FDW_1.ZBOhrwurm31.01.08.pdf - DLR Rheinpfalz
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Betrifft: Zwischenbericht über den Forschungsauftrag:<br />
„Untersuchungen zur Lebensweise und zur Populationskontrolle des Gemeinen<br />
Ohrwurms Forficula auricularia L. (Insecta, Dermaptera) in Rebanlagen“<br />
Institut: Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum – <strong>Rheinpfalz</strong> – (<strong>DLR</strong>),<br />
67435 Neustadt a. d. Weinstraße, Breitenweg 71, Abteilung Phytomedizin<br />
Forschungsvorhaben:<br />
„Untersuchungen zur Lebensweise und zur Populationskontrolle des Gemeinen<br />
Ohrwurms Forficula auricularia L. (Insecta, Dermaptera) in Rebanlagen“<br />
Inhaber des Forschungsauftrages:<br />
Dr. Karl-Josef Schirra, Sachgebiet Entomologie des <strong>DLR</strong> in Neustadt/Weinstraße<br />
Claudia Huth, Diplom-Biologin<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
Prof. Dr. A. Seitz, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Zoologie,<br />
Abteilung Ökologie, 55122 Mainz<br />
Berichtszeitraum: 01.05.2007 – 31.01.2008
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung und Untersuchungsziele 1<br />
2. Methoden 3<br />
2.1 Auswahl und Charakteristik der Untersuchungsflächen 3<br />
2.2 Datenerfassung 6<br />
2.2.1 Auswahl und Charakteristik Fangmethoden 6<br />
2.2.2 Erfassung biotischer und abiotischer Faktoren 11<br />
2.2.3 Auswahl und Charakteristik von Haltungs- und Zuchtmethoden 14<br />
2.3 Datenauswertung 16<br />
3. Ergebnisse und Disskusion 17<br />
3.1 Räumliche Individuenverteilung der Daueruntersuchungsflächen 17<br />
3.2 Einfluss von Biotik und Abiotik auf die Individuenverteilung 23<br />
3.3 Einfluss der Rebsorten auf die Individuenverteilung 27<br />
3.4 Versuche zur Befallsregulierung 30<br />
3.4.1 Bekämpfungsversuche durch Insektizide 30<br />
3.4.2 Befallsregulierung durch Repellent-Stoffe 32<br />
3.4.3 Befallsregulierung durch Veränderungen der Habitatstruktur 35<br />
3.4.4 Befallsregulierung durch insektenpathogene Nematoden und Pilze 38<br />
3.5 Traubengesundheit<br />
42<br />
3.5.1 Fraßversuche mit Graufäule im Labor 42<br />
3.5.2 Fraßversuche mit Trauben im Freiland 43<br />
3.5.3 Analytik<br />
45<br />
3.6 Zucht 49<br />
3.6.1 Verhaltens- und populationsbiologische Studien in der Laborzucht 49<br />
3.6.2 Nestkartierung im Freiland 56<br />
3.7 Ausblick 59<br />
4. Literatur 62
1. Einleitung und Untersuchungsziele<br />
Seit einigen Jahren verursacht der Gemeine Ohrwurm (Forficula auricularia L.) durch<br />
seine hohen Populationsdichten massive Probleme in pfälzischen Rebanlagen. Diese<br />
äußern sich primär durch starke Kotablagerungen im Traubengerüst und das<br />
Ausfressen von Beeren. Als sekundäre Schadwirkung ist das starke Auftreten von<br />
Ohrwürmern am gesamten Rebstock zu bewerten, welches nicht nur die Pflege- und<br />
Lesemaßnahmen stark erschwert und stört, sondern auch einen negativen<br />
Qualitätseindruck beim Verbraucher hervorrufen kann. Ob das in Stresssituation<br />
ausgestoßene benzochinonhaltige Abwehrsekret von Forficula auricularia, das in<br />
geringen Anteilen auch im Kot vorhanden ist, einen Fehlton im Wein erzeugen kann,<br />
muss noch analysiert werden.<br />
Im Rahmen des im Mai 2007 am <strong>DLR</strong>-<strong>Rheinpfalz</strong> in Neustadt angelaufenen <strong>FDW</strong>-<br />
Forschungsprojektes soll bis 2010 geklärt werden, welche abiotischen und biotischen<br />
Umweltfaktoren die wachsenden Individuenzahlen von Forficula auricularia. bedingen.<br />
In einem weiteren Schwerpunkt soll die artspezifische Fortpflanzungsbiologie speziell<br />
in Rebanlagen untersucht werden. Ziel des Forschungsprojektes ist, die lagenweise<br />
enormen Individuendichten mit den aufgeführten Primär- und Sekundarschäden zu<br />
minimieren.<br />
Zur Ermittlung der dichtesteuerenden Umweltparameter wurden im Mai 2007 sechs<br />
Daueruntersuchungsflächen in den Gemarkungen Neustadt-Mußbach, Leistadt und<br />
Kallstadt angelegt, die sich hinsichtlich der Bewirtschaftung, der Bodenarten und der<br />
Rebsorten unterschieden.<br />
Des Weiteren wurden 2007 im Freiland und Labor verschiedene Versuche zur<br />
Reduzierung der Populationsdichte des Gemeinen Ohrwurms vorgenommen. Unter<br />
anderem wurden in Freilandversuchen die Auswirkungen verschiedener Insektizide<br />
sowie die in der Literatur beschriebene Repellentwirkung von Benzochinon auf die<br />
Ohrwurmdichte untersucht. Gegenstand weiterer Untersuchungen war, inwieweit<br />
Veränderungen in der Habitatstruktur, wie z.B. Laub- und Traubenausdünnung,<br />
Umstellung der Winterbodenbearbeitung und Schaffung eines Ersatzhabitates, den<br />
Ohrwurmbefall minimieren können. In ersten Laborversuchen wurde überprüft, ob<br />
insektenpathogene Nematoden und Pilze als Bekämpfungsmöglichkeit gegen den<br />
Gemeinen Ohrwurm in Frage kommen.<br />
1
Weitere Laboruntersuchungen mit geeigneter Analytik umfassen den Einfluss von<br />
starken Kotablagerungen im Traubengerüst auf den Geschmack und die Qualität des<br />
Weins.<br />
Unter dem Aspekt Traubengesundheit wurden 2007 erste Fraßversuche mit Forficula<br />
auricularia im Freiland und Labor durchgeführt. Mit diesen Untersuchungen sollte die<br />
Frage beantwortet werden, ob der Ohrwurm gesunde Beeren anfrisst, wenn keine<br />
anderen Nahrungsressourcen zur Verfügung stehen.<br />
Zur Aufklärung der artspezifischen Fortpflanzungsbiologie in Rebanlagen laufen zum<br />
einen seit Dezember 2007 Nestkartierungen in ausgewählten Versuchsflächen, zum<br />
anderen wird seit August 2007 am Aufbau einer Ohrwurm-Laborzucht gearbeitet.<br />
Folgende methodische Ansätze und Projektschwerpunkte wurden im Zeitraum vom 1.<br />
Mai 2007 bis 20. Januar 2008 bearbeitet:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Auswahl und Entwicklung geeigneter Fallensysteme zur kontinuierlichen<br />
Individuenerfassung von Forficula auricularia im Unterstockbereich und in der<br />
Laubwand<br />
Auswahl geeigneter Daueruntersuchungsflächen und Erfassung aller für die<br />
Versuchsziele relevanter abiotischer und biotischer Umweltfaktoren<br />
Ermittlung der räumlichen und zeitlichen Individuenverteilung während der<br />
Vegetationsperiode von Mai bis Oktober 2007<br />
Untersuchungen zu Auswirkungen verschiedener Bewirtschaftungsmethoden<br />
auf die Ohrwurm-Populationsdichte im Jahresverlauf<br />
Untersuchungen zu Auswirkungen verschiedener biotischer und abiotischer<br />
Umweltfaktoren auf die Populationsdichte im Jahresverlauf<br />
Phänologische Untersuchung zur klimaabhängigen Mobilität von Ohrwürmern in<br />
Raum (Nischen des Rebstockes) und Zeit (Vegetationsperiode)<br />
Einfluss von verschiedenen Insektiziden, insektenpathogenen Nematoden und<br />
Pilzen, Repellent-Substanzen und Veränderungen in der Habitatstruktur auf die<br />
Ohrwurm-Individuendichte<br />
Auswirkungen des Ohrwurmkots und des Anfressens bzw. Ausfressens von<br />
Beeren auf die Traubengesundheit<br />
<br />
Aufbau einer Laborzucht für Insektizid-, Affinitäts- und Populationstests<br />
2
2. Methoden<br />
2.1 Auswahl und Charakteristik der Untersuchungsflächen<br />
Daueruntersuchungsflächen<br />
Die 2007 ausgewählten sechs Daueruntersuchungsflächen befinden sich in den<br />
Ortschaften Neustadt-Mußbach, Leistadt und Kallstadt. Die Monitoringflächen wurden<br />
nach folgenden Kriterien ausgewählt: Rebsorte, Bewirtschaftungsmethode und<br />
Bodentyp (Tabelle 2, Seite 4).<br />
Erstes Auswahlkriterium war die Rebsorte (Tabelle 1), da zahlreiche pfälzische<br />
Weinbaubetriebe einen starken Ohrwurmbefall in kompakteren Trauben, wie z.B.<br />
Riesling, feststellten. Inwieweit die hohen Individuenzahlen mit der Dichtbeerigkeit der<br />
Trauben oder anderen Faktoren, wie der gesamten Wuchsform des Rebstockes oder<br />
örtlich bedingten mirkoklimatischen Verhältnissen korrelieren, müssen zukünftige<br />
Untersuchungen klären.<br />
Tabelle 1: Überblick und Charakteristik der Rebsorten in den Versuchsflächen Leistadt,<br />
Kallstadt und Neustadt-Mußbach<br />
Sorte (Farbe)<br />
CABERNET BLANC<br />
weiß<br />
GOLDMUSKATELLER<br />
weiß<br />
HELIOS<br />
weiß<br />
LAGREIN<br />
rot<br />
PINOTIN<br />
rot<br />
PORTUGIESER<br />
rot<br />
REBERGER<br />
rot<br />
RIESLING<br />
weiß<br />
ROSENMUSKATELLER<br />
weiß<br />
RUBINET<br />
rot<br />
SILVANER<br />
weiß<br />
SPÄTBURGUNDER<br />
rot<br />
TEMPRANILLO<br />
rot<br />
VB 91-26-5<br />
rot<br />
VIOGNIER<br />
weiß<br />
Traubenstruktur<br />
sehr lockerbeerig<br />
lockerbeerig, länglich,<br />
walzenförmig<br />
lockerbeerig, nicht geschultert<br />
dichtbeerig, geschultert<br />
sehr lockerbeerig, selten<br />
geschultert, schmal, lang<br />
dichtbeerig, beidseitig<br />
geschuldert, länglich<br />
lockerbeerig<br />
dichtbeerig, kompakt,<br />
geschultert<br />
mittel dichtbeerig, kaum<br />
geschultert, walzenförmig<br />
lockerbeerig, nicht geschultert<br />
dichtbeerig, kompakt,<br />
walzenförmig bis geschultert<br />
dichtbeerig, walzenförmig,<br />
selten geschultert<br />
lockerbeerig, oft doppelt<br />
geschultert, lang<br />
lockerbeerig, nicht geschultert<br />
dichtbeerig, kompakt,<br />
abgestumpft<br />
mittelgroß<br />
mittelgroß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
groß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
klein bis<br />
mittelgroß<br />
groß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
mittelgroß<br />
klein bis<br />
mittelgroß<br />
groß<br />
mittelgroß<br />
bis groß<br />
mittelgroß<br />
Traubengröße<br />
Reifetermin<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
frühreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
frühreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
mittelreif<br />
spätreif<br />
Versuchsfläche<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Leistadt<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-M.,<br />
Leistadt, Kallstadt<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
Neustadt-Mußbach<br />
3
Tabelle 2: Charakteristik der Daueruntersuchungsflächen und Verteilung der Fangsysteme<br />
Charakteristik der Untersuchungsflächen<br />
Fallentransektreihen<br />
Fläche: Mußbacher Glockenzehnt<br />
Flächengröße: ca. 1,5 ha<br />
Rebsorten: 23 (1 bis 3 Jahre alt)<br />
Bodenbewirtschaftung: halboffen<br />
Begrünung: alternierend<br />
Bodentyp: sandiger Lehm<br />
Insektizide: Pheromon-Traubenwickler<br />
Fungizide: Folpan, Vivando, Funguran<br />
Herbizide: Roundup<br />
Besitzer: <strong>DLR</strong>-Neustadt<br />
Fläche: Silvaner - Mußbacher<br />
Flächengröße: ca. 0,2 ha<br />
Rebsorte: Silvaner (ca. 10 Jahre alt)<br />
Bodenbewirtschaftung: offen mit Mulch<br />
Begrünung: ohne<br />
Bodentyp: lehmiger Sand<br />
Insektizide: Pheromon-Traubenwickler<br />
Fungizide: Folpan, Vivando, Funguran<br />
Herbizide: keine<br />
Besitzer: Herr Walcher (Neustadt)<br />
Fläche: Riesling I - Kallstadt<br />
Flächengröße: ca. 0,08 ha<br />
Rebsorte: Riesling (ca. 9 Jahre alt)<br />
Bodenbewirtschaftung: geschlossen<br />
Begrünung: vollständig<br />
Bodentyp: sandiger Lehm<br />
Insektizide: Pheromon-Traubenwickler<br />
Fungizide: Polyram, Folpan, Kumulus<br />
Herbizide: keine<br />
Besitzer: Herr Christ (Kallstadt)<br />
Fläche: Riesling II - Kallstadt<br />
Flächengröße: ca. 0,09 ha<br />
Rebsorte: Riesling (ca. 9 Jahre alt)<br />
Bodenbewirtschaftung: halboffen<br />
Begrünung: alternierend<br />
Bodentyp: sandiger Lehm<br />
Insektizide: Pheromon-Traubenwickler<br />
Fungizide: Polyram, Folpan, Vento, Kum.<br />
Herbizide: Roundup<br />
Besitzer: Herr Bühler (Kallstadt)<br />
Fläche: Riesling III - Kallstadt<br />
Flächengröße: ca. 2,3 ha<br />
Rebsorten: Riesling (ca. 10 Jahre alt)<br />
Bodenbewirtschaftung: offen<br />
Begrünung: ohne<br />
Bodentyp: lehmiger Sand<br />
Insektizide: Pheromon-Traubenwickler<br />
Fungizide: Polyram, Folpan, Vento, Kumulus<br />
Herbizide: Roundup<br />
Besitzer: Herr Schramm (Kallstadt)<br />
Fläche: Portugieser - Leistadt<br />
Flächengröße: ca. 0,07 ha<br />
Rebsorten: Portugieser (ca. 8 Jahre alt)<br />
Bodenhaltung: offen<br />
Begrünung: nicht vorhanden<br />
Bodentyp: lehmiger Sand<br />
Insektizide: keine Pheromone, Netzschwefel<br />
Fungizide: Polyram, Folpan, Prosper<br />
Herbizide: keine, da VDP-Anlage<br />
Besitzer: Herr Meyer (Leistadt)<br />
- 13 Fallentransekte: Reihe1:<br />
Riesling, Reihe3: Helios, Reihe4:<br />
Pinotin, Reihe 5: Cabernet Blanc,<br />
Reihe7: VB-91-26-5, Reihe9:<br />
Reberger, Reihe15: Rubinet, Reihe<br />
16: Lagrein, Reihe 18: Tempranillo,<br />
Reihe21: Spätburgunder, Reihe22:<br />
Viognier, Reihe23: Goldmuskateller,<br />
Reihe24: Rosenmuskateller<br />
- Anlage: 24 Reihen<br />
- 1 Fallentransekt<br />
(Reihe 05)<br />
- Anlage: 10 Reihen<br />
- 1 Fallentransekt<br />
(Reihe 03)<br />
- Anlage: 5 Reihen<br />
- 1 Fallentransekt<br />
(Reihe 03)<br />
- Anlage: 5 Reihen<br />
- 1 Fallentransekt<br />
(Reihe 14)<br />
- Anlage: 28 Reihen<br />
- 1 Fallentransekt<br />
(Reihe 01)<br />
- Anlage: 4 Reihen<br />
4
Ein weiteres Auswahlkriterium war die Bewirtschaftungsmethode, da agrarökologische<br />
Studien gezeigt haben, dass sich die Bewirtschaftungsform entweder direkt über die<br />
toxischen Wirkungen eingesetzter Pflanzenschutzmittel oder indirekt über die<br />
Veränderungen in der Habitatstruktur und den damit in Verbindung stehenden<br />
mikroklimatischen und raumstrukturellen Veränderungen auf die Populationen von<br />
Bodenarthropoden auswirkt (EKSCHMITT et al. 1997, HUTH 2005).<br />
Ein drittes Flächenauswahlkriterium war die Bodenart, da bei freilandökologischen<br />
Studien mit Kurzflügelkäfern (Staphylinidae) in Rebanlagen des Saale-Unstrut-<br />
Gebietes ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Bodentyp und der Arten- und<br />
Individuenverteilung festgestellt wurde (HUTH 2005, unpubliziert). Aufgrund der<br />
ähnlichen Habitatansprüche und der sich im Boden vollziehenden Eiablage und<br />
Larvalentwicklung von Ohrwürmern und Kurzflügelkäfern (DETTNER, K. & PETERS, W.<br />
1999) kann davon ausgegangen werden, dass die Bodenart auch einen Einfluss auf<br />
die Populationsdichte von Forficula auricularia hat.<br />
Weitere Untersuchungsflächen<br />
Unter diese Rubrik fallen Rebanlagen, die für einmalige Datenerhebungen oder<br />
Kurzzeitversuche von maximal einem halben Jahr genutzt wurden und werden. Die<br />
Rebsortenspiegel dieser Flächen sind in Tabelle 3 zusammengefasst.<br />
Die einmaligen Versuche zur Befallsregulierung mit dem Insektizid SpinTor wurden im<br />
Juli 2007 in einer Deidesheimer <strong>DLR</strong>-Riesling- und Gewürztraminer-Anlage sowie einer<br />
<strong>DLR</strong>-Cabernet-Cubin-Anlage in Neustadt-Königsbach durchgeführt.<br />
Die beiden Repellent-Versuche mit Benzochinon wurden einmalig im Juli 2007 in der<br />
Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ und im August 2007 in einer Riesling-<br />
Anlage in Deidesheim durchgeführt. Für diese Versuche wurden Rebzeilen<br />
ausgewählt, die nicht für Dauererhebungen und Insektizidversuche verwendet wurden.<br />
In einer weiteren Rieslinganlage des <strong>DLR</strong> <strong>Rheinpfalz</strong> wurden im Juli 2007<br />
Ausdünnungsversuche durchgeführt, um mögliche Auswirkungen dieser Maßnahme<br />
auf den Ohrwurmbefall zu überprüfen.<br />
Die im Oktober 2007 in Neustadt-Mußbach begonnen Versuche zur Befallsminimierung<br />
mittels Umstellung der Winterbodenbearbeitung fanden in einer <strong>DLR</strong>-Huxel-Anlage,<br />
einer Privat-Riesling-Anlage und in den ersten 15 Reihen der <strong>DLR</strong>-Sortenmix-Anlage<br />
„Mußbacher Glockenzehnt“ statt.<br />
In der zuletzt aufgeführten Rebanlage wurden im August 2007 in einer Gasse die<br />
Bodenvorbereitungen für einen Folien-Versuch getroffen. Der Versuch sollte durch die<br />
5
Schaffung eines Folienersatzhabitates in Gassenmitte die Individuendichten von<br />
Forficula auricularia in der Traubenzone reduzieren.<br />
Tabelle 3: Überblick und Charakteristik zu den Rebsorten der Versuchsflächen in<br />
Deidesheim, Neustadt-Königsbach und Neustadt-Mußbach<br />
Sorte (Farbe, Alter)<br />
Kurzzeitversuch mit<br />
Ort<br />
Traubenstruktur<br />
Traubengröße<br />
RIESLING<br />
weiß, ca. 10 Jahre<br />
CABERNET CUBIN<br />
rot, ca. 3 Jahre<br />
SpinTor-V., Repellent-V.,<br />
in Deidesheim, Boden-V.<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
SpinTor- Versuch<br />
in Neustadt-Königsbach<br />
dichtbeerig, kompakt,<br />
geschultert<br />
locker- bis dichtbeerig<br />
klein bis<br />
mittelgroß<br />
klein bis<br />
mittelgroß<br />
GEWÜRZTRAMINER<br />
rot, ca. 10 Jahre<br />
SpinTor- Versuch<br />
in Deidesheim<br />
dichtbeerig gedrungen<br />
klein bis<br />
mittelgroß<br />
SILVANER<br />
weiß, ca. 10 Jahre<br />
ACCENT<br />
rot, 3 Jahre<br />
SpinTor-Reldan-Versuch<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
Repellent-Versuch<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
dichtbeerig, kompakt,<br />
walzenförmig bis<br />
geschultert<br />
lockerbeerig<br />
mittelgroß<br />
mittelgroß<br />
ALLEGRO<br />
rot, 3 Jahre<br />
Repellent-Versuch<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
lockerbeerig<br />
mittelgroß<br />
HUXEL<br />
<br />
weiß, 21 Jahre<br />
Boden-Versuche<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
locker- bis dichtbeerig, je<br />
nach Verrieselung<br />
groß<br />
2.2 Datenerfassung<br />
2.2.1 Auswahl und Charakteristik Fangmethoden<br />
Auswahl der Fallentypen<br />
Zur Erfassung der auf der Bodenoberfläche aktiven Dermaptera wurden die seit Jahren<br />
in der Freilandökologie etablierten Bodenfallen nach BARBER (1931) verwendet.<br />
Barberfallen sind in den Boden ebenerdig eingelassene Behälter, aufgebaut aus dem<br />
Fanggefäß mit der Fangflüssigkeit Ethylenglykol, einem PVC-Hohlzylinder als Bodenverankerung<br />
und einem Metalldach, zum Schutz vor Niederschlägen beziehungsweise<br />
Verdunstungsschutz für die Fangflüssigkeit.<br />
Um die Individuenanzahl der im Rebstock lebenden Ohrwürmer aufnehmen zu können,<br />
wurden sowohl bekannte Ohrwurmbehausungen, wie zum Beispiel der mit Stroh oder<br />
zusammengefaltetem Zeitungspapier gefüllte Blumentopf (PHLIPPEN 2003, PHILLIPS<br />
1981) und das Bambusrohrbündel (PHLIPPEN 2003), als auch selbst entwickelte<br />
Tagesruheplätze, wie die Holzwollröhre und die mit Holzwolle gefüllte Eierpappe, in<br />
einem Vorversuch getestet (Tabelle 4). Für die eigenen Untersuchungen wurde das<br />
6
von PHLIPPEN (2003) beidseitig offene und horizontal in Obstbäumen angebrachte<br />
Bambusrohrbündel zur Optimierung des Handlings abgewandelt. Die einzelnen<br />
Bambusrohre haben nur noch eine Öffnung, die nach vertikaler Montage am<br />
Rebstamm nach unten zeigt. Durch diese Anbringung wird einerseits ein Regenschutz<br />
und im Inneren der Falle ein optimaler Lichtschutz sowie artspezifische<br />
Luftfeuchtebedingungen gewährleistet, andererseits können die sehr agilen Ohrwürmer<br />
während der Fallendemontage nicht flüchten und fallen automatisch durch die untere<br />
Öffnung in den Fangbeutel.<br />
Tabelle 4: Aufbau und Montage der getesteten Lebensfallentypen<br />
Blumentopf Holzwollröhre Bambusbündel Eierpappe<br />
Material:<br />
Tontopf (ø 11cm) mit<br />
Stroh gefüllt u. einer<br />
Aufhängung versehen<br />
Material:<br />
Wellpappe (20x20 cm) zu<br />
einer Röhre gerollt (ø 8 cm),<br />
mit Holzwolle gefüllt u. mit<br />
Folientüte* überzogen<br />
Material:<br />
3 Bambusstangen<br />
(ø 1 cm, Länge 19 cm) mit<br />
Bindedraht gebündelt<br />
Material:<br />
2 Eierpappen (20x20 cm)<br />
mit Holzwolle gefüllt u. mit<br />
Folientüte* überzogen<br />
(* Regenschutz)<br />
In einem Vorversuch wurden die Fangeffektivität, das Handling, wie z. B. die Montage<br />
und Leerung im Freiland sowie die Fallenreinigung im Labor, der vier<br />
Lebendfallentypen getestet werden. Für diesen Versuch wurden 13 verschiedene<br />
Rebsortenzeilen in der <strong>DLR</strong>-Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ als Fallentransekte<br />
ausgewählt. Diese Rebzeilen fungierten ab Juni 2007 als Dauerversuchsparzellen<br />
(siehe Tabelle 2, Seite 4). Die vier Fallenarten wurden in jeder Versuchsreihe<br />
gleichermaßen, d.h. in definierten Abständen angebracht: im Reihenanfang der<br />
Blumentopf, mittig die Holzwollröhre und das Bambusrohrbündel und am Reihenende<br />
die Eierpappe.<br />
Im Balkendiagramm 1a zeigt sich, dass die absoluten Fangeffektivitäten eines<br />
Fallentyps innerhalb der 13 Versuchszeilen stark variieren. Diese Ergebnisse waren<br />
vermutlich eine Folge standortbedingter Umweltschwankungen, wie z.B.<br />
mikroklimatischer Unterschiede, verschiedene Wuchs- und Traubenformen der<br />
Rebstöcke. Bei prozentualer Auftragung der Fangeffektivität (Abbildung 1b) aller<br />
Lebenfallentypen über die 13 Untersuchungsreihen ist ersichtlich, dass die<br />
Bambusrohrfalle mit 33% und die Eierpappen mit 29 % am effektivsten fingen.<br />
7
Dagegen wurden mit den Blumentöpfen und den Holzwollröhren wesentlich weniger<br />
Tiere erfasst (Abbildung 1a, 1b). Ein möglicher Grund könnten die schlechteren<br />
Luftfeuchtebedingungen in diesen Fallentypen sein, welche auf die massive<br />
Sonneneinstrahlung in den Rebanlagen zurückzuführen sind. Zur Messung von<br />
Fallentemperatur und -luftfeuchtigkeit wird im Hochsommer 2008 ein Datenlogger in<br />
einer Bambusfalle installiert.<br />
a) Mußbacher Glockenzehnt (Neustadt-W.):<br />
Fangeffektivität von 4 Lebendfallentypen pro Rebsorte<br />
Rebsorten<br />
Rosenmuskateller<br />
:<br />
Goldmuskateller<br />
Viognier<br />
Spätburgunder<br />
Tempranillo<br />
Lagrein<br />
Rubinet<br />
Reberger<br />
VB91-26-5<br />
Cabernet Blanc<br />
Pinotin<br />
Helios<br />
Riesling<br />
Holzwollröhre<br />
Blumentopf<br />
Eierpappe<br />
Bambusrohrbündel<br />
b) prozentuale Fangeffektivität der<br />
Lebenfallentypen der gesamten<br />
Fallentransekte<br />
29%<br />
33%<br />
20%<br />
18%<br />
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450<br />
Individuenanzahl/Fallentyp<br />
Abbildung 1: 1a) Absolute und 1b) prozentuale Fangeffektivität verschiedener<br />
Lebendfallentypen in 13 Rebsortenparzellen der Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“<br />
in Neustadt-Mußbach<br />
Nach Auswertung der Fangeffektivität wurden die Bambusfallen als<br />
Erfassungsmethode für die in der Laubwand aktiven Ohrwürmer ausgewählt, weil mit<br />
ihnen signifikant mehr Individuen als mit den Blumentöpfen (p = 0.034) und mit den<br />
Holzwollröhren (p = 0.020) gefangen wurden (Tabelle 5).<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Bambusröhre (13 Rebzeilen) Blumentopf (13 Rebzeilen) 0.034<br />
Bambusröhre (13 Rebzeilen) Holzwollröhre (13 Rebzeilen) 0.020<br />
Bambusröhre (13 Rebzeilen) Eierpappe (13 Rebzeilen) 0.374<br />
Eierpappe (13 Rebzeilen) Blumentopf (13 Rebzeilen) 0.146<br />
Eierpappe (13 Rebzeilen) Holzwollröhre (13 Rebzeilen) 0.136<br />
Holzwollröhre (13 Rebzeilen) Blumentopf (13 Rebzeilen) 0.837<br />
Tabelle 5: Ergebnisse des Student-t-Tests: Vergleich der mit den vier Fallentypen<br />
gefangenen Individuen von Forficula auricularia in den 13 Rebsortenparzellen<br />
der Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ in Neustadt-Mußbach<br />
Auch hinsichtlich des Handlings und des Zeitaufwandes hatten die Bambusfallen große<br />
Vorteile gegenüber den anderen getesteten Fangsystemen, wie beispielsweise<br />
schnelle Montage, Abnahme und Säuberung. In einzelnen kurzfristig angelegten<br />
Versuchen wurden auch Eierpappefallen eingesetzt.<br />
8
Aufbau Fallentransekt<br />
Zur kontinuierlichen Individuenerfassung von Forficula auricularia wurden in den sechs<br />
b)<br />
Daueruntersuchungsflächen ein oder mehrere Fallentransekte angelegt (siehe Tabelle<br />
2, Seite 4: Fallentransektreihen). Mit Ausnahme der Untersuchungsfläche „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ wurde der Fallentransekt zentral in der Rebanlage installiert, um<br />
Randeffekte wie Ein- und Auswanderung auszuschließen. Innerhalb eines Transektes<br />
wurden vier Barberfallen zur Erfassung der auf dem Boden aktiven Ohrwürmer und vier<br />
Bambusrohrfallen, am Rebstamm auf Höhe des Biegdrahtes, zum Fang der sich im<br />
Rebstock bewegenden Ohrwürmer in gleichem Abstand zueinander aus- bzw.<br />
angebracht (Abbildung 2). Das Fangintervall betrug sieben Tage. Die Fallen wurden in<br />
vierzehntägigem Rhythmus installiert.<br />
Im Anschluss an die Fallenleerung erfolgte im Labor die Auszählung der Individuen mit<br />
Ermittlung des Geschlechterverhältnisses, Unterteilung in Juvenil- und Adultstadien<br />
sowie die Determination auf Artniveau anhand der Bestimmungsliteratur von<br />
STEINMANN (1993). Die quantitative und qualitative Auswertung des Probenmaterials<br />
wurde aufgrund der problemlosen Art- und Geschlechtsbestimmung nach jedem<br />
Fangintervall durchgeführt.<br />
Abbildung 2: Anordnung der Barber- und Bambusfallen im<br />
Fallentransekt (links) und am Rebstock (rechts)<br />
Überprüfung der Fallenfängigkeit<br />
Um die Fängigkeit von Bambusfallen vor und im Traubenschluss zu überprüfen,<br />
wurden zwei Kontrollen in der Neustädter Daueruntersuchungsfläche „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ durchgeführt. Die erste Kontrolle fand am 7. August 2007 in allen 13<br />
Versuchsreihen dieser Rebanlage (siehe Tabelle 2, Seite 4) vor dem Traubenschluss<br />
statt. Dabei wurden die Fangzahlen in den Bambusfallen, die sieben Tage in der<br />
Laubwand montiert waren, mit der Anzahl der im Rebstock siedelnden Ohrwürmer<br />
9
verglichen. Um die im Rebstock verbliebenen Individuen zu erfassen, wurde der Stock<br />
nach Demontage der Bambusfalle dreimal kräftig geschüttelt und die abfallenden<br />
Ohrwürmer in einer weißen Wanne im Unterstockbereich aufgefangen und gezählt.<br />
In Tabelle 6 sind die Vergleiche der Individuenzahlen zwischen Bambusfallen und<br />
Rebstöcken für 52 Fallenstandorte dargestellt. Im Ergebnis zeigt sich, dass bis auf die<br />
11 der in Tabelle 6 grau markierten Vergleiche mehr Individuen in den Bambusfallen<br />
als in den Rebstöcken siedelten, was eine gute Fängigkeit der Bambusfallen vor dem<br />
Traubenschluss nachwies.<br />
Tabelle 6: Vergleich der mit Bambusfallen erfassten Individuen und die in den entsprechenden<br />
Rebstöcken gezählten Individuen von Forficula auricularia vor dem Traubenschluss in 13<br />
Versuchsreihen der Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“<br />
Sorten:<br />
Individuenanzahl/<br />
Stock1<br />
Individuenanzahl/<br />
Bambusfalle1<br />
Individuenanzahl/<br />
Stock2<br />
Individuenanzahl/<br />
Bambusfalle2<br />
Individuenanzahl/<br />
Stock3<br />
Individuenanzahl/<br />
Bambusfalle3<br />
Individuenanzahl/<br />
Stock4<br />
Individuenanzahl/<br />
Bambusfalle4<br />
Riesling 0 7 10 27 5 11 20 25<br />
Helios 20 48 20 2 50 6 0 25<br />
Pinotin 5 25 25 38 20 30 100 81<br />
Cabernet blanc 0 8 0 3 0 14 0 15<br />
VB_91_26_5 10 36 30 44 25 0 10 24<br />
Reberger 15 19 20 14 25 32 10 46<br />
Rubinet 25 4 20 18 10 4 30 34<br />
Lagrein 10 14 15 9 20 20 15 34<br />
Tempranillo 20 34 1 9 20 8 5 39<br />
Spätburgunder 20 12 3 3 10 15 15 75<br />
Viognier 20 9 10 25 10 12 0 0<br />
Goldmuskateller 10 17 10 16 10 14 10 35<br />
Rosenmuskateller 0 3 3 16 0 44 2 82<br />
Mit einer zweiten Kontrolle, die im Riesling-Transekt der Rebanlage „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ stattfand, wurde die Fängigkeit der Bambusfallen bei Traubenschluss<br />
einer dichtbeerigen Sorte, andererseits das mögliche Leerfangen eines gesamten<br />
Rebstocken mit ein bis drei Bambusfallen pro Stock untersucht. Für diesen Versuch<br />
wurden vier Riesling-Stöcke ausgewählt, die eine ähnliche Wuchsform und<br />
Traubenanzahl aufwiesen. An diesen Rebstöcken wurden ein bis drei Bambusfallen<br />
auf Höhe des Biegdrahtes am Rebstamm vom 28. August bis 4. September 2007<br />
montiert. Am 4. September wurden pro Rebstock sowohl alle Falle(n) als auch alle<br />
Trauben entfernt, um die Anzahl der Ohrwürmer in den Fallen gegenüber der Trauben<br />
zu ermitteln.<br />
Die Ergebnisse in Tabelle 7 zeigen, dass sich auch bei geschlossenen kompakten<br />
Trauben, wie zum Beispiel beim Riesling, mehr als doppelt so viele Individuen in den<br />
Bambusfallen als in den Trauben aufhielten. Dies war unabhängig von der<br />
Fallenanzahl pro Rebstock, es konnten immer noch wenige Ohrwürmer im<br />
Traubeninneren vereinzelter Trauben nachgewiesen werden. Folglich gelang es nicht,<br />
alle Individuen eines Stockes von den Trauben in die Fallen zu locken. Ein möglicher<br />
Grund dafür könnte die Morphologie der Riesling-Traube sein, die zum Traubenschluss<br />
10
ein kompaktes Gebilde aus Einzelbeeren darstellt, in welcher Forficula auricularia<br />
artspezifische Raum- (Lückensystem) und Klimabedingungen (Schutz vor Tageslicht,<br />
Luftfeuchte über 50 %) sowie Nahrung (Traubensaft, Fruchtfleisch, Pilzrasen,<br />
Insektenlarven) vorfindet.<br />
Tabelle 7: Vergleich der mit verschieden vielen Bambusfallen<br />
erfassten Individuen und die in den Trauben gezählten Individuen<br />
von Forficula auricularia im Traubenschluss der Riesling-Versuchsreihe<br />
im „Mußbacher Glockenzehnt“<br />
1 Bambusfalle pro Stock<br />
Traubenanzahl<br />
proStock<br />
Individuenanzahl<br />
proStock<br />
Individuenanzahl<br />
in Trauben<br />
Individuenanzahl<br />
in Bambusfalle<br />
15 114 (100 %) 18 (15.8 %) 96 (84.2 %)<br />
16 35 (100 %) 8 (22,9 %) 27 (77,1 %)<br />
2 Traubenanzahl<br />
Bambusfallen pro Individuenanzahl<br />
Stock<br />
proStock proStock<br />
Individuenanzahl<br />
in Trauben<br />
Individuenanzahl<br />
in Bambusfalle<br />
14 66 (100 %) 38 (57.6 %) 28 (42.4 %)<br />
3 Traubenanzahl<br />
Bambusfallen pro Individuenanzahl<br />
Stock<br />
proStock proStock<br />
Individuenanzahl<br />
in Trauben<br />
Individuenanzahl<br />
in Bambusfalle<br />
13 65 (100 %) 21 (32.3 %) 44 (67,7 %)<br />
2.2.2. Erfassung biotischer und abiotischer Faktoren<br />
Biotische Faktoren<br />
Um mögliche Korrelationen zwischen der Individuen-Verteilung von Forficula<br />
auricularia und den Rebkrautgesellschaften der untersuchten Flächen nachweisen zu<br />
können, wurde die Deckung der Weinbergflora unter Verwendung der Raunkiaerschen<br />
Abundanz-Deckungsskala ermittelt (BRAUN-BLANQUET 1964).<br />
Die Vegetationsaufnahmen wurden an jedem Fallenstandort auf einer Fläche von 1 m²<br />
einmal im Juni und einmal im Oktober 2007 durchgeführt. Zwei Aufnahmen pro Jahr<br />
sind notwendig, um die Frühjahrsgeophyten, Wärmekeimer und spättreibenden Arten<br />
zu erfassen (FISCHER 1983). Mit den Erhebungen wurden zusätzlich die Unterschiede<br />
in der Winter- und Sommerbegrünung der Gassen dokumentiert.<br />
Da Ohrwürmer als typische Lückensystembewohner beschrieben werden, zu deren<br />
Tagespräferenzhabitaten vorwiegend gemulchte Flächen zählen (KOEHLER & CASTNER<br />
1994), wurde für jeden Fallenstandort der Anteil des toten organischen Materials<br />
(TOM) mit der Abundanz-Deckungsskala nach BRAUN-BLANQUET (1964) bestimmt.<br />
Zur Ermittlung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Befallsintensität von<br />
Forficula auricularia und der Wuchsform des Rebstockes, wurden die Rebsorte, die<br />
11
Anzahl der Triebe, die Anzahl der Trauben pro Trieb und die Traubenstruktur für jeden<br />
Fallenstandort erfasst.<br />
Um die Lebensansprüche und Befallsmuster des Gemeinen Ohrwurms an der Rebe<br />
aufklären zu können, wurde an 52 Rebstöcken in der Versuchsanlage „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ im siebentägigem Intervall eine visuelle Bonitur durchgeführt. Dabei<br />
wurden die Befallsdichte und die Befallsstellen, wie z.B. zusammenstoßende Triebe,<br />
eingerollte Blätter, Traubeninneres, Kontaktstelle Stickel und Pflanzenteile, innerhalb<br />
verschiedener Rebstockzonen bestimmt (Abbildung 3).<br />
A1<br />
B1<br />
C1<br />
D1<br />
E1<br />
A2<br />
B2<br />
C2<br />
D2<br />
E2<br />
Abbildung 3: Mögliche Forficula-Tagesruheplätze im Rebstock (obere Bildreihe): Traube (A1),<br />
eingerolltes Blatt (B1), zusammenstoßende Triebe (C1), welke Blätter (D1), Reberziehungseinrichtung<br />
- Metallstickel (E1). Tagesruheplätze mit Befall (untere Bildreihe): Traube (A2),<br />
eingerolltes Blatt (B2), zusammenstoßende Triebe (C2), welke Blätter (D2), Reberziehungseinrichtung<br />
- Metallstickel (E2)<br />
Die Befallsdichte in den vier Rebstockzonen (Z): Z-A:<br />
Rebwurzel bis Biegdraht, Z-B: Biegdraht bis Heftdraht,<br />
Rankdraht<br />
Zone D - 80 cm<br />
Zone E:<br />
Triebe, die über<br />
letzten Rankdraht<br />
stehen<br />
Z-C: Heftdraht bis erster Rankdraht, Z-D: erster bis<br />
zweiter Rankdraht, wurde per Intervallschätzung visuell<br />
quanti-fiziert (Abbildung 4).<br />
Dabei bilden null bis fünf Individuen die Befallsdichte 1,<br />
sechs bis 20 Individuen die Befallsdichte 2, 21 bis 50<br />
Individuen die Befallsdichte 3 und ab 51 Individuen die<br />
Befallsdichte 4.<br />
Rankdraht<br />
Heftdraht<br />
Biegdraht<br />
Zone C - 50 cm<br />
Zone B - 30 cm<br />
Zone A - 60 cm<br />
Die Versuchsergebnisse sind aufgrund der Datenfülle<br />
Abbildung 4: Befallszonen im<br />
Rebstock<br />
12
sowie der speziellen Datenaufbereitung und multivariaten Datenauswertung derzeit<br />
noch in Bearbeitung.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt in der biotischen Datenerfassung stellt die Nestkartierung<br />
über die Wintermonate Dezember bis Februar dar. Ziel dieser Untersuchungen ist,<br />
festzustellen, ob Forficula auricularia direkt in den Rebanlagen überwintert und in<br />
welchen Abschnitten der Rebanlage, wie beispielsweise Unterstockbereich, begrünte<br />
Gasse, unbegrünte Gasse, die Überwinterung und der Nestbau stattfindet. Des<br />
Weiteren soll überprüft werden, in welchen Tiefen die Brutröhre beziehungsweise<br />
Brutkammer angelegt wird, aus wie vielen Eiern ein Gelege besteht und wie das<br />
Nestumfeld aufgebaut ist.<br />
Die Nestkartierung findet seit dem 6. Dezember 2007 zweimal wöchentlich in der<br />
Neustädter Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ statt, da diese Rebanlage<br />
im Vergleich zu allen anderen Daueruntersuchungsflächen 2007 den stärksten<br />
Ohrwurmbefall aufwies und alternierend begrünt ist. Die Grabungen werden in den 13<br />
Dauerversuchsreihen (siehe Tabelle 2, Seite 4) jeweils fünf Stöcke entfernt von den<br />
eigentlichen Fallenstandorten durchgeführt.<br />
a) b) c)<br />
Abbildung 5: Durchführung der Nestkartierung in der Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“:<br />
a) Überblick zu den drei Grabungen an einem Standort: 1x im Unterstockbereich, 1 x in der<br />
unbegrünten Gasse, 1 x in der begrünten Gasse, b) Grabung im Unterstockbereich an der<br />
Rebwurzel, c) Grabung in der Gasse<br />
Pro Rebstock werden drei Löcher, die 50 x 50 cm breit und 50 cm tief sind, gegraben.<br />
Ein Loch wird im Unterstockbereich, ein zweites in der begrünten Gasse ungefähr 50<br />
cm neben dem Stock und ein drittes Loch in der unbegrünten Gasse ebenfalls 50 cm<br />
auf Stockhöhe ausgehoben (Abbildung 5).<br />
Abiotische Faktoren<br />
Um die Bewirtschaftungsintensität über die Bewirtschaftungsmethode als abiotischen<br />
Umweltfaktor in die Auswertung einfließen zu lassen, wurden die auf den Probeflächen<br />
13
praktizierten Bewirtschaftungsformen quantifiziert. Die geschlossene<br />
Bodenbewirtschaftung (Rebreihen („Gassen“) vollständig begrünt - extensiv) wurde als<br />
Variable eins, die halboffene Bodenbewirtschaftung (Gassen alternierend begrünt) als<br />
Variable zwei, die offene Bodenbewirtschaftung mit Kompostmulchabdeckung<br />
(Gassenmitte mit Mulchabdeckung) als Variable drei und die offene<br />
Bodenbewirtschaftung (Gassen unbegrünt - am intensivsten) als Variable vier<br />
quantifiziert.<br />
Der Offenbodenanteil, d.h. der Anteil an vegetationsloser Fläche, wurde methodisch<br />
analog zu den Vegetationserhebungen entlang der Bodenfallentransekte bestimmt.<br />
Die für die untersuchten Rebanlagen relevanten Bodentypen: sandiger Lehm und<br />
lehmiger Sand waren bekannt. Für die statistische Auswertung wurden die Bodenarten<br />
als Binärdaten verschlüsselt.<br />
Makroklimatische Parameter, wie z.B. die Lufttemperatur in 20 cm und zwei m Höhe,<br />
die Relative Luftfeuchtigkeit in 20 cm und zwei m Höhe, der Niederschlag in 50 cm<br />
Höhe, die Sonnenstunden pro Tag und die Blattnässe, wurden von den örtlichen <strong>DLR</strong>-<br />
Wetterstationen in Neustadt und Freinsheim gemessen. Zukünftig werden auf allen<br />
Daueruntersuchungsflächen mikroklimatische Lufttemperatur- und Luftfeuchtigkeitsmessungen<br />
mit SYNOTECH-Datenloggern durchgeführt.<br />
2.2.3. Auswahl und Charakteristik von Haltungs- und Zuchtmethoden<br />
Für die im Labor durchgeführten Insektizid- und Zuchtversuche wurden verschiedene<br />
Aufbewahrungs- und Zuchtbehälter entwickelt und nachgebaut. Tabelle 8 gibt einen<br />
Überblick vom Aufbau und der Verwendung aller bisher eingesetzten Aufbewahrungsund<br />
Zuchtbehälter.<br />
Die Insektizid- und Zuchtversuche wurden im August 2007 begonnen und seitdem<br />
fortgeführt. In den Aufbewahrungsbehältern wurden zwei Lagen Cellulosepapier als<br />
Bodenabdeckung ausgelegt. Auf die Celluloseschicht wurden zusätzliche<br />
Versteckmöglichkeiten, wie z.B. Bambus- und Pappröhren, angeboten. Die<br />
Zuchtbehälter wurden je nach Versuchsansatz mit Lehm-, Sand-, Gips- oder<br />
Celluloseboden bestückt (Tabelle 8). Die verwendeten Bodenarten sandiger Lehm und<br />
lehmiger Sand stammten von den Daueruntersuchungsflächen in Leistadt und<br />
Neustadt-Mußbach. Alle verwendeten Aufbewahrungs- und Zuchtbehälter wurden<br />
unabhängig vom Versuch und Standort zweimal wöchentlich, d. h. dienstags und<br />
freitags, gereinigt und mit cirka 20 ml abgestandenem Leitungswasser zweimal leicht<br />
besprüht.<br />
14
Tabelle 8: Auswahl und Charakteristik der Haltungs- und Zuchtbehälter<br />
Frontansicht Draufsicht Aufbau Verwendung<br />
Terrarium<br />
Waschmittelbox<br />
Vollglasterrarium<br />
Reblauskasten<br />
Gipsröhre<br />
PVC-Plastikgefäß<br />
Aufbau:<br />
- Terrarium mit Fliegengitterdeckel<br />
- Länge 60 cm, Höhe 35 cm, ,<br />
Tiefe 30 cm<br />
Inhalt:<br />
- Zellstoffboden mit Eierpappen<br />
+ Bambusröhren<br />
- Lehm- und Komposterde<br />
Koneption:<br />
- eigene Entwicklung<br />
Aufbau:<br />
- PVC-Waschmittelbox mit<br />
Gazeeinsatz im Deckel<br />
- Länge 20 cm, Höhe 26 cm, ,<br />
Tiefe 19 cm<br />
Inhalt:<br />
- Zellstoffboden mit Eierpappen<br />
+ Bambusröhren<br />
Konzeption:<br />
- eigene Entwicklungt<br />
Aufbau:<br />
- Vollglasterrarium mit<br />
Fliegengitterdeckel<br />
- Länge 30 cm, Höhe 26 cm, ,<br />
Tiefe 24 cm<br />
Inhalt:<br />
- grobkörniger Lehmboden<br />
- feinkörniger Sandboden<br />
Konzeption:<br />
- eigene Entwicklung<br />
Aufbau:<br />
- Plexiglaskasten mit<br />
Gazedeckel<br />
- Länge 60 cm, Höhe 80 cm,<br />
Tiefe 10 cm<br />
Inhalt:<br />
- grobkörniger Lehmboden<br />
- feinkörniger Sandboden<br />
Konzeption:<br />
- eigene Entwicklung<br />
Aufbau:<br />
- Gipsröhre mit Luftlochdeckel<br />
(PVC-Petrischale)<br />
- Durchmesser 5,5 cm<br />
- Länge 14 cm<br />
Inhalt:<br />
- Gipsbohrung fungiert<br />
als Brutröhre<br />
Konzeption:<br />
- Nachbau von LAMB &<br />
WELLINGTON (2003)<br />
Aufbau:<br />
- Gefäß mit Gazedeckel<br />
- Durchmesser 6,5 cm<br />
- Höhe 6,5 cm<br />
Inhalt:<br />
- grobkörniger Lehmboden<br />
- Gipsboden<br />
Konzeption:<br />
- eigene Entwicklung<br />
Labor:<br />
Aufbewahrungsbehälter<br />
für Versuchstiere<br />
Versuchsbehälter für<br />
Bodenversuch<br />
Labor:<br />
Aufbewahrungsbehälter<br />
für Versuchstiere:<br />
1 x Weibchen<br />
1 x Männchen<br />
Versuchsbehälter<br />
für Insektizidversuche<br />
Labor:<br />
2 Ansätze für<br />
Zuchtversuche:<br />
1 x Lehmboden<br />
1 x Sandboden<br />
Labor:<br />
2 Ansätze für<br />
Zuchtversuche:<br />
1 x Lehmboden<br />
1 x Sandboden<br />
Freiland:<br />
2 Ansätze für<br />
Zuchtversuche:<br />
1 x Lehmboden<br />
1 x Sandboden<br />
Labor:<br />
5 Ansätze für<br />
Zuchtversuche<br />
Labor:<br />
40 Ansätze für<br />
Zuchtversuche:<br />
38 x Lehmboden<br />
2 x Gipsboden<br />
Freiland:<br />
4 Ansätze für<br />
Zuchtversuche:<br />
4 x Lehmboden<br />
15
Das im dreitägigen Rhythmus durchgeführte Besprühen mit Wasser ist für die<br />
Wasseraufnahme der Ohrwürmer und deren artspezifische Luftfeuchtebedingungen<br />
essentiell (HERTER 1943). Die Fütterung mit Apfel und das Entfernen und Zählen der<br />
toten Tiere erfolgte ebenfalls dienstags und freitags. Den Versuchstieren im Labor<br />
wurde ein natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus angeboten. Um eine Dunkelheit der<br />
Erdböden in den Zuchtbehälter zu erzeugen, wurde ein Lichtschutz aus<br />
mehrschichtiger Pappe um den Erdbereich angebracht. Die Zuchtversuche liefen unter<br />
einer relativ konstanten Raumtemperatur von cirka 20°C ab, welche durch die<br />
Raumklimaanlage des Labors eingestellt wurden. Wie bei den Freilandversuchen<br />
wurden die Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit mit einem Datenlogger erfasst. Die im<br />
Freiland stehenden Zuchtbehälter wurden durch ein Thermogefäß vor Frostschäden<br />
geschützt.<br />
Während der Zuchtversuche traten Verluste durch Kannibalismus und anfängliche<br />
Haltungsfehler, wie beispielsweise einem zu geringem Wasserangebot, auf.<br />
2.3 Datenauswertung<br />
Normalverteilung<br />
Um zu entscheiden, ob die Mittelwertvergleiche zahlreicher Versuchsergebnisse über<br />
parametrische bzw. nichtparametriche Tests vorgenommen werden müssen, wurde<br />
zunächst die Normalverteilung aller zu verrechnenden Stichproben mit dem Shapiro-<br />
Wilk-Test überprüft. Dieser Test ist im Statistikprogramm EXSTAT (Version 2007.8.01)<br />
integriert.<br />
Logarithmustransformation<br />
Stichproben, die nicht normal verteilt waren, wurden einer Logarithmustransformation<br />
mittels des Programms PC-ORD (MCCUNE & MEFFORD 1999) unterzogen. Diese<br />
Transformationsmethode, die auf dem dekadischen Logarithmus basiert, verringert die<br />
Varianzheterogenität und verbessert die Datenverteilung (MCCUNE & MEFFORD 1999).<br />
Cluster-Analyse<br />
Beginnend mit der agglomerativen Cluster-Analyse sollten zunächst<br />
Ähnlichkeitsverhältnisse zwischen den untersuchten Weinbergen aufgrund der<br />
Individuenverteilung von Forficula auricularia aufgezeigt werden. Durch dieses<br />
Klassifikationsverfahren können die Informationen größerer Datensätze kondensiert<br />
und durch die Einteilung in Klassen extrahiert werden. Als Distanzmaß wurde die<br />
quadrierte euklidische Distanz eingesetzt und das Cluster-Verfahren nach WARD<br />
(1963) verwendet. Dabei werden die gebildeten Cluster so zusammengefasst, dass die<br />
16
Varianz innerhalb der Gruppen minimiert und zwischen den Gruppen maximiert wird<br />
(JONGMAN et al. 1987). Das am Ende einer Cluster-Analyse produzierte Dendrogramm<br />
gibt durch die Cluster-Aufteilung die vorhandenen Muster der Daten wieder.<br />
Redundanzanalyse<br />
Um zu analysieren, ob die erhobenen biotischen und abiotischen Umweltfaktoren die<br />
Populationsdichte von Forficula auricularia beeinflussen, wurde eine<br />
Redundanzanalyse (RDA) eingesetzt (JONGMAN et al. 1995). Dafür wurden die<br />
Jahresmittel-Individuenzahlen mit einer standardisierten Umweltdatenmatrix, die alle<br />
aufgenommenen Umweltfaktoren enthielt, verrechnet. Mit dem im RDA-Verfahren<br />
enthaltenen Manteltest (forward selection) wurden die Umweltfaktoren ermittelt, welche<br />
die Individuenverteilung signifikant (p-Wert > 0,05) erklären (JONGMAN et al. 1995, TER<br />
BRAAK & SMILAUER 2002). Die Ergebnisse der Redundanzanalyse wurden in einem<br />
Triplots dargestellt. Neben der Lage der Untersuchungsflächen und der räumlichen<br />
Individuenverteilung werden auch die signifikanten Umweltparameter als Vektorpfeile<br />
angezeigt. Aufgrund der Platzierung der Vektorpfeile können Informationen über die<br />
Zusammenhänge der Umweltfaktoren zueinander abgeleitet werden (TER BRAAK &<br />
SMILAUER 2002).<br />
Parametrische Tests<br />
Für die Mittelwertvergleiche zahlreicher Stichproben wurden parametrische Tests<br />
verwendet, da diese genauere Ergebnisse als die nichtparametrischen Tests liefern.<br />
Als parametrischer Test wurde der Student-t-Test verwendet und mit dem Programm<br />
XLSTAT (Version 2007.8.01) durchgeführt. Dessen Teststatistik beschreibt in der<br />
Nullhypothese einen nicht signifikanten Unterschied zwischen den Mittelwerten, der<br />
durch einen größeren p-Wert als dem Signifikanz-Niveau alpha = 0.05 ausgedrückt<br />
wird. Der Nullhypothese steht die Alternativ-Hypothese gegenüber, die einen<br />
signifikanten Unterschied zwischen den Mittelwerten beschreibt, der durch einen<br />
kleineren p-Wert als dem Signifikanz-Niveau alpha = 0.05 erreicht wird.<br />
3. Ergebnisse und Diskussion<br />
3.1 Räumliche Individuenverteilung der Daueruntersuchungsflächen<br />
In den sechs ausgewählten Daueruntersuchungsflächen wurden im Zeitraum vom 29.<br />
Mai bis 17. Oktober 2007 mittels Bambus- und Bodenfallen insgesamt 42.021<br />
Individuen der Art Forficula auricularia erfasst. Andere Ohrwurmarten wurden bis auf<br />
17
ein Weibchen der Art Apterygida media HAGENBACH (Gebüsch-Ohrwurm) nicht in den<br />
Probeflächen nachgewiesen.<br />
Zur räumlichen Darstellung der Individuenverteilungen in den Untersuchungsflächen<br />
wurde die agglomerative Cluster-Analyse (MCCUNE & MEFFORD 1999) angewandt.<br />
Berechnungsgrundlage waren die Jahresmittel-Individuenzahlen, welche aus den<br />
flächenspezifischen Individuenzahlen des Fangzeitraumes 5. Juni bis 17. Oktober 2007<br />
gemittelt wurden.<br />
Die Cluster-Dendrogramme auf Seite 19 zeigen die Aufteilung der Versuchsflächen in<br />
Abhängigkeit von der Individuenverteilung im Unterstockbereich (Abbildung 6) und in<br />
der Laubwand (Abbildung 7). Die in den Dendrogrammen verwendeten Abkürzungen<br />
der Flächennamen sind in Tabelle 9 erklärt.<br />
Tabelle 9: Abkürzungen der in den Cluster-Dendrogrammen verwendeten Flächennamen<br />
Abkürzung Ort Rebsorte Bewirtschaftungsmethode<br />
L_PO_OB Leistadt PORTUGIESER Offene Bodenbewirtschaftung<br />
K_RI_GB Kallstadt RIESLING Geschlossene Bodenbewirts.<br />
K_RI_HB Kallstadt RIESLING Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
K_RI_OB Kallstadt RIESLING Offene Bodenbewirtschaftung<br />
N_RI_HB Neustadt-Mußbach RIESLING Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_HE_HB Neustadt-Mußbach HELIOS Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_PI_HB Neustadt-Mußbach PINOTIN Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_CB_HB Neustadt-Mußbach CABERNET BLANC Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
NV5_HB Neustadt-Mußbach VB 91-26-5 Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_RB_HB Neustadt-Mußbach REBERGER Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_RU_HB Neustadt-Mußbach RUBINET Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_LA_HB Neustadt-Mußbach LAGREIN Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_TE_HB Neustadt-Mußbach TEMPRANILLO Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_SB_HB Neustadt-Mußbach SPÄTBURGUNDER Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_VI_HB Neustadt-Mußbach VIOGNIER Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_GO_HB Neustadt-Mußbach GOLDMUSKATELLER Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_RO_HB Neustadt-Mußbach ROSENMUSKATELLER Halboffene Bodenbewirtschaftung<br />
N_SM_OB Neustadt-Mußbach SILVANER mit MULCH Offene Bodenbewirtschaftung<br />
Beide Dendrogramme zeigen eine von der Jahresmittel-Individuenzahl abhängige<br />
Aufteilung in zwei voneinander getrennte Cluster (Cluster 1, 2). Unabhängig davon, ob<br />
der Flächengruppierung die im Unterstockbereich oder die in der Laubwand erfasste<br />
Individuenanzahl zu Grunde liegt, gliedert sich ein Großteil der Neustädter<br />
Versuchsparzellen aufgrund seiner hohen Individuenzahlen als Cluster 2a und 2b von<br />
den übrigen Daueruntersuchungsflächen des Clusters 1a und 1b visuell ab (Abbildung<br />
6 und 7).<br />
18
Individuenverteilung im Unterstockbereich - Überblick Versuchsflächen 2007<br />
Information Remaining (%)<br />
100 75 50 25 0<br />
K_RI_GB<br />
N_SM_OB<br />
N_RB_HB<br />
N_TE_HB<br />
K_RI_HB<br />
Cluster 1a<br />
Individuenzahlen/Cluster:<br />
Cluster 1<br />
K_RI_OB<br />
L_PO_OB<br />
N_RI_HB<br />
N_CB_HB<br />
N_V5_HB<br />
N_RU_HB<br />
N_LA_HB<br />
N_GT_HB<br />
N_HE_HB<br />
N_SB_HB<br />
N_PI_HB<br />
N_VG_HB<br />
N_RT_HB<br />
Cluster 1b<br />
Cluster 2a<br />
Cluster 2b<br />
Cluster 1a: 8 bis 15 Individuen<br />
Cluster 1b: 1 bis 5 Individuen<br />
Cluster 2a: 23 bis 25 Individuen<br />
Cluster 2b: 18 bis 22 Individuen<br />
Outlier Analysis (PC-ORD, Version 4.25)<br />
------------------------------------------<br />
ENTITY AVERAGE STANDARD<br />
RANK NAME DISTANCE DEVIATIONS<br />
------------------------------------------<br />
1 L_PO_OB 16.93480 2.85096<br />
------------------------------------------<br />
Cluster 2<br />
Abbildung 6: Dendrogramm einer agglomerativen Cluster-Analyse über die sechs<br />
Daueruntersuchungsflächen, auf Grundlage der mit Barberfallen erfassten Individuen<br />
von Forficula auricularia im Unterstockbereich von Juni bis Oktober 2007<br />
Individuenverteilung in der Laubwand - Überblick Versuchsflächen 2007<br />
Information Remaining (%)<br />
100 75 50 25 0<br />
K_RI_GB<br />
N_CB_HB<br />
N_RT_HB<br />
K_RI_HB<br />
Cluster 1a<br />
Individuenzahlen/Cluster:<br />
Cluster 1<br />
K_RI_OB<br />
N_SM_OB<br />
L_PO_OB<br />
N_RI_HB<br />
N_LA_HB<br />
N_V5_HB<br />
N_RU_HB<br />
N_HE_HB<br />
N_GT_HB<br />
N_PI_HB<br />
N_TE_HB<br />
N_SB_HB<br />
N_VG_HB<br />
N_RB_HB<br />
Cluster 1b<br />
Cluster 2a<br />
Cluster 2b<br />
Cluster 1a: 20 bis 31 Individuen<br />
Cluster 1b: 6 bis 14 Individuen<br />
Cluster 2a: 44 bis 50 Individuen<br />
Cluster 2b: 61 bis 78 Individuen<br />
Outlier Analysis (PC-ORD, Version 4.25)<br />
------------------------------------------<br />
ENTITY AVERAGE STANDARD<br />
RANK NAME DISTANCE DEVIATIONS<br />
------------------------------------------<br />
1 N_RB_HB 40.16765 2.14193<br />
------------------------------------------<br />
Cluster 2<br />
Abbildung 7: Dendrogramm einer agglomerativen Cluster-Analyse über die sechs<br />
Daueruntersuchungsflächen, auf Grundlage der mit Bambusfallen erfassten Individuen<br />
von Forficula auricularia in der Laubwand von Juni bis Oktober 2007<br />
19
Während in den sortenverschiedenen Versuchsparzellen der dreijährigen und<br />
halboffen bewirtschaften Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ im Unterstockbereich<br />
22 bis 25 Ohrwürmer im Jahresmittel sowie in der Laubwand 44 bis 78 Individuen im<br />
Jahresmittel erfasst wurden, lagen die der anderen Dauerversuchsflächen zum Teil<br />
weit darunter (Abbildung 6 und 7). Mittels der Outlier Analysis (Ausreißer-Analyse)<br />
wurde errechnet, dass in der halboffen bewirtschaften Rebanlage „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ die Rotweinsorte Reberger (N_RB_HB) die höchsten Jahresmittel-<br />
Individuenzahlen im Vergleich zu allen anderen Untersuchungsflächen in der<br />
Laubwand aufwies (Abbildung 7).<br />
Die geringsten Jahresmittel-Individuenzahlen im Unterstockbereich und in der<br />
Laubwand wurden in den Flächen erfasst, die das Cluster 1b bilden. Zu ihnen zählen<br />
zwei Kallstädter Riesling-Anlagen mit offener (K_RI_OB) und halboffener<br />
Bodenbewirtschaftung (K_RI_HB) sowie die offen bewirtschaftete Leistädter<br />
Portugieser-Anlage (L_PO_OB). Im Unterstockbereich befanden sich hier im<br />
Jahresmittel nur ein bis fünf Individuen und in der Laubwand sechs bis 14 Individuen.<br />
Dabei wird die Portugieser-Anlage in Leistadt aufgrund ihrer geringsten Jahresmittel-<br />
Individuenzahlen im Unterstockbereich und in der Laubwand von den übrigen Flächen<br />
des Clusters 1b abgetrennt und bei der Outlier Analysis als die im Unterstockbereich<br />
dünnst besiedelte Untersuchungsfläche angezeigt (Abbildung 6 und 7).<br />
In der Neustädter Silvaner-Anlage, die durch eine offene Bodenbewirtschaftung mit<br />
Kompostmulchauflage in Gassenmitte gekennzeichnet war (N_SM_OB), wurden 2007<br />
in der Laubwand nur sehr wenige Individuen erfasst. Demzufolge ist diese Fläche mit<br />
im Cluster 1b enthalten (Abbildung 7). Für den Unterstockbereich dieser Anlage wurde<br />
eine höhere Jahresmittel-Individuenzahl berechnet, die dazu führt, dass die Fläche im<br />
Cluster-Abschnitt 1a angeordnet wird (Abbildung 6). In diesem sind Rebanlagen<br />
gruppiert, die im Unterstockbereich acht bis 15 Individuen im Jahresmittel und in der<br />
Laubwand 20 bis 31 Individuen im Jahresmittel aufwiesen (Abbildung 6 und 7). Zu<br />
dieser Cluster-Gruppe gehört beispielsweise die geschlossen bewirtschaftete Riesling-<br />
Anlage in Kallstadt. Diese wies im Jahresmittel einerseits weniger Individuen<br />
gegenüber den intensiver bewirtschafteten Anlagen in Kallstadt auf, andererseits lagen<br />
diese Jahresmittel-Individuenzahlen deutlich unter denen der Neustädter Anlage<br />
„Mußbacher-Glockenzehnt“ (Abbildung 6 und 7).<br />
Um zu überprüfen, ob sich die visuellen Flächenunterschiede der für den Unterstockund<br />
Laubwandbereich dargestellten Cluster auch statistisch bestätigen lassen, wurden<br />
mit den flächenspezifischen Individuenzahlen für den Zeitraum Juni bis Oktober 2007<br />
20
Mittelwertvergleiche durchgeführt. Die Flächenvergleiche wurden separat für den<br />
Unterstock- und Laubwandbereich durchgeführt.<br />
Der Übersichtlichkeit halber werden zuerst die Flächenvergleiche zwischen der<br />
Neustädter Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ und den anderen fünf<br />
Daueruntersuchungsflächen aufgeführt (Tabellen 10 und 11). Die p-Werte in Tabelle<br />
10 zeigen, dass sich die im Unterstockbereich erfassten Individuenzahlen zwischen<br />
den sechs Untersuchungsflächen nicht signifikant unterschieden.<br />
Tabelle 10: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche der Individuenzahlen im Unterstockbereich<br />
über den p-Wert zwischen der Neustädter Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ und den<br />
anderen fünf Daueruntersuchungsflächen<br />
Barberfallen-Flächenvergleich über p-Wert:<br />
Sorten<br />
Kallstadt<br />
Riesling_GBW<br />
Kallstadt<br />
Riesling_HBW<br />
Kallstadt<br />
Riesling_OBW<br />
Leistadt<br />
Portugieser_OBW<br />
Neustadt-M.<br />
Silvaner_OBWMulch<br />
Neustadt-M._Riesling_HBW 0.384 0.297 0.272 0.064 0.338<br />
Neustadt-M._Helios_HBW 0.605 0.499 0.469 0.129 0.493<br />
Neustadt-M._Pinotin_HBW 0.667 0.569 0.544 0.191 0.539<br />
Neustadt-M._Cabernet blanc_HBW 0.673 0.581 0.558 0.217 0.545<br />
Neustadt-M._VB_91_26_5_HBW 0.497 0.399 0.372 0.098 0.418<br />
Neustadt-M._Reberger_HBW 0.966 0.865 0.843 0.329 0.747<br />
Neustadt-M._Rubinet_HBW 0.730 0.608 0.574 0.130 0.576<br />
Neustadt-M._Lagrein_HBW 0.557 0.443 0.410 0.085 0.461<br />
Neustadt-M._Tempranillo_HBW 0.861 0.738 0.706 0.169 0.662<br />
Neustadt-M._Spätburgunder_HBW 0.889 0.776 0.748 0.224 0.686<br />
Neustadt-M._Viognier_HBW 0.511 0.390 0.353 0.051 0.431<br />
Neustadt-M._Goldmuskateller_HBW 0.626 0.521 0.492 0.142 0.508<br />
Neustadt-M._Rosenmuskateller_HBW 0.684 0.567 0.534 0.129 0.547<br />
Tabelle 11: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche der Individuenzahlen im Laubwandbereich<br />
über den p-Wert zwischen der Neustädter Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ und den<br />
anderen fünf Daueruntersuchungsflächen<br />
Bambusfallen-Flächenvergleich über p-Wert:<br />
Sorten<br />
Kallstadt<br />
Riesling_GBW<br />
Kallstadt<br />
Riesling_HBW<br />
Kallstadt<br />
Riesling_OBW<br />
Leistadt<br />
Portugieser_OBW<br />
Neustadt-M.<br />
Silvaner_OBWMulch<br />
Neustadt-M._Riesling_HBW 0.233 0.128 0.080 0.058 0.211<br />
Neustadt-M._Helios_HBW 0.175 0.096 0.060 0.044 0.169<br />
Neustadt-M._Pinotin_HBW 0.119 0.074 0.053 0.042 0.140<br />
Neustadt-M._Cabernet blanc_HBW 0.474 0.226 0.113 0.072 0.201<br />
Neustadt-M._VB_91_26_5_HBW 0.221 0.113 0.066 0.047 0.166<br />
Neustadt-M._Reberger_HBW 0.132 0.095 0.075 0.064 0.118<br />
Neustadt-M._Rubinet_HBW 0.197 0.102 0.060 0.043 0.184<br />
Neustadt-M._Lagrein_HBW 0.282 0.168 0.113 0.085 0.237<br />
Neustadt-M._Tempranillo_HBW 0.191 0.136 0.107 0.090 0.188<br />
Neustadt-M._Spätburgunder_HBW 0.151 0.096 0.070 0.056 0.111<br />
Neustadt-M._Viognier_HBW 0.198 0.135 0.103 0.084 0.179<br />
Neustadt-M._Goldmuskateller_HBW 0.245 0.148 0.101 0.077 0.189<br />
Neustadt-M._Rosenmuskateller_HBW 0.633 0.266 0.101 0.054 0.238<br />
Die für die Laubwand durchgeführten flächenspezifischen Individuenvergleiche in<br />
Tabelle 11 zeigen, dass aufgrund der großen Abweichungen in den Individuenzahlen<br />
zwischen vier Neustädter Versuchsparzellen (Sorten: Helios, Pinotin, VB 91-26-5,<br />
Rubinet) und der Leistädter Portugieser-Anlage signifikante Unterschiede auftreten: p =<br />
0.044, 0.042, 0.047 und 0.043. Zwischen den Individuenzahlen der restlichen<br />
Neustädter Versuchsparzellen und der Portugieser-Anlage in Leistadt wurden keine<br />
signifikanten Unterschiede errechnet.<br />
21
Beim Ausgrenzen der stark befallenen Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ aus den<br />
Flächenvergleichen treten keine signifikanten Unterschiede zwischen den mittleren<br />
Individuenzahlen mehr auf, unabhängig davon, ob der Unterstock- oder<br />
Laubwandbereich betrachtet wird (Tabelle 12 und 13). Diese nichtsignifikanten p-Werte<br />
resultieren zum einen aus den ähnlichen Individuenzahlen zwischen diesen Flächen.<br />
Zum anderen wiesen die Versuchsanlagen in Kallstadt und Leistadt sowie die<br />
gemulchte Silvaner-Anlage in Neustadt wesentlich geringere Befallsdichten auf als der<br />
„Mußbacher Glockenzehnt“.<br />
Tabelle 12: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche der Individuenzahlen<br />
im Unterstockbereich über den p-Wert zwischen der gemulchten Silvaner-Anlage<br />
in Neustadt und den Rebanlagen in Kallstadt u. Leistadt<br />
Barberfallen-Flächenvergleich über p-Wert:<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt_Riesling_GBW 0.389<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt_Riesling_HBW 0.410<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt_Riesling_OBW 0.392<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.771<br />
Kallstadt_Riesling_GBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.778<br />
Kallstadt_Riesling_HBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.837<br />
Kallstadt_Riesling_OBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.846<br />
Tabelle 13: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche der Individuenzahlen<br />
im Laubwandbereich über den p-Wert zwischen der gemulchten<br />
Silvaner-Anlage in Neustadt und Rebanlagen in Kallstadt und Leistadt<br />
Bambusfallen-Flächenvergleich über p-Wert:<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt Riesling_GBW 0.145<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt Riesling_HBW 0.337<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Kallstadt Riesling_OBW 0.505<br />
Leistadt_Portugieser_OBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.314<br />
Kallstadt_Riesling_GBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.384<br />
Kallstadt_Riesling_HBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.571<br />
Kallstadt_Riesling_OBW Neustadt-M._Silvaner_OBWMulch 0.634<br />
Abschließend konnte durch einen Individuenzahlenvergleich über alle Flächen gezeigt<br />
werden, dass sich über die Vegetationsperiode hinweg signifikant mehr Individuen in<br />
der Laubwand (p = 0,002) als im Unterstockbereich aufhielten. Anders ausgedrückt,<br />
wurden mit den Bambusfallen signifikant mehr Individuen gefangen als mit den<br />
Barberfallen.<br />
22
3.2 Einfluss von Biotik und Abiotik auf die Individuenverteilung<br />
Unter Verwendung einer Redundanzanalyse wurde versucht, die durch die Cluster-<br />
Analyse aufgezeigten und auf der Individuenverteilung basierenden Ähnlichkeitsmuster<br />
der Probeflächen durch Umweltfaktoren zu erklären. Mit dem im RDA-Verfahren<br />
enthaltenen Monte Carlo Permutationstest (RDA-forward selection) wurden die<br />
Umweltfaktoren ermittelt, die einen signifikanten Einfluss (p-Wert < 0,05) auf die<br />
Individuenverteilung der Versuchsflächen haben (Tabelle 4).<br />
Tabelle 14: Ergebnisse der RDA-forward selection, die auf den 14 abgebildeten Umweltfaktoren<br />
und den im Zeitraum Juni bis Oktober 2007 erfassten Individuen im Unterstock- und<br />
Laubwandbereich basieren. Der p-Wert zeigt, ob der Umweltfaktor die Individuenverteilung<br />
signifikant (p < 0,05) erklärt<br />
Matrix 1 - Individuenzahlen Matrix 2 - Umweltfaktoren p-Wert<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Vegetationsdeckung 0.001<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Lufttemperatur in 2 m Höhe 0.001<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Mittlere Sonnenstundenanzahl 0.001<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Blattnässe in 2 m Höhe 0.001<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Lufttemperatur in 2 m Höhe 0.002<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Relative Luftfeuchte in 2 m Höhe 0.002<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Niederschlagsmenge in 50 cm Höhe 0.002<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Sandiger Lehm (Bodenart) 0.003<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Lehmiger Sand (Bodenart) 0.004<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Offenbodenanteil (vegetationslos) 0.018<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Bewirtschaftungsintensität 0.021<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Traubendichte in % 0.150<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Anzahl der Triebe pro Rebstock 0.357<br />
Individuenzahlen 2007 (Unterstock + Laubwand) Totes organisches Material (TOM) 0.611<br />
Aus den p-Werten in Tabelle 14 ist ersichtlich, dass die Vegetationsdeckung, die<br />
Bodenarten, die Bewirtschaftungsintensität und sechs makroklimatische Parameter die<br />
Individuenverteilung signifikant steuerten. Lediglich die Traubendichte, die Anzahl der<br />
Triebe pro Rebstock und das sich auf der Bodenoberfläche angereicherte tote<br />
organische Material (zum Beispiel abgestorbene Blatt- und Holzmasse) hatten keinen<br />
signifikanten Einfluss auf die Individuenverteilung in den sechs Untersuchungsflächen<br />
(Tabelle 4).<br />
Die Ergebnisse der Redundanzanalyse sind im Triplot-Diagramm in Abbildung 8<br />
dargestellt. Dieser Ordinationsplot veranschaulicht die Zusammenhänge zwischen den<br />
signifikanten Umweltfaktoren (Tabelle 14) und den im Unterstock- und<br />
Laubwandbereich erfassten Individuenzahlen aller Daueruntersuchungsflächen.<br />
23
Achse 2<br />
Forficula<br />
Achse 1<br />
Forficula<br />
Eigenwerte der Achse 1 / Achse 2: 0,777 / 0,088<br />
Abbildung 8: Triplot der Redundanzanalyse der ersten und zweiten Achse, in dem die<br />
Individuenverteilung von Forficula auricularia im Unterstock- und Laubwandbereich, die<br />
unterschiedlich bewirtschafteten Weinberge und die mittels RDA-forward selection bestimmten<br />
signifikanten (p < 0,05) Umweltparameter dargestellt sind. Die Ordination basiert auf den<br />
Jahresmitteln der Individuen- und Umweltdaten, wobei die Umweltdatenmatrix standardisiert<br />
wurde<br />
Im Triplot werden neben der räumlichen Lage der Rebanlagen (Dreiecksymbole) und<br />
der Individuenverteilung im Unterstock- (Forficula_Unterstockbereich) und Laubwandbereich<br />
(Forficula_Laubwand) auch die Umweltfaktoren als Vektorpfeile angezeigt<br />
(Abbildung 8). Aufgrund der Platzierung der Vektorpfeile können Informationen über<br />
die Zusammenhänge der Umweltfaktoren zueinander abgeleitet werden (TER BRAAK &<br />
SMILAUER 2002). Stehen die Umweltvektoren senkrecht aufeinander, besteht kein<br />
Zusammenhang zwischen ihnen. Ordnen sich die Pfeile in einem Winkel über 90° an,<br />
sind die Variablenkorrelationen negativ geprägt, d. h., wenn sich ein Faktor verstärkt,<br />
verliert der zweite an Wirkung. Bildet sich zwischen den Parametervektoren ein Winkel<br />
unter 90° aus, kann eine positive Korrelation angen ommen werden. Verstärkt sich die<br />
Wirkung eines Parameters, so verstärkt sich auch die des zweiten.<br />
Aufgrund der komplexen ökologischen Zusammenhänge, die der Triplot in Abbildung 8<br />
zeigt, werden die folgenden Ergebnisse flächenspezifisch vorgestellt:<br />
Die Versuchsreihen der Neustädter Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ mit<br />
halboffener Bodenbewirtschaftung gliedern sich als Gruppe im linken Ordinationsraum<br />
von den restlichen ab. Grund dafür sind die hohen Individuendichten im Unterstock-<br />
und Laubwandbereich, die im Diagramm durch die geringe Distanz der Neustädter<br />
Rebparzellen-Dreiecke zu den Artpunkten „Forficula_Unterstockbereich“ und<br />
24
„Forficula_Laubwand“ aufgezeigt werden. Die hohen Individuendichten sind auf den<br />
Lehmboden, die Zusammensetzung der Vegetationsdeckung sowie auf<br />
makroklimatische Faktoren, wie Blattnässe in zwei m Höhe, Sonnenstundenmittel,<br />
Niederschlag in 50 cm Höhe, Lufttemperaturen in 20 cm und zwei m Höhe,<br />
zurückzuführen. Diese Korrelationen werden im Triplot durch die direkte Lage der<br />
Forficula-Artpunkte an den Vektorspitzen der zuvor genannten Umweltfaktoren<br />
ausgedrückt. Des Weiteren zeigen alle zuvor genannten Umweltvektoren aufgrund<br />
ihrer Winkelstellung unter 90° eine positive Korrel ation zueinander, d.h. mit<br />
zunehmendem Lehmgehalt des Bodens verstärkt sich auch die Vegetationsdeckung.<br />
Der positive Zusammenhang zwischen den Klimadaten und der Vegetationsdeckung<br />
beziehungsweise des Bodentyps muss kritisch betrachtet werden, da es sich um<br />
makroklimatische Daten handelt, die nicht direkt in der Rebanlage erhoben wurden.<br />
Aus diesem Grund sich die hohen Individuendichten im Unterstockbereich<br />
wahrscheinlich nur auf das für den Ohrwurm ganzjährig wirkende günstige Makroklima<br />
zurückzuführen. Bereits im Mai wurde eine große Larvendichte am Boden ermittelt, die<br />
vermutlich auf die hohen Apriltemperaturen und der damit raschen Larvalentwicklung<br />
zurückzuführen ist.<br />
Ein anderer Grund für die hohe Larvendichte ist der grobschollige Lehmboden dieser<br />
Anlage, von dem der Bau der Brutröhre und damit der gesamte Fortpflanzungserfolg<br />
abhängt (siehe Kapitel 3.6.1). Auch die aus dieser Bodenart resultierende<br />
Vegetationsdeckung, die sich neben drei Grasarten hauptsächlich aus dem Gemeinen<br />
Löwenzahn (Taraxacum officinale WIGGERS), der Ackerwinde (Convolvulus arvensis<br />
(L.) SCOP.) und dem Zwerg-Storchschnabel (Geranium pusillum BURN. fil.)<br />
zusammensetzt, hat entscheidenden Einfluss auf die Individuendichte. Zum einen<br />
wurde bei Nestkartierungen festgestellt, dass sich der Großteil der Nester<br />
ausschließlich in der begrünten Gasse befand und viele Nester direkt im bzw. am<br />
Wurzelmaterial von Taraxacum officinale, Convolvulus arvensis und Stellaria media<br />
gefunden wurden (siehe Kapitel 3.6.1). Zum anderen begünstigen hohe<br />
Vegetationsdichten von Convolvulus arvensis und Stellaria media am Rebstamm<br />
wahrscheinlich das Aufwandern der Ohrwürmer in die Laubwand.<br />
Ein weiterer Grund für die starke Korrelation zwischen der Vegetationsdeckung und der<br />
Individuendichte in der Laubwand könnte das Abmulchen der begrünten Gassen sein.<br />
Vermutlich wirken sich die aus dem Abmulchen resultierenden Habitatveränderungen,<br />
wie zum Beispiel Mikroklima und Habitatstruktur, auf die artspezifischen<br />
25
Lebensbedingungen negativ aus, so dass die Ohrwürmer vom Bodenbereich in die<br />
Laubwand abwandern.<br />
Die Neustädter Silvaner-Anlage, die Kallstädter Riesling-Anlagen sowie der Leistädter<br />
Portugieser-Anlage werden aufgrund ihrer wesentlich geringeren Individuenzahlen von<br />
der Neustädter Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ stark distanziert und im rechten<br />
Ordninationsraum angeordnet (Abbildung 8, Seite 24). Die geringen Individuendichten<br />
im Unterstock- und Laubwandbereich der offen bewirtschafteten Riesling-Anlage in<br />
Kallstadt und der offen bewirtschafteten Portugieser-Anlage in Leistadt sind primär auf<br />
den Sandboden, die starke Bewirtschaftungsintensität und die Luftfeuchte in zwei m<br />
Höhe zurückzuführen. Dies äußert sich im Triplot durch die unmittelbare Nähe ihrer<br />
Flächendreiecke zu den Vektorspitzen der genannten Umweltfaktoren<br />
Auch bei diesen Rebanlagen muss die Korrelation zwischen der Luftfeuchtigkeit in 2 m<br />
Höhe und der Individuenanzahl mit Vorsicht betrachtet werden, da dieser<br />
Klimaparameter regional und nicht direkt in den Daueruntersuchungsflächen gemessen<br />
wurde.<br />
Im Gegensatz dazu kann die Korrelation zwischen dem Bodentyp lehmiger Sand und<br />
der Individuenverteilung durch 2007 durchgeführte Zuchtversuche im Freiland und<br />
Labor sicher bestätigt werden (siehe Kapitel 3.6.1). Die Versuche zeigten, dass die<br />
Ohrwurmweibchen in den Zuchtbehältern mit Sandboden aus der Leistädter<br />
Portugieser-Anlage keine Brutröhren anlegen konnten und somit keine Eiablage<br />
stattfand. Im Vergleich dazu wurden in den Zuchtbehältern mit Lehmboden aus der<br />
Neustädter Sortenmix-Anlage wöchentlich mehrere Nester mit Eiern angelegt.<br />
Da der Sandboden und die intensive offene Bodenbewirtschaftung eine starke<br />
Reduzierung der Vegetationsdeckung zur Folge haben, was im Triplot durch die<br />
Vektorstellung (über 90°) zwischen den Umweltfaktor en Bewirtschaftungsintensität,<br />
Sandboden und Vegetationdeckung aufgezeigt wird, findet hier Forficula auricularia<br />
nur bedingt artspezifische Habitatstrukturen und -bedingungen im Unterstockbereich<br />
vor.<br />
Es ist davon auszugehen, dass die Ohrwürmer in Anlagen mit Sandböden erst zu<br />
Blütebeginn einwandern, da aufgrund der Feinkörnigkeit und fehlenden Vegetation<br />
dieses Bodentyps eine Eiablage bzw. Überwinterung kaum möglich ist. Zukünftige<br />
Nestkartierungen in diesen Anlagen werden diese Hypothesen überprüfen.<br />
Im Vergleich zu den offen bewirtschafteten Rebanlagen in Kallstadt und Leistadt<br />
wurden in der ebenfalls offen bewirtschafteten Neustädter Silvaner-Anlage höhere<br />
Individuenzahlen im Unterstock- und Laubwandbereich erfasst. Grund dafür war die<br />
26
Kompostrindenmulchauflage in der Gassenmitte, auf die der große vegetationsfreie<br />
Offenbodenanteil dieser Anlage zurückzuführen war. Aus diesem Grund befindet sich<br />
diese Fläche im Triplot direkt an der Vektorspitze des Parameters Offenboden<br />
(Abbildung 8, Seite 24). Obwohl die Anlage den für Ohrwürmer eher ungeeigneten<br />
Sandboden aufwies, fanden die Tiere als typische Lückensystembewohner in der<br />
Mulchauflage Raum- und Nahrungsressourcen. Es entstehen in diesen<br />
Bodenabdeckungen Mikrolebensräume, die Schutz vor ungünstigen<br />
Witterungseinflüssen und Räubern bieten (ANDERSON 1978, GOOD & GILLER 1991).<br />
Hier leben zahlreiche Destruenten wie Milben, Springschwänze und Insektenlarven, die<br />
nicht nur für Coleopteren potenzielle Beutetiere darstellen (RIECHERT & BISHOP 1990),<br />
sondern vermutlich auch für Forficula auricularia. Aufgrund der attraktiven<br />
Mulchauflage wurden in den Monaten Juni und Juli 2007 mehr Individuen im<br />
Unterstockbereich als in der Laubwand erfasst. Gegenteilige Beobachtungen wurden in<br />
der direkt benachbarten Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ gemacht. Hier<br />
wanderten die Ohrwürmer aufgrund der fehlenden Mulchauflagen schon im Juni in die<br />
Laubwand ein.<br />
Der positive Einfluss von Stroh- und Rindenmulchabdeckungen auf die Arten- und<br />
Individuenverteilung von Kurzflügelkäfern (Staphylinidae) wurde für Rebanlagen im<br />
Saale-Unstrut-Gebiete bestätigt (HUTH 2005, unpubliziert).<br />
In den geschlossen und halboffen bewirtschafteten Riesling-Anlagen in Kallstadt<br />
wurden im Vergleich zu der Neustädter Sortenmix-Anlage weniger und im Vergleich zu<br />
den zwei offen bewirtschafteten Anlagen mehr Individuen im Unterstock- und<br />
Laubwandbereich erfasst. Beide Anlagen standen auf Lehmboden, der gute<br />
Voraussetzungen für Fortpflanzung und Überwinterung bot. Außerdem waren in<br />
vollständig oder alternierend begrünten Anlagen im Unterstockbereich mehr Nahrungsund<br />
Raumressourcen verfügbar, was eine schwächere Aufwanderung in die Laubwand<br />
zur Folge hatte.<br />
3.3 Einfluss der Rebsorten auf die Individuenverteilung<br />
Obwohl die Rebsorte im Gesamtflächenvergleich statistisch keinen signifikanten<br />
Einfluss auf die Jahresmittel-Individuenzahlen des Unterstock- und Laubwandbereichs<br />
hatte (siehe Tabelle 14, Seite 23), aber trotzdem sortenspezifische Unterschiede in der<br />
Befallsdichte regelmäßig beobachtet wurden, wurde ein zweiter Vergleich mit der<br />
Neustädter Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ durchgeführt. Hierfür<br />
wurden die für den Unterstockbereich und die Laubwand errechneten Monatsmittel-<br />
27
Individuenzahlen der 13 verschiedenen Rebparzellen graphisch dargestellt (Abbildung<br />
10 und 11) und mittels Student-t-Test statistisch verglichen (Tabelle 15 und 16). Im<br />
Diagramm 10 ist ersichtlich, dass lediglich im Monat Juni sortenspezifische<br />
Unterschiede zwischen den Individuenzahlen des Unterstockbereichs auftraten, welche<br />
anhand der Redundanzanalyse offensichtlich durch klimatische Unterschiede<br />
entstanden. Des Weiteren kann der Blütebeginn der Gescheine, der den Ohrwürmern<br />
durch die Blütenpollen eine neue Nahrungsressource liefert (DETTNER & PETERS 1999),<br />
als Grund für die sortenabhängigen Schwankungen der Individuenzahlen im<br />
Unterstockbereich verantwortlich sein. Dies wäre eine Erklärung dafür, dass zum<br />
Beispiel die Graphen der Weinsorten Viognier, Tempranillo, Reberger und Rubinet<br />
schon im Juni sehr flach verlaufen, da diese Sorten bereits seit 22. Mai 2007 in der<br />
Vollblüte beziehungsweise Nachblüte standen und die Ohrwürmer vom<br />
Unterstockbereich in die Laubwand zu dieser Nahrungsquelle aufwanderten (Abbildung<br />
10).<br />
Mussbacher Glockenzehnt (Neustadt/W.): sortenabhängiger<br />
Vergleich der mittleren Individuenzahl/Stock im Unterstockbereich<br />
von Juni bis Oktober 2007<br />
mittlere<br />
Individuenzahl/Barberfalle<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
06_2007 07_2007 08_2007 09_2007 10_2007<br />
Monate 2007<br />
Weißweinsorten:<br />
Rotweinsorten:<br />
Riesling<br />
Helios<br />
Pinotin<br />
Cabernet Blanc<br />
VB91_26_5<br />
Reberger<br />
Rubinet<br />
Lagrein<br />
Tempranillo<br />
Spätburgunder<br />
Viognier<br />
Goldmuskateller<br />
Rosenmuskateller<br />
Abbildung 10: Sortenspezifischer Vergleich der Monatsmittel-Individuenzahlen im<br />
Unterstockbereich von Juni bis Oktober 2007 der Neustädter Sortenmix-Anlage<br />
Vergleicht man den Graphenverlauf von Riesling und Pinotin, die am 22. Mai 2007 erst<br />
in der Vorblüte standen sowie den Graphenverlauf von blütenlosen Jungreben, wie z.B.<br />
Cabernet blanc, fällt auf, dass sich im Juni in diesen Sorten wesentlich mehr Individuen<br />
im Unterstockbereich aufhielten, da noch keine Nahrungsquelle im Laubwandbereich<br />
lockte (Abbildung 10).<br />
Ab Juli 2007 fallen alle Graphen unabhängig von der Rebsorte stark ab und nähern<br />
sich bereits im August dem Nullbereich an (Abbildung 10), weil der Unterstockbereich<br />
28
mit zunehmender Traubenreife mit großer Wahrscheinlichkeit immer unattraktiver für<br />
Forficula auricularia wurde. Demgegenüber wurde die Laubwand mit den reifenden<br />
Trauben für die Tiere deutlich attraktiver als Raum- und Nahrungsressourcen. Zudem<br />
fördert ein Herbizideinsatz im Unterstockbereich, das Abmulchen der begrünten und<br />
das Grubbern der unbegrünten Gassen die Habitatnivellierung (MORRIS 1981,<br />
GERSTMEIER & LANG 1996), welche eine Verschlechterung der artspezifischen Raumund<br />
Klimabedingungen zur Folge hat.<br />
Obwohl visuell sortenspezifische Unterschiede in den Individuenzahlen des<br />
Unterstocksbereichs erkennbar waren, konnten diese statistisch nicht abgesichert<br />
werden (Tabelle 15).<br />
Tabelle 15: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche zwischen den sortenspezifischen Individuenzahlen<br />
im Unterstockbereich von Juni bis Oktober 2007 der Neustädter Sortenmix-Anlage<br />
Unterstockbereich-Sortenvergleich über p-Wert:<br />
Sorten Riesling Helios Pinotin<br />
Cabernet<br />
Tempranillgundekatellekateller<br />
Spätbur-<br />
Goldmus-<br />
Rosenmus-<br />
VB9126_5 Reberger Rubinet Lagrein<br />
Viognier<br />
blanc<br />
Riesling x 0.691 0.673 0.696 0.836 0.386 0.509 0.700 0.395 0.403 0.709 0.675 0.570<br />
Helios 0.691 x 0.956 0.968 0.852 0.619 0.812 0.968 0.665 0.661 0.936 0.978 0.878<br />
Pinotin 0.673 0.956 x 0.991 0.820 0.685 0.876 0.924 0.740 0.732 0.893 0.977 0.934<br />
Cabernet blanc 0.696 0.968 0.991 x 0.838 0.691 0.873 0.938 0.746 0.737 0.910 0.987 0.928<br />
VB9126_5 0.836 0.852 0.820 0.838 x 0.505 0.664 0.873 0.532 0.534 0.893 0.832 0.728<br />
Reberger 0.386 0.619 0.685 0.691 0.505 x 0.753 0.568 0.893 0.922 0.518 0.642 0.704<br />
Rubinet 0.509 0.812 0.876 0.873 0.664 0.753 x 0.761 0.828 0.814 0.709 0.838 0.932<br />
Lagrein 0.700 0.968 0.924 0.938 0.873 0.568 0.761 x 0.604 0.605 0.967 0.945 0.834<br />
Tempranillo 0.395 0.665 0.740 0.746 0.532 0.893 0.828 0.604 x 0.973 0.540 0.692 0.768<br />
Spätburgunder 0.403 0.661 0.732 0.737 0.534 0.922 0.814 0.605 0.973 x 0.548 0.686 0.758<br />
Viognier 0.709 0.936 0.893 0.910 0.893 0.518 0.709 0.967 0.540 0.548 x 0.911 0.789<br />
Goldmuskateller 0.675 0.978 0.977 0.987 0.832 0.642 0.838 0.945 0.692 0.686 0.911 x 0.903<br />
Rosenmuskateller 0.570 0.878 0.934 0.928 0.728 0.704 0.932 0.834 0.768 0.758 0.789 0.903 x<br />
Alle Rebsorten, mit Ausnahme der 2006er Neuanpflanzung Rosenmuskateller hatten<br />
im Laubwandbereich über die gesamte Fangperiode, insbesondere im Juni, signifikant<br />
höhere Individuenzahlen (p ≤ 0,0001) als im Unterstockbereich. Die frühblühenden<br />
Sorten, wie zum Beispiel Reberger, Tempranillo, Viognier oder Rubinet wiesen<br />
aufgrund ihrer höheren Individuendichten von Juni bis Juli 2007 einen stärkeren<br />
Negativanstieg auf. Die spätblühenden Sorten Riesling und Pinotin sowie der<br />
Junganpflanzung Cabernet blanc zeigen einen wesentlich flacheren Graphenbeginn,<br />
der aus den geringeren Individuenzahlen resultiert.<br />
Wie für den Unterstockbereich konnten auch die innerhalb des Laubwandbereichs<br />
visuell erkennbare sortenspezifische Unterschiede in den Individuenzahlen für die 13<br />
untersuchten Rebsorten statistisch nicht abgesichert werden (Tabelle 16). Zu diesen<br />
Ergebnissen ist anzumerken, dass von Juli bis September 2007 wöchentlich<br />
durchgeführte phänologische Untersuchungen im Laubwandbereich gezeigt haben,<br />
das die gesamte Struktur beziehungsweise Wuchsform des Rebstockes den Befall in<br />
den Trauben<br />
bestimmen, für den bisher nur die Traubendichte beziehungsweise<br />
29
Traubenfarbe verantwortlich gemacht wurde. Die komplexe Datenaufarbeitung sowie -<br />
auswertung dieser phänologischen Untersuchungen ist zurzeit noch in Bearbeitung.<br />
Tabelle 16: Student-t-Test: Mittelwertvergleiche zwischen den sortenspezifischen Individuenzahlen<br />
im Laubwandbereich von Juni bis Oktober 2007 der Neustädter Sortenmix-Anlage<br />
Laubwandbereich-Sortenvergleich über p-Wert:<br />
Cabernet<br />
blanc<br />
Tempranillo<br />
Spätburgunder<br />
Goldmuskateller<br />
Rosenmuskateller<br />
Sorten<br />
Riesling Helios Pinotin<br />
VB9126_5 Reberger Rubinet Lagrein<br />
Viognier<br />
Riesling x 0.891 0.767 0.900 0.926 0.677 0.936 0.946 0.888 0.706 0.876 0.955 0.806<br />
Helios 0.891 x 0.867 0.777 0.959 0.772 0.954 0.839 0.989 0.810 0.979 0.935 0.686<br />
Pinotin 0.767 0.772 x 0.647 0.823 0.903 0.824 0.719 0.886 0.952 0.894 0.805 0.566<br />
Cabernet blanc 0.900 0.954 0.647 x 0.808 0.554 0.826 0.963 0.783 0.570 0.767 0.847 0.887<br />
VB9126_5 0.926 0.839 0.823 0.808 x 0.724 0.993 0.870 0.951 0.759 0.939 0.972 0.710<br />
Reberger 0.677 0.989 0.903 0.554 0.724 x 0.730 0.633 0.796 0.944 0.802 0.712 0.481<br />
Rubinet 0.936 0.810 0.824 0.826 0.993 0.730 x 0.882 0.947 0.765 0.935 0.980 0.733<br />
Lagrein 0.946 0.979 0.719 0.963 0.870 0.633 0.882 x 0.838 0.659 0.826 0.901 0.869<br />
Tempranillo 0.888 0.989 0.886 0.783 0.951 0.796 0.947 0.838 x 0.835 0.990 0.928 0.699<br />
Spätburgunder 0.706 0.810 0.952 0.570 0.759 0.944 0.765 0.659 0.835 x 0.842 0.745 0.490<br />
Viognier 0.876 0.979 0.894 0.767 0.939 0.802 0.935 0.826 0.990 0.842 x 0.917 0.682<br />
Goldmuskateller 0.955 0.935 0.805 0.847 0.972 0.712 0.980 0.901 0.928 0.745 0.917 x 0.753<br />
Rosenmuskateller 0.806 0.686 0.566 0.887 0.710 0.481 0.733 0.869 0.699 0.490 0.682 0.753 x<br />
3.4. Versuche zur Befallsregulierung<br />
3.4.1 Bekämpfungsversuche mit Insektiziden<br />
SpinTor<br />
In den Monaten Juni und Juli 2007 wurden in drei verschiedenen Rebanlagen<br />
(Riesling, Gewürztraminer, Cabernet Cubin) in Deidesheim Versuche zur<br />
Befallsregulierung von adulten Forficula auricularia mit dem Insektizid SpinTor<br />
durchgeführt. Spintor (Wirkstoff: Spinosad) ist seit April 2007 im Weinbau gegen beide<br />
Traubenwicklerarten, den Rhombenspanner und den Springwurmwickler zugelassen<br />
und über Kontakt und Fraß wirksam.<br />
Die Auswahl der Versuchsanlagen richtete sich nach der Anbauhäufigkeit der Rebsorte<br />
sowie nach der Kompaktheit der Traubenstruktur, die möglicherweise die Befallsstärke<br />
beeinflussen kann.<br />
Im Versuch wurde die Wirkung von SpinTor in Abhängigkeit von der Traubenstruktur<br />
untersucht. Für den Versuch wurden eine Deidesheimer Riesling-Anlage<br />
(Traubenstruktur: sehr dichtbeerig, kompakt), eine Deidesheimer Gewürztraminer-<br />
Anlage (Traubenstruktur: dichtbeerig, weniger kompakt wie Riesling) und eine<br />
Neustädter Cabernet Cubin-Anlage (Traubenstruktur: dichtbeerig, weniger kompakt wie<br />
Riesling) ausgewählt. Alle Rebanlagen wurden jeweils auf einer Hälfte mit Spintor<br />
behandelt. Die andere Hälfte diente als unbehandelte Kontrolle. Nach der einmaligen<br />
Applikation am 29. Juni 2007 wurden jeweils vier Eierpappenfallen im unbehandelten<br />
Kontrollplot und im Insektizidplot an zueinander gleich entfernten und in einer Rebreihe<br />
30
liegenden Rebstöcken, am Rebstamm auf Höhe des Biegdrahtes, für sieben Tage<br />
angebracht und am 6. Juli 2007 ausgewertet.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass unabhängig von der Rebsorte eine einmalige SpinTor-<br />
Applikation keine eindeutig reduzierende Wirkung auf die Ohrwurm-Individuendichte in<br />
der Laubwand hatte. Die sortenspezifische Darstellung der Individuenzahlen im<br />
Kontroll- und SpinTor-Plot zeigen aufgrund des stark schwankenden Balkenanstiegs<br />
weder eine tendenzielle Zunahme noch eine Abnahme der Individuenzahlen. Innerhalb<br />
jeder Kontroll- und SpinTor-Fläche traten sowohl maximale als auch minimale<br />
Ohrwurmdichten auf (Abbildung 12). Auch die mittleren Individuenzahlen der Kontrollund<br />
SpinTor-Parzellen lieferten keine signifikanten Unterschiede (Tabelle 17).<br />
Eine mögliche Erklärung für die unbefriedigende Wirkung des Insektizids liefern DANIEL<br />
et. al (2005), die durch SpinTor-Applikationen in Apfelplantagen festgestellt haben,<br />
dass Ohrwürmer nur geschädigt werden, wenn sie größere Mengen an Blattmaterial<br />
aufnehmen. Da diese Insekten omnivor sind, stehen ihnen am Rebstock auch andere<br />
tierische- und pflanzliche Nahrungsquellen in ausreichendem Maße zur Verfügung.<br />
Nach eigenen Beobachtungen fressen die Tiere keine Rebblätter an und nehmen somit<br />
das Insektizid nicht beziehungsweise nur in geringen Mengen auf. Weitere<br />
Bekämpfungsversuche werden unter anderem die Nachtaktivität, die versteckte<br />
Lebensweise sowie das Entwicklungsstadium der Ohrwürmer berücksichtigen und<br />
entsprechend konzipiert.<br />
Einfluss einer einmaligen SpinTor-Applikationen auf die Individuenverteilung von Forficula auricularia L. in der Laubwand von drei<br />
Rebanlagen: Herrgottsacker-Riesling (R 1-4), Schlossberg-Gewürztraminer (GT 1-4), Haidböhl-Cabernet Cubin (CC 1-4)<br />
50<br />
50<br />
50<br />
Indiviuenzahl/Falle<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Kontrolle<br />
SpinTor<br />
Individuenzahl<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Individuenzahl<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
R 1 R 2 R 3 R 4<br />
0<br />
GT 1 GT 2 GT 3 GT 4<br />
0<br />
CC 1 CC 2 CC 3 CC 4<br />
Versuchsplots<br />
Versuchsplots<br />
Versuchsplots<br />
Abbildung 12: Einfluss einer einmaligen SpinTor-Applikation auf die Individuendichte von<br />
Forficula auricularia in zwei Deidesheimer (Riesling, Gewürztraminer) und einer Neustädter<br />
(Cabernet Cubin) Rebanlage<br />
Tabelle 17: Ergebnisse des Student-t-Tests für den SpinTor-Versuch: Vergleich<br />
der mittleren Individuenzahlen von Forficula auricularia zwischen<br />
den Kontroll- und SpinTor-Plots drei verschiedener Rebanlagen<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Riesling-Kontrolle Riesling-Spintor 0.525<br />
Cabernet-Cubin-Kontrolle Cabernet-Cubin-Spintor 0.750<br />
Gewürztraminer-Kontrolle Gewürztraminer-Spintor 0.439<br />
31
3.4.2 Befallsregulierung durch Repellent-Substanzen<br />
2-Methyl-1,4-Benzochinon:<br />
Forficula auricularia besitzt auf der Dorsalseite des vorderen Abdominalbereiches<br />
paarige Wehrdrüsen, aus denen ein chinonhaltiges Abwehrsekret: 2-Methyl-1,4-Benzochinon<br />
ausgestoßen werden kann (DETTNER & PETERS 1999). In<br />
populationsbiologischen Studien über das Aggregationsverhalten des Gemeinen<br />
Ohrwurms konnten WALKER et al. (1993) zeigen, dass eine dem Abwehrsekret<br />
identische 2-Methyl-1,4-Benzochinon-Lösung in den Konzentration 0,01 mol/Liter und<br />
0,1 mol/Liter einen signifikanten Repellent-Effekt (Abstoßungseffekt) auf die im Labor<br />
gehaltenen Tiere hatte. Außerdem wiesen die Autoren nach, dass der chinonhaltige<br />
Kot keinen signifikanten Repellent-Effekt auf die eigene Art hat. Weiterhin ergaben die<br />
Studien von WALKER et al. (1993), dass der Kot auf Artgenossen anziehend wirkt und<br />
in großen Mengen an attraktiven Tagesruheplätzen abgegeben wird. Eine ebenfalls<br />
anziehende Wirkung haben Zuckerverbindungen, wie zum Beispiel der von Blattläusen<br />
abgesonderte Honigtau (LAHUSEN et al. 2006).<br />
In Anlehnung an diese Ergebnisse wurde ein Freilandversuch durchgeführt, der die<br />
beschriebene Repellentwirkung im Bereich der Traubenzone überprüfen sollte. Für<br />
dieses Experiment wurden Eierpappenfallen verwendet, in denen unterschiedlich<br />
behandelte Holzwolle: a) Kotlösung, b) 0,01 molare und c) 0,1 molare 2-Methyl-1,4-<br />
Benzochinon-Lösung, sowie d) 0,1 molare 2-Methyl-1,4-Benzochinon-Lösung mit<br />
Honig als Füllmaterial integriert wurde. Als Versuchsfläche wurde die <strong>DLR</strong>-Rebanlage<br />
„Mußbacher Glockenzehnt“ ausgewählt, aus deren Mittelbereich zwei stark befallene<br />
Reihen mit den Rotwein-Neuzüchtungen Accent und Bolero gewählt wurden. In jeder<br />
Reihe wurden eine unbehandelte Kontrollfalle und vier unterschiedlich behandelte<br />
Versuchsfallen gleichermaßen im Rebstock angebracht.<br />
In Abbildung 14 ist ersichtlich, dass die 0,01 und 0,1 molaren Benzochinon-Fallen<br />
gegenüber den Kontrollfallen offensichtlich nur von einen sehr schwachen Repellent-<br />
Effekt hatten. Eine signifikante Reduzierung der Individuenzahlen konnte wie bei<br />
WALKER et al. (1993) für Laborversuche beschrieben nicht bestätigt werden.<br />
Zwischen den Individuenzahlen der 0,01 und 0,1 molaren Benzochinon-Fallen bestand<br />
ebenfalls kein signifikanter Unterschied (p = 0.669, Tabelle 19).<br />
Die Kotfallen wirkten im Vergleich zu den Kontrollfallen sowohl anziehend als auch<br />
abstoßend (Abbildung 14), zwischen den Individuenzahlen beider Fallentypen traten<br />
keine signifikanten Unterschiede auf (p = 0.948, Tabelle 19). Die von WALKER et al.<br />
(1993) im Labor nachgewiesene Attraktivitätswirkung des Kots konnte in diesem<br />
32
Freilandversuch nicht bestätigt werden, wurde aber in stark verkoteten und<br />
dementsprechend attraktiven Tagesrefugien (Traubeninneres, eingerollte Blattspreite,<br />
Stickel, Markierungsband) in anderen Rebanlagen regelmäßig beobachtet. Ein<br />
Vergleich der Individuenzahlen zwischen den Kot- und Benzochinon-Fallen ergab<br />
ebenfalls keinen signifikanten Unterschied (Tabelle 19).<br />
Mußbacher Glockenzehnt (Neustadt/W.): Einfluss von<br />
Repellent- (Benzochinon) und Attraktivitätssubstanzen<br />
(Kot, Honig) in Eierpappenfallen auf die Individuenverteilung<br />
von Forficula auricularia L.<br />
Individuenanzahl/Falle<br />
110<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Kontrolle<br />
Forficula-Kot<br />
Benzochinon<br />
0,01 M<br />
Fallentypen<br />
Rebzeile 11<br />
Rebzeile 12<br />
Benzochinon<br />
0,1 M<br />
Benzochinon<br />
0,1 M +<br />
Honig<br />
Stichprobe 1 (Reihe 11+12) Stichprobe 2 (Reihe 11+12) p-Wert<br />
Kontrolle Forficula-Kot 0.948<br />
Kontrolle Benzochinon 0,01 M 0.387<br />
Kontrolle Benzochinon 0,1 M 0.087<br />
Kontrolle Benzochinon 0,1 M + Honig 0.249<br />
Forficula-Kot Benzochinon 0,01 M 0.359<br />
Forficula-Kot Benzochinon 0,1 M 0.060<br />
Forficula-Kot Benzochinon 0,1 M + Honig 0.248<br />
Benzochinon 0,01 M Benzochinon 0,1 M 0.669<br />
Benzochinon 0,01 M Benzochinon 0,1 M + Honig 0.176<br />
Benzochinon 0,1 M Benzochinon 0,1 M + Honig 0.109<br />
Abbildung 14, Tabelle 19: Einfluss von Repellent- (Benzochinon) und Attraktivitätssubstanzen<br />
(Kot, Honig) in Eierpappenfallen auf die Individuenverteilung von Forficula auricularia in der<br />
Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“<br />
Um zu testen, inwieweit ein Repellent wie 0,1 molare Benzochinon-Lösung wirkt, wenn<br />
sich in der unmittelbaren Umgebung eine für den Ohrwurm attraktive Nahrungsquelle<br />
befindet, wurden die 0,1 molaren-Benzochinon-Fallen mit einem Teelöffel Honig<br />
versetzt. Es zeigte sich, dass die Individuenzahlen dieses Fallentyps in beiden<br />
Versuchsreihen teilweise weit über denen der Kontrollfallen lag (Abbildung 14).<br />
Dennoch unterscheiden sich die Individuenzahlen der mit Honig versetzten 0,1<br />
molaren Benzochinon-Fallen nicht signifikant von den Kontroll-, Kot- und Benzochinon-<br />
Fallen (Tabelle 14). Eigene Laborbeobachtungen haben gezeigt, dass Ohrwürmer<br />
überreife süße Äpfel als bevorzugte Nahrungsquelle annehmen.<br />
Da der durchgeführte Repellent-Versuch mit einer sehr geringen Stichprobengröße<br />
durchgeführt wurde, aus der möglicherweise durch standortbedingte Schwankungen<br />
der Individuenzahlen nichtobjektive Testergebnisse resultieren können, wurde der<br />
Versuch mit einer erhöhter Stichprobengröße und dem am stärksten konzentrierten<br />
Repellent: 0,1 molare 2-Methyl-1,4-Benzochinon-Lösung wiederholt. Dazu wurden in<br />
der Deidesheimer Riesling-Anlage vom 17. bis 24. August 2007 drei Versuchsparzellen<br />
eingerichtet, die außerhalb der bereits mit SpinTor behandelten Rebzeilen lagen. Die<br />
33
mittlere Versuchsparzelle diente als Kontrollplot. Hier wurden die unbehandelten<br />
Eierpappenfallen in der Laubwand, auf Höhe des Biegdrahtes, montiert. Die Parzellen<br />
links und rechts der Kontrollparzelle dienten als Benzochinon-Plots, in denen die mit<br />
0,1 molarer 2-Methyl-1,4-Benzochinon-Lösung behandelten Eierpappenfallen<br />
angebracht wurden. Um eine hohe Stichprobenanzahl in jeder Parzelle zu<br />
gewährleisten, wurde pro Stickellänge (fünf Stöcke) eine Lebendfalle montiert.<br />
Zusätzlich zur Individuenerfassung mittels Eierpappenfallen wurde beim Fallenabbau<br />
die Gesamtindividuenzahl pro Stock visuell bestimmt. Hierzu wurde der entsprechende<br />
Rebstock dreimal kräftig geschüttelt, die Ohrwürmer in einer weißen Wanne am Boden<br />
aufgefangen und gezählt. Anschließend wurden die erfassten Individuenzahlen in den<br />
Fallen und an den Rebstöcken miteinander verglichen und überprüft, ob sich der<br />
Geruch einer Benzochinon-Falle über den ganzen Stock verteilt und somit die<br />
Ohrwürmer aus der Laubwand vertreibt. Die Balkendiagramme in Abbildung 15 a, b<br />
und Tabelle 20 machen deutlich, dass sich die Individuenzahlen in den<br />
Eierpappenfallen und an den Rebstöcken zwischen Kontroll- und Benzochinon-<br />
Parzellen nicht signifikant unterschieden.<br />
Herrgottsacker (Deidesheim): Einfluss einer 0,1 molaren<br />
Benzochinon-Lösung auf die Individuenverteilung von<br />
Forficula auricularia L. in Eierpappenfallen<br />
Individuenanzahl/Stock<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Benzo_Visuellbonitur_Reihe08<br />
Kontrolle_Visuellbonitur_Reihe10<br />
Benzo_Visuellbonitur_Reihe12<br />
a) Herrgottsacker (Deidesheim): Einfluss einer 0,1 molaren<br />
Benzochinon-Lösung in Eierpappenfallen auf die Individuenverteilung<br />
von Forficula auricularia L. im Rebstock<br />
Individuenanzahl/Falle<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Benzo_Lebendfalle_Reihe08<br />
Kontrolle_Lebendfalle_Reihe10<br />
Benzo_Lebendfalle_Reihe12<br />
b)<br />
0<br />
0<br />
SL 01<br />
SL 02<br />
SL 03<br />
SL 04<br />
SL 05<br />
SL 06<br />
SL 07<br />
SL 08<br />
SL 09<br />
SL 10<br />
SL 11<br />
SL 12<br />
SL 13<br />
SL 14<br />
SL 15<br />
SL 16<br />
SL 17<br />
SL 18<br />
SL 19<br />
SL 20<br />
SL 01<br />
SL 02<br />
SL 03<br />
SL 04<br />
SL 05<br />
SL 06<br />
SL 07<br />
SL 08<br />
SL 09<br />
SL 10<br />
SL 11<br />
SL 12<br />
SL 13<br />
SL 14<br />
SL 15<br />
SL 16<br />
SL 17<br />
SL 18<br />
SL 19<br />
SL 20<br />
Lebendfalle pro Stickellänge (SL)<br />
Visuellbonitur pro Stickellänge (SL)<br />
Abbildung 15: Einfluss des Repellent: a) 0,1 molare 2-Methyl-1,4-Benzochinon-Lösung<br />
in Eierpappenfallen auf die Individuenverteilung von Forficula auricularia in der Falle und<br />
b) in der Laubwand bei einer visuellen Bonitur in einer Deidesheimer Riesling-Anlage<br />
Tabelle 20: Ergebnisse des Student-t-Tests für den repellent-Versuch:<br />
Vergleich der mittleren Individuenzahlen von Forficula auricularia L.<br />
zwischen den Kontroll- und Benzochinon-Plots in einer Deidesheimer<br />
Riesling-Anlage<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Kontrolle (Lebendfalle) - Reihe 10 Benzochinon (Lebendfalle) - Reihe 08 0.530<br />
Kontrolle (Lebendfalle) - Reihe 10 Benzochinon (Lebendfalle) - Reihe 12 0.322<br />
Kontrolle (Visuellbonitur) - Reihe 10 Benzochinon (Visuellbonitur) - Reihe 08 0.213<br />
Kontrolle (Visuellbonitur) - Reihe 10 Benzochinon (Visuellbonitur) - Reihe 12 0.345<br />
34
Sowohl in den Kontroll- wie auch in den Versuchsparzellen traten große,<br />
nichttendenzielle Schwankungen der Individuenzahlen auf, welche die Wirkung des<br />
Repellent 2-Methyl-1,4-Benzochinon ausschließen.<br />
3.4.4 Befallsregulierung durch Veränderung der Habitatstruktur<br />
Ausdünnungsversuche in der Laubwand mittels Vollernter<br />
Freilanduntersuchungen haben gezeigt, dass der Ohrwurm auf manuelle<br />
Erschütterungen am Tagesruheplatz mit einem Fluchtverhalten reagiert, welches sich<br />
durch plötzliches Herabfallen vom Rebstock auf den Boden äußert. Um zu überprüfen,<br />
ob diese Verhaltensweise für eine Befallsregulierung in Frage kommt, wurde ein zur<br />
Ausdünnung von Reblaub und Trauben umgebauter Vollernter als maschineller<br />
Schüttler eingesetzt. Der Versuch fand am 6. Juli 2007 in einer <strong>DLR</strong>-Riesling-Anlage<br />
in Neustadt-Mußbach statt. Im Zentrum dieser Fläche wurden zwei Rebreihen als<br />
Versuchsreihen ausgewählt. Jede Versuchsreihe wurde in drei gleichlange Abschnitte<br />
eingeteilt: südlich des ersten. Kontrollplots, nördlich des zweiten Kontrollplots und<br />
zwischen den beiden Kontrollplots der Ausdünnungsplot. Im Ausdünnungsabschnitt<br />
wurde der Vollernter einmalig zur Ausdünnung von Reblaub und Trauben eingesetzt.<br />
Danach wurden in jeden Abschnitt in einer der beiden Reihen drei Bambusfallen und in<br />
der zweiten Reihe drei Eierpappen für sieben Tage in der Laubwand montiert.<br />
In Abbildung 16 sind die Individuenanzahlen dargestellt, die mit den verschiedenen<br />
Lebendfallentypen in den Kontrollabschnitten (K_a, K_b) und dem<br />
Ausdünnungsabschnitt (A) erfasst wurden. Die Fangeffektivität von Bambusfallen war<br />
wesentlich höher war als die der Eierpappen.<br />
Riesling (Neustadt-Mußbach): Einfluss einer einmaligen Blatt- und Traubenausdünnung<br />
per Vollernter auf die Individuenverteilung von Forficula auricularia L. in der Laubwand<br />
Individuenanzahl/Falle<br />
a) Bambusfallen<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrolle (K) Ausdünnung (A) Kontrolle (K)<br />
K1_a K2_a K3_a A1 A2 A3 K1_b K2_b K3_b<br />
Fallenstandorte<br />
Individuenanzahl/Falle<br />
b) Eierpappenfallen<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrolle (K) Ausdünnung (A) Kontrolle (K)<br />
K1_a K2_a K3_a A1 A2 A3 K1_b K2_b K3_b<br />
Fallenstandorte<br />
Abbildung 16: Ausdünnungsversuch mittels Vollernter in einer Neustädter Riesling-Anlage:<br />
Vergleich der Individuenzahlen von Forficula auricularia in Bambus- und Eierpappenfallen<br />
zwischen den Kontroll- und Ausdünnungsplots<br />
35
Unabhängig davon traten innerhalb der Kontroll- und Ausdünnungsplots große<br />
Schwankungen in den Individuenzahlen auf, die wahrscheinlich auf mikroklimatische<br />
Veränderungen und/oder andere lokal wirkende Umweltfaktoren zurückzuführen<br />
waren. In beiden Versuchsreihen war allerdings beim Vergleich mit den beiden<br />
Kontrollen tendenziell eine Abnahme der Individuenzahlen im Ausdünnungsplot zu<br />
erkennen. Bis auf eine Ausnahme wurde jedoch kein signifikanter Unterschied<br />
zwischen den ermittelten Individuenzahlen der Kontroll- und Ausdünnungsabschnitte<br />
errechnet. Lediglich der mit Bambusfallen bestückte Ausdünnungsplot wies signifikant<br />
weniger Individuen (p = 0,004) als der benachbarte Kontrollplot a auf (Tabelle 21).<br />
Der Versuch wird im Herbst 2008 mit einer höheren Stichprobenanzahl und einem<br />
einheitlichen Lebendfallentyp in mehreren Versuchsreihen wiederholt, um zu<br />
überprüfen, ob sich diese Methode zur Befallsregulierung des Ohrwurms vor der<br />
Traubenlese eignet.<br />
Tabelle 21: Ausdünnungsversuch mittels Vollernter in einer Neustädter Riesling-<br />
Anlage: Mittelwertvergleiche über den p-Wert zwischen den Kontroll- und Ausdünnungsplots<br />
mittels Student-t-Test<br />
Stichprobe 1 Stichprobe 2 p-Wert<br />
Kontrollplot a (Eierpappenfalle) Ausdünnungsplot (Eierpappenfalle) 0.486<br />
Kontrollplot b (Eierpappenfalle) Ausdünnungsplot (Eierpappenfalle) 0.811<br />
Kontrollplot a (Bambusfalle) Ausdünnungsplot (Bambusfalle) 0.004<br />
Kontrollplot b (Bambusfalle) Ausdünnungsplot (Bambusfalle) 0.459<br />
Umstellung der Winterbodenbearbeitung<br />
Ein Großteil des Entwicklungszyklus von Forficula auricularia wie zum Beispiel<br />
Nestbau, Eiablage, Aufzucht des ersten Larvenstadiums, sowie die Überwinterung<br />
vollzieht sich im Boden (DETTNER. & PETERS 1999). Es kann davon ausgegangen<br />
werden, dass eine Störung während der Diapause und in den Entwicklungsstadien<br />
eine effektive Reduzierung der Individuenzahl in Rebflächen zur Folge hat.<br />
Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde die Winterbodenbearbeitung in drei<br />
Mußbacher Rebanlagen entweder komplett (<strong>DLR</strong>-Huxel-Anlage) oder zur Hälfte der<br />
Anlage (Privat-Riesling-Anlage, <strong>DLR</strong>-Mußbacher-Glockenzehnt-Sortenmix) umgestellt.<br />
Dazu wurde nach der Lese im Oktober 2007 im Unterstockbereich der Rebstöcke<br />
angehäufelt. Hierzu wurde die Erde unter den Rebstöcken mit einem Einscharpflug<br />
dammartig bis zur Veredlungsstelle auf eine Höhe von ca. 20 cm aufgeschüttet<br />
(Abbildung 17). Das Zupflügen wurde ursprünglich zum Frostschutz der<br />
Veredlungsstelle, zum Aufbrechen von Oberbodenverdichtungen und zur besseren<br />
Aufnahme von Niederschlagswasser eingesetzt (MÜLLER ET. AL 2000). Der<br />
36
angehäufelte Damm bleibt bis in die Frühjahrsmonate März oder April bestehen und<br />
wird dann mit einer Räumschar abgepflügt.<br />
a) b) c)<br />
Abbildung 17: a und b) angehäufelter Unterstockbereich in der Huxel-Anlage und<br />
c) in der Mischsortenanlage „Mußbacher-Glockenzehnt“ in Neustadt-Mußbach<br />
Neben der Beeinflussung des Fortpflanzungszyklus könnte eine weitere Folge des<br />
maschinellen Bodenumbruchs das Verletzen oder Abtöten von adulten Individuen sein,<br />
die sich nach GOODACRE (1997) bereits im Spätherbst in einem starren<br />
Diapausestadium befinden. Alle bisher für das Zupflügen beschriebenen Auswirkungen<br />
auf die Populationsdichte wären ebenfalls für das Abpflügen im Frühjahr vorstellbar.<br />
Auch eine mögliche Verlagerung der Brutkammern vom Rebwurzelbereich in den<br />
grobscholligen Damm könnte die Brutröhren mit Eiern oder Larven beim Einebnen des<br />
Damms im Frühjahr zerstören. Die quantitativen Auswertungen dieser Maßnahmen<br />
werden abhängig von den Witterungsbedingungen ab Frühjahr 2008 durchgeführt.<br />
Folien-Ersatzhabitat<br />
Sowohl unter PVC-Markierungsbändern am Rebstock als auch unter PVC-<br />
Schutzfolien in der Rebschule und in Spargelanlagen wurden große<br />
Aggregationsverbände von Forficula auricularia beobachtet. Möglicherweise haben die<br />
Tiere eine gewisse Affinität zu PVC-Folie. Mit dem vorliegenden Versuchsansatz sollte<br />
überprüft werden, ob am Boden der Rebgassen montierte Folienstreifen als<br />
Ersatzhabitate von den Ohrwürmern angenommen werden, um die Tiere insbesondere<br />
vor der Weinlese am Aufwandern in die Traubenzone zu hindern. Falls ein Großteil der<br />
Ohrwürmer in den Foliendamm und nicht in die Laubzone des Rebstockes aufwandern,<br />
wäre dies ein Hinweis dafür, dass die Tiere aufgrund der mangelnden<br />
Raumressourcen und Strukturarmut am Boden die Refugien in der Laubwand und<br />
Traubenzone als Tagesruheplatz nutzen.<br />
37
a) b)<br />
Abbildung 18: Versuchsplanung für das Anlegen eines Foliendammes:<br />
a) vorgesehene Gasse für das Ersatzhabitat zwischen<br />
den Rebzeilen 21 und 22 der <strong>DLR</strong>-Rebanlage „Mußbacher Glo<br />
ckenzehnt“, b) Bau eines Foliendammes in der Rebschule,<br />
(Photo Dr. J. Eder)<br />
Der Foliendamm, wie er zur Aufzucht von Reben in der Rebschule errichtet wird, sollte<br />
2007 zwischen zwei stark befallenen Rebzeilen (Spätburgunder, Viognier) in der <strong>DLR</strong>-<br />
Rebanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ in Neustadt-Mußbach angelegt werden. Dazu<br />
sollte zwischen diesen Rebzeilen in der Gassemitte ein ca. 50 cm hoher Erddamm<br />
maschinell aufgeschüttet und mit schwarzer PVC-Folie bedeckt werden (Abbildung 18).<br />
Die Vorbereitungen für den Versuch liefen bereits im Juli 2007 an, wurden aber<br />
anschließend aufgrund starker Bodenaustrocknung abgebrochen. Der Versuch wird<br />
2008 wiederholt. Zur Individuenerfassung im Damm werden Barberfallen eingesetzt.<br />
Als Kontrollfallen werden die für die gesamte Vegetationsperiode installierten Barber-<br />
und Bambusfallen in den angrenzenden zwei Rebzeilen verwendet.<br />
3.4.4 Befallsregulierung durch insektenpathogene Nematoden und Pilze<br />
Insektenpathogene Nematoden<br />
Heterorhabditis bacteriophora ist ein entomopathogener Nematode, der auf mehr als<br />
200 ha Anbaufläche pro Jahr in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Dänemark<br />
und Australien zur biologischen Schädlingsbekämpfung im Gartenbau eingesetzt wird<br />
(PETERS & VLUG 2005). Der Pilz ist besonders gegen Larvenstadien von<br />
Blatthornkäfern (Scarabaeidae), wie zum Beispiel den Junikäfer (Phyllopertha<br />
horticola), und Rüsselkäfern (Curculionidae) wie zum Beispiel den Gefurchten<br />
Dickmaulrüssler (Otiorrhynchus sulcatus) wirksam (PETERS & VLUG 2005, e-nema<br />
GmbH 2007). Des Weiteren wurde Heterorhabditis bacteriophora erfolgreich im<br />
Obstbau gegen die Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi) eingesetzt (KÖPPLER 2003).<br />
38
In Anlehnung an die Ergebnisse von PETERS & VLUG (2005) sollte zunächst in einen<br />
Laborversuch überprüft werden, ob sich Heterorhabditis bacteriophora zur Bekämpfung<br />
von adulten Forficula auricularia eignet.<br />
Der Versuch fand im August 2007 im Labor statt. Als Versuchseinheiten dienten drei<br />
Kunststoffbehälter (Höhe 15 cm, Durchmesser 18 cm), die mit jeweils 2,7 kg sandigem<br />
Lehmboden gefüllt wurden. In zwei der drei Behälter wurde der Boden mit<br />
unterschiedlich konzentrierter Heterorhabditis bacteriophora-Suspension gegossen.<br />
Suspension 1 beinhaltete auf 286 ml Wasser 0,15 g Nematoden, Suspension 2 0,13 g<br />
Nematoden. Der dritte Behälter diente als Kontrolle, hier wurde der Boden mit 286 ml<br />
unbehandeltem Wasser gegossen. Danach wurden pro Gefäß 30 Ohrwürmer im<br />
Geschlechterverhältnis 1:1 eingesetzt. Der Versuch lief bei etwa 20°C Raumtemperatur<br />
ab. Alle Versuchsbehälter wurden im 3-Tage-Rhythmus mäßig mit jeweils 100 ml<br />
abgestandenem Wasser gegossen, da sich Nematoden nur im feuchten Boden schnell<br />
vermehren können (PETERS & VLUG 2005).<br />
Einfluss unterschiedlich konzentrierter Heterorhabditis<br />
bacteriophora - Suspensionen auf die Überlebensrate<br />
von Forficula auricularia unter Laborbedingungen<br />
35<br />
Anzahl Überlebender<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Kontrolle<br />
Nematoden-<br />
Suspension 1<br />
Nematoden-<br />
Suspension 2<br />
b)<br />
a)<br />
22.08.07<br />
03.09.07<br />
07.09.07<br />
11.09.07<br />
Datum<br />
14.09.07<br />
17.09.07<br />
Abbildung 19: Laborversuch mit dem insektenpathogenen Heterorhabditis bacteriophora zur<br />
Bekämpfung von Forficula auricularia: a) Einfluss zweier Suspensionen (Suspension 1: 0,15 g<br />
Nematoden / 286 ml; Suspension 2: 0,13 g Nematoden / 286 ml) auf die Überlebensrate von<br />
Forficula auricularia, b) Nachweis von Heterorhabditis bacteriophora im Hämocoel der toten<br />
Ohrwürmer, c) charakteristische Pharynxmorphologie (siehe Markierung) der Gattung<br />
Heterorhabditis (Photos: U. Hetterling)<br />
Die Ergebnisse in Abbildung 19a zeigen, dass beide Nematoden-Suspensionen die<br />
Ohrwürmer über den Versuchszeitraum stark reduzierten. Obwohl die stärker<br />
konzentrierte Suspension 1 erst vier Tage nach Suspension 2 zu wirken begann, tötete<br />
sie im Versuchszeitraum mehr Ohrwürmer ab als Suspension 2. Anhand des<br />
19.09.07<br />
c)<br />
39
Graphenverlaufs ist zu erkennen, dass beide Suspensionen vergleichbare<br />
befallsreduzierende Wirkungen erzielten (Abbildung 19a). Die etwas höher<br />
konzentrierte Suspension 1 wies einen Wirkungsgrad von 90 % und die etwas niedriger<br />
konzentrierte Suspension 2 einen Wirkungsgrad von 83,3 % auf. Inwieweit sich der<br />
Einsatz von Heterorhabiditis bacteriophora in die weinbauliche Praxis realisieren lässt,<br />
werden entsprechend konzipierte Freilandversuche zeigen.<br />
Neben den Freilandversuchen mit Heterorhabditis bacteriophora im Frühjahr 2008<br />
werden zeitgleich auch Versuche mit Steinernema carpocapsae durchgeführt. Dieser<br />
Bodennematode besiedelt eher die oberen Bodenschichten (Quelle: e-nema GmbH<br />
2007) und eignet sich möglicherweise gut zur Bekämpfung der Ohrwurmlarven, die<br />
sich vor der Aufwanderung an den Rebstock häufig unmittelbar unter der<br />
Erdoberfläche aufhalten.<br />
Insektenpathogene Pilze<br />
Metarhizium anisopliae ist ein bekanntes und gut charakterisiertes Entomopathogen<br />
mit einem sehr großen Wirkungsspektrum gegen etwa 160 Insektenarten (KELLER<br />
1991). Dieser fakultativ obligate Parasit, der weltweit in der natürlichen Bodenflora<br />
nachgewiesen wurde (KELLER 1991), wird erfolgreich zur biologischen<br />
Schädlingsbekämpfung gegen den Gefurchten Dickmaulrüssler (Otiorhynchus<br />
sulcatus), den Junikäfer (Rhizotrogus marginipes) und einige Heuschrecken- und<br />
Termitenarten unter Freilandbedingungen eingesetzt (LOMER, PRIOR & KOOYMAN 1997,<br />
RATH 2000,). Unter Laborbedingungen war diese Pilzart auch gegen die Borkenkäferart<br />
(Ips typographus) sowie die häufig in Rebanlagen vorkommende Winden-<br />
Glasflügelzikade (Hyalesthes obsoletus) wirksam (KOLLER 2007, MAIXNER et al. 2003).<br />
Mit Metarhizium anisopliae wurden im September und November 2007 zwei<br />
Laborversuche durchgeführt. Die Pilzsporen wurden bei der DSMZ (Deutsche<br />
Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) bestellt und nach den<br />
vorgeschriebenen Kultivierungsbedingungen auf dem Nährmedium Kartoffel-Glucose-<br />
Agar gezüchtet.<br />
Für den ersten Laborversuch wurde das Nährmedium in Agarplatten ausgebracht und<br />
mit Metarhizium anisopliae beimpft. Innerhalb von sieben Tagen unter<br />
Laborklimabedingungen hatten sich auf der Agarplatte zwei große Pilzmycelkreise<br />
gebildet. Diese infizierte Platte wurde in ein PVC-Zuchtgefäß (Waschmittelbox, siehe<br />
Photo im Kapitel 2.2.3) gestellt, welches zur Hälfte mit Lehmboden gefüllt war. In<br />
diesen Versuchsbehälter wurden 15 Ohrwürmer eingesetzt, die bereits eine Woche<br />
unter Laborbedingungen gehalten wurden. Um die Insekten auf den Pilzrasen zu<br />
40
locken, wurde in die Mitte der Agarplatte ein Apfelstück gelegt. Ein zweites ebenfalls<br />
mit 15 Ohrwürmern besetztes und zur Hälfte mit Lehmboden gefülltes PVC-Zuchtgefäß<br />
diente als Kontrolle.<br />
Der Versuch begann am 31. August 2007 und wurde nach 20 Tagen am 19.September<br />
2007 abgebrochen, da die Ohrwürmer den Pilzrasen komplett vertilgt hatten und<br />
keinerlei Pilzbefall auf deren Chitinskelett zu sehen war. Von den 15 Versuchstieren<br />
überlebten 14 das Experiment. Lediglich ein Männchen starb während des Versuchs,<br />
wies allerdings keinen Pilzbefall auf. Auch im Kontrollgefäß starben während der<br />
Versuchsdauer ein Weibchen und ein Männchen. Die überlebenden Ohrwürmer des<br />
Pilzversuchs wurden noch vier Wochen nach dem Versuch beobachtet, jedoch bildete<br />
sich bei keinem ein Pilzrasen auf dem Exoskelett.<br />
Obwohl nach Angaben von YENDOL & PASCHKE (1965) schon ein kurzer Kontakt<br />
zwischen Pilzmycel und Wirt ausreichen soll, um eine Infektion beim Zielorganismus<br />
auszulösen, konnte dies im Laborversuch gegen den Ohrwurm nicht bestätigt werden.<br />
Möglicherweise war die sporeninfizierte Kontaktfläche zu klein, denn die Ohrwürmer<br />
hielten sich nur kurze Zeit in der Nacht auf der infizierten Futterplatte auf und zogen<br />
sich dann für den kompletten Tag in ihre nicht infizierten Erdspalten zurück.<br />
Um die Kontaktfläche und -zeit zwischen Pilzrasen und den Insekten zu erhöhen,<br />
wurde ein zweiter Laborversuch mit Bambusröhren durchgeführt. Hierzu wurde das<br />
Nährmedium in den geschlossenen Endteil der für die Ohrwürmer attraktiven<br />
Bambusröhren gefüllt und mit Pilzsporen beimpft (Abbildungen 20a und 20b). Nach<br />
sieben Tagen wurden die verpilzten Bambusröhren in einem sterilen Zuchtbehälter mit<br />
Saugnäpfen vertikal angebracht, so dass die 20 eingesetzten Ohrwürmer einwandern<br />
konnten. Ein zweiter Versuchsbehälter mit pilzfreien Bambusröhren und 20<br />
Ohrwürmern diente als Kontrolle. Das Experiment lief im Labor bei cirka 20°C und<br />
einem natürlichen Tag- und Nachtrhythmus ab.<br />
a) b) c) d)<br />
Abbildung 20: Laborversuch mit Metarhizium anisopliae: a) Bambusröhren mit Potato-<br />
Dextrose-Agar als Nährmedium für den Pilz (Datum), b) Bambusröhre mit Pilzrasen (Datum), c)<br />
Forficula auricularia frisst am Pilzrasen (Datum), d) vertrockneter Agar ohne Pilzrasen nach 14<br />
Versuchstagen mit 20 Ohrwürmern<br />
41
Zweimal in der Woche wurde der gesamte Inhalt jedes Versuchsbehälters mit etwa 50<br />
ml Wasser besprüht und die Ohrwürmer gefüttert und auf Mortalität überprüft.<br />
Der Versuch wurde nach vier Wochen (2.11.-30.11.2007) abgebrochen, da mit<br />
Ausnahme eines natürlich verstorbenen Männchens alle Versuchstiere lebten und<br />
keinen Pilzbefall aufwiesen. Wie anschließende Kontrollen der Bambusröhren ergaben,<br />
hatten sich in der Bambusröhre keine Pilze kultiviert. Das Nährmedium trocknete<br />
aufgrund des luftdurchlässigen Bambusholzes schnell aus, so dass den Pilzsporen zur<br />
Keimung offensichtlich nicht ausreichend Feuchtigkeit zur Verfügung stand (Abbildung<br />
20d). Des Weiteren hatten die Ohrwürmer bereits unmittelbar nach Versuchsbeginn am<br />
Pilzrasen und Agar gefressen (Abbildung 20c).<br />
Aufgrund dieser Ergebnisse wird für weitere Versuche mit entomophagen Pilzen das<br />
Versuchsdesign umgestellt. Möglicherweise ist eine erfolgreiche Infektion der<br />
Ohrwürmer mit Metarhizium anisopliae nur im oder auf dem Erdboden möglich, da der<br />
Boden die Feuchtigkeit besser speichert.<br />
Alle weiteren vorgesehehen Labor- und Freilandversuche werden zusätzlich mit dem<br />
insektenpathogenen Pilz Beauveria brongniartii durchgeführt, der bereits seit mehr als<br />
100 Jahren zur Bekämpfung der Larvenstadien des Maikäfers (Melolontha melolontha)<br />
eingesetzt wird. Die Applikation im Freiland läuft über Pilzkörner ab, die 5 bis 10 cm tief<br />
in den Boden eingebracht werden müssen (Quelle: http://www.oekolandbau.de).<br />
3.5 Traubengesundheit<br />
3.5.1 Fraßversuche mit Graufäule im Labor<br />
Um zu überprüfen, ob Forficula auricularia als Überträger der Graufäule (Botrytis<br />
cinerea PERS.) im Traubeninneren und zwischen Trauben in Frage kommt, wurde im<br />
Juli 2007 ein Fraßversuch unter Laborbedingungen durchgeführt.<br />
Der Versuch fand in zwei identischen Behältern mit jeweils 10 Individuen (5 ♀, 5 ♂)<br />
über 24 Stunden statt. Im ersten Behälter wurden die Ohrwürmer auf eine Agarplatte<br />
überführt, die mit Botrytis cinerea-Sporenträgern bewachsen war (Abbildung 21a). Im<br />
zweiten Versuchsbehälter stand den Tieren eine Agarplatte mit einer Botrytis cinerea-<br />
Kultur und zusätzlich ein halber Apfel als Nahrung zur Verfügung. Abbildung 21 zeigt,<br />
dass der Pilzrasen vollständig abgeweidet wurde, wenn keine andere<br />
Nahrungsressource zur Verfügung stand. Sobald den Insekten eine attraktivere<br />
Nahrungsquelle, wie zum Beispiel ein Apfelstück, angeboten wurde, fraßen die<br />
Ohrwürmer keine Botrytis cinerea-Sporenträger mehr.<br />
42
Anhand dieser Laborergebnisse ist davon auszugehen, dass die in einer verpilzten<br />
Traube siedelnden Ohrwürmer unter anderem Botrytis cinerea-Sporenträger fressen<br />
können. Da die Pilzsporen an den Mundwerkzeugen und am Körper der Tiere anhaften<br />
können, kommen Ohrwürmer als potenzielle Graufäule-Überträger in Frage. Die<br />
Untersuchungen werden 2008 fortgesetzt.<br />
a) b)<br />
Abbildung 21: Agarplatte mit Botrytis cinerea-Sporenträger<br />
vor a) und nach b) dem Besatz mit zehn Ohrwürmern über<br />
24 Stunden<br />
3.5.2 Fraßversuche mit Trauben im Freiland<br />
Im Zusammenhang mit der Graufäule-Problematik und weiteren Pilzkrankheiten, die<br />
der Ohrwurm durch das An- und Ausfressen von Trauben übertragen kann, wurde im<br />
September 2007 in der Neustädter Versuchsanlage „Mußbacher Glockenzehnt“ ein<br />
Fraßversuch mit Riesling-Trauben unter Freilandbedingungen durchgeführt.<br />
Für den Versuch wurden aus einer Riesling-Reihe zufällig 20 etwa gleich große und<br />
gesunde Trauben ausgewählt und mit einem Gazenetz umhüllt. Die Hälfte der<br />
eingenetzten Trauben diente als Kontrolle. Zu den restlichen Trauben wurden jeweils<br />
20 Ohrwürmer pro Netz für sieben Tage (28.08.-4.09.2007) eingesetzt (Abbildung 22).<br />
a) b) c)<br />
Abbildung 22: Fraßversuche mit eingenetzten Riesling-Trauben in der Neustädter Sortenmix-Anlage<br />
„Mußbacher Glockenzehnt“: a) Versuchsaufbau, b) und c) eingenetzte<br />
Riesling-Traube mit 20 Forficula auricularia (Photos: U. Hetterling)<br />
43
Während dieser Zeit stand den in den Gazenetzen eingeschlossenen Ohrwürmern<br />
keine andere Nahrungsquelle als die Beeren der Riesling-Trauben zur Verfügung<br />
(Abbildung 22b, 22c). Nach Versuchsende wurden alle eingenetzten Trauben vom<br />
Rebstock abgeschnitten und im Labor auf Fraßaktivität ausgewertet. Die Ergebnisse<br />
sind in Tabelle 22 dargestellt. In keinem der besetzten Gazenetze wurden von<br />
Ohrwürmern Beeren geöffnet oder angefressen. In einigen Gazenetzen konnte jedoch<br />
Kannibalismus nachgewiesen werden. Deshalb wurden in der Hälfte der eingenetzten<br />
Trauben nach dem Versuch bis zu fünf Ohrwürmer weniger gezählt (Tabelle 22). Wie<br />
Laborversuche von SCHIRRA (mdl. Mitteilung) gezeigt haben, sind Ohrwürmer zwar in<br />
der Lage, gesunde Beeren mit ihren Mundwerkzeugen zu öffnen, scheinen dies aber<br />
nur ausnahmsweise zu tun.<br />
Tabelle 22: Ergebnisse der Traubenbonitur nach den Fraßversuchen mit eingenetzten Riesling-<br />
Trauben in der Neustädter Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“<br />
Individuenanzahl<br />
Versuchsbeginn<br />
Traubennummer<br />
Gesamtanzahl<br />
Beeren<br />
Anzahl<br />
intakte<br />
Beeren<br />
davon<br />
angefressen<br />
Anzahl<br />
faule<br />
Beeren<br />
davon<br />
angefressen<br />
Anzahl<br />
trockene<br />
Beeren<br />
davon<br />
angefressen<br />
Individuenanzahl<br />
Versuchsende<br />
1 20 168 163 0 0 0 5 1 20<br />
2 20 103 98 0 5 0 0 0 20<br />
3 20 134 127 0 0 0 7 0 18<br />
4 20 155 134 0 17 0 4 0 20<br />
5 20 154 131 0 19 1 4 0 19<br />
6 20 184 174 0 9 0 1 0 20<br />
7 20 125 106 0 17 0 2 2 20<br />
8 20 129 105 0 16 0 8 1 18<br />
9 20 139 125 0 7 0 7 1 15<br />
10 20 84 68 0 9 0 7 0 19<br />
Um die Ergebnisse der Netzversuche abzusichern, wurden im September 2007 aus<br />
einer anderen Neustädter Riesling-Anlage 300 befallene Trauben entnommen und<br />
einer weiteren Beerenbonitur unterzogen. In der Bonitur wurden folgende Parameter<br />
aufgenommen: ursprüngliche Lage der Traube am, Rebstock, Traubengewicht,<br />
prozentualer Anteil der intakten Beeren, prozentualer Anteil der faulen Beeren,<br />
prozentualer Anteil der vertrockneten Beeren, Anzahl der in eine Traube<br />
eingewachsenen Triebe oder Blattspreiten pro Traube, Anzahl der männlichen und<br />
weiblichen Ohrwürmer pro Traube sowie die Art und Anzahl der angefressenen<br />
Einzelbeeren. Die Ergebnisse befinden sich zurzeit noch in der Datenauswertung.<br />
44
3.5.3 Analytik<br />
Die starke Traubenverkotung, hervorgerufen durch die hohen Befallsdichten von<br />
Forficula auricularia , stellt für die Weinwirtschaft ein großes Problem dar (Abbildung<br />
23). Zum einen locken die Kotansammlungen zahlreiche potenzielle Schadinsekten<br />
(zum Beispiel Diptera) an.<br />
a) b) c)<br />
Abbildung 23: Kotablagerungen von Forficula auricularia in einer Riesling-Traube: a)<br />
Traubeninneres mit 15 adulten Forficula auricularia, b) starke Kotansammlung zwischen<br />
Einzelbeeren, c) stark verkotetes Stielgerüst<br />
Zum anderen ist zu befürchten, dass das im Ohrwurmkot enthaltene 2-Methyl-1,4-<br />
Benzochinon im Wein einen Fehlton erzeugen kann. Zu diesem Komplex werden seit<br />
dem Herbst 2007 analytische Studien in Kooperation mit dem Sachgebiet<br />
„Phytopharmakologie“ der Abteilung Phytomedizin des <strong>DLR</strong> <strong>Rheinpfalz</strong> in Neustadt<br />
durchgeführt.<br />
Vor dem Beginn der Analyse der im August 2007 gewonnenen Most-, Maische- und<br />
Weinproben aus Riesling-Trauben mussten zunächst die Messbarkeit des<br />
Benzochinons mittels Gaschromatographie und in Frage kommende<br />
Extraktionsmethoden überprüft werden. Außerdem sollte durch die Wahl eines<br />
Absorbers eine akzeptable, reproduzierbare Wiederfindungsrate erreicht werden und<br />
abschließend die gesamte Nachweismethode validiert werden.<br />
Im ersten Analyseschritt wurde mittels Gaschromatographie das Molekül der<br />
Reinsubstanz Toluchinon (C 7 H 6 O 2 ), die mit dem 2-Methyl-1,4-Benzochinon von<br />
Forficula auricularia chemisch identisch ist, massenspektrometrisch vermessen. Das<br />
erhaltene Chromatogramm mit dem Massenspektrum der Reinsubstanz diente als<br />
Vergleichsmatrix für den Nachweis von 2-Methyl-1,4-Benzochinon in den Kotproben<br />
von Forficula auricularia aus Labor- und Freilandversuchen. Nachdem alle Kotproben<br />
mit Chloroform extrahiert und einer Gaschromatographie unterzogen wurden, konnte 2-<br />
Methyl-1,4-Benzochinon in allen Proben nachgewiesen werden. Die Quantifizierung<br />
45
erfolgte mit den SIM-Massen 122, 94, 66, die bei einer Iontrap als charakteristisches<br />
Molekülion und entsprechende Fragmente auftreten.<br />
Im Anschluss an die Gaschromatographie wurde mittels Flüssig-Flüssig-Extraktion<br />
versucht, die Substanz 2-Methyl-1,4-Benzochinon aus einer Mostprobe zu extrahieren.<br />
Da weder bei der Flüssig-Flüssig-Extraktion mit Chloroform noch bei der Flüssig-<br />
Flüssig-Extraktion mit Dichlormethan eine Phasentrennung gelang, wurde die<br />
Festphasenextraktion mit unterschiedlichen Adsorbern angewandt.<br />
Diese Tests dienten dazu, einen geeigneten Benzochinon-Adsorber zu finden, der bei<br />
zukünftigen Most-, Maische- und Weinanalysen das enthaltene Benzochinon bindet.<br />
Alle bisher mit der Reinsubstanz getesteten Adsorber und deren mittels<br />
Chromatogramm errechnete prozentuale Wiederfindungsrate für das Toluchinon sind<br />
in Tabelle 23 dargestellt.<br />
Nach allen Tests mit den in Tabelle 23 aufgeführten Adsorbern, erfolgte ab 180 ml<br />
Probe bei dem Strata X (500 mg)-Adsorber der Durchbruch von Toluchinon.<br />
Demzufolge wird dieser Adsorbertyp für die Analyse der Most-, Maische- und<br />
Weinproben eingesetzt.<br />
Tabelle 23: Auflistung der in den Benzochinon-Absorbertests verwendeten Absorber mit der<br />
prozentualen Widerfindungsrate für Toluchinon.<br />
Absorbertyp Hersteller Widerfindungsrate<br />
C-2-Säule (500 mg) Macherey - Nagel 0 %<br />
C-8-Säule (500 mg) Macherey - Nagel 0 %<br />
C-18-Säule (1000 mg) Macherey - Nagel 0 %<br />
C-Ph-Säule (500 mg) Macherey - Nagel 0 %<br />
C-HR-X-Säule (500 mg) Macherey - Nagel 0 %<br />
Strata XL (200 mg), grobporig Phenomenex 0 %<br />
Strata XL (500 mg), grobporig Phenomenex 0,5 %<br />
Strata X (200 mg), feinporig Phenomenex 0,5 - 1,0 %<br />
Strata X (500 mg), feinporig Phenomenex 37,23 %<br />
Die Strata XL-Adsorber können aufgrund ihrer Grobporigkeit als Adsorbermedien für<br />
das Toluchinon nicht verwendet werden, da die Substanz ungebunden durch die<br />
Säulen läuft.<br />
46
3.6 Zucht<br />
3.6.1 Verhaltens- und populationsbiologische Studien in der Laborzucht<br />
Bevor die Zuchtversuche in Abhängigkeit des Zuchtbehälters erläutert werden, sind im<br />
ersten Abschnitt zunächst allgemeine Beobachtungen zum Verhalten, der<br />
Fortpflanzungsbiologie sowie der Brutpflege von Forficula auricularia unter<br />
Laborbedingungen aufgeführt.<br />
Verhalten<br />
Ebenso wie im Freiland zeigten auch die Labortiere ein starkes Aggregationsverhalten<br />
in den künstlich geschaffenen Tagesruheplätzen. Dabei zogen sich die negativ<br />
phototaktischen und positiv thigmotaktischen Ohrwürmer (HERTER 1943) unter oder<br />
zwischen das Cellulosepapier zurück oder versteckten sich in den Bambus- und<br />
Pappröhren. Über gleiche Beobachtungen mit Forficula auricularia berichteten auch<br />
LAMB & WELLINGTON (1974) sowie HERTER (1943) mit der Ohrwurmart Prolabia<br />
arachidis.<br />
Die nächtliche Aktivitätsphase, die mit der Nahrungsaufnahme verbunden ist, konnte<br />
auch bei den Versuchstieren beobachtet werden. Dies war zu erwarten, da den<br />
Labortieren ein natürlicher Tag-Nacht-Rhythmus angeboten wurde. Die<br />
Nahrungsaufnahme erfolgte ebenfalls im Familienverband. Häufig wurden an einem<br />
Apfelstück (zwei x zwei cm) mehr als 20 Ohrwürmer bei der Nahrungsaufnahme<br />
gezählt. Neben Apfel wurde den Tieren einmal wöchentlich in Wasser aufgeweichtes<br />
Katzentrockenfutter angeboten, welches die Versuchstiere gieriger und in größeren<br />
Mengen als Apfel fraßen. Aus Hygienegründen wurde das Katzenfutter bei<br />
Zuchtversuchen auf Erdboden eingespart.<br />
Essentiell für das Überleben der Versuchstiere war das im dreitägigen Rhythmus<br />
durchgeführte Besprühen des gesamten Zuchtbehälterinhalts mit abgestandenem<br />
Wasser. Nach dem Befeuchten nahmen die Tiere regelmäßig Wasser über die<br />
Wassertropfen auf. Außerdem erzeugte das Besprühen hohe Luftfeuchten in den<br />
Zuchtbehältern, die für Forficula auricularia lebensnotwendig sind (WALLASCHEK 2004).<br />
Das für frei lebende Ohrwürmer typische Diapausestadium während der Wintermonate<br />
(GOODACRE1997) wurde bei den Labortieren aufgrund der ganzjährig gleich bleibenden<br />
Lufttemperatur von zirka 20 °C nicht beobachtet. L AMB & WELLINGTON (1974)<br />
beobachteten in ihren Forficula-Zuchten ebenfalls das Ausbleiben der Diapause.<br />
47
Allerdings nahm die Bewegungsaktivität und Nahrungsaufnahme der Ohrwürmer über<br />
die Wintermonate stark ab. Kannibalismus zwischen den Versuchstieren in den<br />
Zuchtgefäßen stellte anfänglich ein großes Problem dar. Im Laufe der Untersuchungen<br />
wurden den Tieren größere Zuchtbehälter bereitgestellt und der Besatz reduziert.<br />
Trotzdem wurde auch bei sehr geringem Besatz beobachtet, dass tote und kranke<br />
Individuen sofort von den gesunden gefressen wurden.<br />
Fortpflanzungsbiologie<br />
Bereits in ersten Aufbewahrungsbehältern im August konnten Pärchen in der Kopula<br />
beobachtet werden. Die Begattungsbereitschaft tritt erst mehrere Tage nach der<br />
Imaginalhäutung und Enthärtung ein (HERTER 1943). Die Begattung beginnt damit,<br />
dass beide Geschlechter ihre Hinterleiber gegeneinander biegen, wobei das Männchen<br />
das Abdomenende um 180° dreht, damit es den Penis e inführen kann (Abbildung 24).<br />
Gleiche Beobachtungen beschrieben FULTON (1924) für Forficula auricularia und<br />
HERTER (1943) für Prolabia arachidis.<br />
Die wahllos zwischen den Männchen<br />
und Weibchen eines Zuchtbehälters<br />
stündlich stattfindenden Paarungen<br />
konnten bis zur Eiablage der<br />
Weibchen beobachtet werden. Des<br />
Weiteren wurden auch Paarungen zwischen Männchen beobachtet. Auch KUHL (1928)<br />
konnte bei der Art Forficula<br />
auricularia ein derartiges Verhalten bei isolierten<br />
Männchen beobachten, indem einige Männchen versuchten, den anderen ihre<br />
gedrehten Hinterleiber unterzuschieben.<br />
Abbildung 24: Zeichnung: Paarungsverhalten von<br />
Prolabia arachidis (HERTER 1943), Photo: Paarungsverhalten<br />
von F. auricularia im Labor 2007<br />
Brutpflege<br />
In den Zuchtbehältern isolierten sich die trächtigen Weibchen zum Bau der Brutröhre<br />
bzw. Brutkammer vom restlichen Familienverband. Nach der Eiablage wurden die<br />
Gelege intensiv verteidigt und Männchen und andere Weibchen vom Nest vertrieben.<br />
Auch LAMB & WELLINGTON (1974) weisen darauf hin, dass nach der Eiablage die<br />
Männchen aus den Zuchtbehältern entfernt werden müssen, da die Weibchen sonst zu<br />
viel Zeit aufwenden die Männchen von der Brutkammer zu verjagen und die Brutpflege<br />
in dieser Zeit vernachlässigen. Wenn die Eier nicht ausreichend vom Weibchen<br />
gepflegt werden, bilden sich Schimmelpilze auf der Eihülle (LAMB & WELLINGTON 1974).<br />
48
Gleiche Ergebnisse zeigten auch die eigenen Studien. Dafür wurden weibchenlose<br />
Gelege aus dem Freiland sowie aus der Laborzucht für 21 Tage im Labor beobachtet.<br />
Während des Versuchs wurden die Eier auf sandigem Lehmboden gelagert, in dem die<br />
Freilandgelege gefunden wurden. Bereits fünf Tage nach Entfernung der Mutter färbten<br />
sich die Eiern von ehemals hellgelb bzw. perlmuttfarben in hellgrau um und verloren<br />
ihren Glanz. Nach acht Tagen bildete sich erdseitig ein Schimmelrasen (Abbildung 25).<br />
Am Tag 12 waren die Eier grau bis dunkelgrau gefärbt und schon teilweise zersetzt.<br />
Nach 19 Tagen war der Zersetzungsprozess abgeschlossen und somit keine Eier mehr<br />
sichtbar.<br />
c)<br />
Abbildung 25: Eigelege von Forficula auricularia: links)<br />
intaktes gepflegtes Ei, rechts) verlassenes ungepflegtes<br />
Ei mit Schimmelansatz (Photos: U. Hetterling)<br />
Forficula auricularia ist ovipar, denn die Eier entwickeln sich außerhalb des<br />
mütterlichen Körpers zu Larven. Die Eientwicklung dauert mehrere Wochen, ist aber<br />
stark temperaturabhängig. Die meisten Autoren geben für Forficula auricularia im<br />
Frühjahr fünf bis sechs Wochen an. Unter Laborklimabedingungen von zirka 20°C<br />
schlüpften die ersten Larven nach 22 Tagen (Eiablage 6.12.2007, Larvenschlupf<br />
28.12.2007). Der Larvenschlupf konnte bei den Versuchstieren aufgrund der versteckt<br />
angelegten Brutkammer der Weibchen nicht dokumentiert werden. Beobachtungen<br />
HERTER’S (1943) zu Folge sollen die Larven mit Hilfe eines Eizahnes am Kopf die<br />
Eihüllen sprengen. Das Weibchen unterstützt die Larven beim Schlüpfen aus der<br />
Eihülle nicht (FULTON 1924).<br />
Forficula auricularia durchläuft vier Larvenstadien bis zum geschlechtsreifen Insekt<br />
(PHILLIPS1997). Nach PHILLIPS (1997) lassen sich die Stadien morphologisch anhand<br />
ihrer Fühlergliedanzahl unterscheiden: L1 - 8 Glieder, L2 – 10 Glieder, L3 – 11 Glieder,<br />
L4 – 12 Glieder. Adulte Ohrwürmer haben 14 Antennenglieder (PHILLIPS1997)<br />
Wie auch für andere Ohrwurmarten beschrieben (HERTER 1943), verbergen sich die<br />
L1-Larven unter dem Thorax des Weibchens, welche die Jungen ab und zu beleckt.<br />
Die Larven sind voll beweglich, laufen selbstständig umher und werden von der Mutter<br />
bewacht und massiv gegen Angreifer verteidigt. Die genaue Anzahl der Larven nach<br />
49
dem Schlupf konnte nicht exakt bestimmt werden. Einerseits sollte das Weibchen in<br />
den ersten Tagen bei der Brutpflege nicht gestört werden, da die Folgen einer Störung<br />
nicht abgeschätzt werden konnten. Andererseits befand sich die Brutröhre des<br />
Weibchens am Behälterboden in stark verdichtetem Lehmboden. Ein Zerstören der<br />
Brutröhre für erste Beobachtungszwecke hätte wahrscheinlich auch viele Larven<br />
abgetötet. Aus diesen Gründen wurden nur die Larven beobachtet, die sich in den<br />
Abendstunden kurz auf der Erdoberfläche mit dem Weibchen aufhielten. Später wurde<br />
die Brutröhre geöffnet und drei L1-Larven und eine L2-Larve gezählt. Inwieweit diese<br />
Larvenanzahl der tatsächlichen nach dem Schlupf entsprach, ist nicht abschätzbar, da<br />
das Weibchen oft einen Teil der Larven direkt nach dem Schlupf verzehrt (HERTER<br />
1943, PHILLIPS1997).<br />
Die Zuchtergebnisse sind in Abhängigkeit vom Zuchtbehälter und dessen Bodenart in<br />
Tabelle 24 aufgeführt.<br />
Tabelle 24: Ergebnisse der Zuchtversuche mit Forficula auricularia in verschiedenen Zuchtbehältern<br />
und Bodenarten von 18. September 2007 bis 23. Januar 2008 (VA - Versuchsanfang,<br />
VE - Versuchsende). Die grau markierten Zeilen zeigen die Zuchtbehälter mit Lehmboden.<br />
Zuchtbehälter<br />
Bodenart<br />
VA: Anzahl<br />
Individuen<br />
VE: Anzahl<br />
Tote<br />
VE: Anzahl<br />
Lebende<br />
VE: Anzahl<br />
Nester<br />
Vollglasterrarium<br />
(Laborbedingungen)<br />
sandiger<br />
Lehm<br />
75<br />
(50 ♀, 25 ♂)<br />
21<br />
(11 ♀, 10 ♂)<br />
15<br />
(15 ♀, 0 ♂)<br />
ca. 30<br />
(20-40 Eier)<br />
Vollglasterrarium<br />
(Laborbedingungen)<br />
lehmiger<br />
Sand<br />
75<br />
(50 ♀, 25 ♂)<br />
22<br />
(15 ♀, 7 ♂)<br />
13<br />
(12 ♀, 1 ♂) 0<br />
Terrarium: linke Seite<br />
(Laborbedingungen)<br />
sandiger<br />
Lehm<br />
35 ♀ 7 ♀ 20 ♀<br />
ca. 10<br />
(20-40 Eier)<br />
Terrarium: rechte Seite<br />
(Laborbedingungen)<br />
feinkörnige<br />
Komposterde<br />
35 ♀<br />
alle Tiere in<br />
Lehmboden<br />
abgewandert<br />
alle Tiere in<br />
Lehmboden<br />
abgewandert<br />
0<br />
Reblauskasten<br />
(Laborbedingungen)<br />
sandiger<br />
Lehm<br />
45<br />
(30 ♀, 15 ♂)<br />
15<br />
(12 ♀, 3 ♂)<br />
1<br />
(1 ♀, 0 ♂)<br />
1<br />
(8 Eier)<br />
Reblauskasten<br />
(Laborbedingungen)<br />
lehmiger<br />
Sand<br />
45<br />
(30 ♀, 15 ♂)<br />
13<br />
(11 ♀, 2 ♂)<br />
0 0<br />
Reblauskasten<br />
(Freilandbedingungen)<br />
sandiger<br />
Lehm<br />
45<br />
(30 ♀, 15 ♂)<br />
27<br />
(13 ♀, 14 ♂)<br />
2<br />
(2 ♀, 0 ♂)<br />
1<br />
(27 Eier)<br />
Reblauskasten<br />
(Freilandbedingungen)<br />
lehmiger<br />
Sand<br />
45<br />
(30 ♀, 15 ♂)<br />
8<br />
(4 ♀, 4 ♂)<br />
0 0<br />
Die Ergebnisse in Tabelle 24 zeigen, dass ausschließlich in Zuchtbehältern mit<br />
sandigem Lehmboden Nester angelegt wurden. Dieser grobkörnige und spaltenreiche<br />
Boden wurde im September 2007 aus der Neustädter Sortenmix-Anlage „Mußbacher<br />
Glockenzehnt“ entnommen, die im Jahr 2007 den stärksten Ohrwurmbefall aller<br />
Untersuchungsflächen aufwies.<br />
50
In den Zuchtbehältern mit lehmigem Sandboden wurden keine Nester angelegt. Der<br />
sehr feinkörnige Sandboden wurde aus der Leistädter Portugieser-Anlage entnommen,<br />
die bis zum Entnahmezeitpunkt einen sehr geringen Ohrwurmbefall aufwies. Einen<br />
ähnlichen Effekt auf die Eiablage hatte die in einem Versuch verwendete Kompost-<br />
Blumenerde, die aufgrund ihres hohen Humusanteils sowie der enthaltenen<br />
Styrolpartikel sehr locker und feinkörnig war. Alle auf der Komposterde ausgesetzten<br />
Weibchen wanderten nach einem Tag ab und legten im benachbarten Lehmboden ihre<br />
Brutkammern an und darin die Eier ab (Tabelle 24).<br />
Im Verlauf der Zuchtversuche fiel auf, dass nicht nur die Bodenart den Zuchterfolg<br />
bestimmt, sondern auch der Zuchtbehälter an sich. Das gut durchlüftete Glasterrarium<br />
mit einer 15 cm dicken Bodenschicht aus sandigem Lehmboden war am besten für die<br />
Zucht geeignet. Hier wurden im Versuchszeitraum von 23. November 2007 bis 16.<br />
Januar 2008 cirka 30 Brutkammern mit Gelegen an den Scheiben des Terrariums<br />
gezählt. Wie viele Gelege sich im Inneren des Beckens befanden, konnte nicht<br />
überprüft werden, da die Ohrwürmer während der Eiablage nicht gestört werden<br />
sollten. Mit zunehmenden Störungsgrad entfernten alle Weibchen ihre Gelege von der<br />
Scheibe, vergrößerten ihre Brutkammer zur Beckenmitte hin und lagerten ihre Eier dort<br />
ab, so dass sie für den Beobachter nicht mehr sichtbar waren. Die Eianzahl pro Gelege<br />
schwankte von fünf bis cirka 40 Eiern, die Gelegetiefe von einem cm bis 15 cm<br />
(Abbildung 26).<br />
b) c)<br />
Abbildung 26: Terrarium mit sandigem Lehm: links) Weibchen<br />
beim Anlegen von Brutröhren, rechts) Brutkammer mit<br />
Weibchen und Gelege (Photos: U. Hetterling)<br />
Im Vergleich zum Terrarium mit Sandboden zogen sich die Weibchen des Lehmboden-<br />
Terrariums bereits am 2. November 2007 von der Bodenoberfläche in den Boden<br />
zurück und begannen mit dem Anlegen von Brutröhren beziehungsweise Brutkammern<br />
(Abbildung 26). Im Sand-Terrarium versuchten die hochträchtigen Weibchen über den<br />
gesamten Versuchszeitraum (18.09.07-16.01.08) vergebens Brutröhren anzulegen.<br />
Aufgrund der Feinkörnigkeit des Sandbodens fielen die Bodenvertiefungen immer<br />
51
wieder in sich zusammen, so dass die Weibchen mit ihren Vorderextremitäten keine<br />
Brutröhre formen bzw. bauen konnten. Des Weiteren hielten sich die Weibchen den<br />
ganzen Versuchszeitraum entweder auf der Sandbodenoberfläche auf oder zogen sich<br />
in flache Gruben zurück, die sich durch das Gießen auf der Bodenoberfläche gebildet<br />
hatten (Abbildung 27).<br />
Abbildung 27: Terrarium mit lehmigem Sand: links) Bodenoberfläche<br />
mit Forficula auricularia am 29.11.2007, rechts)<br />
Weibchen beim Versuch Brutröhren anzulegen<br />
Aufgrund dieser Beobachtungen zeigt sich, dass das Anlegen einer Brutröhre und das<br />
damit verbundene Ablegen der Eier mit der Körnigkeit des Bodens korreliert und<br />
folglich die Eiablage von der Bodenart abhängig ist.<br />
Die in den Terrarien und Reblauskästen gefundenen Gelege wurden mit den<br />
dazugehörigen Weibchen im Januar 2008 in mit Lehmboden gefüllte Plastikgefäße<br />
(siehe Kapitel 2.2.3) überführt (Abbildung 28, links).<br />
Für jedes Gelege wurde jeweils ein Gefäß vorbereitet, da die Weibchen während der<br />
Brutpflege ungestört sein müssen. Konkurrentinnen fressen sowohl die Eier wie auch<br />
die ersten Larvenstadien (HERTER 1943, PHILLIPS1997). Das Plastikgefäß wurde<br />
deshalb ausgewählt, weil in diesem Zuchtbehältertyp bereits im Dezember vier<br />
Ohrwurmlarven (L1-Stadium) gefunden wurden (Abbildung 28, rechts). Außerdem lässt<br />
sich das kleine Gefäß gut reinigen und die Bodenfeuchtigkeit kann durch die geringe<br />
Erdmenge gut kontrolliert werden.<br />
Außer in den Plastikgefäßen fanden bzw. finden die Einzelzuchten auch in selbst<br />
gefertigten Gipsröhren statt (siehe Kapitel 2.2.3). Diese Zuchtmethode wurde von LAMB<br />
& WELLINGTON (1974) übernommen, da die Autoren mit dieser Methode große<br />
Zuchterfolge im Labor erzielten. Vorteil der Methode ist, dass der Gips, ähnlich wie<br />
natürlicher Boden, das aufgenommene Wasser nach und nach abgibt und so die<br />
Bodenfeuchtebedingungen liefert (LAMB & WELLINGTON 1974).<br />
52
c)<br />
Abbildung 28: Plastikgefäß mit sandigem Lehm: links) Weibchen<br />
mit Gelege unmittelbar unter der Erdoberfläche, rechts)<br />
erstes Larvenstadium im Gefäßinneren (Photos: U. Hetterling)<br />
Zum Bau einer Gipsröhre wird ein Pappzylinder benötigt, in den der flüssige Gips<br />
eingefüllt wird. Nach dessen Aushärtung wird über die gesamte Zylinderlänge eine<br />
Brutröhre gebohrt (Durchmesser ein cm). Als Abschluss diente eine PVC-Petrischale<br />
mit Luftlöchern (siehe Kapitel 2.2.3). In jede der Gipsröhren wurde am 3. Dezember<br />
2007 ein trächtiges Weibchen eingesetzt. Bereits am 14. Dezember hatten alle<br />
Weibchen am Ende der Gipsbrutröhre vier bis 20 Eier abgelegt. Aufgrund zweimaliger<br />
Übernässung der Brutröhren durch zu starkes Gießen frassen vier von fünf Weibchen<br />
ihre Eier in Folge der zu hohen Feuchtigkeit auf. Aus dem letzten Gelege entwickelten<br />
sich sechs Larven, welche von der Mutter nach zwei Tagen gefressen wurden.<br />
Momentan sind alle Gipsröhren neu mit Weibchen besetzt, welche alle ein Gelege am<br />
Röhrenboden pflegen. Übernässung der Gipsröhren wird erfahrungsgemäß vermieden.<br />
Als Zuchtbehälter ungeeignet waren die Reblauskästen. Sowohl der Lehm- wie auch<br />
der Sandboden verdichteten sich nach dem regelmäßigen Gießen so stark, dass schon<br />
nach 21 Tagen eine breiige Masse übrig blieb. Aufgrund der zum Bodenvolumen sehr<br />
kleinen Belüftungsfläche blieb der Boden unabhängig vom Standort (Labor, Freiland)<br />
durchweg sehr nass und schimmelte. Die Ohrwürmer hielten sich bis auf Einzelfälle<br />
nur auf der Bodenoberfläche auf. Zu Versuchsende wurden in den Reblauskästen mit<br />
Sandboden keine Überlebenden gefunden, in den Kästen mit Lehmboden überlebten<br />
nur ein bis zwei Ohrwürmer die artuntypisch hohen Bodenfeuchten (Tabelle 24, Seite<br />
50). Trotz der schlechten Lebensbedingungen legte sowohl ein Weibchen im Labor-<br />
wie auch im Freiland-Reblauskasten ein Gelege in den Lehmboden ab (Tabelle 24,<br />
Seite 50). In den Reblauskästen, die mit Sandboden gefüllt waren, wurden keine<br />
Nester gefunden (Tabelle 24, Seite 50).<br />
53
3.6.1 Nestkartierung im Freiland<br />
Die folgenden Ergebnisse der Nestkartierungen von Forficula auricularia, die in der<br />
Neustädter Sortenmix-Anlage „Mußbacher Glockenzehnt“ stattfinden, beziehen sich<br />
auf den Zeitraum 5. bis 13. Dezember 2007. Während dieser Zeit wurden an<br />
definierten Standorten (siehe Kapitel 2.2.2) jeweils 24 Grabungen im<br />
Unterstockbereich, in der begrünten und unbegrünten Rebreihen durchgeführt. Da in<br />
dieser Rebanlage die Bodenbearbeitung zur Hälfte umgestellt wurde, d.h. im<br />
Unterstockbereich angehäufelt wurde, fanden von 16 Grabungen im angehäufelten und<br />
acht Grabungen im nicht aufgeschobenen Unterstockbereich statt.<br />
Für jeden Ohrwurm-Nestkartierungsort wurden folgende Parameter bestimmt:<br />
Vegetationsdeckung, Artbestimmung der Pflanzenwurzeln im Boden, Körnigkeit des<br />
Bodens, Standortbesonderheiten (zum Beispiel Tierbauten), Nesttiefe, Anzahl der Eier<br />
pro Nest, Beschaffenheit der Nestumgebung (zum Beispiel Rohboden,<br />
Pflanzenwurzeln), Anzahl der Weibchen und Männchen pro Nest, Anzahl der toten<br />
oder lebenden Adulten in der Nestumgebung oder im Grabungsloch.<br />
Mußbacher Glockenzehnt (Neustadt/W.) - Nestkartierung:<br />
- im Unterstockbereich 24 Grabungen<br />
- in der begrünten Gasse 24 Grabungen<br />
- in der unbegrünten Gasse 24 Grabungen<br />
Anzahl der Grabungen mit Nest<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Ort der Nestkartierung 1<br />
Nester - Unterstockbereich<br />
Adulte - Unterstockbereich<br />
Nester - begrünte Gasse<br />
Adulte - begrünte Gasse<br />
Nester - unbegrünte Gasse<br />
Adulte - unbegrünte Gasse<br />
Abbildung 29: F. auricularia-Nestkartierung in der Neustädter Sortenmixanlage<br />
im Zeitraum von 05.12.-13.12.2007<br />
Die ersten Auswertungen der Nestkartierung in Abbildung 29 zeigen, dass bei 11 von<br />
24 Grabungen in den begrünten Gassen Nester mit adulten Ohrwürmern gefunden<br />
wurden, in der Regel das zu dem jeweiligen Gelege gehörende Weibchen. Im<br />
Unterstockbereich wurden nur bei sechs der insgesamt 24 Grabungen Ohrwurmgelege<br />
54
entdeckt, dabei wurde lediglich bei einer Grabung das zum Nest gehörige Weibchen<br />
gesichtet. Die unbegrünten Gassen wiesen die geringste Nestanzahl auf, wobei sich<br />
bei der Hälfte der gefunden Gelege das Weibchen direkt am Nest aufhielt. Nach ersten<br />
Beobachtungen ist die Nestanzahl von der Vegetationsdeckung, der Bewurzelung des<br />
Bodens, sowie der Bodenbeschaffenheit bzw. der Bodenverdichtung abhängig:<br />
Begrünte Rebreihen in der Untersuchungsfläche<br />
Vegetation der begrünten Gassen der Kartierungsanlage setzt sich vorwiegend aus<br />
den drei Grasarten Elytrigia repens (Gewöhnliche Quecke), Bromus squarrosus<br />
(Sparrige Trespe) und Hordeum murinum (Mäusegerste) sowie den Ackerunkräutern<br />
Taraxacum officinale (Gemeiner Löwenzahn) und Convolvulus arvensis (Ackerwinde)<br />
zusammen. Besonders die langen und stark strukturierten Wurzeln von Taraxacum<br />
officinale und Convolvulus arvensis bewirken eine starke Bodendurchwurzelung bis in<br />
zirka 20 cm Tiefe. Aufgrund des Wurzelwerkes bleibt das Bodengefüge locker und es<br />
bilden sich Spalten und Hohlräume. In Terrarienbeobachtungen im Labor zeigte sich,<br />
dass die Hohlräume von Ohrwurmweibchen als Brutkammern angenommen oder<br />
durch zusätzliche Grabungen zu Brutröhren umgeformt wurden.<br />
Die Mehrzahl der in der begrünten Gasse erfassten Nester wurde entweder unmittelbar<br />
unter der Vegetationsdecke im oberen Wurzelbereich oder an zehn bis 15 cm tief<br />
gelegenen Taraxacum officinale- und Convolvulus arvensis-Wurzeln gefunden. Die<br />
Nesttiefe in den begrünten Gassen variierte von einem cm, d.h. das Nest lag direkt<br />
unter der Grasnarbe, bis 15 cm Tiefe. Die Anzahl der Eier pro Gelege schwankte von<br />
drei Eiern bis cirka 40 Eiern.<br />
Die im Vergleich zum Unterstockbereich und zur unbegrünten Gasse hohe<br />
Individuenanzahl der Adulten pro Grabung war wahrscheinlich auf die Art des Grabens<br />
und des Widerfindens der Insekten am Ausgrabungsloch zurückzuführen. Da alle in<br />
der Rebanlage aufgefundenen Gelege aus intakten Eiern bestanden, kann davon<br />
ausgegangen werden, dass sich das Weibchen in der unmittelbaren Umgebung<br />
aufhielt. Ohne intensive Brutfürsorge verpilzen und verfaulen die Eier in wenigen<br />
Tagen (LAMB & WELLINGTON 1974, GOODACRE 1997, PHILLIPS 1997).<br />
Begrünte Rebreihen im Randbereich der Untersuchungsflächen<br />
Im stark begrünten Randbereich der Untersuchungsfläche wurden bei den vier<br />
Grabungen weder Nester noch Adulte gefunden. Die sehr dichte Vegetationsdecke<br />
bestand auschließlich aus Gräsern, wie zum Beispiel Elytrigia repens (Gewöhnliche<br />
Quecke), Bromus squarrosus (Sparrige Trespe) und Hordeum murinum (Mäusegerste),<br />
55
die bis auf Elytrigia repens keine langen Wurzeln, sondern nur Büschelwurzeln<br />
ausbilden. Aufgrund der schlechten Durchwurzelung und der fehlenden<br />
Bodenbearbeitung in diesem Randbereich wies der Boden sehr wenige<br />
Lückensysteme auf und war sehr stark verdichtet. Möglicherweise wurde deshalb<br />
dieses Bodengefüge von Forficula auricularia gemieden.<br />
Unterstockbereich - nicht angehäufelt<br />
Im nicht dammartig angehäufelten Unterstockbereich wuchsen aufgrund der mehrmals<br />
im Jahr durchgeführten Herbizidapplikationen nur vereinzelt Ackerunkräuter, wie zum<br />
Beispiel Convolvulus arvensis (Ackerwinde), deren lange und stark strukturierte<br />
Wurzeln bis zu 20 cm tief in den Rebwurzelbereich vordrangen. Mit Ausnahme eines<br />
Nestes wurden alle anderen in dieser Zone entweder direkt an den Rebwurzeln oder<br />
im Geflecht von Ackerwindenwurzeln gefunden.<br />
Im nicht angehäufelten Unterstockbereich schwankte die Nesttiefe zwischen 5 und 15<br />
cm. Auffällig war, dass alle im Unterstockbereich aufgenommenen Ohrwurmgelege in<br />
Richtung der begrünten Gasse lagen, was wahrscheinlich auf die stärkere<br />
Bodendurchwurzelung zurückzuführen war. Pro Gelege wurden hier acht bis 20 Eier<br />
gezählt.<br />
Unterstockbereich - angehäufelt<br />
Im dammartig aufgeschobenen Unterstockbereich kam es zu einer Verlagerung der<br />
Ohrwurmnester zur Bodenoberfläche hin. Im Vergleich zu dem nicht angehäufelten<br />
Unterstockbereich lagen die Nester um 10 cm höher. Ab Frühjahr 2008 wird überprüft,<br />
inwieweit im Zusammenhang mit dieser Nestverlagerung eine Populationskontrolle<br />
möglich ist. Durch das Abpflügen des Dammes könnten die direkt im Damm und<br />
unmittelbar unter dem Damm liegenden Nester zerstört werden. Die mit dem Anhäufeln<br />
vermutete Dezimierung der Ohrwürmer konnte nach den ersten 12 Grabungen nicht<br />
bestätigt werden. Die wenigen Gelege, die in dieser Zone gefunden wurden, befanden<br />
sich alle an den Rebwurzeln und wiesen 18 bis 27 Eier pro Nest auf.<br />
Unbegrünte Rebreihen in der Untersuchungsfläche<br />
Die gerinste Anzahl an Nestern wurde in den unbegrünten Gassen gefunden. Die hier<br />
mehrmals im Jahr durchgeführte Oberflächenbodenbearbeitung verhinderte die<br />
Bildung einer Vegetationsschicht, lockerte die Bodenstruktur auf und führte zu einem<br />
feinkörnigeren Bodengefüge. Der feinkörnige Boden, der zum Teil starke<br />
Bodenverdichtungen aufwies und einen minimalen Pflanzenbewuchs mit sporadisch<br />
56
auftretenden Ackerunkräutern, wie zum Beispiel Taraxacum officinale (Gemeiner<br />
Löwenzahn) zeigte, war wahrscheinlich der Grund für die geringe Nestanzahl in den<br />
gegrubberten Gassen. Auffällig war, dass alle Nester, die in den unbegrünten Gassen<br />
erfasst wurden, entweder an oder in direkter Nachbarschaft von Taraxacum officinale-<br />
Wurzeln oder Gangsystemen von Microtus arvalis (Feldmaus) lagen.<br />
Sowohl die Pflanzenwurzeln als auch die Feldmaus-Bauten lockerten das verdichtete<br />
Bodengefüge auf und förderten das für die Ohrwürmer optimale Bodenlückensystem.<br />
Auffallend war, dass unabhängig vom Nestfundort (Gasse oder Unterstockbereich) nie<br />
mehrere Nester nebeneinander lagen, sondern mindestens eine Distanz von 20 cm<br />
zueinander aufwiesen. Auch in den Zuchtterrarien versuchten die Weibchen ihre<br />
Nester so weit wie möglich vom Nachbarnest anzulegen. Bei zu geringem Abstand<br />
zwischen den Gelegen fraßen sich die Weibchen gegenseitig die Eier weg oder störten<br />
massiv die Brutpflege der anderen.<br />
Forficula auricularia-Männchen wurden in keinem Fall in den Nestern gefunden.<br />
Gleiche Beobachtungen wurden auch in Freilandstudien von LAMB & WELLINGTON<br />
(1974) und GOODACRE (1997) gemacht, die darauf hinweisen, dass das Weibchen<br />
während der Brutpflege keine Störungen durch Männchen und andere Weibchen<br />
duldet. Artgleiche werden vom Gelege verjagt oder sogar getötet (LAMB & WELLINGTON<br />
1974, GOODACRE 1997). Die Anzahl der bei den Grabungen aufgenommenen<br />
Männchen war im Vergleich zu den Weibchenfängen sehr gering. Die Mehrzahl der im<br />
Boden gesichteten Individuen von Forficula auricularia befanden sich im<br />
Diapausestadium.<br />
3.7. Ausblick<br />
2008 werden die im vergangenen Jahr begonnen Untersuchungsschwerpunkte zum<br />
großen Teil fortgesetzt. Zusätzlich soll der besonders praxisrelevante Aspekt der<br />
Ohrwurm-Populationskontrolle mit den folgend aufgeführten Ansätzen ausgebaut<br />
werden.<br />
Pflanzenstärkungsmittel<br />
Silikathaltige Pflanzenstärkungsmittel können in Rebflächen gegen die Graufäule<br />
(Botrytis cinerea) eingesetzt werden. 2008 soll in Freilandversuchen die Wirkung<br />
dieser silikathaltigen Pilzbekämpfungsmittel auf Forficula auricularia untersucht<br />
werden. Silikatpulver wurden bereits in Österreich zur Bekämpfung des Gemeinen<br />
Feldschnurfüßers (Cylindroiulus caeruleocinctus) eingesetzt, der dort in extrem hohen<br />
57
Populationsdichten in Häusern und Gärten auftrat (ZIMMERMANN 2006). Die winzigen<br />
Pulverkristalle zerstörten auf physikalischem Weg den Chitinpanzer und die<br />
Tausendfüßer trockneten innerhalb von 12 Stunden aus (ZIMMERMANN 2006).<br />
Bioregulatoren<br />
Bioregulatoren könnten zukünftig als Produkte für die Fäulnisvermeidung in Frage<br />
kommen. Die Substanzen lockern die Traubenstruktur auf, indem durch<br />
Veränderungen in der Gibberellinsynthese kleinere Beeren gebildet werden oder der<br />
Verrieslungsgrad zunimmt. In BASF-Studien hat sich gezeigt, dass mit dem<br />
Bioregulator Regalis behandeltn Trauben aufgrund ihrer Lockerbeerigkeit einen<br />
geringeren Ohrwurmbefall als die unbehandelten Vergleichstrauben aufwiesen (MANN<br />
22.01.2008, BASF-Tagung).<br />
Netzmittel<br />
Nicht-ionische Netzmittel verbessern die Aufnahme von Pflanzenschutzmitteln am<br />
Zielgewebe und stabilisieren insbesondere bei ungünstigen Applikationsbedingungen.<br />
deren Wirksamkeit. 2008 soll in Freilandversuchen überprüft werden, inwieweit<br />
Insektizide kombiniert mit Netzmitteln den Wirkungserfolg des Insektizids gegen den<br />
Ohrwurm nennenswert erhöhen können.<br />
Kalkstickstoff<br />
Kalkstickstoff ist nicht nur ein Stickstoffdünger, sondern weist auch herbizide, fungizide<br />
und insektizide Wirkung auf (http://www.kalkstickstoff.de/):<br />
Beispielsweise konnten durch Kalkstickstoff-Düngungen in Rapsfeldern<br />
Schneckengelege und adulte Schnecken fast vollstängig bekämpft werden<br />
(http://www.kalkstickstoff.de/). Des Weiteren wurden auch Kohlfliegen (Phorbia<br />
brassicae) und Drahtwürmer, die Larven der Schnellkäfer (Elateridae), durch den<br />
Einsatz von Kalkstickstoff in Agrarflächen stark reduziert (http://www.kalkstickstoff.de/).<br />
Löschkalk in Staubform<br />
Reiner Löschkalk (Calciumhydroxid - Ca(OH) 2 ) wird als Blatt- und Bodendünger<br />
eingesetzt. Positive Nebenwirkung des Löschkalkes ist die insektizide Wirkung.<br />
Freilandstudien im Jahr 2007 haben gezeigt, dass bei einem maximalen pH-Wert von<br />
12,6 Schadinsekten in kürzester Zeit bekämpft wurden (SCHNEIDER 2008). In<br />
Anlehnung an diese Ergebnisse soll im Jahr 2008 überprüft werden, inwieweit die<br />
Befallsdichte von Forficula auricularia nach einer Löschkalk-Applikation reduziert<br />
werden kann.<br />
58
Entblätterung<br />
Bei Entblätterungsversuchen zur Botrytis-Prävention in rhein-hessischen Rebanlagen<br />
hat sich gezeigt, dass in beidseitig entblätterten Laubwänden nur noch sporadisch<br />
Ohrwürmer auftraten. Denkbar ist, dass eine starke Korrelation zwischen der<br />
Blattentfernung und dem Verlust an artspezifischen Raum- und Nahrungsressourcen<br />
sowie Klimabedingungen besteht. Durch weitere Freilandversuche im Jahr 2008 sollen<br />
diese Beobachtungen unter definierten Bedingungen überprüft werden.<br />
Biologische Schädlingsbekämpfungsmittel<br />
Zur biologischen Bekämpfung von Forficula auricularia in Rebanlagen sollen die im<br />
Jahr 2007 begonnenen Versuche mit insektenpathogenen Nematoden- und Pilzarten<br />
im Jahr 2008 fortgeführt und auf weitere Arten ausgedehnt werden.<br />
Des Weiteren soll überprüft werden, inwieweit das biologische Insektizid NeemAzal-<br />
T/S (Wirkstoff Azadirachtin) den Ohrwurmbefall unter Praxisbedingungen regulieren<br />
kann. Dieses biologische Insektizid wurde bereits sehr wirksam zur Bekämpfung des<br />
Kartoffelkäfers Leptinotarsa decemlineata im Gemüsebau eingesetzt (HUMMEL 1996).<br />
59
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