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Wer früh anfängt, kommt weiter - ETH Zürich

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BILDUNG SCHWEIZ 9 I 2012 ......................................................<br />

AKTUELL<br />

25<br />

sätzen schon vorhanden», sagt daher<br />

Ralph Schumacher. Diese Kompetenzen<br />

sollten genutzt werden, indem sich Primarschulkinder<br />

bereits in vereinfachter<br />

Form mit naturwissenschaftlichen Problemen<br />

auseinandersetzen. Wenn dann<br />

dieselben Probleme auf einer höheren<br />

Schulstufe noch einmal in abstrakterer<br />

Form behandelt werden, sollte der Lernerfolg<br />

besser ausfallen, hofft Schumacher:<br />

«Verschiedene Studien haben gezeigt,<br />

dass man sich neue Informationen<br />

umso besser merken kann, je besser<br />

man sie an das Vorwissen anschliessen<br />

kann.»<br />

So zum Beispiel folgende Untersuchung:<br />

Zwei Gruppen von Kindern wurde von<br />

Lehrpersonen das Konzept der Dichte<br />

(Masse pro Volumen) erklärt. Eine der<br />

beiden Gruppen machte jedoch zuerst<br />

folgende kindergerechte Vorübung: Auf<br />

Bildern werden Clowns gezeigt, die in<br />

Bussen zu ihrem Arbeitsort fahren. In<br />

den einen Bussen befinden sich weniger<br />

Clowns, die so bequem Platz finden,<br />

während andere Busse mit Clowns überfüllt<br />

sind. Nun wird den Kindern erklärt,<br />

je überfüllter die Busse, desto schlechter<br />

gelaunt sind die Clowns, wenn sie ankommen.<br />

«Die Schülergruppe, welche<br />

zuerst die Clown­Übung absolviert<br />

hatte, verstand anschliessend das Konzept<br />

der Dichte besser als die andere<br />

Schülergruppe», erklärt Schumacher.<br />

Ob sich solche Übungen allerdings nicht<br />

nur unmittelbar danach, sondern auch<br />

über längere Zeit, das heisst in späteren<br />

Schuljahren, wirklich positiv auf das<br />

schulische Lernen auswirken, muss erst<br />

noch untersucht werden. Dies ist Gegenstand<br />

einer zurzeit laufenden Studie<br />

mit 4000 Kindern vom siebten bis zum<br />

zwanzigsten Lebensjahr. Dabei wird<br />

eine Gruppe von Kindern in herkömmlicher<br />

Weise unterrichtet, während eine<br />

zweite Gruppe mit optimiertem Lernmaterial<br />

nach einem Lehrplan arbeitet,<br />

Weiterbildung für Lehrpersonen<br />

bei dem dieselben Themen immer wieder<br />

in etwas schwierigerer Form vorkommen.<br />

«Die neuen Unterrichtsmaterialien sind<br />

zwar schon in Studien erprobt und als<br />

gut befunden worden», sagt Schumacher,«es<br />

ist aber das erste Mal, dass eine<br />

so grosse Zahl von Schülern über einen<br />

so langen Zeitraum untersucht wird.»<br />

Entwicklungsstufen sind nicht starr<br />

Aber wie verträgt sich die Forderung,<br />

schon Primarschulkinder mit naturwissenschaftlichen<br />

Argumenten zu konfrontieren,<br />

mit der Idee, dass Kinder<br />

zuerst ein gewisses Alter erreichen müssen,<br />

um überhaupt abstrakt und logisch<br />

denken zu können? Diese auf Jean Piaget<br />

zurückgehende Idee der biologisch<br />

bestimmten Entwicklungsstufen kennen<br />

viele Lehrerinnen und Lehrer noch aus<br />

ihrer Studienzeit. Elsbeth Stern, die am<br />

Institut für Verhaltenswissenschaften<br />

eine Professur für Lehr­ und Lernforschung<br />

innehat, erklärt, dass aufgrund<br />

neuerer Forschung gewisse Aspekte von<br />

Piagets Theorie revidiert werden mussten:<br />

«Piaget dachte, dass das Denken der<br />

Am MINT­Lernzentrum werden regelmässig Weiterbildungen für Lehrkräfte mathematisch­naturwissenschaftlicher<br />

Fächer angeboten. Das Angebot richtet sich an Lehrpersonen<br />

der Sekundar­ und Gymnasialstufe. In diesen Weiterbildungen werden unter<br />

anderem Experimente, kognitiv aktivierende Phänomene und Lernaufträge für den<br />

Unterricht sowie Lernsoftware und Tests zur Ermittlung des Vorwissens und der Lernfortschritte<br />

der Schülerinnen und Schüler vorgestellt.<br />

Weitere Informationen finden sich auf www.educ.ethz.ch/mint/fort<br />

Foto: Stéphane Hess<br />

Interessierte wenden sich an Ralph Schumacher: ralph.schumacher@ifv.gess.ethz.ch<br />

Prof. Elsbeth Stern<br />

und Dr. Ralph<br />

Schumacher vom<br />

MINT-Lernzentrum<br />

der <strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>.<br />

Menschen durch eine Art inneres Programm<br />

gesteuert wird, das im Verlaufe<br />

der Kindheitsentwicklung immer leistungsfähiger<br />

wird. Wenn dieses innere<br />

Programm die Entwicklungsstufe des<br />

logischen Denkens erreichte, dann äusserte<br />

sich dies –gemäss Piaget –inallen<br />

Bereichen geistiger Aktivität: Mathematik,<br />

Physik, Alltag usw. Dagegen wurde<br />

nun aber beobachtet, dass Kinder in<br />

Bereichen, in denen sie sich gut auskennen,<br />

schon logisch denken können,<br />

bevor sie die entsprechende Entwicklungsstufe<br />

erreicht haben, während sie<br />

in anderen Bereichen auch als Erwachsene<br />

noch schwere logische Denkfehler<br />

machen.»<br />

Gibt man den Kindern das nötige Wissen,<br />

ist es also durchaus möglich, schon<br />

in der Primarschule gewisse naturwissenschaftliche<br />

Themen zu behandeln.<br />

Allerdings, präzisiert Stern, ist ein Aspekt<br />

der Theorie Piagets nach wie vor<br />

gültig: «Wissen kann nicht einfach in die<br />

Köpfe der Kinder eingefüllt werden. Die<br />

Kinder müssen ihr Wissen schrittweise<br />

konstruieren.» Und das braucht Zeit.<br />

Es wäre also ein Irrtum, aus der Revidierung<br />

von Piagets Theorie zu schliessen,<br />

die Zeit für die Aneignung wissenschaftlichen<br />

Denkens könne beliebig verkürzt<br />

werden. Aber gerade dies sei erst recht<br />

ein Grund, mit dem naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht schon <strong>früh</strong> zu beginnen,<br />

meint Stern. Zwar kann man sich<br />

naturwissenschaftliches Wissen auch<br />

noch aneignen, wenn man älter ist. Aber<br />

wenn die Grundlagen <strong>früh</strong> gelegt werden,<br />

kann man später darauf aufbauen.<br />

Mit anderen Worten: <strong>Wer</strong> <strong>früh</strong>er beginnt,<br />

ist eher am Ziel.

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