Lernbegleitung-Lernberatung- Coaching - EHB
Lernbegleitung-Lernberatung- Coaching - EHB
Lernbegleitung-Lernberatung- Coaching - EHB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SIBP Schriftenreihe Nummer 21<br />
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<br />
<strong>Coaching</strong><br />
Dokumentation zur<br />
Tagung vom 25. und 26. Oktober 2002<br />
im Schweizerischen Institut für Berufspädagogik<br />
SIBP, Zollikofen<br />
..........................................................................................................<br />
EIN INSTITUT DES BUNDESAMTES FÜR BERUFSBILDUNG UND TECHNOLOGIE BBT
Herausgeber<br />
Schweizerisches Institut für Berufspädagogik (SIBP)<br />
Postfach 637<br />
CH – 3052 Zollikofen<br />
Homepage: www.sibp.ch<br />
Umschlaggestaltung<br />
Adrian Siegenthaler / Benjamin Polli, Visualize, 3400 Burgdorf<br />
Lektorat<br />
Marietheres Schuler, SIBP Zollikofen<br />
Marlène Egli, SIBP Zollikofen<br />
Layout<br />
Marlène Egli, SIBP Zollikofen<br />
Druck<br />
Druckerei Glauser AG, 3312 Fraubrunnen<br />
Copyright<br />
©SIBP 2003<br />
2.2003 1600 10 V 37055<br />
2
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung Andreas Grassi 6<br />
Referat I<br />
<strong>Lernbegleitung</strong><br />
„Was muss ich wissen, was muss ich können, Prof. Dr. Hansjörg Neubert 8<br />
was soll ich tun?“<br />
Ateliers I<br />
Pädagogische Fördermassnahmen an Berufsschulen – <strong>Lernbegleitung</strong><br />
1. Das Angebot an Stütz- und Fördermass- Anne Böhlen und 19<br />
nahmen an der Gewerblich-Industriellen Ursula Haerri<br />
Berufsschule Bern<br />
2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Urs Stucki 23<br />
Lehrpersonen im Stütz- und Förderunterricht<br />
3. DaZ – Deutsch als Zweitsprache Susann Schläppi 27<br />
SFK – Stütz- und Förderkurse im Team Hans-Heini Winterberger<br />
4. Vom verordneten Stützkurs zum freiwilligen Bernadette Neff, Katy 31<br />
Trainingsmodul – ein Paradigmawechsel Rhiner Grassi, Marlies Stoll<br />
5. Sprachförderung nach modularem Konzept BBZ Bruno Furrer 35<br />
Marc-André Peter<br />
Referat 2<br />
<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf Dr. Ursula Scharnhorst 39<br />
dem Weg zum selbstgesteuerten Lernen<br />
Ateliers 2<br />
<strong>Lernberatung</strong><br />
1. <strong>Lernberatung</strong> an der Allgemeinen Gewerbe- Ruth Wolfensberger 54<br />
schule Basel<br />
2. Lernmotivationstraining und selbstorganisiertes Peter Ming 58<br />
Lernen in der LERNWERKSTATT – ein inte- Marbeth Reif<br />
gratives Lerncoachingmodell<br />
3. Projekt „Wie weiter?“ Gabriela Hofer 62<br />
3
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Referat 3<br />
<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues Lic. phil. Rainer Bürki 65<br />
Modell?<br />
Ateliers 3<br />
<strong>Coaching</strong><br />
1. Bildungsnetz Zug – Projektbeschrieb und Matthias Buzzi 78<br />
Einblick ins <strong>Coaching</strong><br />
2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Helmut Gehrer 82<br />
Lehrpersonen im Stütz- und Förderunterricht Hans Heeb<br />
3. Professionell und unabhängig – der externe Thomas Diener 84<br />
Coach in der Berufsbildung<br />
4. <strong>Coaching</strong> in der Berufsschule – Ziele, Liliane Günter 87<br />
Instrumente, Erfahrungen<br />
Georges Kübler<br />
Tagungsergebnisse und Schluss- Andreas Grassi 91<br />
folgerungen<br />
4
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Adressverzeichnis Referierende<br />
Referierende Institution Adresse Tel. / E-Mail<br />
Böhlen Röthlisberger GIBB / Abt. AVK Lorrainestrasse 1, 3000 Bern 11 031 335 91 46<br />
Anne<br />
anne_boehlen@gmx.ch<br />
Bürki Rainer<br />
Praxis für Psychotherapie, Freiestrasse 178<br />
01 382 00 48<br />
Ausbildung, <strong>Coaching</strong> 8032 Zürich<br />
rainer.buerki@bluewin.ch<br />
Buzzi Matthias<br />
Verein Bildungsnetz Zug Aabachstrasse 1, 6301 Zug 041 724 57 80<br />
Amt für Berufsbildung Zug<br />
buzzi-aegeri@bluewin.ch<br />
Diener Thomas Verein Job, Zürich Ohmstrasse 14, 8050 Zürich<br />
01 310 16 55<br />
thomas.diener@vereinjob.ch<br />
Furrer Bruno<br />
Baugewerbliche Berufsschule<br />
Zürich<br />
brunofurrer@educanet.ch<br />
01 482 68 67<br />
Reishauerstrasse 2, 8090 Zürich<br />
Gehrer Helmut Stiftung „Die Chance“<br />
Appenzeller Strasse 4<br />
071 886 70 47<br />
9424 Rheineck<br />
chance.gehrer@bluewin.ch<br />
Günter Liliane<br />
Technische Berufsschule Ausstellungsstrasse 70<br />
01 446 96 60<br />
Zürich<br />
8090 Zürich<br />
l.guenter@bluemail.ch<br />
Haerri Ursula GIBB / Abt. AVK Lorrainestrasse 1, 3000 Bern 11<br />
031 335 91 46<br />
haerri.marly@bluewin.ch<br />
Heeb Hans<br />
Stiftung „Die Chance“<br />
Bündt<br />
081 757 23 95<br />
9468 Sax<br />
hansheeb@bluewin.ch<br />
Hofer Gabriela<br />
Jugendberatungsstelle Hofstrasse 31<br />
061 378 93 72<br />
Wie Weiter<br />
4127 Birsfelden<br />
wieweiterga@smile.ch<br />
Kübler Georges<br />
Weiterbildung für<br />
Ausstellungsstrasse 80<br />
01 447 27 73<br />
Berufsschulen<br />
8005 Zürich<br />
gkuebler@schulnetz.ch<br />
Ming Peter<br />
Berufs- und Weiterbildungszentrum<br />
BWZ Obwalden 6061 Sarnen<br />
peter.ming@schuleow.ch<br />
Grundacher, Postfach 1164 041 675 16 16<br />
Neff Bernadette<br />
Allgemeine Berufsschule<br />
01 444 54 44<br />
Zürich<br />
Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />
bernadette.n@bluewin.ch<br />
Abt. Mode und Gestaltung<br />
Neubert Hansjörg<br />
Peter Marc-André<br />
Reif Marbeth<br />
Rhiner Grassi Katy<br />
Scharnhorst Ursula<br />
Schläppi Kneer Susann<br />
Stoll Marlies<br />
Stucki Urs<br />
Winterberger<br />
Hans-Heini<br />
Wolfensberger Ruth<br />
Freie Universität Berlin<br />
Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
und Psychologie<br />
Baugewerbliche Berufsschule<br />
Zürich<br />
Berufs- und Weiterbildungszentrum<br />
BWZ Obwalden<br />
Allgemeine Berufsschule<br />
Zürich<br />
Abt. Mode und Gestaltung<br />
Schweizerisches Institut für<br />
Berufspädagogik SIBP<br />
Berufsschulzentrum<br />
Oberland bzi<br />
Allgemeine Berufsschule<br />
Zürich<br />
Abt. Mode und Gestaltung<br />
Berufsschulzentrum<br />
Oberland bzi<br />
Gewerblich Industrielle<br />
Berufsschule<br />
Allgemeine Gewerbeschule<br />
Basel<br />
Habelschwerdter Allee 45<br />
D – 14195 Berlin<br />
Reishauerstrasse 2, 8090 Zürich<br />
Grundacher, Postfach 1164<br />
6061 Sarnen<br />
Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />
Kirchlindachstrasse 79<br />
Postfach 637<br />
3052 Zollikofen<br />
Obere Bönigstrasse 21<br />
Postfach 653<br />
3800 Interlaken<br />
Ackerstrasse 30, 8005 Zürich<br />
Obere Bönigstrasse 21<br />
Postfach 653<br />
3800 Interlaken<br />
Mönchstrasse 30 B<br />
3600 Thun<br />
Vogelsangstrasse 15<br />
Postfach<br />
4021 Basel<br />
0049 (0)30 – 838 55 971 / 55 786<br />
rosotto@zedat.fu-berlin.de<br />
01 446 98 88<br />
poseidon@swissonline.ch<br />
041 666 64 80<br />
reif.m@bluewin.ch<br />
01 444 54 44<br />
katyrhiner@bluewin.ch<br />
031 324 21 34<br />
ursula.scharnhorst@bbt.admin.ch<br />
033 828 11 11<br />
susann.schlaeppi@bluewin.ch<br />
01 444 54 44<br />
stollmarlies@bluewin.ch<br />
033 828 11 11<br />
stucki.urs@bzi-interlaken.ch<br />
033 227 33 44<br />
hh.winterberger@gibthun.ch<br />
061 695 65 55<br />
lernberatung.ags@bluemail.ch<br />
oder<br />
wolfis@datacomm.ch<br />
5
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Einleitung<br />
Andreas Grassi<br />
Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II, SIBP<br />
Begründung und Konzeption der Tagung<br />
Eine zunehmende Zahl von Berufslernenden bringt die erforderlichen Lernvoraussetzungen<br />
für den gewählten Beruf nur lückenhaft mit. Mangelndes Textverständnis, Defizite in den<br />
mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenkenntnissen, eine für das Absolvieren<br />
der Berufslehre wenig ausgebildete Lern- und Arbeitstechnik u.a.m. führen dazu, dass<br />
eine wachsende Zahl von Lernenden ein- oder mehrmals während der beruflichen Ausbildung<br />
besonderer Unterstützung bedarf. Die auftretenden Lernprobleme zeigen sich in den verschiedensten<br />
Berufsfeldern in unterschiedlicher Ausprägung, sie haben jedoch immer mehrere Ursachen.<br />
Mit welchen Konzepten begegnen Berufsschulen diesen Problemen? Was unternehmen sie,<br />
um das Lernen von Berufsschülerinnen und Berufsschülern zu unterstützen? Wie weit kann<br />
die Unterstützung durch Lehrpersonen im Regelunterricht geleistet werden? Wann braucht es<br />
zusätzliche Massnahmen? Worin bestehen die zusätzlichen Massnahmen?<br />
Das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) sieht für Personen mit Lernschwierigkeiten eine<br />
fachkundige individuelle Begleitung vor. Wie kann diese Begleitung ausgestaltet werden? Um<br />
einige dieser Fragen zu klären, organisierte die Anlauf- und Fachstelle erweiterte pädagogische<br />
Fördermassnahmen Sek II des SIBP die dreiteilige Fachtagung <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong><br />
– <strong>Coaching</strong>.<br />
<strong>Lernbegleitung</strong><br />
Der erste Teil der Tagung ging der Frage nach, welches Mass an <strong>Lernbegleitung</strong> durch die<br />
Lehrpersonen im Regelunterricht zu leisten ist; wohl wissend, dass sich die Rahmenbedingungen<br />
für die individuelle Begleitung von leistungsschwächeren Lernenden in den letzten<br />
Jahren verschlechtert haben. Das Referat von Prof. Neubert mit dem Titel <strong>Lernbegleitung</strong> -<br />
Was muss ich wissen, was muss ich können, was soll ich tun? gibt Antworten auf diese Fragen.<br />
Berufsschulen suchen den auftretenden Problemen mit Stütz- und Fördermassnahmen zu begegnen.<br />
Je nach Schulort sind diese Massnahmen mehr oder weniger ausgebaut, konzeptionell<br />
unterschiedlich stark durchdacht und werden durch besser oder weniger gut ausgebildete<br />
Lehrpersonen erteilt. Unter Ateliers 1 „Pädagogischen Fördermassnahmen an Berufsschulen –<br />
<strong>Lernbegleitung</strong>“ werden innovative Ansätze und Formen von Stütz- und Förderunterricht<br />
dargestellt.<br />
<strong>Lernberatung</strong><br />
Leistungsdefizite und Lernschwierigkeiten haben immer mehrere Ursachen, d.h. verschiedene<br />
Faktoren tragen dazu bei, dass die Lernenden die angestrebte Leistung nicht erbringen können.<br />
Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist oft komplex, und vor schnellem, rezeptartigem<br />
6
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Vorgehen ist zu warnen. Vielmehr gilt es, mit der lernenden Person zusammen nach den Ursachen der<br />
Schwierigkeiten zu forschen, die geeigneten Massnahmen einzuleiten und diese durch (Lern-) Vereinbarungen<br />
zu sichern.<br />
Diese Tätigkeit übersteigt in einigen Fällen die Möglichkeiten der Lehrpersonen der Stützund<br />
Fördermassnahmen und geschieht besser in einer persönlichen Beratungssituation. Einzelne<br />
Berufsschulen haben deshalb eine Stelle für <strong>Lernberatung</strong> eingerichtet, andere sind im<br />
Begriffe, solche Beratungsangebote zu schaffen. Über welche professionellen Kompetenzen<br />
müssen Lernberaterinnen und Lernberater verfügen, um ihre Tätigkeit erfolgreich zu gestalten?<br />
Das Referat „<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf dem Weg zum selbstgesteuerten<br />
Lernen“ von Frau Dr. Ursula Scharnhorst zeigt auf, wie <strong>Lernberatung</strong> entwickelt werden<br />
kann. Unter Ateliers 2 „<strong>Lernberatung</strong>“ werden Ansätze gezeigt, wie Beratungsangebote<br />
an Berufsschulen unterschiedlicher Grösse bereits entwickelt wurden.<br />
<strong>Coaching</strong><br />
Der Begriff „<strong>Coaching</strong>“ taucht heute in den verschiedensten Bereichen (Unternehmensführung,<br />
Sport, usw.) auf. Das Referat von lic.phil. Rainer Bürki beleuchtet die Herkunft und<br />
Entwicklung der <strong>Coaching</strong>methode und stellt die Frage, inwieweit <strong>Coaching</strong> ein Modell für<br />
die Begleitung von Berufslernenden sein kann. Welche Aufgaben hat ein Coach und welche<br />
Erfahrungen wurden in den Pilotprojekten gemacht? Die Beiträge unter Ateliers 3 „<strong>Coaching</strong>“<br />
zeigen unterschiedliche Ansätze von <strong>Coaching</strong>, wie sie in einigen Kantonen erprobt werden.<br />
Die externen Evaluationsberichte der Projekte werden in Zukunft bestimmt weitere Erkenntnisse<br />
liefern und die an der Tagung vermittelten Erfahrungsberichte ergänzen.<br />
7
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Referat 1<br />
<strong>Lernbegleitung</strong><br />
Was muss ich wissen, was muss ich können, was soll ich tun?<br />
Prof. Dr. Hansjörg Neubert<br />
Freie Universität Berlin<br />
Die erste große Frage: Was muß ich wissen?<br />
Drei Begriffe stehen im Mittelpunkt dieser Tagung, und wir werden uns in den nächsten beiden<br />
Tagen darüber austauschen, was gemeint ist, wenn wir von <strong>Lernbegleitung</strong>, <strong>Lernberatung</strong><br />
und <strong>Coaching</strong> sprechen. Es ist aus theoretischen, praktischen und wohl auch aus<br />
bildungspolitischen Erwägungen wichtig, bei der Verwendung dieser Begriffe möglichst<br />
genau zu sein; denn alle drei Begriffe – und ich hoffe dies wird die Tagung zeigen – weisen<br />
auf spezifische pädagogische Handlungsweisen hin, die erst dann in den Blick geraten, wenn<br />
die genannten drei Begriffe klar, präzise und inhaltsreich verwendet werden. Und dies ist<br />
nicht ganz einfach in einer Zeit, in der solche Begriffe oft als Schlagwörter – im wahrsten<br />
Sinn des Wortes – missbraucht werden.<br />
Eine kleine Geschichte, als fabulierender und entspannender Einstieg, möge Ihnen die Bedeutung<br />
einer prägnanten und eindeutigen Begrifflichkeit vor Augen führen. Die Geschichte, die<br />
um 480 vor Christus datiert, ist dem Buch LUN YÜ, der Sammlung der Gespräche des Konfuzius,<br />
entnommen:<br />
- Dsi Lu sprach: ‚Der Fürst von We wartet auf den Meister, um die Regierung auszuüben.<br />
Was würde der Meister zuerst in Angriff nehmen?’ Der Meister sprach: ‚Sicherlich die Richtigstellung<br />
der Begriffe.’ Dsi Lu sprach: ‚Darum sollte es sich handeln? Da hat der Meister<br />
weit gefehlt! Warum denn deren Richtigstellung?’ Der Meister sprach: ‚Wie roh Du bist! ...<br />
Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so<br />
kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und<br />
Kunst nicht... Darum sorge der Edle, dass er seine Begriffe unter allen Umständen zu Wort<br />
bringen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann ...’ (1) -<br />
Betrachten wir uns auf dieser Tagung im Sinn dieser Geschichte als „Edle“ und „Meister“<br />
und versuchen wir eine Schneise zu schlagen in das Begriffswirrwar von <strong>Lernbegleitung</strong>,<br />
<strong>Lernberatung</strong> und <strong>Coaching</strong>.<br />
Mein Thema ist die <strong>Lernbegleitung</strong>, und ich möchte der begrifflichen Klärung insofern dienen,<br />
als ich nach dem Wissen, Können und Tun frage, welches für die <strong>Lernbegleitung</strong> notwendig<br />
ist. Und da ich nun einmal in der Schweiz diesen Vortrag halte, möchte ich nicht versäumen,<br />
den großen Pestalozzi ab und an zu Wort kommen zu lassen. Lehren war bei ihm<br />
zutiefst <strong>Lernbegleitung</strong>, auch wenn er dieses etwas spröde Kunstwort nie gebraucht hat.<br />
8
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Der Bettellieutenant und „Vater Schulmeister“ Glülphi in Pestalozzis Roman „Lienhard und<br />
Gertrud“ hat sein Lehren und Unterrichten immer als <strong>Lernbegleitung</strong> verstanden, als „umfassende<br />
Besorgung“, wie er es nannte.<br />
Lassen Sie mich zunächst mit einer umgangssprachlichen Klärung beginnen:<br />
Im Begriff der <strong>Lernbegleitung</strong> steckt das Wort „Begleitung“. Wir begleiten jemanden, zumeist<br />
eine uns nahestehende Person, auf einem bestimmten Weg, sei es z.B. zum Arzt, zum<br />
Bahnhof, zu einem Fest oder wir begleiten ein Kind zur Schule. Die Gründe, warum wir dies<br />
tun, sind viele. Aber immer geht es darum, dem anderen durch unsere Begleitung, durch einen<br />
gemeinsamen und gemeinschaftlich zu gehenden Weg vielleicht Geselligkeit, aber in den<br />
meisten Fällen Unterstützung, Stärkung, Anleitung und Hilfe anzubieten. Gemeinsam geht’s<br />
sich eben leichter. Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid nur halbes Leid. Nähe,<br />
Anteilnahme, aber auch Führung – das wären wohl die Einfälle, wenn wir an Begleitung denken.<br />
Was ist nun <strong>Lernbegleitung</strong>? Ich denke, hier geht es auch darum, über eine gewisse Zeit einen<br />
gemeinsamen Weg zu gehen, jemanden auf seinem Lernweg zu begleiten, der aus verschiedenen<br />
Gründen - sei es Behinderung, Retardierung, Verhaltensstörung oder schlicht vorübergehenden<br />
Lernschwierigkeiten - Hilfe, Anleitung, Unterstützung, Stärkung und Wegweisung<br />
braucht. Also auch hier: Nähe, Anteilnahme, Führung – in gewisser Weise lebensweltlichintuitive<br />
Fähigkeiten - aber eben nicht nur. Die <strong>Lernbegleitung</strong> setzt auch ein bestimmtes professionelles<br />
Wissen und Können voraus. Die lernbegleitende Person ist eine des Lernens und<br />
Lehrens Kundige. Sie weiß um die Schwierigkeiten des Lernens, sie kann eingreifen, wenn es<br />
Not tut, sie kennt hilfreiche Methoden um das Lernen zu fördern. Kurz, die lernbegleidende<br />
Person weiß um den Lernweg und die Lernschritte und sie kann daher das Kind oder den Jugendlichen<br />
entsprechend anleiten und führen. Sie ist eben Pädagogin/Pädagoge – im Griechischen<br />
„paidagogós“, d.h. in der Antike ein in der Knabenführung Kundige/r.<br />
Ich möchte an dieser Stelle die umgangssprachlichen Annäherungen an den Begriff „<strong>Lernbegleitung</strong>“<br />
beenden. Nähe, Anteilnahme, Führung sowie professionelles Wissen und Können –<br />
damit ist das Terrain abgesteckt, das ich nun genauer abschreiten werde, um die Fragen klären<br />
zu können: Was muß ich wissen? Was muß ich können? Was soll ich tun?<br />
Wenden wir uns der ersten Frage zu: Was muß ich wissen? Drei Wissensaspekte möchte ich<br />
betonen:<br />
Erster Aspekt des Wissens: Das theoretische Wissen<br />
Damit <strong>Lernbegleitung</strong> gelingt, muß die lernbegleitende Person wissen, wie Lernen sich vollzieht<br />
und welche Schwierigkeiten auftreten können. Gerade diejenigen, die der <strong>Lernbegleitung</strong><br />
bedürfen, haben Defizite über deren Ursachen, Erscheinungsformen, Diagnose- und Interventionsmöglichkeiten<br />
ein schier unüberschaubares theoretisches Wissen vorliegt. Ebenso<br />
unüberschaubar ist das theoretische Wissen, über das, was Lernen ist und wie es abläuft. Welches<br />
theoretische Wissen ist angesichts dieser Unüberschaubarkeit nun gemeint? Die Frage ist<br />
natürlich nicht allgemein zu beantworten. Nur soviel: Die Professionalität der lernbegleitenden<br />
Person zeigt sich meines Erachtens auf dreierlei Weise: Erstens, daß sie angesichts der<br />
Unmöglichkeit alles wissen zu können um Eduard Sprangers Worte aus dem „Geborenen Er-<br />
9
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
zieher“ weiß: „Im mutigen Handeln gelingt vieles, wofür die Theorie noch nicht gefunden ist“<br />
(2). Zweitens, daß sie angesichts der Unüberschaubarkeit des theoretischen Wissens nicht<br />
ganz die Lust auf Theorie verliert und sich trotz der alltäglichen pädagogischen Routine noch<br />
einen Rest an theoretischer Neugier bewahrt; und drittens, daß sie zumindest eine Ahnung hat<br />
– ich betone eine Ahnung - von einigen zum Verständnis des Lernens grundlegenden theoretischen<br />
Positionen. Konkret: jede lernbegleitende Person sollte Ahnung davon haben, daß<br />
1. Lernen ein subjektiver Konstruktionsprozeß ist, der ohne die aktive Beteiligung der<br />
lernenden Person nicht möglich ist.<br />
2. Lernen ein hohes Maß an Selbststeuerung und Selbstkontrolle erfordert.<br />
3. Lernen nur gelingen kann, wenn es an bestehende Wissensstrukturen und vorgängige<br />
individuelle Erfahrungen anknüpft.<br />
4. Lernen um so leichter erfolgt, je verständlicher, anschaulicher und interessanter gelehrt<br />
wird.<br />
5. Lernen an eine angstfreie und aufmunternde Atmosphäre geknüpft ist.<br />
Viel kluges theoretisches Wissen rankt sich um diese fünf Lehrsätze, die man mühelos um<br />
einige erweitern könnte. Wie gesagt, es wäre gut, von diesen Dingen etwas Ahnung zu haben.<br />
Doch mehr als eine Ahnung, meine Damen und Herren, braucht es nicht zu sein. Denn es<br />
stimmt einfach nicht, daß ohne theoretisches Wissen eine kluge, sorgfältige und hilfreiche<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> nicht möglich ist. Dies ist eine „intellektualistische Legende“ (RYLE), die die<br />
jüngste pädagogische Professionalisierungsdiskussion längst hinter sich gelassen hat (3). Der<br />
Psychologe Dörner spricht im Blick auf die geringe Handlungsrelevanz der Theorie drastisch<br />
vom theoretischen Wissen als „Eunuchenwissen“, d.h., die Theoretiker wissen, wie es geht,<br />
können es aber nicht (4).<br />
Der Theorie-Praxis-Bruch, meine Damen und Herren, ist Ihnen wohl bekannt. Alle Erfahrungen<br />
weisen daraufhin, daß das theoretische Wissen aufgrund seiner Abstraktheit und wissenschaftssystematischen<br />
Logik bei der Bewältigung pädagogischer Situationen eine eher marginale<br />
Rolle spielt und nur sehr vermittelt in praktisch-pädagogisches Handeln einfließt. Die<br />
Komplexität, Dynamik, Situationsabhängigkeit und das diffus Atmosphärische jeder <strong>Lernbegleitung</strong><br />
ist theoretisch einfach nicht einzufangen und in allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten<br />
zu formulieren. Ja, diese Gesetzmäßigkeiten trüben häufig den Blick für den konkreten<br />
Fall.<br />
Hören wir hier zum ersten Mal Pestalozzi: „Wir ... träumen uns Bilder von der Menschheit, und geben indessen<br />
auf den Buben nicht Achtung, den du Hans heisst, und der Bub wird nichts nutz, weil wir, umnebelt von den<br />
Träumen der Menschheit, den Hans vergessen, in welchem der Mensch, den wir erziehen wollten, aufgewachsen“<br />
(5).<br />
Der konkrete Fall ist also nicht das Thema der Wissenschaft. In der <strong>Lernbegleitung</strong>, wie im<br />
pädagogischen Handeln ganz allgemein, wird daher zumeist auf ein eingelebtes pädagogisches<br />
Alltagswissen zurückgegriffen - und dies umso mehr, je persönlicher, komplexer und<br />
labiler die pädagogische Situation ist, und je stärker der Reaktions- und Handlungsdruck ist.<br />
Wenden wir uns daher dem pädagogischen Alltagswissen als einem zweiten Wissensaspekt<br />
zu.<br />
10
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Zweiter Aspekt des Wissens: Das pädagogische Alltagswissen<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> ist ein sehr persönliches zwischenmenschliches Geschehen und überaus situationsabhängig.<br />
In dem Maße, wie die Beteiligten die Situation unterschiedlich erleben, aktualisieren<br />
sich Probleme und Bedürfnisse, treten Spannungen und Konflikte auf, eröffnen sich<br />
Handlungsmöglichkeiten, werden Kräfte mobilisiert. Auf diese persönliche und situative Dynamik<br />
muß situationsgemäß reagiert werden, und zwar in pragmatisch-kluger wie in praktisch-ethischer<br />
Hinsicht. Das für ein derart situationsbewältigendes Handeln notwendige Wissen<br />
ist nicht das theoretische Wissen, sondern ein pädagogisches Alltagswissen, das in eigenen<br />
Erziehungserfahrungen, intuitiven Einsichten, pädagogischen Weltbildern, Haltungen,<br />
theoretischen Relikten und einfachem Rezeptwissen wurzelt. Dieses pädagogische Umgangswissen<br />
ist, wenn man will, gelebtes Wissen, das die ursprüngliche Vielgestaltigkeit und<br />
Breite der pädagogischen Situation widerspiegelt und unmittelbar Orientierungshilfe leistet.<br />
Was die <strong>Lernbegleitung</strong> betrifft, so verfügen wir alle immer schon über ein solches pädagogisches<br />
Alltagswissen, das theoretisch noch nicht verfremdet, gleichsam auf Urformen pädagogischen<br />
Handelns hinweist: Ich denke hier u.a. an: Zeigen, Vormachen, Fragen stellen, Wiederholen,<br />
Ratgeben, Veranschaulichen, Anregen, Verfremden, Appellieren, Anmahnen, Zumuten,<br />
Loben, Tadeln, Trösten, Strafen, Üben usw. <strong>Lernbegleitung</strong> ist ohne diese einfachen<br />
Formen didaktischer und pädagogischer Unterweisung und Hilfestellung nicht denkbar. Es<br />
scheint mir dringend notwendig, diese im alltäglichen Leben und in jeder <strong>Lernbegleitung</strong> immer<br />
schon geübten einfachen Formen des pädagogische Umgangs kunstvoll zu verfeinern und<br />
immer wieder neu zu erproben. Denn hier, meine Damen und Herren, verfügen wir alle über<br />
eine unausschöpfliche Klaviatur pädagogischen Wissens, das höchst nuancenreich, subtil,<br />
authentisch und vor allem jederzeit verfügbar ist.<br />
Dritter Aspekt des Wissens: Das Wissen über sich selbst<br />
Kaum ein pädagogisches Handeln ist so an die Person gebunden und von dieser beeinflusst<br />
wie die <strong>Lernbegleitung</strong>. Die Lernleistung, der pädagogische Umgang, die pädagogische Atmosphäre,<br />
die Stimmung, der Ton, der Mut, etwas anzupacken, die Neugierde auf das zu Lernende<br />
– diese subtilen Details pädagogischer Kunst sind nicht nur das Ergebnis fachlicher<br />
Kompetenz und didaktischer Geschicklichkeit, sondern hängen entscheidend von der Lehrperson<br />
ab, von der Ausstrahlung, dem Engagement, der Fähigkeit begeistern zu können. Gerade<br />
in der <strong>Lernbegleitung</strong> ist die Lehrperson keine „Nur-Lehrperson“, sondern Begleiterin,<br />
Gefährtin, Helferin. <strong>Lernbegleitung</strong> ist Miteinanderhandeln, das gemeinsame Bewältigen von<br />
schwierigen Situationen, ist Beraten und Helfen, Ermutigen und Unterstützen. Neben theoretischem<br />
Wissen und pädagogischem Alltagswissen bedarf es hier vor allem der Begeisterungsfähigkeit,<br />
der Klugheit, der Beharrlichkeit, des Mutes, des Augenmaßes und der Neugier<br />
am Menschen.<br />
Diese höchstpersönlichen Formen des pädagogischen Umgangs, die in der <strong>Lernbegleitung</strong> so<br />
wichtig sind, wurzeln in einem lebensgeschichtlichen Wissen, dem die Erfahrung der eigenen<br />
Identität zugrunde liegt. Es ist ein selbstreflexives Wissen, das im Verstehen und Deuten der<br />
eigenen Lebensgeschichte Konturen gewinnt und im Nachdenken über sich selbst deutlich<br />
wird, in rein persönlicher, aber auch professioneller Hinsicht. Das Wissen über sich selbst ist<br />
Voraussetzung für eine gelingende <strong>Lernbegleitung</strong>: Die eigenen Möglichkeiten und Grenzen<br />
des pädagogischen Umgangs werden deutlicher, das Profil wird klarer, die Selbsteinschätzung<br />
realistischer. Ohne dieses Wissen über sich selbst, oder sagen wir es auch hier bescheidener,<br />
11
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
ohne eine Ahnung über sich selbst kann es keine authentische und zugewandte <strong>Lernbegleitung</strong><br />
geben.<br />
Hören wir hier Pestalozzi: Glülphi stellt sich häufig die ängstliche, ja selbstzweiflerische Frage „... wer darf zum<br />
Dorfschulmeister werden, wenn er fürchten muß, daß jeder seiner Fehler seinen Schulkindern zum Unsegen ...<br />
sogar zum Fluch werden kann ... Er ging mit hohem Ernst in sich selbst“ (6).<br />
Die zweite große Frage: Was muß ich können?<br />
Können ist etwas anderes als Wissen. Während das Wissen noch eine relative Distanz zum<br />
konkreten Handeln hat und bezogen auf den Handlungsvollzug einen gleichsam freischwebenden<br />
Bewusstseinszustand darstellt, ist das Können unmittelbar auf das praktische<br />
Handeln, auf den konkreten Vollzug ausgerichtet. Im Unterschied zum Wissen ist das Können<br />
eine direkte Vorstufe praktischen Tuns, mit diesem eng vertraut und potentiell verwoben.<br />
Können ist immer leibhaftiges Umgehen können mit Menschen, Dingen und Situationen.<br />
Belassen wir es bei diesen etwas theoretischen Hinweisen.<br />
Was also muß die lernbegleitende Person können? Ich möchte hier wiederum drei Aspekte<br />
unterscheiden, die mir gerade für die Qualität des pädagogischen Umgangs im Rahmen der<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> von Bedeutung sind.<br />
Erster Aspekt des Könnens: Die genaue Wahrnehmung<br />
Vor allem pädagogischen Verstehen, vor allem pädagogischen Tun liegt die Kunst der Wahrnehmung,<br />
das richtige Beobachten, das sich Vertrautmachen mit der Situation. Die <strong>Lernbegleitung</strong><br />
läuft fehl, wenn der pädagogische Blick ungeübt ist. Die Wahrnehmung von Fakten,<br />
Sachverhalten, Tatsachen ist zu wenig. Die Nuancen, Schattierungen, das Angedeutete, die<br />
Stimmung müssen erkannt werden. Die eher generalisierende pädagogische Wissenschaft gibt<br />
hier wenig Hilfe. Ihre Theorielastigkeit und ihre abstrakte Begrifflichkeit verstellen den Blick<br />
für Nuancen, Atmosphärisches und Stimmungen. Das Unausgesprochene, nur diffus Gespürte,<br />
das subtile Detail – und dies ist es doch, was den pädagogischen Umgang in der <strong>Lernbegleitung</strong><br />
ausmacht – sind nicht das Thema der Wissenschaft.<br />
Wenn die <strong>Lernbegleitung</strong> gelingen soll, dann bedarf es der Achtsamkeit und der Kultivierung<br />
pädagogischer Wahrnehmung . Der franzöische Philosoph Lévinas drückt es pointiert aus:<br />
“Anders wahrnehmen ist anderes wahrnehmen.“ Die schwierige Kunst eines gleichsam physiognomischen<br />
Blicks ist die Voraussetzung für einen teilnehmenden, nicht-distanzierenden<br />
pädagogischen Umgang, in der die für die <strong>Lernbegleitung</strong> so wichtigen ästhetisch-sinnlichen<br />
Erkenntnisweisen wie Imagination, Phantasie und Einbildungskraft Raum haben.<br />
Hier und da tauchen vor allem in der phänomenologischen Pädagogik solche Überlegungen<br />
auf; aber sie haben es schwer, sich in einer Zeit der Lernschnellwege und Effektivitätshybris<br />
durchzusetzen. Denn der die genaue Wahrnehmung bedarf der Achtsamkeit, des Innehaltens,<br />
der Zeit und der geduldigen Betrachtung, um „ ... in langwierigen Bemühungen die Kräfte der<br />
Aufmerksamkeit, des probierenden Nachdenkens, Vergleichens, Vermutens, Überprüfens,<br />
Besprechens zu kultivieren“ (7). Ich zitiere Horst Rumpf, dem die Kunst der achtsamen<br />
Wahrnehmung in der Pädagogik ein besonderes Anliegen ist.<br />
12
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Pestalozzi wusste darum. Er spricht von Glülphis „Falkenauge“. „Und der Lieutenant ließ seine Falkenaugen<br />
wie ein Bliz herumgehen von Kind auf Kind, von Hand auf Hand, von Arbeit auf Arbeit von Aug auf Aug. ...<br />
Der Lieutenant sah dem schlausten Buben unter den Bauern in die Seele“ (8).<br />
Zweiter Aspekt des Könnens: Die Lebendigkeit<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> kann nur gelingen, wenn sie durchdrungen ist vom Pathos der inneren Lebendigkeit.<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> ist Begeistern, Beleben, Animieren, Anstoßen, Interessieren, Ausstrahlen,<br />
Faszinieren. Dies klingt überzogen, ein wenig weltfremd und idealisierend, betrachtet<br />
man all’ die Routineprogramme und z.T. auch eintönigen Lehrverrichtungen, die im Rahmen<br />
jeder <strong>Lernbegleitung</strong> auftreten. Gleichwohl gehe ich nicht davon ab! Je länger ich das<br />
pädagogische Handeln studiere und nach den entscheidenden Wirkfaktoren suche, um so<br />
wichtiger erscheint mir genau dieses Pathos der Lebendigkeit. Zuwendungsfähigkeit und Authentizität<br />
sind hier gleichermaßen wichtig wie das Engagement am Menschen und an der<br />
Sache. Es bedarf hier der Nüchternheit und Klugheit genauso wie der Begeisterungsfähigkeit<br />
und persönlichen Ausstrahlungskraft. Und es bedarf der Faszination durch Sprache.<br />
Stoßen wir hier nicht an zutiefst charismatische Dimensionen der Persönlichkeit der Lehrperson?<br />
Ich denke, ja: Aber gerade solche, jede <strong>Lernbegleitung</strong> prägenden charismatischen Dimensionen<br />
bedürfen in einer Zeit naiven Professionalisierungsdenkens in besonderer Weise<br />
wieder der Aufmerksamkeit. Wenn sie auch nicht so einfach verfügbar und erlernbar sind, so<br />
stellen sie doch wichtige atmosphärische Bedingungen gelingender <strong>Lernbegleitung</strong> dar. Nicht<br />
umsonst hat Eduard Spranger in seinem auch für die <strong>Lernbegleitung</strong> heute noch lesenswerten<br />
Buch „Der geborene Erzieher“ die Bedeutung des „lebendigen Umgangs“ für die Erziehung<br />
über den sogenannten „erziehenden Unterricht“ gestellt.<br />
Dritter Aspekt des Könnens: Die Präsenz<br />
Unter Präsenz verstehe ich einen Stil der Anwesenheit, der durch einen hohen Grad an Nähe,<br />
zwischenmenschlichen Kontakt und situativer Gegenwärtigkeit geprägt ist. Präsent ist jemand,<br />
der für den anderen spürbar, gleichsam anfaßbar und angreifbar ist. Ich will es überspitzt<br />
formulieren: Im pädagogischen Umgang kommt es nicht so sehr darauf an, was jemand<br />
tut, sondern daß er präsent, spürbar, gleichsam mit Leib und Seele da ist.<br />
Dieses existentielle Anwesendsein, ja in gewisser Weise Befangensein in der Situation ist<br />
gerade in der <strong>Lernbegleitung</strong> ein wichtiger Aspekt pädagogischen Könnens. Die hohe emotionale<br />
Dichte, die Ängste der Lernenden, die für die Lernenden typischen Orientierungsbedürfnisse,<br />
das Bedürfnis nach Sich-Ausprobieren und Sich-an-jemandem Reiben – dies alles<br />
verlangt von der lernbegleitenden Person Präsenz und die Fähigkeit, Nähe ausstrahlen, aber<br />
auch aushalten zu können. Dieses in der Situation und beim Lernenden zutiefst Anwesendsein<br />
ist die Voraussetzung für die in der <strong>Lernbegleitung</strong> notwendige Sensibilität, Achtsamkeit<br />
und Geduld. Sie ermöglicht es, das Atmosphärische, das Nichtausgesprochene, die Stimmung<br />
und Gestimmtheit der Situation zu erfassen und in der <strong>Lernbegleitung</strong> aufzunehmen.<br />
Die Fähigkeit zur Präsenz als Intuition zu bezeichnen ist nicht nur schlagwortartig verkürzend,<br />
sondern auch zu psychologisch. Das in der Präsenz zum Ausdruck kommende Pathos<br />
der Nähe ist vielmehr eine zutiefst auch moralisch gemeinte Haltung der Achtsamkeit und der<br />
pädagogischen Zuwendungsfähigkeit, die auch die Brüchigkeit der Situation und der darin<br />
befindlichen Menschen, ihre Labilität, Bedürftigkeit und Verstricktheit, kurz deren Pathologie,<br />
erfahren und nacherleben lässt. Die Präsenz gewinnt hier die Qualität des teilhabenden<br />
13
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Verstehens, des Mitfühlens und Mitleidens - wie ich denke, Urformen pädagogischen Könnens.<br />
Hören wir wieder Pestalozzi: „(Der Lieutenant) war ... mit Leib und Seel der Schulmeister, der nur den Augenblick vor sich sah, in dem er<br />
jetzt als Vater und Lehrer in der Mitte seiner Kinder dastand. Er lebte ganz in diesem Augenblick“ (9).<br />
Die dritte große Frage: Was soll ich tun?<br />
Vieles ist bisher indirekt schon zur Beantwortung dieser Frage gesagt worden. Sowohl die<br />
Aspekte des Wissens wie auch die Aspekte des Könnens fließen potentiell in das pädagogische<br />
Tun ein und geben der <strong>Lernbegleitung</strong> ihre Konturen. Wie diese Konturen aussehen,<br />
möchte ich im Rückgriff auf ein Zitat von Werner Loch so zusammenfassen. In der <strong>Lernbegleitung</strong><br />
geht es darum, daß Erwachsene und Jugendliche „... in „gemeinsamen Situationen“<br />
Zeit für einander haben, einander leibhaftig erleben, wahrnehmen, miteinander umgehen, sich<br />
ein Bild voneinander machen, sich gegenseitig „spielerisch identifizieren“ und somit lehrend<br />
und lernend interagieren können“ (10). <strong>Lernbegleitung</strong> also als Gespräch, Begegnung, Dialog.<br />
Vor diesem Hintergrund stellen wir jetzt noch einmal die Frage: Was soll ich tun?<br />
Erster Aspekt des Tuns: Führen und Anleiten<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> ist immer auch Lernführung. Dies kann nicht deutlich genug gesagt werden.<br />
In der <strong>Lernbegleitung</strong> geht es immer um Leiten und Anleiten, Einflussnehmen, Lernziele festlegen<br />
und auf deren Erfüllung achten, Lernschritte vorgeben, Anforderungen stellen, Leistungen<br />
einfordern, Zumuten und Anmahnen – und vielfach hundertmal dasselbe sagen. Dies geht<br />
nicht ohne Autorität, Entschiedenheit und Strenge; sonst schlägt die <strong>Lernbegleitung</strong> in pädagogische<br />
Wurstelei um. „Lehrerzentriert und Schülerorientiert“. Mit dieser Formel ist das<br />
Geheimnis erfolgreichen Unterrichts umschrieben - sie dürfte auch das Geheimnis gelingender<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> sein – viele empirische Untersuchungen bestätigen dies (11).<br />
Lassen Sie mich skizzenhaft einige Dimensionen pädagogischen Führens aufzählen, die mir<br />
in der <strong>Lernbegleitung</strong> wichtig erscheinen.<br />
- Führen heißt die Lernsituation vorbereiten<br />
Lernschwierigkeiten sind immer auch Abstraktionsschwierigkeiten. Die <strong>Lernbegleitung</strong><br />
hat dem Rechnung zu tragen und in besonderer Weise bei der konkreten lebensweltlichen<br />
Erfahrung anzusetzen. Das sinnlich Gegebene, das Wahrnehmbare und Greifbare, die Situation<br />
mit ihren Anmutungen und Aufforderungen, die Dinge und Gegenstände, ihre Farben<br />
und Formen, die Atmosphären und Stimmungen, der Rhythmus des Tages und des Lernens<br />
– kurz, die konkrete Lernsituation bedarf hoher Aufmerksamkeit und muß – ähnlich Montessoris<br />
„vorbereiteter Umgebung“ – zum Pädagogikum werden.<br />
- Führen heißt auf Regeln und Ordnungen achten<br />
Lernen geht nicht ab ohne Regeln, Regelmäßigkeiten, Pläne und Ordnungen. Lernschwierigkeiten<br />
sind in den meisten Fällen auch Schwierigkeiten im Umgang mit solchen regulie-<br />
14
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
renden Strukturen. Die <strong>Lernbegleitung</strong> wird den Regeln und Ordnungen des Lernens besondere<br />
Beachtung schenken – auch im Blick auf eine Erziehung zur Verlässlichkeit und<br />
zur Akzeptanz sozialer Spielregeln.<br />
- Führen heißt diagnostizieren<br />
„Ein Lehrer, der allein auf Didaktik setzt, ohne über diagnostische Fähigkeiten zu verfügen,<br />
und der den Kenntnisstand und Lernfähigkeitsstand seiner Schüler nicht zutreffend<br />
beurteilen kann, wird wenig Erfolg haben“. Mit dieser Aussage fasst die FAZ vom<br />
9.6.1997 die Ergebnisse der Scholastik-Studie zusammen, in der u.a. bei den meisten<br />
Lehrpersonen sehr gering ausgeprägte Fähigkeiten zur Lerndiagnose festgestellt wurden.<br />
Gerade für die <strong>Lernbegleitung</strong> ist die zuverlässige und regelmäßige Lerndiagnose unabdingbar.<br />
Sie garantiert nicht nur die Einführung adäquater Lernhilfen, sondern lenkt den<br />
Blick auf die für jedes Lernen bedeutsamen metakognitiven und metakommunikativen Fähigkeiten,<br />
wie sie z.B. im Genfer DELV-Projekt eingeübt werden (DELV: Das Eigene<br />
Lernen Verstehen; siehe auch SIBP Schriftenreihe Nr. 16: „Die Evaluation des DELV-<br />
Programmes bei Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Ausbildung“).<br />
- Führen heißt Ermutigen<br />
Ich denke, es gibt hierzu nicht viel zu sagen. Sollte ich ein Leitmotiv für die <strong>Lernbegleitung</strong><br />
nennen, dann wäre es der Satz Hartmut von Hentigs „Die Menschen stärken, die Sachen<br />
klären“ (12). Mut machen, Trösten, Hoffnung wecken und das oft so angeschlagene<br />
Selbstbewusstsein stärken – ohne dies ist pädagogische Führung und <strong>Lernbegleitung</strong> überhaupt<br />
nicht denkbar.<br />
An dieser Stelle sei wieder Pestalozzi erwähnt, der auf eine beim Lernen vielfach vernachlässigte<br />
Form der Ermutigung und Aufmunterung hinweist: „Das Gefühl: ich kann etwas,<br />
ist für jede(n) ... eine größere Belohnung und eine größere Freude, als alle die Zierarthen<br />
sein können, die ihm die Kunst und die Gunst der Menschen zur Aufmunterung, etwas zu<br />
lernen, zu ertheilen vermag. Diese Kunst ist in den Schulen unermesslich vernachlässigt<br />
...“ (13).<br />
Zweiter Aspekt des Tuns: Zeigen und Vormachen<br />
Jedes Lehrgespräch, jede Unterweisung vollzieht sich im Gespräch. Die Thematisierung der<br />
Inhalte, die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten, der Austausch über Schwierigkeiten,<br />
Fehler und Erfolge, dies alles sind Formen des Lernens im Gespräch, wobei das Wechselspiel<br />
von Frage und Antwort von zentraler Bedeutung ist. Dies gilt auch für die <strong>Lernbegleitung</strong> und<br />
die hier Tätigen sollten Meister in der Kunst sein, ein Lehrgespräch führen zu können.<br />
Neben dem Gespräch möchte ich aber gerade für die <strong>Lernbegleitung</strong> eine Form des didaktischen<br />
Tuns hervorheben, die man meines Erachtens zu schnell als pädagogische Schlichtheit<br />
abtut und dadurch in seiner Bedeutsamkeit für gelingendes Lehren und Lernen unterschätzt:<br />
Das Zeigen und Vormachen: „Komm’, ich zeig’ Dir, wie man das macht!“ Komprimiert sich<br />
nicht in diesem Satz, geduldig und verständnisvoll ausgesprochen, das ganze Anliegen jeder<br />
<strong>Lernbegleitung</strong>: nämlich eine lernende Person, im Wissen um das eigene Können, an die<br />
Hand nehmen und ihr etwas zeigen und vormachen, in aller Anschaulichkeit, Detailliertheit<br />
und Konkretheit und vor allem in aller Sinnlichkeit, dabei ihre Wahrnehmung für die schwie-<br />
15
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
rigen Stellen schärfen, sie zum Nachmachen auffordern - dies alles im Miteinandertun und<br />
Aneinanderlernen?<br />
Pestalozzi stellt keine derart akademische Frage. Er sagt es in schweizerischer Klarheit und Unmissverständlichkeit:<br />
„Man muß nicht mit dem Maul, man muß es auch mit den Händen zeigen“ (14).<br />
Es lohnt sich, über die Kunst des Zeigens und Vormachens nachzudenken, sie in das didaktische<br />
Tun einfließen zu lassen und immer wieder neu auszuprobieren. Und wenn dann beim<br />
Zeigen und Vormachen noch Geschichten erzählt werden, vor allem von der Art, wie man<br />
selbst einmal Mühe hatte, das Gezeigte irgendwann einmal mühevoll zu lernen, dann verliert<br />
das pädagogische Handeln seine notorische Ernsthaftigkeit (15).<br />
Dritter Aspekt des Tuns: Neugierde, Spannung und Interesse wecken<br />
Ich wage kaum, eine solche pädagogische Binsenweisheit überhaupt zu erwähnen – gibt es<br />
doch scheinbar andere Aspekte des Tuns, die für die <strong>Lernbegleitung</strong> wichtig sind. Aber nach<br />
wie vor gilt das eindeutige und klare Wort von Herbart „Langeweile ist die größte Sünde des<br />
Unterrichts“ (16).<br />
Dies gilt in besonderer Weise für die <strong>Lernbegleitung</strong>. Denn hier ist das Lernen besonders mühevoll<br />
und anstrengend. Konzentrationsschwierigkeiten, die Unfähigkeit, sich über längere<br />
Zeit mit einem Thema zu befassen, die Schwierigkeiten des Verstehens und immer wieder an<br />
die eigenen Grenzen stoßen und sich in Frage stellen. Lernen im Rahmen der <strong>Lernbegleitung</strong><br />
kann unsäglich mühevoll sein, manchmal tief traurig. Mit Augenzwinkern, humorvollen Auflockerungen<br />
und ein bisschen Spaß kann man zwar die Situation entspannen - auch das gehört<br />
zum pädagogischen Tun in der <strong>Lernbegleitung</strong>. Aber um Neugierde, Spannung und Interesse<br />
zu wecken, bedarf es m.E. einer grundlegenden Neuorientierung der Didaktik in Richtung<br />
einer didaktischen Dramaturgie. Die Dramaturgie ist die Kunst, durch geeignete Ausdrucksformen,<br />
Darstellungsweisen und Gestaltungsmittel, zumeist sehr subtiler Art, eine sinnlich<br />
anregende und ästhetisch stimulierende Atmosphäre zu schaffen. Das Dramaturgische geht<br />
weiter über die Bühnendramaturgie hinaus und ist für alle Formen sozialen Handelns relevant,<br />
die darauf abzielen, Menschen anzuregen, zu begeistern, für etwas zu interessieren und – eher<br />
spielerisch - zu motivieren. Sind dies aber nicht auch Ziele der <strong>Lernbegleitung</strong>? Wäre es nicht<br />
ein lohnenswerter Gedanke, das Eintönige, Mühevolle und zuweilen auch Langweilige jeder<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> durch eine didaktische Dramaturgie und durch performative Raffinesse aufzulockern?<br />
Und könnte nicht dadurch das der Pädagogik immer schon anhaftende Oberlehrerhafte<br />
durch etwas Spielerisch-Ästhetisches, vielleicht sogar Heiter-Komödiantisches aufgelockert<br />
werden? Der alte pädagogische Topos von der Lehrperson als Magier und Magister<br />
scheint hier auf.<br />
Lassen Sie mich schließen. Ich habe mit einer Geschichte begonnen. Ich möchte - auch aus<br />
Gründen der Dramaturgie – mit einer Geschichte enden, die in poetischer Weise erzählt, was<br />
<strong>Lernbegleitung</strong> sein kann.<br />
16
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Es ist eine chassidische Geschichte:<br />
Rabbi Ahron kam einst in die Stadt, in der der kleine Mordechai, der<br />
nachmalige Rabbi von Lechowitz, aufwuchs. Dessen Vater brachte<br />
ihm den Knaben und klagte, dass der im Lernen keine Ausdauer habe.<br />
„Lass ihn mir eine Weile hier“, sagte Rabbi Ahron.<br />
Als er mit dem kleinen Mordechai allein war, legte er sich hin und<br />
bettete das Kind an sein Herz. Schweigend hielt er es am Herzen,<br />
bis der Vater kam. „Ich habe ihm ins Gewissen geredet“, sagte er,<br />
„Hinfort wird es ihm an Ausdauer nicht fehlen“.<br />
(Erzählung der Chassidim)<br />
Was also ist <strong>Lernbegleitung</strong>? Poetisch, im Sinne dieser Geschichte gesprochen, ist sie der<br />
mühevolle Versuch, den Lernenden „an sein Herz zu legen“ und ihm zugleich „ins Gewissen<br />
zu reden“. Dies aber ist wahrlich eine große Kunst, die reflektiertes Wissen, gediegenes Können<br />
und engagiertes Tun erfordert.<br />
17
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Literatur<br />
(1) Kung-Futse, Gespräche, verdeutscht und erläutert von R. Wilhelm, Jena 1945<br />
(2) E. Spranger, Der geborene Erzieher, in: ders., Geist der Erziehung, hrsg. von G. Bräuer<br />
und A. Flitner, Heidelberg 1969, S. 287<br />
(3) G. Ryle, Der Begriff des Geistes, Stuttgart 1969<br />
(4) D. Dörner, Die Logik des Mißlingenens. Strategisches Denken in komplexen Situationen,<br />
Reinbek 1989, S. 304<br />
(5) J.H. Pestalozzi, Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, begründet von A. Buchenau u.a.,<br />
Berlin, Zürich, 1927, Bd. 8, S. 287<br />
(6) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 3o7<br />
(7) H. Rumpf, Kostbares Befremden. Über die anfängliche Nachdenklichkeit bei Wagenchein,<br />
in: W. Köhnlein (Hg.), Der Vorrang des Verstehens. Beiträge zur Pädagogik<br />
Martin Wagenscheins, Bad Heilbrunn, S. 22 – 36<br />
(8) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 220 und Bd. 3, S. 337<br />
(9) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 4, S. 515<br />
(10) W. Loch, Die Erneuerung der Pädagogik aus dem Gespräch des Erwachsenen mit dem<br />
Kind, in: Bildung und Erziehung 1989, S. 424<br />
(11) siehe hier vor allem die Ergebnisse der am Max-Planck-Institut für psychologische Forschung<br />
in München durchgeführte SCHOLASTIK-Studie<br />
(12) H.v.Hentig, Die Menschen stärken, die Sachen klären. Ein Plädoyer für die Wiederbelebung<br />
der Aufklärung, Stuttgart 1985<br />
(13) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 7, S. 534<br />
(14) J.H. Pestalozzi, a.a.O., Bd. 3, S. 147<br />
(15) H. Neubert, Die Suche nach Geschichten als Prinzip pädagogischer Reflexion, in:<br />
Grundschule 1986, S. 44 ff.<br />
(16) J.F. Herbart, Pädagogische Schriften, 3. Bd., hrsg. von W. Asmus, Düsseldorf 1965,<br />
S. 61<br />
18
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Ateliers 1<br />
Pädagogische Fördermassnahmen an Berufsschulen -<br />
<strong>Lernbegleitung</strong><br />
1. Das Angebot an Stütz- und Fördermassnahmen<br />
an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern<br />
(Abteilung für Anlehren, Vorlehren, Stützkurse und Freifächer [gibb avk])<br />
Anne Böhlen und Ursula Haerri<br />
GIB Bern<br />
Daniel, Zimmermann, 3. Lehrjahr.<br />
Sehr guter Schüler mit einer Teilleistungsschwäche in Legasthenie, die er in den Griff bekommen<br />
möchte.<br />
Edith, Floristin, 1. Lehrjahr, deutschsprachig.<br />
Hat durch eine lange Krankheit viel Schulstoff verpasst und weist vor allem im Rechnen grössere<br />
Lücken auf.<br />
Giovanni, Vorlehre, seit einem Jahr in der Schweiz.<br />
Sprachbegabt, möchte zusätzlich zum Unterricht noch Englisch oder Französisch belegen.<br />
Helena, Coiffeuse, 1. Lehrjahr, deutschsprachig.<br />
Fleissig, aber unsicher in der Berufsschule, verfügt über gute sprachliche Grundkenntnisse<br />
aber keine persönlichen Lernstrategien.<br />
Igbale, KV, 2. Lehrjahr, seit zehn Jahren in der Schweiz.<br />
Sprachbegabt, aber mangelhafte Noten in Mathematik, vor allem in Algebra.<br />
Jusuf, Schreiner, 1. Lehrjahr, seit drei Jahren in der Schweiz.<br />
Guter Schüler mit Sprachverständnisproblemen.<br />
Marc, Hochbauzeichner, 2. Lehrjahr, bis zu seinem zehnten Lebensjahr in der Westschweiz<br />
wohnhaft.<br />
Spricht sehr gut Dialekt, hat Mühe mit der Schriftsprache.<br />
Stéphanie, Elektronikerin, letztes Lehrjahr, deutschsprachig.<br />
Sehr gute Noten in allen Fächern, möchte sich auf die Aufnahmeprüfung in die BMS vorbereiten.<br />
Diesen Lehrlingen kann in ihren Wünschen und Bedürfnissen geholfen werden, wenn sie<br />
das umfassende Stütz- und Förderangebot der gibb in Anspruch nehmen.<br />
19
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Ueber 300 Jugendliche haben sich im August 2002 für das laufende Schuljahr für einen der<br />
ausgeschriebenen Stützkurse angemeldet, mehr als 800 Schülerinnen und Schüler für Freikurse.<br />
Von Montag bis Donnerstag und am Samstagmorgen werden momentan insgesamt 36<br />
Stützkurse angeboten, 10 à 4 Lektionen und 26 à 2 Lektionen. An den Abenden und am<br />
Samstagmorgen stehen insgesamt 58 Freikurse auf dem Programm. Sowohl Stütz- wie Freikurse<br />
werden seit vielen Jahren angeboten und stossen zunehmend auf grosses Interesse, nicht<br />
nur an der Schule selber.<br />
Stützkurse als Lernhilfe<br />
Stützkurse sind ein Förderangebot für Lernende mit Lerndefiziten und Lernschwierigkeiten.<br />
Mit Lerndefiziten sind im Bereich Deutsch mangelhafte Fertigkeiten wie Lesen, Verstehen,<br />
Schreiben, Lernen und Problemlösen gemeint. Auch in der Mathematik werden den Lernenden<br />
Stützkurse angeboten.<br />
Ziel eines Stützkurses ist es, die Lern- und Problemlösefähigkeit der Jugendlichen zu verbessern.<br />
Sie arbeiten am Inhalt und werden dabei angeleitet, ihre Lern- und Problemlösungsprozesse<br />
in die eigene Hand zu nehmen und diese Prozesse auf Grund ihrer Lernbedürfnisse,<br />
ihrer Ziele und ihrer momentanen Möglichkeiten zu optimieren. Die Jugendlichen steigern so<br />
ihre Chance, die Lehrabschlussprüfung zu bestehen und legen die Grundlage für ihre Weiterbildung.<br />
Die Mehrheit der Stützkursteilnehmenden hat das Ziel, ihre Anlehre oder Lehre erfolgreich<br />
abzuschliessen. Einige wenige stehen noch vor der Berufswahl und bemühen sich z.B. um<br />
mehr Sprachkompetenz, damit sie in naher Zukunft eine Lehrstelle finden und die Ausbildung<br />
schaffen werden. Die Teilnehmenden wählen in der Ausschreibung ihren Stützkurs je nach<br />
Lerndefiziten und Bedürfnissen. Sie werden auf Grund einer genauen Sprachstandsabklärung<br />
nach Möglichkeit in die Lerngruppe eingeteilt, die ihrer momentanen Sprachkompetenz entspricht.<br />
In den Grundkursen für Deutsch und Mathematik treffen wir oft Jugendliche, denen grundlegende<br />
Kenntnisse fehlen, um dem komplexen Unterricht an der Berufsschule folgen zu können.<br />
Ihnen werden vorerst die wichtigsten Grundlagen vermittelt, damit sie möglichst schnell<br />
den Anschluss in den Regelklassen finden. Die kleine Anzahl der Teilnehmenden (ca. 10)<br />
erlaubt es, dass rasch, effizient, zielgerichtet und individualisierend gearbeitet werden kann.<br />
Auch fortgeschrittene Schüler finden Unterstützung im Stütz- und Förderprogramm der gibb.<br />
So brauchen gute Rechner Hilfe in einem bestimmten mathematischen Bereich; fortgeschrittene,<br />
gut integrierte, im Dialekt akzentfrei sprechende Fremdsprachige tun sich schwer mit<br />
der Schriftsprache; Auszubildende aus Berufsgruppen mit höherem Anspruchsniveau (z.B.<br />
administrative, kaufmännische Berufe) stehen auf Kriegsfuss mit den schwierigsten grammatikalischen<br />
Strukturen. Sie alle finden die Form von Unterstützung und Förderung, die sie in<br />
ihrem Bemühen um eine gute Berufsausbildung weiterbringt.<br />
Die Stützkurse sind zusätzlich ein wichtiges Gefäss, das Hilfe in den verschiedensten Lebensbereichen<br />
bietet. So können auch persönliche, lerntechnische, berufliche oder kulturelle<br />
Fragen besprochen und Lösungen gesucht werden. Stützkurse können jedoch keine Therapie<br />
20
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
ersetzen; Schülerinnen und Schüler mit schwerwiegenden persönlichen oder beruflichen<br />
Problemen finden offene Türen bei der schulinternen Beratungsstelle.<br />
Mit zunehmendem Wissen wird die Wahrscheinlichkeit grösser, die berufliche Ausbildung<br />
erfolgreich abschliessen zu können, und damit wächst auch die individuelle Sicherheit und<br />
das Selbstvertrauen der Jugendlichen. Persönliche Lernfortschritte sollen in Zukunft mit Hilfe<br />
des Europäischen Sprachenportfolios aussagekräftig dokumentiert werden. SchülerInnen mit<br />
gutem Sprachwissen haben an der gibb zudem die Möglichkeit, sich auf die Prüfungen des<br />
Goethe-Instituts vorzubereiten.<br />
Der Unterricht an Stützkursen stellt hohe Anforderungen an die Lehrkräfte, muss der Unterricht<br />
doch individuell auf die Bedürfnisse und Probleme jedes einzelnen Schülers ausgerichtet<br />
werden.<br />
Freikurse als Fördermassnahme und Weiterbildung<br />
An der gibb werden nicht nur Stützkurse als Fördermassnahme angeboten. So finden z.B.<br />
stärkere Schüler Unterstützung bei der Vorbereitung für die Aufnahme in die BMS.<br />
Auch die Freikurse stellen Förderkurse dar. Sie bieten Sprachkurse in Englisch, Französisch<br />
und Italienisch an, aber auch diverse Sportarten und Kurse für verschiedene Lebens- und Wissensgebiete<br />
wie Computerwissenschaften und Kunst.<br />
Das Angebot an Stütz- und Freikursen steht allen BerufsschülerInnen offen, der Besuch setzt<br />
aber Verbindlichkeit, Eigeninitiative, Lernwillen und aktive Mitarbeit voraus.<br />
Die organisatorischen und finanziellen Aspekte des <strong>Coaching</strong>s und<br />
der <strong>Lernbegleitung</strong><br />
Das grosszügige Angebot an Stütz- und Förderkursen an der gibb erfordert eine umfassende,<br />
umsichtige Planung. Pädagogische, finanzielle und administrative Fragestellungen, die sich<br />
zu einem vernetzten Ganzen fügen, müssen in komplexen, intensiven Prozessen geklärt werden.<br />
Auf der Grundlage des klar definierten, schulischen Konzepts erarbeiten die einzelnen Fachgruppen<br />
die Umsetzung der pädagogischen Fördermassnahmen in den Kursen. Hier werden<br />
von den Lehrkräften Ziele definiert, Projekte vorbereitet, evaluiert, durchgeführt und analysiert.<br />
Pädagogische Fördermassnahmen, professionelles <strong>Coaching</strong>, intensive <strong>Lernbegleitung</strong> sind<br />
nicht zum Nulltarif zu haben! Eine weitsichtige Budgetierung der benötigten finanziellen Mittel<br />
ist die grundlegende Voraussetzung für erfolgreichen Förderunterricht. In einer Ziel- und<br />
Tätigkeitsplanung werden die finanziellen Mittel zwei Jahre im Voraus budgetiert und bereitgestellt.<br />
Dabei sind die Aufwendungen für die Lehrmittel, die in der Bibliothek zur Verfügung<br />
stehen, speziell berücksichtigt. Dies ist bei einem Stütz- und Förderkonzept, dem neue<br />
Lehr- und Lernformen zu Grunde liegen, in besonderem Masse zu beachten.<br />
21
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Das auf individualisiertem Unterricht basierende Stütz- und Förderkonzept der gibb verlangt<br />
eine intensive Planung im Bereich der Organisation der Kurse, die jährlich in einem Kursprogramm<br />
ausgeschrieben werden. Der Auswahl der Lehrkräfte muss grosse Aufmerksamkeit<br />
geschenkt werden und nicht zuletzt ist die Erstellung des Raumprogramms ein wichtiger Faktor,<br />
der zum Gelingen einer effektiven <strong>Lernbegleitung</strong> beiträgt. Um ein individuelles, Selbstkompetenzen<br />
förderndes Arbeiten zu ermöglichen, sind genügend Räume und Rückzugsmöglichkeiten<br />
eine unabdingbare Voraussetzung.<br />
Wenn die zu Beginn des Artikels porträtierten Lehrlinge Daniel, Edith, Giovanni, Helena,<br />
Igbale, Jusuf, Marc und Stéphanie erwartungsvoll in einem der ungefähr 90 angebotenen<br />
Kurse sitzen und vom gibb-Konzept Stützen und Fördern profitieren, ahnen die wenigsten,<br />
welche immense Vorarbeit zu ihrem Nutzen von den verschiedenen Stellen geleistet worden<br />
ist.<br />
(Das detaillierte Konzept „Stützen und Fördern an der gibb“ ist bei den Autorinnen erhältlich).<br />
22
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Lehrpersonen<br />
im Stütz- und Förderunterricht<br />
Der lernschwache Lernende wird gefördert<br />
Urs Stucki<br />
Berufsschulzentrum Interlaken (bzi)<br />
Nicht erst seit der Veröffentlichung der Pisa-Studie ist bekannt, dass lernschwächere Schülerinnen<br />
und Schüler spezifischer gefördert werden sollten.<br />
Die pädagogischen Fördermassnahmen im bzi tragen dazu bei, dass jede/r Lernende weiss,<br />
was schulisch von ihr/ihm verlangt wird. Sie/er wird individuell betreut und gefördert und hat<br />
bei Problemen eine entsprechende Anlaufstelle.<br />
Im Team beschreiten Schulleitung und Lehrerschaft des bzi einen Weg, dessen zentrales Anliegen<br />
die Begleitung der/des lernschwachen Lernenden ist.<br />
Nachstehend findet sich ein Auszug der Förderangebote des bzi. Er ist weder vollständig noch<br />
endgültig.<br />
Volksschule ► Berufsschule ► LAP<br />
Infoveranstaltungen<br />
für Volksschullehrerinnen<br />
und -lehrer<br />
Konzept Schnuppern<br />
im bzi<br />
Früherkennung<br />
Notentransparenz<br />
Stützkurse<br />
Konzept:<br />
- Lernvoraussetzungen<br />
einschätzen<br />
- Zielvereinbarungen<br />
treffen<br />
Repetentinnen<br />
und<br />
Repetenten<br />
erfassen<br />
Transparentes Anforderungsprofil<br />
(www.bzi-interlaken.ch)<br />
Hilfe bei Konflikten<br />
im Schulbetrieb<br />
- Freiwilligkeit<br />
- Standortangebote<br />
- Weiterentwicklung<br />
- Weiterbildung<br />
für Lehrkräfte<br />
Nachstehend werden die einzelnen Bausteine des Förderkonzepts beschrieben.<br />
23
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Infoveranstaltung für Volksschullehrpersonen<br />
Der Übergang von der Volksschule in die Berufsbildung ist für Jugendliche ein wichtiger<br />
Schritt, dem besondere Beachtung geschenkt werden muss. Gemeinsam mit den Berufsschulen<br />
des Berner Oberlandes organisiert das bzi eine jährliche Informations- und Austauschveranstaltung<br />
für Berufs- und Volksschullehrpersonen, in der die Vernetzung zwischen den<br />
Schulstufen gefördert wird.<br />
Konzept Schnuppern im bzi<br />
Schnupperlernende werden einzeln für einen Tag in ein erstes Lehrjahr integriert. Die<br />
Schnupperlernenden erhalten je einen „Götti“ zugeteilt, der mit einer Checkliste ausgerüstet<br />
die zukünftigen Lernenden durch den Tag begleitet. Der Götti ist verantwortlich, dass die<br />
Schnupperlernenden bei Schulschluss informiert sind über die Örtlichkeiten, die Lehrmittel,<br />
das Trialsystem, die Heftführung, den Stundenplan, die Berufsauslagen, die Berufsanforderungen<br />
und die zusätzlichen Kursangebote des bzi.<br />
Nach der letzten Schulstunde wertet die Lehrperson den Schulbesuch mit den Schnupperlernenden<br />
schriftlich und mündlich aus.<br />
Transparentes Anforderungsprofil<br />
Auf der homepage www.bzi-interlaken.ch erhalten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit,<br />
allgemeine und berufsspezifische Anforderungen nachzulesen, die im ersten Lehrjahr an<br />
sie gestellt werden. Im weiteren können sie diverse Tests lösen und sich selber einschätzen.<br />
Diese Informationen sollen ihnen helfen, sich im Hinblick auf den Start der Lehre zielgerichtet<br />
Kompetenzen und spezifisches Wissen anzueignen.<br />
Früherkennung<br />
Zwischen 10- und 20% aller Lernenden benötigen im Laufe ihrer Berufslehre einen Stützkurs.<br />
Die Früherkennung von Lernenden mit Lernschwierigkeiten ist ein äusserst wichtiger Punkt,<br />
damit möglichst alle Lernenden die Lehrabschlussprüfung bestehen.<br />
Im bzi basiert die Früherkennung auf drei Ebenen:<br />
1. Zu Beginn jedes neuen Schuljahres werden die Lehrpersonen des bzi aufgefordert, die<br />
neu eintretenden Lernenden zu beobachten, bei Lernschwierigkeiten mit ihnen das Gespräch<br />
aufzunehmen und ihnen den Stützkurs zu empfehlen (ca. 40% aller Anmeldungen<br />
erfolgen durch Lehrpersonen des bzi oder Lernende).<br />
2. Die Zeugnisnoten der einzelnen Fächer werden von jeder Lehrperson mit jedem Lernenden<br />
einzeln besprochen. Befindet sich eine ungenügende Note darunter, wird die<br />
ausbildende Person im Lehrbetrieb in einem Bericht darüber informiert und aufgefordert,<br />
Massnahmen zur Verbesserung einzuleiten. Eine mögliche Massnahme ist der<br />
Stützkurs (ca. 20% aller Anmeldungen).<br />
24
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
3. Lehrbetriebe erhalten seit Jahren mit jeder Stützkursanmeldung einen Flyer, in dem der<br />
spezifische Förderunterricht erklärt wird (ca. 5% aller Anmeldungen erfolgen durch<br />
Lehrbetriebe).<br />
Ungefähr 35% aller Stützkursteilnehmerinnen und -teilnehmer werden durch andere Berufsschulen<br />
überwiesen.<br />
Notentransparenz<br />
Gerade für die/den lernschwächere/n Lernende/n ist es wichtig, dass die Notenerhebung transparent<br />
und fair durchgeführt wird. Noten dürfen nicht als Disziplinierungs- und Machtmittel<br />
eingesetzt werden.<br />
Die Lehrpersonen des bzi haben sich folgende Minimalstandards gesetzt (Auszug daraus):<br />
• In Lernzielkontrollen werden nur Lernziele geprüft, die zuvor mit den Lernenden behandelt<br />
wurden.<br />
• Die Lernzielkontrollen werden möglichst gleichmässig aufs Quartal verteilt.<br />
• Pro Fach und Semester werden mindestens drei Lernzielkontrollen durchgeführt.<br />
• Die erreichbaren Punkte pro Aufgabe müssen ersichtlich sein.<br />
• Jede Lernzielkontrolle muss mindestens eine Woche im Voraus angesagt werden.<br />
• Notengebung und Korrektur müssen nachvollziehbar sein.<br />
• Eine Lernzielkontrolle wird nicht gewertet, wenn der Klassenschnitt ungenügend ist.<br />
Hilfe bei Konflikten im Schulbetrieb<br />
Ein vorgegebener Lösungsweg sichert der/dem Lernenden zu, dass Unstimmigkeiten zwischen<br />
ihr/ihm und einer Lehrperson nachhaltig gelöst werden. Lehrperson und Lernende/r<br />
erhalten die Gewissheit, dass der Problemlösungsweg transparent ist. Diese Regelung soll für<br />
beide Seiten eine faire Problembearbeitung garantieren.<br />
Stützkurskonzept<br />
Der Stützkursunterricht ist das Hauptinstrument im Förderbereich. Um ihm den nötigen Stellenwert<br />
innerhalb der Schule zu verleihen und ihn qualitativ zu sichern, haben die Stützkurslehrkräfte<br />
ein Konzept erstellt, welches durch die Schulleitung gutgeheissen wurde. Es wird<br />
regelmässig überarbeitet.<br />
Einige Auszüge daraus:<br />
• Stützkurs ist freiwilliger Zusatzunterricht. Die/der Lernende erkennt den Unterricht als<br />
Hilfestellung zur Selbsthilfe.<br />
• Der Unterricht ist vollständig individualisiert<br />
25
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
• Der Stützkursunterricht soll die Lern- und Problemlösestrategien der Lernenden nachhaltig<br />
verbessern.<br />
• Die Klassengrösse beträgt vier bis acht Lernende.<br />
• Der Stützkurs findet in der Regel an Randstunden und nicht am Schultag statt.<br />
• Stützkurse werden möglichst in der Nähe des Lehrbetriebes oder Wohnortes der Lernenden<br />
durchgeführt.<br />
• Stützkurslehrpersonen treffen sich jährlich zu einer Fachtagung.<br />
• Jede Stützkurslehrperson besitzt mindestens ein Attest, das sie befähigt, Stützkurse zu<br />
erteilen.<br />
Repetentinnen und Repetenten erfassen<br />
Jährlich Ende August werden die Lernenden erfasst, welche die LAP nicht bestanden haben.<br />
Lehrerinnen und Lehrer des bzi nehmen mit den Betroffenen Kontakt auf und besprechen das<br />
weitere Vorgehen.<br />
26
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
3. DaZ – Deutsch als Zweitsprache<br />
SFK – Stütz- und Förderkurse im Team<br />
Susann Schläppi<br />
Berufsschulzentrum Oberland (bzi)<br />
Hans-Heini Winterberger<br />
Gewerblich Industrielle Berufsschule Thun (GIB Thun)<br />
Infoveranstaltung für Volksschullehrpersonen<br />
Auf den gesetzlichen Grundlagen von BBG/BBV sowie dem Stützkurskonzept des Kantons<br />
Bern führt die GIB Thun seit Jahren Stütz- und Förderkurse durch.<br />
Die Teilnahme ist grundsätzlich freiwillig, der Lehrbetrieb unterstützt den Besuch des SFK,<br />
die berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen sind informiert.<br />
Die inhaltlichen Grundlagen des SFK DaZ basieren einerseits auf den Aussagen der SIBP-<br />
Schriftenreihe „Lernen in einer neuen Kultur und Sprache“ Nr. 9, Zollikofen 1998 (Kübler,<br />
Stricker, Winterberger) und berücksichtigen andererseits die Erfahrungen der Fort- und Weiterbildungsprogramme<br />
in Interkultureller Pädagogik (Schläppi und Stricker).<br />
Die SFK DaZ Konzeption entstand in Zusammenarbeit zwischen den Integrationsklassen Interlaken/Thun<br />
(10. Schuljahr) und der beiden Berufsschulen BZ Interlaken und GIB Thun.<br />
In der hier vorgestellten Form wird der Kurs in Interlaken seit 2000 und in Thun seit 2001<br />
geführt. Vorher wurden die DaZ-Lernenden in die Stütz- und Förderkurse integriert.<br />
27
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
28
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Erfahrungen<br />
Die Arbeit im SFK DaZ ist für alle Beteiligten eine Herausforderung, die von den Teilnehmenden<br />
und den beiden Lehrpersonen grundsätzlich als sinnvoll und wirkungsvoll erlebt<br />
wird.<br />
Focus Teilnehmende<br />
Der SFK DaZ wird jede Woche auf den individuellen Bedarf der Lernenden abgestimmt.<br />
Grundsätzlich wird mit den Unterlagen der Teilnehmenden gearbeitet, die Lehrpersonen halten<br />
erst in letzter Linie Material bereit. Die Teilnehmenden können somit die Zeit von 16.00 –<br />
18.15 möglichst für ihren persönlichen Fortschritt nutzen.<br />
Im SFK DaZ werden unterschiedliche Zielsetzungen angestrebt:<br />
- Als langfristiges Ziel werden mit Hilfe der beruflichen Reglemente die LAP-Voraussetzungen<br />
und Rahmenbedingungen besprochen und verständlich gemacht.<br />
- Die mittelfristigen Ziele werden aufgrund der Selbsteinschätzung der nächsten Semesterzeugnisnoten<br />
für jedes Fach festgelegt.<br />
- In den wöchentlichen Zielsetzungen werden die zu erledigenden Hausaufgaben und die<br />
zu lernenden Proben (mit Selbsteinschätzung der erwünschten Note) festgehalten.<br />
Die Planungs- und Steuerungsinstrumente bieten kurz- und mittelfristige Orientierung an:<br />
- Mit jeder/m neuen Teilnehmerin/Teilnehmer wird ein längeres Gespräch im Sinne einer<br />
„Bestandesaufnahme“, einer „Bedarfsabklärung“ und möglicher SFK DaZ-Ziele und<br />
Inhalte geführt, das in einer gemeinsamen Vereinbarung mündet.<br />
- Mit der Sprachstandsanalyse werden die individuellen Kompetenzen erhoben, die DaZ<br />
Begleitmaterialien vorgestellt und bei Notwendigkeit von der Teilnehmerin/vom Teilnehmer<br />
angeschafft.<br />
Die Lernenden können ihrerseits zwei Erfahrungsbereiche nutzen. Bei sachbezogenen Fragen<br />
wählen sie zwischen Berufsschullehrer oder DaZ-Lehrerin, bei persönlichen Fragestellungen<br />
haben sie die Möglichkeit, bewusst die Frau oder den Mann anzusprechen.<br />
Vor dem Abschluss des Unterrichts wird den Lernenden die im SFK DaZ geleistete Arbeit<br />
von einer der beiden Lehrpersonen visiert. Diese Kurzgespräche sind wichtige Momente. Jene,<br />
welche nicht berücksichtigt werden konnten, können für den nächsten SFK DaZ vorgemerkt<br />
werden. Persönliche Probleme können in einer entspannteren Atmosphäre besprochen<br />
werden.<br />
Diese wöchentlichen Beratungen der Lernenden entfalten ihre vollständige Wirksamkeit erst<br />
in der Zusammenarbeit von Lehrpersonen mit Lehrbetrieb, Eltern, gesetzlichen Vertretern<br />
und dem Amt für Berufsbildung.<br />
29
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Soweit möglich werden die Informationen immer von den Lernenden weitergetragen. Falls es<br />
sinnvoll und notwendig ist, vernetzen wir Lehrpersonen aktiv, im Einverständnis mit den Betroffenen.<br />
Focus Lehrpersonen<br />
Dank der definierten Aufgabenverteilung, die den Lernenden bekannt ist, erleben wir Lehrpersonen<br />
die gemeinsame Unterrichtsarbeit als interessant und lernintensiv. Die Gespräche,<br />
der Austausch, die Absprachen und Planungsschritte sind wertvoll. Dafür nehmen wir uns<br />
Zeit, und das ist unabdingbar.<br />
Focus Schule<br />
Die Schule signalisiert mit der Anstellung des Teams, dass sie die gleichberechtigte Zusammenarbeit<br />
zwischen Frau und Mann unterstützt. Diese Einstellung ermöglicht auch, dass kulturbedingte<br />
Berührungsängste von Lernenden und deren Eltern im Umgang mit dem anderen<br />
Geschlecht ernst genommen und dadurch abgebaut werden können.<br />
Die Schule ermöglicht allen Lehrpersonen, Stütz- und Förderkurse ins Grundpensum zu integrieren.<br />
Als minimale Qualifikation der Lehrpersonen werden der SIBP-Grundkurs PFM<br />
(Pädagogische Fördermassnahmen) oder gleichwertige Kurse verlangt. Die permanente Fortund<br />
Weiterbildung wird unterstützt und gefördert.<br />
Diese beiden institutionellen Rahmenbedingungen erzeugen einen nachhaltigen Wert, der den<br />
einzelnen Lernenden bei der <strong>Lernbegleitung</strong> und –beratung zugute kommt.<br />
30
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
4. Vom verordneten Stützkurs zum freiwilligen Trainingsmodul<br />
– ein Paradigmawechsel<br />
Bernadette Neff, Katy Rhiner Grassi und Marlies Stoll<br />
Allgemeine Berufsschule Zürich<br />
1. Ziele der Arbeit<br />
1.1 Mathematik<br />
Problemlösestrategien und die daraus resultierende Rechenfertigkeit sind bei unseren Schülerinnen<br />
und Schülern während der Grundschulzeit oft ungenügend gefestigt worden. Der einjährige<br />
Unterbruch während dem ersten Lehrjahr trägt zu einem weiteren Absinken der kaum<br />
gefestigten Fähigkeiten bei. Dazu kommt ein oft ungenügendes Textverständnis, das ein sinnverstehendes<br />
Lesen der Aufgabe erschwert.<br />
Die Lernenden sollen ihre Problemlösestrategien analysieren und wo nötig verbessern und<br />
trainieren, um einen Wissens- und Könnensstand zu erreichen, der sie dazu befähigt, dem<br />
Rechenunterricht folgen zu können.<br />
1.2 Berufskunde<br />
Die in Lehr- und Fachbüchern formulierten Aufgabentexte sind häufig so formuliert, dass sie<br />
sowohl für SchülerInnen deutscher und erst recht für solche anderer Muttersprache schwer<br />
verständlich sind.<br />
Zentrale Anliegen der Trainingsmodule sind deshalb:<br />
• Trainieren von Lesestrategien, welche das Verständnis und die Behaltensleistung fördern.<br />
• Sich mit unterschiedlichen Texten auseinandersetzen und unterschiedliche Textstrukturen<br />
erkennen.<br />
• Texte ihrer Struktur entsprechend zusammenfassen und deren Inhalt memorieren.<br />
1.3 Metalernen<br />
Gute Lernerinnen und Lerner haben wirkungsvolle kognitive Strategien und verfügen auch<br />
über metakognitive Strategien, welche das Lernen steuern.<br />
Besucherinnen und Besucher der Trainingsmodule dokumentieren einerseits ihre Lernfortschritte<br />
im Lernjournal und reflektieren anderseits die angewendeten Strategien, welche zum<br />
Lernerfolg führten. Dadurch erfahren sie, dass Erfolg in hohem Mass von der eigenen Anstrengung<br />
abhängig ist.<br />
31
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. Projektidee<br />
Im Trainingsmodul können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählen, ob sie sich in Berufskunde<br />
oder im Fachrechnen weiterbilden wollen. Zudem legen wir grossen Wert auf<br />
selbstreguliertes Lernen, und fördern entsprechend die kognitiven und metakognitiven Fähigkeiten<br />
der Teilnehmenden.<br />
Die Trainingsmodule finden in einem grossen „Lernraum” statt; den Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern stehen drei Lernbegleiterinnen zur Verfügung.<br />
3. Neuerungen<br />
3.1 Freiwilligkeit<br />
Verordnete Stützkurse brachten oft nicht den erhofften Leistungszuwachs. Ausserdem können<br />
herkömmliche Stützkurse stigmatisierend wirken. Die Lernumgebung in einem Stützkurs mit<br />
ausschliesslich schwächeren Schülerinnen und Schülern ist nicht besonders stimulierend, weil<br />
sich die Stützkursbesucherinnen und -besucher leistungsmässig wenig unterscheiden.<br />
Die Freiwilligkeit ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, ein Trainingsmodul nach Bedarf<br />
zu wählen und dadurch Eigenverantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Auch Schülerinnen<br />
und Schüler mit guten Leistungen haben die Möglichkeit, sich zu verbessern, das<br />
Thema zu repetieren und zu vertiefen.<br />
Die Heterogenität der Gruppe bezüglich Lernkompetenzen und Wissensstand ermöglichen<br />
einerseits das Tutorenlernen; anderseits erleben vor allem die schwächeren Schülerinnen und<br />
Schüler, dass auch gute Lernerinnen und Lerner sich anstrengen, um gute Leistungen erbringen<br />
zu können.<br />
3.2 Zeitliche Begrenzung<br />
Der konventionelle Stützkurs fand während eines ganzen Semesters statt. Das bedeutete, dass<br />
die Lernenden während rund zwanzig Wochen bis zu einem halben Tag zusätzlich im Betrieb<br />
fehlten, und dies je nach Erfolg während eines zusätzlichen Semesters.<br />
Ein Trainingsmodul hingegen ist auf 5 mal 4 Lektionen pro Semester begrenzt. Die Aussicht<br />
auf eine zeitliche Begrenzung ist für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrbetriebe<br />
grundsätzlich motivierender; einerseits bezüglich des Entschlusses, das Trainingsmodul<br />
zu besuchen, anderseits bezüglich des Durchhaltevermögens, den Zusatzunterricht regelmässig<br />
zu besuchen.<br />
3.3 Lernjournal<br />
Die Schülerinnen und Schüler führen ein Lernjournal, in dem sie Aussagen machen zu:<br />
• Das habe ich heute gemacht<br />
• Das habe ich gelernt<br />
• Das ist mir gut gelungen<br />
• So bin ich vorgegangen, dass es mir gelungen ist<br />
32
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
• Damit hatte ich Schwierigkeiten<br />
• So habe ich auf die Schwierigkeiten reagiert<br />
• So fühlte ich mich heute im Trainingsmodul<br />
• Das will ich auf nächstes Mal zu Hause erledigen<br />
Die Lernbegleiterin schreibt jedes Mal eine individuelle Rückmeldung, wobei sie vor allem<br />
auf die Lernfortschritte reagiert und allenfalls inhaltliche Korrekturen anbringt.<br />
Diese Rückmeldungen werden von den Teilnehmenden als sehr motivierend empfunden und<br />
regen sie zu weiteren ausführlichen Journaleinträgen an.<br />
3.4 Teilnehmende<br />
Das Angebot wird zum grossen Teil von Coiffeuse-Lehrfrauen und -Lehrlingen unterschiedlicher<br />
Leistungsstufen wahrgenommen, aber auch Lehrfrauen aus anderen Berufen wie Floristin<br />
oder Damenschneiderin besuchen mitunter die Module. Die Teilnahme ist, wie oben erwähnt,<br />
freiwillig.<br />
Die Teilnehmenden melden sich wie für ein Weiterbildungsangebot mittels eines Formulars<br />
an und verpflichten sich dadurch zum regelmässigen Besuch. Zweimaliges Fernbleiben ohne<br />
triftigen Grund hat den Ausschluss zur Folge und führt unter Umständen dazu, dass die Schülerin/der<br />
Schüler auch zu späteren Modulen nicht mehr zugelassen wird. Soll eine Verbesserung<br />
der Leistung erreicht werden, ist ein lückenloser Besuch Voraussetzung.<br />
3.5 Inhalt der Arbeit, Arbeitsmittel und Erfahrungen<br />
Zu Beginn eines jeden Trainingsnachmittages entscheiden die Teilnehmenden, ob sie im Bereich<br />
Berufskunde oder Rechnen arbeiten wollen. Anschliessend bespricht die Lernbegleiterin<br />
mit jeder Schülerin und jedem Schüler das konkrete Thema und die Ziele, die sie/er heute<br />
erreichen will. Je nach Themenbereich stehen vorbereitete Aufträge, resp. eine Übungswerkstatt<br />
zur Verfügung, mit denen die Teilnehmenden das Thema selbstständig oder auch in<br />
Partnerarbeit aufarbeiten können. Die Aufträge und Aufgaben sind so formuliert, dass das<br />
Thema methodisch und lernstrategisch auf verschiedene Arten vertieft wird.<br />
3.6 Lernstrategien und metakognitive Strategien<br />
Die Erfahrungen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Trainingsmodule zeigen auf,<br />
dass viele Lernenden nur über wenige kognitive und metakognitive Strategien verfügen. Diese<br />
Lernenden besitzen ein geringes Selbstvertrauen, was ihre Problemlösekompetenzen und<br />
ihre Leistungsfähigkeit anbelangt. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, den Lernenden<br />
Strategien aufzuzeigen, mit denen sie die gestellten Aufgaben bewältigen können.<br />
Weiter müssen sich die Lernenden bewusst werden, dass „Lernen” Zeit und Anstrengung erfordert.<br />
Dies ist einer der Gründe, weshalb die Lernenden im Lernjournal festhalten, wo sie<br />
ein Erfolgserlebnis zu verzeichnen hatten und was ihre Anstrengung bezüglich dieses Erfolgserlebnisses<br />
war. Die Lernenden müssen sich bewusst werden, dass Erfolg mit Anstrengung<br />
zusammenhängt; und sie müssen diese Erfahrung immer wieder machen, um dieses Bewusstsein<br />
zu stärken.<br />
33
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
4. Theoretische Grundlagen<br />
Unsere Arbeit basiert auf dem Modell von C. Artelt 1 . Die Autorin zeigt auf, welche Regulationssysteme<br />
beim Selbstregulierten Lernen zusammenspielen und den Lernprozess steuern:<br />
Das ist einerseits die “kognitiv/metakognitive Regulation”, welche das bereichsspezifische<br />
Vorwissen, die kognitiven Lernstrategien sowie die metakognitiven Strategien umfasst. Anderseits<br />
wird selbstreguliertes Lernen gesteuert durch die “motivationale Selbstregulation”<br />
bezüglich Selbstkonzept, Interesse, Prüfungsangst, sowie Aufmerksamkeit und Ausdauer und<br />
Merkmale der willentlichen Handlungssteuerung.<br />
5. Evaluation<br />
Die besseren Leistungen im Regelunterricht sprechen sicher für den Erfolg unserer Arbeit.<br />
Dass Schülerinnen und Schüler die Module während mehrerer Semester besuchen, ist unseres<br />
Erachtens ein weiterer Beweis für den Erfolg, speziell bezüglich der Lernatmosphäre, den<br />
Angeboten an Übungsanlagen und einer <strong>Lernbegleitung</strong> im Sinn des „scaffolding und fading”<br />
(= allmähliche Zurücknahme der Hilfestellung durch die Lernbegleiterin). Die Rückmeldungen<br />
der Lernenden am Ende eines Moduls vervollständigen das Bild unserer Arbeit.<br />
Die Evaluation der Semesternoten von Beginn der Trainingsmodule bis zur LAP zeigt bei den<br />
meisten Absolventinnen und Absolventen eine klare Steigerung. Auffallend sind auch eine<br />
Reihe guter Schlussnoten im Fach Berufskunde (Fachrechnen integriert). Leider steht kein<br />
Geld für eine externe Evaluation unseres Projekts zur Verfügung.<br />
6. Kompetenzen der Lernbegleiterinnen<br />
Alle drei Lernbegleiterinnen haben die Grundausbildung SIBP absolviert. Sie haben sich im<br />
Bereich der pädagogischen Fördermassnahmen in folgenden Kursangeboten weitergebildet:<br />
Grund- und Aufbaukurse DELV (Das Eigene Lernen Verstehen)<br />
Grund- und Aufbaukurse „Stützkurs“<br />
Sprache und Mathematik<br />
Variablen der schulischen Leistung, FzL (Fragen zum Lernen)<br />
Sie verstehen kaum Deutsch<br />
Lernfähigkeit einschätzen – Lernfähigkeit fördern<br />
Umgang mit Mathematikschwierigkeiten<br />
Das Verstehen von Sach- und Fachtexten fördern<br />
NDS-Lehrgang Praxisberatung SIBP<br />
Prof. Dr. F. Büchel<br />
A. Grassi, ePFM SIBP<br />
Prof. Dr. A. Hollenstein<br />
Prof. Dr. F. Büchel<br />
Dr. S. Kübler, E. Maurer<br />
A. Grassi, ePFM, SIBP<br />
PD Dr. H. Linneweber<br />
Dr. U. Scharnhorst, SIBP<br />
SIBP<br />
Sprache und Mathematik als schriftlicher Leistungsnachweis in der Grundausbildung, SIBP<br />
Sprachenportfolio und didaktisieren von Fachtexten als schriftlicher Leistungsnachweis in der<br />
Grundausbildung, SIBP<br />
z.Z. Intensivweiterbildung zur Erlangung einer Zusatzqualifikation in <strong>Lernberatung</strong> (Lernund<br />
Denkstrategien), Dr. U. Scharnhorst<br />
5. Sprachförderung nach modularem Konzept BBZ<br />
1 Artelt, C. (2000), Strategisches Lernen, Münster: Waxmann<br />
34
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Bruno Furrer und Marc-André Peter<br />
Baugewerbliche Berufsschule Zürich<br />
Gezielte Sprachförderung an der Baugewerblichen Berufsschule<br />
Zürich BBZ<br />
Seit nunmehr drei Jahren arbeiten Fach- und ABU-Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem<br />
Institut für Interkulturelle Kommunikation (iik) unter der wissenschaftlichen Begleitung von<br />
Dr. C. Nodari am Projekt Deutsch. 2<br />
Es folgt ein Überblick über das Projekt, das bereits in den beiden SIBP Schriftenreihen Nummer<br />
12 „Integration oder Re-Integration?“ und Nummer 18 „Barriere Sprachkompetenz“<br />
beschrieben wurde.<br />
1. Lesekompetenz<br />
1.1 Pilotphase 2000/01<br />
Herbstsemester 2000/01<br />
• Erhebung der Lesekompetenz der neu eintretenden SchülerInnen: In vier Klassen werden<br />
die Kompetenzen von 65 SchülerInnen erhoben. Die Selbst- und Fremdevaluation<br />
wird zeitlich getrennt durchgeführt. Es werden innerhalb von 7-8 Wochen 6-8 Texte bearbeitet.<br />
Frühjahrssemester 2001<br />
• Für Lernende, die das Niveau B1 3 im Leseverstehen nicht erreicht haben (knapp 40%):<br />
Es werden zwei Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul 4 durchgeführt.<br />
• Evaluation der Erhebung Lesekompetenz: Überarbeitung der Checklisten und der didaktisierten<br />
Texte sowie des Basismoduls.<br />
1.2 Pilotphase 2001/02<br />
Herbstsemester 2001/02<br />
• Erhebung der Lesekompetenz der neu eintretenden Schülerinnen und Schülern: In 12<br />
Klassen werden die Kompetenzen von 160 Schülerinnen und Schülern erhoben. Die<br />
Selbst- und Fremdevaluation geschieht parallel anhand von zwei ABU- und zwei Fachtexten;<br />
Dauer: 5 Wochen.<br />
Frühjahrssemester 2002<br />
2 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18 Barriere Sprachkompetenz, S. 37f; 45-48<br />
3 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 12 Integration oder Re-Integration?, S. 70-71<br />
4 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18, S. 49-53<br />
35
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
• Für Lernende, die das Niveau B1 im Leseverstehen nicht erreicht haben (wiederum<br />
knapp 40% 5 ): Es werden sechs Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul<br />
durchgeführt.<br />
• Evaluation der Erhebung Lesekompetenz: Überarbeitung der Checklisten und der<br />
didaktisierten Texte sowie des Basismoduls; Vorbereitung für die Erprobung der Trainingspakete<br />
Deutsch Fachtexte verstehen (Tp1) und Mathematikaufgaben verstehen<br />
(Tp2) für Schülerinnen und Schüler ab dem dritten Semester; eine Datenbank zur Vereinfachung<br />
der Erhebung wird erarbeitet.<br />
Vor und nach den Sommerferien 2002 führte die BBZ für alle Lehrpersonen, die Pflichtunterricht<br />
erteilen, einen zweistufigen Schilfkurs unter der Leitung des iik zum Thema Didaktisieren<br />
von Texten durch, dies v.a. auch als Vorbereitung für die flächendeckende Erhebung der<br />
Lesekompetenz der Erstsemestrigen an der BBZ im Herbstsemester 2002/03.<br />
1.3 Flächendeckende Erhebung Lesekompetenz an der BBZ<br />
Herbstsemester 2002/03<br />
• Erhebung der Lesekompetenz für alle neu eintretenden Schülerinnen und Schüler: 31<br />
Klassen, 481 Schülerinnen und Schüler; Selbst- und Fremdevaluation parallel anhand<br />
von zwei ABU- und zwei Fachtexten; Dauer 5 Wochen.<br />
• Die Resultate der Erhebung werden laufend in die erstellte Datenbank eingegeben; Ende<br />
Semester liegen die Schlusseinschätzungen vor, die Aufgebote für die Modulbesuche<br />
werden versandt.<br />
Frühjahrssemester 2003<br />
• für Lernende, die das Niveau B1 im Leseverstehen nicht erreichen: Es werden wiederum<br />
Module Techniken des Leseverstehens: Basismodul durchgeführt.<br />
• für Lernende ab dem 3. Semester wird das Modul Fachtexte verstehen (Tp1) angeboten.<br />
2. Schreibkompetenz<br />
Mit Beginn des Herbstsemesters 2002/03 nahm die Projektgruppe auch die Arbeit für die Erhebung<br />
der Schreibkompetenz in Angriff 6 . Checklisten Schreiben wurden bereits erarbeitet,<br />
Schreibanlässe für die BBZ, die es zu didaktisieren gilt, wurden definiert. Einig ist man sich<br />
auch, dass für die Umsetzung von didaktisierten Schreibanlässen ein Schilfkonzept erarbeitet<br />
werden muss.<br />
Im Gegensatz zu den Fördermassnahmen Lesekompetenz, die an der BBZ zweigleisig, nämlich<br />
durch integrierte Förderung im Normalunterricht sowie durch zusätzliche Module umgesetzt<br />
werden, konzentriert sich die Projektgruppe bezüglich der Schreibkompetenz vorerst auf<br />
die integrierte Förderung, denn:<br />
5 bei den dreijährigen Handwerkerberufen lag die Quote bei knapp 50%<br />
6 vgl. SIBP Schriftenreihe Nummer 18, S. 15-23<br />
36
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
1. Die Mehrheit der Lernenden kommt mit Kompetenzen auf Stufe A1-A2. Das zu erheben<br />
ist überflüssig. Wir müssen die Zeit nutzen und die Berufslernenden innerhalb von<br />
3-4 Jahren um mindestens eine Stufe fördern.<br />
2. Wenn die Schreibkompetenz mittels Modulen von A1 bzw. A2 auf B1 entwickelt werden<br />
soll, dann müssten praktisch alle Lernenden ein oder mehrere Module besuchen.<br />
Dies ist unrealistisch.<br />
3. Die Weiterbildung der Lehrpersonen muss Vorrang haben, damit die Lernenden das<br />
Ziel durch die integrierte Förderung erreichen. Die Lehrpersonen müssen wissen, welche<br />
Textsorten mit welchen Instrumenten geschrieben werden sollen. In der Weiterbildung<br />
sollten Lehrpersonen befähigt werden, am Text zu arbeiten und die Lernenden individuell<br />
zu fördern.<br />
4. Die Module für die Lernenden sollten nicht prioritär behandelt werden und zwar aus<br />
drei Gründen:<br />
a) Die Erhebung ist aufwändig und unnötig (wir wissen, wer Schreibschwierigkeiten<br />
hat);<br />
b) Trainingspakete lösen bei den Lehrpersonen den Reflex der Verantwortungsabschiebung<br />
aus;<br />
c) Es können gar nicht so viele Trainingspakete durchgeführt werden, wie sie nötig<br />
wären.<br />
5. Es braucht ein Weiterbildungskonzept, in dem die Lehrpersonen das Know-how für die<br />
Schreibförderung bekommen und in dem auch gleichzeitig die eigene Schreibfähigkeit<br />
ausgebaut wird. Viele Lehrpersonen haben mit dem Schreiben selber Mühe. Die Weiterbildung<br />
sollte fachgruppenspezifisch erfolgen.<br />
6. Ideal wäre ein Vademecum für Schreibanlässe für Lehrpersonen.<br />
7. Schreiben braucht eine höhere Verbindlichkeit in der Schule! Die Schulleitung muss die<br />
Weiterbildung als verpflichtend postulieren. Es darf nicht sein, dass viele Lehrpersonen<br />
fehlerhaft schreiben, bzw. dem Schreiben wenig bis kein Gewicht verleihen.<br />
3. Erfahrungen, Erkenntnisse und Ausblicke<br />
Zur Selbsteinschätzung der Lernenden: Es lässt sich feststellen, dass sich die Schülerinnen<br />
und Schüler fast ausnahmslos ein bis zwei Kompetenzniveaus zu hoch einschätzen, und es<br />
wird kaum überraschen, dass die Selbsteinschätzung um so höher ausfällt, je bescheidener die<br />
tatsächliche Lesekompetenz ist.<br />
Zudem – und auch dies ist wenig erstaunlich – nehmen Lernende mit Kompetenzniveau<br />
A2→B1 die Erhebung ihrer Lesekompetenz ernster als diejenigen mit tieferem Leseniveau.<br />
Ihnen scheint einigermassen bewusst zu sein, dass nur wer ansprechend lesen kann, das Lesen<br />
auch zum Lernen nutzen kann.<br />
Der Modulunterricht Techniken des Leseverstehens: Basismodul wird von den Lernenden<br />
grundsätzlich positiv bewertet und zeigt bei denjenigen gute Erfolge, die das gesamte Modul<br />
mit Einsatz besuchen. Im Normalunterricht lässt sich feststellen, dass Lernende nach dem<br />
Modulbesuch teilweise deutlich länger brauchen als vorher, um einen vergleichbaren Text zu<br />
lesen – die Erklärung hierzu liefern sie gleich selber: Damit ich den Text verstehen kann,<br />
brauche ich nun mehr Zeit, ich lese langsamer, dafür verstehe ich, was ich lese!<br />
Für Lehrpersonen bedeutet die Erhebung der Lesekompetenz der Erstsemestrigen einen gewissen<br />
Mehraufwand für die Fremdbewertung der Texte von Schülerinnen und Schülern.<br />
37
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Dank den zwei vorangegangenen Pilotphasen konnte der administrative Aufwand jedoch<br />
stark reduziert werden. Im kommenden Schuljahr wird jede Lehrperson ihre Bewertungen<br />
direkt via PC in die Datenbank eingeben.<br />
Die Resonanz auf die obligatorische schulinterne Weiterbildung Didaktisieren von Texten im<br />
vergangenen Sommer war mehrheitlich gut, das Interesse für diese Arbeit wurde bei vielen<br />
Lehrpersonen, v.a. auch bei berufskundlichen, geweckt und zeigt da und dort bereits Früchte<br />
im Regelunterricht.<br />
Die Schulleitung wird vom Projekt organisatorisch nicht allzu stark beansprucht, im Gegensatz<br />
zum Sekretariat (erstellen und versenden der Aufgebote für den Modulbesuch); finanziell<br />
hingegen dürften sich ihr in Zukunft einige Probleme stellen: Alleine für das kommende<br />
Frühjahrssemester 2003 rechnet die Projektgruppe mit zehn bis fünfzehn durchzuführenden<br />
Basismodulen Techniken des Leseverstehens!<br />
Die Projektgruppe schliesslich versuchte und versucht, die Organisation und Durchführung<br />
der Erhebung der Lesekompetenz bei den Erstsemestrigen so schlank und reibungslos wie<br />
möglich zu gestalten. Sie stösst allerdings v.a. während der fünf Wochen dauernden Erhebungsphase<br />
nervlich an ihre Grenzen. Die Durchführung der Erhebung verlangt von allen<br />
beteiligten Lehrpersonen nebst Engagement für die Sache v.a. auch Disziplin; das Einhalten<br />
der von der Projektgruppe aufgestellten strikten Regeln scheint für die eine oder andere der<br />
rund fünfzig involvierten Lehrpersonen schwierig zu sein!<br />
Viel erhofft sich die Projektgruppe von der erwähnten Datenbank. Diese wird es erlauben,<br />
einerseits namensscharfe Aussagen zur Lesekompetenz 7 der Erstsemestrigen an der BBZ zu<br />
machen, andererseits wird auch die Organisation der Aufgebote für die Module vereinfacht.<br />
Nicht zuletzt bekommt die Gruppe damit die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit der Fördermassnahmen<br />
zu evaluieren.<br />
7 auch die Daten der Erhebung Rechnen/Mathematik finden in der Datenbank Eingang.<br />
38
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Referat 2<br />
<strong>Lernberatung</strong> – individuelle Unterstützung auf dem<br />
Weg zum selbstgesteuerten Lernen<br />
Dr. Ursula Scharnhorst<br />
Schweizerisches Institut für Berufspädagogik (SIBP)<br />
Ziel der <strong>Lernberatung</strong><br />
An den Anfang meiner Ueberlegungen zum Thema <strong>Lernberatung</strong> möchte ich eine Aussage<br />
von Maria Montessori stellen, die schlicht aber treffend zusammenfasst, was das Ziel einer<br />
<strong>Lernberatung</strong> sein könnte: „Hilf mir, es allein zu tun“. Mit andern Worten ausgedrückt, eine<br />
Lernberaterin oder ein Lernberater bietet Unterstützung auf dem Weg zum autonomen,<br />
selbstgesteuerten Lernen.<br />
Als pädagogische Massnahme hat <strong>Lernberatung</strong> Lernende mit Lernschwierigkeiten im Fokus,<br />
d.h. <strong>Lernberatung</strong> wird hier als pädagogisch-psychologische Hilfestellung zum Abbau oder<br />
der Bewältigung von Lernschwierigkeiten verstanden, was selbstverständlich impliziert, dass<br />
es auch darum geht, bei den Lernenden vorhandene Stärken oder Ressourcen zu festigen und<br />
auszubauen.<br />
An dieser Tagung werden mögliche Formen der <strong>Lernberatung</strong> insbesondere im Hinblick auf<br />
Lernende in der Berufsausbildung vorgestellt und diskutiert. Geht man zudem eher von individualisierten<br />
Formen der <strong>Lernberatung</strong> oder <strong>Lernbegleitung</strong> 8 aus, so steht die individuell<br />
angepasste Förderung der Lernmöglichkeiten und der Lernprozesse im Zentrum, die für das<br />
Erreichen bzw. den Erwerb wichtiger Ausbildungsziele und -inhalte notwendig sind. Nebst<br />
den individuell ausgeprägten Lernpotentialen, Lernprozessen und Wissensbeständen, die als<br />
lernerbezogene Faktoren bezeichnet werden können, beeinflussen andere, ebenfalls wichtige<br />
Faktoren den jeweiligen individuellen Lernkontext: Dazu gehören sowohl lehrseitige Faktoren<br />
(z.B. Rahmenbedingungen und Qualität des Regelunterrichts u.a.m.) als auch psychosoziale<br />
Einflüsse (z.B. sozio-kultureller und sozio-ökonomischer Hintergrund u.a.m.), die sich<br />
positiv oder negativ aufs individuelle Lernen auswirken.<br />
Wenn <strong>Lernberatung</strong> in der Berufsbildung – wie hier vertreten – vornehmlich als pädagogische<br />
Stütz- und Fördermassnahme verstanden und konzipiert wird, die von professionell weitergebildeten<br />
Lehrpersonen durchgeführt werden kann, muss man sich auch bewusst sein, dass<br />
hinderliche oder belastende psycho-soziale Einflüsse auf das Lernen meist nicht direkt angegangen<br />
und verändert werden können. Auch bei einer grundsätzlich systemisch geprägten<br />
Sichtweise liegen sie in der Regel leider nicht im Aktionsradius pädagogischen Wirkens, was<br />
aber nicht bedeutet, dass eine Beratung, die das Lernen ins Zentrum stellt, deshalb zu kurz<br />
greifen muss.<br />
8 Damit ist auch die im neuen Berufsbildungsgesetz vorgesehene „ fachkundige individuelle Begleitung“ angesprochen.<br />
39
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Folgende Voraussetzungen erscheinen im Hinblick auf eine erfolgreiche <strong>Lernberatung</strong> als<br />
zentral:<br />
• pädagogisch-beraterische Grundhaltung 9<br />
• Kompetenzen im Bereich der Lerndiagnostik<br />
• Kompetenzen im Bereich der Lernförderung<br />
• Vernetzung mit anderen Bezugspersonen im Lern- bzw. Ausbildungskontext<br />
Wie oben erwähnt, stellt eine möglichst optimal vernetzte Zusammenarbeit mit anderen Bezugspersonen<br />
im ganzen Kontext des Lerngeschehens ein Ziel dar, das in Abhängigkeit der<br />
jeweils gegebenen Bedingungen mehr oder weniger gut realisiert werden kann. Auf die Lerndiagnostik<br />
und Lernförderung wird später noch näher eingegangen.<br />
Wer sich professionell mit <strong>Lernberatung</strong> beschäftigt, sollte auch möglichst gute Kenntnisse<br />
über Lernende haben, die besondere Lernbedürfnisse haben bzw. Lernbehinderungen, Lernschwächen<br />
oder Lernschwierigkeiten aufweisen.<br />
Arten von Lernschwierigkeiten<br />
Es gibt in der Sonderpädagogik keine einheitlich Definition des Begriffs Lernschwierigkeiten,<br />
sondern es werden verschiedene Gruppen oder Kategorien von Lernschwierigkeiten unterschieden:<br />
Allgemeine Lernbehinderungen 10 , bei denen die gesamte Informationsverarbeitung<br />
betroffen ist, werden von spezifischen Lernschwierigkeiten 11 oder sog. Teilleistungsstörungen<br />
unterschieden, bei denen nur bestimmte Prozesse reduziert sind (z.B. Lese- und<br />
Schreibschwäche). Allgemeine Lernbehinderungen werden zudem diagnostisch abgegrenzt<br />
von geistigen Behinderungen 12 , auch wenn dies bei leichten Formen der geistigen Behinderung<br />
nicht immer klar möglich ist. Im Weiteren müsste differenziert werden, ob es sich eher<br />
um kognitive Lernschwierigkeiten handelt, welche die Wahrnehmung, das Denken oder<br />
Problemlösen betreffen, oder ob eher nicht-kognitive Lernprobleme (z.B. motivationale,<br />
emotionale Lernblockierungen) im Vordergrund stehen.<br />
Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderungen sind bezüglich ihrer schulischen, ausserschulischen<br />
und personalen Voraussetzungen in einer ihnen nicht angepassten Lernsituation.<br />
Deshalb können sie den Anforderungen des Regelunterrichts nicht genügen, was zu schulischen<br />
Misserfolgen und psychischen Ueberforderungen führt (Sturny, 1985). Leichte Verhaltensstörungen<br />
werden in diese Definition eingeschlossen. Schwere Verhaltensstörungen, geistige<br />
Behinderungen, sowie motorische und sensorische Behinderungen werden dagegen ausgeschlossen.<br />
9 Dazu gehören z.B. die Variablen Akzeptanz, Empathie und Kongruenz, die nach Rogers (1972) eine klientenzentrierte,<br />
non-direktive Beratung kennzeichnen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass eine <strong>Lernberatung</strong> als pädagogische<br />
Beziehung mit den damit verbundenen Zielen immer durch eine gewisse Asymmetrie und durch<br />
Intentionalität charakterisiert ist. Sie kann daher kaum völlig non-direktiv bleiben, doch ist eine Kultur der Aushandlung<br />
und Vereinbarung von Zielen mit den Lernenden anzustreben.<br />
10 In der anglo-amerikanischen Fachliteratur wird auch von „slow learners“ gesprochen (z.B. Borkowski & Day,<br />
1987).<br />
11 Im Englischen als „learning disabilities“ bezeichnet.<br />
12 Dies hat u.a. sozial-administrative und versicherungsrechtliche Gründe, weil Beschulungs- und Sondermassnahmen<br />
sowie Berufsausbildungen von Personen mit einer geistigen Behinderung von der Invalidenversicherung<br />
subventioniert werden.<br />
40
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Wichtig erscheint der Zusatz, dass Personen mit einer Lernbehinderung mit geeigneter Unterstützung<br />
eine Chance haben, Wissen und Fertigkeiten zu erwerben.<br />
Eine Einteilung von Kobi (1977) kann zur Illustration unterschiedlicher Lernbehinderungen 13<br />
herangezogen werden (vgl. Tabelle 1). Kobi (1977) betont auch, dass Lernbehinderungen<br />
immer unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden müssen, wobei inbesondere schulische,<br />
intellektuelle, lernbezogene und sozio-kulturelle Aspekte zu differenzieren sind.<br />
Tabelle 1: Arten von Lernbehinderungen (nach Kobi, 1977)<br />
Lernbehinderungen (i.w.S.)<br />
Lernbehinderung Lernstörung Lernverwahrlosung<br />
Permanente Beeinträchtigung<br />
des Lernens<br />
Passagere oder partielle Beeinträchtigung<br />
des Lernens<br />
Beeinträchtigung des Lernens<br />
mangels Lernerfahrungen<br />
und Wissen<br />
Allgemeine Schwierigkeiten,<br />
vor allem im kognitivabstrakten<br />
Bereich<br />
Spezifische Schwierigkeiten:<br />
- Psychomotorik<br />
- Wahrnehmung<br />
- Aufmerksamkeit<br />
- Gedächtnis<br />
Schwierigkeiten vor allem im<br />
sprachlichen und motivationalen<br />
Bereich<br />
IQ ≈ 70 - 85<br />
(«slow learners»)<br />
IQ ± 85<br />
(allgemeiner Eindruck sehr<br />
unterschiedlich)<br />
IQ ≈ 85 - 100<br />
(Diskrepanz zwischen verbalen<br />
und non-verbalen Leistungen)<br />
Wenn man die Unterscheidung in Lernbehinderung, Lernstörung und Lernverwahrlosung in<br />
der Tabelle 1 näher betrachtet, wird klar, dass in Anlehrklassen 14 und Stützkursen der Berufsschulen,<br />
aber auch in den zur Berufsbildung führenden Brückenangeboten alle drei Kategorien<br />
von Lernenden zu finden sind. Auch wenn aus sonderpädagogischer Perspektive verschiedene<br />
Arten von Lernbeeinträchtigungen unterschieden werden, so finden sich diese letztlich<br />
in der Realität häufig doch alle zusammen und tragen zur Heterogeneität von besonderen<br />
Klassen oder Gruppen bei, die im Vorfeld oder Umfeld der Berufsbildung geführt werden.<br />
Diese Tatsache weist auch darauf hin, dass geeignete Formen der Unterstützung bei so heterogenen<br />
Populationen individualisierende, teilweise sogar individuell durchgeführte Massnahmen<br />
erfordern.<br />
Im Folgenden wird generell der weniger differenzierte, aber relativ neutrale Begriff „Lernschwierigkeiten“<br />
verwendet, wobei damit alle oben genannten Kategorien von Lernbehinderungen<br />
gemeint sind.<br />
13 Der Begriff Lernbehinderung i.w.S. wird einerseits als Oberbegriff für die drei dargestellten Kategorien verwendet,<br />
andererseits wird er i.e.S. für allgemeine Beeinträchtigungen im kognitiv-abstrakten Bereich verwendet.<br />
14 Gemäss nBBG wird die Anlehre neu als berufliche Grundbildung mit Attest bezeichnet.<br />
41
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Zur Erfassung und Beschreibung von Lernschwierigkeiten ist die Frage nach deren Ursachen<br />
nicht immer prioritär. Auch für die pädagogische „Behandlung“ von Lernschwierigkeiten<br />
braucht es oftmals keine genauere Kenntnis der Ursachen. Andererseits beeinflussen unsere<br />
Annahmen über ursächliche Zusammenhänge bei Lernschwierigkeiten deren Wahrnehmung<br />
und Verständnis sowie die Ausrichtung von Interventionsmassnahmen, so dass diese bewusst<br />
reflektiert werden sollten. Ohne auf die vielen möglichen person- oder umweltbedingten Ursachenfaktoren<br />
von Lernschwierigkeiten einzugehen, kann man sagen, dass diese meist in<br />
komplexer Weise interagieren und die genauen Ursachen oft nicht befriedigend geklärt werden<br />
können.<br />
Lerndefizite können grundsätzlich auf drei Ebenen lokalisiert werden, nämlich als<br />
• individuelle Merkmale (Mängel) von Lernenden<br />
• unterrichtliche Merkmale (Mängel)<br />
• systemisch-gesellschaftliche Merkmale (Mängel)<br />
Dem komplexen Zusammenspiel verschiedener Ursachenfaktoren entspricht sicher ein Verständnis<br />
von Lernschwierigkeiten, das alle drei Ebenen einbezieht, insbesondere auch die<br />
systemisch-gesellschaftliche. Die Ansatzpunkte für eine Intervention im Sinne einer pädagogisch<br />
orientierten, individualisierten <strong>Lernberatung</strong> in der beruflichen Ausbildung liegen aber<br />
auf den ersten beiden Ebenen. Als Lernberaterinnen und Lernberater können wir primär den<br />
Lernenden selbst und – bei entsprechender Bereitschaft – ihren Ausbildenden pädagogische<br />
Hilfestellungen bieten.<br />
<strong>Lernberatung</strong> als Förderung von Lernprozessen<br />
Wenn wir in der <strong>Lernberatung</strong> den Blick auf individuelle Lernvoraussetzungen und Lernschwierigkeiten<br />
richten, intervenieren wir vor allem auf der Ebene der kognitiven und metakognitiven<br />
Prozesse, die es zu optimieren gilt. Büchel (1995) spricht von kognitiver Förderung<br />
oder Erziehung 15 und betont deren klinische, d.h. individualisierte Vorgehensweise.<br />
Daneben zeichnet sich kognitive Förderung dadurch aus, dass nicht die Vermittlung von neuem<br />
Wissen im Zentrum steht, sondern der Auf- und Ausbau der kulturell geprägten Werkzeuge<br />
des Lernens und Denkens durch die Anpassung und Restrukturierung der individuellen<br />
Lernerfahrungen.<br />
Kognitive Prozesse sind immer mit motivational-emotionalen Prozessen verbunden, die bei<br />
der Informationsverarbeitung ebenfalls wichtige Rolle spielen 16 (z.B. Haywood, 1992). Beim<br />
Lernen kann eine Reihe kognitiver Prozesse beeinträchtigt oder mangelhaft ausgeprägt sein,<br />
die sich z.B. auf folgende Bereiche beziehen (Borkowski & Day, 1987):<br />
15 „L’éducation cognitive est une approche systématique de transmission des outils du fonctionnement intellectuel.<br />
Elle s’inscrit dans une orientation clinique de l’éducation. Il ne s’agit donc pas de l’enseignement de nouvelles<br />
connaissances, mais bien d’une médiation de la reconstruction individuelle des outils culturels de l’apprentissage<br />
et de la pensée, par une adaptation et une restructuration d’expériences personnelles“ (Büchel, 1995,<br />
9).<br />
16 Der Ausdruck „hot cognition“ weist z.B. auf die enge Verbindung zwischen kognitiven und motivationalemotionalen<br />
Prozessen hin. Kognitive Lernförderung wird hier als Intervention verstanden, die nicht rein kognitivistisch<br />
ausgerichtet ist, sondern sich auch mit motivational-emotionalen Aspekten des Lernens auseinandersetzt.<br />
42
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
• Aufmerksamkeit<br />
• Diskriminationsfähigkeit<br />
• Sensorische Integration<br />
• Gedächtnis<br />
• Begriffsbildung<br />
• Problemlösen<br />
Eine prozessorientierte Betrachtungsweise kommt in neueren Definitionen des Begriffs Lernschwierigkeiten<br />
17 zum Ausdruck:<br />
• Lernschwierigkeiten betreffen elementare Prozesse, die am mündlichen oder schriftlichen<br />
Verstehen oder Verwenden von Sprache beteiligt sind. Sie äussern sich in einer<br />
verminderten Fähigkeit zuzuhören, zu sprechen, zu lesen, zu schreiben und zu rechnen<br />
(Educational Office, zit. nach Borkowski & Day, 1987, 6).<br />
• Lernschwierigkeiten beeinträchtigen den Erwerb, die Organisation, die Speicherung<br />
und das Verständnis verbaler und non-verbaler Information; sie beeinträchtigen den<br />
Erwerb und Gebrauch der mündlichen Sprache, des Lesens, des Schreibens und der Mathematik.<br />
Sie können auch beteiligt sein bei Schwierigkeiten in der sozialen Wahrnehmung<br />
und Interaktion. Sie sind bedingt durch eine Schwäche oder Veränderung von<br />
Prozessen, die an der Wahrnehmung, dem Denken, dem Gedächtnis oder dem Lernen<br />
beteiligt sind. Dazu gehören u.a.: sprachliche, phonologische, visuell-räumliche Verarbeitung,<br />
Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen. Dabei liegen zumindest<br />
durchschnittliche allgemeine intellektuelle Fähigkeiten vor (Learning Disabilities Association<br />
of Canada, 2002).<br />
Lernberaterinnen und Lernberater, die Schülerinnen und Schüler in Bezug aufs Lernen beraten<br />
und unterstützen, fokussieren ihre Bemühungen also auf die individuell zu verbessernden<br />
Lernprozesse. Das heisst, sie können mangelhafte Lernprozesse erfassen und analysieren und<br />
aufgrund ihrer Analyse die Lernförderung planen und durchführen. Hauptziel einer <strong>Lernberatung</strong><br />
ist dabei, wie eingangs erwähnt, die Lernenden möglichst zum unabhängigen, selbstgesteuerten<br />
Lernen zu führen.<br />
17 Diese Definitionen beziehen sich auf „learning disabilities“ bzw. „troubles d’apprentissage“, d.h. also auf<br />
spe-zifische Lernschwierigkeiten (siehe auch Fussnote 4).<br />
43
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Selbststeuerung des Lernens<br />
Autonomes, selbstgesteuertes Lernen erfordert die Entwicklung und das Zusammenwirken<br />
verschiedenster Komponenten bei den Lernenden (vgl. z.B. Borkowski, Carr, Rellinger, &<br />
Pressley, 1990; Friedrich & Mandl, 1997). Sie können generell in drei grössere Gruppen von<br />
Faktoren eingeteilt werden:<br />
• Motivational-emotionale Faktoren<br />
• Metakognitive Faktoren<br />
• Kognitive Faktoren<br />
Je nach Theoriebezügen, die im Vordergrund stehen, kann man innerhalb dieser drei Gruppen<br />
verschiedene Teilkomponenten unterscheiden, die als wichtige Grundlage für selbstgesteuertes<br />
Lernen erachtet werden. In den nachfolgendenen Auflistungen 18 werden einige Teilkomponenten<br />
aufgezählt und kurz besprochen. Sie werden als theoretische Konzepte vorgeschlagen<br />
und untersucht, gelten aber auch als wichtige Elemente von Lernförderprogrammen oder<br />
kognitiven Trainings:<br />
Motivational-emotionale Faktoren<br />
- Intrinsische Motivation (im Gegensatz zu extrinsischer Motivation)<br />
- Lernorientierung (im Gegensatz zu Leistungsorientierung)<br />
- Aufgabenorientierung (im Gegensatz zu Lageorientierung)<br />
- Kausalattribution (lernförderliche vs. lernhinderliche)<br />
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung (im Gegensatz zu Hilflosigkeit)<br />
Beispielsweise wird intrinsische Motivation, d.h. ein von innen gesteuerter Lernantrieb, als<br />
zentral für das Entwickeln und Verfolgen eigener Lerninteressen erachtet, aber auch andere<br />
Aspekte eines günstigen Lernverhaltens (z.B. Ausdauer, eigenes Anspruchsniveau, Explorationsfreudigkeit,<br />
u.a.m.) werden damit in Verbindung gebracht. Bei der extrinsischen Motivation<br />
sind äusserliche Anreize massgebend (z.B. soziale oder materielle Folgen, gute Noten,<br />
u.ä.) Die besonderen motivationalen Prozesse, die das Lernen von Personen mit Lernschwierigkeiten<br />
oder geistigen Behinderungen kennzeichnen, wurden z.T. schon früh untersucht<br />
(z.B. Haywood, 1971), sind aber auch Gegenstand aktueller Publikationen (vgl. z.B. Switzky,<br />
2001).<br />
Als Lernorientierung wird, im Gegensatz zur Leistungsorientierung, ein Lernverhalten definiert,<br />
das vor allem motiviert ist durch das Bestreben, das eigene Wissen und die eigenen Fertigkeiten<br />
im jeweiligen Inhaltsbereich auszubauen (z.B. Dweck, 1992; Nicholls, 1989). Es<br />
wird also um der Sache willen und im Hinblick auf die individuelle Bezugsnorm gelernt, und<br />
nicht weil über Lernerfolge z.B. der eigene Status gehoben oder die Ueberlegenheit gegenüber<br />
anderen demonstriert werden kann.<br />
18 Diese erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und klare Abgrenzbarkeit der einzelnen Teilkomponenten.<br />
44
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Eine Aufgabenorientierung kennzeichnet Personen, die sich angesichts von Schwierigkeiten,<br />
Fragen oder Zweifeln beim Lernen positiv herausgefordert fühlen und deshalb ihre Aufmerksamkeit<br />
und Lösungsbemühungen auf die Bewältigung der sachlichen Probleme fokussieren<br />
können. Dagegen bedeutet eine Lageorientierung, dass beim Lernen auftretende Hindernisse<br />
negative Emotionen hervorrufen, deren Kontrolle die zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />
von Lernenden unter Umständen völlig absorbiert, so dass sie für sachbezogene Aspekte<br />
kaum mehr freie Kapazitäten haben (z.B. Kuhl, 1983).<br />
Bei der Kausalattribution geht es darum, wie Lernende ihre Lernergebnisse, also Erfolge und/<br />
oder Misserfolge, subjektiv erklären. Lernförderliche Attributionen stärken das Selbstbild<br />
und bewirken eine Erfolgsorientierung beim Lernen, indem die Gründe für Lernerfolg in der<br />
eigenen Anstrengung oder Begabung gesucht werden, während Misserfolge mit mangelnder<br />
Anstrengung oder äusseren Faktoren (z.B. Aufgabenschwierigkeit, Pech) erklärt werden, aber<br />
nicht mit einer Geringschätzung der eigenen Fähigkeiten. Bei lernhinderlichen Attributionsmustern<br />
verhält es sich umgekehrt, d.h. Lernerfolge werden auf äussere, nicht beeinflussbare<br />
Faktoren (z.B. geringe Anforderung, Glück), Misserfolge dagegen auf einen Mangel an eigenen<br />
Fähigkeiten zurückgeführt (z.B. Heckhausen, 1984; Weiner, 1972).<br />
Positive oder negative Attributionsmuster verfestigen sich über die Zeit und über Situationen<br />
hinweg und werden zu mehr oder weniger generalisierten Erwartungshaltungen, die zukünftige<br />
Lernprozesse beeinflussen. Dies kann in der Form von positiven Selbstwirksamkeitsüberzeugungen<br />
geschehen, d.h. dem Gefühl, die eigenen Lernprozesse erfolgreich kontrollieren<br />
zu können (z.B. Bandura, 1977; Flammer 1990). Wiederholte Misserfolgserlebnisse beim<br />
Lernen, die mit ungünstigen Kausalattributionen einhergehen, führen hingegen zu negativen<br />
Gefühlen bezüglich der eigenen Wirksamkeit, was auch als „erlernte Hilflosigkeit“ 19 bezeichnet<br />
wird.<br />
Metakognitive Faktoren<br />
- Metawissen über Personen, Aufgaben und Strategien<br />
- Exekutive Prozesse (antizipieren, planen, überwachen, kontrollieren der eigenen Lernprozesse)<br />
In theoretischen Ansätzen der Metakognition sowie in metakognitiv orientierten Trainingsstudien<br />
wurde postuliert und teilweise klar gezeigt, dass beim erfolgreichen Lernen – nebst<br />
(vor)wissensbezogenen Faktoren – übergeordnete Wissensbestände und Kontrollprozesse den<br />
Einsatz untergeordneter Lern- und Problemlösestrategien steuern und koordinieren.<br />
So hat Flavell (1971) den Begriff „Metagedächtnis“ geprägt, dem er die Repräsentation des<br />
Metawissens zuordnete, d.h. Wissen über sich selbst und andere Personen bezüglich der Informationsverarbeitung,<br />
Wissen über Aufgabentypen und Strategien der Bearbeitung. Metawissen<br />
gilt als zentral im Hinblick auf zielorientiertes, selbstgesteuertes und bewusstes Lernen.<br />
Es baut sich vor allem im Verlauf und als Folge der Beschulung auf.<br />
In anderen Ansätzen wurden, im Gegensatz bzw. in Ergänzung zum Metawissen, eher die<br />
übergeordneten prozeduralen Komponenten der Informationsverarbeitung ins Zentrum gestellt<br />
(z.B. Brown, 1975, Brown & DeLoache, 1978). Darunter zählt man die Prozesse, die<br />
Lernenden erlauben, ihre mentalen Handlungen zu planen, zu überwachen und zu evaluieren.<br />
19 Wenn Hilflosigkeitsgefühle auf viele Lebensbereiche generalisieren, kann dies zu Depressionen führen (vgl.<br />
Seligman, 1975)<br />
45
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Personen mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen fallen regelmässig durch<br />
Defizite im Metawissen und in den exekutiven Funktionen auf. Trainingsstudien haben gezeigt<br />
(vgl. z.B. Campione, 1984), dass metakognitive Defizite unter günstigen Instruktionsbedingungen<br />
zumindest teilweise überwunden werden können, was zu einer Steigerung der<br />
Lernleistungen führt. Die spontane und selbständige Weiterentwicklung und Nutzung metakognitiver<br />
Funktionen bleibt jedoch leider oft begrenzt. Dies wird auch dahingehend interpretiert,<br />
dass individuelle Differenzen in der allgemeinen intellektuellen Fähigkeit sich vor allem<br />
auch im Ausmass des spontanen Erwerbs und Gebrauchs von Metakognitionen ausdrücken<br />
(z.B. Campione, Brown, & Ferrara, 1978).<br />
Kognitive Faktoren<br />
- Strategien zur Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Lerninhalten<br />
- Elementare mentale Operationen und Funktionen<br />
Als kognitive Faktoren werden die von den metakognitiven Komponenten gesteuerten Lern-,<br />
Denk- und Problemlösestrategien betrachtet, welche die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung<br />
von Informationen betreffen. Es gibt verschiedene theoretische Konzeptionen und<br />
unzählige empirische Forschungsergebnisse über die Vermittlung von Lern- und Problemlösestrategien,<br />
die hier nicht angemessen dargestellt werden können. Umfassendere, deutschsprachige<br />
Ueberblicke finden sich bei Mandl & Friedrich (1992) und Klauer (1993). Bei Lernenden<br />
mit allgemeinen Lernschwierigkeiten muss zudem oft die Vermittlung von elementaren<br />
mentalen Operationen und Funktionen (z.B. Vergleichen, Kategorisieren u.ä.) nachgeholt<br />
werden (vgl. z.B. Feuerstein et al., 1980).<br />
46
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Das Zusammenwirken kognitiver, metakognitiver und motvationaler Faktoren beim Lernen<br />
Zur Illustration des Zusammenspiels zwischen kognitiven, metakognitiven und motivationalemotionalen<br />
Faktoren kann ein Modell von Borkowski & Muthukrishna (1992) dienen.<br />
Metawissen über sich selbst<br />
- Aufgabenorientierung<br />
- Selbstwert<br />
- Selbstbild-Möglichkeiten<br />
- Lernziele<br />
Bereichsspezifisches<br />
Wissen<br />
Exekutive<br />
Prozesse<br />
Spezifisches Strategiewissen<br />
1. Repetition<br />
2. Organisation<br />
3. Verbale Elaboration<br />
4. Zusammenfassung<br />
etc.<br />
Aufgabe Strategie-Einsatz Leistung Feedback<br />
Motivation<br />
- Attribution<br />
- Anspruchsniveau<br />
- Selbstkonzept<br />
- Bedürfnisaufschub<br />
- Intrins. Motivation<br />
etc.<br />
Abbildung 1: Modell des Einsatzes von Lernstrategien (Borkowski & Muthukrishna, 1992)<br />
Das Modell erscheint auf den ersten Blick komplex, doch wenn die abgebildeten Zusammenhänge<br />
in einzelne Schritte bzw. Regelkreise zerlegt werden, lässt es sich leichter erfassen. Im<br />
unteren Teil der Abbildung hat es mehrere Kästchen nebeneinander, wobei ganz links von<br />
einer möglichen Aufgabe ausgegangen wird. Wenn bei einer Aufgabe bestimmte Strategien<br />
eingesetzt werden, resultiert eine Lernleistung bzw. ein -produkt, auf das im schulischen Kontext<br />
(z.B. von der Lehrperson) meist ein Feedback erfolgt. Ueber dieses Feedback werden<br />
47
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
verschiedene motivationale Komponenten (vgl. unterstes Kästchen) beeinflusst, z.B. die erwähnten<br />
Kausalattributionen. Die Entwicklung und Ausprägung der motivationalen Gesamtlage<br />
mittels fremder und eigener Bewertungsprozesse beeinflusst, ob und wie neue Aufgaben<br />
angepackt werden.<br />
Weiter halten Lernende ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von Lernstrategien im Gedächtnis<br />
fest und bauen so über die Zeit ihr spezifisches Strategiewissen auf (vgl. separates Kästchen).<br />
Das spezifische Strategiewissen differenziert sich zunehmend und beeinflusst den zukünftigen<br />
Einsatz von Strategien. Je mehr strategisches Wissen Lernenden zur Verfügung steht, umso<br />
wichtiger werden die Prozesse, welche die geeignete Auswahl und Koordination möglicher<br />
Strategien steuern. Dabei helfen exekutive Prozesse, deren Aktivierung einerseits über die<br />
Aufgabe selbst, andererseits über die motivationalen Prozesse erfolgt. Das Vorhandensein<br />
günstiger strategischer, motivationaler und exekutiver Bedingungen allein reicht aber nicht<br />
aus, um Aufgaben erfolgreich zu lösen – es braucht auch bereichsspezifisches Sachwissen,<br />
das in einem separaten Kästchen mit Verbindungen zur Aufgabe und zur Lernleistung dargestellt<br />
ist. Je mehr Aufgaben im Laufe der Zeit bearbeitet werden, desto mehr Wissen und Erfahrungen<br />
werden abgelegt, die letztlich in Form von Metawissen über die eigene Person als<br />
lernendes Wesen vorliegen, und die ganze Selbstwahrnehmung in Bezug aufs Lernen prägen.<br />
Dieses Modell ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie man sich das komplexe Zusammenspiel der<br />
verschiedenen Faktoren vorstellen kann, die beim Erbringen von Lernleistungen eine Rolle<br />
spielen. Man könnte beispielsweise auch das Modell der Variablen des schulischen Lernens<br />
von Büchel (1996) heranziehen, das einem Fragebogen zugrunde liegt, den Berufsschullehrpersonen<br />
bei ihren Schülerinnen und Schülern für eine erste Analyse von Lernschwierigkeiten<br />
einsetzen können. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang vor allem, dass Lernberaterinnen<br />
und Lernberater sich von prozessorientierten Modellen leiten lassen, wenn sie das Lernen<br />
von Schülerinnen und Schülern beobachten, analysieren und daraus Schlüsse im Hinblick<br />
auf die Lernförderung ableiten.<br />
Wenn eine gezielte metakognitive Analyse des Lernens und Denkens vorgenommen wird,<br />
kann die Förderung gezielt und differenziert geplant und durchgeführt werden. Aus lerndiagnostischer<br />
Sicht kommen nach Büchel (2002) beispielsweise folgende Interpretationen und<br />
Massnahmen in Betracht, wenn Lernschwierigkeiten genauer beobachtet und erfasst werden:<br />
• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz nicht erworben haben, aber die Fähigkeit<br />
haben sollten, dies zu tun Bilanz der Lernfähigkeit erstellen<br />
• Lernende, welche die Fähigkeit haben sollten, ein Wissen / eine Kompetenz zu erwerben,<br />
aber ungeeignete Strategien benutzen Metawissen über Strategien aufbauen<br />
• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, sich aber dessen nicht<br />
bewusst sind allgemeines lernbezogenes Selbstbild fördern<br />
• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, aber deren Relevanz in<br />
einer gegebenen Situation nicht erkennen Metawissen über Aufgaben (kognitiver<br />
Aspekt) und günstige Kausalattribution (motivationaler Aspekt) aufbauen<br />
• Lernende, die ein Wissen / eine Kompetenz erworben haben, diese aber nicht effizient<br />
nutzen exekutive Funktionen (= Planung, Ueberwachung, Kontrolle) fördern, Gedächtnisüberlastung<br />
vermeiden (= Automatisierung, geeignete kognitive Strategien)<br />
Von der Fremdsteuerung zur Selbststeuerung<br />
48
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Selbststeuerung beim Lernen wird über verschiedene Formen von Fremdsteuerung, d.h. über<br />
Anleitung und Unterstützung durch andere, expertere (Lehr)Personen erworben. Der<br />
soziale Ursprung intellektueller Funktionen wurde von Wygotski (1934/1977) hervorgehoben,<br />
der das Lernen in der „Zone der nächsten Entwicklung“ in Bezug auf die differentialdiagnostische<br />
Einschätzung intellektueller Fähigkeiten sogar für aussagekräftiger hielt als den<br />
aktuellen Entwicklungsstand eines Individuums, der das selbständige Problemlösen kennzeichnet.<br />
Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung bedeutet, dass Lernende entsprechende<br />
Aufgabenstellungen (noch) nicht allein bewältigen können, sondern auf Anleitung und<br />
Unterstützung von kompetenteren Erwachsenen oder Peers angewiesen sind. Bei der Erfassung<br />
und Einschätzung intellektueller Leistungen unter Hilfebedingungen wird gleichzeitig<br />
sichtbar, wie Lernende die Hilfen aufnehmen und inwiefern sie ihre Leistungen damit steigern<br />
können. Das mit Unterstützung realisierbare Potential kann – auch bei gleichem aktuellem<br />
Entwicklungsstand von Lernenden – unterschiedlich ausfallen.<br />
Beim aufmerksamen Beobachten individueller Lernprozesse unter Hilfebedingungen (die man<br />
in der Regel selber gibt) erhalten Lernberaterinnen und Lernberater wichtige diagnostische<br />
Informationen, die Hinweise über mögliche Ansatzpunkte in der Lernförderung liefern.<br />
Wenn Prozesse der Anleitung und Unterstützung beim Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung<br />
genauer betrachtet werden, so stellt man fest, dass es sich um sozial-interaktive<br />
Vermittlungsformen handelt, bei denen<br />
• Imitationslernen<br />
• Erzeugung kognitiver Konflikte<br />
• gemeinsames Verstehen und Problemlösen<br />
eine wichtige Rolle spielen. Sowohl das Vorzeigen und Nachmachen als auch das Hervorheben<br />
von Widersprüchen oder Unstimmigkeiten und das gemeinsame Bearbeiten von Problemen<br />
läuft dabei vornehmlich in einer sprachlich-dialogischen Form ab. Wygotksi nahm an,<br />
dass diese sozial-interaktiven Muster mit den Regulationen von aussen zunehmend verinnerlicht<br />
werden und schliesslich – wenn die entsprechenden Kompetenzen ins eigene kognitive<br />
Repertoire übergehen – als innere Sprache zur Steuerung des eigenen Denkens in verkürzter<br />
und veränderter Form weitergeführt werden.<br />
Neben den diagnostischen Einsichten, die beim Beobachten der Reaktionen von Lernenden<br />
auf angebotene Hilfen gewonnen werden können, interessiert beim Lernen in der Zone der<br />
nächsten Entwicklung die feine Abstimmung der Hilfestellungen auf die jeweiligen Bedürfnisse<br />
der Lernenden, wie sie bei erfahrenen und geschickten Vermittlern beobachtet werden<br />
kann. Die Rolle der kompetenteren oder experten Person, die das Lernen in der Zone der<br />
nächsten Entwicklung so unterstützen kann, dass es sich letztlich zur selbstgesteuerten Kompetenz<br />
weiterentwickelt, ist wohl für alle Lernberatinnen und Lernberater von besonderem<br />
Interesse.<br />
Verschiedene Autoren haben solche optimal angepassten Vermittlungsprozesse beschrieben<br />
und mit theoretischen Vorstellungen verbunden. Dazu gehören:<br />
• Kognitive Stützfunktionen (engl. scaffolding) (Wood, Bruner, & Ross, 1976)<br />
• Variablen der Mediation (Feuerstein et al., 1980)<br />
• Cognitive apprenticeship (Brown, Collins, & Duguid, 1989)<br />
• Peripheral legitimate participation (Lave & Wenger, 1991)<br />
49
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Zwei dieser Vermittlungsmodelle werden nachfolgend kurz erläutert, für die anderen verweisen<br />
wir lediglich auf die entsprechende Literatur.<br />
Experten 20 bieten Lernenden im allgemeinen folgende kognitive Stützfunktionen an (nach<br />
Wood, Bruner, & Ross, 1976):<br />
• Interesse für die Aufgabe wecken und Aufmerksamkeit sichern.<br />
• Aufgabe durch Handlungsbegrenzung der Lernenden vereinfachen (nicht durch aufgabenseitige<br />
Reduktion der Komplexität!). Die experte Person unterstützt oder übernimmt<br />
die Anteile der Aufgabenlösung, welche die Lernenden noch nicht alleine meistern.<br />
• Zielorientierung erhalten, d.h. verhindern, dass sich die Lernenden in Nebenzielen verlieren.<br />
• Auf wichtige Aspekte der Aufgabenbearbeitung und mögliche Verbesserungen hinweisen.<br />
• Frustrationen bei der Aufgabenbearbeitung verhindern (Lernerfolg dank gemeinsamer<br />
Aufgabenlösung sichern, ohne zu viel Abhängigkeit zu erzeugen).<br />
• Erwünschte Lösungsschritte vorzeigen, nicht nur erklären.<br />
Ganz ähnlich beschreiben Collins, Brown und Duguid (1989) die Expertenvermittlung, wobei<br />
sich ihr Konzept der „cognitive apprenticeship“ an Prozessen orientiert, wie sie für das Vermitteln<br />
bzw. Erlernen eines Handwerks typisch sind, d.h. Experten<br />
• zeigen Novizen Lernhandlungen 21 vor (modeling)<br />
• verweisen auf relevante Situations- und Handlungsbedingungen (scaffolding)<br />
• geben korrigierende Hinweise, wenn Novizen die Handlungen selber vollziehen (coaching<br />
22 )<br />
• lassen den Handlungsverlauf explizit beschreiben (articulation)<br />
• lassen die vollzogenen Handlungen rückblickend reflektieren (reflection)<br />
• bauen mit zunehmender Expertise der Novizen ihre Unterstützung langsam ab (fading<br />
out), damit Handlungssteuerung und -kontrolle allmählich auf die Novizen übergehen.<br />
In diesem Kontext kann noch erwähnt werden, dass der aktive Austausch in Kleingruppenund<br />
Klassendiskussionen, in Lerntandems und -partnerschaften, aber auch das Führen von<br />
Lernjournalen oder Lernportfolios geeignete Methoden zur Artikulation und Reflexion von<br />
Lernprozessen darstellen (vgl. z.B. Beck, Guldimann, & Zutavern, 1995).<br />
20 In der ersten Studie, in der diese Stützfunktionen beschrieben wurden, waren die Expertinnen Mütter, die ihre<br />
Kleinkinder beim Aufbau eines komplexen Puzzle-Turms unterstützten.<br />
21 Im Gegensatz zum handwerklichen Lernen geht es bei „cognitive apprenticeship“ vor allem darum, den Lernenden<br />
mentale Handlungen zugänglich zu machen; vormachen heisst in dem Kontext, dass z.B. laut<br />
(vor)gedacht wird.<br />
22 „<strong>Coaching</strong>“ wird in dem Kontext als Teilprozess verstanden, bei dem Lernende nicht mehr mit den stärkeren<br />
Hilfen wie modeling und scaffolding, sondern nur noch mit korrigierenden verbalen Hinweisen angeleitet werden.<br />
50
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Voraussetzungen einer erfolgreichen <strong>Lernberatung</strong><br />
Gemäss den bisherigen Ausführungen erfordert eine <strong>Lernberatung</strong>, die Lernenden auf dem<br />
Weg zur Selbststeuerung optimal angepasste Unterstützung bieten kann, Expertinnen und<br />
Experten, deren Analyse- und Vermittlungsfertigkeiten bezüglich Lernvorgängen eine hohe<br />
Qualität 23 aufweisen.<br />
Abschliessend lassen sich die erforderlichen Kompetenzen und Rahmenbedingungen einer<br />
erfolgreichen <strong>Lernberatung</strong> wie folgt zusammenfassen: Lernberaterinnen und Lernberater<br />
konzentrieren sich auf das<br />
• Einschätzen von Zonen der nächsten Entwicklung, indem sie eine individuell orientierte<br />
Lern- und Förderdiagnostik betreiben<br />
• Anwenden von Prinzipien und Methoden der kognitiv-motivationalen Lernförderung<br />
Letztere sind<br />
• individualisiert, d.h. realisierbar in individuellen <strong>Lernberatung</strong>ssitzungen 24 mit<br />
intraindividuellen und kriterienorientierten Normbezügen<br />
• vereinbart, d.h. bezogen auf individuelle Ziele und Bedürfnisse<br />
• transferorientiert, d.h. bezogen aufs schulische und betriebliche Lernen (aber<br />
nicht bloss als Repetitorium oder Nachhilfe verstanden)<br />
• integrativ, d.h. sehen eine rasche oder gleichzeitige (Re)Integration in kollektive<br />
pädagogische Fördermassnahmen vor<br />
• vernetzt, d.h. werden möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Ausbildungsverantwortlichen<br />
gestaltet<br />
23 Dazu braucht es entsprechende Lehrqualifikationen und eine Weiterbildung im Bereich der kognitiven Lernförderung.<br />
Daneben wären für Lernberaterinnen und Lernberater gewisse Formen der Supervision von Nutzen.<br />
24 Die Möglichkeit, individuelle Beratungssitzungen abzuhalten, schliesst nicht aus, dass der aktive Austausch<br />
zwischen Lernenden in Gruppen oder Klassen gefördert wird (z.B. in Stützkursen), welcher genau so wichtig ist.<br />
Individuelle <strong>Lernberatung</strong> und -förderung ist zudem als zeitlich beschränkte Massnahme im Sinne einer Kurztherapie<br />
(10-15 Sitzungen) zu planen, die den Transfer auf den schulischen Lernkontext im Auge behält (vgl.<br />
auch Büchel, 2002).<br />
51
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Literatur<br />
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological<br />
Review, 84, 191-215.<br />
Beck, E., Guldimann, T., & Zutavern, M. (1995). Eigenständig lernende Schülerinnen und<br />
Schüler. In E. Beck, T. Guldimann, & M. Zutavern (Hrsg.), Eigenständig lernen (Kollegium,<br />
Schriften der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, S. 15-58). St. Gallen: UVK.<br />
Borkowski, J. G., & Muthukrishna, N. (1992). Moving metacognition into the classroom:<br />
„Working models“ and effective strategy teaching. In M. Pressley & K. R. Harris (Eds.),<br />
Promoting academic competence and literacy in school (pp. 477-501). San Diego, CA:<br />
Academic Press.<br />
Borkowski, J. G., Carr, M., Rellinger, E., & Pressley, M. (1990). Self-regulated cognition:<br />
Interdependence of metacognition, attributions, and self-esteem. In B. F. Jones & L. Idol<br />
(Eds.), Dimensions of thinking and cognitive instruction (pp. 53-92). Hillsdale, NJ: Erlbaum.<br />
Borkowski, J. G. & Day, J. D. (Eds.).(1987). Cognition in special children. Norwood, NJ:<br />
Ablex.<br />
Brown, A. L. (1975). The development of memory; knowing, knowing about knowing, and<br />
knowing how to know. In H. W. Reese (Ed.), Advances in child development and behavior<br />
(Vol. 10). New York: Academic Press.<br />
Brown, A. L., & DeLoache, J. S. (1978). Skills, plans, and self-regulation. In R. Siegler (Ed.),<br />
Children’s thinking: What develops? Hillsdale, NJ: Erlbaum.<br />
Brown, J. S., Collins, A., & Duguid, P. (1989). Situated cognition and the culture of learning.<br />
Educational Researcher, 189 (1), 32-41.<br />
Büchel, F. P. (2002). Intervention métacognitive auprès d'élèves présentant des difficultés<br />
d'apprentissage avec ou sans trouble déficit de l'attention / hyperactivité (TDA / H). Demande<br />
de subside FNS du 30 septembre 2002.<br />
Büchel, F. P. (1996). DELV – Ein metakognitives Programm in der Ausbildung der Ausbildenden<br />
von geistig behinderten Lehrlingen. In K. Bernath & A-M. Besse (Hrsg.), Keine<br />
Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zur Ausbildung der Ausbildenden von behinderten Jugendlichen<br />
und Erwachsenen (S. 183-214). Luzern: SZH.<br />
Büchel, F. P. (Ed).(1995). L’éducation cognitive. Le développement de la capacité<br />
d’apprentissage et son évaluation. Neuchâtel: Delachaux et Niestlé.<br />
Campione, J. C. (1984). Ein Wandel in der Instruktionsforschung mit lernschwierigen Kindern:<br />
Die Berücksichtigung metakognitiver Komponenten. In F. E. Weinert & R. H. Kluwe<br />
(Hrsg.), Metakognition, Motivation und Lernen (S. 109-131). Stuttgart: Kohlhammer.<br />
Campione, J. C., Brown, A. L, & Ferrara, R. A. (1978). Mental retardation and intelligence.<br />
In R. J. Sternberg (Ed.), Handbook of human intelligence (pp. 391-490). New York: Cambridge<br />
University Press.<br />
Dweck, C. S. (1992). The study of goals in psychology. Psychological Sciences, 3, 165-167.<br />
Flammer, A. (1990). Erfahrung der eigenen Wirksamkeit. Einführung in die Psychologie der<br />
Kontrollmeinung. Bern: Huber.<br />
Feuerstein, R., Rand, Y., Hoffman, M. B., & Miller, R. (1980). Instrumental Enrichment. An<br />
intervention program for cognitive modifiability. Baltimore: University Park Press.<br />
Flavell, J. H. (1971). First discussant’s comments: What is memory development the development<br />
of? Human Development, 14, 272-278.<br />
52
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Friedrich, H. F., & Mandl, H. (1997). Analyse und Förderung selbstgesteuerten Lernens. In F.<br />
E. Weinert & H. Mandl (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie (Themenbereich D: Praxisgebiete,<br />
Serie 1: Pädagogische Psychologie, Bd. 4: Psychologie der Erwachsenenbildung,<br />
S. 237-293). Göttingen: Hogrefe.<br />
Haywood, H. C. (1971). Individual differences in motivational orientation; A trait approach.<br />
In H. I. Day, D. E. Berlyne, & D. E. Hunt (Eds.), Intrinsic motivation: A new direction in<br />
education. Toronto: Holt, Rinehart & Winston.<br />
Haywood, H. C. (1992). The strange and wonderful symbiosis of motivation and cognition.<br />
International Journal of Cognitive Education & Mediated Learning, 2, 186-197.<br />
Heckhausen, H. (1984). Attributionsmuster für Leistungsergebnisse – individuelle Unterschiede,<br />
mögliche Arten und deren Genese. In F. E. Weinert & R. H. Kluwe (Hrsg.), Metakognition,<br />
Motivation und Lernen (S. 133-164). Stuttgart: Kohlhammer.<br />
Klauer, K. J. (Hrsg.). (1993). Kognitives Training. Göttingen: Hogrefe.<br />
Kobi, E. (1977). Modelle und Paradigmen in der heilpädagogischen Theoriebildung. In A.<br />
Bürli (Hrsg.), Sonderpädagogische Theoriebildung -- Vergleichende Sonderpädagogik.<br />
Luzern: SZH.<br />
Kuhl, J. (1983). Motivation, Konflikt und Handlungskontrolle. Heidelberg: Springer.<br />
Lave, J. & Wenger, E. (1991). Situated learning: Legitimate peripheral participation. Cambrigde,<br />
MA: Cambridge University Press.<br />
Learning Disabilities Association of Canada (2002, January). Official definition of learning<br />
disabilities. Retrieved September 24, 2002, from http://www.Idac-taac.ca<br />
Mandl, H., & Friedrich, H. F. (1992). Lern- und Denkstrategien. Analyse und Intervention.<br />
Göttingen: Hogrefe.<br />
Nicholls, J. G. (1989). Achievement motivation: Conceptions of ability, subjective experience,<br />
task choice, and performance. Psychological Review, 91, 328-346.<br />
Rogers, C. R. (1972). Die nichtdirektive Beratung. München: Kindler.<br />
Seligman, M. P. E. (1975). Helplessness. On depression, development and death. San Francisco:<br />
Freeman (dt. 1983, 2. Auflage: Erlernte Hilflosigkeit. München: Urban & Schwarzenberg.<br />
Sturny, G. (1985). Scolarisation des élèves ayant des difficultés d'apprentissage. Lucerne:<br />
Edition SPC.<br />
Switzky, H. N. (Ed.). (2001). Personality and motivational differences in persons with mental<br />
retardation. Mahwah, NJ: Erlbaum.<br />
Weiner, B. (1972). Theories of motivation: Chicago: Markham (dt. 1976: Theorien der Motivation.<br />
Stuttgart: Klett).<br />
Wood, D., Bruner, J. S., & Ross, G. (1976). The role of tutoring in problem solving. Journal<br />
of Child Psychology and Psychiatry, 17, 89-100.<br />
Wygotski, L. S. (1934/1977). Denken und Sprechen. Frankfurt: Fischer.<br />
53
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Ateliers 2<br />
<strong>Lernberatung</strong><br />
1. <strong>Lernberatung</strong> an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel<br />
Ruth Wolfensberger<br />
Allgemeine Gewerbeschule Basel<br />
Gefragte Dienstleistung<br />
Seit drei Jahren gibt es in der Allgemeinen Gewerbeschule eine <strong>Lernberatung</strong>. Sie wurde<br />
zuerst als Projekt des Lehrstellenbeschlusses 2 geführt und ist seit August 2002 an<br />
der AGS institutionalisiert. Sie ist eine Dienstleistung der Schule und steht allen Jugendlichen<br />
mit einem Lehrvertrag und Schulort Basel-Stadt offen.<br />
Claudia F. ist Floristin. Sie steht unter grossem Druck, denn Mathematik war noch nie ihre<br />
Stärke. Sie braucht länger als die andern, um einen Text zu verstehen oder selbst zu verfassen,<br />
und trotz grossem Lerneinsatz wollen ihr die vielen Pflanzennamen einfach nicht in den Kopf.<br />
Dabei macht ihr der Beruf eigentlich Spass, und wohl fühlt sie sich in ihrem Betrieb ebenfalls.<br />
Deshalb kommt sie während ihrer Mittagspause zu uns in die <strong>Lernberatung</strong>.<br />
In der <strong>Lernberatung</strong> versuchen wir gezielt, Claudias Lernstrategien zu verbessern. Sie erhält<br />
zusätzlich auch eine individuelle Betreuung in einem Stützkurs. Doch wir stellen bald fest,<br />
dass Claudia überfordert ist. Zu einem gemeinsamen Orientierungsgespräch treffen sich sieben<br />
Personen: Claudia, ihre Mutter, die Lehrmeisterin, der Gewerbeinspektor, die beiden<br />
Lehrer und die Lernberaterin. Und wir finden für Claudia eine gute Lösung: Ihr Lehrvertrag<br />
wird in einen Anlehrvertrag umgewandelt, sie kann aber in ihrer Schulklasse bleiben, wo ihr<br />
die beiden Lehrer ein eigenes Förderprogramm ohne Notendruck zusammenstellen.<br />
Yusuf M. ist erst seit wenigen Jahren in der Schweiz, lernt Montageelektriker und lebt seit<br />
kurzer Zeit allein. Er hat Mühe, kompliziertere Anweisungen zu verstehen, will aber die Lehre<br />
unbedingt abschliessen. Er bekommt auf seinen Wunsch in der <strong>Lernberatung</strong> ein <strong>Coaching</strong><br />
mit einer Lernvereinbarung und Hilfe bei seinen Kontakten mit Einwohnerdiensten und Sozialamt,<br />
besucht an der Schule einen Deutsch-Stützkurs und in seiner Freizeit noch einen individuellen<br />
Förderkurs. Für die Budgetberatung wird er an die bfa-Jugendberatung weitergeleitet,<br />
sein Lehrmeister unterstützt ihn im Betrieb und ist notfalls auch bereit, seine Lehrzeit zu<br />
verlängern. Yusuf erscheint regelmässig zu seinen <strong>Coaching</strong>terminen und ist stolz auf seine<br />
Fortschritte.<br />
Die beiden Beispiele geben einen Einblick in die tägliche Arbeit der <strong>Lernberatung</strong> und zeigen,<br />
dass individuelle Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe eine Dienstleistung ist, die an unserer<br />
Schule dringend erforderlich ist. Es hat sich an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel<br />
deutlich gezeigt, dass nicht nur fremdsprachige Schülerinnen und Schüler grosse sprachliche<br />
54
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Schwierigkeiten haben. Auch Jugendliche, die in der Schweiz geboren sind oder sogar<br />
Deutsch als Erstsprache gelernt haben, fühlen sich häufig überfordert und können den schulischen<br />
Anforderungen einer Lehre nicht genügen.<br />
Beratung und Begleitung<br />
Jugendliche mit Lern- und Leistungsdefiziten oder mit Sprachschwierigkeiten werden von<br />
uns gezielt beraten und begleitet. Wir unterstützen sie so bei ihrem - manchmal recht grossen<br />
- Schritt von der Schule ins Berufsleben. Auch wenn Probleme anderer Art auftauchen, zum<br />
Beispiel Ablösungsprobleme, familiäre Schwierigkeiten, Lebenskrisen, Prüfungsangst, gesundheitliche<br />
oder auch finanzielle Probleme, so hat dies meist direkte Auswirkungen auf das<br />
Lernen. Spätestens dann, wenn das beeinträchtigte Lernen auch Leistungsabfall und Motivationsmangel<br />
mit sich bringt, wird es sinnvoll, die <strong>Lernberatung</strong> aufzusuchen. In der Bezeichnung<br />
”<strong>Lernberatung</strong>” schwingen weder amtlich-bürokratische Töne mit, noch werden psychologisch-therapeutische<br />
Ansätze vorgegeben; das Angebot ist niederschwellig.<br />
Die <strong>Lernberatung</strong> ist freiwillig, unbürokratisch, kostenlos und vertraulich!<br />
Damit wir die Probleme, aber auch das Potenzial und Lösungswege gemeinsam mit der Rat<br />
suchenden Person herausfinden können, nehmen wir uns Zeit für ein ausführliches, persönliches<br />
Gespräch.<br />
Triage und trouble-shooting<br />
Wir verstehen uns als Anlauf- und Beratungsstelle, bei der die Auszubildenden kompetent<br />
beraten, begleitet und – auf ihren eigenen Wunsch - an entsprechende Fachstellen weiter empfohlen<br />
werden. Gemeinsam mit den Lernenden suchen wir für die Probleme Lösungsansätze<br />
und leiten Massnahmen in die Wege.<br />
Bei Bedarf und auf Wunsch der Jugendlichen koordinieren wir die nötigen Schritte und besprechen<br />
sie mit allen an der Ausbildung beteiligten Personen. Daneben sind wir auch ”trouble-shooters”,<br />
Ansprechpersonen für Kurzinterventionen, Konfliktmanagement oder persönliche<br />
Gespräche.<br />
Information und Koordination<br />
Die <strong>Lernberatung</strong> ist eine Schnittstelle für alle internen und externen Fachstellen und Förderangebote,<br />
für alle möglichen Unterstützungs- und Beratungsstellen, für Lehrbetriebe, Lehrpersonen,<br />
Eltern und Ämter. Sie soll gleichzeitig für die Lehrpersonen auch eine Entlastung<br />
sein, denn im Unterricht fehlt erfahrungsgemäss oft die Zeit für ein ausführliches persönliches<br />
Gespräch. Die AGS-Lehrpersonen sind täglich konfrontiert mit dem hohen Anspruch, Fachund<br />
Allgemeinwissen zu vermitteln und gleichzeitig individuell und integriert Sprache zu<br />
fördern. Bedingt durch das System der berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen<br />
und die kurze Präsenzzeit der Jugendlichen an der Berufschule haben die Lehrpersonen<br />
oft weder Zeit noch Gelegenheit, die Probleme der Jugendlichen in nützlicher Frist wahrzunehmen<br />
und angemessen zu handeln.<br />
55
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Wir unterstützen und entlasten die Lehrpersonen, indem wir die Informationen sammeln und<br />
die Massnahmen koordinieren.Die Jugendlichen können bei uns auch einfache Informationen,<br />
z.B. rechtlicher Art, holen.<br />
Angebot und Nachfrage<br />
Im Zentrum der <strong>Lernberatung</strong> steht die/der Jugendliche, die Person, die einen Rat, eine Unterstützung,<br />
ein Gespräch, Vermittlung oder einfach „trouble-shooting” braucht.<br />
Bis jetzt haben ungefähr 170 Jugendliche das Angebot der <strong>Lernberatung</strong> genutzt. Einige standen<br />
nach einem oder zwei Gesprächen, Informationen, der Vermittlung von Förderangeboten<br />
oder externen Kontakten wieder „auf eigenen Beinen”, andere brauchten genauere Abklärungen,<br />
die <strong>Coaching</strong> über längere Zeit oder eine speziell angepasste, individuelle Lösung, Gespräche<br />
in ihren Lernbetrieben, Eltern, Lehrpersonen und Behörden erforderte. Bei gut drei<br />
Vierteln der Jugendlichen ist die Beratung im Moment abgeschlossen, die andern werden von<br />
uns noch begleitet. Neben der Vermittlung von Stütz- und Förderangeboten haben wir eine<br />
grosse Nachfrage nach Lernhilfen und Lernstrategien oder Hilfe bei Teilleistungsschwächen<br />
wie Wahrnehmungs- und Konzentrationsstörungen, Legasthenie, Diskalkulie etc.. Auch Orientierungshilfe<br />
oder eine erneute Berufs-/Laufbahnberatung, Unterstützung bei der Verhandlung<br />
mit dem Amt für Ausbildungsbeiträge, mit der Jugendfürsorge, IV oder Jugendberatung<br />
sind gefragt.<br />
Wir werden um Hilfe gebeten bei der Bewältigung von Prüfungsangst, um Unterstützung bei<br />
einem Gespräch mit einer Lehrperson oder einer verantwortlichen Person im Lernbetrieb, um<br />
Vorbereitung und/oder Moderation eines Konfliktgesprächs. Wir führen Gespräche mit Therapeutinnen<br />
und Therapeuten, Aerztinnen und Aerzten, stützen zeitweise verzweifelte Jugendliche<br />
bis sie wieder einen gangbaren Weg erkennen und klären mittels Lernstrategieprofil<br />
und Sprachstandanalyse Neigungen und Fertigkeiten, Stärken und Schwächen ab. Wir stärken<br />
verunsicherte Jugendliche und versuchen mit ihnen und den an ihrer Ausbildung beteiligten<br />
Personen die beste Lösung zu finden und entsprechende Massnahmen einzuleiten.<br />
Manchmal brauchen und wünschen die Jugendlichen etwas Druck und Verbindlichkeit, oft<br />
sind unsere Gespräche auch persönlicher Art. Identitätskrisen, Familientragödien, Migrationsprobleme,<br />
gesundheitliche Probleme oder ein diffuses „Nicht-mehr-weiter-wissen” führen<br />
die Jugendlichen zu uns. Hin und wieder genügt schon die Tatsache, dass jemand sich Zeit<br />
nimmt, einmal zuzuhören und zu verstehen.<br />
Erfolge und Resultate<br />
Es ist oft schwierig, Beratungserfolge in Zahlen zu dokumentieren. Sicher ist, dass der Erfolg<br />
immer auch vom Einsatz der Jugendlichen abhängt. Wir bieten deshalb vor allem Hilfe zur<br />
Selbsthilfe an. Nicht immer führen unsere Interventionen zum erhofften Erfolg, es kann sich<br />
erweisen, dass eine Umwandlung der Lehre in eine Anlehre oder sogar eine Auflösung des<br />
Lehrverhältnisses mit einer anschliessenden Neuorientierung sinnvoll ist, manchmal werden<br />
auch Probleme sichtbar, die nur längerfristig gelöst werden können. Es kommt aber auch vor,<br />
dass die Jugendlichen sich gegen eine grössere Lerninvestition (Stützkurs, Förderkurs etc.)<br />
entscheiden. Dann müssen sie die daraus entstehenden Konsequenzen in Kauf nehmen.<br />
56
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Die <strong>Lernberatung</strong> ist am Ende der dreijährigen Projektphase von der Schweizerischen Zentralstelle<br />
für die Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen (WBZ) in Luzern evaluiert worden.<br />
Die Resultate sind sehr erfreulich. Verantwortliche in den Lernbetrieben, Lehrpersonen<br />
und Kontaktpersonen im unterdessen grossen Netzwerk sind einhellig der Meinung, dass die<br />
<strong>Lernberatung</strong> für die Jugendlichen einem dringenden Bedarf entspricht und unbedingt weitergeführt<br />
werden muss.<br />
Die Rückmeldungen der beratenen Jugendlichen: „<strong>Lernberatung</strong> ist eine nützliche und wichtige<br />
Dienstleistung, die für mich dringend nötig war und nicht mehr wegzudenken ist.“<br />
57
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. Lernmotivationstraining und selbstorganisiertes<br />
Lernen in der LERNWERKSTATT – ein integratives<br />
Lerncoachingmodell<br />
Peter Ming und Marbeth Reif<br />
Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) Obwalden<br />
Im Rahmen der nationalen Pilotprojekte für die Umwandlung der bisherigen Anlehre in eine<br />
zweijährige Berufsausbildung mit Attest läuft in Kanton Obwalden seit dem Schuljahr<br />
2001/2002 eine Versuchsphase mit der sogenannten LERNWERKSTATT, einem integrativen<br />
Lerncoachingmodell.<br />
Einbezogen in die Pilotprojekte sind eine Klasse der metallbearbeitenden Branche in Giswil,<br />
eine Dienstleistungsklasse (vorwiegend aus dem Bereich Verkauf und dem Kochberuf) in<br />
Sarnen sowie zwei Logistikpraktikerklassen mit Lehrfrauen und Lehrlingen aus der ganzen<br />
Zentralschweiz. Zudem werden im Rahmen des Stützkursunterrichts für drei- und vierjährige<br />
Lehren Erfahrungen mit dem Einsatz der LERNWERKSTATT (Ordner bei der DBK zu beziehen)<br />
gesammelt.<br />
Das Projektteam setzt sich zur Zeit aus sechs berufskundlichen und zwei allgemeinbildenden<br />
Lehrpersonen zusammen.<br />
Die Ziele der LERNWERKSTATT<br />
Nahziel ist die Förderung der schulischen Grundkompetenzen innerhalb der berufsfeldorientierten<br />
Allgemeinbildung.<br />
Als mittelfristiges Ziel sehen wir den zukünftigen, modularen Weiterbildungsweg in Richtung<br />
EFZ (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) im Anschluss an die Grundausbildung mit Attest.<br />
Das Fernziel ist die Befähigung zum lebenslangen, selbständigen Lernen, zur Weiterbildung<br />
allgemein und, als Voraussetzung dafür, zum Aufarbeiten alter schulischer Blockaden und<br />
negativer Selbstbilder.<br />
Um Lernende mit bisher vorwiegend negativen schulischen Lernbiographien zu befähigen,<br />
auf ihrem Weg ins Berufsleben als erstes Etappenziel den Attestabschluss zu erreichen und,<br />
wo möglich, den modularen Weg in Richtung EFZ in Angriff zu nehmen, braucht es besondere<br />
Anstrengungen und vor allem ein angepasstes methodisch-didaktisches Vorgehen.<br />
Voraussetzung jeglichen erfolgreichen Lernens bildet eine genügend breite Basis, was Wissen<br />
und Können in den Grundkompetenzen Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und Mathematik<br />
betrifft. Um nun das Lernen in den zwei zur Verfügung stehenden Ausbildungsjahren möglichst<br />
effektiv zu gestalten, scheint sich die Verknüpfung von berufskundlichem und allgemeinbildendem<br />
Unterricht in einer wöchentlichen Doppellektion „LERNWERKSTATT“,<br />
geleitet im Teamteaching von berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen, zu<br />
bewähren.<br />
Der Ablauf eines Berufschultags im neuen Modell kann so aussehen:<br />
58
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
1. Lektion Berufskundeunterricht Nur berufskundliche Lehrperson im Einsatz<br />
2. Lektion Berufskundeunterricht Nur berufskundliche Lehrperson<br />
3. Lektion Lernwerkstatt Teamteaching von berufskundlicher und allgemeinbildender<br />
Lehrperson<br />
4. Lektion Lernwerkstatt Teamteaching<br />
5. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson im Einsatz<br />
6. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson<br />
7. Lektion Allgemeinbildender Unterricht Nur allgemeinbildende Lehrperson<br />
8. Lektion Turnen<br />
Die Wege zum Ziel<br />
Das Zusammenlegen der Kräfte im Teamteaching bringt wie erwartet einen Zeitgewinn, indem<br />
auf verschiedenen Ebenen Synergien genutzt werden und sprachliche und mathematische<br />
Grundkompetenzen anhand des jeweils neu erarbeiteten Stoffes des Berufskundeunterrichts<br />
trainiert und sinnvoll vernetzt werden können.<br />
Konkret heisst das zum Beispiel: Im allgemeinbildenden Unterricht wird die Mind Map-<br />
Technik eingeführt, im Berufskundeunterricht für den Kochberuf werden die Lehrfrauen mit<br />
den Grundzubereitungsarten vertraut gemacht. Im gemeinsamen LERNWERKSTATT-<br />
Unterricht entstehen dann Mind Maps zum Thema Grundzubereitungsarten oder die im allgemeinbildenden<br />
Unterricht neu erarbeitete 5-Schritte-Lesemethode wird bei einem neuen<br />
Fachtext angewandt.<br />
Die direkte Verknüpfung von Inhalten des Berufskundeunterrichts mit den drei Grundkompetenzen,<br />
vorgelebt im Teamteaching, macht das Lernen für die Lernenden erstmals so richtig<br />
einsichtig und somit sinnvoll und bringt auffällige Motivationsschübe, erste kleine Erfolge<br />
und bald einmal eine Stärkung des Selbstwertgefühls. Der Teufelskreis des bisherigen schulischen<br />
Misserfolgs kann so durchbrochen werden.<br />
In schriftlichen Feedbacks zum Umgang mit der LERNWERKSTATT nach Einführungstagen<br />
oder am Semesterende kommt häufig zum Ausdruck, dass wir Lehrpersonen als besonders<br />
hilfsbereit und am Einzelnen persönlich interessiert wahrgenommen werden, eben eher wie<br />
Trainer oder Coaches, wie sie den Lernenden von der Welt des Sports her ein Begriff sind.<br />
Hilfsmittel auf dem Weg zum Ziel<br />
Um uns möglichst von Anfang an auf eine klare, kontrollierbare Selbsteinschätzung der Lernenden,<br />
untermauert von der Fremdbeurteilung von uns Lehrpersonen, verlassen zu können,<br />
benützen wir die im „Lernwerkstattordner“ zur Verfügung gestellten Portfolios zu den Bereichen<br />
Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und Mathematik. Die in sechs Niveaustufen unterteilten<br />
Portfolios orientieren sich in ihrer äusseren Stuktur am Europäischen Sprachenportfolio.<br />
Die Checklisten und die Musteraufgaben machen die Handhabung der Portfolios einfach und<br />
alltagstauglich.<br />
Die Bearbeitung und Auswertung der Checklisten erbringen für die Lernenden sowie für uns<br />
Coaches erstaunliche Einblicke und ermöglichen den erstmaligen konkreten Überblick über<br />
59
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
vorhandenes Wissen und Können, aber auch Mängel und Lücken nach neun bis zehn Schuljahren<br />
und bilden so eine gute Voraussetzung für klare, selbst gesetzte Lernziele. Das bedeutet<br />
für die meisten Lernenden erste Schritte in Richtung selbst organisierten Lernens.<br />
Die diversen Angebote des „Lernwerkstattordners“ zum Strukturieren machen das selbst organisierte<br />
Lernen überblickbar und Fortschritte werden erkennbar.<br />
Zu den grundlegenden Strukturhilfen gehören vor allem grafisch eingängig dargestellte<br />
Grundeinsichten zu den 5 wichtigsten Schritten jeden Lernens (Planen, Organisieren, Durchführen,<br />
Kontrollieren und Reflektieren), ergänzt durch Formulare, deren Benützung die Gewöhnung<br />
an systematisches Planen und Kontrollieren des eigenen Arbeits- und Lernprozesses<br />
garantieren.<br />
Über drei Stufen versuchen wir die Lehrlinge zu selbst gesteuertem Lernen zu führen:<br />
In der Startphase bieten wir in der LERNWERKSTATT vorwiegend standardisierte Aufträge<br />
zur Auswahl an, danach ergänzen wir diese mit individualisierten Angeboten zur Aufarbeitung<br />
von Lücken und Schwächen oder zur Förderung von Stärken und zielen als drittes darauf<br />
hin, die Lerndenden so rasch als möglich das Wagnis eigenständigen, selbst organisierten<br />
Lernens eingehen und erleben zu lassen.<br />
Die Beurteilungsformen sind dem selbst verantwortlichen Lernen angepasst; die Selbsteinschätzung<br />
hat bereits in der Startphase einen hohen Stellenwert, wird jedoch durch die<br />
Fremdeinschätzung der Coaches abgesichert.<br />
Semesternoten setzen die Lehrpersonen zuerst einzeln, danach wird im Team ein Konsens<br />
gesucht. Die Noten-Feedbackgespräche werden mit jedem Lernenden einzeln geführt.<br />
Individuelle <strong>Lernbegleitung</strong> als verstärkendes Element zur<br />
Zielerreichung<br />
Einen ganz wesentlichen Faktor auf dem Weg zum selbst gesteuerten und erfolgreichen Lernen<br />
bis zum Ziel Attest, EFZ oder allgemeine berufliche Weiterbildung stellt die individuelle<br />
<strong>Lernbegleitung</strong>, das <strong>Coaching</strong>, dar. Die Verknüpfung von Teamteaching und <strong>Coaching</strong><br />
(<strong>Lernbegleitung</strong>) wurde bewusst gesucht, der rege Austausch über die Lernenden und ihre<br />
Lernprobleme zwingt zur Reflexion über die Lernprozesse.<br />
Das Zusammenlegen der Kräfte im Teamteaching der LERNWERKSTATT hat weitere, unerwartete<br />
positive Effekte gezeigt. Zum einen beschleunigt sich durch den intensiven Austausch<br />
unter den Lehrpersonen die Einführungsphase der Lernenden im neuen, vermehrt zur<br />
Eigenverantwortlichkeit führenden Ausbildungssystem, was wiederum die Originalität und<br />
Qualität der Angebote der LERNWERKSTATT beeinflusst.<br />
Es zeigte sich von Anfang an, dass Lehrpersonen, die nicht als Einzelkämpfer auftreten, sondern<br />
zu ihren eigenen Stärken und Schwächen stehen und ihre Kräfte zum Wohl der Lernenden<br />
zusammenlegen, als Lernbegleiterinnen und -begleiter ernst genommen werden. Diese<br />
neue Rolle schützt vor Burnout-Syndromen; sie ist zwar herausfordernd und anspruchsvoll,<br />
stellt hohe Anforderungen an Sozialkompetenz und Flexibilität der einzelnen Teammitglieder,<br />
bringt andererseits gegenseitige Unterstützung, lässt Innovationsgeist zu und bringt für Lernende<br />
und Coaches mehr Erfolgserlebnisse und Befriedigung.<br />
60
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Erste Erfahrungen mit dem integrativen Lerncoachingmodell in der<br />
LERNWERKSTATT<br />
Die engere Zusammenarbeit zwischen berufskundlichen und allgemeinbildenden Lehrpersonen<br />
und Lernenden im Rahmen der berufsfeldorientierten Allgemeinbildung (LERNWERK-<br />
STATT) scheint tatsächlich in Richtung der angestrebten Ergebnisse zu führen: von wachsendem<br />
Selbstvertrauen auf Seiten der Lernenden wie auch ihrer Coaches, von einer offenen<br />
Lernatmosphäre mit ausgeprägter gegenseitiger Feedbackkultur, von vermehrter Übernahme<br />
von Eigenverantwortung über das Fähigwerden zur Wahrnehmung eigener Bedürfnisse bis<br />
hin zu Selbstbeurteilung und Selbstkritik, gegenseitiger Ermutigung und Neu-Motivation bei<br />
Krisen. Das Ziel, am Semesterende oder am Ende der Attest-Ausbildung gute Noten zu bekommen,<br />
wird bei weitem übertroffen; persönliche Zukunftsziele werden formuliert, die eigentlichen<br />
Lebensentwürfen und langfristigen beruflichen Laufbahnplanungen gleichkommen,<br />
und dies bei bis anhin - aus welchen Günden auch immer - sogenannt schulschwachen,<br />
lernbe- oder -verhinderten jungen Menschen.<br />
Mit anderen Worten, die ersten Ergebnisse in berufsfeldgemischten Klassen der Dienstleistungs-<br />
und Metallbranche im Kanton Obwalden führen dank dem pädagogisch ganzheitlichen<br />
Ansatz mit dem integrierten <strong>Coaching</strong> eindeutig über die gesteckten Minimalziele einer<br />
Förderung der Grundkompetenzen in den Bereichen Lern- und Arbeitstechnik, Sprache und<br />
Mathematik hinaus auf den Weg des lebenslangen, selbst gesteuerten und selbst organisierten<br />
Lernens.<br />
61
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
3. Projekt „Wie weiter?“<br />
Gabriela Hofer<br />
Jugendberatungsstelle „Wie weiter?“<br />
Jugendberatungsstelle „Wie weiter?“<br />
Die Jugendberatungsstelle „wie weiter?“ des Amtes für Berufsbildung und Berufsberatung<br />
des Kantons Basel-Landschaft ist fünf Jahre alt. Das Zielpublikum sind Jugendliche zwischen<br />
16 und 22 Jahren aus dem Kanton Basel-Landschaft, die eine Lehrstelle suchen. Rund 180<br />
Jugendliche nutzen pro Jahr diese neue Übergangshilfe: 50 % junge Frauen, 50 % junge<br />
Männer, 70 % Inländerinnen und Inländer, 30 % Ausländerinnen und Ausländer. Das Durchschnittsalter<br />
beträgt 18,2 Jahre. Viele der anfragenden Jugendlichen erhalten eine Absage,<br />
weil alle unsere Angebote überfüllt sind.<br />
Klares Konzept bringt Integrationserfolg<br />
Für zwei Drittel der Ratsuchenden finden wir eine Anlehrstelle oder eine Lehrstelle oder ermöglichen<br />
eine stabile Integration in die Arbeitswelt. Das klare, pädagogische Konzept, die<br />
verbindlichen Vertragsabmachungen und das geeignete <strong>Coaching</strong>angebot sind Geheimnis<br />
dieses Integrationserfolges.<br />
Beispiele aus den Grundsätzen des Konzeptes sind:<br />
• Zuerst konfrontieren, dann integrieren<br />
• Integration ist nur mit Eigenleistung und Disziplin möglich<br />
• Verpflichtung zur Verbindlichkeit und Gründlichkeit<br />
• Hohe Erwartungen und Ziele; dabei alle Ressourcen nutzen<br />
Kompetente Fachleute beraten und begleiten die jungen Menschen auf dem Weg in eine Berufslehre.<br />
Schulische Voraussetzungen werden durch gezieltes und individuelles Lerntraining<br />
in der Lernwerkstatt verbessert; die persönlichen, sozialen und fachlichen Fähigkeiten werden<br />
in der Werkstatt auf die Realität hin eingeübt und erprobt. Das Team kann diese pädagogische<br />
Hilfestellung professionell anbieten, weil alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Jugendliche<br />
ernst nehmen, sie und ihre Welt verstehen lernen wollen, sie in ihrer Mündigkeit, Selbstverantwortung<br />
und Hoffnung stärken und ihnen geeignete Angebote machen, damit sie nicht<br />
schon in jungen Jahren am Leben verzweifeln müssen.<br />
Der pädagogische Leitgedanke der Jugendberatungsstelle „wie weiter?“ lautet:<br />
• Grenzen setzen und dabei sich selber abgrenzen, auf dem Boden der Realität bleiben,<br />
nicht „mit aufs Seil gehen“.<br />
62
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
In Verhandlungen werden Bedingungen und Erwartungen besprochen und abgestimmt. Das<br />
Scheitern in der Arbeit kann nur aufgefangen werden, wenn es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
gut geht, wenn sie sich selber beraten lassen und den echten Humor - nicht etwa den<br />
Galgenhumor - bei diesem „persönlichen Seilgang“ nicht verlieren.<br />
Jugendliche geben sich oft, wie sie nicht sind<br />
Viele Jugendliche können dem Entwicklungstempo der Zeit nicht mehr folgen. Sie handeln<br />
im Veränderungsprozess aus der Angst heraus, den Anschluss zu verpassen. Dies führt zu<br />
Überreaktionen, Kopflosigkeit bis hin zu Gewaltaktionen. Sie geben sich oft, wie sie nicht<br />
sind, weil sie den Kontakt mit sich selber verloren haben. Jugendliche wissen, was sie wollen,<br />
doch sie wissen noch nicht, dass sie es wissen ist ein Leitsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
Die Jugendlichen können viel mehr, als sie denken. Ihre eigene „Verschüttung“, ihr<br />
mangelndes Selbstvertrauen und ihre schwachen Schulleistungen sind ihre Stolpersteine. Ausländische<br />
Jugendliche müssen in der Schnittstelle Schule und Arbeitswelt zusätzlich beweisen,<br />
dass sie genügend Sprachkompetenz, den geeigneten Ausländerausweis haben und die<br />
Kultur unserer Arbeitswelt kennen. Gespräche mit Eltern in Beratungen und an Elternabenden<br />
decken oft auf, dass Überforderung und Verunsicherung in den Familien in den letzten Jahren<br />
massiv zugenommen haben.<br />
„Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie!“ oder<br />
„Ausgrenzen tut weh“<br />
Alle Jugendlichen, die zu uns kommen, wollen in eine Berufslehre einsteigen, doch je länger<br />
je mehr gibt es für viele Jugendliche keine beruflichen Angebote mehr. Die Schere zwischen<br />
Lehrstellenangebot und geeigneten Jugendlichen wird noch weiter auseinander gehen! Neu<br />
kommt dazu, dass „Multicheck“ und „Basic-Check“ den Jugendlichen nicht einmal eine<br />
Chance geben, eine Schnupperlehre zu machen; sie fallen wegen dieser Tests bereits in der<br />
Vorselektion durchs Netz. Sie können real nicht mehr zeigen, wer sie sind und was sie können.<br />
Es gibt dadurch sehr viele einsame, verunsicherte und entmutigte junge Menschen. In<br />
dieser Situation ist es ein kleiner Schritt in die Abhängigkeit, in die Verwahrlosung, in die<br />
Sozialfürsorge. Die kantonale Statistik 2001 zeigt auf, dass 40% der Sozialhilfeempfängerinnen<br />
und -empfänger jünger als 18 sind.<br />
„Wenn Lehrmeisterin/Lehrmeister will, steht alles still“<br />
Die Berufslehre ist immer noch der wichtigste Zugang ins Erwerbsleben und in die Erwachsenenwelt.<br />
Was, wenn jungen Menschen dieser Zugang verwehrt wird, wenn sie dauernd Absagen<br />
erhalten? Wenn Lehrbetriebe nicht mehr ausbilden wollen? Es gibt sie noch, die Lehrmeisterinnen<br />
und Lehrmeister, die bereit sind, eine Anlehre oder eine Lehre für schwierige<br />
Jugendliche anzubieten. Es gibt sie noch, die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die soziale<br />
Verantwortung wahrnehmen und Freude am Umgang mit jungen Menschen haben. Es gibt sie<br />
noch, die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die sich an ihre eigene Jugendzeit zurückerinnern<br />
können: „Ich war in meiner Jugendzeit auch so. Auch ich musste eine Kurve drehen, bis<br />
ich den Rank erwischte. Ich habe jedesmal Freude, wenn es einem Jugendlichen trotz Schwierigkeiten<br />
gelingt, die Lehrabschlussprüfung zu bestehen“.<br />
63
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Zum Schluss drei Wünsche<br />
1. An die beruflichen Ausbildnerinnen und Ausbildner:<br />
Mehr gute Lehrmeisterinnen/Lehrmeister und Lehrbetriebe, welche bereit sind, leistungsschwächere<br />
Jugendliche in die Lehre aufzunehmen; Unterstützung, Pflege, Förderung<br />
und Belohnung durch Verbände und Ämter.<br />
2. An die Lehrerinnen und Lehrer:<br />
Die Schülerinnen und Schüler bis am Schluss bei der Stange halten. Mehr klare, stabile<br />
und selbstbewusste Abgängerschulen.<br />
3. An uns alle:<br />
Verbindlichkeit, Durchhaltewillen, Disziplin und klare Abmachungen: üben, üben,<br />
üben. Zukunft sichern, etwas Neues wagen und an die Jugend glauben.<br />
64
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Referat 3<br />
<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues Modell?<br />
Lic. phil. Rainer Bürki<br />
Praxis für Psychotherapie<br />
1. Zur Herkunft des Begriffes<br />
Der Ursprung des Begriffes „<strong>Coaching</strong>“ geht auf das 15. Jahrhundert zurück. Damals wurden<br />
im ungarischen Dorf Kocs besondere Pferdefuhrwerke hergestellt, die als Wagen aus Kocs<br />
oder kurz Kocsi bezeichnet wurden. Dieser Begriff wurde dann im Deutschen zu Kutsche, im<br />
Englischen zu Coach. Das Trainieren des Kutschenpferds nannte man „to coach a horse“. Die<br />
Person, die das Pferd anleitete, wurde „coach“ genannt (Fischer 1996, zit. nach Gessner 2000,<br />
25).<br />
Der Begriff „Coach“ gelangte ab den 50er Jahren im Sport zur Anwendung. Die Bezeichnung<br />
„Coach“ bedeutete hier eine Neudefinition der Rolle des Trainers. Zur Erzielung von Leistungen<br />
wurde nicht mehr allein auf die rein körperliche Fitness und die technischen Fertigkeiten<br />
gesetzt. Den mentalen Aspekten wie Frustration, Aggression, Durchsetzungswille, Leistungsdruck<br />
und Versagensangst, stabile Motivation und anhaltende Konzentration wurde<br />
mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Psychologisches Grundlagenwissen wie Diagnostik, Beratung<br />
und Modifikation des Handelns wurde mit einbezogen.<br />
Im Sport können wir somit die Anfänge der Verbindung von <strong>Coaching</strong> mit Psychologie und<br />
einem Fachgebiet feststellen.<br />
In den 70er Jahren wurde der <strong>Coaching</strong>-Begriff im angelsächsischem Raum aus dem Sport in<br />
den Management-Bereich übertragen und als Führungsinstrument im Sinne von entwicklungsorientiertem<br />
Führen angewandt: der Vorgesetzte als Coach seiner Mitarbeiter.<br />
Ende der 80er Jahre verbreitete sich die Idee des <strong>Coaching</strong> im deutschsprachigen Raum<br />
sprunghaft. Personalentwickler und Trainer brachten den <strong>Coaching</strong>-Ansatz in die Unternehmen<br />
hinein, aber nur für untere und mittlere Führungskräfte.<br />
Seit den 90er Jahren wurde <strong>Coaching</strong> mit zunehmender Rezeption ein Modeartikel. Es entstanden<br />
eine unüberschaubare Anzahl von sogenannten Bindestrich-<strong>Coaching</strong>-Konzepten:<br />
Business-<strong>Coaching</strong>, Crash-<strong>Coaching</strong>, EDV-<strong>Coaching</strong>, Fitness-<strong>Coaching</strong>, Karriere-<strong>Coaching</strong>,<br />
Power-<strong>Coaching</strong>, Selbst-<strong>Coaching</strong>, Team-<strong>Coaching</strong>, Telefon-<strong>Coaching</strong>, Time-<strong>Coaching</strong>, Verkäufer-<strong>Coaching</strong>,<br />
<strong>Coaching</strong> als Privatuntericht, <strong>Coaching</strong> als Spezialbehandlung für schwere<br />
Fälle (Trebesch 1996, zit. nach Gessner 2000, 29)<br />
65
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. <strong>Coaching</strong> Definitionen<br />
<strong>Coaching</strong> ist eine junge Disziplin, die sich vorwiegend in der Praxis entwickelt hat. Die wissenschaftliche<br />
Erforschung von <strong>Coaching</strong> steht daher noch in den Anfängen. Die Diskussion,<br />
was <strong>Coaching</strong> ist, ist in vollem Gange und noch nicht abgeschlossen. Entsprechend gibt es<br />
keine einheitliche <strong>Coaching</strong>-Definition.<br />
Es werden Versuche unternommen, konzeptuelle Klarheit und Abgrenzung zu schaffen z.B.<br />
gegenüber Einzelberatung, <strong>Lernberatung</strong>, <strong>Lernbegleitung</strong>, Lernförderung, Supervision, Therapie,<br />
Organisationsentwicklung und –beratung und Personalentwicklung.<br />
Zur Zeit bestehen unterschiedlichste Vorstellungen über die Anwendungsbereiche (berufliches<br />
Leben und/oder Privatleben), die Ziele (Personalentwicklung oder ganzheitliche Führung),<br />
die Zielgruppen (Einzelberatung oder Gruppencoaching) und über die Methoden und<br />
Verfahren (Training, Beratung, Supervision) von <strong>Coaching</strong> (Gessner, 2000).<br />
Über das Wesen des <strong>Coaching</strong> schreibt Zauner (1990, 234) treffend:<br />
- „<strong>Coaching</strong> ist definitiv keine Therapie – und vermittelt doch manche Einsicht in bisher<br />
Unbedachtes im eigenen Verhalten, in Stärken und Schwächen des eigenen Führungshandelns<br />
und deren organisatorische Wirkungen.“<br />
- „<strong>Coaching</strong> ist keine Fachberatung im Sinne der Vermittlung von Expertenwissen – und<br />
erweitert doch Wissen und Verständnis für konkrete unternehmerische und organisatorische<br />
Zusammenhänge.“<br />
- „<strong>Coaching</strong> ist keine private Freundschaft – und entwickelt doch ein Klima von Nähe<br />
und Vertrauen.“<br />
3. <strong>Coaching</strong> in der zweijährigen beruflichen Grundbildung mit<br />
Attest<br />
Das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) sieht in Art. 28 eine „fachkundige individuelle Begleitung<br />
von Personen mit Lernschwierigkeiten“ unter der Berücksichtigung der „individuellen<br />
Bedürfnisse der Lernenden“ vor. Ich verstehe <strong>Coaching</strong> als eine mögliche Massnahme,<br />
die diese Anforderungen erfüllt. <strong>Coaching</strong> kommt in verschiedenen Pilotprojekten bereits<br />
erfolgreich zum Einsatz.<br />
<strong>Coaching</strong> ist mehr als nur eine Technik. Professionelles <strong>Coaching</strong> ist für mich ein ganzheitlicher<br />
Ansatz, mit dem Lernende sowohl einzeln als auch in Gruppen gefordert, gefördert und<br />
durch kritische Phasen hindurch begleitet werden; ein Setting zur Unterstützung von leistungsschwachen<br />
Lernenden durch individuelle Beratung, Begleitung und Förderung. Dazu<br />
braucht es ein methodisches Instrumentarium und eine klare, theoretische und konzeptuelle<br />
Begründung und Reflexion.<br />
66
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Der <strong>Coaching</strong>-Prozess ist im Kern ein Zielfindungs- und Problemlösungsprozess. Es geht<br />
darum, Ziele und Lösungswege zu erarbeiten, die Lösungswege zu erproben und dahingehend<br />
zu überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden (im Sinne von Feedbackschleifen). Dabei werden<br />
die Ziele und Lösungswege im <strong>Coaching</strong>prozess gemeinsam erarbeitet. Die Eigenbemühungen<br />
des Gecoachten – wir sprechen von Coachee – werden unterstützt und optimiert (sie können<br />
selbst wieder <strong>Coaching</strong>-Thema werden), so dass seine Kompetenzen zur Bewältigung der<br />
anstehenden Aufgaben oder Probleme verbessert werden.<br />
<strong>Coaching</strong> ist somit im weitesten Sinne Hilfe zur Selbsthilfe.<br />
4. Wie kann professionelles <strong>Coaching</strong> gelernt werden?<br />
In Rahmen des Lehrstellenbeschlusses 2 (LSB2) initiierte das Mittelschul- und Berufsbildungsamt<br />
des Kantons Zürich einen <strong>Coaching</strong>-Lehrgang. Ich wurde damit beauftragt, ein<br />
Konzept zu entwickeln und einen ersten Lehrgang als Pilot-Projekt durchzuführen. Mit der<br />
Auswertung des Pilot-Projektes wurde das Institut für Sonderpädagogik der Universität Zürich<br />
beauftragt (Prof. Dr. W. Schley, lic. phil. Silvia Pool). Der erste Lehrgang wurde unter<br />
dem Titel „<strong>Coaching</strong> in der Berufsbildung“ mit insgesamt 22 Teilnehmenden durchgeführt<br />
und konnte im Juni dieses Jahres bereits abgeschlossen werden. Die Evaluation ist noch in<br />
vollem Gange. Erste Auswertungen liegen jedoch bereits vor. Im Rahmen der Weiterbildung<br />
des Instituts für Lehrerbildung und Berufspädagogik in Zürich (ILeB) hat im September dieses<br />
Jahres bereits der zweite Lehrgang begonnen, diesmal unter dem Titel „<strong>Coaching</strong> Grundlagenmodul“.<br />
4.1 Die Struktur des Lehrganges<br />
Der Lehrgang bestand aus drei zweitägigen Workshops über einen Zeitrahmen von neun Monaten<br />
verteilt. Zwischen den Workshops fanden in Kleingruppen von ca. fünf Teilnehmenden<br />
je zwei halbtätige Supervisionssitzungen statt.<br />
Die Gruppe bestand aus 22 Teilnehmenden aus verschiedenen Berufsfeldern: Betriebe (Lehrmeisterinnen<br />
und Lehrmeister), Berufsschule (Berufsschullehrpersonen), Berufswahlschule<br />
(Berufswahlschullehrpersonen), Brückenangebote (Profi-Coaches), die insgesamt 190 Lernende<br />
betreuten. Eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe wurde bewusst angestrebt.<br />
Es ermöglichte Austausch, Abbau von Feindbildern, Vernetzung und ein umfassenderes Verständnis<br />
durch verschiedene Sichtweisen auf die Thematik.<br />
Um einen nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten, wurde für den ganzen Lernprozess ein Zeitrahmen<br />
von neun Monaten eingeräumt. In den Workshops wurden die wichtigsten Inhalte<br />
vermittelt und praktisch eingeübt. In den Supervisionen konnte dann die konkrete Umsetzung<br />
im jeweiligen Berufsfeld begleitet und unterstützt werden.<br />
4.2 Die Inhalte des Lehrgangs<br />
Die drei Workshops hatten je einen Themenschwerpunkt:<br />
67
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
1. Workshop: Grundlagen 1 der Gesprächsführung<br />
Einführung ins <strong>Coaching</strong><br />
Das GROW-Modell<br />
2. Workshop: Grundlagen 2 der Gesprächsführung<br />
Veränderungsprozesse und Veränderungsmanagement<br />
Motivation<br />
3. Workshop: Konflikt und Stress, Mobbing<br />
Konflikt- und Stressmanagement<br />
Feedback<br />
In den Supervisionen ging es um den Transfer in die Praxis. Die Teilnehmenden brachten<br />
Beispiele aus ihrer Arbeit, in denen sie <strong>Coaching</strong> bereits angewendet hatten oder anwenden<br />
wollten, zur Besprechung und Reflexion in die Supervisionsgruppe.<br />
4.3 Grundgedanken zum <strong>Coaching</strong><br />
Im Folgenden die Grundgedanken, welche für die Konzeptualisierung dieses Lehrganges von<br />
Bedeutung waren:<br />
1. Förderung braucht <strong>Coaching</strong><br />
• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende gefordert, gefördert und durch kritische Phasen<br />
hindurch begleitet.<br />
• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende angeleitet, eigene Ziele zu entwickeln und deren<br />
Erfüllung zu überprüfen.<br />
• In ihrem Lern- und Entwicklungsprozess müssen Lernende kontinuierlich begleitet<br />
und unterstützt werden.<br />
2. <strong>Coaching</strong> ist entwicklungsorientiert<br />
• <strong>Coaching</strong> zielt auf die dauerhafte Verbesserung der Lern- und Leistungsfähigkeit<br />
und der Arbeitsresultate.<br />
• <strong>Coaching</strong> schärft durch gezielte Befragung und persönliche Entdeckung das Bewusstsein<br />
und fördert die Eigenverantwortung.<br />
• <strong>Coaching</strong> ist ein von beiden Seiten bewusst gestalteter Entwicklungs- und Trainingsprozess.<br />
3. <strong>Coaching</strong> ist zielorientiert<br />
• <strong>Coaching</strong>, als dialogisch gestalteter Prozess, unterstützt Menschen in ihrem Bestreben,<br />
ihre Visionen, Ziele und Wünsche zu erkennen und zu verwirklichen.<br />
• <strong>Coaching</strong> hilft, persönliche und professionelle Ziele schneller zu definieren und<br />
leichter zu erreichen.<br />
• Durch <strong>Coaching</strong> werden Lernende angeleitet, eigene Ziele zu entwickeln, sich selber<br />
und deren Erfüllung zu überprüfen.<br />
68
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
• <strong>Coaching</strong> beinhaltet das Bereitstellen notwendiger Strukturen und Hilfestellungen,<br />
aktive Unterstützung und regelmässiges Feedback.<br />
• <strong>Coaching</strong> ist ein kontinuierlicher vertrauensvoller Dialog zwischen Lehrmeisterinnen/Lehrmeistern<br />
und der Lehrperson und dem jeweiligen Lernenden und kann<br />
deshalb nicht verordnet werden.<br />
5. Der Lehrgang<br />
Es folgt eine Darstellung der wichtigsten Grundlagen des ganzheitlichen <strong>Coaching</strong>ansatzes,<br />
wie sie im Lehrgang vermittelt wurden.<br />
1. Das Wesen des <strong>Coaching</strong><br />
<strong>Coaching</strong> gründet auf den Werten und Haltungen der humanistischen Psychologie, auf<br />
einer systemischen Sichtweise allen Geschehens, auf klaren Konzepten, Methoden und<br />
Techniken und auf einer dialogischen Beziehungsgestaltung.<br />
2. Die Anforderungen an den Coach<br />
Ein Coach ist sich im klaren über seine inneren Haltungen und Werte, sein Menschenbild,<br />
das ihn leitet; er kennt Theorien und Grundkonzepte, wie z.B. den personzentrierten<br />
Ansatz von Rogers oder den systemischen Ansatz; er kennt Methoden und Techniken,<br />
die mit seinen Werten und mit seinen theoretischen und konzeptuellen Vorstellungen<br />
kompatibel sind, wie z.B. das aktive Zuhören oder das GROW-Modell; ein Coach<br />
bemüht sich um die Integration der neuen und der bisherigen Konzepte; sie/er erwirbt<br />
sich neue Fertigkeiten und öffnet sich für neue Erfahrungen; sie/er vernetzt sich möglichst<br />
vielfältig und erkennt die Wichtigkeit von Beziehungen.<br />
3. Wechselwirkung von Theorie und Praxis<br />
Die Abstraktionspyramide:<br />
Philosophische<br />
Grundlagen<br />
Humanistisches<br />
Menschenbild<br />
Erkl ärende<br />
Theorien und Konzepte<br />
Handlung:<br />
Methoden und Techniken<br />
Handlung:<br />
Praxis im Alltag<br />
Personzentrierter und<br />
Systemischer Ansatz<br />
Aktives Zuh ören<br />
GROW<br />
Fragetechniken<br />
Refraiming<br />
Umgang mit<br />
einer konkreten<br />
Situation<br />
69
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
In diesem ganzheitlichen <strong>Coaching</strong>-Konzept erfolgt der Einsatz von Methoden und Techniken<br />
nicht beliebig, sondern in einem möglichst transparenten, begründeten Zusammenhang. Dazu<br />
gehören neben einer anthropologischen Position kompatible Theorien und Konzepte, von denen<br />
her wiederum der Einsatz und die Anwendung bestimmter Methoden und Techniken zu<br />
begründen ist. So lässt sich die Komplexität der alltäglichen Praxis verantwortungsvoll gestalten<br />
und kritisch reflektieren.<br />
5.1 Das Menschenbild der humanistischen Psychologie<br />
1. Die Person steht im Zentrum, in ihrer Ganzheit, in ihrer sozialen Angewiesenheit, in<br />
ihrem Erleben, in ihrem Streben nach Selbstverwirklichung, in ihrer Willensfreiheit, in<br />
ihrer Sinnorientierung, in ihren Ressourcen.<br />
2. Es gibt fünf Thesen zum signifikanten Lernen (Rogers, 1969):<br />
• Menschen besitzen ein natürliches Potential zum Lernen.<br />
• Signifikantes Lernen findet dann statt, wenn der Lerninhalt von der lernenden Person<br />
als für ihre eigenen Zwecke relevant wahrgenommen wird.<br />
• Lernen wird gefördert, wenn die/der Lernende den Lernprozess verantwortlich mitbestimmt.<br />
• Selbstinitiiertes Lernen, welches die ganze Person– ihre Gefühle wie ihren Instinkt<br />
– mit einbezieht, ist am eindringlichsten und in ihren Ergebnissen am dauerhaftesten.<br />
• Unabhängigkeit, Kreativität und Selbstvertrauen werden gefördert, wenn Selbstkritik<br />
und Selbstbeurteilung von grundlegender Bedeutung sind, während Fremdbeurteilung<br />
zweitrangigen Charakter hat.<br />
5.2 Der Personzentrierte Ansatz (C. Rogers, 1902 – 1987)<br />
Rogers hat intensive Forschungen darüber betrieben, was eine hilfreiche Beziehung ausmacht.<br />
Seine Erkenntnisse fanden Einzug in unterschiedlichste Gebiete wie Psychotherapie, Beratung,<br />
Pädagogik, Gruppenprozesse und in die Friedensarbeit. Kurz vor seinem Tod wurde er<br />
für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.<br />
Sein Ansatz geht davon aus, dass jeder Mensch eine ihm innewohnende Aktualisierungstendenz<br />
besitzt, d.h. die Möglichkeit und Fähigkeit, sich selber zu erhalten und zu entfalten. Die<br />
Verwirklichung und Umsetzung dieser Aktualisierungstendenz ist aber auf bestimmte hilfreiche<br />
Umgebungsbedingungen angewiesen. Rogers ist zum Schluss gekommen, dass die zentrale<br />
Bedingung einer hilfreichen oder förderlichen Beziehung in den drei sogenannten Basisvariabeln<br />
besteht:<br />
1. Kongruenz oder Echtheit<br />
Der Coach ist in der <strong>Coaching</strong>-Situation sich selbst, ohne Fassade oder Maske. Sie/er<br />
nimmt ihre/seine eigenen Gedanken und Gefühle in Bezug auf die <strong>Coaching</strong>-Situation<br />
wahr, kann sie selbstkritisch reflektieren und klären und sie dort mit einbeziehen, wo es<br />
angesagt ist.<br />
70
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. Wertschätzung<br />
Der Coach empfindet den Lernenden gegenüber eine nicht an Bedingungen gebundene<br />
Wertschätzung der Person als Ganzes, unabhängig davon, wie sich diese im Moment<br />
zeigt.<br />
3. Empathie<br />
Der Coach bemüht sich um einfühlendes Verstehen des Lernenden, d.h. sie/er versucht<br />
das Erleben, die Gefühle und Bewertungen, die Bedeutungen, die Ziele und Wünsche<br />
aus der Sicht des Lernenden in seiner Ganzheit zu verstehen, mitzuteilen und mit einzubeziehen.<br />
Aktives Zuhören:<br />
In einem Gespräch, das im weitesten Sinn Beratungscharakter hat, ist die Fähigkeit des Zuhörens<br />
die grundlegenste Fähigkeit. Das hingewandte, wertschätzende Zuhören, welches bemüht<br />
ist, die Welt des Partners mit seinen Augen zu sehen und auch das zu hören und ernst zu nehmen,<br />
was zwischen den Zeilen gesagt wird, auch das emotionale Erleben und Bewerten, nennen<br />
wir „aktives Zuhören“.<br />
5.3 Der Systemische Ansatz<br />
Der systemische Ansatz befasst sich mit der Ganzheit des Geschehens. Er versucht, den einzelnen<br />
Menschen in seiner vielfältigen Vernetzung zu sehen und zu verstehen. Der Kontext<br />
des Lernenden wird in die Überlegungen und Handlungen mit einbezogen. Zum Kontext gehört<br />
z.B. die Kultur, in der eine Lehrperson aufgewachsen ist und die dort geltenden Werte<br />
und Vorstellungen darüber, was im Leben wichtig ist; aber auch ihre Peergroup und die Werte,<br />
die dort gelten; bisherige negative Schulerfahrungen und die Situation in der Schule und<br />
im Betrieb.<br />
Je nach Kontext, den wir wahrnehmen, verändert sich unser Verständnis eines Menschen und<br />
seiner Situation. Die Frage nach dem relevanten Kontext ist von grosser Bedeutung. Häufig<br />
kann eine Situation erst dann zu einer befriedigenden Lösung gebracht werden, wenn der relevante<br />
Kontext gefunden, verstanden und mit einbezogen wird.<br />
Dabei sind Wechsel-Wirkungen zwischen Coach und dem Lernenden von Bedeutung. Jeder<br />
Mensch wird von seiner Umgebung beeinflusst und beeinflusst diese wiederum, so dass oft<br />
nicht eindeutig zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden ist. Der Coach reagiert auf<br />
den Lernenden, der Lernende reagiert auf den Coach. Beide beeinflussen sich gegenseitig.<br />
Manchmal resultiert daraus ein Teufelskreis, manchmal aber auch ein Engelskreis.<br />
Zum systemischen Ansatz gehört auch die Erkenntnis, dass es keine objektive Wirklichkeit<br />
gibt. Je nach Position und Rolle übernehmen wir einen anderen Beobachtungsstandpunkt und<br />
bewerten so die gleiche Situation unterschiedlich, d.h. aus der Rolle und Position der Ausbildenden<br />
resultiert eine andere Bewertung einer Situation als aus der Rolle und Position der<br />
71
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Lernenden. Dabei ist nicht eine Sicht grundsätzlich richtig und die andere grundsätzlich<br />
falsch. Sie sind einfach entsprechend des unterschiedlichen Blickwinkels anders.<br />
So werden wir unter systemischen Gesichtspunkten eher Fragen nach den Sichtweisen der<br />
Akteure stellen, des Coach und des Coachees, und weniger versuchen, eine objektive Wahrheit<br />
zu definieren. Zudem werden wir unser Bewusstsein schärfen für den jeweilig relevanten<br />
Kontext, die Zusammenhänge und die Wechselwirkungen.<br />
5.4 Das GROW - Modell nach J. Whitmore<br />
Whitmore (1994, 14) bezieht sich auf das Menschenbild der humanistischen Psychologie und<br />
schreibt:<br />
„Wir sind danach weit mehr als leere Gefässe, in die alles hineingegossen werden muss, wie<br />
es noch die alte behavioristische Anschauung besagte. Dem neuen Modell zufolge ähneln wir<br />
eher einer Eichel, die bereits das gesamte Potential für die Entstehung einer herrlichen Eiche<br />
enthält. Wir benötigen Nahrung, Förderung und das Licht, um dahin zu kommen, aber wir<br />
besitzen bereits alle Anlagen dafür.“<br />
Für Whitmore beruht erfolgreiches <strong>Coaching</strong> auf drei zentralen Elementen:<br />
- auf der Förderung von Bewusstsein und Verantwortung (Kontext),<br />
- auf effektivem Fragen (Fertigkeiten),<br />
- auf einer strukturierten Abfolge des <strong>Coaching</strong>gespräches (GROW).<br />
5.4.1 Förderung von Bewusstein und Verantwortung<br />
Der Coachee muss dahin gebracht werden, persönliche Verantwortung zu übernehmen. Damit<br />
ist die Wichtigkeit der Selbstmotivation angesprochen.<br />
Das Bewusstsein des Coachee muss geschärft werden im Sinne von gebündelter Aufmerksamkeit,<br />
Konzentration und klarem Denken. Damit ist die Wichtigkeit der Selbstreflexion und<br />
Selbsterkenntnis angesprochen.<br />
5.4.2 Effektives Fragen<br />
Wie lassen sich Bewusstsein und Verantwortung durch <strong>Coaching</strong> steigern?<br />
Viele glauben, dass man Menschen nur sagen müsse, sie sollen bewusst und verantwortlich<br />
sein. Aber so funktioniert es in der Regel nicht. Im Gegenteil, es löst eher Widerstand und<br />
Verärgerung aus: „Bin ich doch! Was glaubst Du denn, was ich mache?“ Das können Eltern<br />
von Jugendlichen sicher bestätigen.<br />
Effektives Fragen bündelt die Aufmerksamkeit und steigert das Bewusstsein und die Bereitschaft<br />
zur Übernahme von Verantwortung.<br />
=> Daher die Aufforderung: Fragen statt sagen!<br />
72
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
5.4.3 Das GROW-Modell<br />
• Der <strong>Coaching</strong>-Ablauf folgt vier Schritten:<br />
GG<br />
Goal<br />
Ziel<br />
Was ist das Ziel?<br />
RR<br />
Reality<br />
Aktuell<br />
W ie ist es jetzt?<br />
OO<br />
Options<br />
Alternativen<br />
Welche Optionen haben Sie?<br />
W<br />
W ill<br />
Umsetzung<br />
Was werden Sie tun?<br />
Das GROW-Modell ermöglicht Orientierung im <strong>Coaching</strong>-Prozess. Es besteht aus vier Schritten.<br />
Der erste Schritt beginnt mit der Zielformulierung: Ziele für dieses Gespräch, kurzfristige,<br />
mittelfristige und langfristige Ziele des Coachees. Dies mag anfänglich etwas ungewohnt<br />
sein, da wir uns eher gewohnt sind, mit der Problemdefinition zu beginnen. Mit der Problemdefinition<br />
landen wir aber meist auch rasch bei den Defiziten, in den Sackgassen und in den<br />
Gefühlen von Hilflosigkeit, die damit verbunden sind. Mit dem Ziel zu beginnen erzeugt von<br />
Anfang an eine Aufbruchstimmung. Wir beschäftigen uns rascher mit Lösungsfragen und mit<br />
bereits bekannten und neu zu findenden Ressourcen.<br />
Die genaue Analyse der Realität in Bezug auf das formulierte Ziel ermöglicht es, neue Optionen<br />
zu entwickeln. Aus diesen Optionen (mindestens drei!) wird dann ein verbindliches Lernziel<br />
für den nächsten Schritt (kurzfristiges Ziel) vereinbart, der dem Erreichen der kurz-, mittel-<br />
und langfristigen Ziele dienen soll. Dieses Lernziel kann mittels Feedbackschleifen zu<br />
einem fest vereinbarten Zeitpunkt gemeinsam überprüft werden.<br />
6. Wirkungen von <strong>Coaching</strong><br />
An dieser Stelle sollen einige Aussagen von Teilnehmenden und Lernenden einen Einblick<br />
geben, welche Prozesse, Erfahrungen und Erkenntnisse durch diesen Lehrgang ausgelöst wurden.<br />
6.1 Aussagen aus Supervisionssitzungen<br />
„Ich führe jetzt regelmässig Einzelgespräche mit jedem Lernenden. Mir ist es wichtig, die<br />
Lernenden gut kennen zu lernen. Wenn ich von mir rede und sie von sich reden, dann schafft<br />
das Vertrauen. Der Schulstoff ist eher im Hintergrund.“<br />
„Mein grösstes Problem im Moment bin ich selber, vor allem im privaten Bereich mit meiner<br />
Partnerin. Zur Zeit versuche ich mich selber zu coachen.“<br />
„Ich habe bei der Zielformulierung gemerkt, dass ich keine Zeit habe. Mir fehlt der Freiraum.<br />
Mein Ziel ist jetzt, mir Freiraum zu schaffen, damit <strong>Coaching</strong> überhaupt möglich ist.“<br />
73
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
„Mit Druck erreiche ich nichts. Es ist sogar kontraproduktiv: die zwischenmenschliche Beziehung<br />
bricht ab, und ich erreiche dann nichts mehr.“<br />
„Ich bin mich gewöhnt, wenn ein Problem auftaucht, es aktiv zu lösen und höre dann gar<br />
nicht richtig auf den andern, sondern mache mir bereits Gedanken, wie das Problem zu lösen<br />
ist. Im Geschäft konnte ich es noch nicht anders machen, aber zu Hause. Ich bin mit meiner<br />
Frau den Lehrgang durchgegangen. Sie sagte mir, ich könne nicht gut zuhören. Das ist gut,<br />
weil es stimmt. Wenn sie mir jeweils etwas erzählte, las ich die Zeitung dazu und es ging mir<br />
zum einen Ohr rein und im zum anderen raus. Seit sie mir das gesagt hat, sitze ich mit meiner<br />
Frau regelmässig für Gespräche zusammen. Meine Oberflächlichkeit ist mir bewusst geworden.<br />
Jetzt geht es mehr in die Tiefe.“<br />
„Ich möchte über meine Angst reden, die ich manchmal habe, wenn ich mich als Lehrperson<br />
in der Klasse mit Lernenden aus mehrheitlich anderen Kulturen befinde. Die Lernenden spüren<br />
die Angst und missbrauchen diese Situation mit Machtgebaren.“<br />
„Ich habe gelernt aktiv zuzuhören. Das Gespräch ist viel wichtiger geworden: verstehen, was<br />
der Lernende meint.“<br />
„Ich habe Zeugnisgespräche gehabt und musste einer Lernenden sagen, dass ihre Schulleistungen<br />
zu schlecht sind, so dass sie nicht mehr weiter beschäftigt werden kann. Ich habe ihr<br />
mit Fragetechniken geholfen, sich neue Ziele zu setzen.“<br />
„Ich bin ein Schnelldenker und ein Schnellschwätzer. Ich schaue alles aus meiner Sicht an.<br />
Ich bin geschäftlich immer unter Spannung. Dann geht man sowieso mehr von seiner Meinung<br />
aus. Ich bin ein Besserwisser. Mir ist deutlich geworden, dass es bei mir ganz grundlegend<br />
an Wertschätzung fehlt. Das hat sich so ausgewirkt, dass ich jetzt versuche, sachlicher<br />
und weniger emotional an die Sachen ranzugehen. Ich baue Druck ab, delegiere mehr und<br />
warte ab.“<br />
„Eigentlich fehlt die Zeit.“<br />
„Ich habe meinem Lernenden ein Gespräch angekündigt und dann durchgeführt. Vorgängig<br />
habe ich ihm ein Vorbereitungsblatt abgegeben. Ich habe den Zeitraum gegen aussen gut abgegrenzt:<br />
keine Telefonate, keine Störung. Ich habe den Lernenden über meinen <strong>Coaching</strong>kurs<br />
informiert. Ich habe ihn über jeden Punkt reden lassen und habe mir auch Notizen gemacht.<br />
Am Schluss habe ich einen neuen Termin angesetzt.“<br />
„Schwierige Gespräche bereite ich bewusster vor.“<br />
„Mit aktivem Zuhören geht es oft in eine ganz andere Richtung, als ich mir vorgestellt habe.“<br />
„Die Zeit, die wir für Lernende haben, ist sehr gering oder dann immer von Unterbrechungen<br />
gestört. Ich habe alle informiert und begonnen, ein neues System aufzubauen, wo regelmässig<br />
ein <strong>Coaching</strong>gespräch stattfinden kann, unabhängig davon, ob Probleme da sind oder nicht.“<br />
„Als Folge und Impuls des ersten Workshops ist mir wichtig geworden, mehr Räume zu<br />
schaffen, vor allem geistige Räume, Einstellungen, Zeit- und Gesprächsräume, d.h. dass ich<br />
auch „nein“ sagen muss. Die Schülerinnen und Schüler sind jetzt in der „Schnupperstifti“.<br />
Wir haben uns vorgenommen, alle vor Ort zu besuchen. Mein Chef kommt nun mit seinen<br />
Anliegen an mich heran, mit anderen Aufgaben, die in dieser Zeit zu erledigen sind. Ich habe<br />
mich diesen Ansprüchen gegenüber abgegrenzt. Hat dies wohl Konsequenzen für die bestehende<br />
Lehrerqualifikation, die durch meinen Chef vorgenommen wird?“<br />
„Neu ist, dass ich alle vierzehn Tage mit dem ganzen Team ein Gespräch führe und alternierend<br />
vierzehntäglich mit jedem ein Einzelgespräch. Ich stelle Blumen auf den Tisch, ziehe das<br />
Telefon aus und bin während dieser Zeit für niemanden zu erreichen.“<br />
74
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
6.2 Aussagen von Coach und Coachees<br />
Aussage eines Coachees im 2. Lehrjahr:<br />
"Seit mein Lehrmeister in diesem Lehrgang war, ist das Arbeitsklima viel besser geworden.<br />
Er hat sich wirklich verändert. Heute kann er mir besser zuhören und geht auch auf meine<br />
Wünsche und Anliegen ein. Ich bin viel zufriedener mit meiner Lehrstelle, als ich es im 1.<br />
Lehrjahr war."<br />
Aussage eines Coachees an der Berufsschule:<br />
"Ich schätze an meiner Lehrperson, dass wir gemeinsam überlegen, wie ich am besten meine<br />
Schwächen ausgleichen kann. Ich kann jederzeit zu ihm kommen, wenn mir etwas nicht klar<br />
ist."<br />
Aussagen eines Berufswahlschullehrers:<br />
"Ich nehme bei meinen Coachees Stabilisierung und ein grösseres Verständnis wahr. Die gegenseitige<br />
Wertschätzung in der Interaktion ist grösser und es gelingt mir, Aufgaben bewusster<br />
und geduldiger anzugehen."<br />
"Ich kann Konfliktsituationen gelassener angehen."<br />
Aussagen eines Lehrmeisters:<br />
"Mein <strong>Coaching</strong>-Know-how hilft mir, Situationen besser einzuschätzen und zu bewältigen."<br />
"Ich pflege einen bewussteren Umgang mit dem Lernenden, der sich dadurch ernst genommen<br />
fühlt."<br />
„Die Kommunikation in der alltäglichen Interaktion mit den Mitarbeitenden ist besser geworden.<br />
Ich reagiere schneller auf Probleme bei der Arbeit wie im Privaten."<br />
Aussagen eines Berufsschullehrers:<br />
"Ich bereite mich intensiver vor."<br />
"Es gelingt mir, in der Interaktion mit den Familienmitgliedern der Coachees eine tolerantere<br />
Haltung einzunehmen."<br />
"Die Auszubildenden fühlen sich ernst genommen."<br />
7. Hat <strong>Coaching</strong> eine Chance?<br />
Wenn aus diesem Pilotprojekt eines deutlich geworden ist, ist es folgendes: wenn <strong>Coaching</strong><br />
nicht nur als diffuser Modebegriff eingeführt werden soll, sondern als neues Modell in der<br />
Begleitung und Förderung von Lernenden, hat dies Konsequenzen, die zu reflektieren und<br />
mitzutragen sind.<br />
Die finanziellen, zeitlichen und räumlichen Ressourcen müssen neu überdacht werden. Im<br />
<strong>Coaching</strong> wird Prozessbegleitung ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, als die Vermittlung<br />
von Inhalten. Darum hat das Einführen von <strong>Coaching</strong> Auswirkungen auf innerbetriebliche<br />
und innerschulische Abläufe, auf die Arbeitsorganisation, auf die Definition der Kernaufga-<br />
75
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
ben gegenüber dem Lernenden und auf das Selbstverständnis als Lehrperson oder Lehrmeisterin/Lehrmeister.<br />
Es scheint die falsche Vorstellung zu bestehen, dass man <strong>Coaching</strong> in der Schule oder im Betrieb<br />
einführen könne, ohne dass sich sonst irgendetwas ändern müsse. Die Erfahrung aus<br />
dem Pilotprojekt hat gezeigt, dass alle, die <strong>Coaching</strong> konsequent in ihre Arbeit eingeführt<br />
haben, wesentliche Veränderungen in ihrer Arbeitsorganisation, im Zeitmanagement, sogar<br />
im Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Raum vornehmen mussten und sich auch das<br />
Selbstverständnis bezüglich der bisherigen Kernaufgabe veränderte.<br />
Die Einführung von <strong>Coaching</strong> hat Auswirkungen, welche die ganze Institution oder den ganzen<br />
Betrieb betreffen. Dadurch stellt sich sehr rasch die wesentliche Frage, inwieweit die<br />
Auswirkungen, die nötigen Veränderungen und Anpassungen der Institution, dem Betrieb<br />
oder der Schule unterstützt werden oder nicht.<br />
Das Einführen von <strong>Coaching</strong> in Schule und Betrieb ist Chefsache!<br />
Das Einführen von <strong>Coaching</strong> heisst, einen gemeinsamen Prozess zu gestalten, in den alle Mitarbeitenden<br />
einbezogen sind. Die auftauchenden Fragen und Probleme müssen gemeinsam zu<br />
einer Lösung gebracht werden.<br />
Das Einführen von <strong>Coaching</strong> verändert die Betriebskultur. <strong>Coaching</strong> lädt ein, sich als lernende<br />
Organisation zu verstehen und zu definieren.<br />
8. Abschliessende Gedanken<br />
Ich habe mit meinem Referatstitel eine Frage aufgeworfen, ganz in der Philosophie des <strong>Coaching</strong>s:<br />
Fragen statt sagen! Ich habe zwar jetzt im Verlaufe meines Referates auch einiges<br />
gesagt, Ihnen versucht, die Idee des <strong>Coaching</strong>s, meine Auffassung des <strong>Coaching</strong>s in der beruflichen<br />
Grundbildung und speziell die Grundideen des <strong>Coaching</strong>-Lehrganges näher zu bringen.<br />
Ich habe aber die Antwort bewusst offen gelassen. Was Sie nun damit anfangen, und was<br />
Sie für sich daraus für Schlüsse und Antworten ziehen, entzieht sich meiner Kontrolle. Ich<br />
hoffe aber, dass ich Ihnen einige Anregungen geben konnte, die es Ihnen ermöglichen, für<br />
sich eine Antwort auf die Frage zu finden: „<strong>Coaching</strong> – nur eine Mode oder doch ein neues<br />
Modell?“<br />
76
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Literatur<br />
Bürki, R., & Hobi, R. (2002). Kein Apfel fällt von selbst vom Baum. Zu einer systemzentrierten<br />
Gesprächspsychotherapie. In C. Iseli et al. (Hrsg.), Identität, Begegnung, Kooperation<br />
(S. 94-112), Köln.<br />
Gessner, A. (2000). <strong>Coaching</strong> – Modelle zur Diffusion einer sozialen Innovation in der Personalentwicklung,<br />
Frankfurt.<br />
Rogers, C.R. (1969). Lernen in Freiheit, München.<br />
Schreyögg, A. (2001). <strong>Coaching</strong>. Eine Einführung für Praxis und Ausbildung, Frankfurt.<br />
Whitmore, J. (1994). <strong>Coaching</strong> für die Praxis, Frankfurt/M.<br />
Zauner, A. (1990). Beratung im Wandel. Nachfolgeberatung als engagierte Wegbegleitung in<br />
freundschaftlicher Distanz. In E. Kappler & S. Laske (Hrsg.), Blickwechsel. Zur Dramatik<br />
und Dramaturgie von Nachfolgeprozessen im Familienbetrieb (S. 221-237), Freiburg i.Br.<br />
77
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Ateliers 3<br />
<strong>Coaching</strong><br />
1. Bildungsnetz Zug – Projektbeschrieb und Einblick ins<br />
<strong>Coaching</strong><br />
Matthias Buzzi<br />
Verein Bildungsnetz Zug<br />
Das <strong>Coaching</strong> im Bildungsnetz Zug<br />
Ziel des Bildungsnetzes Zug<br />
Das im Januar 2001 gestartete Projekt hat zum Ziel, Jugendliche mit schulischen Teilleistungsschwächen<br />
zu einem Berufsabschluß auf Stufe Anlehre oder Lehre zu führen. Weitere<br />
Einzelheiten zum Konzept, zu der Funktionsweise und zu den Beteiligten finden Sie in der<br />
SIBP Schriftenreihe Nummer 18 „Barriere Sprachkompetenz“. Kernpunkt des Projektes ist<br />
das <strong>Coaching</strong>. Meine Ausführungen beschränken sich hier auf zwei Aspekte: Welches sind<br />
die Hintergründe unseres <strong>Coaching</strong>s und welche Schwerpunkte werden inhaltlich gesetzt?<br />
<strong>Coaching</strong> – in aller Munde<br />
Zur Zeit ist dieses Wort ein viel gehörter und gebrauchter Begriff. Als erstes möchte ich meine<br />
Sichtweise und mein Verständnis von <strong>Coaching</strong> darlegen, damit die folgenden Äußerungen<br />
auf diesem Grundverständnis betrachtet und entgegengenommen werden können.<br />
Meine Definition von <strong>Coaching</strong><br />
Das aus dem englisch stammende Wort (to coach) wird übersetzt als „auf eine Prüfung vorbereiten“,<br />
„trainieren“. Und genau darum geht es bei unserem <strong>Coaching</strong>: die berufliche Ausbildung<br />
soll erfolgreich abgeschlossen werden, sei das mit dem bei uns üblichen Augenschein in<br />
der Anlehre oder mit der Lehrabschlußprüfung auf Stufe Lehre. Das <strong>Coaching</strong> zielt dabei<br />
nicht nur auf die Erweiterung der Sachkompetenz, sondern auf die Förderung aller Schlüsselkompetenzen.<br />
Als ausgebildeter Heilpädagoge, der mehrere Jahre in der Volksschule tätig war, ist mir sehr<br />
bewußt, daß Lernen mehr ist als die Summe von „Wissen aneignen“ und/oder „Wissen vermitteln“.<br />
Das Beziehungsgeflecht, die Interaktionen im momentanen Umfeld (Arbeitsplatz,<br />
Familie, Freunde), die Biographie jedes einzelnen sowie die emotionale Intelligenz sind nur<br />
78
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
einige maßgebliche Faktoren, die den Fortschritt in der Sachkompetenz beeinflussen. Diese<br />
sozialen Faktoren dürfen aber nicht mit der Sozialkompetenz verwechselt werden. Denn die<br />
oben genannten Punkte haben wenig mit Fertigkeiten und/oder Fähigkeiten zu tun. Vielmehr<br />
handelt es sich hier um Zustände, die um einen Menschen herum vorherrschen und auf ihn<br />
einwirken. Der durch uns wenig beeinflußbare „Globe“ (Um-Welt) prägt den Menschen und<br />
verlangt nach einer Reaktion. Erst der Umgang, die Interaktion mit dem „Globe“ zeigen die<br />
Kompetenzen eines Menschen.<br />
Ausgangspunkt meiner Darlegung ist der Begriff „<strong>Coaching</strong>“, den ich nicht nur auf die Sachkompetenz<br />
beschränkt haben will. Im weitesten Sinne geht es um die Förderung oder - aus<br />
psychologischer Sicht - um die Stimulierung der Jugendlichen durch den Coach. Dabei steht<br />
aber immer die Selbständigkeit und nicht eine Abhängigkeit vom Coach im Vordergrund. Die<br />
Aufgabe des Coach besteht im Wesentlichen darin, die vorhandenen Anlagen bewußt zu machen<br />
und zu fördern. Im <strong>Coaching</strong> muß die Gelegenheit bestehen, gemeinsam Entwicklungsziele<br />
auf allen Ebenen (Kompetenzen) zu entwickeln, wobei die Bedürfnisse aller Beteiligten<br />
(mit Ausnahme des Coachs, denn er ist Moderator) offen gelegt werden.<br />
Im engeren Sinne verstehe ich <strong>Coaching</strong> als eine längerfristige Begleitung und Beratung in<br />
vielfältigen Bereichen (z.B. bei persönlichen Konflikten, Bewältigung von Streß, Schwierigkeiten<br />
im Kommunikations- oder im persönlichen Lern- und Arbeitsverhalten). Zusammenfassend<br />
sei hier mein Verständnis von <strong>Coaching</strong> so dargestellt: Neben der Wahrnehmungssensibilisierung<br />
und der Information der Hilfe-Suchenden geht es auch um Anleitungen und<br />
Übungen zum Erlernen neuer Denk-, Lern-, Arbeits- und Verhaltensmuster.<br />
Und die Praxis?<br />
Im Bildungsnetz Zug arbeiten wir in Kleingruppen von vier bis maximal sechs Jugendlichen,<br />
die sich mindestens alle 14 Tage treffen. Da ich innerhalb einer <strong>Coaching</strong>-Einheit neben den<br />
allgemeinen Inhalten, die bearbeitet werden, jedem Jugendlichen eine schriftliche Kurzrückmeldung<br />
gebe und/oder ein Einzelgespräch mit ihm führe, kann die Gruppe höchstens sechs<br />
Jugendliche umfassen.<br />
1. Wesentliche Inhalte des <strong>Coaching</strong>s<br />
Grundsätzlich unterteile ich eine vierstündige <strong>Coaching</strong>-Einheit in drei Themenblöcke:<br />
• Rückblick auf Erlebtes in Betrieb und Schule<br />
• Praktische Arbeit<br />
• Ausblick mit persönlicher Zielsetzung bis zum nächsten Treffen<br />
2. Ausführungen zu den drei Themenblöcken<br />
Rückblick auf Erlebtes in Betrieb und Schule<br />
Beim Rückblick achte ich darauf, daß die beiden Bereiche Schule und Arbeitsplatz klar getrennt<br />
werden. Das ist wichtig, weil unsere Jugendlichen Positives überwiegend bei der praktischen<br />
Arbeit erleben, während sie in der Schule eher Probleme haben und Unlustgefühle<br />
79
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
zeigen. In beiden Bereichen leite ich das Bewußtsein mit gezielten Fragen oder Arbeitsaufträgen<br />
dahin, daß die Jugendlichen klar unterscheiden müssen zwischen ihrer geleisteten Arbeit,<br />
den erreichten Leistungen und ihrem Verhalten. Bei diesen Rückmeldungen höre und spüre<br />
ich die Wahrnehmung der Ereignisse aus der Optik der Jugendlichen. Zudem wird für mich<br />
erkennbar, wie die Jugendlichen Erlebtes interpretieren und in ihr Weltbild integrieren. Mein<br />
Ziel ist, durch Nachfragen oder Präzisieren zu überprüfen, ob ich die Botschaft der Jugendlichen<br />
korrekt verstanden habe. Je länger eine Gruppe beisammen ist, desto häufiger kommt es<br />
vor, daß die Jugendlichen sich gegenseitig Rückmeldungen oder Tipps geben; sei dies in<br />
fachlichen oder sozialen Bereichen. Das sind für mich die Highlights! Denn wenn eine Jugendliche<br />
eine Empfehlung an eine andere Jugendliche abgibt, ist die Hörende mit Sicherheit<br />
viel empfänglicher für diese Hilfe, als wenn sie von mir als Coach kommt. Das Annehmen<br />
von Unterstützung auf der gleichen Ebene (Jugendliche zu Jugendliche) bringt Schwung in<br />
die Diskussion und mehr Erfolgsaussichten!<br />
Praktische Arbeit<br />
Der zweite Block gestaltet sich recht unterschiedlich und individuell. Grundsätzlich muß die<br />
Jugendliche Gelegenheit haben, anstehende Hausaufgaben für die Berufsschule zu lösen. Dies<br />
geschieht selbständig oder mit meiner Unterstützung. Da es Lernende aus den selben Berufen<br />
hat (ich versuche, diese in die gleichen Berufsschulklassen zu integrieren), kommt es vor, daß<br />
zu zweit, im Sinne einer Lernpartnerschaft, diskutiert und gearbeitet wird.<br />
In dieser Phase ist es möglich, persönliche Gespräche zu führen oder die <strong>Coaching</strong>-Bücher<br />
einzusehen und meine persönliche Kurzrückmeldung zu schreiben. Hier kann ich das Gehörte<br />
aus der ersten Runde entsprechend relativieren. Denn neben der Selbsteinschätzung finde ich<br />
im <strong>Coaching</strong>-Book auch die Rückmeldung des Lehrmeisters bezogen auf das Verhalten, die<br />
praktische Arbeit und die Fortschritte der Jugendlichen.<br />
In diesen Block flechte ich regelmässig lerntechnische Einheiten ein. Einerseits erinnere ich<br />
an die Vielfalt der bereits bekannten Lerntipps, andererseits führe ich neue ein, immer verknüpft<br />
mit einer praktischen Übung. Theorie alleine kommt nicht an und hat keine Chance,<br />
umgesetzt zu werden. Es müssen erste Erfahrungen mit dem neuen Tipp gemacht werden, und<br />
die Hürde, das Neue auszuprobieren, muß im geschützten Rahmen (lies: angeleitet und praktisch)<br />
überwunden werden. Dadurch wird es wahrscheinlicher, daß der Tipp zu Hause oder in<br />
der Schule auch tatsächlich angewendet wird.<br />
Ein weiteres Element in diesem Block sind die Rollenspiele. Ich baue diese bewußt so auf,<br />
daß ein Konflikt programmiert ist. Beispielsweise trifft da ein Lehrling, der bereits das zweite<br />
Mal in der gleichen Woche zu spät zur Arbeit kommt, auf den Lehrmeister. Welche Meinung<br />
vertritt der Jugendliche in der Rolle des Lehrmeisters? Welche Lösungsvorschläge zeichnen<br />
sich während des Spiels oder in der Diskussion im Anschluß an das Rollenspiel ab? Meine<br />
Aufgabe im Rollenspiel ist es, die Kernpunkte zu sammeln (Fazit/Quintessenz) und die gesehenen/gehörten<br />
Lösungsvorschläge zu visualisieren, damit sie besser im Gedächtnis verankert<br />
werden.<br />
Ausblick mit persönlicher Zielsetzung bis zum nächsten Treffen<br />
Der dritte Block steht im Zeichen der Vorausschau und der Zielvereinbarung. Jede Jugendliche<br />
ist aufgefordert, auf Grund der Erkenntnisse des vorangegangenen Rückblicks einen Vorsatz<br />
zu formulieren. Oft sind dies Anstrengungen, die Hinweise der Lehrmeisterin (die die<br />
80
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Jugendliche mündlich oder schriftlich bekommen hat) ernst zu nehmen und sie im Sinne einer<br />
Verhaltenskorrektur in die Praxis umzusetzen.<br />
Der Vorsatz muß praktisch umsetzbar und kontrollierbar sein. Aussagen wie: „Ich konzentriere<br />
mich besser!" akzeptiere ich nicht. Aber „Ich mach mir im Unterricht Notizen zum Gesagten"<br />
oder „Bevor ich das Telefon abnehme, lege ich Stift und Papier bereit" sind Vorsätze, die<br />
erfolgsversprechend sind. Es sind also ganz kleine Zwischenziele gemeint. Nur so ist es möglich,<br />
Erfolgserlebnisse zu schaffen und glaubhaft an einem Vorwärtskommen zu arbeiten,<br />
ganz nach der chinesischen Weisheit: „Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten<br />
Schritt!" Das Selbstwertgefühl der Jugendlichen braucht im hohen Masse positive Verstärkungen<br />
– und viel, viel Zeit!<br />
Der Vorsatz geht übrigens nicht vergessen. Die Jugendliche notiert ihn ins <strong>Coaching</strong>-Book.<br />
Im nächsten <strong>Coaching</strong> ist der Vorsatz erneut Anknüpfungs- und Diskussionspunkt in der<br />
Feedbackrunde. Hier schließt sich der Kreis zwischen der Jugendlichen, dem Lehrmeister und<br />
dem Coach.<br />
Fazit<br />
Meines Erachtens ist der <strong>Coaching</strong>-Erfolg sehr stark abhängig davon, wie die Kommunikation<br />
zwischen Coach und Jugendlichen und dem Betrieb geführt und gepflegt wird. Die Jugendlichen<br />
müssen in ihrer Person und mit dem, was sie sind, mit ihrem Können und Unvermögen,<br />
akzeptiert werden. Die Wertschätzung gegenüber allen beteiligten Partnern ist enorm<br />
wichtig. Es ist zentral, dass diese Haltung von meiner Seite her klar kommuniziert und gepflegt<br />
wird. Sie ist die Basis, die ein echtes Miteinander ermöglicht und ein Ausspielen der<br />
verschiedenen Parteien gegeneinander reduziert. Aber auch eine straffe und klare Führung,<br />
wenn immer möglich in schriftlicher Form, ist für mich ein wesentlicher Eckpfeiler in der<br />
<strong>Coaching</strong>arbeit. Je vorausschauender (präventiver) ich arbeiten kann, desto grösser ist die<br />
Wahrscheinlichkeit eines (Teil)Erfolges. Das impliziert eine äusserst transparente und offene<br />
Kommunikation. Alle Beteiligten wollen wissen, was wir gegenseitig voneinander erwarten<br />
und welche Zielsetzungen vorliegen. Die Überprüfung dieser Zielsetzungen wird nicht zur<br />
Schikane, sondern zur sinnvollen Standortbestimmung für alle am Prozess beteiligten Personen.<br />
Insofern hat sich die Politik der kleinen Schritte bei uns bestens bewährt!<br />
81
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
2. Pädagogisches Konzept und der Einsatz von Lehrkräften<br />
im Stütz- und Förderunterricht<br />
Der lernschwache Lernende wird gefördert<br />
Helmut Gehrer und Hans Heeb<br />
Stiftung „Die Chance“<br />
Sprungbrett in den Arbeitsmarkt<br />
Jedes Jahr verlassen zwischen 5 und 10 Prozent der Ostschweizer Jugendlichen das Bildungssystem,<br />
ohne eine nachobligatorische Ausbildung abgeschlossen zu haben. Die Lehrpersonen<br />
haben immer mehr Mühe, ihre Schülerinnen und Schüler bei der Stellensuche zu unterstützen.<br />
In diese Lücke ist im Jahr 2000 die private Ostschweizer Stiftung «Die Chance» gesprungen;<br />
sie vermittelt und betreut hauptsächlich Anlehren.<br />
Viele Betriebe sind bereit, auch schwächere Jugendlichen auszubilden; es fehlen ihnen aber<br />
die ausgebildeten Personen, oder sie schrecken vor dem zeitlichen und finanziellen Aufwand<br />
zurück. Vor diesem Hintergrund startete 2000 die von Dr. Markus Rauh errichtete Stiftung<br />
«Die Chance».<br />
Arbeitsweise der Stiftung<br />
Die Stiftung unterstützt Jugendliche aus dem Raum Ostschweiz im Alter von 15 bis 22 Jahren,<br />
welche aufgrund ihrer schulischen Leistungen oder ihres Sozialverhaltens den Anforderungen<br />
einer Lehre oder Anlehre nicht entsprechen. Sie kommen in der Regel aus Werkjahrklassen,<br />
Kleinklassen und Realschulen oder haben eine Berufsausbildung abgebrochen. Voraussetzung<br />
für eine Unterstützung ist eine vorgängige Abklärung durch die Berufsberatung<br />
und ein erkennbarer Wille, zu lernen und zu arbeiten. Zudem unterstützt die Stiftung die Ausbildungsverantwortlichen<br />
in Betrieben und Berufsschulen und schafft entsprechende Hilfsmittel,<br />
und zwar auf drei Ebenen:<br />
1. „Die Chance“ motiviert Unternehmensleitungen und Ausbildungsverantwortliche, Ausbildungsplätze<br />
zur Verfügung zu stellen. So informiert sie an Tagungen und spricht<br />
Oberstufenzentren an. Verbände und Berufsgruppen können von der Stiftung Unterstützung<br />
anfordern.<br />
2. Sie vermittelt Ausbildungsplätze (in Zusammenarbeit mit den Jugendlichen, Lehrpersonen,<br />
Eltern, Berufsberatungen und Berufsbildungsämtern). Die Lehrbetriebe und die Jugendlichen<br />
sind dabei ordentliche Vertragspartner.<br />
3. Ist ein Ausbildungsplatz provisorisch zugesichert, wird das Ausbildungsprogramm festgelegt<br />
und die Begleitung abgesprochen. Während der Ausbildung werden die Jugendlichen<br />
und auf Wunsch die übrigen beteiligten Personen in den Betrieben und Berufs-<br />
82
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
schulen gecoacht. Wenn nötig werden Umplatzierungen vorgenommen, oder es wird<br />
gar ein Ausschluss verfügt.<br />
Folgerungen nach zwei Jahren<br />
Im heutigen Team teilen sich fünf Personen drei Stellen. Sie müssen mit der Region vernetzt<br />
sein und praktische Kenntnisse über die Berufsschule und die Arbeit im Betrieb haben. Ursprünglich<br />
wurde vermutet, dass die Vermittlung der Jugendlichen aufwändiger sei als die<br />
anschliessende Begleitung. Das ist nicht der Fall, der Zeitaufwand für die Betreuung der Jugendlichen<br />
und die Unterstützung der Ausbildner hat sich seit dem Frühsommer 2001 stark<br />
erhöht. So sind zusätzliche Muster-Ausbildungsprogramme mit entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
zusammengestellt und 68 Flyer mit Berufsbildern auf Anlehrstufe produziert<br />
worden.<br />
Die bisher rund 400 Aufnahmen zeigen, dass die Stiftung einem grossen Bedürfnis entspricht;<br />
ursprünglich man davon ausgegangen ist, dass jährlich 12 bis 15 Jugendliche aufgenommen<br />
werden.<br />
Rund 70 junge Erwachsene konnten mit einem Abschluss erfolgreich aus dem Projekt entlassen<br />
werden, ca. 40 wurden an weitere Institutionen weitergeleitet, 90 fühlten sich neu motiviert,<br />
selbständig den Berufsweg einzuschlagen Das formulierte Ziel, dass 90% aller Abschliessenden<br />
eine feste Anstellung finden, wurde übertroffen; alle Absolventen konnten einen<br />
Arbeitsvertrag abschliessen. Mehrere Firmen, die seit Beginn mitmachen, haben auf<br />
Grund der guten Erfahrungen (vor allem mit dem <strong>Coaching</strong>) auf die kommenden Lehrjahre<br />
neue Stellen angeboten. Zur Zeit bilden 153 Firmen wie folgt aus (in 12 Betrieben 2 bis 5<br />
Lernende, in den übrigen je einen): 15 Vorlehren, 125 Anlehren und 40 Regellehren, zusätzlich<br />
einige Praktika.<br />
83
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
3. Professionell und unabhängig – der externe Coach in der<br />
Berufsbildung<br />
Thomas Diener<br />
Verein JoB, Zürich<br />
Trägerschaft und Projektindikation<br />
Der Verein JoB hat grosse Erfahrung im Coachen von Jugendlichen im Spannungsfeld Arbeitsstelle,<br />
Schule und soziales Umfeld. Zurzeit bieten wir im Kanton Zürich als Veranstalter<br />
von Berufsintegrationsprogrammen jährlich über hundert Praktikumsplätze in der Privatwirtschaft<br />
an.<br />
Im Rahmen der Diskussion um das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) setzt sich immer stärker<br />
die Erkenntnis durch, dass ein <strong>Coaching</strong> von Lernenden in der Berufsbildung, vor allem<br />
aber auf der Stufe Anlehre (im nBBG: zweijährige berufliche Grundbildung mit Attest) für<br />
die erfolgreiche Ausbildung dringend angezeigt ist. Der Verein JoB hat in enger Zusammenarbeit<br />
mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt ZH im August 2000 ein erstes Projekt<br />
initiiert. Erstmals wurde Lernenden ein Coach zur Seite gestellt. Nun wurde das Angebot<br />
auch für Jugendliche in einer regulären Lehre geöffnet und die Platzzahl aufgrund der grossen<br />
Nachfrage auf 35 erhöht.<br />
Kurzbeschreibung des Projekts<br />
Jugendliche mit erschwerten Startbedingungen ins Berufsleben werden während der gesamten<br />
Bildungsdauer durch ausgebildete Sozialpädagoginnen und -pädagogen tatkräftig unterstützt,<br />
begleitet und betreut. Mit dem <strong>Coaching</strong> soll ein Abbruch der Berufsausbildung aufgrund von<br />
schulischen, betrieblichen oder sozialen Problemen verhindert und die Ausbildungssituation<br />
stabilisiert werden. Im Vordergrund stehen das <strong>Coaching</strong> der Lernenden und deren Umfeld<br />
sowie die Zusammenarbeit und Beratung der Unternehmen und Berufschulen.<br />
Eine Vereinbarung regelt im Einzelnen die Zusammenarbeit und Verantwortlichkeit aller Beteiligten.<br />
Der Lehr- oder Anlehrvertrag regelt die rechtlichen Aspekte der Ausbildung. Die<br />
monatlichen <strong>Coaching</strong>kosten müssen via Kostengutsprache finanziert werden.<br />
Zielgruppe sind Jugendliche, welche die Schule abgeschlossen haben, genügend Berufsreife<br />
zeigen und eine Anlehre oder Lehre antreten. Ihr Start ins Berufsleben ist durch Lernschwierigkeiten<br />
oder kulturell bedingte Probleme erschwert. Die Berufsausbildung ist zusätzlich<br />
gefährdet durch persönliche oder familiäre Probleme. Zudem unterstützen wir Lernende, die<br />
während ihrer Lehrzeit in eine akute Krise geraten und denen ein Lehrabbruch droht.<br />
Was verstehen wir unter <strong>Coaching</strong>?<br />
84
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Der Verein JoB gewährleistet das fachkundige, individuelle <strong>Coaching</strong> der Lernenden in einer<br />
Lehre oder Anlehre. Dazu gehören die individuelle Situationsanalyse, Zielformulierung und<br />
Zielüberprüfung mit dem/der Lernenden. Bei Problemen und Krisen im Arbeitsalltag ist die<br />
Absprache mit den Ausbildungsbetrieben und den Berufsschulen für die fachkundige Lösungssuche<br />
von zentraler Bedeutung. Bei schulischen und fachlichen Schwierigkeiten wird<br />
die Stabilisierung der Ausbildungssituation durch Nachhilfeunterricht angestrebt. Ebenfalls<br />
stabilisierend auf die Ausbildung wirkt sich die Klärung der persönlichen Situation aus. Von<br />
grundsätzlicher Bedeutung ist der regelmässige Kontakt und Informationsaustausch mit den<br />
Ausbildungsbetrieben und den Berufsschulen sowie mit allen weiteren Beteiligten. Als zusätzliche<br />
Dienstleistung berät der Verein JoB die Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie<br />
Berufsschullehrpersonen in Führungsfragen und in sozialen Fragestellungen und unterstützt<br />
den Ausbildungsbetrieb bei Arbeitsqualifikationen am Arbeitsplatz.<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Die Fachlichkeit wird gewährleistet durch Mitarbeitende mit Ausbildung in Sozialer Arbeit.<br />
Programmleiter: Thomas Diener<br />
Diplom in Sozialer Arbeit HFS und NDS „Management in Non-Profit Organisationen“ FHS.<br />
Langjährige Erfahrung im Bereich der stationären und teilstationären Jugendhilfe für dissoziale<br />
Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren. Mitbegründer des Verein JoB und Ko-<br />
Geschäftsleiter seit 1997.<br />
Projektmitarbeiterin: Esther Heller<br />
Diplom in Sozialer Arbeit HFS. Langjährige Erfahrung im Bereich der offenen und stationären<br />
Jugendarbeit und in der stationären Krisenintervention. Intensive Zusammenarbeit mit<br />
Angehörigen, Behörden und Arbeitgebern (Mitarbeiterin eines Erwerbslosenprogrammes);<br />
Erfahrung in der individuellen Beratung mit Standortbestimmung von erwachsenen Arbeitslosen.<br />
Dreistufiges <strong>Coaching</strong>modell als Arbeitsgrundlage<br />
Konzeptuell gehen wir von folgendem dreistufigen <strong>Coaching</strong>modell für die Berufsbildung<br />
aus. Das <strong>Coaching</strong>angebot des Verein JoB beschränkt sich auf die Stufen 2 und 3.<br />
85
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Externes <strong>Coaching</strong> der Lernenden<br />
3. Stufe<br />
Zielgruppe<br />
Indikation<br />
Angebot<br />
Jugendliche, welche ohne Unterstützung keine Berufsbildung beginnen<br />
oder diese nicht beenden würden.<br />
Bei schwerwiegenden persönlichen und/oder schulischen Problemen. Die<br />
Ausbildung ist akut gefährdet.<br />
Ausgebildete Fachpersonen übernehmen in sozialen und schulischen<br />
Bereichen die umfassende Krisenintervention oder das langfristige <strong>Coaching</strong><br />
der Lernenden in enger Zusammenarbeit mit dem Ausbildungsbetrieb,<br />
der Berufsschule und weiteren involvierten Stellen. Eine klare<br />
Aufgabenteilung wird vorgenommen.<br />
Wirkung<br />
Beruhigung und Stabilisierung der Ausbildungs- und sozialen Situation.<br />
Berufsschullehrpersonen sowie Lehrmeisterinnen und Lehrmeister werden<br />
von den nicht berufsrelevanten Themen und dem drohenden Rollenkonflikt<br />
entlastet.<br />
Externes <strong>Coaching</strong> der LehrmeisterInnen & Berufsschullehrpersonen 2. Stufe<br />
Zielgruppe<br />
Indikation<br />
Angebot<br />
Wirkung<br />
Ausbildungsverantwortliche, welche ihr Handeln und ihre Interventionen<br />
durch externe Coaches reflektieren und neue Handlungsmuster kennen<br />
lernen wollen.<br />
Die private oder schulische Situation der/des Lernenden führt zu Leistungseinbrüchen<br />
oder Konflikten innerhalb des Betriebes oder der Berufsschule.<br />
Die Weiterführung der Ausbildung ist in Frage gestellt.<br />
Erarbeiten von spezifischen, auf die Situation zugeschnittenen Massnahmen<br />
zusammen mit den Ausbildungsverantwortlichen. Coachen der Ausbildungsverantwortlichen<br />
bei der Umsetzung der Massnahmen. Kennen<br />
lernen und einüben neuer Handlungsmuster und des dazugehörenden<br />
theoretischen Hintergrundes (in Ansätzen).<br />
Die Ausbildungsverantwortlichen werden befähigt, Krisen oder Konflikte<br />
aufgrund des <strong>Coaching</strong> selber erfolgreich zu bewältigen.<br />
Die Situation der/des Lernenden beruhigt und stabilisiert sich.<br />
<strong>Coaching</strong> durch die Ausbildungsverantwortlichen<br />
1. Stufe<br />
Zielgruppe<br />
Indikation<br />
Angebot<br />
Wirkung<br />
Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie Berufsschullehrpersonen, welche<br />
ihr Handeln und ihre Interventionen durch eine Zusatzausbildung<br />
besser reflektieren und neue Handlungsmuster kennen lernen und umsetzen<br />
wollen.<br />
Ausbildungsverantwortliche sind mit ihren Interventionsmöglichkeiten<br />
unzufrieden und wollen auch in Situationen, welche ausserhalb der Norm<br />
liegen, ihren Lernenden tragfähige Rahmenbedingungen schaffen.<br />
<strong>Coaching</strong>ausbildung im Rahmen der Lehrmeisterkurse und Berufsschullehrerausbildung.<br />
Zusätzliche Kurse für diejenigen, welche bereits in der<br />
Berufsbildung tätig sind.<br />
Lehrmeisterinnen und Lehrmeister sowie Berufsschullehrpersonen werden<br />
befähigt, alltägliche private und schulische Probleme mit den Lernenden<br />
selbständig und erfolgreichzulösen<br />
86
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
4. <strong>Coaching</strong> in der Berufsschule – Ziele, Instrumente,<br />
Erfahrungen<br />
Liliane Günter, Georges Kübler<br />
Kompetenzzentrum (TBZ) für Lernförderung und Integration<br />
Träger<br />
Technische Berufsschule Zürich, TBZ<br />
Abteilung IT<br />
Personen<br />
4 Lehrpersonen (2 ABU, 2 BU)<br />
ca. 27 Absolventinnen und<br />
Absolventen einer Anlehre<br />
Leitung: Georges Kübler<br />
Eckdaten<br />
Laufzeit: Februar 01 - August 03<br />
Budgetierte Bruttokosten: 101'000.--<br />
Kompetenz-Zentrum<br />
für L eörderung n f u. Integration<br />
1. Lehrjahr<br />
2. Lehrjahr<br />
Stand<br />
Sprache<br />
Start /Einf ührung<br />
Stand<br />
Mathe<br />
Eingangs-<strong>Coaching</strong><br />
AU<br />
Stand<br />
Praxis<br />
BU<br />
Laufbahn-<strong>Coaching</strong><br />
BU<br />
AU BU Laufbahn-<strong>Coaching</strong><br />
BU<br />
Arbeit<br />
Attest<br />
Lehre<br />
Ziele<br />
• Alle Absolventinnen und Absolventen einer Anlehre erhalten (während 2 Jahren) coaching-gestützten,<br />
gezielten Förderunterricht.<br />
• 4 bis 8 (1/3) Absolventinnen und Absolventen einer Anlehre bereiten sich auf eine weiterführende<br />
Qualifikation nach der Anlehre vor.<br />
• Die TBZ verfügt über ausgebildete, kompetente Lehrpersonen und erprobte Abläufe.<br />
• Materialien und Instrumente für coachinggestützten Förderunterricht stehen bereit.<br />
<strong>Coaching</strong> in der Berufsschule<br />
Ein Kernelement des LSB-2-Projektes Kompetenzzentrum für Lernförderung und Integration<br />
ist die Entwicklung, Implementierung und Dokumentation der gesetzlich vorgesehenen fachkundigen<br />
individuellen Begleitung im Berufsschulunterricht. Wir bedienen uns dazu des <strong>Coaching</strong><br />
als einer Methode, welche die didaktischen Arrangements ergänzt und so zu selbstgesteuertem,<br />
das heisst wirksamen Lernen veranlasst. Solches zu herkömmlichem Unterricht<br />
komplementäres <strong>Coaching</strong> beruht auf folgenden Voraussetzungen:<br />
87
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
<strong>Coaching</strong> ist eine Methode, die den Schulunterricht ergänzt. Wenn die Attest-Ausbildung die<br />
fachkundige individuelle Begleitung als neues Element vorsieht, dann sind der Umfang,<br />
die Methodik und die Rahmenbedingungen zu definieren. Es kann nicht sein, dass mit<br />
dem neuen Element professionelles Handeln umschrieben wird, dass so bereits stattgefunden<br />
hat.<br />
<strong>Coaching</strong> verlangt eine zusätzliche Qualifizierung. Professionelles Handeln setzt voraus, dass<br />
man sich theoretisch und methodisch qualifiziert und seine Qualifikation auf hohem<br />
Stand beibehält, dass man über Instrumente verfügt und sein Handeln auf diesem Hintergrund<br />
reflektieren kann.<br />
<strong>Coaching</strong> benötigt spezifische Strukturen und Ressourcen. Um Aufgaben kontinuierlich und<br />
nachhaltig wahrzunehmen, sind zusätzliche Mittel nötig. Neben der Qualifizierung<br />
(Professionalisierung) braucht es insbesondere zeitliche und finanzielle Ressourcen<br />
(<strong>Coaching</strong>-Stunden, Supervision/Teamcoaching).<br />
<strong>Coaching</strong> muss für alle Beteiligten transparent sein. Tätigkeiten können in Bezug auf ihre<br />
Wirksamkeit nur beurteilt werden, wenn sie erkennbar sind und von anderen Tätigkeiten<br />
unterschieden werden können.<br />
Das Konzept im Aufriss<br />
Die individuelle Begleitung ist ein Angebot für Jugendliche in der Anlehre im Berufsschul-<br />
Kontext. Grundsätzlich werden diese in einem festgesetzten Rhythmus regelmässig gecoacht.<br />
Die Lernenden sind nicht verpflichtet, diese Angebote in Anspruch zu nehmen. Als Coach<br />
steht eine der beiden Lehrpersonen zur Verfügung. Zwischen den vorgegebenen Intervallen<br />
sind bei Bedarf weitere Einzelberatungen möglich. Auf Grund dieser Anlage drehen sich die<br />
<strong>Coaching</strong>-Gespräche zu Beginn in der Regel um Themen des Lernens und der Ausbildung.<br />
Ziel dieser <strong>Coaching</strong>-Gespräche sind Standortbestimmungen und das Finden persönlicher<br />
Ziele, bzw. die Revision ehemaliger Ziele, die mittels Vereinbarung festgehalten werden. Im<br />
Gespräch oder im Verlauf des Unterrichts werden Teilschritte, Massnahmen und Inhalte festgelegt.<br />
Der Unterricht bietet geeignete Lernbedingungen zur Realisierung der Zielsetzungen,<br />
er selber ist nicht Teil des <strong>Coaching</strong>, die Lehrperson erfüllt hier eine andere Rolle.<br />
Diese Konzeption unterscheidet sich von krisennahem <strong>Coaching</strong> dadurch, dass kaum akute<br />
Lebenssituationen zum <strong>Coaching</strong> führen, sondern primär Ausbildungsthemen besprochen<br />
werden. Sekundär führen die Gespräche allerdings oft und schnell in ganz persönliche Dimensionen,<br />
sofern diese in einem Zusammenhang zum Ausbildungserfolg stehen.<br />
Das Setting<br />
Über die generelle Absicht und die grossflächige Übungsanlage wurden die Lernenden und<br />
ihre Ausbilder zum voraus informiert. Das <strong>Coaching</strong> selbst findet als Einzelgespräch statt,<br />
welches in der Regel angekündigt und zwischen Lernendem und Coach abgemacht ist und in<br />
einem speziellen Arrangement stattfindet: ausserhalb der Unterrichtszeit, prinzipiell freiwillig,<br />
in einem ruhigen Raum der Schule und mit genügend Zeit.<br />
88
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Das Erstgespräch findet ausserhalb der Unterrichtszeit statt, für jeden Lernenden ist eine<br />
Stunde reserviert. Inhaltlich dient es gemäss gängigem <strong>Coaching</strong>-Ansatz in erster Linie dazu,<br />
die Wünsche und Ziele der Lernenden zu erkennen, vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten<br />
persönliche Optionen zu finden um dann erste Ziele zu fixieren. Beabsichtigt ist<br />
indes auch eine symbolische, vertrauensbildende Wirkung: die Voraussetzungen schaffen, die<br />
für die selbstgesteuerten Lernsequenzen unabdingbar sind, und den Lernenden signalisieren,<br />
dass ihre Lernbedürfnisse im Zentrum stehen, ernst genommen werden, aber auch Konsequenzen<br />
haben.<br />
Die weiteren <strong>Coaching</strong>-Sitzungen folgen im Prinzip diesem Muster, im Einzelfall können sie<br />
durchaus kürzer ausfallen, gelegentlich finden auch ganz beiläufig „kleine <strong>Coaching</strong>-Gespräche“<br />
am Rand des Unterrichts oder in Pausen statt.<br />
Abläufe und Inhalte<br />
Durch die parallele Ausbildung der beteiligten Coaches bei Rainer Bürki basieren die <strong>Coaching</strong>-Gespräche<br />
weitgehend auf dem Grow-Modell (vgl. R. Bürki):<br />
G (Goal): Die Ziele der Lernenden bilden den Anfang und Ausgangspunkt.<br />
R (Reality): In welcher realen Situation steht die/der Lernende?<br />
O (Options): Was für Möglichkeiten, Vorschläge und Ideen bieten sich an?<br />
W (Will): Was will die/der Lernende konkret tun?<br />
Zu Beginn drehen sich die Gespräche, bedingt durch den Schulkontext, häufig um Lern- und<br />
Ausbildungsfragen, sehr oft mischen sich auf der Zielebene aber bereits persönliche Aspekte<br />
ins Gespräch.<br />
Im Anfangsstadium war es für die Lehrpersonen-Coaches nicht immer ganz einfach, einerseits<br />
die Breite der Themen zuzulassen, anderseits die Zielfindung auf das Kerngebiet, die<br />
Ausbildung, zu fokussieren.<br />
Die Auswirkungen - Erste Beurteilungen der Coaches<br />
"Die Stimmung, vor allem im zweiten Lehrjahr, ist von beiden Seiten sehr viel entspannter,<br />
die Lehrperson kann das Gegenüber dank des <strong>Coaching</strong> viel schneller erfassen. Andere als<br />
nur schulisch-leitstungsmässige Elemente werden in der Lernenden-Lehrerin-Beziehung<br />
wichtig."<br />
"Die Einbindung der Lehrmeisterinnen und Lehrmeister mittels Laufbahnpass hat starke Auswirkungen,<br />
das hilft auch der Lehrperson, das selbstgesteuerte Lernen mit Tipps und klaren<br />
Lernvorgaben zu unterstützen."<br />
"Die Konzentration der Gespräche auf die Anfangsphase spart letztlich Zeit, weil vieles schon<br />
früh auf den Tisch kommt, was sonst unter Umständen erst nach 1 1 /2 Jahren bemerkt würde."<br />
"Das <strong>Coaching</strong>-Setting ermöglicht, dass man die wesentlichen Sachen unter der Oberfläche<br />
anspricht und erkennt. Das braucht seine Zeit, die im herkömmlichen Unterricht nicht zur<br />
Verfügung steht."<br />
89
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
"Mit dem <strong>Coaching</strong> im gewählten Setting erfasst man alle und nicht nur diejenigen, die auffallen,<br />
bei Unauffälligen verbergen sich nicht selten grössere Probleme."<br />
"Ich vermisse noch Strukturen und Instrumente für die Evaluation und Selbstevaluation, umgekehrt<br />
entstehen in den selbstgesteuerten Lernsequenzen auch Ideen und Strukturen, die evaluativen<br />
und steuernden Charakter haben.“<br />
...und erste Schlüsse<br />
Die Formen der Beratung und Umsetzung könnten mit wachsender Routine noch vermehrt<br />
ineinander greifen,. Indem z.B. kürzere Einzelgespräche, ev. parallel zum Unterricht, mit längeren<br />
<strong>Coaching</strong>gesprächen kombiniert werden können.<br />
Das Angebot könnte mit Gruppencoaching bereichert werden, Situationen, in denen sich das<br />
anbietet, sind zu prüfen.<br />
Bei der Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen fachkundigen individuellen Begleitung sollten<br />
grundsätzlich alle Attest-Lernenden Anspruch auf dieses Angebot haben.<br />
Die Ausbildung mit theoretischem Hintergrund, Übungen, Reflexion und Anwendungsintrumenten<br />
schafft die nötige Sicherheit für den Anfang, Weiterbildungsmodule zur Absicherung<br />
und Erweiterung der <strong>Coaching</strong>-Kompetenz sind nötig.<br />
Die ganze Qualifizierung sollte anerkannt (Zertifikat) und so attraktiver werden.<br />
Praxisbegleitende Reflexion ist essentiell, Supervision oder Teamcoaching, enger Austausch<br />
im Team sind unverzichtbar für die erfolgreiche Anwendung der Methode; allenfalls könnten<br />
weitere Elemente wie Teamteaching oder Intervision hinzukommen.<br />
Professionelles Handeln setzt die entsprechende Rahmenbedingungen voraus, konkret: Qualifizierung,<br />
angemessene Geld-, Zeit- und Infrastrukturressourcen (Raum, Administration).<br />
90
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Tagungsergebnisse und Schlussfolgerungen<br />
Andreas Grassi<br />
Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II, SIBP<br />
In den letzten Jahren streben gemäss Bildungsstatistik immer mehr Jugendliche eine Ausbildung<br />
in Vollzeitschulen an; die schulisch oft weniger leistungsfähige Mehrheit der<br />
Schulabgängerinnen und Schulabgänger besucht hingegen die Berufsschule im<br />
Teilzeitmodus. Die Berufsschule verfügt (zu Recht) nicht über Selektionsmöglichkeiten wie<br />
andere Schultypen der Sekundarstufe II und kann sich deshalb oft auch nicht auf diesem Weg<br />
der Probleme entledigen; vielmehr ist sie dazu aufgefordert, das Beste aus der Lehr-Lern-<br />
Situation zu machen. In absehbarer Zeit zeichnet sich keine Entspannung der Lage ab; die<br />
Berufsschulen werden auch in Zukunft die Aufgabe übernehmen, einen grossen Teil der<br />
schulisch weniger leistungsfähigen Jugendlichen im Verbund mit Lehrbetrieben und<br />
überbetrieblichen Kursen ausbilden zu helfen.<br />
Die Lernvoraussetzungen der Berufsschülerinnen und Berufsschüler sind heterogen, die Startbedingungen<br />
für die Berufslehre sind je nach Berufsfeld unterschiedlich. In einigen stark<br />
gefragten Berufen können Lehrbetriebe mit einer, oft nach aussen delegierten Selektion (Eignungstests)<br />
die Startvoraussetzungen in begrenztem Masse ausgeglichen halten. In anderen<br />
Berufsfeldern ist eine solche Selektion nicht möglich oder nicht erwünscht und wohl auch<br />
nicht anzustreben. In vielen Klassen machen sich verstärkt Lerndefizite und Lernprobleme<br />
bemerkbar. Mit erweiterten Lehr- und Lernformen und individualisiertem Unterricht versuchen<br />
Lehrpersonen diesem Umstand Rechnung zu tragen.<br />
Die Rahmenbedingungen für den anforderungsreichen Unterricht haben sich aber in den letzten<br />
Jahren eher verschlechtert. Die Finanzknappheit im Bildungsbereich führte in vielen Kantonen<br />
zu einer durchschnittlichen Erhöhung der Klassenbestände bei gleichzeitig steigender<br />
Komplexität des Unterrichtsgeschehens (z.B. Einbezug der neuen Informationstechnologien)<br />
und zunehmend standardisiert formulierten Qualitätszielen. Der daraus resultierende Schereneffekt<br />
zwischen dem, was geleistet werden sollte (Erreichen eines von aussen oder selbst gestellten<br />
Anforderungniveaus) und dem, was im Regelunterricht zu leisten möglich ist (alltägliche<br />
Schulrealität mit den bekannten Erschwernissen), kann die Leistungsgrenze von Lehrpersonen<br />
übersteigen.<br />
Eine teilweise Auslagerung der Probleme in den Stütz- und Förderunterricht verfolgt mehrere<br />
Ziele:<br />
• Die lernende Person wird bei ihrem Lernen enger und intensiver begleitet als dies im<br />
Regelunterricht möglich ist.<br />
• Lücken in den grundlegenden schulischen Kenntnissen und Fertigkeiten sollen geschlossen<br />
werden.<br />
• Die lernende Person soll ihr strategisches Vorgehen beim Lernen verbessern und damit<br />
Schritte zum eigenständigen Lernen machen.<br />
91
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
Stütz- und Förderunterricht trägt auch zur Abklärung bei, ob eine Neubeurteilung des eingeschlagenen<br />
beruflichen Weges angezeigt ist. Können Lernende trotz Stütz- und Fördermassnahmen<br />
ihre Leistungen nicht verbessern, ist dieser Schritt in Erwägung zu ziehen.<br />
Viele Berufsschulen haben auf die veränderte Situation im Berufsbildungsbereich reagiert.<br />
Der zeitliche und finanzielle Aufwand für Stütz- und Fördermassnahmen ist zum Teil beträchtlich.<br />
Die getroffenen Massnahmen sind vielfältig und werden oft in pragmatischen<br />
Schritten entwickelt. Ein Gesamtkonzept und vor allem eine Darstellung der Synergieeffekte<br />
zwischen Stütz-, Förder- und Regelunterricht, fehlt aber in vielen Fällen. In einigen Berufsschulen<br />
ist der Stütz- und Förderunterricht unterentwickelt, und die kantonalen Behörden unterlassen<br />
es, auf die Erfüllung dieser Aufgabe zu drängen.<br />
Aus der Fachtagung <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong> – <strong>Coaching</strong> haben die anwesenden Expertinnen<br />
und Experten für die Umsetzung des nBBG folgende Schlussfolgerungen für den<br />
Stütz- und Förderbereich gezogen:<br />
1. Es braucht weiterhin den gemeinsamen politischen Willen, den grössten Teil der Schulabgängerinnen<br />
und Schulabgänger in die Berufswelt zu integrieren. Dieser Konsens<br />
verwirklicht sich nicht von selbst; Politiker müssen die nötigen Finanzen für die personellen<br />
und infrastrukturellen Mittel bereit stellen. Die benötigten personellen und finanziellen<br />
Ressourcen sind realistisch zu planen. Die Wirtschaft muss die entsprechenden<br />
Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.<br />
2. Die Berufsschulen weisen sich im Rahmen der Qualitätssicherung darüber aus, dass sie<br />
über ein breites, den Bedürfnissen ihrer Lernenden angepasstes Stütz- und Förderangebot<br />
verfügen. Das Angebot ist niederschwellig, offen und klar strukturiert.<br />
3. Die Verantwortlichkeit für den Stütz- und Förderbereich an den Berufsschulen ist geklärt<br />
und personell gesichert. Das Stütz- und Förderangebot ist praxisbezogen und folgt<br />
klaren wissenschaftlichen Konzepten. Ziel aller Bemühungen der <strong>Lernbegleitung</strong>, der<br />
<strong>Lernberatung</strong> und des <strong>Coaching</strong>s ist es, die Eigenständigkeit der Lernenden zu fördern.<br />
4. Die eingesetzten Lehrpersonen sind gut im Berufsbildungssystem verankert, verfügen<br />
über eine relevante Zusatzausbildung und/oder weisen sich über kontinuierliche Weiterbildung<br />
aus (Professionalisierung des Stütz- und Förderbereichs).<br />
5. Die eingesetzten Lehrpersonen verfügen über vertiefte Kompetenzen in den Bereichen<br />
Diagnostik, Lernförderung und Interkulturalität. Ihr Wissen und Können über die Steuerung<br />
von Lernprozessen ist aktuell. Sie kennen insbesondere Methoden und Instrumente,<br />
die selbstgesteuertes Lernen fördern und wenden diese situationsadäquat an.<br />
6. Die bisherigen Erfahrungen aus den Pilotprojekten sind bei der Umsetzung des nBBG<br />
ernst zu nehmen und in die Planung mit einzubeziehen. Sie sind systematisch und unter<br />
Beizug von Fachleuten weiter zu entwickeln.<br />
7. Für die Fachpersonen für Lernförderung besteht ein entsprechendes Weiterbildungsangebot,<br />
das unter anderem folgende Elemente aufweist:<br />
- Aktualisieren des theoretischen Hintergrundes anhand situierter, praxisorientierter<br />
Fallbeispiele.<br />
92
<strong>Lernbegleitung</strong>-<strong>Lernberatung</strong>-<strong>Coaching</strong> – Dokumentation zur Tagung vom 25./26. Oktober 2002<br />
- Vertiefte Kenntnisse von Instrumenten und Verfahren der pädagogischen Diagnostik.<br />
- Kennen und Anwenden von Instrumenten und Methoden zur Förderung des eigenständigen<br />
Lernens.<br />
- Auseinandersetzung mit Werten und Haltungen, insbesondere auch unter den Aspekten<br />
Interkulturalität und Genderfragen.<br />
Interdisziplinäre Weiterbildung und Weiterbildung von ganzen Teams sind besonders<br />
zu fördern.<br />
8. Fachpersonen für Lernförderung arbeiten vernetzt mit den übrigen Ausbildungsverantwortlichen<br />
zusammen. Sie bemühen sich um eine gute und regelmässig stattfindende<br />
Kommunikation. Die Vielfalt der Begrifflichkeit macht es nötig, sich immer wieder um<br />
Verständigung und Klarheit zu bemühen.<br />
9. Fachpersonen für Lernförderung kennen die Fachstellen im ausserschulischen Bereich<br />
und arbeiten situationsspezifisch mit ihnen zusammen.<br />
10. Die Angebote und die getroffenen Massnahmen sind periodisch und systematisch auf<br />
ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die Forschung unterstützt mit ihren Ergebnissen<br />
den Prozess der Professionalisierung.<br />
Das rege Interesse an der Fachtagung vom 25./26. Oktober 2002 zeigte auf, dass im Hinblick<br />
auf die Umsetzung des nBBG im Bereich der <strong>Lernbegleitung</strong> und Lernförderung Handlungsbedarf<br />
besteht. Die Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sek II des SIBP<br />
wird das Thema weiter verfolgen. Insbesondere wird sie sich für die Planung und Realisierung<br />
entsprechender Weiterbildungsangebote einsetzen.<br />
Andreas Grassi<br />
Marietheres Schuler<br />
Fachstelle erweiterte pädagogische Fördermassnahmen Sekundarstufe II<br />
Kirchlindachstrasse 79<br />
3052 Zollikofen<br />
Telefon: 031 324 33 66<br />
Email:<br />
andreas.grassi@bbt.admin.ch<br />
marietheres.schuler@bbt.admin.ch<br />
93
SIBP Schriftenreihe / Cahiers de l’ISPFP / Quaderni ISPFP<br />
Nr. 1 Didaktikkurs I und II. Rahmenlehrplan für die deutschsprachige Schweiz, Zollikofen 1996 (vergriffen) /<br />
Neuauflage der Schriftenreihe Nr. 1, Zollikofen 2002<br />
Nr. 2d Zukünftiger Status des Instituts. Bericht der Arbeitsgruppe, Zollikofen 1996 (vergriffen)<br />
No. 2f Le statut futur de l’Institut. Rapport du groupe de travail, Zollikofen 1996 (épuisé)<br />
Nr. 3 Ausbildung in den Berufen der Haustechnik. Studie im Auftrag der Eidg. Berufsbildungskommission,<br />
Zollikofen 1996 (vergriffen)<br />
No. 4i La formazione commerciale duale: proposte di riforma, Zollikofen 1996<br />
Nr. 5 25 Jahre SIBP 1972 – 1997, Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik,<br />
Zollikofen 1997<br />
Nr. 6 Evaluationsbericht über die Ausbildung von Lehrkräften für den praktischen Unterricht, Zollikofen 1997<br />
Nr. 7 Umsetzung des Rahmenlehrplanes für den allgemeinbildenden Unterricht an den Berufsschulen,<br />
Zollikofen 1997 (vergriffen)<br />
Nr. 8 Sondermassnahmen für die berufliche Weiterbildung (1990 – 1996), Zollikofen 1997<br />
Nr. 9 Lernen in einer neuen Kultur und Sprache, Zollikofen 1998<br />
Nr. 10 Choreografien unterrichtlichen Lernens als Konzeptionsansatz für eine Berufsfelddidaktik, Zollikofen 2000<br />
Nr. 11 Berufspraktische Bildung – Dokumentation zur Impulstagung vom 12. Mai 2000, Zollikofen 2000<br />
Nr. 12 Integration oder Re-Integration – Dokumentation zur Tagung vom 8./9. Dezember 2000, Zollikofen 2001<br />
Nr. 13d Virtuelle Welten, Zollikofen 2001<br />
Nr. 13f Mondes Virtuels, Zollikofen 2001<br />
Nr. 14 VereinPaarkeit von Beruf und Familie – Dokumentation zu einem etwas andern SIBP-Kurs, Zollikofen 2001<br />
Nr. 15 Entwicklung und Evaluation von zwei Langzeit-Lehrgängen, Zollikofen 2002<br />
Nr. 16 Die Evaluation des DELV-Programmes bei Schülerinnen und Schülern in der beruflichen Ausbildung,<br />
Zollikofen 2002<br />
Nr. 17 Berufsbildung USA, Zollikofen 2002<br />
Nr. 18 Barriere Sprachkompetenz, Zollikofen 2002<br />
Nr. 19 Die Festlegung von Standards für die Ausbildung von allgemeinbildenden Lehrpersonen an Berufsschulen,<br />
Zollikofen 2003<br />
Nr. 20 Gendergerecht unterrichten an Berufsschulen, Zollikofen 2003<br />
Nr. 21 <strong>Lernbegleitung</strong> – <strong>Lernberatung</strong> – <strong>Coaching</strong>, Zollikofen 2003<br />
wird fortgesetzt / à suivre / seguirà<br />
In Zusammenarbeit mit WBZ-CPS<br />
(Schweizerische Zentralstelle für die Weiterbildung von Mittelschullehrpersonen)<br />
• Kriterienkatalog Geschlechtergleichstellung in Unterrichtsgestaltung und Schulentwicklung, Zollikofen/Luzern,<br />
2000 (überarbeitete Auflage)<br />
• Auch als Online-Version zum Herunterladen auf: www.wbz-cps.ch/deutsch/forschung/folgeseiten/publikat.html<br />
94
Bestellungen nehmen wir gerne SCHRIFTLICH (per Post oder Fax) oder online über unsere Homepage<br />
www.sibp.ch/index1.htm (F+E Publikationen) bzw. e-mail: mediothek.sibp@bbt.admin.ch entgegen.<br />
Besten Dank!<br />
---------------------------------------- oder Kopieren ...<br />
-------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />
BESTELLTALON<br />
Bitte senden Sie uns (gratis) an folgende Adresse:<br />
Institution ...........................................................................................................................................................<br />
Name/Vorname ...........................................................................................................................................................<br />
Strasse ...........................................................................................................................................................<br />
PLZ/Ort ...........................................................................................................................................................<br />
Telefon und E-mail: (für allfällige Rückfragen, danke) ..............................................................................................................<br />
.......... Ex. WBZ/SIBP Kriterienkatalog Geschlechtergleichstellung in Unterrichtsgestaltung und Schulentwicklung<br />
.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />
.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />
.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />
.......... Ex. der SIBP-Schriftenreihe Nummer ....................<br />
Talon bitte einsenden oder faxen an: SIBP, Postfach 637, 3052 Zollikofen / Fax: 031 323 77 77<br />
95