31.12.2013 Aufrufe

Müller - Die Deutsche Bühne

Müller - Die Deutsche Bühne

Müller - Die Deutsche Bühne

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

38<br />

s<br />

FORMEN<br />

FORMEN<br />

s<br />

39<br />

1 I 2 I 3 I<br />

KNUT LENNARTZ<br />

1 I Stephan<br />

Suschkes<br />

Inszenierung von<br />

„Leben Gundlings<br />

Friedrich von<br />

Preußen Lessings<br />

Schlaf Traum<br />

Schrei“ vom<br />

Staatsschauspiel<br />

Dresden mit Tim<br />

Grobe (rechts) als<br />

Gundling.<br />

<strong>Müller</strong><br />

Regionale Theatertreffen in Bayern,<br />

Baden-Württemberg, Hessen<br />

oder NRW präsentieren üblicherweise<br />

die Top-Produktionen der<br />

beteiligten Theater, das Programm ist<br />

entsprechend zumeist bunt gemischt,<br />

von der Klassik bis zur Gegenwart. Da<br />

war es ein guter Einfall der Sachsen,<br />

ihrem III. Sächsischen Theatertreffen einen<br />

thematischen Rahmen zu geben.<br />

Und so traf es sich gut, dass in diesem<br />

Jahr ein kleines Jubiläum zu feiern war:<br />

Im sächsischen Eppendorf unweit von<br />

Chemnitz wurde am 9. Januar vor 75<br />

Jahren Heiner <strong>Müller</strong> geboren, und geboren<br />

war schon vor geraumer Zeit die<br />

Idee, alle sächsischen Theater mögen<br />

mit einer Heiner-<strong>Müller</strong>-Inszenierung<br />

nach Chemnitz kommen. Dass es bei<br />

allgemeiner spontaner Zustimmung<br />

schließlich sanften Drucks bedurfte,<br />

die Idee auch in die Tat umzusetzen,<br />

bekannten die Veranstalter freimütig.<br />

Acht Jahre nach seinem Tod sind Heiner<br />

<strong>Müller</strong>s Stücke nicht mehr so<br />

selbstverständlich auf deutschen <strong>Bühne</strong>n,<br />

allen Lippenbekenntnissen zum<br />

und kein<br />

Ende<br />

Das III. Sächsische Theatertreffen<br />

in Chemnitz stand ganz im Zeichen des<br />

75. Geburtstages des Sachsen Heiner <strong>Müller</strong>,<br />

mit 17 Inszenierungen seiner Stücke<br />

an vier Tagen.<br />

Trotz, dass er doch unstrittig der bedeutendste<br />

deutsche Dramatiker nach<br />

Brecht sei. Doch das sanfte Drängen<br />

des veranstaltenden Landesverbandes<br />

Sachsen im <strong>Deutsche</strong>n <strong>Bühne</strong>nverein<br />

hat sich gelohnt, sie kamen alle, die<br />

Schauspielhäuser jedenfalls, und als<br />

Gäste auch noch die Freien Kammerspiele<br />

aus Magdeburg mit einer sehenswerten<br />

Inszenierung von „Verkommenes<br />

Ufer Medeamaterial“ und<br />

das Cottbuser Theater mit der „Weiberkomödie“.<br />

So viel <strong>Müller</strong> konzentriert<br />

auf vier Tage war selten. Und da<br />

es inzwischen eine internationale Heiner-<strong>Müller</strong>-Gesellschaft<br />

gibt und auch<br />

eine Klasse Darstellende Kunst der<br />

Sächsischen Akademie der Künste,<br />

wurde das Treffen mit zwei Kolloquien<br />

ergänzt: <strong>Müller</strong> nach <strong>Müller</strong> hieß das<br />

eine, das andere beschäftigte sich mit<br />

Heiner <strong>Müller</strong>s Arbeit an der Geschichte.<br />

An der Geschichte arbeitete sich <strong>Müller</strong><br />

praktisch mit jedem seiner Stücke<br />

ab, aber auffallend war doch, dass in<br />

Chemnitz seine zentralen Stücke zum<br />

Thema fehlten: keine „Germania“,<br />

nicht „Tod in Berlin“ und auch nicht<br />

„Gespenster am Toten Mann“, keine<br />

„Schlacht“, doch das Dresdener Staatsschauspiel<br />

eröffnete wenigstens mit<br />

„Leben Gundlings“. Stephan Suschke,<br />

in <strong>Müller</strong>s letzten Lebensjahren eng<br />

mit dem Autor verbunden, hat es in -<br />

szeniert, in Dresden wird es an theaterhistorisch<br />

trächtiger Stätte gespielt,<br />

im Festspielhaus Hellerau, und darauf<br />

nahm die Inszenierung in Chemnitz<br />

schon durch einen Videospot Bezug.<br />

Aber ob in der Dresdener Fassung sich<br />

dem jüngeren Publikum wirklich alle<br />

historischenZusammenhänge erhellten?<br />

Wer war Gundling? Wer Catte?<br />

Das darf bezweifelt werden, zu sehr<br />

sind sie zu Episodenfiguren geworden.<br />

Suschke versuchte aber, Linien zur jüngeren<br />

deutschen Geschichte zu ziehen;<br />

er lässt einen Chor von Jungpionieren<br />

aufmarschieren, die das in der DDR bekannt-berüchtigte<br />

NVA-Huldigungslied<br />

„Soldaten sind vorbei marschiert“<br />

schmetterten, und er blendete Projektionen<br />

von Ulrike Meinhoff und Hans<br />

Fotos (2): Hans-Ludwig Böhme, Foto 3: Juliane Mostertz<br />

Martin Schleyer ein. Ulrike Meinhoff<br />

präsentierte er freilich in schöner linker<br />

Tradition in ihrer Opferrolle mit herzrührenden<br />

Zitaten aus ihren „Bambule“.<br />

Mag sich der Zuschauer hoffentlich<br />

durch fundiertere Kenntnisse der<br />

neueren Geschichte einen Reim darauf<br />

machen. Trotzdem, die Auftakt-In -<br />

szenierung überzeugte vor allem durch<br />

die schauspielerischen Leistungen<br />

(Gerhard Hähndel u.a. als Friedrich Wilhelm,<br />

Christine Hoppe als Friedrich,<br />

Tim Grobe als Gundling) in einer <strong>Bühne</strong><br />

von Daniel Roskamp, die mit zwei<br />

Mercedes-Limousinen auch den von<br />

<strong>Müller</strong> beschriebenen Autofriedhof –<br />

wenn auch nicht den von Chicago – zitierte.<br />

Zwei Studiobühnen-Produktionen präsentierten<br />

<strong>Müller</strong> im Zusammenhang<br />

mit der Geschichte. Schon im Januar,<br />

zu seinem 75. Geburtstag, hatte das<br />

Mittelsächsische Theater Freiberg/Döbeln<br />

aus einem Interview von 1981 in<br />

New York einen szenischen Abend mit<br />

dem Titel „Walls/ Mauern“ montiert<br />

(Textmontage und Inszenierung: Andreas<br />

Pannach). <strong>Die</strong> Ansichten, die <strong>Müller</strong><br />

da vertrat, sind hinlänglich bekannt,<br />

oft später in anderen Zusammenhängen<br />

bekräftigt. Neben vielen Dingen<br />

zum Leben vor und hinter der Mauer,<br />

über die man durchaus streiten kann,<br />

ist aber bis heute bestechend <strong>Müller</strong>s<br />

hellsichtige, wenngleich in ihren Konsequenzen<br />

düs tere Vision über kommende<br />

Konflikte: „Geschichte ist jetzt<br />

die Geschichte der Dritten Welt“. <strong>Die</strong><br />

derzeitige Weltlage hätte <strong>Müller</strong> kaum<br />

überrascht. <strong>Die</strong> Freiberger haben dieses<br />

Interview unprätentiös auf die<br />

<strong>Bühne</strong> gebracht, vor allem Michael Berger<br />

als Heiner <strong>Müller</strong> überzeugte, weil<br />

er mit wenigen Gesten (der Griff zum<br />

obligaten Whisky-Glas gehörte dazu)<br />

den Dichter in seinem so typischen Habitus<br />

charakterisierte und doch dem<br />

Zuschauer die kritische Distanz ließ.<br />

Ein Abend von gedanklicher Klarheit.<br />

Auf ein ähnliches Rezept ließen sich die<br />

Zwickauer ein mit einer szenischen Variante<br />

von „Mommsens Block“. Aber<br />

hier zeigte sich, dass ein einziger Gedanke,<br />

und sei er noch so bestechend –<br />

nämlich die Überlegung <strong>Müller</strong>s, warum<br />

der Historiker Theodor Mommsen<br />

den entscheidenden Vierten Band seiner<br />

Römischen Geschichte nicht geschrieben<br />

habe (wohl aus Einsicht,<br />

dass er keine Erklärung für den Zusammenbruch<br />

eines Weltreiches liefern<br />

könne) zu wenig ist, um einen Theaterabend<br />

zu tragen. <strong>Die</strong> drei Darsteller<br />

wiederholten in starren Posen dutzende<br />

Male diese wenigen Sätze – viel Aufwand<br />

für ein Aperçu. Das geht auch anders:<br />

Aus dem nicht minder minimalis -<br />

tischen „Herzstück“ („Darf ich Ihnen<br />

mein Herz zu Füßen legen? Wenn Sie<br />

mir meinen Fußboden nicht schmutzig<br />

machen.“) machte das Leipziger Theater<br />

der Jungen Welt einen dreiteiligen<br />

Abend, das Thema getanzt, gesungen<br />

und schließlich als Clownspiel. Das war<br />

in Marion Fuchs‘ Regie mit Galina<br />

Freund, Gösta Bornschein und Chris Lopatta<br />

der vergnüglichste Teil der Veranstaltung.<br />

Man müsse bei Heiner <strong>Müller</strong> nicht alles<br />

verstehen, dozierte <strong>Müller</strong>-Verweser<br />

B. K. Tragelehn bei einer der Veranstaltungen<br />

und würgte damit die Diskussion<br />

über <strong>Müller</strong> schon im Keime<br />

ab. Das ist bei derartigen Veranstaltungen<br />

ohnehin die Gefahr: Sie geraten<br />

schnell zur Dichterverklärung, und<br />

das gelingt B. K. Tragelehn, dem Regisseur<br />

der legendären, weil verbotenen<br />

„Umsiedlerin“-Inszenierung von 1961,<br />

mühelos. Er bläst mit einer Zigarre<br />

Rauchringe in die Luft, zitiert belehrend<br />

den Meister selbst und dazu noch<br />

ein wenig Bloch und Benjamin. Da ist<br />

dann doch zu viel Weihrauch in der Luft<br />

und außerdem eine gehörige Portion<br />

Wunschdenken, wenn Tragelehn verschwörerisch<br />

von der Gefährlichkeit<br />

der <strong>Müller</strong>-Texte redet, die die Oberen<br />

auch heute noch zu fürchten hätten.<br />

Doch Umstürzlerisches war kaum auszumachen<br />

unter den vorgestellten In -<br />

szenierungen, eher schon dunkel Verrätseltes,<br />

wie etwa in der „Hamletmaschine“<br />

des Chemnitzer Figurentheaters<br />

mit einer aus dem Fundus<br />

vollgemüllten <strong>Bühne</strong>.<br />

2 I Meike Fink,<br />

Iris Albrecht und<br />

Christiane Höfler<br />

in der Magde -<br />

burger Inszenie -<br />

rung von „Ver -<br />

kommenes Ufer<br />

Medeamaterial“.<br />

3 I Volker Metzlers<br />

„Zement“-<br />

Inszenierung vom<br />

Theater Junge<br />

Generation<br />

Dresden mit Erik<br />

Brünner und<br />

Babette Slezak.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Bühne</strong> 6I 2004<br />

<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Bühne</strong> 6I 2004


40<br />

s<br />

FORMEN<br />

FORMEN<br />

s<br />

41<br />

Andere kleine <strong>Bühne</strong>n wie Zittau oder<br />

Annaberg muteten ihrem Publikum lieber<br />

gleich Shakespeare zu, natürlich in<br />

<strong>Müller</strong>s Adaptionen. In Zittau machte<br />

Intendant Roland May aus dem „Hamlet“<br />

eine kühl kalkulierte Provokation<br />

aus Sex and Crime, die, wie man hört,<br />

4 I 5 I<br />

dort auch für gehörig Gesprächsstoff<br />

sorgte. Aber über den provokanten Ansatz<br />

ist konzeptionell nichts Erhellendes<br />

dabei herausgekommen. Helsingör<br />

ist in der Zittauer Version ein Ort permanenter<br />

Sex-Orgien, jeder tut es mit<br />

jedem, Hamlet mit Horatio, Claudius<br />

bei jeder Gelegenheit mit<br />

Gertrud, wenn er sich nicht<br />

beim Dreier vergnügt – Rosencrantz<br />

und Güldenstern<br />

sind aus diesem Grund mit<br />

Frauen besetzt. Und auch<br />

die unschuldige Ophelia ist<br />

hier ein ausgekochtes Luder,<br />

die mit der Routine einer<br />

Nutte erst ihrem Bruder und<br />

dann ihrem Vater blasend zu<br />

<strong>Die</strong>nsten ist. Hamlet bietet<br />

übrigens später auch mit<br />

herunter gelassener Hose<br />

seinen Penis als Flöte an.<br />

Dass nach derlei Exposition<br />

jeder weitere Gedanke um<br />

Ophelias Selbstmord reine<br />

Zeitverschwendung ist, liegt<br />

auf der Hand. Eine oberflächliche<br />

Inszenierung, die<br />

nicht mal zur Provokation<br />

richtig taugt. Drei ältere<br />

Damen, die vor mir saßen,<br />

nahmen die abstruse Aufführung<br />

mit stoischer Ge -<br />

lassenheit hin. Man hat<br />

heutzutage schon zu viel<br />

der gleichen auf unseren<br />

<strong>Bühne</strong>n gesehen.<br />

In Annaberg dagegen setzte Frank Voß<br />

Heiner <strong>Müller</strong>s „Macbeth“ so betulich<br />

und unbedarft in Pappmaché-Dekorationen<br />

auf die <strong>Bühne</strong>, dass man meinte,<br />

es sei die Zeit stehen geblieben.<br />

Warum man für diesen Mummenschanz<br />

<strong>Müller</strong>s harte Übersetzung<br />

wählte, bleibt im aufwallenden <strong>Bühne</strong>ndunst<br />

verborgen.<br />

Nach Marx ereignet sich Geschichte<br />

immer zwei Mal, als Tragödie und als<br />

Farce. Zur Tragödie trug das Dresdener<br />

Theater Junge Generation mit einer<br />

Inszenierung von „Zement“ bei. Volker<br />

Metzler versuchte, mit Stilisierung und<br />

Zitaten des Agitprop-Theaters aus den<br />

zwanziger Jahren den schwierigen<br />

Stoff in eine Form zu bringen. Aktuell<br />

wirkten vor allem die Antike-Intermedien<br />

zum Thema Herr und Sklave: Prometheus,<br />

der Gefesselte, vom Adler gepeinigte,<br />

fühlt sich keineswegs befreit,<br />

als Herakles den Adler erschießt, im<br />

Gegenteil, er hatte sich längst an die<br />

Fesseln gewöhnt und an den Adler als<br />

seinen einzigen Gefährten. Doch was<br />

ist darüber hinaus zu vermitteln an der<br />

1971 uraufgeführten Geschichte um<br />

den Aufbau eines Zementwerkes in<br />

Russland in den Zeiten des Bürgerkrieges?<br />

Revolutionärer Terror, auch die absolute<br />

Unterordnung individueller Ansprüche<br />

unter die vermeintliche gesellschaftliche<br />

Notwendigkeit, war für<br />

Heiner <strong>Müller</strong> historisch unausweichlich,<br />

wenn auch schmerzlich. Heute ist<br />

Foto 4: <strong>Die</strong>ter Wuschanski, Foto 5: Thomas Schulze<br />

klarer zu sehen, dass der revolutionäre<br />

Terror nur eine Spielart ganz gewöhnlicher<br />

Verbrecher war. Das macht das<br />

Spielen solcher Stücke heute schwierig,<br />

aber es zeigte sich, dass die Dresdner<br />

gerade ihr junges Publikum erreichen,<br />

so pathetisch, ja kitschig die Mittel<br />

zuweilen auch wirken, wenn etwa<br />

die Hauptfiguren sich in der heroischen<br />

Pose des berühmten Mosfilm-<br />

Vorspann-Paares gefallen. Aber wer erkennt<br />

heute solche Zitate?<br />

Dass dagegen das einstige Politikum<br />

„<strong>Die</strong> Umsiedlerin“ heute vor allem<br />

ganz unbeschwert als Schwank zu genießen<br />

ist, wurde hier schon berichtet<br />

(<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Bühne</strong> 3/2004). Auch die<br />

Gäste aus Cottbus kamen zum Abschluss<br />

der Tage mit einer Komödie. Peter<br />

Schroth, der Bruder des langjährigen<br />

Cottbuser Intendanten, ließ sich<br />

für die „Weiberkomödie“ etwas Besonderes<br />

einfallen. Er erinnerte an die ursprüngliche<br />

Hörspielfassung von Inge<br />

<strong>Müller</strong>, und so produzierte man auf der<br />

<strong>Bühne</strong> das Hörspiel als „Produktion des<br />

Senders Cottbus“, mit den üblichen<br />

Hörspieleffekten, Windmaschinen und<br />

Geräuschemachern. Badet die Heldin<br />

nackt im Baggersee, plätschert jemand<br />

mit der Hand im Wassereimer vor dem<br />

Mikrophon. <strong>Die</strong> Aufführung war in<br />

Cottbus Teil der letzten Zonenrand -<br />

ermutigung. Für Chemnitz wurde sie<br />

noch einmal ausgegraben, und das<br />

führte wohl auch dazu, dass alle Beteiligten<br />

mit großer Lust eine klassische<br />

<strong>Bühne</strong>nklamotte ablieferten. Tags zuvor<br />

wurde im <strong>Müller</strong>-Symposion mit<br />

hohem Ernst debattiert, wie man<br />

Deutschland ein angemessenes Begräbnis<br />

bereiten könne. Das habe das<br />

Land ja verdient, wie <strong>Müller</strong> meinte.<br />

<strong>Müller</strong>-Experte Frank Raddatz träumte<br />

zum Beispiel von Afrikanischen Traditionen;<br />

dort würde man sicher mit Lust<br />

jedes Jahr eine Hitler-Puppe verbrennen.<br />

Dann kam er ins Schwärmen über<br />

japanische Theaterbräuche, und auch<br />

Tragelehn träumte von der heiteren Atmosphäre<br />

amerikanischer Südstaaten-<br />

Beerdigungen. So viel Lust am Untergang<br />

ist wohl auch typisch deutsch. Da<br />

war die naive Frage eines jungen Mannes,<br />

warum man denn Deutschland so<br />

um jeden Preis zu Grabe tragen müsse,<br />

nur störend. Zum Glück haben die vielen<br />

Inszenierungen, auch bemerkenswerte<br />

Inszenierungen etwa der „Wolokolomsker<br />

Chaussee“ von Laiendarstellern<br />

aus Görlitz, weniger Friedhofsatmosphäre<br />

aufkommen lassen. Und<br />

Heiner <strong>Müller</strong>s Reibungen an der Geschichte<br />

sind nicht nur auf diese Frage<br />

der angemessenen Beerdigung zu reduzieren.<br />

Es kommt nur darauf<br />

an, den Visionär vom Zyniker zu<br />

unterscheiden.<br />

4 I Szene aus<br />

Manfred Blanks<br />

Inszenierung der<br />

„Hamlet maschine“<br />

am Figurentheater<br />

des Theaters<br />

Chemnitz,<br />

Ausstattung:<br />

Martin Thoms.<br />

5 I Chris Lopatta,<br />

Gösta Bornschein<br />

und Galina Freund<br />

in „Herzstücke“<br />

vom Leipziger<br />

Theater Junge<br />

Welt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Bühne</strong> 6 I 2004

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!