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Dezember 2003 - Der Fels

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Die Weihnachtsgeschichte ist<br />

eine reiche Geschichte –<br />

von Armut und Vertreibung,<br />

von den reinen Herzen der Hirten<br />

und den bösen der Herrscher. Aber<br />

menschliche Schwäche und göttliche<br />

Güte sind in ihr allgegenwärtig,<br />

und deshalb ist die Weihnachtsgeschichte<br />

auch eine Geschichte der<br />

Versöhnung.<br />

Sie wiederholt sich seit zweitausend<br />

Jahren. Auch mitten unter uns.<br />

Zum Beispiel in Nordirland. Die<br />

Benediktiner haben in dem Ort<br />

Rostrevor in der Nähe der Kleinstadt<br />

Down ein Kloster errichtet mit einer<br />

Art Forum, damit Katholiken und<br />

Protestanten organisiert ins Gespräch<br />

kommen und ihre gegenseitigen,<br />

von Politik und nationalistischen<br />

Ideen geprägten Vorurteile abbauen.<br />

Und sie haben Erfolg damit. Seit fünf<br />

Jahren führen sie Menschen zusammen<br />

und gemeinsam zu Christus.<br />

Das Zentrum wächst, dank der Unterstützung<br />

kirchlicher Werke, zum<br />

Beispiel „Kirche in Not“, der von<br />

Pater Werenfried van Straaten zu<br />

Weihnachten 1947 gegründeten<br />

Hilfsorganisation. Dieses Hilfswerk<br />

hat sich der Versöhnung unter dem<br />

Zeichen des Kreuzes verpflichtet.<br />

Das Charisma des Weihnachtsgeschehens<br />

ist für dieses Werk wete,<br />

übrigens nicht nur in Deutschland.<br />

Parallel zu der Relativierung<br />

aller Werte, dem Aufkommen eines<br />

Materialismus – das Wirtschaftswunder<br />

wurde zur Inkarnation des<br />

nationalen Ziels – entstand eine<br />

Verhütungsmentalität, die auf Sicherheit<br />

und Wohlstand und seine<br />

Vermehrung ausgerichtet war und<br />

alles vermeiden wollte, was diese<br />

Ziele beeinträchtigen<br />

könnte.<br />

Werte aber sind<br />

nicht immer eine<br />

kommode Angelegenheit,<br />

sie<br />

können Geld und<br />

Anstrengung<br />

kosten. Kinder<br />

zu haben und zu<br />

erziehen stört das<br />

Wohlstandsdenken und, wichtiger<br />

noch: das Sicherheitsdenken. Erst<br />

viel später, in unseren Tagen, erkannte<br />

man in den politischen Kreisen,<br />

dass Kinder Zukunft und damit<br />

auch Sicherheit bedeuten. Aber<br />

es ist vielleicht schon zu spät,<br />

jedenfalls nicht mehr rechtzeitig,<br />

um die Polarisierung innerhalb der<br />

Generationen zu überdecken und<br />

die Gerechtigkeitslücke zu überbrücken.<br />

Die Korrektur des Geburtsfehlers<br />

wird nur noch operativ gelingen.<br />

<strong>Der</strong> Eingriff wird schmerzhaft<br />

sein, und er kann nur, wenn die<br />

Gerechtigkeitslücke geschlossen<br />

werden soll, zu Lasten des Wohlstands<br />

der Kinderlosen gehen.<br />

Denn diese haben den Wohlstand<br />

per Systemtransfer von den Familien<br />

geborgt.<br />

Die Operation ist dringend. Ohne<br />

Familie versiegt der Gemeinsinn.<br />

Ohne den Humus Familie verdorrt<br />

die Solidarität. Es kommt darauf an,<br />

der Familie den Freiraum zu lassen,<br />

damit diese Quelle das gesellschaftliche<br />

Feld befruchten kann. Wer die<br />

Familie erobern oder instrumentalisieren<br />

will, hat keine Ahnung von<br />

dieser Lebensquelle der Gesellschaft.<br />

Wer die Familie zerstört, verschüttet<br />

diese Quelle. Die Stärke<br />

einer Nation lebt von der Stärke ihrer<br />

Familien, sagte Johannes Paul II.<br />

vor der UNO. Deswegen ist es<br />

zukunftsentscheidend für ein Volk,<br />

dass die Familien leben und die<br />

Früchte ihrer Erziehung weitergeben<br />

können. Das braucht die Gesellschaft,<br />

denn „Erziehung ist<br />

Ohne Familie keine wirksame<br />

Erziehung, ohne Erziehung<br />

keine Persönlichkeit,<br />

ohne Persönlichkeit keine Freiheit.<br />

Montesquieu<br />

Beschenkung mit Menschlichkeit“,<br />

wie Johannes Paul II. in seinem<br />

Brief an die Familien schreibt. Ohne<br />

dieses Geschenk (der Eltern an die<br />

Kinder) wird die Gesellschaft kälter<br />

– und riskanter. Zur Menschlichkeit<br />

gehört der Sinn für Freiheit.<br />

Paul Kirchhof weist, Montesquieu<br />

zitierend, auf die gesellschaftliche<br />

Bedeutung der Familie für eine freiheitliche<br />

Gesellschaft<br />

hin, wenn<br />

er die Kausalkette<br />

aufstellt:<br />

Ohne Familie<br />

keine wirksame<br />

Erziehung, ohne<br />

Erziehung keine<br />

Persönlichkeit,<br />

ohne Persönlichkeit<br />

keine<br />

Freiheit. Man könnte anschließen:<br />

Ohne freiheitsbewusste Bürger keine<br />

Demokratie.<br />

Mehr noch: „Aus der Familie erwächst<br />

der Friede für die<br />

Menschheitsfamilie“, schrieb Papst<br />

Johannes Paul zum Jahr der Familie<br />

1994. „Die Familie in eine untergeordnete<br />

und nebensächliche<br />

Rolle zu versetzen, sie aus der ihr<br />

in der Gesellschaft gebührenden<br />

Stellung auszuschließen, heißt, dem<br />

echten Wachstum des gesamten<br />

Sozialgefüges einen schweren Schaden<br />

zu zufügen.“ Dieser Schaden<br />

hat heute einen Namen. Es ist die<br />

systembedingte Gerechtigkeitslücke<br />

zwischen den Familien und<br />

willentlich Kinderlosen, nicht zwischen<br />

Alt und Jung. Im Gegenteil,<br />

zwischen den Generationen funktioniert<br />

der Generationenvertrag noch<br />

und manchmal sogar besser als<br />

zuvor. Viele Großeltern helfen ihren<br />

Kindern. Es findet ein Austausch<br />

an Großzügigkeit statt, eine<br />

jener Voraussetzungen wieder, von<br />

der der Staat lebt, die er aber nicht<br />

geschaffen hat. Dieser innerfamiliäre<br />

Austausch wird zahlenmäßig<br />

dünner. Das System zehrt die<br />

Familie aus, es muss strukturell geändert<br />

werden. Dazu gehört auch<br />

das Umdenken. <strong>Der</strong> Befund Ende<br />

der siebziger Jahre war richtig: Es<br />

bedarf auch einer geistig-moralischen<br />

Wende. Sie fand in der Ära<br />

Kohl nicht statt. Sie ist immer noch<br />

nötig. Ohne Sinn für Werte und<br />

Wahrheit wird es kein gerechtes<br />

System geben.<br />

!<br />

348 DER FELS 12/<strong>2003</strong>

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