

EFZ (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) im Anschluss an die Grundausbildung mit Attest.<br />

Das Fernziel ist die Befähigung zum lebenslangen, selbständigen Lernen, zur Weiterbildung<br />

allgemein und, als Voraussetzung dafür, zum Aufarbeiten alter schulischer Blockaden und<br />

negativer Selbstbilder.<br />

Um Lernende mit bisher vorwiegend negativen schulischen Lernbiographien zu befähigen,<br />

auf ihrem Weg ins Berufsleben als erstes Etappenziel den Attestabschluss zu erreichen und,<br />

wo möglich, den modularen Weg in Richtung EFZ in Angriff zu nehmen, braucht es besondere<br />

Anstrengungen und vor allem ein angepasstes methodisch-didaktisches Vorgehen.<br />

Voraussetzung jeglichen erfolgreichen Lernens bildet eine genügend breite Basis, was Wissen<br />

und Können in den Grundkompetenzen Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und Mathematik<br />

betrifft. Um nun das Lernen in den zwei zur Verfügung stehenden Ausbildungsjahren möglichst<br />

effektiv zu gestalten, scheint sich die Verknüpfung von berufskundlichem und allgemeinbildendem<br />

Unterricht in einer wöchentlichen Doppellektion „LERNWERKSTATT“,<br />

geleitet im Teamteaching von berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen, zu<br />

bewähren.<br />

Der Ablauf eines Berufschultags im neuen Modell kann so aussehen:<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

1. Lektion Berufskundeunterricht Nur berufskundliche Lehrperson im Einsatz<br />

2. Lektion Berufskundeunterricht Nur berufskundliche Lehrperson<br />

3. Lektion Lernwerkstatt Teamteaching von berufskundlicher und allgemeinbildender<br />

Lehrperson<br />

4. Lektion Lernwerkstatt Teamteaching<br />

5. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson im Einsatz<br />

6. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson<br />

7. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson<br />

8. Lektion Turnen<br />

Die Wege zum Ziel<br />

Das Zusammenlegen der Kräfte im Teamteaching bringt wie erwartet einen Zeitgewinn, indem<br />

auf verschiedenen Ebenen Synergien genutzt werden und sprachliche und mathematische<br />

Grundkompetenzen anhand des jeweils neu erarbeiteten Stoffes des Berufskundeunterrichts<br />

trainiert und sinnvoll vernetzt werden können.<br />

Konkret heisst das zum Beispiel: Im allgemeinbildenden Unterricht wird die Mind Map-<br />

Technik eingeführt, im Berufskundeunterricht für den Kochberuf werden die Lehrfrauen mit<br />

den Grundzubereitungsarten vertraut gemacht. Im gemeinsamen LERNWERKSTATT-<br />

Unterricht entstehen dann Mind Maps zum Thema Grundzubereitungsarten oder die im allgemeinbildenden<br />

Unterricht neu erarbeitete 5-Schritte-Lesemethode wird bei einem neuen<br />

Fachtext angewandt.<br />

Die direkte Verknüpfung von Inhalten des Berufskundeunterrichts mit den drei Grundkompetenzen,<br />

vorgelebt im Teamteaching, macht das Lernen für die Lernenden erstmals so richtig<br />

einsichtig und somit sinnvoll und bringt auffällige Motivationsschübe, erste kleine Erfolge<br />

und bald einmal eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Der Teufelskreis des bisherigen schulischen<br />

Misserfolgs kann so durchbrochen werden.<br />

In schriftlichen Feedbacks zum Umgang mit der LERNWERKSTATT nach Einführungstagen<br />

oder am Semesterende kommt häufig zum Ausdruck, dass wir Lehrpersonen als besonders<br />

hilfsbereit und am Einzelnen persönlich interessiert wahrgenommen werden, eben eher wie<br />

Trainer oder Coaches, wie sie den Lernenden von der Welt des Sports her ein Begriff sind.<br />

Hilfsmittel auf dem Weg zum Ziel<br />

Um uns möglichst von Anfang an auf eine klare, kontrollierbare Selbsteinschätzung der Lernenden,<br />

untermauert von der Fremdbeurteilung von uns Lehrpersonen, verlassen zu können,<br />

benützen wir die im „Lernwerkstattordner“ zur Verfügung gestellten Portfolios zu den Bereichen<br />

Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und Mathematik. Die in sechs Niveaustufen unterteilten<br />

Portfolios orientieren sich in ihrer äusseren Stuktur am Europäischen Sprachenportfolio.<br />

Die Checklisten und die Musteraufgaben machen die Handhabung der Portfolios einfach und<br />

alltagstauglich.<br />

Die Bearbeitung und Auswertung der Checklisten erbringen für die Lernenden sowie für uns<br />

Coaches erstaunliche Einblicke und ermöglichen den erstmaligen konkreten Überblick über<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

vorhandenes Wissen und Können, aber auch Mängel und Lücken nach neun bis zehn Schuljahren<br />

und bilden so eine gute Voraussetzung für klare, selbst gesetzte Lernziele. Das bedeutet<br />

für die meisten Lernenden erste Schritte in Richtung selbst organisierten Lernens.<br />

Die diversen Angebote des „Lernwerkstattordners“ zum Strukturieren machen das selbst organisierte<br />

Lernen überblickbar und Fortschritte werden erkennbar.<br />

Zu den grundlegenden Strukturhilfen gehören vor allem grafisch eingängig dargestellte<br />

Grundeinsichten zu den 5 wichtigsten Schritten jeden Lernens (Planen, Organisieren, Durchführen,<br />

Kontrollieren und Reflektieren), ergänzt durch Formulare, deren Benützung die Gewöhnung<br />

an systematisches Planen und Kontrollieren des eigenen Arbeits- und Lernprozesses<br />

garantieren.<br />

Über drei Stufen versuchen wir die Lehrlinge zu selbst gesteuertem Lernen zu führen:<br />

In der Startphase bieten wir in der LERNWERKSTATT vorwiegend standardisierte Aufträge<br />

zur Auswahl an, danach ergänzen wir diese mit individualisierten Angeboten zur Aufarbeitung<br />

von Lücken und Schwächen oder zur Förderung von Stärken und zielen als drittes darauf<br />

hin, die Lerndenden so rasch als möglich das Wagnis eigenständigen, selbst organisierten<br />

Lernens eingehen und erleben zu lassen.<br />

Die Beurteilungsformen sind dem selbst verantwortlichen Lernen angepasst; die Selbsteinschätzung<br />

hat bereits in der Startphase einen hohen Stellenwert, wird jedoch durch die<br />

Fremdeinschätzung der Coaches abgesichert.<br />

Semesternoten setzen die Lehrpersonen zuerst einzeln, danach wird im Team ein Konsens<br />

gesucht. Die Noten-Feedbackgespräche werden mit jedem Lernenden einzeln geführt.<br />

Individuelle <strong>Lernbegleitung</strong> als verstärkendes Element zur<br />

Zielerreichung<br />

Einen ganz wesentlichen Faktor auf dem Weg zum selbst gesteuerten und erfolgreichen Lernen<br />

bis zum Ziel Attest, EFZ oder allgemeine berufliche Weiterbildung stellt die individuelle<br />

<strong>Lernbegleitung</strong>, das <strong>Coaching</strong>, dar. Die Verknüpfung von Teamteaching und <strong>Coaching</strong><br />

(<strong>Lernbegleitung</strong>) wurde bewusst gesucht, der rege Austausch über die Lernenden und ihre<br />

Lernprobleme zwingt zur Reflexion über die Lernprozesse.<br />

Das Zusammenlegen der Kräfte im Teamteaching der LERNWERKSTATT hat weitere, unerwartete<br />

positive Effekte gezeigt. Zum einen beschleunigt sich durch den intensiven Austausch<br />

unter den Lehrpersonen die Einführungsphase der Lernenden im neuen, vermehrt zur<br />

Eigenverantwortlichkeit führenden Ausbildungssystem, was wiederum die Originalität und<br />

Qualität der Angebote der LERNWERKSTATT beeinflusst.<br />

Es zeigte sich von Anfang an, dass Lehrpersonen, die nicht als Einzelkämpfer auftreten, sondern<br />

zu ihren eigenen Stärken und Schwächen stehen und ihre Kräfte zum Wohl der Lernenden<br />

zusammenlegen, als Lernbegleiterinnen und -begleiter ernst genommen werden. Diese<br />

neue Rolle schützt vor Burnout-Syndromen; sie ist zwar herausfordernd und anspruchsvoll,<br />

stellt hohe Anforderungen an Sozialkompetenz und Flexibilität der einzelnen Teammitglieder,<br />

bringt andererseits gegenseitige Unterstützung, lässt Innovationsgeist zu und bringt für Lernende<br />

und Coaches mehr Erfolgserlebnisse und Befriedigung.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Erste Erfahrungen mit dem integrativen Lerncoachingmodell in der<br />

LERNWERKSTATT<br />

Die engere Zusammenarbeit zwischen berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen<br />

und Lernenden im Rahmen der berufsfeldorientierten Allgemeinbildung (LERNWERK-<br />

STATT) scheint tatsächlich in Richtung der angestrebten Ergebnisse zu führen: von wachsendem<br />

Selbstvertrauen auf Seiten der Lernenden wie auch ihrer Coaches, von einer offenen<br />

Lernatmosphäre mit ausgeprägter gegenseitiger Feedbackkultur, von vermehrter Übernahme<br />

von Eigenverantwortung über das Fähigwerden zur Wahrnehmung eigener Bedürfnisse bis<br />

hin zu Selbstbeurteilung und Selbstkritik, gegenseitiger Ermutigung und Neu-Motivation bei<br />

Krisen. Das Ziel, am Semesterende oder am Ende der Attest-Ausbildung gute Noten zu bekommen,<br />

wird bei weitem übertroffen; persönliche Zukunftsziele werden formuliert, die eigentlichen<br />

Lebensentwürfen und langfristigen beruflichen Laufbahnplanungen gleichkommen,<br />

und dies bei bis anhin - aus welchen Günden auch immer - sogenannt schulschwachen,<br />

lernbe- oder -verhinderten jungen Menschen.<br />

Mit anderen Worten, die ersten Ergebnisse in berufsfeldgemischten Klassen der Dienstleistungs-<br />

und Metallbranche im Kanton Obwalden führen dank dem pädagogisch ganzheitlichen<br />

Ansatz mit dem integrierten <strong>Coaching</strong> eindeutig über die gesteckten Minimalziele einer<br />

Förderung der Grundkompetenzen in den Bereichen Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und<br />

Mathematik hinaus auf den Weg des lebenslangen, selbst gesteuerten und selbst organisierten<br />

Lernens.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

3. Projekt „Wie weiter?“<br />

Gabriela Hofer<br />

Jugendberatungsstelle „Wie weiter?“<br />

Jugendberatungsstelle „Wie weiter?“<br />

Die Jugendberatungsstelle „wie weiter?“ des Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung<br />

des Kantons Basel-Landschaft ist fünf Jahre alt. Das Zielpublikum sind Jugendliche zwischen<br />

16 und 22 Jahren aus dem Kanton Basel-Landschaft, die eine Lehrstelle suchen. Rund 180<br />

Jugendliche nutzen pro Jahr diese neue Übergangshilfe: 50 % junge Frauen, 50 % junge<br />

Männer, 70 % Inländerinnen und Inländer, 30 % Ausländerinnen und Ausländer. Das Durchschnittsalter<br />

beträgt 18,2 Jahre. Viele der anfragenden Jugendlichen erhalten eine Absage,<br />

weil alle unsere Angebote überfüllt sind.<br />

Klares Konzept bringt Integrationserfolg<br />

Für zwei Drittel der Ratsuchenden finden wir eine Anlehrstelle oder eine Lehrstelle oder ermöglichen<br />

eine stabile Integration in die Arbeitswelt. Das klare, pädagogische Konzept, die<br />

verbindlichen Vertragsabmachungen und das geeignete <strong>Coaching</strong>angebot sind Geheimnis<br />

dieses Integrationserfolges.<br />

Beispiele aus den Grundsätzen des Konzeptes sind:<br />

• Zuerst konfrontieren, dann integrieren<br />

• Integration ist nur mit Eigenleistung und Disziplin möglich<br />

• Verpflichtung zur Verbindlichkeit und Gründlichkeit<br />

• Hohe Erwartungen und Ziele; dabei alle Ressourcen nutzen<br />

Kompetente Fachleute beraten und begleiten die jungen Menschen auf dem Weg in eine Berufslehre.<br />

Schulische Voraussetzungen werden durch gezieltes und individuelles Lerntraining<br />

in der Lernwerkstatt verbessert; die persönlichen, sozialen und fachlichen Fähigkeiten werden<br />

in der Werkstatt auf die Realität hin eingeübt und erprobt. Das Team kann diese pädagogische<br />

Hilfestellung professionell anbieten, weil alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Jugendliche<br />

ernst nehmen, sie und ihre Welt verstehen lernen wollen, sie in ihrer Mündigkeit, Selbstverantwortung<br />

und Hoffnung stärken und ihnen geeignete Angebote machen, damit sie nicht<br />

schon in jungen Jahren am Leben verzweifeln müssen.<br />

Der pädagogische Leitgedanke der Jugendberatungsstelle „wie weiter?“ lautet:<br />

• Grenzen setzen und dabei sich selber abgrenzen, auf dem Boden der Realität bleiben,<br />

nicht „mit aufs Seil gehen“.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

In Verhandlungen werden Bedingungen und Erwartungen besprochen und abgestimmt. Das<br />

Scheitern in der Arbeit kann nur aufgefangen werden, wenn es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

gut geht, wenn sie sich selber beraten lassen und den echten Humor - nicht etwa den<br />

Galgenhumor - bei diesem „persönlichen Seilgang“ nicht verlieren.<br />

Jugendliche geben sich oft, wie sie nicht sind<br />

Viele Jugendliche können dem Entwicklungstempo der Zeit nicht mehr folgen. Sie handeln<br />

im Veränderungsprozess aus der Angst heraus, den Anschluss zu verpassen. Dies führt zu<br />

Überreaktionen, Kopflosigkeit bis hin zu Gewaltaktionen. Sie geben sich oft, wie sie nicht<br />

sind, weil sie den Kontakt mit sich selber verloren haben. Jugendliche wissen, was sie wollen,<br />

doch sie wissen noch nicht, dass sie es wissen ist ein Leitsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Die Jugendlichen können viel mehr, als sie denken. Ihre eigene „Verschüttung“, ihr<br />

mangelndes Selbstvertrauen und ihre schwachen Schulleistungen sind ihre Stolpersteine. Ausländische<br />

Jugendliche müssen in der Schnittstelle Schule und Arbeitswelt zusätzlich beweisen,<br />

dass sie genügend Sprachkompetenz, den geeigneten Ausländerausweis haben und die<br />

Kultur unserer Arbeitswelt kennen. Gespräche mit Eltern in Beratungen und an Elternabenden<br />

decken oft auf, dass Überforderung und Verunsicherung in den Familien in den letzten Jahren<br />

massiv zugenommen haben.<br />

„Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie!“ oder<br />

„Ausgrenzen tut weh“<br />

Alle Jugendlichen, die zu uns kommen, wollen in eine Berufslehre einsteigen, doch je länger<br />

je mehr gibt es für viele Jugendliche keine beruflichen Angebote mehr. Die Schere zwischen<br />

Lehrstellenangebot und geeigneten Jugendlichen wird noch weiter auseinander gehen! Neu<br />

kommt dazu, dass „Multicheck“ und „Basic-Check“ den Jugendlichen nicht einmal eine<br />

Chance geben, eine Schnupperlehre zu machen; sie fallen wegen dieser Tests bereits in der<br />

Vorselektion durchs Netz. Sie können real nicht mehr zeigen, wer sie sind und was sie können.<br />

Es gibt dadurch sehr viele einsame, verunsicherte und entmutigte junge Menschen. In<br />

dieser Situation ist es ein kleiner Schritt in die Abhängigkeit, in die Verwahrlosung, in die<br />

Sozialfürsorge. Die kantonale Statistik 2001 zeigt auf, dass 40% der Sozialhilfeempfängerinnen<br />

und -empfänger jünger als 18 sind.<br />

„Wenn Lehrmeisterin/Lehrmeister will, steht alles still“<br />

Die Berufslehre ist immer noch der wichtigste Zugang ins Erwerbsleben und in die Erwachsenenwelt.<br />

Was, wenn jungen Menschen dieser Zugang verwehrt wird, wenn sie dauernd Absagen<br />

erhalten? Wenn Lehrbetriebe nicht mehr ausbilden wollen? Es gibt sie noch, die Lehrmeisterinnen<br />

und Lehrmeister, die bereit sind, eine Anlehre oder eine Lehre für schwierige<br />

Jugendliche anzubieten. Es gibt sie noch, die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die soziale<br />

Verantwortung wahrnehmen und Freude am Umgang mit jungen Menschen haben. Es gibt sie<br />

noch, die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die sich an ihre eigene Jugendzeit zurückerinnern<br />

können: „Ich war in meiner Jugendzeit auch so. Auch ich musste eine Kurve drehen, bis<br />

ich den Rank erwischte. Ich habe jedesmal Freude, wenn es einem Jugendlichen trotz Schwierigkeiten<br />

gelingt, die Lehrabschlussprüfung zu bestehen“.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Zum Schluss drei Wünsche<br />

1. An die beruflichen Ausbildnerinnen und Ausbildner:<br />

Mehr gute Lehrmeisterinnen/Lehrmeister und Lehrbetriebe, welche bereit sind, leistungsschwächere<br />

Jugendliche in die Lehre aufzunehmen; Unterstützung, Pflege, Förderung<br />

und Belohnung durch Verbände und Ämter.<br />

2. An die Lehrerinnen und Lehrer:<br />

Die Schülerinnen und Schüler bis am Schluss bei der Stange halten. Mehr klare, stabile<br />

und selbstbewusste Abgängerschulen.<br />

3. An uns alle:<br />

Verbindlichkeit, Durchhaltewillen, Disziplin und klare Abmachungen: üben, üben,<br />

üben. Zukunft sichern, etwas Neues wagen und an die Jugend glauben.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Referat 3<br />

<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues Modell?<br />

Lic. phil. Rainer Bürki<br />

Praxis für Psychotherapie<br />

1. Zur Herkunft des Begriffes<br />

Der Ursprung des Begriffes „<strong>Coaching</strong>“ geht auf das 15. Jahrhundert zurück. Damals wurden<br />

im ungarischen Dorf Kocs besondere Pferdefuhrwerke hergestellt, die als Wagen aus Kocs<br />

oder kurz Kocsi bezeichnet wurden. Dieser Begriff wurde dann im Deutschen zu Kutsche, im<br />

Englischen zu Coach. Das Trainieren des Kutschenpferds nannte man „to coach a horse“. Die<br />

Person, die das Pferd anleitete, wurde „coach“ genannt (Fischer 1996, zit. nach Gessner 2000,<br />

25).<br />

Der Begriff „Coach“ gelangte ab den 50er Jahren im Sport zur Anwendung. Die Bezeichnung<br />

„Coach“ bedeutete hier eine Neudefinition der Rolle des Trainers. Zur Erzielung von Leistungen<br />

wurde nicht mehr allein auf die rein körperliche Fitness und die technischen Fertigkeiten<br />

gesetzt. Den mentalen Aspekten wie Frustration, Aggression, Durchsetzungswille, Leistungsdruck<br />

und Versagensangst, stabile Motivation und anhaltende Konzentration wurde<br />

mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Psychologisches Grundlagenwissen wie Diagnostik, Beratung<br />

und Modifikation des Handelns wurde mit einbezogen.<br />

Im Sport können wir somit die Anfänge der Verbindung von <strong>Coaching</strong> mit Psychologie und<br />

einem Fachgebiet feststellen.<br />

In den 70er Jahren wurde der <strong>Coaching</strong>-Begriff im angelsächsischem Raum aus dem Sport in<br />

den Management-Bereich übertragen und als Führungsinstrument im Sinne von entwicklungsorientiertem<br />

Führen angewandt: der Vorgesetzte als Coach seiner Mitarbeiter.<br />

Ende der 80er Jahre verbreitete sich die Idee des <strong>Coaching</strong> im deutschsprachigen Raum<br />

sprunghaft. Personalentwickler und Trainer brachten den <strong>Coaching</strong>-Ansatz in die Unternehmen<br />

hinein, aber nur für untere und mittlere Führungskräfte.<br />

Seit den 90er Jahren wurde <strong>Coaching</strong> mit zunehmender Rezeption ein Modeartikel. Es entstanden<br />

eine unüberschaubare Anzahl von sogenannten Bindestrich-<strong>Coaching</strong>-Konzepten:<br />

Business-<strong>Coaching</strong>, Crash-<strong>Coaching</strong>, EDV-<strong>Coaching</strong>, Fitness-<strong>Coaching</strong>, Karriere-<strong>Coaching</strong>,<br />

Power-<strong>Coaching</strong>, Selbst-<strong>Coaching</strong>, Team-<strong>Coaching</strong>, Telefon-<strong>Coaching</strong>, Time-<strong>Coaching</strong>, Verkäufer-<strong>Coaching</strong>,<br />

<strong>Coaching</strong> als Privatuntericht, <strong>Coaching</strong> als Spezialbehandlung für schwere<br />

Fälle (Trebesch 1996, zit. nach Gessner 2000, 29)<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. <strong>Coaching</strong> Definitionen<br />

<strong>Coaching</strong> ist eine junge Disziplin, die sich vorwiegend in der Praxis entwickelt hat. Die wissenschaftliche<br />

Erforschung von <strong>Coaching</strong> steht daher noch in den Anfängen. Die Diskussion,<br />

was <strong>Coaching</strong> ist, ist in vollem Gange und noch nicht abgeschlossen. Entsprechend gibt es<br />

keine einheitliche <strong>Coaching</strong>-Definition.<br />

Es werden Versuche unternommen, konzeptuelle Klarheit und Abgrenzung zu schaffen z.B.<br />

gegenüber Einzelberatung, <strong>Lernberatung</strong>, <strong>Lernbegleitung</strong>, Lernförderung, Supervision, Therapie,<br />

Organisationsentwicklung und –beratung und Personalentwicklung.<br />

Zur Zeit bestehen unterschiedlichste Vorstellungen über die Anwendungsbereiche (berufliches<br />

Leben und/oder Privatleben), die Ziele (Personalentwicklung oder ganzheitliche Führung),<br />

die Zielgruppen (Einzelberatung oder Gruppencoaching) und über die Methoden und<br />

Verfahren (Training, Beratung, Supervision) von <strong>Coaching</strong> (Gessner, 2000).<br />

Über das Wesen des <strong>Coaching</strong> schreibt Zauner (1990, 234) treffend:<br />

- „<strong>Coaching</strong> ist definitiv keine Therapie – und vermittelt doch manche Einsicht in bisher<br />

Unbedachtes im eigenen Verhalten, in Stärken und Schwächen des eigenen Führungshandelns<br />

und deren organisatorische Wirkungen.“<br />

- „<strong>Coaching</strong> ist keine Fachberatung im Sinne der Vermittlung von Expertenwissen – und<br />

erweitert doch Wissen und Verständnis für konkrete unternehmerische und organisatorische<br />

Zusammenhänge.“<br />

- „<strong>Coaching</strong> ist keine private Freundschaft – und entwickelt doch ein Klima von Nähe<br />

und Vertrauen.“<br />

3. <strong>Coaching</strong> in der zweijährigen beruflichen Grundbildung mit<br />

Attest<br />

Das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) sieht in Art. 28 eine „fachkundige individuelle Begleitung<br />

von Personen mit Lernschwierigkeiten“ unter der Berücksichtigung der „individuellen<br />

Bedürfnisse der Lernenden“ vor. Ich verstehe <strong>Coaching</strong> als eine mögliche Massnahme,<br />

die diese Anforderungen erfüllt. <strong>Coaching</strong> kommt in verschiedenen Pilotprojekten bereits<br />

erfolgreich zum Einsatz.<br />

<strong>Coaching</strong> ist mehr als nur eine Technik. Professionelles <strong>Coaching</strong> ist für mich ein ganzheitlicher<br />

Ansatz, mit dem Lernende sowohl einzeln als auch in Gruppen gefordert, gefördert und<br />

durch kritische Phasen hindurch begleitet werden; ein Setting zur Unterstützung von leistungsschwachen<br />

Lernenden durch individuelle Beratung, Begleitung und Förderung. Dazu<br />

braucht es ein methodisches Instrumentarium und eine klare, theoretische und konzeptuelle<br />

Begründung und Reflexion.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Der <strong>Coaching</strong>-Prozess ist im Kern ein Zielfindungs- und Problemlösungsprozess. Es geht<br />

darum, Ziele und Lösungswege zu erarbeiten, die Lösungswege zu erproben und dahingehend<br />

zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden (im Sinne von Feedbackschleifen). Dabei werden<br />

die Ziele und Lösungswege im <strong>Coaching</strong>prozess gemeinsam erarbeitet. Die Eigenbemühungen<br />

des Gecoachten – wir sprechen von Coachee – werden unterstützt und optimiert (sie können<br />

selbst wieder <strong>Coaching</strong>-Thema werden), so dass seine Kompetenzen zur Bewältigung der<br />

anstehenden Aufgaben oder Probleme verbessert werden.<br />

<strong>Coaching</strong> ist somit im weitesten Sinne Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

4. Wie kann professionelles <strong>Coaching</strong> gelernt werden?<br />

In Rahmen des Lehrstellenbeschlusses 2 (LSB2) initiierte das Mittelschul- und Berufsbildungsamt<br />

des Kantons Zürich einen <strong>Coaching</strong>-Lehrgang. Ich wurde damit beauftragt, ein<br />

Konzept zu entwickeln und einen ersten Lehrgang als Pilot-Projekt durchzuführen. Mit der<br />

Auswertung des Pilot-Projektes wurde das Institut für Sonderpädagogik der Universität Zürich<br />

beauftragt (Prof. Dr. W. Schley, lic. phil. Silvia Pool). Der erste Lehrgang wurde unter<br />

dem Titel „<strong>Coaching</strong> in der Berufsbildung“ mit insgesamt 22 Teilnehmenden durchgeführt<br />

und konnte im Juni dieses Jahres bereits abgeschlossen werden. Die Evaluation ist noch in<br />

vollem Gange. Erste Auswertungen liegen jedoch bereits vor. Im Rahmen der Weiterbildung<br />

des Instituts für Lehrerbildung und Berufspädagogik in Zürich (ILeB) hat im September dieses<br />

Jahres bereits der zweite Lehrgang begonnen, diesmal unter dem Titel „<strong>Coaching</strong> Grundlagenmodul“.<br />

4.1 Die Struktur des Lehrganges<br />

Der Lehrgang bestand aus drei zweitägigen Workshops über einen Zeitrahmen von neun Monaten<br />

verteilt. Zwischen den Workshops fanden in Kleingruppen von ca. fünf Teilnehmenden<br />

je zwei halbtätige Supervisionssitzungen statt.<br />

Die Gruppe bestand aus 22 Teilnehmenden aus verschiedenen Berufsfeldern: Betriebe (Lehrmeisterinnen<br />

und Lehrmeister), Berufsschule (Berufsschullehrpersonen), Berufswahlschule<br />

(Berufswahlschullehrpersonen), Brückenangebote (Profi-Coaches), die insgesamt 190 Lernende<br />

betreuten. Eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe wurde bewusst angestrebt.<br />

Es ermöglichte Austausch, Abbau von Feindbildern, Vernetzung und ein umfassenderes Verständnis<br />

durch verschiedene Sichtweisen auf die Thematik.<br />

Um einen nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, wurde für den ganzen Lernprozess ein Zeitrahmen<br />

von neun Monaten eingeräumt. In den Workshops wurden die wichtigsten Inhalte<br />

vermittelt und praktisch eingeübt. In den Supervisionen konnte dann die konkrete Umsetzung<br />

im jeweiligen Berufsfeld begleitet und unterstützt werden.<br />

4.2 Die Inhalte des Lehrgangs<br />

Die drei Workshops hatten je einen Themenschwerpunkt:<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

1. Workshop: Grundlagen 1 der Gesprächsführung<br />

Einführung ins <strong>Coaching</strong><br />

Das GROW-Modell<br />

2. Workshop: Grundlagen 2 der Gesprächsführung<br />

Veränderungsprozesse und Veränderungsmanagement<br />

Motivation<br />

3. Workshop: Konflikt und Stress, Mobbing<br />

Konflikt- und Stressmanagement<br />

Feedback<br />

In den Supervisionen ging es um den Transfer in die Praxis. Die Teilnehmenden brachten<br />

Beispiele aus ihrer Arbeit, in denen sie <strong>Coaching</strong> bereits angewendet hatten oder anwenden<br />

wollten, zur Besprechung und Reflexion in die Supervisionsgruppe.<br />

4.3 Grundgedanken zum <strong>Coaching</strong><br />

Im Folgenden die Grundgedanken, welche für die Konzeptualisierung dieses Lehrganges von<br />

Bedeutung waren:<br />

1. Förderung braucht <strong>Coaching</strong><br />

• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende gefordert, gefördert und durch kritische Phasen<br />

hindurch begleitet.<br />

• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende angeleitet, eigene Ziele zu entwickeln und deren<br />

Erfüllung zu überprüfen.<br />

• In ihrem Lern- und Entwicklungsprozess müssen Lernende kontinuierlich begleitet<br />

und unterstützt werden.<br />

2. <strong>Coaching</strong> ist entwicklungsorientiert<br />

• <strong>Coaching</strong> zielt auf die dauerhafte Verbesserung der Lern- und Leistungsfähigkeit<br />

und der Arbeitsresultate.<br />

• <strong>Coaching</strong> schärft durch gezielte Befragung und persönliche Entdeckung das Bewusstsein<br />

und fördert die Eigenverantwortung.<br />

• <strong>Coaching</strong> ist ein von beiden Seiten bewusst gestalteter Entwicklungs- und Trainingsprozess.<br />

3. <strong>Coaching</strong> ist zielorientiert<br />

• <strong>Coaching</strong>, als dialogisch gestalteter Prozess, unterstützt Menschen in ihrem Bestreben,<br />

ihre Visionen, Ziele und Wünsche zu erkennen und zu verwirklichen.<br />

• <strong>Coaching</strong> hilft, persönliche und professionelle Ziele schneller zu definieren und<br />

leichter zu erreichen.<br />

• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende angeleitet, eigene Ziele zu entwickeln, sich selber<br />

und deren Erfüllung zu überprüfen.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

• <strong>Coaching</strong> beinhaltet das Bereitstellen notwendiger Strukturen und Hilfestellungen,<br />

aktive Unterstützung und regelmässiges Feedback.<br />

• <strong>Coaching</strong> ist ein kontinuierlicher vertrauensvoller Dialog zwischen Lehrmeisterinnen/Lehrmeistern<br />

und der Lehrperson und dem jeweiligen Lernenden und kann<br />

deshalb nicht verordnet werden.<br />

5. Der Lehrgang<br />

Es folgt eine Darstellung der wichtigsten Grundlagen des ganzheitlichen <strong>Coaching</strong>ansatzes,<br />

wie sie im Lehrgang vermittelt wurden.<br />

1. Das Wesen des <strong>Coaching</strong><br />

<strong>Coaching</strong> gründet auf den Werten und Haltungen der humanistischen Psychologie, auf<br />

einer systemischen Sichtweise allen Geschehens, auf klaren Konzepten, Methoden und<br />

Techniken und auf einer dialogischen Beziehungsgestaltung.<br />

2. Die Anforderungen an den Coach<br />

Ein Coach ist sich im klaren über seine inneren Haltungen und Werte, sein Menschenbild,<br />

das ihn leitet; er kennt Theorien und Grundkonzepte, wie z.B. den personzentrierten<br />

Ansatz von Rogers oder den systemischen Ansatz; er kennt Methoden und Techniken,<br />

die mit seinen Werten und mit seinen theoretischen und konzeptuellen Vorstellungen<br />

kompatibel sind, wie z.B. das aktive Zuhören oder das GROW-Modell; ein Coach<br />

bemüht sich um die Integration der neuen und der bisherigen Konzepte; sie/er erwirbt<br />

sich neue Fertigkeiten und öffnet sich für neue Erfahrungen; sie/er vernetzt sich möglichst<br />

vielfältig und erkennt die Wichtigkeit von Beziehungen.<br />

3. Wechselwirkung von Theorie und Praxis<br />

Die Abstraktionspyramide:<br />

Philosophische<br />

Grundlagen<br />

Humanistisches<br />

Menschenbild<br />

Erkl ärende<br />

Theorien und Konzepte<br />

Handlung:<br />

Methoden und Techniken<br />

Handlung:<br />

Praxis im Alltag<br />

Personzentrierter und<br />

Systemischer Ansatz<br />

Aktives Zuh ören<br />

GROW<br />

Fragetechniken<br />

Refraiming<br />

Umgang mit<br />

einer konkreten<br />

Situation<br />

69


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

In diesem ganzheitlichen <strong>Coaching</strong>-Konzept erfolgt der Einsatz von Methoden und Techniken<br />

nicht beliebig, sondern in einem möglichst transparenten, begründeten Zusammenhang. Dazu<br />

gehören neben einer anthropologischen Position kompatible Theorien und Konzepte, von denen<br />

her wiederum der Einsatz und die Anwendung bestimmter Methoden und Techniken zu<br />

begründen ist. So lässt sich die Komplexität der alltäglichen Praxis verantwortungsvoll gestalten<br />

und kritisch reflektieren.<br />

5.1 Das Menschenbild der humanistischen Psychologie<br />

1. Die Person steht im Zentrum, in ihrer Ganzheit, in ihrer sozialen Angewiesenheit, in<br />

ihrem Erleben, in ihrem Streben nach Selbstverwirklichung, in ihrer Willensfreiheit, in<br />

ihrer Sinnorientierung, in ihren Ressourcen.<br />

2. Es gibt fünf Thesen zum signifikanten Lernen (Rogers, 1969):<br />

• Menschen besitzen ein natürliches Potential zum Lernen.<br />

• Signifikantes Lernen findet dann statt, wenn der Lerninhalt von der lernenden Person<br />

als für ihre eigenen Zwecke relevant wahrgenommen wird.<br />

• Lernen wird gefördert, wenn die/der Lernende den Lernprozess verantwortlich mitbestimmt.<br />

• Selbstinitiiertes Lernen, welches die ganze Person– ihre Gefühle wie ihren Instinkt<br />

– mit einbezieht, ist am eindringlichsten und in ihren Ergebnissen am dauerhaftesten.<br />

• Unabhängigkeit, Kreativität und Selbstvertrauen werden gefördert, wenn Selbstkritik<br />

und Selbstbeurteilung von grundlegender Bedeutung sind, während Fremdbeurteilung<br />

zweitrangigen Charakter hat.<br />

5.2 Der Personzentrierte Ansatz (C. Rogers, 1902 – 1987)<br />

Rogers hat intensive Forschungen darüber betrieben, was eine hilfreiche Beziehung ausmacht.<br />

Seine Erkenntnisse fanden Einzug in unterschiedlichste Gebiete wie Psychotherapie, Beratung,<br />

Pädagogik, Gruppenprozesse und in die Friedensarbeit. Kurz vor seinem Tod wurde er<br />

für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.<br />

Sein Ansatz geht davon aus, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende Aktualisierungstendenz<br />

besitzt, d.h. die Möglichkeit und Fähigkeit, sich selber zu erhalten und zu entfalten. Die<br />

Verwirklichung und Umsetzung dieser Aktualisierungstendenz ist aber auf bestimmte hilfreiche<br />

Umgebungsbedingungen angewiesen. Rogers ist zum Schluss gekommen, dass die zentrale<br />

Bedingung einer hilfreichen oder förderlichen Beziehung in den drei sogenannten Basisvariabeln<br />

besteht:<br />

1. Kongruenz oder Echtheit<br />

Der Coach ist in der <strong>Coaching</strong>-Situation sich selbst, ohne Fassade oder Maske. Sie/er<br />

nimmt ihre/seine eigenen Gedanken und Gefühle in Bezug auf die <strong>Coaching</strong>-Situation<br />

wahr, kann sie selbstkritisch reflektieren und klären und sie dort mit einbeziehen, wo es<br />

angesagt ist.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. Wertschätzung<br />

Der Coach empfindet den Lernenden gegenüber eine nicht an Bedingungen gebundene<br />

Wertschätzung der Person als Ganzes, unabhängig davon, wie sich diese im Moment<br />

zeigt.<br />

3. Empathie<br />

Der Coach bemüht sich um einfühlendes Verstehen des Lernenden, d.h. sie/er versucht<br />

das Erleben, die Gefühle und Bewertungen, die Bedeutungen, die Ziele und Wünsche<br />

aus der Sicht des Lernenden in seiner Ganzheit zu verstehen, mitzuteilen und mit einzubeziehen.<br />

Aktives Zuhören:<br />

In einem Gespräch, das im weitesten Sinn Beratungscharakter hat, ist die Fähigkeit des Zuhörens<br />

die grundlegenste Fähigkeit. Das hingewandte, wertschätzende Zuhören, welches bemüht<br />

ist, die Welt des Partners mit seinen Augen zu sehen und auch das zu hören und ernst zu nehmen,<br />

was zwischen den Zeilen gesagt wird, auch das emotionale Erleben und Bewerten, nennen<br />

wir „aktives Zuhören“.<br />

5.3 Der Systemische Ansatz<br />

Der systemische Ansatz befasst sich mit der Ganzheit des Geschehens. Er versucht, den einzelnen<br />

Menschen in seiner vielfältigen Vernetzung zu sehen und zu verstehen. Der Kontext<br />

des Lernenden wird in die Überlegungen und Handlungen mit einbezogen. Zum Kontext gehört<br />

z.B. die Kultur, in der eine Lehrperson aufgewachsen ist und die dort geltenden Werte<br />

und Vorstellungen darüber, was im Leben wichtig ist; aber auch ihre Peergroup und die Werte,<br />

die dort gelten; bisherige negative Schulerfahrungen und die Situation in der Schule und<br />

im Betrieb.<br />

Je nach Kontext, den wir wahrnehmen, verändert sich unser Verständnis eines Menschen und<br />

seiner Situation. Die Frage nach dem relevanten Kontext ist von grosser Bedeutung. Häufig<br />

kann eine Situation erst dann zu einer befriedigenden Lösung gebracht werden, wenn der relevante<br />

Kontext gefunden, verstanden und mit einbezogen wird.<br />

Dabei sind Wechsel-Wirkungen zwischen Coach und dem Lernenden von Bedeutung. Jeder<br />

Mensch wird von seiner Umgebung beeinflusst und beeinflusst diese wiederum, so dass oft<br />

nicht eindeutig zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden ist. Der Coach reagiert auf<br />

den Lernenden, der Lernende reagiert auf den Coach. Beide beeinflussen sich gegenseitig.<br />

Manchmal resultiert daraus ein Teufelskreis, manchmal aber auch ein Engelskreis.<br />

Zum systemischen Ansatz gehört auch die Erkenntnis, dass es keine objektive Wirklichkeit<br />

gibt. Je nach Position und Rolle übernehmen wir einen anderen Beobachtungsstandpunkt und<br />

bewerten so die gleiche Situation unterschiedlich, d.h. aus der Rolle und Position der Ausbildenden<br />

resultiert eine andere Bewertung einer Situation als aus der Rolle und Position der<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Lernenden. Dabei ist nicht eine Sicht grundsätzlich richtig und die andere grundsätzlich<br />

falsch. Sie sind einfach entsprechend des unterschiedlichen Blickwinkels anders.<br />

So werden wir unter systemischen Gesichtspunkten eher Fragen nach den Sichtweisen der<br />

Akteure stellen, des Coach und des Coachees, und weniger versuchen, eine objektive Wahrheit<br />

zu definieren. Zudem werden wir unser Bewusstsein schärfen für den jeweilig relevanten<br />

Kontext, die Zusammenhänge und die Wechselwirkungen.<br />

5.4 Das GROW - Modell nach J. Whitmore<br />

Whitmore (1994, 14) bezieht sich auf das Menschenbild der humanistischen Psychologie und<br />

schreibt:<br />

„Wir sind danach weit mehr als leere Gefässe, in die alles hineingegossen werden muss, wie<br />

es noch die alte behavioristische Anschauung besagte. Dem neuen Modell zufolge ähneln wir<br />

eher einer Eichel, die bereits das gesamte Potential für die Entstehung einer herrlichen Eiche<br />

enthält. Wir benötigen Nahrung, Förderung und das Licht, um dahin zu kommen, aber wir<br />

besitzen bereits alle Anlagen dafür.“<br />

Für Whitmore beruht erfolgreiches <strong>Coaching</strong> auf drei zentralen Elementen:<br />

- auf der Förderung von Bewusstsein und Verantwortung (Kontext),<br />

- auf effektivem Fragen (Fertigkeiten),<br />

- auf einer strukturierten Abfolge des <strong>Coaching</strong>gespräches (GROW).<br />

5.4.1 Förderung von Bewusstein und Verantwortung<br />

Der Coachee muss dahin gebracht werden, persönliche Verantwortung zu übernehmen. Damit<br />

ist die Wichtigkeit der Selbstmotivation angesprochen.<br />

Das Bewusstsein des Coachee muss geschärft werden im Sinne von gebündelter Aufmerksamkeit,<br />

Konzentration und klarem Denken. Damit ist die Wichtigkeit der Selbstreflexion und<br />

Selbsterkenntnis angesprochen.<br />

5.4.2 Effektives Fragen<br />

Wie lassen sich Bewusstsein und Verantwortung durch <strong>Coaching</strong> steigern?<br />

Viele glauben, dass man Menschen nur sagen müsse, sie sollen bewusst und verantwortlich<br />

sein. Aber so funktioniert es in der Regel nicht. Im Gegenteil, es löst eher Widerstand und<br />

Verärgerung aus: „Bin ich doch! Was glaubst Du denn, was ich mache?“ Das können Eltern<br />

von Jugendlichen sicher bestätigen.<br />

Effektives Fragen bündelt die Aufmerksamkeit und steigert das Bewusstsein und die Bereitschaft<br />

zur Übernahme von Verantwortung.<br />

=> Daher die Aufforderung: Fragen statt sagen!<br />

72


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

5.4.3 Das GROW-Modell<br />

• Der <strong>Coaching</strong>-Ablauf folgt vier Schritten:<br />

GG<br />

Goal<br />

Ziel<br />

Was ist das Ziel?<br />

RR<br />

Reality<br />

Aktuell<br />

W ie ist es jetzt?<br />

OO<br />

Options<br />

Alternativen<br />

Welche Optionen haben Sie?<br />

W<br />

W ill<br />

Umsetzung<br />

Was werden Sie tun?<br />

Das GROW-Modell ermöglicht Orientierung im <strong>Coaching</strong>-Prozess. Es besteht aus vier Schritten.<br />

Der erste Schritt beginnt mit der Zielformulierung: Ziele für dieses Gespräch, kurzfristige,<br />

mittelfristige und langfristige Ziele des Coachees. Dies mag anfänglich etwas ungewohnt<br />

sein, da wir uns eher gewohnt sind, mit der Problemdefinition zu beginnen. Mit der Problemdefinition<br />

landen wir aber meist auch rasch bei den Defiziten, in den Sackgassen und in den<br />

Gefühlen von Hilflosigkeit, die damit verbunden sind. Mit dem Ziel zu beginnen erzeugt von<br />

Anfang an eine Aufbruchstimmung. Wir beschäftigen uns rascher mit Lösungsfragen und mit<br />

bereits bekannten und neu zu findenden Ressourcen.<br />

Die genaue Analyse der Realität in Bezug auf das formulierte Ziel ermöglicht es, neue Optionen<br />

zu entwickeln. Aus diesen Optionen (mindestens drei!) wird dann ein verbindliches Lernziel<br />

für den nächsten Schritt (kurzfristiges Ziel) vereinbart, der dem Erreichen der kurz-, mittel-<br />

und langfristigen Ziele dienen soll. Dieses Lernziel kann mittels Feedbackschleifen zu<br />

einem fest vereinbarten Zeitpunkt gemeinsam überprüft werden.<br />

6. Wirkungen von <strong>Coaching</strong><br />

An dieser Stelle sollen einige Aussagen von Teilnehmenden und Lernenden einen Einblick<br />

geben, welche Prozesse, Erfahrungen und Erkenntnisse durch diesen Lehrgang ausgelöst wurden.<br />

6.1 Aussagen aus Supervisionssitzungen<br />

„Ich führe jetzt regelmässig Einzelgespräche mit jedem Lernenden. Mir ist es wichtig, die<br />

Lernenden gut kennen zu lernen. Wenn ich von mir rede und sie von sich reden, dann schafft<br />

das Vertrauen. Der Schulstoff ist eher im Hintergrund.“<br />

„Mein grösstes Problem im Moment bin ich selber, vor allem im privaten Bereich mit meiner<br />

Partnerin. Zur Zeit versuche ich mich selber zu coachen.“<br />

„Ich habe bei der Zielformulierung gemerkt, dass ich keine Zeit habe. Mir fehlt der Freiraum.<br />

Mein Ziel ist jetzt, mir Freiraum zu schaffen, damit <strong>Coaching</strong> überhaupt möglich ist.“<br />

73


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

„Mit Druck erreiche ich nichts. Es ist sogar kontraproduktiv: die zwischenmenschliche Beziehung<br />

bricht ab, und ich erreiche dann nichts mehr.“<br />

„Ich bin mich gewöhnt, wenn ein Problem auftaucht, es aktiv zu lösen und höre dann gar<br />

nicht richtig auf den andern, sondern mache mir bereits Gedanken, wie das Problem zu lösen<br />

ist. Im Geschäft konnte ich es noch nicht anders machen, aber zu Hause. Ich bin mit meiner<br />

Frau den Lehrgang durchgegangen. Sie sagte mir, ich könne nicht gut zuhören. Das ist gut,<br />

weil es stimmt. Wenn sie mir jeweils etwas erzählte, las ich die Zeitung dazu und es ging mir<br />

zum einen Ohr rein und im zum anderen raus. Seit sie mir das gesagt hat, sitze ich mit meiner<br />

Frau regelmässig für Gespräche zusammen. Meine Oberflächlichkeit ist mir bewusst geworden.<br />

Jetzt geht es mehr in die Tiefe.“<br />

„Ich möchte über meine Angst reden, die ich manchmal habe, wenn ich mich als Lehrperson<br />

in der Klasse mit Lernenden aus mehrheitlich anderen Kulturen befinde. Die Lernenden spüren<br />

die Angst und missbrauchen diese Situation mit Machtgebaren.“<br />

„Ich habe gelernt aktiv zuzuhören. Das Gespräch ist viel wichtiger geworden: verstehen, was<br />

der Lernende meint.“<br />

„Ich habe Zeugnisgespräche gehabt und musste einer Lernenden sagen, dass ihre Schulleistungen<br />

zu schlecht sind, so dass sie nicht mehr weiter beschäftigt werden kann. Ich habe ihr<br />

mit Fragetechniken geholfen, sich neue Ziele zu setzen.“<br />

„Ich bin ein Schnelldenker und ein Schnellschwätzer. Ich schaue alles aus meiner Sicht an.<br />

Ich bin geschäftlich immer unter Spannung. Dann geht man sowieso mehr von seiner Meinung<br />

aus. Ich bin ein Besserwisser. Mir ist deutlich geworden, dass es bei mir ganz grundlegend<br />

an Wertschätzung fehlt. Das hat sich so ausgewirkt, dass ich jetzt versuche, sachlicher<br />

und weniger emotional an die Sachen ranzugehen. Ich baue Druck ab, delegiere mehr und<br />

warte ab.“<br />

„Eigentlich fehlt die Zeit.“<br />

„Ich habe meinem Lernenden ein Gespräch angekündigt und dann durchgeführt. Vorgängig<br />

habe ich ihm ein Vorbereitungsblatt abgegeben. Ich habe den Zeitraum gegen aussen gut abgegrenzt:<br />

keine Telefonate, keine Störung. Ich habe den Lernenden über meinen <strong>Coaching</strong>kurs<br />

informiert. Ich habe ihn über jeden Punkt reden lassen und habe mir auch Notizen gemacht.<br />

Am Schluss habe ich einen neuen Termin angesetzt.“<br />

„Schwierige Gespräche bereite ich bewusster vor.“<br />

„Mit aktivem Zuhören geht es oft in eine ganz andere Richtung, als ich mir vorgestellt habe.“<br />

„Die Zeit, die wir für Lernende haben, ist sehr gering oder dann immer von Unterbrechungen<br />

gestört. Ich habe alle informiert und begonnen, ein neues System aufzubauen, wo regelmässig<br />

ein <strong>Coaching</strong>gespräch stattfinden kann, unabhängig davon, ob Probleme da sind oder nicht.“<br />

„Als Folge und Impuls des ersten Workshops ist mir wichtig geworden, mehr Räume zu<br />

schaffen, vor allem geistige Räume, Einstellungen, Zeit- und Gesprächsräume, d.h. dass ich<br />

auch „nein“ sagen muss. Die Schülerinnen und Schüler sind jetzt in der „Schnupperstifti“.<br />

Wir haben uns vorgenommen, alle vor Ort zu besuchen. Mein Chef kommt nun mit seinen<br />

Anliegen an mich heran, mit anderen Aufgaben, die in dieser Zeit zu erledigen sind. Ich habe<br />

mich diesen Ansprüchen gegenüber abgegrenzt. Hat dies wohl Konsequenzen für die bestehende<br />

Lehrerqualifikation, die durch meinen Chef vorgenommen wird?“<br />

„Neu ist, dass ich alle vierzehn Tage mit dem ganzen Team ein Gespräch führe und alternierend<br />

vierzehntäglich mit jedem ein Einzelgespräch. Ich stelle Blumen auf den Tisch, ziehe das<br />

Telefon aus und bin während dieser Zeit für niemanden zu erreichen.“<br />

74


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

6.2 Aussagen von Coach und Coachees<br />

Aussage eines Coachees im 2. Lehrjahr:<br />

"Seit mein Lehrmeister in diesem Lehrgang war, ist das Arbeitsklima viel besser geworden.<br />

Er hat sich wirklich verändert. Heute kann er mir besser zuhören und geht auch auf meine<br />

Wünsche und Anliegen ein. Ich bin viel zufriedener mit meiner Lehrstelle, als ich es im 1.<br />

Lehrjahr war."<br />

Aussage eines Coachees an der Berufsschule:<br />

"Ich schätze an meiner Lehrperson, dass wir gemeinsam überlegen, wie ich am besten meine<br />

Schwächen ausgleichen kann. Ich kann jederzeit zu ihm kommen, wenn mir etwas nicht klar<br />

ist."<br />

Aussagen eines Berufswahlschullehrers:<br />

"Ich nehme bei meinen Coachees Stabilisierung und ein grösseres Verständnis wahr. Die gegenseitige<br />

Wertschätzung in der Interaktion ist grösser und es gelingt mir, Aufgaben bewusster<br />

und geduldiger anzugehen."<br />

"Ich kann Konfliktsituationen gelassener angehen."<br />

Aussagen eines Lehrmeisters:<br />

"Mein <strong>Coaching</strong>-Know-how hilft mir, Situationen besser einzuschätzen und zu bewältigen."<br />

"Ich pflege einen bewussteren Umgang mit dem Lernenden, der sich dadurch ernst genommen<br />

fühlt."<br />

„Die Kommunikation in der alltäglichen Interaktion mit den Mitarbeitenden ist besser geworden.<br />

Ich reagiere schneller auf Probleme bei der Arbeit wie im Privaten."<br />

Aussagen eines Berufsschullehrers:<br />

"Ich bereite mich intensiver vor."<br />

"Es gelingt mir, in der Interaktion mit den Familienmitgliedern der Coachees eine tolerantere<br />

Haltung einzunehmen."<br />

"Die Auszubildenden fühlen sich ernst genommen."<br />

7. Hat <strong>Coaching</strong> eine Chance?<br />

Wenn aus diesem Pilotprojekt eines deutlich geworden ist, ist es folgendes: wenn <strong>Coaching</strong><br />

nicht nur als diffuser Modebegriff eingeführt werden soll, sondern als neues Modell in der<br />

Begleitung und Förderung von Lernenden, hat dies Konsequenzen, die zu reflektieren und<br />

mitzutragen sind.<br />

Die finanziellen, zeitlichen und räumlichen Ressourcen müssen neu überdacht werden. Im<br />

<strong>Coaching</strong> wird Prozessbegleitung ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, als die Vermittlung<br />

von Inhalten. Darum hat das Einführen von <strong>Coaching</strong> Auswirkungen auf innerbetriebliche<br />

und innerschulische Abläufe, auf die Arbeitsorganisation, auf die Definition der Kernaufga-<br />

75


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

ben gegenüber dem Lernenden und auf das Selbstverständnis als Lehrperson oder Lehrmeisterin/Lehrmeister.<br />

Es scheint die falsche Vorstellung zu bestehen, dass man <strong>Coaching</strong> in der Schule oder im Betrieb<br />

einführen könne, ohne dass sich sonst irgendetwas ändern müsse. Die Erfahrung aus<br />

dem Pilotprojekt hat gezeigt, dass alle, die <strong>Coaching</strong> konsequent in ihre Arbeit eingeführt<br />

haben, wesentliche Veränderungen in ihrer Arbeitsorganisation, im Zeitmanagement, sogar<br />

im Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Raum vornehmen mussten und sich auch das<br />

Selbstverständnis bezüglich der bisherigen Kernaufgabe veränderte.<br />

Die Einführung von <strong>Coaching</strong> hat Auswirkungen, welche die ganze Institution oder den ganzen<br />

Betrieb betreffen. Dadurch stellt sich sehr rasch die wesentliche Frage, inwieweit die<br />

Auswirkungen, die nötigen Veränderungen und Anpassungen der Institution, dem Betrieb<br />

oder der Schule unterstützt werden oder nicht.<br />

Das Einführen von <strong>Coaching</strong> in Schule und Betrieb ist Chefsache!<br />

Das Einführen von <strong>Coaching</strong> heisst, einen gemeinsamen Prozess zu gestalten, in den alle Mitarbeitenden<br />

einbezogen sind. Die auftauchenden Fragen und Probleme müssen gemeinsam zu<br />

einer Lösung gebracht werden.<br />

Das Einführen von <strong>Coaching</strong> verändert die Betriebskultur. <strong>Coaching</strong> lädt ein, sich als lernende<br />

Organisation zu verstehen und zu definieren.<br />

8. Abschliessende Gedanken<br />

Ich habe mit meinem Referatstitel eine Frage aufgeworfen, ganz in der Philosophie des <strong>Coaching</strong>s:<br />

Fragen statt sagen! Ich habe zwar jetzt im Verlaufe meines Referates auch einiges<br />

gesagt, Ihnen versucht, die Idee des <strong>Coaching</strong>s, meine Auffassung des <strong>Coaching</strong>s in der beruflichen<br />

Grundbildung und speziell die Grundideen des <strong>Coaching</strong>-Lehrganges näher zu bringen.<br />

Ich habe aber die Antwort bewusst offen gelassen. Was Sie nun damit anfangen, und was<br />

Sie für sich daraus für Schlüsse und Antworten ziehen, entzieht sich meiner Kontrolle. Ich<br />

hoffe aber, dass ich Ihnen einige Anregungen geben konnte, die es Ihnen ermöglichen, für<br />

sich eine Antwort auf die Frage zu finden: „<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues<br />

Modell?“<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Literatur<br />

Bürki, R., & Hobi, R. (2002). Kein Apfel fällt von selbst vom Baum. Zu einer systemzentrierten<br />

Gesprächspsychotherapie. In C. Iseli et al. (Hrsg.), Identität, Begegnung, Kooperation<br />

(S. 94-112), Köln.<br />

Gessner, A. (2000). <strong>Coaching</strong> – Modelle zur Diffusion einer sozialen Innovation in der Personalentwicklung,<br />

Frankfurt.<br />

Rogers, C.R. (1969). Lernen in Freiheit, München.<br />

Schreyögg, A. (2001). <strong>Coaching</strong>. Eine Einführung für Praxis und Ausbildung, Frankfurt.<br />

Whitmore, J. (1994). <strong>Coaching</strong> für die Praxis, Frankfurt/M.<br />

Zauner, A. (1990). Beratung im Wandel. Nachfolgeberatung als engagierte Wegbegleitung in<br />

freundschaftlicher Distanz. In E. Kappler & S. Laske (Hrsg.), Blickwechsel. Zur Dramatik<br />

und Dramaturgie von Nachfolgeprozessen im Familienbetrieb (S. 221-237), Freiburg i.Br.<br />

77


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Ateliers 3<br />

<strong>Coaching</strong><br />

1. Bildungsnetz Zug – Projektbeschrieb und Einblick ins<br />

<strong>Coaching</strong><br />

Matthias Buzzi<br />

Verein Bildungsnetz Zug<br />

Das <strong>Coaching</strong> im Bildungsnetz Zug<br />

Ziel des Bildungsnetzes Zug<br />

Das im Januar 2001 gestartete Projekt hat zum Ziel, Jugendliche mit schulischen Teilleistungsschwächen<br />

zu einem Berufsabschluß auf Stufe Anlehre oder Lehre zu führen. Weitere<br />

Einzelheiten zum Konzept, zu der Funktionsweise und zu den Beteiligten finden Sie in der<br />

SIBP Schriftenreihe Nummer 18 „Barriere Sprachkompetenz“. Kernpunkt des Projektes ist<br />

das <strong>Coaching</strong>. Meine Ausführungen beschränken sich hier auf zwei Aspekte: Welches sind<br />

die Hintergründe unseres <strong>Coaching</strong>s und welche Schwerpunkte werden inhaltlich gesetzt?<br />

<strong>Coaching</strong> – in aller Munde<br />

Zur Zeit ist dieses Wort ein viel gehörter und gebrauchter Begriff. Als erstes möchte ich meine<br />

Sichtweise und mein Verständnis von <strong>Coaching</strong> darlegen, damit die folgenden Äußerungen<br />

auf diesem Grundverständnis betrachtet und entgegengenommen werden können.<br />

Meine Definition von <strong>Coaching</strong><br />

Das aus dem englisch stammende Wort (to coach) wird übersetzt als „auf eine Prüfung vorbereiten“,<br />

„trainieren“. Und genau darum geht es bei unserem <strong>Coaching</strong>: die berufliche Ausbildung<br />

soll erfolgreich abgeschlossen werden, sei das mit dem bei uns üblichen Augenschein in<br />

der Anlehre oder mit der Lehrabschlußprüfung auf Stufe Lehre. Das <strong>Coaching</strong> zielt dabei<br />

nicht nur auf die Erweiterung der Sachkompetenz, sondern auf die Förderung aller Schlüsselkompetenzen.<br />

Als ausgebildeter Heilpädagoge, der mehrere Jahre in der Volksschule tätig war, ist mir sehr<br />

bewußt, daß Lernen mehr ist als die Summe von „Wissen aneignen“ und/oder „Wissen vermitteln“.<br />

Das Beziehungsgeflecht, die Interaktionen im momentanen Umfeld (Arbeitsplatz,<br />

Familie, Freunde), die Biographie jedes einzelnen sowie die emotionale Intelligenz sind nur<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

einige maßgebliche Faktoren, die den Fortschritt in der Sachkompetenz beeinflussen. Diese<br />

sozialen Faktoren dürfen aber nicht mit der Sozialkompetenz verwechselt werden. Denn die<br />

oben genannten Punkte haben wenig mit Fertigkeiten und/oder Fähigkeiten zu tun. Vielmehr<br />

handelt es sich hier um Zustände, die um einen Menschen herum vorherrschen und auf ihn<br />

einwirken. Der durch uns wenig beeinflußbare „Globe“ (Um-Welt) prägt den Menschen und<br />

verlangt nach einer Reaktion. Erst der Umgang, die Interaktion mit dem „Globe“ zeigen die<br />

Kompetenzen eines Menschen.<br />

Ausgangspunkt meiner Darlegung ist der Begriff „<strong>Coaching</strong>“, den ich nicht nur auf die Sachkompetenz<br />

beschränkt haben will. Im weitesten Sinne geht es um die Förderung oder - aus<br />

psychologischer Sicht - um die Stimulierung der Jugendlichen durch den Coach. Dabei steht<br />

aber immer die Selbständigkeit und nicht eine Abhängigkeit vom Coach im Vordergrund. Die<br />

Aufgabe des Coach besteht im Wesentlichen darin, die vorhandenen Anlagen bewußt zu machen<br />

und zu fördern. Im <strong>Coaching</strong> muß die Gelegenheit bestehen, gemeinsam Entwicklungsziele<br />

auf allen Ebenen (Kompetenzen) zu entwickeln, wobei die Bedürfnisse aller Beteiligten<br />

(mit Ausnahme des Coachs, denn er ist Moderator) offen gelegt werden.<br />

Im engeren Sinne verstehe ich <strong>Coaching</strong> als eine längerfristige Begleitung und Beratung in<br />

vielfältigen Bereichen (z.B. bei persönlichen Konflikten, Bewältigung von Streß, Schwierigkeiten<br />

im Kommunikations- oder im persönlichen Lern- und Arbeitsverhalten). Zusammenfassend<br />

sei hier mein Verständnis von <strong>Coaching</strong> so dargestellt: Neben der Wahrnehmungssensibilisierung<br />

und der Information der Hilfe-Suchenden geht es auch um Anleitungen und<br />

Übungen zum Erlernen neuer Denk-, Lern-, Arbeits- und Verhaltensmuster.<br />

Und die Praxis?<br />

Im Bildungsnetz Zug arbeiten wir in Kleingruppen von vier bis maximal sechs Jugendlichen,<br />

die sich mindestens alle 14 Tage treffen. Da ich innerhalb einer <strong>Coaching</strong>-Einheit neben den<br />

allgemeinen Inhalten, die bearbeitet werden, jedem Jugendlichen eine schriftliche Kurzrückmeldung<br />

gebe und/oder ein Einzelgespräch mit ihm führe, kann die Gruppe höchstens sechs<br />

Jugendliche umfassen.<br />

1. Wesentliche Inhalte des <strong>Coaching</strong>s<br />

Grundsätzlich unterteile ich eine vierstündige <strong>Coaching</strong>-Einheit in drei Themenblöcke:<br />

• Rückblick auf Erlebtes in Betrieb und Schule<br />

• Praktische Arbeit<br />

• Ausblick mit persönlicher Zielsetzung bis zum nächsten Treffen<br />

2. Ausführungen zu den drei Themenblöcken<br />

Rückblick auf Erlebtes in Betrieb und Schule<br />

Beim Rückblick achte ich darauf, daß die beiden Bereiche Schule und Arbeitsplatz klar getrennt<br />

werden. Das ist wichtig, weil unsere Jugendlichen Positives überwiegend bei der praktischen<br />

Arbeit erleben, während sie in der Schule eher Probleme haben und Unlustgefühle<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

zeigen. In beiden Bereichen leite ich das Bewußtsein mit gezielten Fragen oder Arbeitsaufträgen<br />

dahin, daß die Jugendlichen klar unterscheiden müssen zwischen ihrer geleisteten Arbeit,<br />

den erreichten Leistungen und ihrem Verhalten. Bei diesen Rückmeldungen höre und spüre<br />

ich die Wahrnehmung der Ereignisse aus der Optik der Jugendlichen. Zudem wird für mich<br />

erkennbar, wie die Jugendlichen Erlebtes interpretieren und in ihr Weltbild integrieren. Mein<br />

Ziel ist, durch Nachfragen oder Präzisieren zu überprüfen, ob ich die Botschaft der Jugendlichen<br />

korrekt verstanden habe. Je länger eine Gruppe beisammen ist, desto häufiger kommt es<br />

vor, daß die Jugendlichen sich gegenseitig Rückmeldungen oder Tipps geben; sei dies in<br />

fachlichen oder sozialen Bereichen. Das sind für mich die Highlights! Denn wenn eine Jugendliche<br />

eine Empfehlung an eine andere Jugendliche abgibt, ist die Hörende mit Sicherheit<br />

viel empfänglicher für diese Hilfe, als wenn sie von mir als Coach kommt. Das Annehmen<br />

von Unterstützung auf der gleichen Ebene (Jugendliche zu Jugendliche) bringt Schwung in<br />

die Diskussion und mehr Erfolgsaussichten!<br />

Praktische Arbeit<br />

Der zweite Block gestaltet sich recht unterschiedlich und individuell. Grundsätzlich muß die<br />

Jugendliche Gelegenheit haben, anstehende Hausaufgaben für die Berufsschule zu lösen. Dies<br />

geschieht selbständig oder mit meiner Unterstützung. Da es Lernende aus den selben Berufen<br />

hat (ich versuche, diese in die gleichen Berufsschulklassen zu integrieren), kommt es vor, daß<br />

zu zweit, im Sinne einer Lernpartnerschaft, diskutiert und gearbeitet wird.<br />

In dieser Phase ist es möglich, persönliche Gespräche zu führen oder die <strong>Coaching</strong>-Bücher<br />

einzusehen und meine persönliche Kurzrückmeldung zu schreiben. Hier kann ich das Gehörte<br />

aus der ersten Runde entsprechend relativieren. Denn neben der Selbsteinschätzung finde ich<br />

im <strong>Coaching</strong>-Book auch die Rückmeldung des Lehrmeisters bezogen auf das Verhalten, die<br />

praktische Arbeit und die Fortschritte der Jugendlichen.<br />

In diesen Block flechte ich regelmässig lerntechnische Einheiten ein. Einerseits erinnere ich<br />

an die Vielfalt der bereits bekannten Lerntipps, andererseits führe ich neue ein, immer verknüpft<br />

mit einer praktischen Übung. Theorie alleine kommt nicht an und hat keine Chance,<br />

umgesetzt zu werden. Es müssen erste Erfahrungen mit dem neuen Tipp gemacht werden, und<br />

die Hürde, das Neue auszuprobieren, muß im geschützten Rahmen (lies: angeleitet und praktisch)<br />

überwunden werden. Dadurch wird es wahrscheinlicher, daß der Tipp zu Hause oder in<br />

der Schule auch tatsächlich angewendet wird.<br />

Ein weiteres Element in diesem Block sind die Rollenspiele. Ich baue diese bewußt so auf,<br />

daß ein Konflikt programmiert ist. Beispielsweise trifft da ein Lehrling, der bereits das zweite<br />

Mal in der gleichen Woche zu spät zur Arbeit kommt, auf den Lehrmeister. Welche Meinung<br />

vertritt der Jugendliche in der Rolle des Lehrmeisters? Welche Lösungsvorschläge zeichnen<br />

sich während des Spiels oder in der Diskussion im Anschluß an das Rollenspiel ab? Meine<br />

Aufgabe im Rollenspiel ist es, die Kernpunkte zu sammeln (Fazit/Quintessenz) und die gesehenen/gehörten<br />

Lösungsvorschläge zu visualisieren, damit sie besser im Gedächtnis verankert<br />

werden.<br />

Ausblick mit persönlicher Zielsetzung bis zum nächsten Treffen<br />

Der dritte Block steht im Zeichen der Vorausschau und der Zielvereinbarung. Jede Jugendliche<br />

ist aufgefordert, auf Grund der Erkenntnisse des vorangegangenen Rückblicks einen Vorsatz<br />

zu formulieren. Oft sind dies Anstrengungen, die Hinweise der Lehrmeisterin (die die<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Jugendliche mündlich oder schriftlich bekommen hat) ernst zu nehmen und sie im Sinne einer<br />

Verhaltenskorrektur in die Praxis umzusetzen.<br />

Der Vorsatz muß praktisch umsetzbar und kontrollierbar sein. Aussagen wie: „Ich konzentriere<br />

mich besser!" akzeptiere ich nicht. Aber „Ich mach mir im Unterricht Notizen zum Gesagten"<br />

oder „Bevor ich das Telefon abnehme, lege ich Stift und Papier bereit" sind Vorsätze, die<br />

erfolgsversprechend sind. Es sind also ganz kleine Zwischenziele gemeint. Nur so ist es möglich,<br />

Erfolgserlebnisse zu schaffen und glaubhaft an einem Vorwärtskommen zu arbeiten,<br />

ganz nach der chinesischen Weisheit: „Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten<br />

Schritt!" Das Selbstwertgefühl der Jugendlichen braucht im hohen Masse positive Verstärkungen<br />

– und viel, viel Zeit!<br />

Der Vorsatz geht übrigens nicht vergessen. Die Jugendliche notiert ihn ins <strong>Coaching</strong>-Book.<br />

Im nächsten <strong>Coaching</strong> ist der Vorsatz erneut Anknüpfungs- und Diskussionspunkt in der<br />

Feedbackrunde. Hier schließt sich der Kreis zwischen der Jugendlichen, dem Lehrmeister und<br />

dem Coach.<br />

Fazit<br />

Meines Erachtens ist der <strong>Coaching</strong>-Erfolg sehr stark abhängig davon, wie die Kommunikation<br />

zwischen Coach und Jugendlichen und dem Betrieb geführt und gepflegt wird. Die Jugendlichen<br />

müssen in ihrer Person und mit dem, was sie sind, mit ihrem Können und Unvermögen,<br />

akzeptiert werden. Die Wertschätzung gegenüber allen beteiligten Partnern ist enorm<br />

wichtig. Es ist zentral, dass diese Haltung von meiner Seite her klar kommuniziert und gepflegt<br />

wird. Sie ist die Basis, die ein echtes Miteinander ermöglicht und ein Ausspielen der<br />

verschiedenen Parteien gegeneinander reduziert. Aber auch eine straffe und klare Führung,<br />

wenn immer möglich in schriftlicher Form, ist für mich ein wesentlicher Eckpfeiler in der<br />

<strong>Coaching</strong>arbeit. Je vorausschauender (präventiver) ich arbeiten kann, desto grösser ist die<br />

Wahrscheinlichkeit eines (Teil)Erfolges. Das impliziert eine äusserst transparente und offene<br />

Kommunikation. Alle Beteiligten wollen wissen, was wir gegenseitig voneinander erwarten<br />

und welche Zielsetzungen vorliegen. Die Überprüfung dieser Zielsetzungen wird nicht zur<br />

Schikane, sondern zur sinnvollen Standortbestimmung für alle am Prozess beteiligten Personen.<br />

Insofern hat sich die Politik der kleinen Schritte bei uns bestens bewährt!<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Lehrkräften<br />

im Stütz- und Förderunterricht<br />

Der lernschwache Lernende wird gefördert<br />

Helmut Gehrer und Hans Heeb<br />

Stiftung „Die Chance“<br />

Sprungbrett in den Arbeitsmarkt<br />

Jedes Jahr verlassen zwischen 5 und 10 Prozent der Ostschweizer Jugendlichen das Bildungssystem,<br />

ohne eine nachobligatorische Ausbildung abgeschlossen zu haben. Die Lehrpersonen<br />

haben immer mehr Mühe, ihre Schülerinnen und Schüler bei der Stellensuche zu unterstützen.<br />

In diese Lücke ist im Jahr 2000 die private Ostschweizer Stiftung «Die Chance» gesprungen;<br />

sie vermittelt und betreut hauptsächlich Anlehren.<br />

Viele Betriebe sind bereit, auch schwächere Jugendlichen auszubilden; es fehlen ihnen aber<br />

die ausgebildeten Personen, oder sie schrecken vor dem zeitlichen und finanziellen Aufwand<br />

zurück. Vor diesem Hintergrund startete 2000 die von Dr. Markus Rauh errichtete Stiftung<br />

«Die Chance».<br />

Arbeitsweise der Stiftung<br />

Die Stiftung unterstützt Jugendliche aus dem Raum Ostschweiz im Alter von 15 bis 22 Jahren,<br />

welche aufgrund ihrer schulischen Leistungen oder ihres Sozialverhaltens den Anforderungen<br />

einer Lehre oder Anlehre nicht entsprechen. Sie kommen in der Regel aus Werkjahrklassen,<br />

Kleinklassen und Realschulen oder haben eine Berufsausbildung abgebrochen. Voraussetzung<br />

für eine Unterstützung ist eine vorgängige Abklärung durch die Berufsberatung<br />

und ein erkennbarer Wille, zu lernen und zu arbeiten. Zudem unterstützt die Stiftung die Ausbildungsverantwortlichen<br />

in Betrieben und Berufsschulen und schafft entsprechende Hilfsmittel,<br />

und zwar auf drei Ebenen:<br />

1. „Die Chance“ motiviert Unternehmensleitungen und Ausbildungsverantwortliche, Ausbildungsplätze<br />

zur Verfügung zu stellen. So informiert sie an Tagungen und spricht<br />

Oberstufenzentren an. Verbände und Berufsgruppen können von der Stiftung Unterstützung<br />

anfordern.<br />

2. Sie vermittelt Ausbildungsplätze (in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen, Lehrpersonen,<br />

Eltern, Berufsberatungen und Berufsbildungsämtern). Die Lehrbetriebe und die Jugendlichen<br />

sind dabei ordentliche Vertragspartner.<br />

3. Ist ein Ausbildungsplatz provisorisch zugesichert, wird das Ausbildungsprogramm festgelegt<br />

und die Begleitung abgesprochen. Während der Ausbildung werden die Jugendlichen<br />

und auf Wunsch die übrigen beteiligten Personen in den Betrieben und Berufs-<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

schulen gecoacht. Wenn nötig werden Umplatzierungen vorgenommen, oder es wird<br />

gar ein Ausschluss verfügt.<br />

Folgerungen nach zwei Jahren<br />

Im heutigen Team teilen sich fünf Personen drei Stellen. Sie müssen mit der Region vernetzt<br />

sein und praktische Kenntnisse über die Berufsschule und die Arbeit im Betrieb haben. Ursprünglich<br />

wurde vermutet, dass die Vermittlung der Jugendlichen aufwändiger sei als die<br />

anschliessende Begleitung. Das ist nicht der Fall, der Zeitaufwand für die Betreuung der Jugendlichen<br />

und die Unterstützung der Ausbildner hat sich seit dem Frühsommer 2001 stark<br />

erhöht. So sind zusätzliche Muster-Ausbildungsprogramme mit entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

zusammengestellt und 68 Flyer mit Berufsbildern auf Anlehrstufe produziert<br />

worden.<br />

Die bisher rund 400 Aufnahmen zeigen, dass die Stiftung einem grossen Bedürfnis entspricht;<br />

ursprünglich man davon ausgegangen ist, dass jährlich 12 bis 15 Jugendliche aufgenommen<br />

werden.<br />

Rund 70 junge Erwachsene konnten mit einem Abschluss erfolgreich aus dem Projekt entlassen<br />

werden, ca. 40 wurden an weitere Institutionen weitergeleitet, 90 fühlten sich neu motiviert,<br />

selbständig den Berufsweg einzuschlagen Das formulierte Ziel, dass 90% aller Abschliessenden<br />

eine feste Anstellung finden, wurde übertroffen; alle Absolventen konnten einen<br />

Arbeitsvertrag abschliessen. Mehrere Firmen, die seit Beginn mitmachen, haben auf<br />

Grund der guten Erfahrungen (vor allem mit dem <strong>Coaching</strong>) auf die kommenden Lehrjahre<br />

neue Stellen angeboten. Zur Zeit bilden 153 Firmen wie folgt aus (in 12 Betrieben 2 bis 5<br />

Lernende, in den übrigen je einen): 15 Vorlehren, 125 Anlehren und 40 Regellehren, zusätzlich<br />

einige Praktika.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

3. Professionell und unabhängig – der externe Coach in der<br />

Berufsbildung<br />

Thomas Diener<br />

Verein JoB, Zürich<br />

Trägerschaft und Projektindikation<br />

Der Verein JoB hat grosse Erfahrung im Coachen von Jugendlichen im Spannungsfeld Arbeitsstelle,<br />

Schule und soziales Umfeld. Zurzeit bieten wir im Kanton Zürich als Veranstalter<br />

von Berufsintegrationsprogrammen jährlich über hundert Praktikumsplätze in der Privatwirtschaft<br />

an.<br />

Im Rahmen der Diskussion um das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) setzt sich immer stärker<br />

die Erkenntnis durch, dass ein <strong>Coaching</strong> von Lernenden in der Berufsbildung, vor allem<br />

aber auf der Stufe Anlehre (im nBBG: zweijährige berufliche Grundbildung mit Attest) für<br />

die erfolgreiche Ausbildung dringend angezeigt ist. Der Verein JoB hat in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt ZH im August 2000 ein erstes Projekt<br />

initiiert. Erstmals wurde Lernenden ein Coach zur Seite gestellt. Nun wurde das Angebot<br />

auch für Jugendliche in einer regulären Lehre geöffnet und die Platzzahl aufgrund der grossen<br />

Nachfrage auf 35 erhöht.<br />

Kurzbeschreibung des Projekts<br />

Jugendliche mit erschwerten Startbedingungen ins Berufsleben werden während der gesamten<br />

Bildungsdauer durch ausgebildete Sozialpädagoginnen und -pädagogen tatkräftig unterstützt,<br />

begleitet und betreut. Mit dem <strong>Coaching</strong> soll ein Abbruch der Berufsausbildung aufgrund von<br />

schulischen, betrieblichen oder sozialen Problemen verhindert und die Ausbildungssituation<br />

stabilisiert werden. Im Vordergrund stehen das <strong>Coaching</strong> der Lernenden und deren Umfeld<br />

sowie die Zusammenarbeit und Beratung der Unternehmen und Berufschulen.<br />

Eine Vereinbarung regelt im Einzelnen die Zusammenarbeit und Verantwortlichkeit aller Beteiligten.<br />

Der Lehr- oder Anlehrvertrag regelt die rechtlichen Aspekte der Ausbildung. Die<br />

monatlichen <strong>Coaching</strong>kosten müssen via Kostengutsprache finanziert werden.<br />

Zielgruppe sind Jugendliche, welche die Schule abgeschlossen haben, genügend Berufsreife<br />

zeigen und eine Anlehre oder Lehre antreten. Ihr Start ins Berufsleben ist durch Lernschwierigkeiten<br />

oder kulturell bedingte Probleme erschwert. Die Berufsausbildung ist zusätzlich<br />

gefährdet durch persönliche oder familiäre Probleme. Zudem unterstützen wir Lernende, die<br />

während ihrer Lehrzeit in eine akute Krise geraten und denen ein Lehrabbruch droht.<br />

Was verstehen wir unter <strong>Coaching</strong>?<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Der Verein JoB gewährleistet das fachkundige, individuelle <strong>Coaching</strong> der Lernenden in einer<br />

Lehre oder Anlehre. Dazu gehören die individuelle Situationsanalyse, Zielformulierung und<br />

Zielüberprüfung mit dem/der Lernenden. Bei Problemen und Krisen im Arbeitsalltag ist die<br />

Absprache mit den Ausbildungsbetrieben und den Berufsschulen für die fachkundige Lösungssuche<br />

von zentraler Bedeutung. Bei schulischen und fachlichen Schwierigkeiten wird<br />

die Stabilisierung der Ausbildungssituation durch Nachhilfeunterricht angestrebt. Ebenfalls<br />

stabilisierend auf die Ausbildung wirkt sich die Klärung der persönlichen Situation aus. Von<br />

grundsätzlicher Bedeutung ist der regelmässige Kontakt und Informationsaustausch mit den<br />

Ausbildungsbetrieben und den Berufsschulen sowie mit allen weiteren Beteiligten. Als zusätzliche<br />

Dienstleistung berät der Verein JoB die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie<br />

Berufsschullehrpersonen in Führungsfragen und in sozialen Fragestellungen und unterstützt<br />

den Ausbildungsbetrieb bei Arbeitsqualifikationen am Arbeitsplatz.<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Die Fachlichkeit wird gewährleistet durch Mitarbeitende mit Ausbildung in Sozialer Arbeit.<br />

Programmleiter: Thomas Diener<br />

Diplom in Sozialer Arbeit HFS und NDS „Management in Non-Profit Organisationen“ FHS.<br />

Langjährige Erfahrung im Bereich der stationären und teilstationären Jugendhilfe für dissoziale<br />

Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren. Mitbegründer des Verein JoB und Ko-<br />

Geschäftsleiter seit 1997.<br />

Projektmitarbeiterin: Esther Heller<br />

Diplom in Sozialer Arbeit HFS. Langjährige Erfahrung im Bereich der offenen und stationären<br />

Jugendarbeit und in der stationären Krisenintervention. Intensive Zusammenarbeit mit<br />

Angehörigen, Behörden und Arbeitgebern (Mitarbeiterin eines Erwerbslosenprogrammes);<br />

Erfahrung in der individuellen Beratung mit Standortbestimmung von erwachsenen Arbeitslosen.<br />

Dreistufiges <strong>Coaching</strong>modell als Arbeitsgrundlage<br />

Konzeptuell gehen wir von folgendem dreistufigen <strong>Coaching</strong>modell für die Berufsbildung<br />

aus. Das <strong>Coaching</strong>angebot des Verein JoB beschränkt sich auf die Stufen 2 und 3.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Externes <strong>Coaching</strong> der Lernenden<br />

3. Stufe<br />

Zielgruppe<br />

Indikation<br />

Angebot<br />

Jugendliche, welche ohne Unterstützung keine Berufsbildung beginnen<br />

oder diese nicht beenden würden.<br />

Bei schwerwiegenden persönlichen und/oder schulischen Problemen. Die<br />

Ausbildung ist akut gefährdet.<br />

Ausgebildete Fachpersonen übernehmen in sozialen und schulischen<br />

Bereichen die umfassende Krisenintervention oder das langfristige <strong>Coaching</strong><br />

der Lernenden in enger Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb,<br />

der Berufsschule und weiteren involvierten Stellen. Eine klare<br />

Aufgabenteilung wird vorgenommen.<br />

Wirkung<br />

Beruhigung und Stabilisierung der Ausbildungs- und sozialen Situation.<br />

Berufsschullehrpersonen sowie Lehrmeisterinnen und Lehrmeister werden<br />

von den nicht berufsrelevanten Themen und dem drohenden Rollenkonflikt<br />

entlastet.<br />

Externes <strong>Coaching</strong> der LehrmeisterInnen & Berufsschullehrpersonen 2. Stufe<br />

Zielgruppe<br />

Indikation<br />

Angebot<br />

Wirkung<br />

Ausbildungsverantwortliche, welche ihr Handeln und ihre Interventionen<br />

durch externe Coaches reflektieren und neue Handlungsmuster kennen<br />

lernen wollen.<br />

Die private oder schulische Situation der/des Lernenden führt zu Leistungseinbrüchen<br />

oder Konflikten innerhalb des Betriebes oder der Berufsschule.<br />

Die Weiterführung der Ausbildung ist in Frage gestellt.<br />

Erarbeiten von spezifischen, auf die Situation zugeschnittenen Massnahmen<br />

zusammen mit den Ausbildungsverantwortlichen. Coachen der Ausbildungsverantwortlichen<br />

bei der Umsetzung der Massnahmen. Kennen<br />

lernen und einüben neuer Handlungsmuster und des dazugehörenden<br />

theoretischen Hintergrundes (in Ansätzen).<br />

Die Ausbildungsverantwortlichen werden befähigt, Krisen oder Konflikte<br />

aufgrund des <strong>Coaching</strong> selber erfolgreich zu bewältigen.<br />

Die Situation der/des Lernenden beruhigt und stabilisiert sich.<br />

<strong>Coaching</strong> durch die Ausbildungsverantwortlichen<br />

1. Stufe<br />

Zielgruppe<br />

Indikation<br />

Angebot<br />

Wirkung<br />

Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie Berufsschullehrpersonen, welche<br />

ihr Handeln und ihre Interventionen durch eine Zusatzausbildung<br />

besser reflektieren und neue Handlungsmuster kennen lernen und umsetzen<br />

wollen.<br />

Ausbildungsverantwortliche sind mit ihren Interventionsmöglichkeiten<br />

unzufrieden und wollen auch in Situationen, welche ausserhalb der Norm<br />

liegen, ihren Lernenden tragfähige Rahmenbedingungen schaffen.<br />

<strong>Coaching</strong>ausbildung im Rahmen der Lehrmeisterkurse und Berufsschullehrerausbildung.<br />

Zusätzliche Kurse für diejenigen, welche bereits in der<br />

Berufsbildung tätig sind.<br />

Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie Berufsschullehrpersonen werden<br />

befähigt, alltägliche private und schulische Probleme mit den Lernenden<br />

selbständig und erfolgreichzulösen<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

4. <strong>Coaching</strong> in der Berufsschule – Ziele, Instrumente,<br />

Erfahrungen<br />

Liliane Günter, Georges Kübler<br />

Kompetenzzentrum (TBZ) für Lernförderung und Integration<br />

Träger<br />

Technische Berufsschule Zürich, TBZ<br />

Abteilung IT<br />

Personen<br />

4 Lehrpersonen (2 ABU, 2 BU)<br />

ca. 27 Absolventinnen und<br />

Absolventen einer Anlehre<br />

Leitung: Georges Kübler<br />

Eckdaten<br />

Laufzeit: Februar 01 - August 03<br />

Budgetierte Bruttokosten: 101'000.--<br />

Kompetenz-Zentrum<br />

für L eörderung n f u. Integration<br />

1. Lehrjahr<br />

2. Lehrjahr<br />

Stand<br />

Sprache<br />

Start /Einf ührung<br />

Stand<br />

Mathe<br />

Eingangs-<strong>Coaching</strong><br />

AU<br />

Stand<br />

Praxis<br />

BU<br />

Laufbahn-<strong>Coaching</strong><br />

BU<br />

AU BU Laufbahn-<strong>Coaching</strong><br />

BU<br />

Arbeit<br />

Attest<br />

Lehre<br />

Ziele<br />

• Alle Absolventinnen und Absolventen einer Anlehre erhalten (während 2 Jahren) coaching-gestützten,<br />

gezielten Förderunterricht.<br />

• 4 bis 8 (1/3) Absolventinnen und Absolventen einer Anlehre bereiten sich auf eine weiterführende<br />

Qualifikation nach der Anlehre vor.<br />

• Die TBZ verfügt über ausgebildete, kompetente Lehrpersonen und erprobte Abläufe.<br />

• Materialien und Instrumente für coachinggestützten Förderunterricht stehen bereit.<br />

<strong>Coaching</strong> in der Berufsschule<br />

Ein Kernelement des LSB-2-Projektes Kompetenzzentrum für Lernförderung und Integration<br />

ist die Entwicklung, Implementierung und Dokumentation der gesetzlich vorgesehenen fachkundigen<br />

individuellen Begleitung im Berufsschulunterricht. Wir bedienen uns dazu des <strong>Coaching</strong><br />

als einer Methode, welche die didaktischen Arrangements ergänzt und so zu selbstgesteuertem,<br />

das heisst wirksamen Lernen veranlasst. Solches zu herkömmlichem Unterricht<br />

komplementäres <strong>Coaching</strong> beruht auf folgenden Voraussetzungen:<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

<strong>Coaching</strong> ist eine Methode, die den Schulunterricht ergänzt. Wenn die Attest-Ausbildung die<br />

fachkundige individuelle Begleitung als neues Element vorsieht, dann sind der Umfang,<br />

die Methodik und die Rahmenbedingungen zu definieren. Es kann nicht sein, dass mit<br />

dem neuen Element professionelles Handeln umschrieben wird, dass so bereits stattgefunden<br />

hat.<br />

<strong>Coaching</strong> verlangt eine zusätzliche Qualifizierung. Professionelles Handeln setzt voraus, dass<br />

man sich theoretisch und methodisch qualifiziert und seine Qualifikation auf hohem<br />

Stand beibehält, dass man über Instrumente verfügt und sein Handeln auf diesem Hintergrund<br />

reflektieren kann.<br />

<strong>Coaching</strong> benötigt spezifische Strukturen und Ressourcen. Um Aufgaben kontinuierlich und<br />

nachhaltig wahrzunehmen, sind zusätzliche Mittel nötig. Neben der Qualifizierung<br />

(Professionalisierung) braucht es insbesondere zeitliche und finanzielle Ressourcen<br />

(<strong>Coaching</strong>-Stunden, Supervision/Teamcoaching).<br />

<strong>Coaching</strong> muss für alle Beteiligten transparent sein. Tätigkeiten können in Bezug auf ihre<br />

Wirksamkeit nur beurteilt werden, wenn sie erkennbar sind und von anderen Tätigkeiten<br />

unterschieden werden können.<br />

Das Konzept im Aufriss<br />

Die individuelle Begleitung ist ein Angebot für Jugendliche in der Anlehre im Berufsschul-<br />

Kontext. Grundsätzlich werden diese in einem festgesetzten Rhythmus regelmässig gecoacht.<br />

Die Lernenden sind nicht verpflichtet, diese Angebote in Anspruch zu nehmen. Als Coach<br />

steht eine der beiden Lehrpersonen zur Verfügung. Zwischen den vorgegebenen Intervallen<br />

sind bei Bedarf weitere Einzelberatungen möglich. Auf Grund dieser Anlage drehen sich die<br />

<strong>Coaching</strong>-Gespräche zu Beginn in der Regel um Themen des Lernens und der Ausbildung.<br />

Ziel dieser <strong>Coaching</strong>-Gespräche sind Standortbestimmungen und das Finden persönlicher<br />

Ziele, bzw. die Revision ehemaliger Ziele, die mittels Vereinbarung festgehalten werden. Im<br />

Gespräch oder im Verlauf des Unterrichts werden Teilschritte, Massnahmen und Inhalte festgelegt.<br />

Der Unterricht bietet geeignete Lernbedingungen zur Realisierung der Zielsetzungen,<br />

er selber ist nicht Teil des <strong>Coaching</strong>, die Lehrperson erfüllt hier eine andere Rolle.<br />

Diese Konzeption unterscheidet sich von krisennahem <strong>Coaching</strong> dadurch, dass kaum akute<br />

Lebenssituationen zum <strong>Coaching</strong> führen, sondern primär Ausbildungsthemen besprochen<br />

werden. Sekundär führen die Gespräche allerdings oft und schnell in ganz persönliche Dimensionen,<br />

sofern diese in einem Zusammenhang zum Ausbildungserfolg stehen.<br />

Das Setting<br />

Über die generelle Absicht und die grossflächige Übungsanlage wurden die Lernenden und<br />

ihre Ausbilder zum voraus informiert. Das <strong>Coaching</strong> selbst findet als Einzelgespräch statt,<br />

welches in der Regel angekündigt und zwischen Lernendem und Coach abgemacht ist und in<br />

einem speziellen Arrangement stattfindet: ausserhalb der Unterrichtszeit, prinzipiell freiwillig,<br />

in einem ruhigen Raum der Schule und mit genügend Zeit.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Das Erstgespräch findet ausserhalb der Unterrichtszeit statt, für jeden Lernenden ist eine<br />

Stunde reserviert. Inhaltlich dient es gemäss gängigem <strong>Coaching</strong>-Ansatz in erster Linie dazu,<br />

die Wünsche und Ziele der Lernenden zu erkennen, vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten<br />

persönliche Optionen zu finden um dann erste Ziele zu fixieren. Beabsichtigt ist<br />

indes auch eine symbolische, vertrauensbildende Wirkung: die Voraussetzungen schaffen, die<br />

für die selbstgesteuerten Lernsequenzen unabdingbar sind, und den Lernenden signalisieren,<br />

dass ihre Lernbedürfnisse im Zentrum stehen, ernst genommen werden, aber auch Konsequenzen<br />

haben.<br />

Die weiteren <strong>Coaching</strong>-Sitzungen folgen im Prinzip diesem Muster, im Einzelfall können sie<br />

durchaus kürzer ausfallen, gelegentlich finden auch ganz beiläufig „kleine <strong>Coaching</strong>-Gespräche“<br />

am Rand des Unterrichts oder in Pausen statt.<br />

Abläufe und Inhalte<br />

Durch die parallele Ausbildung der beteiligten Coaches bei Rainer Bürki basieren die <strong>Coaching</strong>-Gespräche<br />

weitgehend auf dem Grow-Modell (vgl. R. Bürki):<br />

G (Goal): Die Ziele der Lernenden bilden den Anfang und Ausgangspunkt.<br />

R (Reality): In welcher realen Situation steht die/der Lernende?<br />

O (Options): Was für Möglichkeiten, Vorschläge und Ideen bieten sich an?<br />

W (Will): Was will die/der Lernende konkret tun?<br />

Zu Beginn drehen sich die Gespräche, bedingt durch den Schulkontext, häufig um Lern- und<br />

Ausbildungsfragen, sehr oft mischen sich auf der Zielebene aber bereits persönliche Aspekte<br />

ins Gespräch.<br />

Im Anfangsstadium war es für die Lehrpersonen-Coaches nicht immer ganz einfach, einerseits<br />

die Breite der Themen zuzulassen, anderseits die Zielfindung auf das Kerngebiet, die<br />

Ausbildung, zu fokussieren.<br />

Die Auswirkungen - Erste Beurteilungen der Coaches<br />

"Die Stimmung, vor allem im zweiten Lehrjahr, ist von beiden Seiten sehr viel entspannter,<br />

die Lehrperson kann das Gegenüber dank des <strong>Coaching</strong> viel schneller erfassen. Andere als<br />

nur schulisch-leitstungsmässige Elemente werden in der Lernenden-Lehrerin-Beziehung<br />

wichtig."<br />

"Die Einbindung der Lehrmeisterinnen und Lehrmeister mittels Laufbahnpass hat starke Auswirkungen,<br />

das hilft auch der Lehrperson, das selbstgesteuerte Lernen mit Tipps und klaren<br />

Lernvorgaben zu unterstützen."<br />

"Die Konzentration der Gespräche auf die Anfangsphase spart letztlich Zeit, weil vieles schon<br />

früh auf den Tisch kommt, was sonst unter Umständen erst nach 1 1 /2 Jahren bemerkt würde."<br />

"Das <strong>Coaching</strong>-Setting ermöglicht, dass man die wesentlichen Sachen unter der Oberfläche<br />

anspricht und erkennt. Das braucht seine Zeit, die im herkömmlichen Unterricht nicht zur<br />

Verfügung steht."<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

"Mit dem <strong>Coaching</strong> im gewählten Setting erfasst man alle und nicht nur diejenigen, die auffallen,<br />

bei Unauffälligen verbergen sich nicht selten grössere Probleme."<br />

"Ich vermisse noch Strukturen und Instrumente für die Evaluation und Selbstevaluation, umgekehrt<br />

entstehen in den selbstgesteuerten Lernsequenzen auch Ideen und Strukturen, die evaluativen<br />

und steuernden Charakter haben.“<br />

...und erste Schlüsse<br />

Die Formen der Beratung und Umsetzung könnten mit wachsender Routine noch vermehrt<br />

ineinander greifen,. Indem z.B. kürzere Einzelgespräche, ev. parallel zum Unterricht, mit längeren<br />

<strong>Coaching</strong>gesprächen kombiniert werden können.<br />

Das Angebot könnte mit Gruppencoaching bereichert werden, Situationen, in denen sich das<br />

anbietet, sind zu prüfen.<br />

Bei der Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen fachkundigen individuellen Begleitung sollten<br />

grundsätzlich alle Attest-Lernenden Anspruch auf dieses Angebot haben.<br />

Die Ausbildung mit theoretischem Hintergrund, Übungen, Reflexion und Anwendungsintrumenten<br />

schafft die nötige Sicherheit für den Anfang, Weiterbildungsmodule zur Absicherung<br />

und Erweiterung der <strong>Coaching</strong>-Kompetenz sind nötig.<br />

Die ganze Qualifizierung sollte anerkannt (Zertifikat) und so attraktiver werden.<br />

Praxisbegleitende Reflexion ist essentiell, Supervision oder Teamcoaching, enger Austausch<br />

im Team sind unverzichtbar für die erfolgreiche Anwendung der Methode; allenfalls könnten<br />

weitere Elemente wie Teamteaching oder Intervision hinzukommen.<br />

Professionelles Handeln setzt die entsprechende Rahmenbedingungen voraus, konkret: Qualifizierung,<br />

angemessene Geld-, Zeit- und Infrastrukturressourcen (Raum, Administration).<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Tagungsergebnisse und Schlussfolgerungen<br />

Andreas Grassi<br />

Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II, SIBP<br />

In den letzten Jahren streben gemäss Bildungsstatistik immer mehr Jugendliche eine Ausbildung<br />

in Vollzeitschulen an; die schulisch oft weniger leistungsfähige Mehrheit der<br />

Schulabgängerinnen und Schulabgänger besucht hingegen die Berufsschule im<br />

Teilzeitmodus. Die Berufsschule verfügt (zu Recht) nicht über Selektionsmöglichkeiten wie<br />

andere Schultypen der Sekundarstufe II und kann sich deshalb oft auch nicht auf diesem Weg<br />

der Probleme entledigen; vielmehr ist sie dazu aufgefordert, das Beste aus der Lehr-Lern-<br />

Situation zu machen. In absehbarer Zeit zeichnet sich keine Entspannung der Lage ab; die<br />

Berufsschulen werden auch in Zukunft die Aufgabe übernehmen, einen grossen Teil der<br />

schulisch weniger leistungsfähigen Jugendlichen im Verbund mit Lehrbetrieben und<br />

überbetrieblichen Kursen ausbilden zu helfen.<br />

Die Lernvoraussetzungen der Berufsschülerinnen und Berufsschüler sind heterogen, die Startbedingungen<br />

für die Berufslehre sind je nach Berufsfeld unterschiedlich. In einigen stark<br />

gefragten Berufen können Lehrbetriebe mit einer, oft nach aussen delegierten Selektion (Eignungstests)<br />

die Startvoraussetzungen in begrenztem Masse ausgeglichen halten. In anderen<br />

Berufsfeldern ist eine solche Selektion nicht möglich oder nicht erwünscht und wohl auch<br />

nicht anzustreben. In vielen Klassen machen sich verstärkt Lerndefizite und Lernprobleme<br />

bemerkbar. Mit erweiterten Lehr- und Lernformen und individualisiertem Unterricht versuchen<br />

Lehrpersonen diesem Umstand Rechnung zu tragen.<br />

Die Rahmenbedingungen für den anforderungsreichen Unterricht haben sich aber in den letzten<br />

Jahren eher verschlechtert. Die Finanzknappheit im Bildungsbereich führte in vielen Kantonen<br />

zu einer durchschnittlichen Erhöhung der Klassenbestände bei gleichzeitig steigender<br />

Komplexität des Unterrichtsgeschehens (z.B. Einbezug der neuen Informationstechnologien)<br />

und zunehmend standardisiert formulierten Qualitätszielen. Der daraus resultierende Schereneffekt<br />

zwischen dem, was geleistet werden sollte (Erreichen eines von aussen oder selbst gestellten<br />

Anforderungniveaus) und dem, was im Regelunterricht zu leisten möglich ist (alltägliche<br />

Schulrealität mit den bekannten Erschwernissen), kann die Leistungsgrenze von Lehrpersonen<br />

übersteigen.<br />

Eine teilweise Auslagerung der Probleme in den Stütz- und Förderunterricht verfolgt mehrere<br />

Ziele:<br />

• Die lernende Person wird bei ihrem Lernen enger und intensiver begleitet als dies im<br />

Regelunterricht möglich ist.<br />

• Lücken in den grundlegenden schulischen Kenntnissen und Fertigkeiten sollen geschlossen<br />

werden.<br />

• Die lernende Person soll ihr strategisches Vorgehen beim Lernen verbessern und damit<br />

Schritte zum eigenständigen Lernen machen.<br />

91


<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

Stütz- und Förderunterricht trägt auch zur Abklärung bei, ob eine Neubeurteilung des eingeschlagenen<br />

beruflichen Weges angezeigt ist. Können Lernende trotz Stütz- und Fördermassnahmen<br />

ihre Leistungen nicht verbessern, ist dieser Schritt in Erwägung zu ziehen.<br />

Viele Berufsschulen haben auf die veränderte Situation im Berufsbildungsbereich reagiert.<br />

Der zeitliche und finanzielle Aufwand für Stütz- und Fördermassnahmen ist zum Teil beträchtlich.<br />

Die getroffenen Massnahmen sind vielfältig und werden oft in pragmatischen<br />

Schritten entwickelt. Ein Gesamtkonzept und vor allem eine Darstellung der Synergieeffekte<br />

zwischen Stütz-, Förder- und Regelunterricht, fehlt aber in vielen Fällen. In einigen Berufsschulen<br />

ist der Stütz- und Förderunterricht unterentwickelt, und die kantonalen Behörden unterlassen<br />

es, auf die Erfüllung dieser Aufgabe zu drängen.<br />

Aus der Fachtagung <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong> – <strong>Coaching</strong> haben die anwesenden Expertinnen<br />

und Experten für die Umsetzung des nBBG folgende Schlussfolgerungen für den<br />

Stütz- und Förderbereich gezogen:<br />

1. Es braucht weiterhin den gemeinsamen politischen Willen, den grössten Teil der Schulabgängerinnen<br />

und Schulabgänger in die Berufswelt zu integrieren. Dieser Konsens<br />

verwirklicht sich nicht von selbst; Politiker müssen die nötigen Finanzen für die personellen<br />

und infrastrukturellen Mittel bereit stellen. Die benötigten personellen und finanziellen<br />

Ressourcen sind realistisch zu planen. Die Wirtschaft muss die entsprechenden<br />

Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.<br />

2. Die Berufsschulen weisen sich im Rahmen der Qualitätssicherung darüber aus, dass sie<br />

über ein breites, den Bedürfnissen ihrer Lernenden angepasstes Stütz- und Förderangebot<br />

verfügen. Das Angebot ist niederschwellig, offen und klar strukturiert.<br />

3. Die Verantwortlichkeit für den Stütz- und Förderbereich an den Berufsschulen ist geklärt<br />

und personell gesichert. Das Stütz- und Förderangebot ist praxisbezogen und folgt<br />

klaren wissenschaftlichen Konzepten. Ziel aller Bemühungen der <strong>Lernbegleitung</strong>, der<br />

<strong>Lernberatung</strong> und des <strong>Coaching</strong>s ist es, die Eigenständigkeit der Lernenden zu fördern.<br />

4. Die eingesetzten Lehrpersonen sind gut im Berufsbildungssystem verankert, verfügen<br />

über eine relevante Zusatzausbildung und/oder weisen sich über kontinuierliche Weiterbildung<br />

aus (Professionalisierung des Stütz- und Förderbereichs).<br />

5. Die eingesetzten Lehrpersonen verfügen über vertiefte Kompetenzen in den Bereichen<br />

Diagnostik, Lernförderung und Interkulturalität. Ihr Wissen und Können über die Steuerung<br />

von Lernprozessen ist aktuell. Sie kennen insbesondere Methoden und Instrumente,<br />

die selbstgesteuertes Lernen fördern und wenden diese situationsadäquat an.<br />

6. Die bisherigen Erfahrungen aus den Pilotprojekten sind bei der Umsetzung des nBBG<br />

ernst zu nehmen und in die Planung mit einzubeziehen. Sie sind systematisch und unter<br />

Beizug von Fachleuten weiter zu entwickeln.<br />

7. Für die Fachpersonen für Lernförderung besteht ein entsprechendes Weiterbildungsangebot,<br />

das unter anderem folgende Elemente aufweist:<br />

- Aktualisieren des theoretischen Hintergrundes anhand situierter, praxisorientierter<br />

Fallbeispiele.<br />

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<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />

- Vertiefte Kenntnisse von Instrumenten und Verfahren der pädagogischen Diagnostik.<br />

- Kennen und Anwenden von Instrumenten und Methoden zur Förderung des eigenständigen<br />

Lernens.<br />

- Auseinandersetzung mit Werten und Haltungen, insbesondere auch unter den Aspekten<br />

Interkulturalität und Genderfragen.<br />

Interdisziplinäre Weiterbildung und Weiterbildung von ganzen Teams sind besonders<br />

zu fördern.<br />

8. Fachpersonen für Lernförderung arbeiten vernetzt mit den übrigen Ausbildungsverantwortlichen<br />

zusammen. Sie bemühen sich um eine gute und regelmässig stattfindende<br />

Kommunikation. Die Vielfalt der Begrifflichkeit macht es nötig, sich immer wieder um<br />

Verständigung und Klarheit zu bemühen.<br />

9. Fachpersonen für Lernförderung kennen die Fachstellen im ausserschulischen Bereich<br />

und arbeiten situationsspezifisch mit ihnen zusammen.<br />

10. Die Angebote und die getroffenen Massnahmen sind periodisch und systematisch auf<br />

ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die Forschung unterstützt mit ihren Ergebnissen<br />

den Prozess der Professionalisierung.<br />

Das rege Interesse an der Fachtagung vom 25./26. Oktober 2002 zeigte auf, dass im Hinblick<br />

auf die Umsetzung des nBBG im Bereich der <strong>Lernbegleitung</strong> und Lernförderung Handlungsbedarf<br />

besteht. Die Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II des SIBP<br />

wird das Thema weiter verfolgen. Insbesondere wird sie sich für die Planung und Realisierung<br />

entsprechender Weiterbildungsangebote einsetzen.<br />

Andreas Grassi<br />

Marietheres Schuler<br />

Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sekundarstufe II<br />

Kirchlindachstrasse 79<br />

3052 Zollikofen<br />

Telefon: 031 324 33 66<br />

Email:<br />

andreas.grassi@bbt.admin.ch<br />

marietheres.schuler@bbt.admin.ch<br />

93


SIBP Schriftenreihe / Cahiers de l’ISPFP / Quaderni ISPFP<br />

Nr. 1 Didaktikkurs I und II. Rahmenlehrplan für die deutschsprachige Schweiz, Zollikofen 1996 (vergriffen) /<br />

Neuauflage der Schriftenreihe Nr. 1, Zollikofen 2002<br />

Nr. 2d Zukünftiger Status des Instituts. Bericht der Arbeitsgruppe, Zollikofen 1996 (vergriffen)<br />

No. 2f Le statut futur de l’Institut. Rapport du groupe de travail, Zollikofen 1996 (épuisé)<br />

Nr. 3 Ausbildung in den Berufen der Haustechnik. Studie im Auftrag der Eidg. Berufsbildungskommission,<br />

Zollikofen 1996 (vergriffen)<br />

No. 4i La formazione commerciale duale: proposte di riforma, Zollikofen 1996<br />

Nr. 5 25 Jahre SIBP 1972 – 1997, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik,<br />

Zollikofen 1997<br />

Nr. 6 Evaluationsbericht über die Ausbildung von Lehrkräften für den praktischen Unterricht, Zollikofen 1997<br />

Nr. 7 Umsetzung des Rahmenlehrplanes für den allgemeinbildenden Unterricht an den Berufsschulen,<br />

Zollikofen 1997 (vergriffen)<br />

Nr. 8 Sondermassnahmen für die berufliche Weiterbildung (1990 – 1996), Zollikofen 1997<br />

Nr. 9 Lernen in einer neuen Kultur und Sprache, Zollikofen 1998<br />

Nr. 10 Choreografien unterrichtlichen Lernens als Konzeptionsansatz für eine Berufsfelddidaktik, Zollikofen 2000<br />

Nr. 11 Berufspraktische Bildung – Dokumentation zur Impulstagung vom 12. Mai 2000, Zollikofen 2000<br />

Nr. 12 Integration oder Re-Integration – Dokumentation zur Tagung vom 8./9. Dezember 2000, Zollikofen 2001<br />

Nr. 13d Virtuelle Welten, Zollikofen 2001<br />

Nr. 13f Mondes Virtuels, Zollikofen 2001<br />

Nr. 14 VereinPaarkeit von Beruf und Familie – Dokumentation zu einem etwas andern SIBP-Kurs, Zollikofen 2001<br />

Nr. 15 Entwicklung und Evaluation von zwei Langzeit-Lehrgängen, Zollikofen 2002<br />

Nr. 16 Die Evaluation des DELV-Programmes bei Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Ausbildung,<br />

Zollikofen 2002<br />

Nr. 17 Berufsbildung USA, Zollikofen 2002<br />

Nr. 18 Barriere Sprachkompetenz, Zollikofen 2002<br />

Nr. 19 Die Festlegung von Standards für die Ausbildung von allgemeinbildenden Lehrpersonen an Berufsschulen,<br />

Zollikofen 2003<br />

Nr. 20 Gendergerecht unterrichten an Berufsschulen, Zollikofen 2003<br />

Nr. 21 <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong> – <strong>Coaching</strong>, Zollikofen 2003<br />

wird fortgesetzt / à suivre / seguirà<br />

In Zusammenarbeit mit WBZ-CPS<br />

(Schweizerische Zentralstelle für die Weiterbildung von Mittelschullehrpersonen)<br />

• Kriterienkatalog Geschlechtergleichstellung in Unterrichtsgestaltung und Schulentwicklung, Zollikofen/Luzern,<br />

2000 (überarbeitete Auflage)<br />

• Auch als Online-Version zum Herunterladen auf: www.wbz-cps.ch/deutsch/forschung/folgeseiten/publikat.html<br />

94


Bestellungen nehmen wir gerne SCHRIFTLICH (per Post oder Fax) oder online über unsere Homepage<br />

www.sibp.ch/index1.htm (F+E Publikationen) bzw. e-mail: mediothek.sibp@bbt.admin.ch entgegen.<br />

Besten Dank!<br />

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.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />

.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />

.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />

.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />

Talon bitte einsenden oder faxen an: SIBP, Postfach 637, 3052 Zollikofen / Fax: 031 323 77 77<br />

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