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<strong>Der</strong> Messias ist unser Heil<br />
Edith Stein und die Botschaft des Alten Testamentes<br />
Von Irmgard Schmidt-Sommer<br />
Das Geheimnis der Erwählung<br />
„Sie können nicht nachfühlen,<br />
was es für mich bedeutet, dass die<br />
Mutter Jesu Jüdin war.“ Dieser Ausspruch<br />
Edith Steins lässt etwas von<br />
dem Geheimnis erahnen, was es<br />
bedeutet, zum Volk Israel, dem auserwählten<br />
Volk Gottes, zu gehören.<br />
Dieser Erwählung sind sich die<br />
meisten Konvertiten bewusst, die<br />
aus dem Judentum kommen und<br />
sich haben taufen lassen. Uns begegnet<br />
hier das Geheimnis der<br />
Erwählung eines ganzen Volkes,<br />
aus dem der Messias für dieses Volk<br />
und für die Welt hervorgegangen<br />
ist. Verfolgt man die Geschichte dieses<br />
Volkes mit Gott, so zeigt sich,<br />
dass es sich einerseits nach seinen<br />
Weisungen gerichtet und an ihn<br />
geglaubt hat, dass es andererseits<br />
jedoch oft von Gott abgefallen ist<br />
und ihn erzürnt hat. Und doch steht<br />
Gott ihm zur Seite, hilft ihm und errettet<br />
es immer wieder aus tiefer Not.<br />
Es scheint aber auch das Geheimnis<br />
der Erwählung jedes einzelnen<br />
auf, besonders die Erwählung und<br />
Berufung derer, die als Angehörige<br />
des Volkes Israel den Messias gefunden<br />
haben.<br />
Die Kinder gläubiger jüdischer<br />
Familien sind wie Edith Stein in dem<br />
Glauben aufgewachsen, dass der<br />
Messias noch zu erwarten sei. Deshalb<br />
bedeutet für jüdische Familien<br />
die Konversion eines Familienmitgliedes<br />
zur katholischen Kirche –<br />
eher toleriert man die zum Protestantismus<br />
– einen Bruch mit dem<br />
Glauben der Väter. Eine Schwester<br />
von Edith Stein hatte die Vorstellung,<br />
die katholische Kirche sei eine<br />
Art „mystische Sekte“; deshalb<br />
konnte sie nicht verstehen, dass ihre<br />
kluge Schwester auf so etwas her-<br />
einfallen konnte. Und ihre Mutter<br />
war sehr erstaunt, dass in der Kirche<br />
die Psalmen gebetet werden. Sie<br />
hat als gläubige Jüdin den Weg ihrer<br />
Tochter nie akzeptieren können.<br />
Altes und Neues Testament<br />
– neu erfahren<br />
Edith Stein erschloss sich durch<br />
ihre Konversion der Reichtum der<br />
jüdischen Religion neu, und zwar<br />
durch den Messias und Gottmenschen<br />
Jesus, der in diesem Volk und<br />
seinen Traditionen gelebt, die Propheten<br />
ausgelegt und<br />
das Gebet des auserwählten<br />
Volkes gepflegt<br />
hat. Er fügte<br />
sich völlig ein in die<br />
Religion seines Volkes,<br />
feierte die Feste<br />
mit und begab sich –<br />
wissend um seinen<br />
Tod – auf die Wallfahrt<br />
nach Jerusalem. Er<br />
war als Mensch ganz<br />
eingebunden in das<br />
jüdische Volk. Edith<br />
Stein war der Überzeugung,<br />
dass der<br />
menschgewordene<br />
Gottessohn in einem<br />
Volk beheimatet sein<br />
musste, um ganz<br />
Die Gottsucherin<br />
Edith Stein als junge<br />
Wissenschaftlerin.<br />
„Unruhig ist unser<br />
Herz, bis es Ruhe findet<br />
in dir, oh Gott.“<br />
(Augustinus)<br />
Mensch sein zu können... In der Abhandlung<br />
„<strong>Der</strong> Aufbau der menschlichen<br />
Person“ (1932/33) schreibt<br />
sie:<br />
„Wenn es einen Menschen gibt,<br />
dessen Sein von Bedeutung für die<br />
ganze Menschheit und für jeden einzelnen<br />
Menschen ist, so müßte man<br />
erwarten, dass dieser Mensch – wenn<br />
überhaupt einer – frei von Bindung<br />
an ein einzelnes Volkstum sein müsse.<br />
Und doch ist dieser einzigartige<br />
Mensch, das Haupt der ganzen<br />
Menschheit, aus einem Volk und in<br />
einem Volk geboren, hat in diesem<br />
Volk gelebt und es als Werkzeug der<br />
DER FELS 12/<strong>2003</strong> 341