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Fortsetzung folgt - Der Fels

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klamierte und den Gehorsam verweigerte,<br />

da wußte er nicht, wie sehr dies<br />

dazu beitragen würde, daß Krieg,<br />

Elend und Not für Jahrzehnte das<br />

Geschehen in Europa bestimmen würde.<br />

Die Gewissenszweifel und die<br />

Verweigerung des Gehorsams brachten<br />

auch nachhaltendes geistiges<br />

Elend. Europa hat sich davon immer<br />

noch nicht erholt.<br />

Das sind keine angenehmen Wahrheiten<br />

für die Deutschen. Natürlich<br />

sind die Protestanten unsere Brüder im<br />

Glauben, aber deshalb muß man nicht<br />

dieselben Fehler begehen oder fortsetzen.<br />

Schon die Königsteiner Erklärung<br />

wurde nicht korrigiert, obwohl mittlerweile<br />

doch wissenschaftlich erwiesen<br />

ist, daß sie keineswegs so zustande<br />

kam, wie einige das immer noch behaupten.<br />

Die Berufung auf das eigene<br />

Gewissen - das ja bekanntlich auch<br />

irren kann - als letzte Instanz findet in<br />

der Beratung mit Schein ihre nun todbringende<br />

<strong>Fortsetzung</strong>. Ein Land aber,<br />

in dem selbst die Kirche dem Leben als<br />

solchen nur noch bedingten Schutz<br />

gewährt, in dem manche Hirten die<br />

Herde der schutzlosen ungeborenen<br />

Kinder verlassen, um sich am Feuer<br />

der Politik die Hände zu reiben, und<br />

selbst den Ruf des Hahnes nicht mehr<br />

vernehmen wollen, dieses Land ist<br />

vom Virus der Kultur des Todes infiziert.<br />

Das wird sich auch in anderen Bereichen<br />

fortsetzen, zum Beispiel bei<br />

der „aktiven Sterbehilfe“, der Euthanasie,<br />

der Gentechnik oder auch der<br />

Tötung von vermeintlich behinderten<br />

Ungeborenen nach einer Fruchtwasseruntersuchung<br />

oder allgemein<br />

pränatalen Diagnostik. <strong>Der</strong> Schutz des<br />

Lebens vom Anfang bis zum Ende<br />

erfordert bisweilen „Mut zum Widerstand<br />

- und wohl auch mehr Abstand<br />

vom Staat“ (Gräfin Plettenberg). <strong>Der</strong><br />

entscheidende Gesichtspunkt, schrieb<br />

Romano Guardini in einer Schrift über<br />

„das Recht des werdenden Menschenlebens“<br />

1949, liegt in der Tatsache, daß<br />

der Mensch Person ist. Grundsätzlich<br />

hänge die Personalität „weder am Alter,<br />

noch am körperlich-seelischen<br />

Zustand, noch an der Begabung, sondern<br />

an der geistigen Seele, die in jedem<br />

Menschen ist. ....Es ist sogar<br />

möglich, daß sie überhaupt nicht in den<br />

Akt tritt, weil die physisch-psychischen<br />

Voraussetzungen dafür fehlen,<br />

wie beim Geisteskranken oder Idioten.<br />

Er lebte den Glaubensgehorsam in<br />

schwieriger Zeit: <strong>Der</strong> Mainzer Bischof<br />

Wilhelm Emmanuel Freiherr von<br />

Ketteler, ein Vorbild für heute.<br />

Dadurch unterscheidet sich aber der<br />

gesittete Mensch vom Barbaren, daß<br />

er sie auch in dieser Verhüllung achtet.<br />

So kann sie auch verborgen sein wie<br />

beim Embryo, ist aber in ihm bereits<br />

angelegt und hat ihr Recht. Diese Personalität<br />

gibt dem Menschen seine<br />

Würde.“ Die Kirche ist heute die einzige<br />

Institution, die weltweit ein kohärentes<br />

Menschenbild vertritt und die<br />

Natur des Menschen mit seiner Würde<br />

verteidigt. Dafür sollte die Politik<br />

eigentlich dankbar sein statt zu versuchen,<br />

die Kirche für die machtpolitischen<br />

Ziele einer Partei einzuspannen.<br />

Oh ihr Kleingläubigen, sagt Jesus zu<br />

den Aposteln, den Vorgängern der Bischöfe.<br />

Ist nicht der auch kleingläubig,<br />

der die Kraft dieser Kohärenz nicht<br />

sieht und das Evangelium vom Leben<br />

wegen taktischer Vorteile oder zu großer<br />

Nähe zur Politik in eine falsch<br />

verstandene Gewissenspflicht einpfercht<br />

statt dieses großartige Menschenbild<br />

in seinem Kontext zu verkünden?<br />

In Österreich gibt es neuerdings<br />

Familienreferate in den Diözesen,<br />

die das unternehmen und als vorbildlich<br />

darf man hier das erste Referat<br />

dieser Art, das Familienreferat der<br />

Erzdiozöse Salzburg nennen. Mit<br />

Evangelium Vitae und dem zu erwartenden<br />

Dokument des Papstes, das die<br />

Beratungsfrage in diesen Zusammenhang<br />

einordnen wird, könnte die<br />

Familienpastoral im Sinne der Wahrheit<br />

und nicht der politischen Nützlichkeit<br />

neuen Schwung erhalten. Es wäre<br />

jedenfalls fatal, wollte man annehmen,<br />

daß die Gläubigen in Deutschland ihrem<br />

Hirten wie Schafe in den Irrtum<br />

<strong>folgt</strong>en.<br />

<strong>Der</strong> zu erwartende Brief des Papstes<br />

wird die Ergebnisse der Beratung Ende<br />

Mai zusammenfassen und in den Kontext<br />

einer „großen Strategie gegen die<br />

Abtreibung“, zu der er jetzt bei seinem<br />

Besuch in Polen erneut aufrief, stellen.<br />

Er wird inhaltlich in der Linie stehen,<br />

die er schon bei seinem Besuch in<br />

Paderborn und auch in seinem Schreiben<br />

an die Deutsche Bischofskonferenz<br />

vom September 1995 gezogen<br />

hatte. Es wird auch um die staatliche<br />

Beratung gehen, aber vor allem um die<br />

kirchliche. Es wird eine zielorientierte<br />

Beratung zum Leben sein, die sich mit<br />

der Erteilung des Scheines für eine<br />

ergebnisoffene Beratung nicht in Einklang<br />

bringen läßt. Das Dokument<br />

wird die deutschen Bischöfe vor die<br />

Entscheidung stellen, ob sie mit Rom<br />

gehen wollen oder mit jenen, die den<br />

Glanz der Wahrheit fürchten.<br />

Jene, die nur ihrem Gewissen folgen<br />

wollen, werden vermutlich das Jahr<br />

1517 als vergangene Geschichte abtun,<br />

die nicht nachwirke. Damals erließ<br />

Rom die Bannbulle gegen Luther.<br />

Aber vielleicht werden sie an den<br />

Mainzer Bischof Ketteler denken, der<br />

auf dem ersten Vatikanum gegen die<br />

Unfehlbarkeit des Papstes argumentierte<br />

und dann vor dem Ende des<br />

Konzils abreiste - nicht aus Protest,<br />

sondern um nicht mit Nein gegen den<br />

Papst zu stimmen. Er hat, sagte dieser<br />

Vorgänger von Bischof Lehmann, die<br />

Entscheidung aus Rom selbstverständlich<br />

anerkannt. Gehorsam oder Gewissen<br />

- das war keine Alternative für den<br />

großen Mainzer Bischof des Kulturkampfs.<br />

Für ihn besaß der Glaubensgehorsam<br />

aus theologischen, aber<br />

auch aus politischen Gründen absolute<br />

Priorität. Gehorsam oder Gewissen<br />

- das ist auch die Frage in der heutigen<br />

Zeit. Die Kultur des Lebens verlangt<br />

den Gehorsam in der Wahrheit. Man<br />

muß die Wahrheit auch wollen, sagte<br />

ein anderer Zeitgenosse von Ketteler<br />

und heimlicher Bewunderer des Katholizismus,<br />

der Soziologe Max Weber.<br />

Die Wahrheit wollen - das zielt<br />

manchmal weiter als das Postulat eines<br />

Gewissens, das in den engen, nationalen<br />

Grenzen eines Situations-<br />

Wissens die Willenskraft trübt und<br />

damit die Interessen und den Welt-<br />

Auftrag der Kirche vergißt. ¨<br />

228 DER FELS 7-8/1997

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