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Dezember 2003 - Der Fels

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Jesus wirft seinen Jüngern vor:<br />

„Habt ihr denn immer noch keinen<br />

Glauben?“ <strong>Der</strong> heilige Matthäus<br />

sagt im entsprechenden Abschnitt<br />

(8,26): „ Ihr Kleingläubigen“, ihr,<br />

die ihr wenig Glauben habt (oligopistoi).<br />

Kardinal Lustiger während der Predigt beim Abschlussgottesdienst<br />

des Kongresses „Freude am<br />

Glauben“ in Fulda.<br />

<strong>Der</strong> Glaube, um gegen diese<br />

Feigheit anzugehen und sie zu bekämpfen,<br />

besteht aber nicht nur in<br />

einer Überzeugung, einer zusätzlichen<br />

oder austauschbaren Meinung.<br />

<strong>Der</strong> Glaube besteht in erster Linie<br />

darin, sich auf die Kraft des Lebens,<br />

also auf Gott zu stützen, so schwach<br />

man dabei auch sein mag. Diese<br />

Umkehrung des eigenen Wesens,<br />

diese Umkehrung des Herzens, ist<br />

ein echter geistlicher Kampf.<br />

<strong>Der</strong> Mensch, der ergriffen wird<br />

vom Aufbegehren des Lebens, der<br />

angesichts des Zusammenbruchs<br />

seines Lebens oder der Faszination<br />

vor dem Nichts nicht nur dem Tod<br />

entrinnen will, sondern der auch<br />

hoffen will, der Mensch, der das Leben<br />

suchen will – auch wenn er<br />

nicht weiß, welchen Herrn des Lebens<br />

er um das Heil bittet – dieser<br />

Mensch trägt bereits ein klein wenig<br />

Glauben in sich.<br />

Denn dann ist Christus da, der<br />

leidende Messias, der unseren Tod<br />

trägt – erinnert euch an die Worte<br />

des Heiligen Paulus an die Korinther,<br />

die wir soeben vernommen<br />

haben – , Christus, in dem wir gestorben<br />

sind und in dem wir das<br />

Leben empfangen, Christus, der zu<br />

schweigen schien,<br />

an dasselbe Los genagelt<br />

wie wir, dieser<br />

Christus ist hier,<br />

der wacht und erwacht.<br />

Und die<br />

Gnade, die er in uns<br />

gelegt hat, erweckt<br />

uns, hin in seine<br />

Gegenwart.<br />

Angesichts dieses<br />

Wunders unserer<br />

besiegten Feigheit<br />

entdecken wir,<br />

dass das von Gott<br />

geschenkte Leben<br />

stärker ist als der<br />

Tod, der uns in<br />

Bann schlägt, stärker<br />

als die Sünde,<br />

die uns in Ketten<br />

hält. Wir entdecken,<br />

dass der Sieg Christi<br />

uns erlösen kann<br />

und uns lebendig<br />

macht. Dann beginnen<br />

wir zu verstehen,<br />

dass dieses<br />

Geheimnis größer<br />

ist als alles, was wir<br />

uns vorstellen können.<br />

Dann wohnt die Gottesfurcht in<br />

uns, wie in den Jüngern. „Da ergriff<br />

sie eine große Furcht und sie<br />

sagten zueinander: Wer ist wohl<br />

dieser?“<br />

Sie befinden sich an der Schwelle<br />

des Geheimnisses. Sie sind noch<br />

ohne Antwort auf die Frage, die ihnen<br />

die Größe Gottes, der sich in<br />

seinem Sohn offenbart, aufwirft.<br />

Sie haben keine Antwort; und<br />

doch: gerade ihre Frage lässt bereits<br />

die Offenbarung vorausahnen, die<br />

sie empfangen werden und zu deren<br />

Zeugen sie dann später werden.<br />

Zwar sind sie noch ohne Glauben;<br />

doch die Macht Gottes hat in<br />

ihnen bereits den Glauben hervorgerufen.<br />

Im Lichte dieses prophetischen<br />

Ereignisses werden sowohl ihre<br />

Feigheit und Angst vor der Passion<br />

des Herrn wie auch ihre Bestürzung<br />

und Furcht vor seiner Auferstehung<br />

den Jüngern verständlich machen,<br />

dass sie den Vorwurf verdienen, den<br />

Jesus den Emmaus-Jüngern macht:<br />

„O ihr Unverständigen! Ihr seid zu<br />

schwerfällig, um auf all das hin zu<br />

glauben, was die Propheten gesagt<br />

haben.“ (Lk 24, 25)<br />

Im Lichte dieses prophetischen<br />

Ereignisses müssen auch wir verstehen,<br />

dass wir denselben Vorwurf<br />

verdienen, wenn uns die Angst ergreift<br />

angesichts der Lage der Kirche,<br />

wo uns doch Jesus versichert<br />

hat: „Seht, ich bin bei euch alle Tage<br />

bis ans Ende der Welt.“ (Mt 28, 20)<br />

<strong>Der</strong> Sturm erschüttert sowohl das<br />

Boot Petri, wie auch die Jünger und<br />

selbst Jesus. Dieser Meeressturm ist<br />

Bild unserer Welt, alle Menschen<br />

werden hineingerissen in den Taumel<br />

ihrer eigenen Zerstörung. Sie<br />

sind keine Gegner, vielmehr sind sie<br />

die Opfer und die Gefangenen ihrer<br />

Sünde.<br />

Christus, der einzige Retter der<br />

Menschen, nimmt unsere Schuld auf<br />

sich, unsere Wunden nimmt er auf<br />

sich, um uns davon zu befreien: er<br />

bringt den Sturm, der auch ihn herumwirbelt,<br />

zur Ruhe; er verflucht<br />

ihn nicht. Denn sein Sieg ist die Befreiung<br />

der Menschen, die im Begriff<br />

sind unterzugehen; und „unser Sieg<br />

ist unser Glaube“, wie es der heilige<br />

Johannes sagt (1 Joh 5,4).<br />

Brüder und Schwestern, mögt ihr<br />

doch Gott um diese Gnade bitten<br />

und sie auch empfangen! Und erinnert<br />

euch:<br />

– es gibt eine feige Angst – diese<br />

gilt es mit der Kraft des Glaubens<br />

zu bekämpfen.<br />

– und es gibt eine Furcht vor<br />

der Größe Gottes: eine Offenheit<br />

des Herzens, die Gabe des Glaubens<br />

ist. Und verstummen mögen wir vor<br />

solch einer Größe. Doch diese<br />

Furcht Gottes ist heilige Furcht, ja,<br />

sie ist der „Anfang der Weisheit“ (Sir<br />

25,16). Denn sie gibt uns das wahre<br />

Maß aller Dinge, das wahre Maß<br />

unseres Lebens.<br />

!<br />

340 DER FELS 12/<strong>2003</strong>

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