Hebräer 10,11-18 - Diakonissen Speyer-Mannheim
Hebräer 10,11-18 - Diakonissen Speyer-Mannheim
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Abendandacht am Dienstag, 12. April 20<strong>11</strong><br />
in der Mutterhauskapelle der <strong>Diakonissen</strong> <strong>Speyer</strong>-<strong>Mannheim</strong><br />
Judika heißt der Sonntagmorgen, Gott, schaffe mir<br />
recht, nach dem Wochenpsalm 43, den wir vorhin<br />
gebetet haben.<br />
Das Thema dieses Sonntags, sein Leitbild ist das<br />
Lamm Gottes, sein Wochenspruch der Vers aus<br />
dem Matthäusevangelium (20,28): Des Menschen<br />
Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen<br />
lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben<br />
zu einer Erlösung für viele.<br />
Es geht um Jesus, das Lamm, um den Tod Jesu,<br />
der geschehen ist uns zugut.<br />
Über den Wochenspruch habe ich im letzten Jahr<br />
erst zu diesem Abend eine Predigt gehalten. Ich<br />
habe nochmal nachgelesen, besser würde eine<br />
Predigt in diesem Jahr über diesen Vers auch<br />
nicht. deshalb weiche ich aus, auf einen der<br />
Marginaltexte des Sonntags Judika ...<br />
<strong>Hebräer</strong> <strong>10</strong>,<strong>11</strong>-<strong>18</strong> – Marginaltext Judika<br />
<strong>11</strong> Und jeder Priester steht Tag für Tag da und<br />
versieht seinen Dienst und bringt oftmals die<br />
gleichen Opfer dar, die doch niemals die Sünden<br />
wegnehmen können.<br />
12 Dieser aber hat ein Opfer für die Sünden<br />
dargebracht, und sitzt nun für immer zur Rechten<br />
Gottes<br />
13 und wartet hinfort, bis seine Feinde zum<br />
Schemel seiner Füße gemacht werden.<br />
14 Denn mit EINEM Opfer hat er für immer die<br />
vollendet, die geheiligt werden.<br />
15 Das bezeugt uns aber auch der heilige Geist.<br />
Denn nachdem der Herr gesagt hat (Jeremia<br />
31,33-34):<br />
16 »Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen<br />
will nach diesen Tagen«, spricht er: »Ich will mein<br />
Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn will ich<br />
es schreiben,<br />
17 und ihrer Sünden und ihrer Ungerechtigkeit will<br />
ich nicht mehr gedenken.«<br />
<strong>18</strong> Wo aber Vergebung der Sünden ist, da<br />
geschieht kein Opfer mehr für die Sünde.<br />
Ein Rückblick auf vergangene Opferpraxis. Eine<br />
alte, längst vergangene Zeit?<br />
Opferstiere und Schafe und Tauben waren es, im<br />
Tempel dargebracht.<br />
Dazu kam’s so: Menschen nahmen den üblen<br />
Zusammenhang dieser Welt wahr und suchten<br />
einen Ausweg. Sie wurden ihrer eigenen<br />
Schuldhaftigkeit gewahr und stellten fest, dass sie<br />
damit nicht gut leben konnten.<br />
Menschen wussten, es wurde ihnen immer wieder<br />
bewusst, dass sie fehlbar sind, dass sie einander<br />
verletzen, dass sie anderen Böses antun, ihnen<br />
Lasten auflegen, die die andern dann zu tragen<br />
haben.<br />
Und mit dieser Vorstellung lebt sich’s halt nicht<br />
leicht. Davon möchte man loskommen. Weil es<br />
nicht dem Ich-Ideal, wie die Psychologen sagen,<br />
entspricht, anderen wehzutun. Ich möchte lieber als<br />
einer dastehen, der anderen hilft, ihnen ihr Leben<br />
leicht und froh macht, der lieber die Lasten anderer<br />
trägt, als andere zu belasten.<br />
Ich möchte ein guter Junge sein, ein Samariter, ein<br />
Pfadfinder mit einer guten Tat jeden Tag und<br />
manchmal eben noch ein paar mehr guten Taten,<br />
einer, der die Welt ein bisschen besser verlässt, als<br />
er sie angetroffen hat, wie der Leitspruch des<br />
ersten Pfadfinderführers Lord Baden Powell hieß.<br />
Nur: So ist das Leben nicht immer. Es gibt das<br />
andere: Die versäumte Chance, gut zu sein. Den<br />
Ausrutscher in dem, was ich sage oder tue, und<br />
das tut anderen weh. Das lässt mich erschrecken.<br />
So bin ich auch. Verletzend, eben ganz und gar<br />
nicht hilfreich. Das macht mir manchmal zu<br />
schaffen.<br />
Dass ich halt nicht nur gut bin, obwohl ich weiß,<br />
was ich zu tun oder zu lassen hätte. Dass ich<br />
versäume, was ich tun sollte, und tue, was ich<br />
lassen sollte. Dass finstere Mächte offenbar nach<br />
mir greifen und mich in ihren Bann ziehen. Das<br />
alles geschieht. Immer wieder.<br />
Deshalb seit eh und je die Suche nach einer<br />
Reparatur, nach einer Wiedergutmachung.<br />
Ungeschehen machen, was gewesen ist. Über<br />
solchen Überlegungen kamen Menschen dazu,<br />
Ersatzopfer vorzunehmen. Wenn schon nicht getan<br />
wurde, was zu tun gewesen wäre, dann wenigstens<br />
ein Opfer für Gott, dass er zurechtbringt, was<br />
schiefgelaufen ist. Wenn schon Böses geschehen<br />
ist, dann wenigstens eine Gabe an Gott, dass er<br />
Schuld nicht zurechnet und Gnade vor Recht<br />
ergehen lässt.<br />
Nein, eigentlich nicht Gnade vor Recht, sondern<br />
Wiedergutmachung. Da gab es ein Defizit, und<br />
dann gibt es eine besondere Gabe, die ich mir vom<br />
Mund abspare. Damit müsste Gott doch zu<br />
versöhnen sein, und wenn er ein noch so strenger<br />
Gott ist.
Das ist die Logik des Opfers. Von alters her.<br />
Wiedergutmachung. Ich gebe, du gibst. Ich gebe<br />
ein Opfertier, du gibst Vergebung.<br />
Nichts, worüber wir die Nase rümpfen sollten. Die<br />
ganz normale menschliche Logik des Gebens und<br />
Nehmens. Ich gebe was, du gibst was. Sie ist uns<br />
sehr vertraut. Die Logik der Wiedergutmachung.<br />
Ein Schaden wird repariert. Dazu muss ich was<br />
tun. Ohne meinen Einsatz kommt nicht in Ordnung,<br />
was in Unordnung geraten ist, durch meine Schuld<br />
in Unordnung geraten.<br />
Wir sollten auch deshalb nicht die Nase rümpfen,<br />
weil hinter dieser Logik die Einsicht in die eigene<br />
Schuld steht.<br />
Eine tiefe Einsicht, die wir in unserer Zeit vielleicht<br />
erst wieder einholen müssten. Die Einsicht in die<br />
Fehlbarkeit unseres menschlichen Lebens.<br />
Eben nicht die glatte Schöner-Wohnen-schöner-<br />
Leben-Philosophie, verlockend, wie sie ist. Denke<br />
positiv, und du wirst locker über die<br />
Schwierigkeiten des Lebens hinwegkommen, auch<br />
über deine eigenen Fehler, deine eigenen<br />
Versäumnisse. Hinter der Logik des Opfers steht<br />
das Eingeständnis, dass das Leben Brüche hat und<br />
Verwerfungen, und manche davon gehen auf mein<br />
Konto, manche gehen zurück auf meine Schuld.<br />
Deshalb eben Opfer, zur Wiedergutmachung, zum<br />
Ausgleich, damit die Balance des Lebens wieder<br />
stimmt. Damit zurechtgerückt wird, was durch<br />
meine Schuld in Unordnung geraten ist. Ein<br />
ehrenwerter Ansatz, diese Opferhaltung.<br />
2<br />
Das aber wird nun abgelöst. Davon spricht der<br />
<strong>Hebräer</strong>brief. Im direkten Vergleich mit der<br />
Opfervorstellung, von der eben die Rede war. Also<br />
nicht, dass er die Schuld aus der Welt<br />
hinwegdiskutieren möchte. Nicht die Flucht in eine<br />
heile Welt, die keine Probleme kennt, keine Kriege,<br />
keine Gewalt, keine Leiden, keine Verzweiflung.<br />
Das nicht.<br />
Aber auch nicht der etwas hilflose Versuch, durch<br />
ein Opfer Gott immer wieder gnädig zu stimmen,<br />
nach geschehener Schuld, nach getanem<br />
Vergehen.<br />
Nein, nicht ein Opfer immer wieder neu für die<br />
jeweils zurückliegende Schuld, so heißt es hier.<br />
Nicht Tag für Tag die gleichen Opfer. Damit ist es<br />
vorbei.<br />
Das hat mit dem zu tun, das geschehen ist, ein für<br />
allemal. Mit dem Weltdrama, das Gott in Gang<br />
gesetzt hat, um seiner Menschheit zum Heil zu<br />
helfen, zu einem ganzen, gelingenden Leben, zu<br />
einem Leben mit Ewigkeitswert, einem Leben, das<br />
nicht einmal der Tod bedroht und beendet.<br />
Jesus hat in seinem Tod die Opfer abgelöst. Ein für<br />
allemal. Mit seinem Opfer. Dieser ... hat ein Opfer<br />
für die Sünden dargebracht.<br />
Nicht, dass Gott dieses Opfer nötig gehabt hätte.<br />
Nicht dass er nicht Sünden vergeben könnte ohne<br />
die kleinliche Gegenrechnung von Sünde und<br />
Opfer, Zug um Zug. Nicht dass Gott so beleidigt<br />
wäre durch unsere menschliche Schuld, so<br />
enttäuscht darüber, dass wir ihm immer wieder aus<br />
dem Ruder laufen, und dass er nun eine<br />
Wiedergutmachung brauchte, ein<br />
Freundschaftsgeschenk, damit er wieder gnädig<br />
auf uns herabschauen könnte.<br />
Das hat man sich manchmal so zusammengereimt,<br />
weil das unserem einfachen Geben-und-Nehmen-<br />
Denken entspricht. So kleinlich ist Gott wohl nicht.<br />
Eher ist es so, dass Jesus, der ein Opfer der<br />
Lieblosigkeit der Herrschenden seiner Zeit<br />
geworden ist, in seinem Tod von Gott als Opfer<br />
angenommen wird für alle Lieblosigkeit dieser Welt,<br />
für alle Schuld und alle Sünde.<br />
Jesus lebt als Kind Gottes. Er ist der Sohn Gottes.<br />
Er lebt in Gottes Spur, in der Liebe zu anderen, in<br />
der Fürsorge für Schwache. Er nimmt sich derer<br />
an, die Hilfe brauchen. Nicht dass er sich nicht<br />
auch abgrenzen würde, nicht dass er nicht auch die<br />
zurechtweisen würde, die ihr übles Spiel treiben.<br />
Nicht dass er alles durchgehen ließe und auf jede<br />
gespielte Schwachheit hereinfiele. Nein, ein<br />
Leisetreter ist er nicht.<br />
Aber er liebt die Menschen, er lädt sie ein zu<br />
Gottvertrauen und zur Sorge füreinander. Das geht<br />
manchen zu weit. Sie würden gern Grenzen<br />
ziehen. Deshalb liefern sie ihn ans Messer.<br />
Deshalb stirbt er am Kreuz.<br />
Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er<br />
sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe<br />
sein Leben zu einer Erlösung für viele, sagt der<br />
Wochenspruch der neuen Woche.<br />
Das ist das Opfer, das Gott ansieht. Jesus lebt das<br />
Leben Gottes und stirbt an dem anderen Leben der<br />
Welt. Deshalb verliert diese andere Welt mit ihren<br />
Gesetzen und Regeln ihre Kraft. Deshalb ist vorbei,<br />
was einmal gültig war, so sehr es noch in die<br />
Gegenwart hineinragt.
Das ist nicht eine Reaktion nach dem Geben-undnehmen-Schema,<br />
das ist ein Weltdrama, das die<br />
Regeln der Welt umkehrt und die Gewichte neu<br />
verteilt. Jetzt gilt das Leben, nicht mehr der Tod,<br />
die Liebe, nicht mehr der Hass, die Sorge<br />
füreinander, nicht mehr die Gleichgültigkeit.<br />
Diesen Prozess, der geschehen ist, dieses Leben,<br />
das erschienen ist, das nun Gültigkeit besitzt, auch<br />
wenn es sich erst noch durchsetzen muss in dieser<br />
Welt, diesen Prozess besiegelt, was dann<br />
beschrieben ist: Jesus sitzt nun für immer zur<br />
Rechten Gottes und wartet hinfort, bis seine Feinde<br />
zum Schemel seiner Füße gemacht werden.<br />
Jesus ist an der Seite Gottes und herrscht im<br />
Himmel über alles, was ist. Jesus, Gott wartet<br />
darauf, dass alles sich nach seinen Regeln ordnet,<br />
dass alles zu seinem Ziel kommt.<br />
3<br />
Nun ist das aber nicht das Ende. Das geduldige<br />
Warten des heiligen Gottes, bis die Welt so wird,<br />
wie er sie will.<br />
Nein, Gott braucht Menschen, Jesus braucht<br />
Helfer, die mithelfen, die Welt zu gestalten, jetzt<br />
schon, auf Erden, damit sein Reich gebaut wird.<br />
Sein Reich, das am Ende erst in aller Herrlichkeit<br />
erscheint, dessen Vorschein jetzt aber schon<br />
dieser Welt Glanz verleihen kann.<br />
Deshalb heißt es: mit EINEM Opfer hat er für<br />
immer die vollendet, die geheiligt werden. Die in<br />
Jesus Fußstapfen gehen, die ihm nachfolgen, die<br />
seine Jünger sind, die sind geheiligt.<br />
Herausgenommen aus der Welt, aus den üblen<br />
Gesetzen der Welt, Gottes Gesetz unterstellt. Sie<br />
sind neue Menschen geworden. Gott hat mit ihnen<br />
einen Bund geschlossen, einen neuen Bund, der<br />
zur Ewigkeit hin trägt.<br />
Gottes Gesetz, Gottes Lebensregeln in unserem<br />
Herzen. Gottes Ziel vor unseren Augen. Gottes<br />
Geist gegenwärtig in unserem Leben. Das ist der<br />
neue Bund.<br />
Dazu sind die Sünden vergeben. Dazu ist Jesus<br />
gestorben. Dazu hat Gott sich in dieses Weltdrama<br />
begeben, dass Gottes Geist uns erfüllt, uns, über<br />
die Grenzen des Volkes Israel hinaus, hineinnimmt<br />
in seine Geschichte, die Welt zu erlösen.<br />
Aus der Sphäre der Sünde und Ungerechtigkeit hat<br />
Gott uns herausgeholt, hinein in den Bereich seiner<br />
Herrschaft, seiner Liebe, seines Lebens.<br />
Also nicht mehr: Opfer gegen Schuld, Ziege gegen<br />
Betrug, Schaf gegen Hartherzigkeit, Ochse gegen<br />
die Verletzung anderer Menschen, Taube gegen<br />
die kleine Schummelei.<br />
Wir haben die Herrschaft gewechselt. Wir gehören<br />
zu Gott. Wir haben sein Gesetz in unserem Sinn,<br />
seinen Geist in unserem Herzen. Wir sind<br />
Jesusleute, Christenleute, Gottesleute.<br />
Das ist auch ein Auftrag, gewiss. Aber eben<br />
getragen von der Perspektive, dass wir teilhaben<br />
an Gottes Leben, jetzt schon, in dieser Zeit und<br />
Welt, und bis in Ewigkeit.<br />
Wo ... Vergebung der Sünden ist, da geschieht kein<br />
Opfer mehr für die Sünde. Da ist alles getan. Und<br />
viel noch zu tun.<br />
Werner Schwartz,<br />
<strong>Diakonissen</strong> <strong>Speyer</strong>-<strong>Mannheim</strong><br />
Warum formuliere ich so distanziert? Ich sollte uns<br />
näher auf die Pelle rücken.<br />
Wir, die in Jesus Fußstapfen gehen, wir, die ihm<br />
nachfolgen, wir, die seine Jünger sind, wir sind<br />
geheiligt. Wir sind herausgenommen aus der Welt,<br />
aus den üblen Gesetzen der Welt, wir sind Gottes<br />
Gesetz unterstellt. Wir sind neue Menschen<br />
geworden. Gott hat mit uns einen Bund<br />
geschlossen, einen neuen Bund, der zur Ewigkeit<br />
hin trägt.<br />
16 »Das ist der Bund, den ich mit ihnen schließen<br />
will nach diesen Tagen«, spricht Gott: »Ich will<br />
mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn<br />
will ich es schreiben, 17 und ihrer Sünden und ihrer<br />
Ungerechtigkeit will ich nicht mehr gedenken.«