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Oktober - Der Fels

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Unionspolitiker und Experten äußern<br />

Zweifel an dieser Zahl. Andere<br />

wissen, dass es sich um eine Empfehlung<br />

(keine Richtlinie!) des Europäischen<br />

Rates im Rahmen einer<br />

„Beschäftigungsstrategie“ handelt.<br />

Und auch die Rechnung ist einfach:<br />

Im Jahr 2013 werden angesichts der<br />

Geburtenzahlen – Prognosen in der<br />

Demographie gehören zu den treffsichersten<br />

überhaupt – maximal zwei<br />

Millionen Kinder unter drei Jahren<br />

in Deutschland leben. Wenn ein Drittel<br />

aufgrund des Elterngelds zuhause<br />

betreut wird, bleiben 1,3 Millionen.<br />

750.000 Plätze machen da schon rund<br />

60 Prozent aus. Berlin kann Übersoll<br />

nach Brüssel melden.<br />

Soviel Plätze werden weder gebraucht<br />

noch von den Müttern gewünscht.<br />

Seriöse Untersuchungen<br />

zeigen es, das Institut für Demographie,<br />

Allgemeinwohl und Familie hat<br />

in seinem wöchentlichen Newsletter<br />

eine Grafik dazu erstellt (www.idaf.org).<br />

Die meisten Mütter wollen<br />

demnach ihre Kinder selber erziehen<br />

und einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen.<br />

Das will das Volk. Aber das<br />

stört nicht. Berlin geht seinen Weg<br />

der Familienpolitik mittels Ausbau<br />

der Infrastruktur. Auch in Paris, wo<br />

die OECD offenbar seit einiger Zeit<br />

mit Argusaugen die Betreuung und<br />

Bildung der Kinder in Deutschland<br />

verfolgt, kann jetzt Meldung erstattet<br />

werden. Noch 2004 hatte die OECD<br />

der Bundesrepublik „einen eklatanten<br />

Rückstand bei der Kinderbetreuung<br />

für die unter Dreijährigen in<br />

Westdeutschland“ bescheinigt – und<br />

zugleich den hohen Versorgungsgrad<br />

in Ostdeutschland als vorbildlich gewürdigt.<br />

Als Vorbild diente die Krippenpolitik<br />

der DDR nicht nur der OECD,<br />

sondern auch Renate Schmidt: Sie<br />

wollte „die Chance nutzen, positive<br />

Entwicklungen in der Bundesrepublik<br />

– wie die allmähliche Emanzipation<br />

der Männer – mit positiven<br />

Entwicklungen der DDR – wie ausreichende<br />

Betreuungsmöglichkeiten<br />

– zu verbinden“. Die in Westdeutschland<br />

verbreitete Skepsis gegenüber<br />

der Ganztagsbetreuung von Kindern<br />

führte von der Leyens Vorgängerin<br />

darauf zurück, dass, wie sie in ihrem<br />

Buch SOS-Familie schreibt, „viele<br />

Mütter ihre derzeit einzige Machtposition,<br />

die sie innehaben, räumen<br />

müssten“. „Sie wären gezwungen,<br />

sich neu zu orientieren, weil vieles<br />

von dem, was sie bisher gearbeitet<br />

haben, wo sie das Sagen, also die<br />

Macht haben, von anderen erledigt<br />

würde. Die unterschwellige Angst<br />

stellt sich ein, dann überflüssig zu<br />

werden.“<br />

Diese Sätze sind decouvrierend<br />

oder auch verräterisch. Familienpolitik<br />

wird gesehen als Machtpolitik.<br />

Das sind nicht nur feministische Parolen.<br />

Familie wird betrachtet als<br />

Machtfaktor, als Objekt von Einfluss,<br />

als Instrument einer Gesellschaftspolitik.<br />

Dieses Funktions-Denken<br />

liegt der neuen Familienpolitik zugrunde.<br />

Familie, die Institution Familie,<br />

ist nicht mehr Ziel einer Politik,<br />

sie besteht nicht mehr aus sich selbst,<br />

geht nicht mehr jeder staatlichen<br />

Autorität voraus, sondern sie unterliegt<br />

– so soll es künftig sein – der<br />

staatlichen Verfügungsgewalt. Sie<br />

hat keine originären Rechte mehr, sie<br />

soll nur Funktionsträger sein im Interesse<br />

einer arbeitsmarktorientierten<br />

Gesellschaftspolitik. Wahlfreiheit,<br />

Subsidiarität, Lastenausgleich – das<br />

war gestern. Es handelt sich um einen<br />

Paradigmenwechsel politischen<br />

Denkens, wie ihn die Republik nach<br />

dem Krieg noch nicht erlebt hat. Und<br />

die CDU kann sagen: Wir haben mitgemacht.<br />

Die Nachhaltigkeit begann im Jahr<br />

2000. Das von der Regierung Kohl<br />

eingeführte Erziehungsgeld wird reformiert<br />

und ersetzt durch das unter<br />

Renate Schmidt konzipierte Elterngeld.<br />

Es zahlt zwölf Monate Lohnersatz.<br />

Früher erhielten geringer<br />

verdienende Eltern bis zu 24 Monate<br />

Erziehungsgeld. Nun sollen Mütter<br />

schneller ins Erwerbsleben zurückkehren<br />

– wie es in der Gesetzesbegründung<br />

heißt. Das Erziehungsgeld<br />

sollte dagegen „als Beitrag zur finanziellen<br />

Grundsicherung einer festen<br />

Kinderbetreuung durch die Eltern“<br />

dienen und ihre „Erziehungsleistung<br />

in der besonders wichtigen Sorge um<br />

das Wohl ihrer Kinder in den ersten<br />

Lebensjahren“ würdigen. Jetzt sieht<br />

man das Kindeswohl in der Krippe<br />

gewährleistet. Denn die Betreuung<br />

in der Familie solle durch das Elterngeld<br />

„keinesfalls zur Norm erklärt<br />

werden“, erläutert der 12. Kinderund<br />

Jugendbericht. In dem Bericht ist<br />

ferner zu lesen, dass die „Vorstellung<br />

von „der ausschließlichen und ununterbrochenen<br />

Betreuung“ kleiner<br />

Kinder „durch eine einzige Bezugsperson,<br />

in der Regel durch die Mutter“<br />

von der modernen Bindungstheorie<br />

„aufgegeben“ worden sei. Eine<br />

nicht belegbare Behauptung. Das Gegenteil<br />

gewinnt vor allem im Ausland<br />

durch neue wissenschaftliche Ergebnisse<br />

in der Hirn-und Bindungsforschung<br />

immer mehr Befürworter. In<br />

Deutschland dagegen heißt es: „Die<br />

Verantwortung dafür, dass Kinder<br />

sich positiv entwickeln“ dürfe „nicht<br />

einseitig der einzelnen Familie übertragen<br />

werden“. Das 2008 verabschiedete<br />

„Kinderförderungsgesetz"<br />

296 DER FELS 10/2009

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