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Fortsetzung folgt - Der Fels

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Wie verbindlich sind die Aussagen des kirchlichen<br />

Lehramtes ?<br />

Anmerkungen zur Rezeption lehramtlicher Dokumente und dem Problem des<br />

öffentlichen Dissenses<br />

Von Erzbischof Tarcisio Bertone<br />

Die Dokumente des obersten Lehramtes<br />

finden heute nicht nur Zustimmung,<br />

Anerkennung und Glaubensgehorsam,<br />

sondern auch Mißbilligung und Widerspruch<br />

seitens einiger Theologen sowie<br />

von katholischen Gruppen und Verbänden.<br />

Dies ist besonders deutlich geworden<br />

in der Frage des Frauenpriestertums<br />

(ordinatio sacerdotalis).<br />

Die Diskussion bezog sich dabei u.a. auf<br />

den Grad der Verbindlichkeit und die<br />

Endgültigkeit und damit auf die unwiderrufliche<br />

Zustimmung seitens der<br />

Gläubigen zu den Dokumenten des<br />

obersten Lehramtes. Die so geschaffene<br />

Unsicherheit hat unter den Gläubigen<br />

zu Verwirrung und zu heftigen Auseinandersetzungen<br />

innerhalb der Kirche<br />

geführt. Die Ausführungen von Erzbischof<br />

Tarcisio Bertone, Sekretär der<br />

Kongregation für die Glaubenslehre,<br />

tragen zur notwendigen Klärung und<br />

Orientierung in dieser hochaktuellen<br />

Frage bei.<br />

Einige in der jüngeren Vergangenheit<br />

veröffentlichte Dokumente des<br />

Lehramts haben in Kreisen der Kirche<br />

und der Gesellschaft ein breites und<br />

hinsichtlich bestimmter Aussagen<br />

manchmal auch heftiges Echo gefunden.<br />

Zu nennen sind dabei vor allem<br />

die Enzykliken Veritatis splendor und<br />

Evangelium vitae, das Apostolische<br />

Schreiben Ordinatio sacerdotalis, das<br />

Responsum ad dubium der Kongregation<br />

für die Glaubenslehre über die<br />

Lehre von Ordinatio sacerdotalis sowie<br />

das von derselben Kongregation<br />

an die Bischöfe der katholischen Kirche<br />

gerichtete Schreiben über den<br />

Kommunionempfang von wiederverheirateten<br />

geschiedenen Gläubigen.<br />

Im Bereich der Kirche fehlte es<br />

beim Erscheinen dieser Dokumente<br />

nicht an Bekundungen vorbehaltloser<br />

Übereinstimmung und lebhafter Anerkennung.<br />

Viele Kardinäle und Bischöfe<br />

wie auch Bischofskonferenzen<br />

und eine große Anzahl von Priestern<br />

und Laien brachten in Briefen an den<br />

Papst bzw. an die Kongregation für die<br />

Glaubenslehre ihre Zustimmung zu<br />

der in den genannten Dokumenten<br />

dargelegten Lehre zum Ausdruck.<br />

Sehr geschätzt wurde auch, daß die<br />

päpstlichen Verlautbarungen - die beiden<br />

Enzykliken und das Apostolische<br />

Schreiben Ordinatio sacerdotalis - im<br />

voraus den Vorsitzenden einiger wichtiger<br />

Bischofskonferenzen im Rahmen<br />

einer Begegnung im Vatikan vorgestellt<br />

wurden. Dadurch konnte das<br />

Band der Gemeinschaft zwischen dem<br />

Apostolischen Stuhl und den einzelnen<br />

Bischöfen und Bischofskonferenzen<br />

vertieft und die Verbreitung und<br />

Aufnahme der Lehrschreiben gefördert<br />

werden.<br />

Zugleich aber regten sich von seiten<br />

einiger Theologen sowie kirchlicher<br />

Gruppen und Verbände Stimmen<br />

der Mißbilligung und des Widerspruchs,<br />

die sowohl den Inhalt und die<br />

theologische Grundlage wie auch den<br />

doktrinellen Wert und die Verbindlichkeit<br />

der Lehraussagen in Frage stellten.<br />

Man zog vor allem in Zweifel, ob<br />

diese Aussagen als endgültige oder gar<br />

unfehlbare Lehren des Magisteriums<br />

anzusehen seien. Daher scheint es angebracht,<br />

einige Überlegungen zu den<br />

wichtigsten der aufgeworfenen Fragen<br />

anzustellen, vor allem in bezug<br />

auf den Wert und den Autoritätsgrad<br />

solcher lehramtlicher Verlautbarungen.<br />

I. Vor diesem Hintergrund und im<br />

Lichte der Reaktionen und hauptsächlichen<br />

Kritiken an den genannten<br />

Lehrschreiben scheint es nötig, sich<br />

besonders jenen Aspekten zuzuwenden,<br />

die im theologischen und kirchlichen<br />

Klima von heute die Ursache<br />

von Verwirrung und Unklarheit sind<br />

und so negative Auswirkungen auf die<br />

Lehrpraxis der Theologie und auf das<br />

Verhalten gewisser kirchlicher Kreise<br />

haben:<br />

1. An erster Stelle gilt es, auf jene<br />

Tendenz aufmerksam zu machen, die<br />

alles auf dem Maßstab der Unterscheidung<br />

zwischen „unfehlbarem Lehramt“<br />

und „fehlbarem Lehramt“ messen<br />

will.<br />

Auf diese Weise wird die Unfehlbarkeit<br />

zum dominierenden Kriterium<br />

bei allen Fragen bezüglich der Autorität,<br />

und zwar in einem solchen Maß,<br />

daß faktisch der Begriff der Autorität<br />

durch den der Unfehlbarkeit ersetzt<br />

wird. Zudem wird die Frage nach der<br />

Unfehlbarkeit des Lehramts häufig<br />

mit der Frage nach der Wahrheit einer<br />

Lehre verwechselt. Man nimmt an,<br />

daß die Unfehlbarkeit die Vorbedingung<br />

für die Wahrheit und Unabänderlichkeit<br />

einer Lehre sei und macht die<br />

Wahrheit und Endgültigkeit einer<br />

Lehre von der gegebenen bzw. nicht<br />

gegebenen Unfehlbarkeit lehramtlicher<br />

Verlautbarungen abhängig.<br />

In Wirklichkeit aber leiten sich Wahrheit<br />

und Unabänderlichkeit einer Lehre<br />

vom depositum fidei her, welches<br />

durch Schrift und Tradition überliefert<br />

ist. Die Unfehlbarkeit hingegen bezieht<br />

sich lediglich auf den Grad der<br />

Gewißheit des kirchlichen Lehrakts.<br />

In verschiedenen kritischen Stellungnahmen<br />

wird ferner vergessen, daß die<br />

Unfehlbarkeit einer Lehre sowie die<br />

geschuldete endgültige und unwiderrufliche<br />

Zustimmung nicht bloß jenen<br />

Lehren zukommen, die in feierlicher<br />

Weise vom Papst oder einem ökumenischen<br />

Konzil „definiert“ worden<br />

sind. Wenn die Bischöfe in den einzelnen<br />

Diözesen in Gemeinschaft mit<br />

dem Nachfolger Petri eine Lehre als<br />

verbindlich zu halten (vgl. Lumen<br />

Gentium, 25) vorlegen, erfreuen sie<br />

sich derselben Unfehlbarkeit, die auch<br />

dem Lehramt des Papstes „ex<br />

cathedra“ bzw. dem Konzil zu eigen<br />

ist.<br />

Mit Nachdruck muß daher festgehalten<br />

werden, daß der Papst in den<br />

Enzykliken Veritatis splendor und<br />

Evangelium vitae sowie im Apostolischen<br />

Schreiben Ordinatio sacer-<br />

202 DER FELS 7-8/1997

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