Verleiht ein Wing Flügel? - DiveInside
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Ausrüstung / Jackets<br />
<strong>Verleiht</strong> <strong>ein</strong> <strong>Wing</strong> <strong>Flügel</strong>?<br />
Jacket-Typen im Vergleich<br />
Bericht: Michael Böhm
Ausrüstung / Jackets<br />
Welcher Jackettyp sind sie?<br />
Sind sie eher der konservative ADV-<br />
Typ, der nichts mehr fürchtet als das<br />
Ertrinken an der Wasseroberfläche,<br />
weil ihn das Jacket bei Bewusstlosigkeit<br />
nicht mit dem Kopf nach hinten<br />
hält? Oder der technisch ausgerichtete,<br />
draufgängerische <strong>Wing</strong>-Taucher,<br />
der sich unter Wasser nicht <strong>ein</strong>geengt<br />
fühlen möchte? Oder der Stabilo-Typ,<br />
<strong>ein</strong>e „scubaprotische“, aussterbende<br />
Rasse gleich dem Fenziisten aus<br />
der Generation der Klobrillentaucher.<br />
Oder sind sie letztlich hybrid veranlagt,<br />
<strong>ein</strong> Mischtyp, der die Vorteile<br />
zweier Bauformen in s<strong>ein</strong>em Jacket<br />
ver<strong>ein</strong>t wissen will und dabei die<br />
Nachteile beider in Kauf nimmt - bewusst<br />
oder unbewusst. Spaß beiseite:<br />
Wenn ihnen ihre Typisierung nicht<br />
ohne weiteres gelingt, liegt es sicher<br />
nicht daran, dass die Jacket-Bauweisen<br />
ausschließlich anhand dieser<br />
scherzhaften Kurzbeschreibungen<br />
unterschieden werden können.<br />
In <strong>ein</strong>er Übersicht wollen wir die<br />
grundsätzlichen Unterschiede der drei<br />
Bauformen darlegen. Das Angebot an<br />
verschiedenen Modellen ist nahezu<br />
unüberschaubar. Eine Vielzahl aktueller<br />
Modelle von rund 30 Herstellern ist derzeit<br />
am Markt. Und dies betrifft nur <strong>ein</strong>e<br />
Neuanschaffung. Wer Vorgängermodelle<br />
oder gar den Gebrauchtmarkt in s<strong>ein</strong>e<br />
Auswahl aufnimmt, landet schnell im<br />
Modellflut-Nirwana.<br />
Und nun der ultimative Tipp mit integriertem<br />
Denkfehler: „Am besten ist es<br />
immer, <strong>ein</strong> Jacketmodell vor dem Kauf<br />
im Wasser auszuprobieren [...] beim<br />
Tauchkameraden, im Ver<strong>ein</strong>, in <strong>ein</strong>er<br />
Tauchbasis, im Verleih oder tatsächlich<br />
im Tauchfachgeschäft.“ So propagiert<br />
es manche Tauchzeitschrift, manches<br />
Taucherportal. Als Schritt vier auf dem<br />
Weg zum Praxistest mag dies zutreffen.<br />
Problem: Dazu muss man vorher wissen,<br />
• welche Jacket-Kategorien es gibt<br />
(Bauformen), was sie unterscheidet<br />
und wie sie funktionieren,<br />
• in welche Kategorie die Jackets am<br />
Markt <strong>ein</strong>gereiht werden müssen und<br />
• wo letztlich die entsprechenden<br />
Jackets für <strong>ein</strong>en praktischen<br />
Vergleichstest verfügbar, sprich<br />
„betauchbar“ sind.<br />
Mit diesem Einstieg ins Thema wollen<br />
wir vornehmlich Schritt 1 beleuchten, die<br />
Kategorien erläutern und Funktionsweisen<br />
darstellen.<br />
Der Klodeckel im Rückblick<br />
Früher Standard und heute noch ver<strong>ein</strong>zelt<br />
bei Tauchern zu sehen: Der „Klodeckel“,<br />
<strong>ein</strong>e leicht irreführende Bezeichnung.<br />
Man versuche <strong>ein</strong>mal, s<strong>ein</strong>en Kopf<br />
durch <strong>ein</strong>en Klodeckel zu stecken. Der<br />
Begriff Klobrille wäre sicherlich treffender<br />
- doch die meisten Taucher wissen,<br />
was mit dem Klodeckel gem<strong>ein</strong>t ist. Die<br />
Kragenweste erfüllt die Zwecke <strong>ein</strong>er<br />
Schwimmhilfe an der Oberfläche und<br />
<strong>ein</strong>es Tariersystems beim Tauchen. Um<br />
die Flasche am Rücken zu tragen, benötigt<br />
man zudem <strong>ein</strong>e separate Tragschale,<br />
da diese nicht wie beim Jacket mit<br />
der Kragenweste verbunden ist.<br />
Aufgabe ...<br />
Die Tarierweste hat mehrere, international<br />
gültige Bezeichnungen: Jacket,<br />
BC (Buoyancy Compensator) oder BCD<br />
(Buoyancy Control Device). Als wichtiges<br />
Teil der persönlichen Tauch- und Schutzausrüstung<br />
erfüllt sie mehrere Aufgaben:<br />
Tariersystem, Flaschenhalterung und<br />
Schwimmweste. Der Taucher kann s<strong>ein</strong>en<br />
Auf- und Abtrieb regeln, sich austarieren.<br />
Die grundlegende Technik ist dabei<br />
stets gleich: Einblasen und Ablassen<br />
von Luft. Außerdem dient die Tarierweste<br />
als Tragegestell für die Flasche mit dem<br />
Atemgas. An der Wasseroberfläche halten<br />
manche Bauformen zusätzlich den<br />
Kopf des Tauchers über Wasser.<br />
… und Aufbau <strong>ein</strong>es Jackets<br />
Als äußere Hülle dient <strong>ein</strong>e teils mehrlagige<br />
Weste aus stabilem Nylongewebe<br />
(Cordura). Die Herstellerangaben zum<br />
verwendeten Material b<strong>ein</strong>halten meist<br />
Zahlenangaben, zum Beispiel „Cordura<br />
® 1.000“ oder „Nylon 420 Denier“.<br />
Faustregel: Je höher der Zahlenwert,<br />
desto stabiler, aber auch schwerer und<br />
steifer ist das Gewebe. Im Inneren <strong>ein</strong>es<br />
Jackets befindet sich <strong>ein</strong>e Luftblase, deren<br />
Volumen je nach Bauart zwischen 10<br />
und 45 Litern variiert. Verstellbarer Tragegurte<br />
ermöglichen es, die Tarierweste<br />
an die Größe des Tauchers anzupassen.<br />
Mit so genannten Fastex-Schnallen<br />
4 <strong>DiveInside</strong> 07/2007
Ausrüstung / Jackets<br />
wird es verschlossen. Am Rücken der<br />
Tarierweste befinden sich <strong>ein</strong> oder zwei<br />
Spanngurte zur Befestigung der Tauchflasche.<br />
Die Auflagefläche der Flasche,<br />
auch Backplate, Rückenschale oder<br />
-trage genannt, ist in der Regel versteift<br />
und meist gepolstert, um <strong>ein</strong> bequemes<br />
Tragen der Atemgasflasche zu ermöglichen.<br />
Viele Modelle haben <strong>ein</strong>en Tragegurt,<br />
der zugleich als Flaschensicherung<br />
konzipiert ist.<br />
Inflator und Faltenschlauch<br />
An der linken Schulter ist bei den<br />
herkömmlichen Systemen der Inflatorschlauch<br />
montiert. Es handelt sich dabei<br />
um <strong>ein</strong>en Faltenschlauch, der mit der<br />
Luftblase verbunden ist. Am eigentlichen<br />
Inflator ist der Anschluss für den Inflatorschlauch,<br />
<strong>ein</strong> Mitteldruckschlauch,<br />
der zur ersten Stufe des Atemreglers<br />
führt. Ein Einlassventil regelt die Luftzufuhr<br />
von der 1. Stufe zum Jacket, <strong>ein</strong><br />
Ablassventil dient dem Entlüften der<br />
Tarierweste. Ein Mundstück ermöglicht<br />
das Aufblasen der Tarierweste mit Luft<br />
aus der Lunge. Der Faltenschlauch: Der<br />
Taucher hält das Ablassventil über sich,<br />
betätigt es und entlüftet so die Tarierweste.<br />
Bei den meisten Modellen befindet<br />
sich im Faltenschlauch <strong>ein</strong> Zugseil.<br />
Dieses ist mit <strong>ein</strong>em Schnellablassventil<br />
am oberen Ende des Inflatorschlauchs<br />
verbunden. Durch Ziehen am Inflatorschlauch<br />
wird dieses Ventil an der linken<br />
Schulter betätigt, Luft entweicht. Weitere<br />
Luftablässe befinden sich meist an<br />
der rechten Schulter sowie im unteren<br />
Rückenbereich. Das rechte Schulterventil<br />
hat die gleiche Funktion wie das<br />
obere Ablassventil im Inflatorschlauch,<br />
das Rückenventil dient der Entlüftung<br />
bei Schwimmlagen mit dem Kopf nach<br />
unten. Auch wenn Faltenschläuche sehr<br />
flexibel wirken, sollten sie nicht zu stark<br />
belastet oder geknickt werden. Ist er defekt,<br />
muss er ausgetauscht werden, da<br />
das Jacket sonst permanent Luft verliert.<br />
Exotisch:<br />
Airtrim, I3, Flight Control & Co.<br />
Bei <strong>ein</strong>igen Tariersystemen der jüngeren<br />
Generation fehlt der Faltenschlauch. Die<br />
Tarierung bei diesen „Indeflatorjackets“<br />
erfolgt über <strong>ein</strong>e Bedien<strong>ein</strong>heit, die meist<br />
nahe der Hüfte im Jacket integriert ist.<br />
Diese Bedien<strong>ein</strong>heit ist herkömmlich mit<br />
dem Inflatorschlauch verbunden, die<br />
Steuerung erfolgt analog dem Inflator:<br />
Ein Bedienknopf belüftet, <strong>ein</strong>er entlüftet.<br />
Das eigentliche Entlüften geschieht<br />
durch Ansteuern der Auslassventile mit<br />
der Bedien<strong>ein</strong>heit. Vorteil: Es werden<br />
stets alle Auslässe angesteuert, so dass<br />
in fast jeder Schwimmlage entlüftet<br />
werden kann. Die Ansteuerung erfolgt<br />
bei den verschiedenen Modellen der<br />
diversen Hersteller auf unterschiedliche<br />
Weise: Pneumatisch, also mittels<br />
Druckluft aus der Flasche, wie beim<br />
Airtrim-System von mares, mechanisch<br />
wie beim I3-Tariersystem von SeaQuest<br />
(Steuerhebel an der linken Seite und<br />
<strong>ein</strong> Stangensystem im Jacketinneren)<br />
oder hydraulisch wie beim Seac Sub Pro<br />
2000 ADV.<br />
Weitere Vorteile dieser inflatorlosen<br />
Technik sind, dass der störende Faltenschlauch<br />
entfällt und die Steuerung<br />
stets an gleicher Stelle zu finden ist.<br />
Das Eindringen von Wasser wird durch<br />
diese Systeme minimiert. Hauptargument<br />
gegen diese integrierten Systeme:<br />
Rettung und Bergung wird überwiegend<br />
mit Inflatorsystemen gelehrt. Die Rettung<br />
<strong>ein</strong>es verunfallten, bewusstlosen<br />
Tauchers erfolgt idealerweise von hinten.<br />
Die Bedienung des Inflators des Verunfallten<br />
ist somit <strong>ein</strong>fach, bei inflatorlosen<br />
Systemen aber meist ungewohnt oder<br />
schwierig. Das Contra-Argument, dass<br />
<strong>ein</strong> Befüllen mit dem Mund wie beim Faltenschlauchinflator<br />
nicht oder nur schwer<br />
möglich ist, greift nur bezüglich der Umgewöhnung<br />
auf das neue System. Die<br />
faltenschlauchlosen Systeme besitzen<br />
Einrichtungen analog <strong>ein</strong>em Inflator, was<br />
<strong>ein</strong> Befüllen „per Hand“ zulässt.<br />
Ausstattungsmerkmale -<br />
Pflicht und Kür<br />
Es gibt unzählige Zusatzausstattungen<br />
bei Jackets, das Minimum sind verschließbaren<br />
Tasche und Halteringe,<br />
sog. D-Ringe. An der Vorderseite der<br />
Tarierweste angebracht, dienen sie der<br />
Aufbewahrung und Anbringung von<br />
Zubehör. Was bieten manche Hersteller<br />
noch? Messer(halterung), Trimmbleitaschen,<br />
zusätzliche Taschen für die Rettungsboje,<br />
Finimeter- und Oktopushalter,<br />
Aufbewahrungsmöglichkeiten für den<br />
Oktopus, SpareAir, integrierte Schlauchführung,<br />
Auftriebshilfen im Brustbereich<br />
für <strong>ein</strong> entspannte Schwimmlage an der<br />
Oberfläche und und und … Entscheidend<br />
ist hier der persönliche Anspruch,<br />
<strong>ein</strong> intensives Stöbern und Recherchieren<br />
bleibt k<strong>ein</strong>em Käufer erspart.<br />
Beispiele:<br />
Trimmbleitasche und Messerhalterung<br />
des mares Vector 1000 AT MRS<br />
5 <strong>DiveInside</strong> 07/2007
Ausrüstung / Jackets<br />
Manueller Inflator und Oktopus-Tasche<br />
des SeaQuest Pro QD i3<br />
„High Lift Transfer“, zusätzlicher<br />
Auftrieb an der Oberfläche mit dem<br />
Oceanic Outrigger HLT<br />
Zurück zu Schritt 1 -<br />
die Unterschiede der drei<br />
grundsätzlichen Jacket-Bauformen<br />
ADV-Jacket (Adjustable-Divers-Jacket)<br />
Die am weitesten verbreitete Form, das<br />
„normale“ Standard-Jacket mit Schultergurten,<br />
Luftblasen in den vorderen<br />
Seitenbereichen sowie am Rücken. Der<br />
Begriff „adjustable“, also verstellbar, entstammt<br />
noch den Anfängen der ADVs.<br />
Verstellbar sind heutzutage alle Jackets,<br />
der Begriff hat sich aber festgesetzt. Der<br />
Vorteil des ADV ist das <strong>ein</strong>fache Anlegen<br />
des Jackets - was der Name schon ausdrückt:<br />
Wie <strong>ein</strong>e Jacke, man schlüpft mit<br />
den Armen hin<strong>ein</strong> und trägt die Weste<br />
wie <strong>ein</strong>e solche. Die Schwimmlage an<br />
der Oberfläche ist ebenfalls angenehm,<br />
zumindest angenehmer als mit <strong>ein</strong>em<br />
<strong>Wing</strong>-Jacket. Der Grund hierfür ist, dass<br />
die Luft im Jacket viel „Freiraum“ hat und<br />
physikalisch bedingt stets an die höchste<br />
Position im Jacket steigt. Damit <strong>ein</strong>her<br />
geht der größte Nachteil des ADV: Die<br />
Luft „schlingert“ bei allen taucherischen<br />
Bewegungen innerhalb des Jackets.<br />
Dennoch haben moderne ADVs durch<br />
konstruktive Kunstgriffe (innenliegende,<br />
flexible Bänderung der Luftblase) <strong>ein</strong>e<br />
Wasserlage, die dem <strong>ein</strong>es <strong>Wing</strong>- oder<br />
Hybridjackets schon sehr nahe kommt.<br />
<strong>Wing</strong>-Jacket<br />
<strong>Verleiht</strong> <strong>ein</strong> <strong>Wing</strong> tatsächlich <strong>Flügel</strong>?<br />
<strong>Wing</strong>s haben meist <strong>ein</strong>e Luftblase (manche<br />
auch zwei), die ausschließlich im<br />
Rückenbereich des Tauchers positioniert<br />
sind. Dies bedeutet Tauchkomfort erster<br />
Klasse, der Taucher fühlt sich in k<strong>ein</strong>ster<br />
Weise <strong>ein</strong>geengt, er ist nicht von der<br />
Blase <strong>ein</strong>geschlossen. Selbst ausgefeilteste<br />
Systeme der ADV-Westen kommen<br />
nicht an die Freiheit <strong>ein</strong>es <strong>Wing</strong> heran.<br />
Vielen Tauchern fällt es damit leichter,<br />
<strong>ein</strong>e waagrechte Lage <strong>ein</strong>zunehmen.<br />
Die Volumengrenze <strong>ein</strong>es <strong>Wing</strong>-Jackets<br />
ist nach oben theoretisch nahezu unbegrenzt<br />
und bietet damit gegenüber<br />
anderen Bauweisen <strong>ein</strong>en überlegenen<br />
Auftrieb – wobei sich dies auf <strong>Wing</strong>s<br />
bezieht, die lediglich zum Tauchen mit<br />
Doppelflaschen gebaut worden sind:<br />
<strong>Wing</strong>s für Monoflaschen haben in der<br />
Regel nur 15 bis 18 Liter Auftrieb. Für<br />
Tec-Taucher ist <strong>ein</strong> <strong>Wing</strong> Pflicht, auch<br />
ambitionierte Fotografen werden die<br />
Vorteile der waagrechte(re)n Schwimmlage<br />
unter Wasser zu schätzen wissen.<br />
Nachteil bei dieser Bauform: Die Lage,<br />
das Schwimmen an der Oberfläche, da<br />
der Kopf leichter unter Wasser gedrückt<br />
werden kann. Dazu sind <strong>Wing</strong>s, gerade<br />
solche mit Backplate/Harnesskombination,<br />
oftmals nur spartanisch ausgestattet,<br />
Taschen fehlen oftmals, die Anbringung<br />
größerer Bleimengen kann zum Problem<br />
werden.<br />
Hybrid-Jacket<br />
Ver<strong>ein</strong>igt die Vorteile beider bisher<br />
genannten Bauarten wie auch <strong>ein</strong>ige der<br />
Nachteile. Hier paart sich die Bauform<br />
<strong>ein</strong>es ADV mit <strong>ein</strong>er ausgeformten Blase<br />
im Rückenbereich. Das Hybrid bietet<br />
meist <strong>ein</strong> größeres Auftriebsvolumen<br />
als die Mehrzahl der ADV-Jackets. Die<br />
Schwimmlage unter Wasser ist mit der<br />
<strong>ein</strong>es <strong>Wing</strong> vergleichbar, ohne jedoch<br />
auf den Komfort und die Ausstattung<br />
<strong>ein</strong>es ADV-Jackets zu verzichten, insbesondere<br />
an der Wasseroberfläche.<br />
Hybrid-Jackets sind tendenziell größer<br />
und schwerer und somit k<strong>ein</strong>e optimalen<br />
Reisejackets. Preislich sind sie in oberen<br />
Regionen angesiedelt.<br />
Stabilizing Jacket -<br />
der Jacket-Dinosaurier<br />
Eine Sonderform ist das Stabilizing-<br />
Jacket. Es besitzt an den Schultern<br />
durchgehende Tarierschläuche und<br />
6 <strong>DiveInside</strong> 07/2007
Ausrüstung / Jackets<br />
verhält sich beim Tauchen ähnlich wie<br />
<strong>ein</strong> ADV-Jacket. Einige Modelle dieses<br />
Typs sind an der Oberfläche ohnmachtsicher<br />
und dienen auch als anerkannte<br />
Rettungswesten. Im Bereich des heutigen<br />
Tauchsports sind Stabilizing-Jackets<br />
jedoch nur noch selten vertreten, da<br />
ihre Nachteile überwiegen: Sie sind<br />
voluminös, haben <strong>ein</strong>e teils aufwändige<br />
Gurtung und bieten sehr <strong>ein</strong>geschränkte<br />
Bewegungsfreiheit. Ein weiterer Nachteil,<br />
das umständlichere An- und Ausziehen.<br />
Um das Jacket anzuziehen, sollte<br />
man schon <strong>ein</strong> wenig gelenkig s<strong>ein</strong>, da<br />
die Gurte nicht komplett zu öffnen sind.<br />
Beim Kauf muss es sehr gut passen,<br />
größere „Volumenänderungen“ des Tauchers<br />
toleriert das Jacket nicht.<br />
Generell<br />
Die drei Jacket-Grundformen gibt es<br />
mittlerweile mit integrierten Bleitaschensystemen,<br />
welche den Bleigürtel überflüssig<br />
machen. Integrierten Systemen<br />
eilt der Ruf voraus, die Wirbelsäule<br />
erheblich zu entlasten. Bleitaschen sind<br />
so konstruiert, dass sie sich im Notfall<br />
schnell abwerfen lassen. Mittlerweile<br />
existieren viele ähnliche Sicherungssysteme<br />
für Bleitaschen, aber nur zwei<br />
Arten des Beladens: Von vorne und von<br />
oben. Von oben lassen sich die Bleitaschen<br />
stets leichter im Jacket verstauen<br />
- die Schwerkraft hilft. In Tauchlage zeigt<br />
sich <strong>ein</strong> weiterer Vorteil: Selbst ungesicherte<br />
Bleitaschen gehen in dieser Position<br />
nicht verloren, der Taucher müsste<br />
schon kopfüber tauchen. Bleitaschen,<br />
die von vorne in das Jacket gesteckt<br />
werden, lassen sich im angezogenen<br />
Zustand nur schwer <strong>ein</strong>führen. Je nach<br />
Sicherungsmechanik sind sie mehr oder<br />
weniger stark verlustgefährdet, da die<br />
Öffnung in waagrechter Tauchposition<br />
nach unten zeigt.<br />
Hat der Komfort <strong>ein</strong>er Polsterung<br />
auch Nachteile?<br />
Jackets sind häufig mit aufwändiger<br />
Polsterung ausgestattet - neben Komfort<br />
bringt dies auch Nachteile: Bis sich<br />
die Polsterung mit Wasser vollgesogen<br />
hat, sorgt die Luft im Schaumstoff für<br />
Auftrieb. Nach dem Tauchgang trocknet<br />
das Jacket im Polsterbereich nur langsam,<br />
zum Teil dauert dies Tage. Beim<br />
Rückflug nach <strong>ein</strong>em Tauchurlaub ist das<br />
Jacket mitunter schwerer als am Hinflug.<br />
Es gibt Stimmen, die Polsterungen, vor<br />
allem an der Rückentrage, für weitgehend<br />
unnötig erachten: Das Jacket trägt<br />
den Taucher, unter Wasser besteht in<br />
normaler Tauchlage kaum Kontakt zwischen<br />
Rücken und Jacketpolster - der<br />
Taucher „hängt“ im Jacket. Sinnvoll sind<br />
jedoch Polsterungen im Hals-Nackenbereich.<br />
Polsterungen machen <strong>ein</strong> Jacket<br />
teurer, sowohl beim erhöhten Materi-<br />
i<br />
Blei<br />
Bleigewichte sind meist unterschätzter Teil der Tauchausrüstung. Die Aufgabe der<br />
Bleistücke ist es, den Auftrieb des Tauchers und s<strong>ein</strong>er Ausrüstung zu kompensieren.<br />
Die Menge des Bleis muss so bemessen s<strong>ein</strong>, dass der Taucher <strong>ein</strong> möglichst<br />
neutrales Verhältnis zwischen Auf- und Abtrieb herstellen und so in jeder Wassertiefe<br />
schweben kann, der Taucher ist austariert. Je nach Ausrüstung und Erfahrung des<br />
Tauchers, sowie der Gewässerart (Salzwasser hat <strong>ein</strong>e größere Dichte und damit<br />
mehr Auftrieb als Süßwasser) kann die Menge des benötigten Bleis stark differieren.<br />
Ein erfahrener Taucher mit <strong>ein</strong>em 3mm-Tropenanzug wird möglicherweise nur zwei<br />
Kilo, <strong>ein</strong> Tauchneuling mit <strong>ein</strong>em 5mm-Anzug und Bioprenpolsterung kann schon mal<br />
zehn Kilogramm und mehr benötigen.<br />
Die Bleigewichte werden meist am Bleigurt befestigt, der um die Hüfte des Tauchers<br />
getragen wird. Eine bequeme Alternative zu den kantigen, massigen Bleistücken<br />
ist Softblei - Bleigranulat, das in Gewebetaschen <strong>ein</strong>genäht ist. Für Softblei sind<br />
allerdings spezielle Gurte mit Taschen nötig. Der Bleigurt wird mit <strong>ein</strong>er Schnalle<br />
verschlossen, was während des Tauchgangs <strong>ein</strong> Nachspannen und im Notfall den<br />
Schnellabwurf ermöglicht.<br />
Alternativ zum Bleigurt gibt es Tarierwesten mit integrierten Bleitaschen. Vorteil: Der<br />
Taucher wird nicht mehr durch den Bleigurt <strong>ein</strong>geengt. Außerdem wird die Wirbelsäule<br />
spürbar entlastet, da die Hüfte nicht wie beim Bleigurt nach unten und der Oberkörper<br />
durch das Jacket nach oben gezogen wird. Zusätzliche Taschen, so genannte<br />
Trimmbleitaschen, optimieren die Anordnung und Lage des Bleis am Taucher. Diese<br />
sind meist im Bereich der Flasche angebracht, können aber nicht abgeworfen<br />
werden. Die Standard-Bleitaschen sind jedoch mit <strong>ein</strong>er Schnellabwurfvorrichtung<br />
ausgestattet, die Befestigung und Ausgestaltung ist von Hersteller zu Hersteller verschieden.<br />
Nachteil der bleiintegrierten Variante: Die Bleitaschen lassen sich bei den wenigsten<br />
Modellen im angezogenem Zustand in die Jackets stecken. Das Tragen gestaltet sich<br />
damit zur Schlepperei: Jacket + Flasche + Blei! Dies ist gerade bei Tauchgängen vom<br />
Schlauchboot aus <strong>ein</strong> Martyrium, wenn man das Jacket im Wasser ablegen und auf<br />
das „Zodiak“ hieven muss. Besser man entfernt zuvor die Bleitaschen mit dem Risiko<br />
des Verlusts. Zumindest sorgt die anschließende Suche nach den eigenen Bleitaschen<br />
für den kommunikativen Aspekt <strong>ein</strong>er Schlauchbootfahrt. Weiterer Risikofaktor:<br />
Der Schnellabwurf des Bleis muss geübt s<strong>ein</strong>, der Tauchpartner sollte informiert werden,<br />
dass die integrierte Lösung angewandt und wie der Schnellabwurf durchgeführt<br />
wird.<br />
Warum Blei und k<strong>ein</strong> anderes Metall? Blei hat <strong>ein</strong>en niedrigen Schmelzpunkt (327<br />
Grad Celsius) und lässt sich leicht in jede beliebige Form gießen. Es wird wegen<br />
s<strong>ein</strong>er hohen Dichte und des vergleichsweise geringen Preises verwendet. Tipp:<br />
Lackierte Bleigewichte oder kunststoffbeschichtete Bleistücke bevorzugen, da <strong>ein</strong>ige<br />
Korrosionsprodukte, insbesondere organische Bleisalze, giftig sind.<br />
7 <strong>DiveInside</strong> 07/2007
Ausrüstung / Jackets<br />
i<br />
Qual der Wahl -<br />
die passende Größe<br />
Ein Jacket sollte passen! Ist es <strong>ein</strong>e<br />
Nummer zu groß, liegt die Flasche<br />
nicht am Körper an, sondern kippt<br />
seitwärts. Der Taucher gerät in Schieflage,<br />
die Muskulatur muss ausgleichen<br />
und verspannt, die Schwimmlage<br />
ist nicht komfortabel und der<br />
Tauchgang wird (meist unbewusst)<br />
zur Qual. Ist das Jacket zu kl<strong>ein</strong>, sitzen<br />
(bei bleiintegrierten Formen) die<br />
Bleitaschen nicht optimal. Die Blase<br />
ist meist kl<strong>ein</strong>er - verglichen mit <strong>ein</strong>em<br />
passenden Jacket ist das Auftriebsvolumen<br />
somit niedriger. Tipp: Liegt<br />
man mit der eigenen Körpergröße<br />
zwischen zwei Größen, so sollte die<br />
Wahl auf das kl<strong>ein</strong>ere Jacket entfallen,<br />
da die Nachteile <strong>ein</strong>es minimal<br />
zu kl<strong>ein</strong>en Jackets nicht so schwer<br />
wiegen wie die <strong>ein</strong>es zu großen.<br />
alaufwand, als auch in der Fertigung.<br />
Oftmals ist hier Handarbeit angesagt.<br />
Fazit<br />
Was den Auftrieb angeht, sollte das Auftriebsvolumen<br />
nicht zu knapp bemessen<br />
s<strong>ein</strong>. Gerade Reisejackets mit Auftriebskräften<br />
um 10 kg (je nach Größe) erreichen<br />
sehr schnell ihre Auftriebsgrenzen!<br />
Ganzjahrestaucher sollten Wert auf<br />
Qualität, Verarbeitung, Leistungsfähigkeit<br />
und Ausstattung legen.<br />
Die Frage nach dem Jacket-Typ wird immer<br />
Streitthema und Geschmackssache<br />
bleiben: Wer die ideale Schwimmlage<br />
bevorzugt, <strong>ein</strong>en höheren Preis für weniger<br />
Ausstattung zu zahlen bereit ist, der<br />
sollte mit <strong>ein</strong>em <strong>Wing</strong>-Jacket liebäugeln.<br />
Ohnmachtssicherheit wird gerade in heimischen<br />
Seen weniger den Ausschlag<br />
geben, als bei überwiegendem Einsatz<br />
im Meer. Und was <strong>ein</strong> Maximum an<br />
Bewegungsfreiheit im Bereich des Oberkörpers<br />
angeht, so führt k<strong>ein</strong> Weg am<br />
<strong>Wing</strong> vorbei. Wer sich nicht mit <strong>ein</strong>em<br />
<strong>Wing</strong>-Jacket anfreunden kann, sollte das<br />
Hybrid-Jacket in Erwägung ziehen, denn<br />
es ver<strong>ein</strong>t <strong>ein</strong>e Vielzahl von Eigenschaften<br />
der <strong>Wing</strong>- und ADV-Jackets – positiver<br />
und negativer Art. Der Standard:<br />
Ein hochwertiges ADV-Jacket ist in der<br />
Regel den überwiegenden Anforderungen<br />
an <strong>ein</strong> Jacket mehr als gewachsen,<br />
bietet die größte Auswahl und meist das<br />
beste Preis/Leistungsverhältnis.<br />
Spezielle Frauenmodelle? Gibt es: Die<br />
Taucherin von heute muss sich nicht mit<br />
Männerequipment abspeisen lassen!<br />
Viele Jacketmodelle sind mittlerweile<br />
„auf Dame geschnitten“ und qualitativ<br />
meist im der gehobenen Mittelklasse<br />
zu finden.<br />
Bleiintegriert oder nicht? Eine komplette<br />
Einheit aus Flasche, Jacket und Blei<br />
bringt <strong>ein</strong>ige Kilo auf die Waage. Ohne<br />
fremde Hilfe gestaltet sich das Anlegen<br />
<strong>ein</strong>es bleiintegrierten Jackets - gerade<br />
als Anfänger mit viel Ballast - zu <strong>ein</strong>er<br />
schweißtreibenden Angelegenheit, <strong>ein</strong>e<br />
Tortur für Rücken und Muskeln. Trotzdem<br />
überwiegen die Vorteile gegenüber<br />
dem klassischen Bleigurt. Viele Taucher<br />
sind mittlerweile auf <strong>ein</strong> bleiintegriertes<br />
Jacket umgestiegen.<br />
Schnellverschlüsse, sogenannte Fastex-Schnallen,<br />
sind Standard, andere<br />
Systeme sind wenig ausgereift und ungewohnt.<br />
Gerade bei ungünstigen Bedingungen<br />
wie Strömungs- und Bootstauchgängen<br />
bietet schnelles Öffnen der<br />
Schulter-, Brust- und Bauchgurte <strong>ein</strong>en<br />
unschätzbaren Sicherheitsvorteil.<br />
Polsterung erhöht <strong>ein</strong>deutig den Komfort,<br />
lässt <strong>ein</strong> Jacket bequem und anschmiegsam<br />
ersch<strong>ein</strong>en und hilft an Land, das<br />
Gewicht von Flasche und integriertem<br />
Blei im wahrsten Sinne des Wortes<br />
„erträglich“ zu machen. Dem gegenüber<br />
stehen die oben bereits erwähnten<br />
Nachteile. MB<br />
i<br />
Kurze Jacket Historie<br />
Am Anfang war der Bleigurt! Der Taucher<br />
der 40er-, 50er- und 60er-Jahre<br />
achtete darauf, möglichst austariert<br />
zu s<strong>ein</strong>. Auf- und Abstieg erfolgte<br />
mit Flossenkraft. Mitte der Sechziger<br />
kamen die ersten Rettungskragen auf<br />
den Markt. Es sollte noch bis nach<br />
1970 dauern, bis sich der „Klodeckel“<br />
etablierte. Rettungstaucher verwendeten<br />
dieses Equipment noch lange<br />
Zeit, weit über die Geburtsstunde<br />
des „ADV-Jackets“ Mitte der Achtziger<br />
hinaus. Apropos ADV-Jacket:<br />
Ein tautologischer Begriff, denn ADV<br />
bedeutet Adjustable Diving Vest, zu<br />
Deutsch: Verstellbare Tauchweste. In<br />
Tauch-Europa hat sich mittlerweile der<br />
Begriff „Jacket“ verfestigt. Stabilizing-<br />
Jackets gab es auf dem US-Markt<br />
zwar früher, doch die ADVs setzten<br />
sich schneller durch.<br />
8 <strong>DiveInside</strong> 07/2007
Ausrüstung / Jackets<br />
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Wartung und Pflege<br />
Das Jacket könnte in die Kategorie „Ausrüstung für Faule“ gehören, denn es bedarf<br />
k<strong>ein</strong>er großen Pflege. Diese ist auch kaum möglich und beschränkt sich auf wenige<br />
Tätigkeiten:<br />
· Nach Tauchgängen im Salzwasser ist das Jacket möglichst in klarem Süßwasser<br />
zu spülen.<br />
· Walnussgroße Salzrückstände im Inneren der Blase sind k<strong>ein</strong>e Seltenheit. Von<br />
Zeit zu Zeit ist das Spülen der Blase mit Süßwasser nötig. Vorgehensweise:<br />
Man füllt das Wasser mit <strong>ein</strong>em Schlauch entweder über den betätigten<br />
Inflator <strong>ein</strong> oder schraubt <strong>ein</strong> Schnellablassventil ab und befüllt durch dieses.<br />
Dann schließt man alle Auslässe und schüttelt das Jacket gut. Über die<br />
Schnellablässe und den Inflator lässt man das Wasser wieder ab.<br />
Tipp: Möglichst darauf achten, über alle Ventile sowie den Inflator zu entleeren.<br />
Dadurch werden auch Rückstände im Bereich der Ventile ausgespült.<br />
· Die Schnellablassventile können selbst geprüft und ger<strong>ein</strong>igt werden.<br />
Verschmutzungen und Rückstände führen eventuell zum Abblasen oder hemmen<br />
die Bedienung. Die Membrane der Ventile gegebenenfalls mit speziellem<br />
Schmiermittel fetten (Herstellerhinweise beachten!).<br />
· Finger weg von Lösungsmitteln, da diese unter Umständen das Kunststoffgewebe<br />
angreifen! Verunr<strong>ein</strong>igungen bitte nur mit Wasser entfernen. Die beste R<strong>ein</strong>igung<br />
ist der nächste Tauchgang im heimischen See.<br />
· Gelagert werden sollte <strong>ein</strong> Jacket in leicht aufgeblasenem Zustand, um<br />
Knickstellen an Blase und Außengewebe zu vermeiden. Die optimale Lösung ist<br />
dabei das Aufhängen auf <strong>ein</strong>em Jacket-Bügel oder <strong>ein</strong>em stabilen Kleiderbügel.<br />
Hilfreich, aber nicht zwingend sind spezielle R<strong>ein</strong>igungsmittel für die Pflege der<br />
„inneren Werte“ - der Blase. Aqua Sure vertreibt unter dem Namen „B.C. Life“ <strong>ein</strong><br />
Mittel zum Auswaschen der Blase. Wer die Innenr<strong>ein</strong>igung von Zeit zu Zeit mit klarem<br />
Süßwasser vornimmt, erzielt letztlich fast den gleichen Effekt. Wer es keimfrei<br />
will, muss allerdings zur Flasche greifen.<br />
Nicht zu vergessen ist die regelmäßige Revision des Jackets. Und diese sollte<br />
ausschließlich durch <strong>ein</strong>e Fachkraft erfolgen. Die Revision bezieht die Wartung des<br />
Inflators und der Schnellablässe mit <strong>ein</strong>. Schäden an Blase und Gurten werden<br />
dabei aufgedeckt.<br />
9 <strong>DiveInside</strong> 07/2007