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PDF zum Download - Denkmalpflege Baden-Württemberg

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E 6594 FX<br />

DENKMALPFLEGE<br />

IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

NACHRICHTENBLATT DES LANDESDENKMALAMTES 5. IAHRGANG<br />

JULI - SEPT. 1976<br />

1976


DENKMALPFLEGE IN BADEN-WÜRTTEMBERG • Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes<br />

Herausgeber: Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> • Eugenstraße3 ■ 7000 Stuttgart 1<br />

Schriftleitung: Dr. Adelheid Beck / Dr. Helga Schach-Dörges • Schillerplatz 1 • 7000 Stuttgart 1<br />

Druck: Druckhaus Robert Kohlhammer ■ Kohlhammerstraße 1—15 • 7022 Leinfelden-Echterdingen 1<br />

Postverlagsort: 7000 Stuttgart. Erscheinungsweise: vierteljährlich. Beim Nachdruck sind<br />

Quellenangaben und die Überlassung von zwei Belegstücken an die Schriftleitung erforderlich.<br />

Inhalt<br />

Präsident Dr. Graf Adelmann im Ruhestand 85<br />

Wolfram Noeske<br />

Ein Votum des Denkmalrates 86<br />

Hans Huth<br />

Die Restaurierung der Brunnen am Marktplatz in Freudenstadt 90<br />

Hubert Krins<br />

Freilichtmuseum — Randbemerkungen zu einem akuten,<br />

aber nicht aktuellen Thema 94<br />

HansjörgSchmid<br />

Das oberschwäbische Bauernhaus und seine Darstellung<br />

im Freilichtmuseum Kümbach 100<br />

Dieter Planck<br />

Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen 112<br />

Konj unkturförderungsprogramm hilft der <strong>Denkmalpflege</strong> 117<br />

Konrad Freyer<br />

Sonst immer, aber in diesem einen Fall ... 127<br />

Hartwig Zürn<br />

Das Verwaltungsgericht entscheidet... 128<br />

Personalia 131<br />

Mitteilungen 131<br />

Titelbild: Bruchstück eines aus Bein geschnitzten Klappmessergriffes, gefunden bei den<br />

Ausgrabungen des römischen Gutshofes von Bondorf. Die Abbildung zeigt das<br />

Fundstück in etwa dreifacher Vergrößerung (Originalgröße ca. 5,7 cm).<br />

Zum Beitrag Dieter Planck: Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen


Präsident Dr. Graf Adelmann im Ruhestand<br />

Der erste Präsident des Landesdenkmalamts <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Dr. Georg Sigmund<br />

Graf Adelmann von Adelmannsfelden, scheidet <strong>zum</strong> 31. Juli 1976 aus dem aktiven<br />

Dienst aus. Ich schätze ihn sowohl wegen seiner fachlichen wie wegen seiner menschlichen<br />

Qualitäten. Immer wieder konnte ich und — wie ich weiß — konnten andere in<br />

Gesprächen mit ihm feststellen, wie sehr sein Herz an den großen Aufgaben der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

hängt. Vor allem die Wiederherstellung der Klosterkirche Neresheim war<br />

ihm eine Aufgabe, deren er sich mit einem Engagement annahm, das über die bloße<br />

Wahrnehmung von dienstlichen Aufgaben weit hinaus ging. Dem Eindruck seines noblen<br />

Charakters, seines kultivierten und gebildeten Charmes kann sich kein Gesprächspartner<br />

entziehen. Immer wieder — sowohl im dienstlichen wie im persönlichen Bereich<br />

— hat er gezeigt, daß er über den Zaun der eigenen Zuständigkeit hinausblicken<br />

und die Belange anderer Bereiche gebührend würdigen kann.<br />

Seit dem 1. August 1946 gehörte Graf Adelmann dem seinerzeitigen <strong>Württemberg</strong>ischen<br />

Landesamt für <strong>Denkmalpflege</strong> Stuttgart an. Er hat sich um die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

im Lande <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> besondere Verdienste erworben. Mit seinem Namen ist<br />

eine Vielzahl von denkmalpflegerischen Maßnahmen verbunden. Ich habe bereits die<br />

Instandsetzung der Klosterkirche Neresheim erwähnt und hebe ferner die Stiftskirche<br />

Ellwangen, die Klosterkirche Schöntal, das Münster in Ulm hervor.<br />

Sowohl das fachliche Können und die Erfahrung als auch die Persönlichkeit Dr. Graf<br />

Adelmanns sprachen dafür, daß ihm im Jahre 1969 die Leitung des Staatlichen Amts<br />

für <strong>Denkmalpflege</strong> Stuttgart, im Jahre 1972 — nach dem Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes<br />

— die Leitung des neu geschaffenen Landesdenkmalamts <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

übertragen wurde. In der anfangs schwierigen Phase des Aufbaus dieser Behörde<br />

hat er in hohem Maße dazu beigetragen, die früheren selbständigen Staatlichen<br />

Ämter für <strong>Denkmalpflege</strong> zu einem neuen wirkungsvollen Ganzen zu integrieren.<br />

Uber seine dienstlichen Aufgaben hinaus übernahm Dr. Graf Adelmann im staatlichen<br />

und kirchlichen Leben weitere Verpflichtungen: Seit 1958 ist er Zweiter Vorsitzender<br />

bzw. Vorstandsmitglied des Schwäbischen Heimatbundes, seit 1969 Mitglied der Kommission<br />

für geschichtliche Landeskunde in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>; ferner ist er Mitglied<br />

des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS (der <strong>Denkmalpflege</strong>-Unterorganisation<br />

der UNESCO |. Auch im kommunalen Bereich setzte er seine Tatkraft ein. Er gehört<br />

seit 1962 dem Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg, seit 1965 dem Kreistag des Landkreises<br />

Ludwigsburg an.<br />

Die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in den letzten Jahren war Dr. Graf<br />

Adelmann leider dadurch erschwert, daß seine Gesundheit unter der Last der Aufgaben<br />

und der Verantwortung immer mehr litt. Dies führte nunmehr dazu, daß er um vorzeitige<br />

Versetzung in den Ruhestand bitten mußte. Der scheidende Präsident des Landesdenkmalamts<br />

darf sich dessen bewußt sein, daß er seinem Lande 30 Jahre, davon<br />

viele Jahre in leitender Stellung gedient hat, daß er in diesen Jahren an großartigen<br />

Leistungen der <strong>Denkmalpflege</strong> mitwirkte und daß er dazu beitrug, dem <strong>Denkmalpflege</strong>-Gedanken<br />

im öffentlichen Bewußtsein einen immer bedeutsameren Platz zu<br />

verschaffen. Mit dem Dank und der Anerkennung für die geleisteten Dienste verbinde<br />

ich — auch namens des Kultusministeriums und des Landesdenkmalamts — die besten<br />

Wünsche für den Ruhestand.<br />

Kultusminister Pro/. Dr. Wilhelm Hahn


Wolfram Noeske: Ein Votum des Denkmalrates<br />

Der Denkmalxat beim Regierungspräsidium Tübingen<br />

hatte sich auf seiner diesjährigen Sitzung nur mit einem<br />

Objekt zu befassen. Allerdings war der Fall, der hier<br />

behandelt werden mußte, auch schwierig genug, galt es<br />

doch, eine ausgewogene Entscheidung herbeizuführen<br />

über den Fortbestand einer der bedeutendsten Kirchenbauten<br />

des späten 19. Jahrhunderts im Bezirk.<br />

Die Pfarrkirche St. Maria in Staig (südlich von Ulm) ist<br />

1869 von dem württembergischen Oberbaurat Georg<br />

von Morlok errichtet worden. Sie ist an die Stelle einer<br />

spätgotischen Kirche mit gleichem Patrozinium getreten,<br />

deren baufällig gewordenes Schiff den Anlaß <strong>zum</strong><br />

Neubau gab. Von dieser früheren Kirche stammt der<br />

erhalten gebliebene Turm mit seinen beiden 1490 datierten<br />

Glocken. Es darf vermutet werden, daß Morlok<br />

diesen für seinen Kirchenbau zu niedrigen Turm gleichfalls<br />

hat erneuern wollen. Die Originalpläne, die hierüber<br />

Aufschluß geben könnten, haben sich bisher nicht<br />

auffinden lassen.<br />

In seiner äußeren Erscheinung ist das Kirchengebäude<br />

ein unverputzter Backsteinbau mit vorzüglich gebranntem<br />

Ziegelmaterial und rot gefaßtem Fugenbild. Mit<br />

den sehr sparsam, aber äußerst wirkungsvoll angesetzten<br />

Ziegel-Zierbändern und den Ziegel-Verdachungen<br />

über den schmalen Lanzettfenstern mit nur weniger<br />

Naturstein-Akzentuierung gemahnt das Bauwerk an die<br />

eindrucksvollen Zeugnisse der niederdeutschen Backsteingotik.<br />

Es gehört zu den großen Verdiensten Morloks,<br />

dem unverputzten Backsteinbau monumentale<br />

Wirkungen abgewonnen zu haben. Seine Befähigung,<br />

dieses an sich spröde Material zu bildhaften Formen<br />

von höchster Eindrücklichkeit steigern zu können, hat<br />

dem Baugeschehen des ausgehenden 19. Jahrhunderts<br />

im süddeutschen Raum maßgebliche Anregungen vermittelt.<br />

Für seine Leistungen an einer Reihe von Kirchenbauten,<br />

aber auch für seine Verdienste im Brückenund<br />

Eisenbahnbau — hier ist vor allem das (inzwischen<br />

zerstörte) Bahnhofsgebäude in Stuttgart zu nennen, das<br />

„seinerzeit betreffs der Anlage sowie der künstlerischen<br />

Durchführung als Musterleistung für Deutschland dastand"<br />

— wurde ihm neben vielen Ehrungen auch der<br />

persönliche Adel verliehen.<br />

Der Innenraum der Kirche erhält durch eingezogene<br />

Wandpfeiler eine vielfältige, nischenartige Gliederung.<br />

Nischen wie Schiff werden je von einer spitzbogigen<br />

hölzernen Tonne mit kräftiger Stabgliederung überdeckt.<br />

Bemerkenswert ist, daß die gesamte ursprüngliche<br />

Ausstattung noch vorhanden ist. Damit ist die<br />

Kirche von Staig als ein außen wie innen originales<br />

Zeitdokument, ein heute selten gewordenes Phänomen,<br />

erhalten geblieben.<br />

Am 30. März 1926 war die Kirche mit Turm in das Verzeichnis<br />

der Baudenkmale, heute Denkmalbuch genannt,<br />

eingetragen worden. Damit war der Weiterbestand des<br />

Bauwerks rechtlich und faktisch abgesichert — vorausgesetzt<br />

allerdings, daß auch eine spätere Generation<br />

dieser Eintragung eingedenk bleiben würde. Daß diese<br />

Voraussetzung nicht immer zutrifft, beweist der vorliegende<br />

Fall.<br />

Die Gemeinde war ihrer Pfarrkirche überdrüssig geworden.<br />

In einem Protokoll vertrat sie 1963 die Auffassung,<br />

daß die Kirche nicht nur zu klein geworden sei und eine<br />

Erweiterung bei der unglücklichen Konstruktion unmöglich<br />

sei, sondern daß der finanzielle Aufwand für<br />

eine gründliche Renovation in keinem Verhältnis <strong>zum</strong><br />

Erfolg stehen würde, da notwendig seien: die Erneuerung<br />

des Daches,- die Abänderung der in das Dach ragenden<br />

Fenster, damit eine Dachrinne angebracht werden<br />

könne; der Einzug einer Decke statt der Spitzbogentonne;<br />

der Neubau eines Glockenturms; das Anbringen<br />

eines Außenputzes nach vorheriger Entfernung der äußeren<br />

Zierrate und Ornamentierungen; ein neuer Fußboden,<br />

neue Altäre, neue Fenster.<br />

Es wurde darum der Beschluß gefaßt, eine neue Kirche<br />

an anderer Stelle zu errichten und danach die alte<br />

Kirche abzubrechen. Es wurde ferner eine Gutachterkommission<br />

gegründet, zu der auch ein hier nicht zuständiger<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>r hinzugezogen wurde; es<br />

wurde ein Wettbewerb veranstaltet; es wurde die neue<br />

Kirche gebaut und 1974 in Benutzung genommen —<br />

jedoch niemand war der Tatsache nachgegangen, daß<br />

die alte Kirche im Denkmalbuch eingetragen war und<br />

daß hieraus Folgerungen zu ziehen waren. Erst im Gefolge<br />

eines umfangreichen Schriftwechsels, in welchem<br />

das Landesdenkmalamt auf die Eintragung hingewiesen<br />

hatte, nachdem es auf die — von der Kommission empfohlene<br />

— bauliche Vernachlässigung der alten Kirche<br />

aufmerksam geworden war, wurde von der Gemeinde<br />

der Antrag auf Löschung der Kirche im Denkmalbuch<br />

gestellt.<br />

Mit Verfügung vom 20. November 1975 hat das Regierungspräsidium<br />

Tübingen den Löschungsantrag abgelehnt<br />

mit der Begründung, daß die Pfarrkirche nach wie<br />

vor ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung sei<br />

und im übrigen die Kirchengemeinde nicht habe darauf<br />

vertrauen können, daß das Votum der von ihr 1963 bestellten<br />

Gutachterkommission von den zuständigen Genehmigungsbehörden<br />

gebilligt werde.<br />

Dagegen erhob die Gemeinde fristgerecht Widerspruch.<br />

Uber diesen Widerspruch hatte sich der Denkmalrat auf<br />

seiner Sitzung am 19. Mai 1976 zu äußern. Bei der zur<br />

Abstimmung gestellten Frage, ob der Widerspruch der<br />

86


1 und 2 ST. MARIA.<br />

Katholische Pfarrkirche in<br />

Staig, Gemeinde Weinstetten,<br />

Alb-Dona u-Kieis.<br />

Ansichten von Nordwesten<br />

und Westen.<br />

87


Kirchengemeinde zurückzuweisen sei, stimmte der<br />

Denkmalrat bei zwei Enthaltungen für die Zurückweisung.<br />

Der hierauf der Kirchengemeinde zugeleitete Widerspruchbescheid<br />

des Regierungspräsidiums Tübingen<br />

sagt u. a. folgendes aus: „Der Widerspruch ist zulässig,<br />

aber nicht begründet. Nach § 12 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz<br />

genießen Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung<br />

zusätzlichen Schutz durch Eintragung in das<br />

Denkmalbuch. Eine Eintragung im Denkmalbuch ist zu<br />

löschen, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.<br />

Die Pfarrkirche in Staig ist jedoch nach wie vor<br />

ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Für die<br />

Beurteilung dieser Frage ist allein das Gutachten der<br />

fachlich gebildeten Konservatoren des Landesdenkmalamtes<br />

maßgebend. Der vom Regierungspräsidium gem.<br />

§ 4 DSchG eingeschaltete Denkmalrat beim Regierungspräsidium<br />

Tübingen hat im Rahmen einer Ortsbesichtigung<br />

die besondere Bedeutung der Pfarrkirche und damit<br />

die Auffassung des Landesdenkmalamts bestätigt.<br />

Als frühes Beispiel der Neugotik ist die Kirche landesgeschichtlich<br />

ein bedeutsames Dokument. Sie besitzt<br />

für die Zeit ihres Entstehens exemplarischen Charakter<br />

und stellt sowohl in ihrem äußeren Erscheinungsbild<br />

als auch in der konsequenten Innenausstattung ein hervorragendes<br />

Zeugnis der künstlerischen Absichten des<br />

bekannten Baumeisters Georg von Morlok dar. Da die<br />

Pfarrkirche somit aus wissenschaftlichen und künstlerischen<br />

Gründen ein Kulturdenkmal von besonderer<br />

Bedeutung ist, besteht die Eintragung im Denkmalbuch<br />

zu Recht.<br />

Da der Löschungsantrag <strong>zum</strong> Zwecke des Abbruchs der<br />

durch den Neubau des kirchlichen Gemeindezentrums<br />

für Gottesdienste entbehrlich gewordenen Pfarrkirche<br />

gestellt wurde, hat das Regierungspräsidium bei seiner<br />

Entscheidung auch Überlegungen zu der Folge angestellt,<br />

ob die Erhaltung des Kulturdenkmals der Eigentümerin<br />

zugemutet werden kann. Dabei ist das Regierungspräsidium<br />

zu dem Ergebnis gekommen, daß die<br />

Erhaltung des Kulturdenkmals <strong>zum</strong>indest in seiner derzeitigen<br />

Substanz für die Kath. Kirchengemeinde <strong>zum</strong>utbar<br />

ist. In einem, in einer vergleichbaren Angelegenheit<br />

gefällten Urteil vom 14. Okt. 1975 (Az.: I 865/<br />

74) hat der Verwaltungsgerichtshof <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

festgestellt, daß der in § 6 DSchG gebrauchte Begriff des<br />

Erhaltens nicht nur die Maßnahmen des Eigentümers<br />

umreißt, die erforderlich sind, um einen baupolizeilich<br />

sicheren und vor allem denkmalwürdigen Zustand des<br />

Schutzobjektes aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen,<br />

sondern auch auf die Erhaltung des Gegenstandes<br />

als Substanz — die Wahrung des status quo — bezogen<br />

werden muß. In diesem Zusammenhang kann<br />

folglich nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Kath.<br />

Kirchengemeinde — entgegen der Verpflichtung nach<br />

§ 6 DSchG — in den vergangenen Jahren (wohl unter<br />

Berufung auf die — rechtlich nicht relevante — Empfehlung<br />

der damaligen Gutachterkommission) keine Erhaltungsmaßnahmen<br />

mehr an der Kirche durchgeführt<br />

hat, weshalb verschiedene Schäden am Gebäude eingetreten<br />

sind.<br />

Wenn ungeachtet der eindeutigen Rechtslage unter Berufung<br />

auf die Empfehlungen der Gutachterkommis-<br />

ST. MARIA IN STAIG.<br />

3 Blick <strong>zum</strong> Chor der Kirche.<br />

4 Außenansicht von ><br />

Südosten.


4<br />

sion von kirchlicher Seite bauliche Maßnahmen durchgeführt<br />

worden sind, die eine weitere Nutzung der<br />

Pfarrkirche entbehrlich erscheinen lassen, ist dies von<br />

den zuständigen Kirchenbehörden selbst zu vertreten.<br />

Eine Un<strong>zum</strong>utbarkeit für die Erhaltungspflicht nach<br />

§ 6 DSchG kann daraus nicht hergeleitet werden.<br />

Da somit die Pfarrkirche in Staig ein Kulturdenkmal<br />

von besonderer Bedeutung ist und auch sonst keine<br />

Gründe vorliegen, die ihren Abbruch rechtfertigen würden,<br />

ist der Löschungsantrag zu Recht abgelehnt worden".<br />

Die Entscheidung des Regierungspräsidiums als der höheren<br />

Denkmalschutzbehörde ist gefallen. Was ist nun<br />

zu tun? Diese drängende Frage steht vor einer relativ<br />

kleinen Gemeinde, die jetzt zwei Kirchengebäude besitzt.<br />

Diese Frage steht vor dem Landesdenkmalamt,<br />

dessen Auftrag lautet, für Schutz und Pflege der Kulturdenkmale<br />

mit Sorge zu tragen, wobei über die eingeschränkten<br />

Mittel dieses Amtes jedermann sich im kla-<br />

ren ist, so daß die Frage, was nun zu tun sei, gleichfalls<br />

vor der Kultusverwaltung des Landes steht. Denn Staig<br />

ist nicht der einzige Ort im Lande <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>,<br />

in welchem eine alte Kirche, die ein schützenswertes<br />

Kulturdenkmal darstellt, zugunsten einer neu erbauten<br />

Kirche nun leersteht. Damit aber stellt sich diese drängende<br />

Frage auch der kirchlichen Oberbehörde, deren<br />

Sorge in der Besetzung der Ortspfarreien groß ist, woraus<br />

sich zu einem Teil der Zwang zur Zusammenlegung<br />

und damit die Notwendigkeit zu größerräumlichen<br />

Neubauten ergibt.<br />

Ähnliche Fälle werden in naher Zukunft, so ist zu<br />

fürchten, in vermehrtem Maße auf uns zukommen.<br />

Was ist zu tun? Wir alle sind aufgerufen, hierüber nachzudenken.<br />

Dipl.-Ing. Wolfram Noeske<br />

LDA • Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Hauptstraße 50<br />

7400 Tübingen-Bebenhausen<br />

89


Hans Huth; Die Restaurierung der Brunnen am Marktplatz<br />

in Freudenstadt<br />

Die Stadt Freudenstadt wurde 1599 unter Herzog Friedrich<br />

von <strong>Württemberg</strong> von Heinrich Schickhardt im<br />

Grundriß eines Mühlespiels angelegt. In der Mitte<br />

der Stadt sollte ein Schloßbau entstehen, man begnügte<br />

sich jedoch damit, in geometrischen Gartenanlagen<br />

Zierbrunnen zu errichten. Drei Brunnen haben die Zerstörung<br />

der Stadt bei der Einnahme durch die Franzosen<br />

im April 1945 überstanden. Sie sind daher neben<br />

der Stadtkirche die bedeutendsten Zeugen der Vergangenheit<br />

in Freudenstadt.<br />

1763 wurde der Neptunbrunnen von Johann Jakob<br />

Reich, der einer alten Maurer- und Steinhauerfamilie<br />

in Dornstetten angehörte, umgebaut. Statt des hölzernen<br />

wurde ein steinerner Brunnentrog ausgeführt, der<br />

nach dem Beschluß des Magistrates vom Mai 1762 statt<br />

40 künftig 500 Eimer Wasser fassen sollte. Die Brunnensäule<br />

trägt auf ihrem Kapitell eine Statue des Meeresgottes<br />

Neptun. Den Säulenschaft schmücken drei<br />

ovale Kartuschen, die eine mit dem Stadtwappen, die<br />

anderen mit Inschriften versehen, die den Brunnen<br />

1 DER NEPTUNBRUNNEN IN FREUDENSTADT vor der Restaurierung. Am Brunnenstock das Freudenstädter Wappen.<br />

90


2 DER MARKTPLATZ IN FREUDENSTADT mit den<br />

Standorten der Brunnen.<br />

Herzog Karl von <strong>Württemberg</strong> widmen. Die Meisterinschrift<br />

befindet sich am Fuß der Säule, zwischen den<br />

Ovalen und dem Akanthusblattkranz. Eine große volutenumrahmte<br />

Steintafel enthält die lateinische Inschrift<br />

zu dieser „Restaurierung" des Jahres 1763.<br />

Bei der Beschießung 1945 wurden der Neptunbrunnen<br />

beschädigt und seine Inschrifttafel zerstört. 1951 trug<br />

man den Brunnen, der damals wegen seines Standortes<br />

beim Wachthaus in der Mitte des Marktplatzes auch<br />

Wachthausbrunnen genannt wurde, als Verkehrshin-<br />

3 und 4 DER MEERESGOTT NEPTUN. Die Statue vor der Restaurierung und eine Kopie der restaurierten Statue.<br />

91


dernis ab und errichtete ihn 1953 an der heutigen<br />

Stelle wieder. Die beschädigten und die zu ersetzenden<br />

Teile arbeitete der Stuttgarter Bildhauer Wilhelm<br />

Schönfeld aus. Auch die Köpfe der Wasserspeier mußten<br />

erneuert werden.<br />

Durch die Restaurierung war der Brunnen, abgesehen<br />

von der Figur, in gutem Zustand. Die über 200 Jahre<br />

alte Neptunstatue hatte jedoch durch Verwitterung so<br />

sehr gelitten, daß mit ihrem endgültigen Zerfall in kurzer<br />

Zeit gerechnet werden mußte. Die -Statue wurde<br />

deshalb 1975 von der Bildhauerwerkstätte Volker Dursy<br />

in Ladenburg abgenommen und restauriert. Von der<br />

Statue und dem Kapitell wurden eine mehrteilige Silikonkautschukform<br />

gemacht und ein Abguß in mineralgesättigtem<br />

Epoxydharz hergestellt. Der Dreizack wurde<br />

originalgetreu in Kupfer erneuert.<br />

5<br />

Drei jahre nach dem Umbau des Neptunbrunnens durch<br />

Johann Jakob Reich war im Jahre 1766 auf dem Unteren<br />

Marktplatz gegenüber der alten Vogtei der von<br />

Christian Weiden (Wälde) gearbeitete Gerechtigkeitsbrunnen<br />

aufgestellt worden. Die mit drei Stadtwappen<br />

und Fruchtgehängen geschmückte Säule des Brunnenstockes<br />

trägt auf ihrem flachen Kapitell eine Statue der<br />

Justitia mit Schwert und einer inzwischen verlorengegangenen<br />

Waage.<br />

Die zwölfseitige Schale des Brunnens war in ihrer Substanz<br />

schwer geschädigt und wurde schon seit Jahrzehnten<br />

durch einen Eisenring zusammengehalten. Besonders<br />

schlecht war auch der Zustand der Statue. Alle<br />

Teile dieses Brunnens wurden von Dursy restauriert<br />

und durch gegossene Kopien ersetzt.<br />

5 MEISTERINSCHRIFT<br />

des Jakob Reich zu Domstetten<br />

an der Brunnensäule<br />

des Neptunbrunnens.<br />

6 DER GERECHTIGKEITS-<br />

BRUNNEN<br />

nach der Restaurierung.<br />

7 HERZOG-KARL-EUGEN-<br />

BRUNNEN.<br />

Die Figur des Herzogs mit<br />

dem württembergischen Wappen<br />

und einem Füllhorn als<br />

Symbol der Fruchtbarkeit, vor<br />

der Restaurierung.<br />

8 DerHerzog-Karl-Eugen-Brunnen<br />

nach der Restaurierung.<br />

92


#<br />

»"'riTii,,<br />

Christian Weiden hat wohl auch die Pläne zu dem<br />

dritten Freudenstädter Brunnen, dem Herzog-Karl-Eugen-Brunnen,<br />

geschaffen, der 1780 aufgestellt wurde.<br />

Die obere Schale und die Springbrunnen wurden bei<br />

der Anlage der Wasserleitung 1879 hinzugefügt. Der<br />

Erhaltungszustand war bei diesem Brunnen ebenso<br />

schlecht wie beim Gerechtigkeitsbrunnen. Die achtseitige<br />

Einfassung wurde von Dursy 1975 kopiert, ebenso<br />

der Brunnenstock mit seinen reichen Ornamenten. Die<br />

sitzende Figur des Herzogs wurde nach ihrer Restaurierung<br />

und Reinigung, wie die Metallschale und die<br />

acht wasserspeienden Löwenköpfe auf der Einfassung,<br />

abgegossen. Auch die Wasserführung und die statische<br />

Konstruktion mußten erneuert werden.<br />

Die bei der Restaurierung der Brunnen angewandten<br />

patentierten Verfahren ermöglichten die Ausführung<br />

der höchst notwendigen und aus Kostengründen von<br />

Jahr zu Jahr verschobenen Arbeiten in kürzester Zeit,<br />

nämlich innerhalb von wenigen Wochen. In herkömmlicher<br />

Technik aus Naturstein gefertigte Kopien hätten<br />

dagegen mindestens drei Jahre in Anspruch genommen.<br />

Die Ausführung wäre außerdem wesentlich teurer<br />

geworden. Hinzu kommen die ständig größer werdenden<br />

Schwierigkeiten bei der Beschaffung geeigneten<br />

Natursteinmaterials. Natursteinkopien lassen auch unvermeidlicherweise<br />

die Hand des Kopisten erkennen.<br />

Das von der Werkstatt Dursy praktizierte Verfahren<br />

ersetzt dagegen die gefährdeten originalen Kunstwerke<br />

durch technisch hochqualifizierte Abgüsse, die dem Original<br />

weitestgehend entsprechen. Nach dem heutigen<br />

Stand der Forschung sind die nach diesen Verfahren<br />

hergestellten Kopien und Bauteile gegen schädliche Umwelteinflüsse<br />

sehr resistent. Dagegen schreitet der Verwitterungsprozeß<br />

bei Natursteinkopien so schnell voran,<br />

daß man den Zeitpunkt für die in einigen Jahrzehnten<br />

fällige nächste Kopie bereits jetzt voraussehen kann.<br />

Es ist anzunehmen, daß die Brunnen ursprünglich farbig<br />

gefaßt waren. Da aber ausreichende Anhaltspunkte<br />

fehlten, wurde auf eine Neufassung verzichtet.<br />

Die wertvollen Originalskulpturen wurden museal in<br />

der Orangerie des Freudenstädter Kurhauses gegen<br />

Wind und Wetter geschützt aufgestellt.<br />

Dr. Hans Huth<br />

LDA ■ Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

Kailsüaße 47<br />

7500 Karlsruhe 1<br />

93


Hubert Krins: Freilichtmuseum — Randbemerkungen zu einem akuten,<br />

aber nicht aktuellen Thema<br />

Dreizehn Jahre ist es her, seit der Schwäbische Heimatbund<br />

zur Gründung eines dörflichen Freilichtmuseums<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> aufrief. Heute erscheint die<br />

Verwirklichung dieses Plans ungewisser denn je; nicht<br />

einmal ein Konzept, nach dem verfahren werden könnte,<br />

liegt vor. Welche Versäumnisse zu diesem Fehlschlag<br />

führten, ist eine müßige Frage angesichts der Tatsache,<br />

daß inzwischen die Wellen der Baukonjuktur, der Dorfsanierung<br />

und des Antiquitätenhandels auch auf dem<br />

Land gerade die ältesten und besten Zeugnisse bäuerlicher<br />

Kultur hinweggefegt haben. War damals daran<br />

gedacht, aus einer Auswahl von 400 bis 800 Objekten<br />

1 und 2 AUSNANG bei Leutkiidi<br />

im Allgäu, Kreis Ravensburg. Fassade<br />

des Hauses Nr. 50 um 1920<br />

und 1969: Verunstaltung eines im<br />

Denkmalbuch eingetragenen Kulturdenkmals<br />

durch „Modernisierung".<br />

Alle Anfragen des Landesdenkmalamtes<br />

bei der zuständigen<br />

Baurechtsbehörde blieben unbeantwortet.


etwa 100 geeignete Einzelgebäude in einem Freilichtmuseum<br />

aufzustellen, so wird heute von einer Auswahl<br />

kaum noch die Rede sein können. Gerade die Modernisierungswelle<br />

der jüngsten Zeit wirkt sich in den<br />

Dörfern ungleich heftiger aus als in den Altstädten,<br />

wo dank des geschärften öffentlichen Bewußtseins inzwischen<br />

vorsichtiger mit historischer Substanz umgegangen<br />

wird.<br />

Auch das Rechtsmittel des Denkmalschutzes verfängt<br />

auf dem Lande nur unzureichend. Das wurde deutlich,<br />

als im fahr 1969/70 die denkmalgeschützten Bauernhäuser<br />

im Landkreis Wangen überprüft wurden. Dabei<br />

ergab sich das folgende Bild: Von 18 im Denkmalbuch<br />

eingetragenen Häusern waren vier durch Brand oder<br />

Abbruch verloren, acht durch Umbaumaßnahmen verdorben,<br />

sechs — das heißt ein Drittel der geschützten<br />

Bauten — waren als Baudenkmale noch intakt. Die<br />

Gründe für diese Unwirksamkeit des Denkmalschutzes<br />

auf dem Lande sind vielschichtig, liegen aber vor allem<br />

in der mangelnden Aufsicht der Bauämter und des Lan-<br />

desdenkmalamtes und im fehlenden Verständnis der<br />

Eigentümer für die Aufgaben und die Arbeitsweise der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong>.<br />

Zu der fahrlässigen und mutwilligen Zerstörung des<br />

bäuerlichen Kulturgutes gesellt sich die Abwanderung.<br />

Ein Beispiel dafür ist die Sölde aus Uttenhofen bei Leutkirch<br />

im Allgäu, die 1971 abgebrochen und im bayerisch-schwäbischen<br />

Freilichtmuseum Illerbeuren bei<br />

Memmingen wieder errichtet wurde.<br />

Aus diesem gar nicht schwarz genug aus<strong>zum</strong>alenden<br />

Gesamtbild heben sich lediglich zwei regionale Freilichtmuseen<br />

heraus, die aus örtlicher Initiative entstanden<br />

sind: das seit 1963 planmäßig aufgebaute Schwarzwälder<br />

Freilichtmuseum „Vogtsbauernhof" bei Gutach<br />

und das 1969 projektierte und <strong>zum</strong> Teil schon verwirklichte<br />

Freilichtmuseum Kürnbach für das altoberschwäbische<br />

Bauernhaus. Uber Kürnbach wird an anderer<br />

Stelle in diesem Heft berichtet, der „Vogtsbauernhof"<br />

wurde im Nachrichtenblatt 4/1974, Seite 26 ff. vorgestellt.<br />

In beiden Museen diente ein am Ort seit jeher<br />

3 SONTHOFEN<br />

bei Leutkiich im<br />

Allgäu. „Der Casthof<br />

<strong>zum</strong> jägezhaus ist ein<br />

Fadiweikbau mit<br />

geometrisch gemusterten<br />

Hölzern und<br />

profilieiten Stieben<br />

<strong>zum</strong> Dach hinauf" —<br />

so heißt es im Kunst-<br />

Inventar von 1924.<br />

1969 war nichts davon<br />

erhalten. Trotz der<br />

Eintragung des Hauses<br />

in das Denkmalbuch<br />

wurde das Denkmalamt<br />

nicht gehört.<br />

4 UTTENHOFEN<br />

bei Wangen im Allgäu.<br />

Die Sölde (Kleinbauemhaus)<br />

wurde in<br />

das bayerische Freilichtmuseum<br />

Illerbeuren<br />

versetzt: Verlust eines<br />

Kulturdenkmales durch<br />

Abwanderung.<br />

95


vorhandener Bau als Keimzelle, um die sich weitere<br />

Bauten der jeweils gleichen Kulturlandschaft gruppierten.<br />

So entstanden „Museumsdörfer", die vor allem deswegen<br />

so überzeugend wirken, weil sie in die zugehörige,<br />

angestammte Landschaft eingebunden sind. Im<br />

„Vogtsbauernhof" ist der Erfolg dieser Konzeption bereits<br />

greifbar, in Kürnbach beginnt er sich abzuzeichnen.<br />

Damit ist aber ein Weg gewiesen, wie auch heute noch<br />

etwas zur Rettung der bäuerlichen Hausformen in unserem<br />

Land getan werden kann, nämlich durch den<br />

planmäßigen Ausbau geeigneter Bauernhöfe in anderen<br />

Landschaftsteilen zu weiteren regionalen oder lokalen<br />

Freilichtmuseen. Uber zwei Ansätze in dieser Richtung<br />

— einen gescheiterten und einen erfolgversprechenden —<br />

soll im folgenden kurz berichtet werden.<br />

In Bermatingen (Bodenseekreis) steht einer der größten<br />

Bauernhöfe des Bodenseegebietes, der Eichenhof. Otto<br />

Gruber, dessen Buch über Bauernhäuser am Bodensee<br />

1961 erschienen ist, hat den Eichenhof in seine Beispielsammlung<br />

aufgenommen und ausführlich beschrieben.<br />

Der offenbar im späten 18. Jahrhundert errichtete<br />

Hof gehört entwicklungsgeschichtlich der Spätstufe des<br />

oberschwäbischen Bauernhofes an, ablesbar an der differenzierten<br />

Gefachfolge Wohnteil, Flur, Stall, Tenne,<br />

zweiter Stall und Schopf. Uber den Ställen liegen Kammern<br />

für die Knechte. In der rückwärtigen Verlängerung<br />

des Schopfes steht ein Schuppen für Wagen.<br />

Dieses Gefüge zeigt allein schon den besonderen Reichtum<br />

der Hausanlage. Wohnteil, Ställe und Schöpfe sind<br />

besonders aufwendig angelegt. Zweifellos hatte der einstige<br />

Lehnhof des Konstanzer Dominikanerinnenklo-<br />

sters Zoffingen umfangreiche Gespanndienste und auch<br />

gewisse Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen. Das<br />

kommt auch in der außergewöhnlich großen, rund<br />

40 qm messenden Stube mit ihrer kräftig profilierten<br />

Holzbalkendecke <strong>zum</strong> Ausdruck. Nicht weniger reich<br />

sind manche Holzdetails ausgebildet wie beispielsweise<br />

die kassettenartig profilierten Bohlenfelder in den Fachwerkbrüstungen<br />

der Fenster.<br />

Eine weitere Bereicherung erfährt der Eichenhof durch<br />

einen wohl heute einzigartigen Nebenbau, der ebenfalls<br />

in Fachwerk errichtet wurde und eine Kombination<br />

von Ofen- und Speicherhaus darstellt. Das Ofenhaus<br />

besaß nicht weniger als drei Feuerstellen, was<br />

noch einmal den aufwendigen Charakter der Hofanlage<br />

unterstreicht.<br />

Das Landesdenkmalamt ist der Uberzeugung, daß sich<br />

der Bermatinger Eichenhof mit seinen Nebengebäuden<br />

für eine museale Darstellung des Bauernhauses<br />

der Bodenseelandschaft hervorragend eignet. Der Bau<br />

findet seine Ergänzung in zahlreichen weiteren bäuerlichen<br />

Fachwerkbauten des Dorfes, die sich teilweise<br />

unmittelbar hinter dem Eichenhof anschließen. Insbesondere<br />

sind sie aber im Ortskern zu finden, der als<br />

Gesamtanlage nach dem Denkmalschutzgesetz geschützt<br />

ist. Auch den landschaftlichen Rahmen mit den<br />

hinter dem Eichenhof ansteigenden Weinbergen kann<br />

man sich für den Bodenseeraum nicht besser wünschen.<br />

Der Eigentümer sieht sich nicht in der Lage, den Eichenhof<br />

weiter zu erhalten, da er zahlreiche andere denkmalgeschützte<br />

Gebäude besitzt, die in den kommenden<br />

Jahren hohe Investitionen erfordern werden. Er möchte<br />

daher den Hof verkaufen. Seit einigen Monaten steht<br />

5<br />

96


DER EICHENHOF<br />

IN BERMATINGEN, Bodenseekreis.<br />


ettet werden kann, dies nur über einen Verkauf an<br />

einen Privatinteressenten mit allen Folgen einer zeitgemäßen<br />

Sanierung und Umnutzung, d. h. mit erheblichen<br />

Einbußen an historischer Substanz, möglich sein.<br />

Das Denkmalamt bedauert, daß hier die wohl einmalige<br />

Chance vertan wurde, mit der Einrichtung eines<br />

weiteren lokalen Freilichtmuseums unter dem Thema<br />

„Bäuerliche Kultur des 18. Jahrhunderts am Bodensee"<br />

den Kreis der vorhandenen Freilichtmuseen in Gutach,<br />

Kürnbach und Illerbeuren zu ergänzen und damit eine<br />

nicht nur fast vollständige, sondern auch qualitativ hervorragende<br />

Präsentation der historischen Bauernhausformen<br />

im südwestlichen Landesteil zu erreichen. Auch<br />

die 1979 anstehende 1200-Jahr-Feier der Gemeinde Bermatingen<br />

hätte damit einen überzeugenderen Inhalt<br />

bekommen, als ihn historische Umzüge und geschichtsträchtige<br />

Reden im Festzelt abzugeben vermögen.<br />

9<br />

das Haus leer und ist — wie in solchen Fällen üblich —<br />

<strong>zum</strong> Ziel anonymer Zerstörungswut geworden.<br />

Das Denkmalamt hat versucht, Gemeinde und Landkreis<br />

für die Idee zu gewinnen, hier ein Freilichtmuseum<br />

zu gründen, <strong>zum</strong>al Bermatingen als attraktiver<br />

Ort im Hinterland des Bodensees in unmittelbarer<br />

Nähe des starken Fremdenverkehrs am Bodenseeufer<br />

liegt. Leider sind diese Bemühungen gescheitert. Die<br />

Gemeinde sah sich außerstande, den Hof zu erwerben,<br />

da sie die Folgekosten fürchtete. Der Landkreis konnte<br />

keine Zuschüsse für eine Instandsetzung bereitstellen,<br />

da er seit der Kreisreform Beiträge zu denkmalpflegerischen<br />

Maßnahmen als Freiwilligkeitsleistung in seinem<br />

Etat gestrichen hat. Das Denkmalamt konnte seinerseits<br />

nur einen Zuschuß zur Instandsetzung des Eichenhofes<br />

anbieten.<br />

Damit wird, wenn der Eichenhof überhaupt noch ge-<br />

Zur gleichen Zeit, als sich in Bermatingen das Schicksal<br />

des Eichenhofes <strong>zum</strong> Nachteil der denkmalpflegerischen<br />

Bemühungen entschied, wurde in Wolfegg (Kreis Ravensburg)<br />

die Idee eines Freilichtmuseums geboren. Die<br />

Initiative ging von einem engagierten Privatmann,<br />

Karlheinz Buchmüller, aus, der im Anschluß an eine<br />

jahrelange Sammlung und Erforschung des bäuerlichen<br />

Geräts begonnen hat, eine systematische Kartei der<br />

Bauernhäuser im Kreis Ravensburg aufzustellen. Unmittelbarer<br />

Anlaß war der drohende Abbruch eines<br />

Fachwerkhauses aus dem 17. Jahrhundert in Lauben<br />

bei Leutkirch im Allgäu, das aufgrund seiner außergewöhnlichen<br />

Anordnung des Wohnteils im Obergeschoß<br />

besondere Aufmerksamkeit hervorrief. Es gelang, den<br />

Eigentümer dazu zu bewegen, das Haus kostenlos abzutreten,<br />

da eine Erhaltung nicht möglich war. Das<br />

Gebäude wurde sorgfältig dokumentiert und, in seine<br />

Einzelteile zerlegt, nach Wolfegg überführt. Hier war<br />

inzwischen ein Gelände gefunden worden, das für ein<br />

künftiges Freilichtmuseum die denkbar besten Voraussetzungen<br />

bot: eine geeignete Topographie von besonderer<br />

landschaftlicher Schönheit verbunden mit einer<br />

günstigen Verkehrslage.<br />

98


Hansjörg Schmid: Das oberschwäbische Bauernhaus und seine<br />

Darstellung im Freilichtmuseum Kürnbach<br />

Herr Dipl.-Ing. Johann Georg Schmid ist Professor an der Fachhochschule für Bauwesen in Biherach. Seit vielen<br />

Jahren widmet er sich der wissenschaftlichen Erforschung des- ahoberschwäbischen Bauernhauses und hat die letzten<br />

Zeugen dieses Bautyps selbst sorgfältig dokumentiert. Als Mitglied des Kuratoriums „Freilichtmuseum Kürnbach"<br />

und Berater des Landratsamtes Biherach hat er 1971 eine Konzeption entwickelt, nach der sich der bisherige<br />

und weitere Aufbau dieses Freilichtmuseums richtet.<br />

Die historischen Bauernhausformen in Deutschland<br />

sind <strong>zum</strong> Aussterben verurteilt. Sie genügen den Anforderungen<br />

nicht, die heute an landwirtschaftliche'<br />

Nutzbauten gestellt werden. Die alten Häuser müssen<br />

deshalb neuen weichen oder derartige Eingriffe in ihre<br />

Bausubstanz hinnehmen, daß die ursprüngliche Form<br />

nicht mehr wiederzuerkennen ist. So verschwinden<br />

sang- und klanglos die letzten Zeugen unserer ländlichen<br />

Baukultur. Für die Situation in Oberschwaben<br />

ist bezeichnend, daß noch kurz vor dem Krieg Hermann<br />

Kolesch 83 stehende, strohgedeckte und von ihm „altoberschwäbisch"<br />

genannte Bauernhäuser beschreiben<br />

konnte, von denen im Jahre 1965 noch die hier gezeigten<br />

fünf standen und heute nur noch ein einziges — als<br />

Freilichtmuseum — zu sehen ist.<br />

In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat sich die Absicht, eine zentrale<br />

Sammelstätte für bäuerliche Hausformen, Einrichtungen<br />

und Gerätschaften nach dem Vorbild anderer<br />

Bundesländer zu schaffen, bisher nicht verwirklichen<br />

lassen. Dies liegt <strong>zum</strong> Teil daran, daß die politischen<br />

Landesgrenzen sehr unterschiedliche Hausformenlandschaften<br />

umfassen. Ein stark gegliederter Hausbestand<br />

ist aber nur sehr schwer an einem einzigen Standort<br />

darzustellen. Es würde eine Art Wachsfigurenkabinett<br />

ergeben, wollte man ein Schwarzwaldhaus auf die<br />

Hochfläche der Schwäbischen Alb verpflanzen. Das<br />

Schwarzwaldhaus ist für ein Waldgebirge mit steilen<br />

Hängen entwickelt, ist davon geprägt und daran gebunden.<br />

Es war deshalb ganz richtig, ihm auf die Initiative<br />

von Hermann Schill! hin in Gutach ein eigenes<br />

Freilichtmuseum einzurichten.<br />

Für das oberschwäbische Bauernhaus ist ein entsprechender<br />

Anfang ebenfalls gemacht. In Bad Schussenried-<br />

Kürnbach haben der Landkreis Biberach und die Stadt<br />

Bad Schussenried mit Hilfe des Landesdenkmalamtes<br />

das letzte altoberschwäbische Bauernhaus erhalten und<br />

als Museum wiederhergestellt. Dazu kamen eine Zehntscheune<br />

und ein Speicher, die jüngere Bauten sind, aber<br />

an ihren Standorten nicht mehr zu retten waren (Abbildung<br />

1).<br />

In einem Dokumentationszentrum für das oberschwäbische<br />

Bauernhaus sollten allerdings möglichst alle traditionellen<br />

Hausformen vertreten sein. Dazu muß man<br />

sie jedoch erst einmal kennen und muß wissen, welchen<br />

entwicklungsgeschichtlichen Rang die einzelnen Denkmäler<br />

einnehmen. Dann ist am Denkmälerbestand zu<br />

entscheiden, welche Häuser für einen Wiederaufbau in<br />

Betracht gezogen werden können und für welche man<br />

andere Formen der Präsentation finden muß.<br />

Die Formen des ahoberschwäbischen Bauernhauses und<br />

ihr Aufbau<br />

Das altoberschwäbische Bauernhaus ist eine strohgedeckte<br />

Holzkonstruktion (Abbildungen 2 und 3). Das Hausgerüst<br />

besteht aus einem Grundschwellenrahmen, senkrecht<br />

darauf stehenden, durchlaufenden Ständern und<br />

dem Dachrahmen. Diesen bilden die beiden längslaufenden<br />

Wandrähme, ein oder zwei innere Längsrähme<br />

und die quer auf den Rahmen liegenden Bundbalken.<br />

Die Aussteifung dieses Gerüstes übernehmen die<br />

Wände bzw. verstrebende Kopfbänder in den Rähmoder<br />

Bundbalkenebenen. Als Wandausfachung treten<br />

massive, waagerecht liegende Holzbohlen, die gelegentlich<br />

mit senkrechten Bohlen und Brettern kombiniert<br />

sind, oder Fachwerk auf. In jedem Fall ist die Ausfachung<br />

an die Ständerebene gebunden und damit die<br />

Lage der Innenwände über die Ständer festgelegt.<br />

Die Querwände des Hauses bilden einzelne „Gefache",<br />

deren Funktion leicht an den Öffnungen in den Außenwänden<br />

abgelesen werden kann. Sie werden als Wohn-,<br />

Flur-, Tennen-, Stall- und Schopfgefach bezeichnet. Ihre<br />

Zahl und ihre Abfolge ist verschieden.<br />

Das steile, meist voll abgewalmte Strohdach verwendet<br />

zwei unterschiedliche Dachtragwerke. Bei der Firstsäulenkonstruktion<br />

stehen starke, bis zu 12 m hohe Ständer<br />

in den inneren Querwänden und nehmen in ihren<br />

oberen Ausschnitt den Firstbaum auf. Bei der anderen<br />

Konstruktionsart liegt der Firstbaum in der Gabelung<br />

zweier sich unter ihm kreuzender Streben, die als<br />

„Schere" auf einen Balken gestellt sind. In beiden Fällen<br />

werden über den Firstbaum paarweise durcheinandergesteckte<br />

Rundhölzer, die „Rafen", gehängt. Sie<br />

laufen nach unten fächerförmig auseinander, um die<br />

unterschiedliche Länge von First und Traufe beim<br />

Walmdach auszugleichen. Einzelrafen, die über ein<br />

100


1 DAS FREILICHTMUSEUM IN BAD SCHUSSENRIED-KÜRNBACH von Südosten. Links die Zehntschcuer aus Fischbach<br />

(1768), lechts dei Speicher aus Spiegler (1725), im Hintergrund das strohgedeckte Bauernhaus (1664/65).<br />

Querscheit der äußeren Rafenpaare gehängt sind, bilden<br />

die Walme. Uber ihnen entsteht das für das abgewalmte<br />

Strohdach charakteristische „Eulenloch".<br />

Prinzipiell ist das durchständerte Hausgerüst gebälkelos.<br />

Uber dem Wohnteil und der Tenne wird jedoch immer<br />

ein Dachgebälk zwischen die Bundbalken eingelegt.<br />

Decken über Erdgeschoßräumen dagegen liegen auf Riegeln,<br />

die ihrerseits zwischen die Ständer eingefügt sind.<br />

Die Hausformen lassen sich daran unterscheiden, ob ein<br />

Flurgefach auftritt und wie dieses gegebenenfalls ausgebildet<br />

ist. Das kleinste Haus besteht nur aus den drei<br />

Gefachen für Wohnung, Tenne und Stall. Bei diesem<br />

„Dreigefachhaus" übernimmt die „Mitteltenne" zu<br />

ihren Wirtschaftsfunktionen auch diejenige des Hausflures<br />

— insbesondere in den Fällen, wo in ihr auch<br />

noch die Geschoßtreppe angeordnet ist. Das Wohngefach<br />

ist entweder zweigeteilt für Stube und Küche<br />

oder besitzt neben der Küche noch eine kleine Kammer.<br />

Die Küche ist immer zugleich der Hauseingang, wobei<br />

die Haustür in der Giebelwand sitzt.<br />

Bei den beiden anderen Hausformen mit eigenem Flurgefach<br />

dient die Tenne ausschließlich landwirtschaftlichen<br />

Funktionen. Sie kann deshalb auch vom Wohnteil<br />

durch ein Stallgefach getrennt sein. Beim „Küchenflurhaus"<br />

übernimmt das Flurgefach Eingangs- und<br />

Küchenfunktionen. Im Wohngefach liegen daher nur<br />

Stube und Kammern. Beim „Treppenflurhaus" dagegen<br />

ist das Flurgefach ausschließlich Verkehrsfläche und<br />

dient als Hauseingang und Treppenhaus. Das Wohngefach<br />

ist im Erdgeschoß in Stube, Küche und Kammer<br />

aufgeteilt.<br />

Die Küchen sind mit einem um ein halbes Geschoß<br />

noch oben vorspringenden Deckenteil ausgestattet, dem<br />

Rauchschirm (Abbildung 4). Der Rauch aus Herd und<br />

Stubenofen füllt diesen Rauchschirm, kühlt dabei ab<br />

und konserviert die hier aufgehängten Fleischvorräte.<br />

Im Dachraum trocknet der Rauch das über dem Wohnteil<br />

gelagerte Korn nach und schützt es gegen Schädlingsbefall<br />

ebenso wie die Holzbauteile, die er mit seinem<br />

Glanzruß überzieht. Durch Dachhaut und Eulenloch<br />

zieht er schließlich ins Freie.<br />

Gegenüber der Firstsäulenkonstruktion erlaubt derScherenstuhl<br />

die freiere Entwicklung des Grundrisses, d. h.<br />

die Dreiraumteilung im Wohngefach und das Einfügen<br />

eines schmalen Treppenhausflures. Da die Firstsäulenkonstruktion<br />

aber im Dachraum fast ganz ohne behauene<br />

Hölzer auskommt, wird sie in Oberschwaben bei<br />

Häusern mit etwa gleich weiten Gefachen und nur<br />

zweigeteilten Wohngefachen bis ins 17. Jahrhundert<br />

hinein neben dem Scherenstuhl beibehalten.<br />

Entwurf einer Entwicklungsgeschichte des oberschwäbischen<br />

Bauernhauses<br />

Soweit wir heute sehen, waren um 1500 die altoberschwäbischen<br />

Hausformen bereits voll entwickelt und<br />

bestimmten bis ins 18. Jahrhundert hinein das Bild<br />

unserer Dörfer. Der Anfang dieser Entwicklung ist unbekannt.<br />

Bis <strong>zum</strong> Beginn des Mittelalters bestand auch<br />

bei uns das bäuerliche Gehöft aus speziellen Bauten für<br />

Wohnung, Stall, Scheune und Speicher.<br />

Wenn anstelle dieser ältesten Gehöftform an manchen<br />

Orten ein „Einheitsbau" entstand, der alle Gehöftelemente<br />

unter einem einzigen Dach vereinigt, dann<br />

brachte dies unzweifelhaft den Vorteil einer erheblichen<br />

Einsparung an Bauvolumen: Die Verkehrsflächen konnten<br />

mehreren Funktionen gleichzeitig dienen, und die<br />

unspezifischen Lagerflächen für die Futtervorräte und<br />

das gedroschene Getreide konnten deckenlastig angeordnet<br />

werden. Ein Nachteil aber entstand, wenn der<br />

Einheitsbau, wie in Süddeutschland üblich, quergeteilt<br />

war; Die Haustiefe begrenzte dann die Länge der Tierreihe<br />

im Stallgefach auf maximal ein Dutzend Standplätze<br />

für größere Tiere. Diese Eigenschaften des quergeteilten<br />

Einheitsbaues lassen vermuten, daß er — <strong>zum</strong>indest<br />

in seinen Anfängen — ein ausgesprochenes<br />

Kleinbauernhaus war.<br />

Hieraus ergibt sich ein Hinweis auf den Haustyp, der<br />

unter den traditionellen Bauernhausformen noch am<br />

ehesten den Ursprung der Einheitsbauten widerspiegelt:<br />

das (altoberschwäbische) Dreigefachhaus mit Mitteltenne.<br />

Konstruktiv am einfachsten ist es mit Firstsäulen<br />

auszuführen. Gegenüber einem solchen Haus stellen<br />

die beiden anderen Formen mit Flurgefachen funktional<br />

differenzierte, größere und/oder im Dachtragwerk kompliziertere<br />

Gehäuse dar. Sie lassen sich daher genetisch<br />

eher aus dem Dreigefachhaus ableiten als umgekehrt.<br />

101


KUCHEN FLUR-HAUS<br />

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SCHER.EN5TUHL<br />

Nun hat sich die Forschung lange Zeit dagegen verschlossen,<br />

dem technisch etwas komplizierteren Scherenstuhl<br />

mittelalterliche Entstehungszeit zuzugestehen.<br />

Daraus ergab sich die Konsequenz, auch nur für diejenigen<br />

Hausformen eine mittelalterliche Entwicklung anzunehmen,<br />

die mit Firstsäulen ausgestattet sind. Dies<br />

waren überwiegend die altoberschwäbischen Flurküchenhäuser.<br />

Inzwischen hat Adalbert Zippelius gezeigt,<br />

daß neben der Firstsäule schon in frühgeschichtlicher<br />

Zeit auch die Pfostenschere auftritt — sozusagen<br />

eine in den Erdboden eingegrabene, gespaltene Firstsäule<br />

—, die im Laufe der Entwicklung bis <strong>zum</strong> Mittelalter<br />

ihre Fußpunkte in die Seitenwände verlagert und<br />

von da nach oben in die Zone des Wandrähm gelangt.<br />

Da im Flochmittelalter bereits das ungleich kompliziertere<br />

Gefüge des Kehlbalkendaches mit stehendem und<br />

liegendem Stuhl gemeistert wird, können wir ganz<br />

sicher sein, daß in dieser Zeit der vergleichsweise ein-<br />

fache Scherenstuhl voll entwickelt war. Also dürfen wir<br />

auch die Hausformen dieser Konstruktionsart auf das<br />

Mittelalter zurückführen.<br />

Damit läßt sich die Entwicklungsgeschichte des oberschwäbischen<br />

Bauernhauses entwerfen. Am Anfang<br />

steht ein anspruchsloser, kleiner Einheitsbau mit drei<br />

Gefachen für Wohnung, Tenne und Stall in Firstsäulenbauweise.<br />

Das Hausgerüst kann eingeschossig sein,<br />

wenn die Traufe für das Tennentor zurückgeschnitten<br />

wird und man im Inneren den freien Dachraum nutzt,<br />

um die nötige Höhe für den Dresch- und Abladeplatz<br />

in der Tenne und für einen Rauchschirm in der Küche<br />

zu erhalten. Ein solches Gehäuse wäre schon mittels<br />

der frühgeschichtlichen Hauskonstruktionen zu erstellen,<br />

bei denen die Firstsäulen in den Erdboden eingegraben<br />

waren. Belegt aber ist es erst aus der Zeit um<br />

1500: eingeschossig aus Dürers Bild vom fränkischen<br />

Dorf Kalchreuth — zweigeschossig durch die ältesten<br />

102


TR.EP PEN FLUR. HAUS<br />

2 ALTOBERSCHWÄBISCHE BAUERNHÄUSER. Die wichtigsten<br />

Haasfoimen in schematiscben Grundrissen und<br />

Schnitten.<br />

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3U<br />

SPATESTE STALLTO<br />

Bauernhausdenkmäler vom unteren Bodensee, die<br />

Otto Gruber gefunden hat. In Oberschwaben vertritt<br />

die zweigeschossige Form des Dreigefachhauses mit Mitteltenne<br />

das Voggenhaus aus Awengen im Landkreis<br />

Biberach (Abbildung 6). Es besitzt allerdings im Gegensatz<br />

zu den Bodenseehäusern dieser Form ein dreigeteiltes<br />

Wohngefach, das durch den Scherendachstuhl ermöglicht<br />

wird.<br />

Bei diesen Dreigefachhäusern nimmt die noch sehr<br />

schmale Tenne die Geschoßtreppe auf. Die Tenne ist<br />

also allgemeine Verkehrsfläche, Treppenhaus, Futtergang,<br />

Drusch- und Abladetenne und Wagenabstellplatz.<br />

Aus dieser Funktionsüberlastung ergibt sich der Anlaß,<br />

aus der Tenne eine wohnspezifische Verkehrsfläche abzuspalten<br />

— den Fiausflur. Damit aber entstehen die<br />

beiden anderen Formen des quergeteilten Einheitsbaus.<br />

Aus der engen funktionalen Verknüpfung von Küche<br />

und Hauseingang wird es verständlich, daß im Fall des<br />

Küchenflurhauses die eine Funktion die andere für das<br />

Flurgefach nach sich zieht. Die damit erfolgte Ausgliederung<br />

der Küche aus dem Wohngefach vergrößert das<br />

Wohn- und Schlafraumangebot, ohne daß sich an der<br />

Firstsäulenkonstruktion etwas ändern müßte. Allerdings<br />

kann die Geschoßtreppe nicht in der Tenne bleiben<br />

und auch nicht von der Küche aufgenommen werden<br />

— beides verhindert der hochgezogene Rauchschirm.<br />

Die Treppe wird deshalb ins Wohngefach übernommen<br />

und verbindet hier gewöhnlich den „Stubenstock", d. h.<br />

Stube und darüberliegende Elternschlafkammer.<br />

Die andere Lösung übernimmt für das Flurgefach die<br />

Funktion des Treppenhauses aus der Tenne und die des<br />

Hauseinganges aus der Küche, ohne an deren Lage etwas<br />

zu ändern. Damit aber hätte sich das Raumangebot im<br />

Wohngefach nicht vergrößert, wenn dieses nicht dreigeteilt<br />

würde. Das aber ist nur mit Hilfe eines wandunabhängigen<br />

Dachtragwerkes ohne Schwierigkeiten<br />

möglich: Scheren- oder Kehlbalkendachstuhl. Der mit<br />

einer Geschoßteilung versehene Flur kann nun alle<br />

Obergeschoßkammern unmittelbar erschließen. Zugleich<br />

läßt sich das Flurgefach sehr schmal ausbilden,<br />

wenn die erste Schere anstatt über die Gefachtrennwand<br />

über einen Feldbalken über den Schlafräumen im Obergeschoß<br />

gestellt wird.<br />

Damit sind die Hausformen entwickelt, die in Oberschwaben<br />

nebeneinander bis ins 18. Jahrhundert hinein<br />

gebaut wurden. Man hat allerdings den Eindruck, daß<br />

die eine Gegend mehr die Lösung mit Küchen-, die andere<br />

die mit Treppenfluren bevorzugte und sich in bestimmten<br />

Zonen die Dreigefachhäuser besonders häufig<br />

(erhalten?) zeigen. Aber die Zukunft gehörte in ganz<br />

Oberschwaben dem Treppenflurhaus mit einer erweiterten<br />

Gefachfolge im Wirtschaftsteil. Den alten Rauchhäusern<br />

mit ihren offenen Feuerstellen und Strohdächern<br />

bereiteten neue feuerpolizeiliche Vorschriften<br />

ohnehin ein schnelles Ende. Allenthalben wurden die<br />

hochgezogenen Rauchschirme durch gemauerte Räucherkammern<br />

und Schornsteine auf der Küchendecke<br />

ersetzt. So erhielten die Küchenflurhäuser eine Möglichkeit,<br />

den Flur <strong>zum</strong> Treppenhaus umzubauen.<br />

Die Neubauten des 18. Jahrhunderts (Abbildung 13 und<br />

14) aber bevorzugten das ziegelgedeckte Satteldach mit<br />

einer Kehlbalkenkonstruktion. Zugleich löste das stockwerksweise<br />

abgezimmerte Fachwerk die Ständerbauweise<br />

ab. Dies erlaubte eine flexiblere Anordnung der<br />

Zwischenwände, weil zu deren Anschluß an die Außenwand<br />

nur ein senkrechter Zwischenpfosten benötigt<br />

wurde. Bei den größeren Höfen ist immer ein Stall an<br />

den Wohnteil herangezogen, der als Pferdestall genutzt<br />

wird, während der Kuhstall — oft dann zweireihig mit<br />

einem eigenen, mittleren Futtergang — auf der anderen<br />

Seite der Tenne liegt. In einem solchen Haus können<br />

dreimal soviel Tiere gehalten werden wie in den älteren<br />

Bauten mit nur einem Stallgefach. Dazu können über<br />

dem Pferdestall Kammern für Knechte und Mägde eingebaut<br />

werden, die vom Flurobergeschoß wie die übrigen<br />

Schlafräume erschlossen sind.<br />

Im 19. Jahrhundert kommt es dann in der Folge neuer<br />

Anbau- und Düngungsmethoden zu einer nochmaligen<br />

Erweiterung, die vor allem die Bergeräume betrifft. Eine<br />

103


ITnt« asgSfe<br />

zweite Tenne und bodenebene „Viertel" werden angefügt,<br />

und gegen Ende des Jahrhunderts wird sogar die<br />

Hocheinfahrt vom Schwarzwaldhaus übernommen. Oft<br />

aber wird auch das Gefüge des Hauses aufgesprengt<br />

durch traufseitige Anbauten unter abgeschlepptem<br />

Dach oder Winkelbauten. Hier kündigt sich bereits das<br />

Ablösen des quergeteilten Einheitsbaues an, das seit der<br />

Mitte unseres Jahrhunderts vollzogen wird. Es kommt<br />

wieder zu einer getrennten Bauweise, jedoch mit der<br />

erweiterungsfähigen Längsaufstallung.<br />

Aufsahen und Möglichkeiten des Freilichtmuseums<br />

Küinbach<br />

Der gegenwärtige Stand der südwestdeutschen Bauernhausforschung<br />

zeigt eindeutig, daß die Entwicklung des<br />

quergeteilten Einheitshauses ohne die Hausformen Oberschwabens<br />

nicht dargestellt werden kann. Nur sie besitzen<br />

noch die Elemente, welche es erlauben, auf eine Entwicklung<br />

aus den Anfängen des Einheitsbaues zu schließen,<br />

und auf die man die berühmten Hausformen des<br />

104<br />

FREILICHTMUSEUM KURNBACH,<br />

Haus des Balthus Lipp von 1664165.<br />

3 Blick von Norden auf den strohgedeckten<br />

Ständerhau mit Bohlenwänden<br />

im Erdgeschoß, Fachwerk im<br />

Obergeschoß, Scherendachstuhl und<br />

der Gefachfolge: Wohngefach — Küchenflur<br />

— Tenne — Stall — Schopf.<br />

Wiederhergestellt und als Museum<br />

eingerichtet seit 1960.<br />

4 Der Küchenflur. Links die Stubentür,<br />

dahinter die Feuerung des Stubenofens;<br />

rechts der offene Herd, dahinter<br />

eine eingebaute Häckselkammer.<br />

Über den Feuerstellen der hochgezogene<br />

Rauchschirm aus massiven Bohlen<br />

mit der „Hängel" für die Fleischvoträte.


5 HAUS DES ANTON LATERNSER<br />

IN MESSHAUSEN, Kreis Ravensburg.<br />

Ursprünglich Ständerbau, eingeschossig<br />

durch beidseitige Dachabschleppungen,<br />

Firstsäulenkonstruktion mit der<br />

Gefachfolge: Wohngefach — Küchenflur<br />

- Stallgefach — Tenne — Stallgefach-<br />

Schopf. Abgebrochen 1966.<br />

6 VOGGENHAUS IN AWENGEN,<br />

Kreis Biberach, von Südosten. Strohgedeckter<br />

Ständerbau mit Bohlenwänden<br />

im Eidgeschoß, Fachwerk im<br />

Obergeschoß und Scherendachstuhl.<br />

Im Urzustand Dreigefachhaus mit<br />

Wohngefach, Tenne und Stallgefach.<br />

Das ursprüngliche Tennentor im Mittelfeld<br />

der südlichen Traufseite ist<br />

beim Umbau zugesetzt und mit einer<br />

Türe und einem Treppenpodest darüber<br />

versehen worden, dessen Balkenköpfe<br />

sichtbar sind. Der Hauseingang<br />

liegt in der rechten Giebelseite und<br />

führt unmittelbar in die Küche. Abgebrochen<br />

1968.<br />

Schwarzwaldes und des Allgäus ebenfalls zurückführen<br />

muß. Diese haben sich unter dem Zwang der besonderen<br />

landschaftlichen, wirtschaftlichen und erbrechtlichen<br />

Bedingungen weit stärker von den Einfachformen<br />

entfernt als das oberschwäbische Haus. Betrachtet man<br />

aber das bodenebene Haus im Zartner Becken, so ist<br />

trotz aller unbestreitbarer Unterschiede die Verwandtschaft<br />

mit dem altoberschwäbischen Haus unschwer zu<br />

erkennen. Und beim Bauernhaus im Allgäu verrät der<br />

sonst nicht auftretende Giebeleingang neben der traufseitigen<br />

Erschließung der Tenne deutlich seine Abstammung<br />

aus einem Dreigefachhaus mit giebelseitig erschlossener<br />

Küche. Aber der Gang der Entwicklung aus<br />

dem einfachen Dreigefachhaus bis zu den differenzierteren<br />

Hausformen mit Flurgefachen ist heute nur noch<br />

an den Denkmälern Oberschwabens zu demonstrieren.<br />

Sie bilden also das entwicklungsgeschichtliche Gelenk<br />

in der Darstellung des südwestdeutschen Bauernhauses.<br />

Damit ist die besondere Aufgabe des Freilichtmuseums<br />

Kürnbach umrissen. Hier müssen die letzten Zeugen<br />

einer Hausbautradition, die noch auf die Anfänge zurückweist,<br />

wieder <strong>zum</strong> Leben erweckt werden. Zugleich<br />

aber müssen wir klar sehen, wie begrenzt auch unsere<br />

Möglichkeiten sind.<br />

Unsere Kenntnis der älteren Hausformen beruht <strong>zum</strong><br />

großen Teil auf dem Material, das Hermann Kolesch zu<br />

Beginn des Krieges zusammenstellte. Als Volkskundler<br />

verfolgte er dabei naturgemäß andere Ziele als der Bauforscher,<br />

welcher dieser Dokumentation nur allgemeine<br />

Aufschlüsse über den Zusammenhang von Grundriß<br />

und Konstruktion entnehmen kann. Informationen, die<br />

erlauben, ein Bauernhaus in seinem Urzustand zu rekonstruieren<br />

und in dieser Form im Museum wieder<br />

aufzubauen, können nur noch die fünf Denkmäler liefern,<br />

die bis 1965 standen.<br />

Als einziges Bauernhaus ist ohne größere Umbauten<br />

nur das in Kürnbach als Museum eingerichtete „Strohdachhaus"<br />

geblieben (Abbildungen 3 und 4). Es wurde<br />

nach Alfons Kasper 1664/65 vom Klostertagelöhner Balthus<br />

Lipp gebaut und diente bis in die zwanziger Jahre<br />

einem kleineren Betrieb — ohne daß je ein Schornstein<br />

eingebaut worden wäre! Später riß man allerdings die<br />

Innenwände größtenteils heraus. Da aber eine Bauaufnahme<br />

aus dem Jahre 1906 vorliegt, konnten diese ohne<br />

besondere Schwierigkeiten wieder eingebaut werden. Es<br />

handelt sich um ein Küchenflurhaus mit einem Scherenstuhl<br />

als Dachtragwerk. Der Ständerbau mit Bohlenausfachung<br />

im Erdgeschoß und mit Fachwerk im Ober-<br />

105


HAUS SPIELER IN AMPFELBRONN,<br />

Kreis Biberach.<br />

1 Zum Treppenflurham umgebautes<br />

ehemaliges Dreigefachhaus mit Mitteltenne<br />

in Firstsäulenkonstruktion.<br />

Gefachfolge nach dem Umbau: Wohngefach<br />

— Treppenflur — Tenne — Stall<br />

— Schopf. Ab dem Wohngefach Scherendachstuhl.<br />

Abgebrochen 1971.<br />

8 Rekonstruktion des Urzustandes.<br />

Längsschnitt. Dreigefachhaus mit Mitteltenne.<br />

Waagerechte Bohlenausfachung<br />

im Erdgeschoß und bis Brüstungshöhe<br />

im Obergeschoß, darüber<br />

senkrechte Bohlen- und Bretterausfachung.<br />

Firstsäulenkonstruktion und<br />

voll abgewalmtes Strohdach. (Die<br />

Nummern bezeichnen die geborgenen<br />

Bauteile.)<br />

V<br />

geschoß dürfte beispielhaft für das jüngere altoberschwäbische<br />

Bauernhaus sein.<br />

Ebenfalls ein Küchenflurhaus, jedoch in Firstsäulenkonstruktion<br />

und mit einem an den Wohnteil herangezogenen<br />

Stallgefach, war das Haus des Anton Laternser aus<br />

Meßhausen, Gemeinde Blitzenreute, im Landkreis Ravensburg<br />

(Abbildung 5). Es wurde 1966 abgebrochen,<br />

und die Einzelteile wurden in Blitzenreute gelagert. Ungewöhnlich<br />

ist bei einem Haus dieser Größe das im<br />

Prinzip eingeschossige Hausgerüst, welches dazu zwingt,<br />

die Traufe über dem Tennentor etwas zurückzuschneiden<br />

und die Ständer kniestockartig hochzuführen. Dies<br />

und die angeblatteten Streben lassen auf ein beträchtliches<br />

Alter schließen.<br />

Ein Dreigefachhaus mit Mitteltenne der älteren Form<br />

war ursprünglich das Voggenhaus aus Awengen, Gemeinde<br />

Eberhardzell, im Landkreis Biberach (Abbildung<br />

6). Nachdem seine Dachkonstruktion zusammengebrochen<br />

war, mußte es 1968 abgerissen werden. Die<br />

alten Bauteile wurden nach Kürnbach überführt. In der<br />

8<br />

AMPFELARONN KRS. BlßERACW BAUERN MAUS NR.. Z<br />

LAMCSCHNlT iUSJANO I #<br />

■i" 7 i .'".'i 1 ■.<br />

106


Wandkonstruktion kommt es dem dortigen Haus gleich<br />

und besitzt auch wie dieses einen Scherenstuhl. Aber als<br />

Dreigefachhaus mit der Geschoßtreppe in der Mitteltenne<br />

war es, vor mehrfachem Umbau, ein Vertreter der<br />

einfachsten Form des altoberschwäbischen Bauernhauses.<br />

Als Bauzeit ist frühestens die zweite Hälfte des<br />

16. Jahrhunderts anzunehmen.<br />

Als 1971 in Ampfelbronn, Gemeinde Eberhardzellj das<br />

Haus Spieler (Abbildung 7) abgebrochen wurde, zeigte<br />

sich, daß es im Inneren Teile eines älteren Bauzustandes<br />

enthielt. Dieser konnte als eines der seltenen Dreigefachhäuser<br />

mit Firstsäulen rekonstruiert werden (Abbildung<br />

8). In diesem Zustand hatte das Haus keinerlei<br />

Fachwerk, sondern in Erd- und Obergeschoß Bohlenwände.<br />

Die Wandaussteifung war dadurch erreicht, daß<br />

im Obergeschoß die Bohlen nur bis zur Brüstung waagerecht<br />

lagen, darüber senkrechte Bohlen mit Brettern<br />

wechselten und Kopfbänder an die Ständer angeblattet<br />

waren. Diese Konstruktionsart ist aus dem frühen<br />

17. Jahrhundert bekannt und scheint im östlichen Oberschwaben<br />

gelegentlich aufzutreten. Die Bauteile wurden<br />

ebenfalls nach Kürnbach überführt. Ein Wiederaufbau<br />

kommt jedoch wegen des fast kompletten Verlustes der<br />

Außenwände kaum in Betracht.<br />

Ebenfalls 1971 mußte das letzte der großen strohgedeckten<br />

Küchenflurhäuser mit Firstsäulen abgebrochen werden,<br />

das in Zollenreute (Landkreis Ravensburg) „in der<br />

Hueb" noch stand (Abbildungen 9 bis 11). Die genaue<br />

Untersuchung ergab, daß dieses Haus Fachwerk mit verblatteten<br />

Streben besaß, das felderweise mit Bohlenwänden<br />

in beiden Geschossen wechselte (Abbildung 12).<br />

Ein Umbau, der wahrscheinlich ins 18. Jahrhundert zu<br />

datieren ist, und spätere Ausmauerungen im Wohnteil<br />

haben die äußere Erscheinung des Baues stark verändert,<br />

bestätigen aber das hohe Alter des ursprünglichen<br />

Gerüstes, das auf die Zeit um 1500 anzusetzen ist. Die<br />

einseitige Dachabschleppung ergibt sich aus der Firstsäulenkonstruktion<br />

dann, wenn hinter der Stube noch<br />

zwei weitere Räume angeordnet werden sollen, dafür<br />

aber die Tiefe des zweigeschossigen Teils zu knapp ausfällt.<br />

Von der „Hueb" wurden die älteren Bauteile ebenfalls<br />

9<br />

10<br />

HAUS BIRKENMAIER „IN DER<br />

HUEB" IN ZOLLENREUTE, Kreis<br />

Ravensburg.<br />

9 Blick von Südwesten auf die abgeschleppte<br />

hintere Dachfläche.<br />

10 Die Ostseite aufgenommen 1967.<br />

Ursprünglich Ständerbau mit felderweise<br />

wechselnder Ausfachung aus<br />

Bohlen- und Fachwerkwänden in beiden<br />

Geschossen. Firstsäulenkonstruktion<br />

mit rückseitiger Dachabschleppung<br />

ins Erdgeschoß. Gefachfolge:<br />

Wohngefach — Flurküche — Tenne —<br />

Stall — Schopf. Vermutliche Bauzeit<br />

16. Jahrhundert. Wahrscheinlich im<br />

18. Jahrhundert Bohlenwände durch<br />

Fachwerk, im Eidgeschoß durch Feldsteinmauerwerk<br />

ersetzt. Abgebrochen<br />

1971.


BAUERNHAUS „IN DER HUEB" IN ZOLLENREUTE.<br />

11 Blick in den Wirtschaftsteil von Südwesten: das Stallgefach<br />

mit den beiden Firstsäulen. In der Gefachtrennwand<br />

der ehemals durch ein Andreaskreuz ausgesteifte Bundpfosten<br />

neben der mit dem Bundbalken verblatteten Firstsäule<br />

unmittelbar am Mittellängsiähm. Oben der „Haspel" <strong>zum</strong><br />

Hochziehen der Garben. Im Gegensatz <strong>zum</strong> Tennengefach<br />

bleiben Stall- und Schopfgefach ohne Dachgebälk.<br />

12 Rekonstruktion des Urzustandes, Querschnitt durch das<br />

Küchenflurgefach. Links der Hauseingang mit einer kleinen<br />

Kammer darüber. Außenwand in Erd- und Obergeschoß mit<br />

Bohlenausfachung, alle übrigen Wände in verblattetem Fachwerk<br />

mit ins Gefüge eingearbeiteter Firstsäule. Hochgezogener<br />

Rauchschirm aus massiven, querliegenden Bohlen. Auf<br />

der Eingangsseite überkragendes Dachgebälk, auf der Rückseite<br />

abgeschlepptes Dach. (Die Nummern bezeichnen die<br />

geborgenen Bauteile.)<br />

13 HAUS RIEF IN WINTERSTETTENSTADT, Kreis<br />

Biberach, erbaut 1702. Blick von Osten auf den stockwerksweise<br />

abgezimmerten Fachwerkbau mit Kehlbalkendachstuhl<br />

und Ziegeldeckung. Gefach folge: Wohngefach — Treppenflur<br />

- Pferdestall - Tenne — zweireihiger Kuhstall (erneuert).<br />

Zusätzliche giebelseitige Türe in die Küche. Heute <strong>zum</strong><br />

Gemeindezentrum umgebaut.<br />

iOUE^R-EUTE KRS. CAVENSBURC BAUEÄNMAUS DIEHUEß<br />

BUND « UNO SCMNir DURXH DAS KiCMEKICECACU ZUSTAND I -<br />

^ " - - " ' ^


geborgen, eignen sich aber kaum mehr zu einem Wiederaufbau.<br />

Da wir indessen nicht hoffen können, von<br />

einem der „klassischen" Küchenflurhäuser Oberschwabens<br />

noch mehr an alter Bausubstanz zu erhalten, müssen<br />

wir dennoch einen Wiederaufbau in Betracht ziehen;<br />

Dasselbe gilt für das Voggenhaus aus Awengen<br />

(Abbildung 6). Wo die alten Teile nicht mehr wiedereingebaut<br />

werden können, wollen wir sie bei komplizierteren<br />

Gefügeteilen — zerlegt — neben die neuen stellen<br />

und so einen Einblick in die Knotenausbildung geben.<br />

Dazu müssen dann auch die Dokumentationszeichnungen<br />

ausgestellt werden, die durch Modelle für<br />

die einzelnen Bauperioden des Denkmals zu ergänzen<br />

wären. In dieser Form können dann auch die Häuser<br />

dargestellt werden, von denen nur noch spezielle Bauteile<br />

zur Ausstellung gelangen.<br />

Für die Wiederaufbaumaßnahmen kommt es zustatten,<br />

daß es gelang, die alte Maßeinheit zu berechnen: Es ist<br />

ein „Schuh" von 28,8 cm. Damit können wir zugleich<br />

die Vorgänge auf dem Reißboden des Zimmermanns<br />

einigermaßen nachvollziehen.<br />

Vorläufig fehlt ein Denkmal des altoberschwäbischen<br />

Treppenflurhauses. Falls man sich nicht mit entsprechenden<br />

Dokumentationsformen begnügen will, muß<br />

auf die Denkmäler der jüngeren Entwicklung hingewiesen<br />

werden, die entweder an ihren Standorten erhalten<br />

bleiben sollen oder aber - in einer späteren Ausbaustufe -<br />

ebenfalls ins Museum aufgenommen werden können.<br />

Am alten Standort können sie selbständige kleine Freilichtmuseen<br />

oder ausgelagerte Abteilungen von Kürnbach<br />

sein. Noch besser ist es allerdings, sie in ihren ursprünglichen<br />

Funktionen zu belassen oder neuen Funktionen<br />

zuzuführen.<br />

So hat in Winterstettenstadt die Gemeinde eines der<br />

schönsten Fachwerkhäuser des Oberlandes vor dem Abbruch<br />

bewahrt, indem sie es erwarb und <strong>zum</strong> Gemeindezentrum<br />

ausbaute. Das Haus wurde von Bürgermeister<br />

Anton Rief 1702 erbaut und zeigte die Endstufe der Entwicklung<br />

des Treppenflurhauses mit erweiterter Gefachfolge<br />

(Abbildung 13). Stockwerksweise abgezimmertes<br />

Fachwerk, Schweifbüge in den Brüstungen und reiche<br />

Profile in den Schwellen sind barocke Formulierungen —<br />

die zusätzliche giebelseitige Erschließung der Küche und<br />

die zusätzliche Treppe im Stubenstock sind Zeichen für<br />

das Beharrungsvermögen der altoberschwäbischen Tradition.<br />

Heute enthält der Wirtschaftsteil eine Mehrzweckhalle<br />

und der Wohnteil Gruppenräume. In der<br />

Umgebung des Hauses aber hat das Beispiel Schule gemacht:<br />

Es sind jetzt eine ganze Reihe von Fach werken<br />

wieder freigelegt, so daß Winterstettenstadt einen lebendigen<br />

Formenkatalog für die Spätzeit des Fachwerks am<br />

oberschwäbischen Bauernhaus darstellt.<br />

Auch in Bad Buchau-Dürnau stehen eine Reihe stattlicher<br />

Fachwerkbauten. Sie stammen aus der Zeit nach dem<br />

großen Dorfbrand 1746. Besonders bemerkenswert ist<br />

der Hof von Karl Neher (Abbildung 14). Wieder haben<br />

wir ein voll entwickeltes Treppenflurhaus vor uns, bei<br />

dem lediglich der zweireihige Kuhstall aus dem Jahre<br />

1914 und das Vordach aus jüngster Zeit stammen. Sonst<br />

reicht nach Aussage des Besitzers das Raumvolumen des<br />

mit Liebe gepflegten Hauses noch vollkommen für die<br />

heutigen Ansprüche aus. Im Detail des Fachwerks macht<br />

sich ein bezeichnender Stilwandel bemerkbar; Die Formen<br />

sind zurückhaltender und eleganter geworden. In<br />

Oberschwaben selten sind die Schutzdächer über den<br />

Giebelvorkragungen. Aber auch bei diesem Haus steht<br />

13<br />

109


neben Fortschrittlichem das Althergebrachte, wenn im<br />

Wohngefach nur Stube und Küche als weitläufige<br />

Räume untergebracht sind.<br />

Die Aufnahme solcher Denkmäler in den Kürnbacher<br />

Museumführer und die Empfehlung, sie an Ort und<br />

Stelle zu besichtigen, wird die private Initiative zur<br />

Pflege der ländlichen Bausubstanz anregen und auch das<br />

Freilichtmuseum Kürnbach weniger als museale Insel<br />

erscheinen lassen.<br />

Die derzeitige Konzeption für das Freilichtmuseum<br />

Kürnbach (Abbildung 15)<br />

Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß es gelingt, sowohl<br />

vom Voggenhaus (Abbildung 6) als auch von der<br />

Hueb (Abbildungen 9 bis 12) die ursprüngliche Form zu<br />

rekonstruieren und damit in Kürnbach die beiden Hausformen<br />

zu zeigen, die seit zweihundertfünfzig Jahren<br />

immer seltener geworden sind. Für das Voggenhaus ist<br />

sogar schon ein Teil der Ausstattung vorhanden, nämlich<br />

fast das ganze Inventar aus dem letzten im Landkreis<br />

Biberach bis 1970 noch bewohnten Dreigefachhaus.<br />

Daran zu zeigen, wie man bis in unsere Tage in<br />

einem solchen einfachen Haus lebte und wirtschaftete,<br />

gleicht das Fehlen einer zeitgenössischen Einrichtung in<br />

diesem Falle wieder aus.<br />

Da der Lageplan des Freilichtmuseums durch die bereits<br />

stehenden Bauten festgelegt ist, müssen wir noch die<br />

Stellung dieser beiden nach Anlage und Größe so unterschiedlichen<br />

Häuser bestimmen (Abbildung 15). Dazu<br />

müssen wir die Gesichtspunkte zu erfassen suchen, nach<br />

denen Standort und Ausrichtung beim altoberschwäbischen<br />

Bauernhaus einst festgelegt wurden.<br />

Das außerhalb eines Dorfes gelegene altoberschwäbische<br />

Haus schmiegt sich gern an eine Geländewelle, um sich<br />

auf diese Weise etwas gegen den rauhen Wind zu schüt-<br />

zen. Bei einer Hanglage muß aber entschieden werden,<br />

ob das Haus mit dem First parallel oder senkrecht <strong>zum</strong><br />

Hang gestellt wird. Dies hängt einerseits von der Zufahrt<br />

zur Tenne, andererseits von der Hauslänge ab. Die<br />

Zufahrt darf weder steil ansteigen noch stark abfallen,<br />

weil dies Wagen und Zugtiere gefährden würde. In<br />

geneigtem Gelände führt man deshalb die Zufahrt möglichst<br />

parallel am Hang entlang. Bei einem kurzen<br />

Hauskörper läßt sie sich dann ohne Schwierigkeit bis<br />

zur Tenne durchführen, weil dieser Bau senkrecht <strong>zum</strong><br />

Hang gestellt wird. Ein langgestreckter Baukörper dagegen<br />

muß selbst parallel zu den Höhenlinien angelegt<br />

werden. Die Tennenzufahrt muß dann entsprechend<br />

umbiegen. Dies geschieht meist auf der etwas terrassierten<br />

Hoffläche selbst. Diese Terrassierung wiederum ergibt<br />

sich aus der Notwendigkeit, für den Hausgrund den<br />

Hang einzuebnen, um den Grundschwellenkranz überall<br />

vom Erdboden frei zu bekommen. So wird einfach<br />

der Hangaushub nach vorne geschlagen, wo er dann die<br />

Hofterrasse bildet.<br />

Bei Standorten in Dorflagen aber gelten offensichtlich<br />

noch andere Erwägungen. So steht beispielsweise das<br />

Kürnbacher „Strohdachhaus" nur ungefähr parallel zu<br />

den Höhenlinien des nach Südosten sanft ansteigenden<br />

Grundstücks. Es ist mit dem Wohnteil etwas aus dem<br />

Hang herausgedreht. Dadurch wird zwar die Zufahrt<br />

von der Bachbrücke her etwas schwieriger, dafür aber<br />

die von Süden her einfacher. Auch die ausgesprochen<br />

schlechte Besonnung des nach Norden gelegten Wohnteils<br />

verbessert sich etwas. Wenn aber der Wohnteil<br />

nicht gleich nach Süden gelegt wurde, was in der Nachbarschaft<br />

durchaus vorkommt, dann gibt es dafür nur<br />

die eine Erklärung: Man wollte von der Stube aus<br />

Straße, Bach und Brücke übersehen und von dort aus<br />

gesehen werden — darauf sind die Schmuckformen des<br />

Fachwerks berechnet, die nur an der Zugangsseite auftreten<br />

(Abbildung 3).<br />

110


15 LAGEPLANSKIZZE FUR DAS<br />

FREILICHTMUSEUM KURNBACH.<br />

< 14 HAUS NEHER IN BAD BUCHAU-<br />

DÜRNAU, Kreis Bibeiach, erbaut nach<br />

1746. Stockwerksweise abgezimmerter<br />

Fadiwerkbau mit Kehlbalkendachstuhl<br />

und Ziegeldeckung. Gefach folge:<br />

Wohngefach — Treppenflur — Pferdestall<br />

— Tenne — zweireihiger Kuhstall<br />

aus dem fahre 1914 — Schopf. Bewußt<br />

gepflegt und als landwirtschaftlicher<br />

Nutzbau voll funktionsfähig.<br />

1 KURN tAO-l tR. STROW<br />

HA.U5, 16e>-;/fo5 . \<br />

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5* W UE 6'ZO LL£.W REUTE<br />

v va e.HUTUCH16 JAW 2,-.<br />

Das Voggenhaus und die Hueb standen allein an relativ<br />

steilen Osthängen, Das Voggenhaus mit seinem fast<br />

quadratischen Grundriß war mit dem Pirst senkrecht<br />

<strong>zum</strong> Hang gestellt (Abbildung 6). Die Lage der Stube in<br />

dem talabwärts ausgerichteten Wohngefach war offensichtlich<br />

nach der besseren Aussonnung bestimmt — jedenfalls<br />

sah man von der Stube aus nur einen Teil der<br />

benachbarten Höfe, dafür überblickte man die am Hang<br />

entlang von Süden herangeführte Zufahrt.<br />

Bei der Hueb dagegen mußte die Zufahrt um den nach<br />

Süden ausgerichteten Wohnteil herum auf die Hofplatte<br />

geführt werden (Abbildung 10). Für den parallel <strong>zum</strong><br />

Hang gestellten mächtigen Hauskörper wurde der Hang<br />

so kräftig eingeschnitten, daß hinter dem Haus eine<br />

regelrechte Böschung bis zur Straße entstand. Deren Bewuchs<br />

ließ die bis ins Erdgeschoß herabgezogene hintere<br />

Dachfläche wie mit dem Erdboden verwachsen erscheinen<br />

(Abbildung 9).<br />

Die charakteristischen Standortbedingungen können<br />

auf dem Museumsgrundstück nicht voll wiedergegeben<br />

werden. Das Gelände nördlich und östlich des Strohdachhauses<br />

ist fast eben. Nur im Südosten zieht sich<br />

eine leichte Geländewelle hin. Nach ihr wurde der neue<br />

Standort der Hueb bestimmt. Um aber das Dach auf<br />

diese Welle abschleppen zu können und um die Zufahrt<br />

in den entstehenden kleinen Platzraum zu bekommen,<br />

muß der Wohnteil nach Nordosten gelegt werden. Daraus<br />

ergibt sich die Notwendigkeit, diese Hofstelle — <strong>zum</strong>indest<br />

optisch — auch von Nordosten her zu erschließen.<br />

Dies aber kann nun auch für das Voggenhaus genutzt<br />

werden. Es muß seiner Eigenart als kurzes Mitteltennhaus<br />

entsprechend senkrecht zu den langgestreckten<br />

beiden anderen Baukörpern gestellt werden. Der<br />

Standort nordöstlich vom Strohdachhaus an der Straße<br />

erlaubt es dann, den Hauseingang auf der Giebelseite<br />

auf die Straße zu richten. Das Tor der Mitteltenne<br />

kommt allerdings nach Nordosten zu liegen und bedarf<br />

deshalb wie die Hueb einer Erschließung des Grundstücks<br />

von Nordosten her.<br />

Um die Einzelbauten als selbständige Hofeinheiten erscheinen<br />

zu lassen, müssen sie ihre eigenen Hofzufahrten<br />

und eigene Haus- und Beerengärten erhalten. An<br />

diese schließt sich immer auch ein Baumgarten an. Vom<br />

Strohdachhaus ist er noch vorhanden und kann auch<br />

für das Voggenhaus gelten. Nur muß zwischen beiden<br />

Häusern der Zugang <strong>zum</strong> Voggenhaus von der Straße<br />

her liegen. Für die Hueb wären die Gärten neu anzulegen.<br />

Sie könnten dann das Grundstück im Nordosten<br />

räumlich fassen und gegen die moderne Randbebauung<br />

des Dorfes abschließen.<br />

Die Zehntscheune und der Speicher im Süden sind als<br />

ziegelgedeckte Bauten bereits Vertreter der jüngeren Entwicklungsstufe<br />

(Abbildung 1). Sie sind deshalb geeignet,<br />

das Gelenk zu bilden zwischen der Gruppe der altoberschwäbischen<br />

Häuser und einer in Zukunft möglicherweise<br />

zu errichtenden Gruppe jüngerer Bauernhäuser<br />

jenseits der Geländewelle im Südosten. Eine Randbepflanzung<br />

des Feldweges mit typischen Straßenbäumen,<br />

die Mostobst tragen, könnte diesen Bereich noch besser<br />

anbinden. Das unmittelbare Nebeneinander von strohgedeckten<br />

älteren und ziegelgedeckten jüngeren Bauernhäusern<br />

würde durchaus jenes Bild ergeben, das<br />

noch im letzten Jahrhundert ganz üblich und bis vor<br />

einer Generation gar nicht selten war in Oberschwaben.<br />

Prof. Dipl.-Ing. Johann Georg Schmid<br />

Fachhochschule Biberach<br />

Karlstraße 9/11<br />

7950 Biberach 1<br />

111


Dieter Planck: Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen<br />

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind in der Flur „auf<br />

Mauren", zwei Kilometer südlich von Bondorf, Grundmauern,<br />

Bauschutt und Reste einer Wasserleitung bekannt.<br />

Die zahlreichen Architekturteile und vor allem<br />

die Keramikbruchstücke ließen keinen Zweifel daran,<br />

daß es sich hier um eine abgegangene römische Siedlung<br />

handelte. Obwohl nie planmäßige archäologische<br />

Ausgrabungen durchgeführt wurden, konnte man doch<br />

aufgrund der Schuttstreuung das Siedlungsareal recht<br />

gut umgrenzen.<br />

Als im Jahre 1966 die Planung der Bundesautobahn<br />

Stuttgart—Westlicher Bodensee in diesem Bereich in<br />

Angriff genommen wurde, wies das Denkmalamt auf<br />

die römischen Siedlungsreste hin, die vor Beginn der<br />

Bauarbeiten ausgegraben werden müßten. Doch der Bau<br />

verzögerte sich an diesem Abschnitt um Jahre. Erst als<br />

im Herbst 1974 endgültig feststand, daß mit den Arbeiten<br />

im Sommer 1975 zu rechnen war, konnte man<br />

an das archäologische Unternehmen herangehen. Da<br />

die gesamte Siedlung in den Bereich einer kleeblattförmigen<br />

Kreuzung von Autobahn und neuer Bundesstraße<br />

28 fällt, mußte eine möglichst große Fläche untersucht<br />

werden. Die Arbeiten der Stuttgarter Abteilung<br />

Bodendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes dauerten<br />

vom 18. März bis <strong>zum</strong> 11. September 1975. Zeitweise<br />

waren etwa fünfzig Personen beschäftigt. Daß<br />

diese Grabung, die weit über 15 000 qm Fläche um-<br />

faßte, so rasch und ohne Schwierigkeiten durchgeführt<br />

werden konnte, dafür möchten wir an dieser Stelle der<br />

Neubauleitung des Autobahnamtes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

in Rottweil und dem Bürgermeisteramt in Bondorf<br />

danken.<br />

Sinn der großflächigen und damit auch finanziell aufwendigen<br />

Ausgrabung war es, einmal einen römischen<br />

Gutshof — eine Villa rustica — möglichst vollständig<br />

zu untersuchen. Wenn wir auch bis heute weit über<br />

tausend römische Gutsanlagen im Lande nachweisen<br />

können, so sind bisher kaum ausgedehnte Grabungen<br />

durchgeführt worden. Meist beschränkte man sich auf<br />

die Freilegung des Hauptgebäudes oder des Badegebäudes,<br />

nur selten widmete man sich auch den Nebenbauten<br />

oder gar den Flächen zwischen den Häusern. Hier<br />

in Bondorf bot sich die Möglichkeit, wenigstens einigen<br />

für die Siedlungsgeschichte unseres Landes wichtigen<br />

Fragen nachzugehen.<br />

Die topographische Lage der Ansiedlung auf einer<br />

spornartigen Höhe, die nach drei Seiten in Böschungen<br />

abfällt, ließ schon vor Beginn der Grabung erkennen,<br />

daß mit einer starken Erosion der Oberfläche seit römischer<br />

Zeit zu rechnen war. Diese Vermutung bestätigte<br />

sich alsbald. Aufgehendes, d. h. in römischer Zeit<br />

sichtbar gewesenes Mauerwerk wurde kaum gefunden.<br />

Meist waren nur noch Fundamente bzw. Fundamentrollierungen<br />

nachzuweisen.<br />

112


Bondorf liegt inmitten einer überaus fruchtbaren Landschaft,<br />

im Oberen Gäu. Die mit Löß bedeckten Flächen<br />

waren schon in vorrömischer Zeit dicht besiedelt. Es ist<br />

daher nicht verwunderlich, daß auch in dem von uns<br />

untersuchten Areal vorgeschichtliche Siedlungsspuren<br />

beobachtet werden konnten. Die ältesten, die wir fanden,<br />

— einige Tonscherben sowie ein bronzener Armring<br />

— stammen aus der Bronzezeit. Vor allem im westlichen<br />

Teil unserer Grabungsfläche wurden außerdem<br />

zahlreiche Pfosten- und Vorratsgruben untersucht. Die<br />

Funde, insbesondere die Keramik, datieren diese Siedlungsreste<br />

in die frühe Latenezeit um 400 v. Chr.<br />

In römischer Zeit wurde die Anhöhe dann erneut von<br />

Menschen aufgesucht. Uberraschend und überaus wichtig<br />

war die Entdeckung einer sehr frühen römischen<br />

Besiedlungsperiode. Zahlreiche Pfostenhäuser, Abfallgruben<br />

und ein stellenweise dreifach geführter Hofzaun,<br />

der das gesamte Gehöft auf eine Länge von 155 m<br />

und eine Breite von 93 m umgab, wurden anhand sich<br />

deutlich abzeichnender Erdverfärbungen ermittelt. Dieser<br />

Hof hatte eine Innenfläche von etwa 1,4 ha und war<br />

damit nur um weniges kleiner als der jüngere, der dann<br />

in Stein ausgebaut wurde. Wie zahlreiche Funde zeigen,<br />

muß der erste römische Bau zwischen 90 und 100 n.<br />

Chr. erfolgt sein.<br />

Für die römische Besiedlungsgeschichte unseres Landes,<br />

vor allem für die Frage der zivilen Siedlungsentwicklung,<br />

ist dieser Befund von großem Interesse. Hier<br />

ergibt sich <strong>zum</strong> ersten Mal im Gebiet östlich des Hochschwarzwaldes<br />

der archäologische Nachweis einer vollständig<br />

in Holz erbauten Hofanlage, die in die früheste<br />

Zeit römischer Besiedlung zurückreicht. In den Jahren 85<br />

bis 90 n. Chr. war das Neckarland zwischen Rottenburg<br />

und der Linie Köngen—Wimpfen erstmals vom römischen<br />

Militär durch eine Straße und Kastelle abgesichert<br />

worden. Unser Bondorfer Gutshof wurde unmittelbar<br />

nach diesen Kastellen erbaut, die ganz entsprechend<br />

zunächst als Holz-Erde-Anlagen errichtet worden waren.<br />

Die Frage, wer diesen Hof gebaut hat, muß vorerst unbeantwortet<br />

bleiben. Viele Zeugnisse sprechen dafür,<br />

daß die Gutsanlagen von einheimischen Bewohnern<br />

keltischer Abstammung bewirtschaftet wurden. Es sei<br />

hier an den Stifter der berühmten Jupitergigantensäule<br />

von Hausen an der Zaber erinnert, dessen inschriftlich<br />

überlieferter Name CAIVS VETTIVS CONNOVGVS<br />

einwandfrei keltischer Herkunft ist.<br />

Spätestens um die Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts,<br />

in gewissen Teilen möglicherweise auch<br />

schon einige Jahrzehnte früher, wurde die Bondorfer<br />

Gutsanlage nach und nach in Stein ausgebaut. Als einziger<br />

Steinbau könnte ein unter dem Hauptgebäude<br />

aufgedeckter kleiner Keller schon zur älteren Bauphase<br />

gehören. Die gesamte Anlage war mit einer schiefwinkligen<br />

Hofmauer umgeben, deren Nordseite —<br />

wohl geländebedingt — mehrfach geknickt war. An allen<br />

vier Mauerecken wurden Eckbauten aufgedeckt, die<br />

wahrscheinlich auch Befestigungscharakter hatten. Die<br />

in sich geschlossene Hofanlage besaß eine 113 m lange<br />

und 90 m breite Erweiterung nach Westen, deren Sinn<br />

und Zweck nicht sicher geklärt werden konnte, <strong>zum</strong>al<br />

im Innenbereich keine weiteren Bebauungsspuren zu<br />

beobachten waren. Möglicherweise handelt es sich um<br />

einen Garten.<br />

Etwa 25 m südlich der Südwestecke des Hofes wurde<br />

ein vorzüglich erhaltener großer Kalkbrennofen aufgedeckt,<br />

wie bisher nur wenige in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

nachgewiesen sind. Er war in Stein errichtet und hatte<br />

eine 2 m tiefe, birnenförmige Feuer- bzw. Beschickungskammer.<br />

Sicher war diese Kalkbrennerei nicht nur <strong>zum</strong><br />

Bau des Gutshofes angelegt worden, sonders versorgte<br />

als Handwerksbetrieb einen größeren Bereich.<br />

Das zentrale Wohnhaus des Gutshofes war mit seiner<br />

Hauptfront genau nach Süden orientiert. Mit immerhin<br />

54 m Länge war es sehr stattlich. Der Grundriß ist typisch<br />

für den gallischen und germanischen Raum: Zwei<br />

turmartige Eckbauten, die sogenannten Eckrisalite, die<br />

durch eine lange, etwa 5 m breite Raumflucht verbunden<br />

waren, bildeten die Hauptfassade. Der westliche<br />

Teil des Mitteltraktes war unterkellert. Gerade an diesem<br />

Keller konnte die Qualität der Architektur besonders<br />

gut festgestellt werden. Die Kalksteinquader waren<br />


3 BLICK IN EINE ECKE<br />

DES KELLERS unter dem<br />

Haupttmkt des Wohngebäudes<br />

mit dem Zugang vom<br />

Innenhof hei. Das Schalenmauerwerk<br />

aus Muschelkalkquadern<br />

zeigt, in welch guter<br />

Qualität aufgehendes Mauerwerk<br />

in der Bondorf er Villa<br />

rustica errichtet wurde. Auf<br />

dem Boden des Kellers sind<br />

deutlich die Spuren der Brandkatastrophe<br />

zu erkennen, in<br />

der der römische Gutshof<br />

untergegangen ist.<br />

4 DIE KANALISATION<br />

DES GROSSEN KELLERS<br />

unter dem Wohngebäude<br />

besteht aus schmalen Kanälen,<br />

die mit großen Platten abgedeckt<br />

sind. Durch die Spalten<br />

sickerte das eindringende<br />

Wasser ab und wurde im<br />

Kanal abgeleitet — eine Art<br />

der Drainage, die bis heute<br />

angewendet wird.<br />

5 DAS BADEGEBÄUDE ><br />

an der nördlichen Hofmauer<br />

von Norden gesehen. Das<br />

Warmbad (Caldarium)<br />

schließt mit einer Apsis ah.<br />

114


sorgfältig zugehauen; die Entwässerung des Kellers war<br />

hervorragend, aus dem Innenhof eindrückendes Regenwasser<br />

wurde in einem Kanal aufgefangen und über<br />

60 m weit nach Süden abgeleitet. An den Haupttrakt<br />

des Gebäudes schloß sich nach Norden ein großer Innenhof<br />

an, der im Westen von vier Wohnräumen begrenzt<br />

wurde.<br />

Unmittelbar nordwestlich des Wohnhauses wurde der<br />

Grundriß eines mehrfach umgebauten und erweiterten<br />

Badehauses freigelegt, das ein Warmbad (caldarium),<br />

ein Laubad (tepidarium), ein Kaltbad (frigidarium) und<br />

einen Auskleideraum (apodyterium) enthielt. Das Kaltbad<br />

bestand aus einem Baderaum mit tieferliegendem<br />

Badebecken (piscina). Die kreisförmige Anordnung der<br />

Hauptbaderäume erinnert an einen Bädertypus, der vor<br />

allem im 1. nachchristlichen Jahrhundert sehr beliebt<br />

war. Die Grundanlage des Bondorfer Bades könnte also<br />

schon zu dieser Zeit erfolgt sein.<br />

Im Osten der Hofanlage befand sich ein 15 m auf 21 m<br />

großes Haus, das sich durch ein System von kleinen Abwasserkanälen<br />

auszeichnete. Leider waren von diesem<br />

Bauwerk nur noch die untersten Lagen der Fundamente<br />

erhalten, so daß eine sichere Deutung schwierig ist. Vermutlich<br />

handelt es sich um einen Handwerksbetrieb.<br />

Westlich des Wohnhauses lag ein 25 m auf 14 m großes<br />

Wirtschaftsgebäude. Im Südteil des Hofes fanden sich<br />

drei weitere Bauten, die wohl als Stallungen und<br />

Scheuem gedient hatten. Ihre wenig sorgfältige Fundamentierung<br />

läßt auf Fachwerkbauten schließen.<br />

Vor dem Hauptgebäude wurde ein sehr gut gemauertes,<br />

mit Estrichboden ausgestattetes Haus ausgegraben, in<br />

dessen Umgebung zahlreiche Fragmente sehr qualitätvoller<br />

Architekturteile, wie Pilaster und mehrfach profilierte<br />

Gebälksteine, und auch der Torso eines nackten<br />

männlichen Gottes gefunden wurden. Das Götterbild,<br />

das vermutlich Apollo darstellt, und die für einen Gutshof<br />

ungewöhnlichen Architekturteile deuten auf einen<br />

Kultbau hin.<br />

Die Bondorfer Kleinfunde umfassen nahezu alle Fundgruppen.<br />

Münzen, Fibeln, Haarnadeln, Fingerringe,<br />

Löffel, Nähnadeln, Spinnwirtel und vor allem eine<br />

große Anzahl von Schüsseln, Töpfen und Krügen sind<br />

zu erwähnen. Bei der sogenannten Terra sigillata gibt<br />

es neben Produkten süd- und mittelgallischer Töpfereien<br />

auch Keramik aus Heiligenberg und Rheinzabern,<br />

die vor allem aus der jüngeren Bauphase des Hofes<br />

stammt. Zur römischen Kleinkunst zu rechnen ist der<br />

beinerne Griff eines Klappmessers, dessen geschnitztes<br />

Ende einen Hirten mit einem Lamm auf den Schultern<br />

darstellt [siehe Titelbild). Geistesgeschichtlich ist dieses<br />

Motiv sehr interessant, das <strong>zum</strong> Formenkreis der<br />

bukolischen Hirten- und Landschwärmerei des 2. Jahrhunderts<br />

ebenso gehört wie die Symbolik hellenistischorientalischer<br />

Mysterienkulte, das aber auch von den<br />

heidnischen Kulten übernommen und mit neuem Inhalt<br />

gefüllt ein Zeugnis frühen Christentums sein könnte.<br />

Der Reichtum des Gutsherrn spiegelt sich auch in einigen<br />

Glasgefäßen wider, von denen wenigstens einige<br />

Scherben erhalten sind. Besonders schön ist eine Glasschale<br />

mit einer eingeschliffenen menschlichen Figur, In<br />

einem Gutshof werden selbstverständlich auch Hand-<br />

5


6 DER HANDWERKSBAU<br />

an der Ostseite des Hofes.<br />

Das Bild zeigt neben Fundamentwllierungen<br />

der Mauern<br />

ein regelmäßiges System von<br />

Abwasserleitungen.<br />

7 QUADRATISCHE<br />

KALKGRUBE mit hölzerner<br />

Verschalung, die unmittelbar<br />

westlich des Bades aufgedeckt<br />

wurde. In solchen Gruben<br />

wurde der gerade bei Bädern<br />

immer wieder zu Ausbesserungsarbeiten<br />

benötigte Kalk<br />

gelöscht.<br />

V<br />

werks- und vor allem landwirtschaftliche Geräte gefunden,<br />

in Bondorf <strong>zum</strong> Beispiel Hämmer, Bohrer, Sägen,<br />

Schaufeln, Hacken, Spaten, Äxte und auch der vordere<br />

Teil eines Dreschschlittens. Eine große Anzahl geborgener<br />

Tierknochen läßt Rückschlüsse auf die landwirtschaftliche<br />

Produktion des Hofes zu.<br />

Der Gutshof ist in einer Brandkatastrophe untergegangen,<br />

die mit den Alamanneneinfällen des 3. nachchristlichen<br />

Jahrhunderts zusammenhängen dürfte. Ein genaueres<br />

Datum kann erst die Auswertung aller Funde<br />

erbringen.<br />

Später, im 4. Jahrhundert n. Chr., wurde eine Frau im<br />

westlichen Eckrisalit bestattet. Alamannen der Landnahmezeit<br />

suchten die Ruine auf und bewohnten vielleicht<br />

auch Teile. Der Zugang des Kellers wurde von<br />

innen mit einer Trockenmauer zugesetzt. Der Raum<br />

muß demnach in nachrömischer Zeit noch einmal —<br />

und zwar von oben, vermutlich über eine Leiter oder<br />

eine Holztreppe — benutzt worden sein.<br />

Durch die Ausgrabung in Bondorf wurde erstmals in<br />

<strong>Württemberg</strong> ein römischer Gutshof mit allen Gebäuden<br />

archäologisch untersucht. Mit zwölf Einzelbauten<br />

gehört die Villa rustica zu den umfangreichsten Anlagen<br />

ihrer Art im rechtsrheinischen Gebiet der römischen<br />

Provinz Obergermanien.<br />

Besonders erfreulich war das Echo, das dieser Ausgrabung<br />

im ganzen Land zuteil wurde. Durch regelmäßige<br />

Führungen kam man dem großen Interesse entgegen.<br />

116<br />

So war es möglich, für die Aufgaben der Bodendenkmalpflege<br />

zu werben, die in besonderem Maße auf die<br />

Mitarbeit einer breiten Öffentlichkeit angewiesen ist.<br />

Dr. Dieter Planck<br />

LDA ■ Bodendenkmalpflege<br />

Schüleiplatz 1<br />

7000 Stuttgart 1<br />

7


Konjunkturförderungsprogrämm hilft der <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Im Herbst 1975 verabschiedete die Bundesregierung ein<br />

„Programm zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen",<br />

das kurzfristig in die Tat umgesetzt wurde<br />

und auch zahlreichen denkmalpflegerischen Maßnahmen<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> zugute gekommen ist. Insbesondere<br />

sind in den Programmteilen „Kommunale<br />

Infrastruktur" und „Stadtsanierung" erhebliche Mittel<br />

bereitgestellt worden, die im Einzelfall Zuschüsse in<br />

Höhe von 50 bis 80 0 /o der Bausummen ermöglicht haben.<br />

Dabei setzen sich diese Zuschüsse je zur Hälfte aus<br />

Mitteln des Bundes und des Landes zusammen.<br />

Von den Bedingungen dieses Programms sollen hier<br />

nur zwei erwähnt werden. Da es sich um ein Kommunalprogramm<br />

handelte, wurden ausschließlich Maßnahmen<br />

an gemeindeeigenen Objekten gefördert. Dies<br />

mag aus allgemeinen politischen Gründen gerechtfertigt<br />

erscheinen. Daß Privateigentümer und Körperschaften<br />

wie z. B. die Kirchen nicht in den Genuß des<br />

Konjunkturförderungsprogramms gelangen konnten,<br />

muß jedoch aus denkmalpflegerischer Sicht bedauert<br />

werden, da sie nicht weniger zur Erhaltung der ihnen<br />

gehörenden Kulturdenkmale verpflichtet sind als die<br />

Gemeinden.<br />

Die andere erwähnenswerte Bedingung ist die, daß die<br />

Maßnahmen möglichst bis Ende 1976 abgeschlossen<br />

sein müssen. Der damit verbundene Zeitdruck hat zweifellos<br />

sein Gutes — werden doch auf einen Schlag viele<br />

Vorhaben zügig durchgeführt, die sonst gar nicht oder<br />

nur schleppend in Gang gekommen wären. Die Eile<br />

bringt jedoch auch den Zwang zu raschen Entscheidungen<br />

mit sich, die manchmal nur auf Kosten konservatorischer<br />

Sorgfalt getroffen werden können.<br />

Inzwischen sind nahezu alle geförderten Vorhaben weit<br />

gediehen und in einigen Fällen sogar schon abgeschlossen,<br />

so daß dem Programm bereits jetzt ein voller Erfolg<br />

bescheinigt werden kann. Die folgende Übersicht<br />

unterrichtet über die denkmalpflegerischen Vorhaben<br />

im Regierungsbezirk Tübingen. Dieses Programm umfaßt<br />

insgesamt ein Zuschußvolumen von fast 9,5 Millionen<br />

DM.<br />

1. Bad Waldsee, Kreis Ravensburg,<br />

Rathaus<br />

Innerer Ausbau bei Erhaltung der<br />

historischen Räume und Struktur<br />

sowie Instandsetzung des Äußeren.<br />

Im Erdgeschoß wird die weiträumige<br />

zweischiffige Halle des 1426<br />

erbauten Gebäudes wieder hergestellt<br />

und der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht. Im zweiten Obergeschoß<br />

haben sich in Fortsetzung<br />

des berühmten gotischen Dachstuhls<br />

unerwartet Reste der sechs Holzstützen<br />

gefunden, die wieder ergänzt<br />

bzw. erneuert werden.<br />

(Stadtsanierung, 720 000,— DM<br />

Zuschuß)


DAS SCHLOSS IN HIRRLINGEN. ><br />

EHEMALIGES WASSERSCHLOSS IN<br />

GEISLINGEN.<br />

WALLFAHRTSKIRCHE MARIA ZELL<br />

IN HECHINGEN-BOLL,<br />

Außenansicht von Südwesten und<br />

Blick ins Innere gegen Osten.<br />

118


2. Ehingen, Alb-Donau-Kreis,<br />

ehemaliges Spital <strong>zum</strong> Heiligen Geist<br />

Von dem erstmals im 14. Jahrhundert genannten und<br />

bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestehenden, umfangreichen<br />

Wirtschaftsgefüge sind erhalten geblieben drei<br />

an ihren Schmalseiten einander verbundene Gebäude;<br />

a) Das Spitalgebäude, ein hochgiebeliger Fachwerkbau<br />

mit drei Voll- und drei Dachgeschossen, nach Ausweis<br />

der Fachwerkausbildung und der gewölbten Krüppelwalme<br />

vom Ende des 15. Jahrhunderts,<br />

b) ein zweigeschossiger Zwischenbau und<br />

c) die Spitalkirche mit nicht abgesetztem, dreiseitig<br />

schließendem Chor mit Bauinschrift von 1493.<br />

Maßnahmen: Fundamentsicherung mittels Gußbetonpfählen,<br />

Erneuerung der drei Dächer, Instandsetzung<br />

des Fachwerks, Innenausbau für Heimatmuseum, Altentreff,<br />

Jugendarbeit, Hausmeisterwohnung.<br />

(Stadtsanierung, 800 000,— DM Zuschuß)<br />

3. Geislingen, Zollem-Alb-Kreis,<br />

ehemaliges Wasserschloß<br />

Der 1783 unter Verwendung älterer Bauteile errichtete<br />

Dreiflügelbau wird außen renoviert (neueDachdeckung,<br />

Putz, Farbgebung nach Befund).<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 150 000,— DM Zuschuß)<br />

4. Hechingen, Zollein-Alb-Kieis,<br />

Wallfahitskiiche Maria Zell<br />

Das 1757 auf den Fundamenten einer gotischen Vorgängerkirche<br />

errichtete barocke Bauwerk mußte 1970<br />

aufgrund schwerer Erdbebenschäden geschlossen werden.<br />

Die Sanierungsmaßnahmen umfassen die Sicherung<br />

des Steilhanges, auf dem die Kirche steht, durch<br />

Injektionsdaueranker, die statische Sanierung des Bauwerks<br />

selber sowie eine umfassende Innen- und Außeninstandsetzung.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 350 000,— DM Zuschuß)<br />

5, Hirrlingen, Kreis Tübingen,<br />

Schloß<br />

Das 1557/58 errichtete Renaissanceschloß wird außen<br />

renoviert.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 150 000,— DM Zuschuß)<br />

6. Laupheim, Kreis Biberach,<br />

Schloß<br />

Schloß Großlaupheim besteht aus zwei Baukomplexen:<br />

a) Sogenannte Burg, Schloßbau mit vier Ecktürmen aus<br />

dem 16. Jahrhundert und Mansarddach des 18. Jahrhunderts.<br />

Maßnahmen: Sanierung des Dachstuhls, Vernadelung<br />

des Mauerwerks, Einziehen von Decken in<br />

der ehemaligen Brauerei, Außeninstandsetzung einschließlich<br />

Neudeckung des Daches.<br />

b) Erweiterungsflügel des 17. und 18. Jahrhunderts:<br />

Außeninstandsetzung (Putz, Rekonstruktion der barocken<br />

Fassadenmalerei, Freilegung der im 18. Jahrhundert<br />

vermauerten und jetzt wiederentdeckten Hofarkade).<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 600 000,— DM Zuschuß)<br />

119


7. Meersburg, Bodenseekreis,<br />

Obertor<br />

Das spätmittelalterliche Stadttor wird außen instandgesetzt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 176 000,— DM Zuschuß)<br />

8. Meersburg, Bodenseekreis,<br />

ehemaliges Dominikaneiinnenklostei<br />

Das nach seiner späteren Nutzung auch Mädchenschulhaus<br />

genannte barocke Gebäude wird außen instandgesetzt.<br />

Untersuchungen des Restaurators ergaben eine<br />

ursprünglich reiche Bemalung an Fenstern und Gebäudeecken,<br />

die wieder hergestellt wird. Auch die im 19.<br />

Jahrhundert zu einzelnen Fenstern umgebauten Kirchenfenster<br />

werden wieder freigelegt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 200 000,— DM Zuschuß)<br />

9. Melchingen, Gde. Burladingen, Zollern-Alb-Kreis,<br />

Bmgruine<br />

Von der um 1300 entstandenen umfangreichen Burganlage<br />

wird der noch bis <strong>zum</strong> vierten Stockwerk aufragende<br />

Palas instandgesetzt. Eine Renovierung der<br />

Gesamtanlage wird angestrebt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 48 000,— DM Zuschuß)<br />

10. Metzingen, Kreis Reutlingen,<br />

Äußere Stadtkelter<br />

Metzingen besitzt ein einzigartiges Ensemble: sieben<br />

nebeneinanderstehende Keltern. Die älteste dieser Kel-<br />

120<br />

tern, die äußere Stadtkelter (16. Jahrhundert), wird als<br />

„Festkelter" ausgebaut. Der auf einem mangelhaften<br />

Fundament freiliegende Schwellenkranz muß erneuert<br />

werden. Zusätzliche Dachlasten erfordern eine Verstärkung<br />

der Pfetten. Um die ursprünglich offene Hallenkonstruktion<br />

von außen zu zeigen, wird die erforderliche<br />

neue Außenwand zurückgesetzt. Sie wird als Holzbohlenwand<br />

ausgeführt.<br />

(Stadtsanierung, 400 000,— DM Zuschuß)<br />

11. Pfullendorf, Kreis Sigmaringen,<br />

„Löwen", ehemaliges Kloster<br />

Der im 16. Jahrhundert als Schellenberger Hof gebaute<br />

„Löwen" befand sich baulich in einem äußerst desolaten<br />

Zustand, so daß bereits der Abbruch erwogen<br />

wurde. Im Inneren wird das Gebäude jetzt für Zwecke<br />

des Gymnasiums umgebaut. Freilegungsproben an den<br />

Stuckdecken ergaben, daß der Stuck wider Erwarten<br />

außerordentliche Qualität besitzt und möglicherweise<br />

Johann Jakob Schwarzmann zuzuschreiben ist. Das<br />

Äußere mit der vom Restaurator freigelegten Bemalung<br />

wird originalgetreu wieder hergestellt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 240 000— DM Zuschuß)<br />

12. Ravensburg,<br />

Burghaldentorkel<br />

Das Torkelgebäude, das den einzigen erhaltenen, bis<br />

ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Kelterbaum Ravensburgs<br />

beherbergt, wird instandgesetzt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 96 000,— DM Zuschuß)


DIE BURGRUINE MELCHINGEN.<br />

DIE ÄUSSERE STADTKELTER IN<br />

METZINGEN. Außen- und Innenansicht.<br />

DAS GASTHAUS ZUM LÖWEN IN<br />

PFULLENDORF.<br />

121


13. Ravensburg,<br />

Brunnenhaus<br />

Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Brunnenstube<br />

an der Schlierer Straße oberhalb der Altstadt mit ihrem<br />

charakteristischen Mönch-Nonnen-Dach wird instandgesetzt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 40 000,— DM Zuschuß)<br />

14. Ravensburg,<br />

Marktstraße 59<br />

Das Haus war seit dem 15. Jahrhundert die Zentrale<br />

der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, die mit<br />

ihren internationalen Handelsbeziehungen zu den<br />

größten derartigen Unternehmen Deutschlands im<br />

Spätmittelalter gehörte. Vorder- und Hinterhaus schließen<br />

einen Innenhof ein, auf den von der Marktstraße<br />

aus wahrscheinlich zwei nebeneinanderliegende Toreinfahrten<br />

führten. Hier, wie auch im Hinterhaus, ist noch<br />

spätgotische Bausubstanz erhalten geblieben, während<br />

die Obergeschosse des Hauptgebäudes im Barock völlig<br />

erneuert wurden. Die Durchfahrt wird zu einer Ladenpassage<br />

umgebaut, die auf das an den Hinterhof anschließende<br />

Gelände eines zukünftigen Kaufhauses<br />

führt. Die Obergeschosse werden gemäß heutigen<br />

Wohnansprüchen modernisiert. Der Erdgeschoßteil<br />

westlich der Toreinfahrt im Vorderhaus hat sich als<br />

Rest eines romanischen Steinhauses herausgestellt. Die<br />

Ausbauplanung konnte daraufhin auf die weitgehende<br />

Erhaltung dieses Bauteils umgestellt werden.<br />

(Stadtsanierung, 1 120 000 — DM Zuschuß)<br />

15. Riedlingen, Kreis Biberach,<br />

Mühltörle<br />

Umbau im Inneren des aus dem 15./16. Jahrhundert<br />

stammenden Gebäudes und Neubau (Kopie) des Erweiterungsbaues<br />

aus dem 19. Jahrhundert: spätere<br />

Nutzung als Wohngebäude (Appartements). Instandsetzung<br />

bzw. Freilegung und Ergänzung des Fachwerks.<br />

(Stadtsanierung, 380 000,— DM Zuschuß)<br />

16. Riedlingen, Kreis Biberach,<br />

ehemaliges Grassellisches Haus<br />

Von 1420 bis 1782 „Klause" der Seelschwestern; 16.<br />

Jahrhundert. Innenumbau für die Stadtverwaltung einschließlich<br />

Verbindungssteg in Fachwerkbauweise hinüber<br />

ins Rathaus; Außeninstandsetzung und Neudekkung<br />

des Daches.<br />

(Stadtsanierung, 280 000,— DM Zuschuß)<br />

17. Rosenfeld, Zollern-Alb-Kreis,<br />

Stadthaus<br />

Gegenüber dem Rathaus am ehemaligen Oberen Tor<br />

gelegen, repräsentiert das aus dem 16. Jahrhundert<br />

stammende Gebäude den Typus eines landesherrlichen<br />

Verwaltungshauses. Es wird gegenwärtig innen für<br />

Zwecke der Stadtverwaltung umgebaut. Außen wird<br />

das Fachwerk freigelegt.<br />

(Stadtsanierung, 243 680,— DM Zuschuß)


MARKTSTRASSE 59 IN RAVENS-<br />

BURG.<br />

DAS MÜHLTÖRLE IN RIEDLINGEN. t><br />

ROTTENBURG AM NECKAR. DIE<br />

„ALTE WELT".<br />

V<br />

18. Rottenbuig, Kreis Tübingen,<br />

Bmggasse 12, „Alte Welt"<br />

Aufgrund seines sehr schlechten baulichen Zustandes<br />

wurde 1973 das Gebäude „Alte Welt", ein in seinem<br />

Kern in das 16. Jahrhundert zurückgehender städtischer<br />

Adelssitz, im Denkmalverzeichnis gelöscht. Ein Abbruch<br />

schien unumgänglich (siehe Nachrichtenblatt 1/<br />

1974, Seite 13 ff.). Nachdem die Stadt Rottenburg das<br />

ehedem in Privathand befindliche Gebäude erworben<br />

hat, wird es gegenwärtig für Zwecke der Stadtverwaltung<br />

(Notariat etc.) im Innern umgebaut. Äußerlich<br />

müssen nur geringfügige Änderungen vorgenommen<br />

werden.<br />

(Stadtsanierung, 576 000,— DM Zuschuß)<br />

19. Saulgau, Kreis Sigmaringen,<br />

Schützenstiaße 7<br />

Seit Jahren bemüht sich das Landesdenkmalamt um die<br />

Instandsetzung des Hauses. Baugeschichte und Funktion<br />

dieses stattlichen, baulich aber sehr vernachläßigten<br />

Gebäudes sind unklar. Mit Sicherheit kann man die<br />

in der Literatur geäußerte Annahme ausschließen, daß<br />

es das ehemalige Spital sei, <strong>zum</strong>al es ganz eindeutig<br />

123


den Typus eines mittelalterlichen Bürger- oder Bauernhauses<br />

repräsentiert. Aufgrund seiner Größe und<br />

städtebaulich exponierten Lage am Marktplatz ist als<br />

Erbauer ein wohlhabendes Geschlecht zu vermuten.<br />

Vielleicht war es auch der Pfleghof eines Klosters. Für<br />

ein Spital jedenfalls gibt es baulich keine Anhaltspunkte.<br />

Auch die Datierung schwankt in der Literatur. Das <strong>zum</strong><br />

Teil schon vor der Instandsetzung sichtbare alemannische<br />

Fachwerk, die stark vorkragenden Obergeschosse<br />

und die Form des Krüppelwalmdaches mit den ursprünglich<br />

dem Rauchabzug dienenden Dreiecksöffnungen<br />

unter dem First verweisen das Haus stilgeschichtlich<br />

noch in das 14. Jahrhundert (vgl. Schoberhaus in<br />

Pfullendorf), obwohl sich derartige Haustypen noch<br />

bis <strong>zum</strong> 15. Jahrhundert gehalten haben. Genaueren<br />

Aufschluß über das Alter wird jedoch erst die dendrochronologische<br />

Untersuchung liefern.<br />

Im Verlauf der Bauarbeiten zeigte sich zur Überraschung<br />

aller, daß das weitgehend verputzte alemannische<br />

Fachwerk <strong>zum</strong> großen Teil trotz späterer Fenstereinbrüche<br />

und anderer Veränderungen erhalten bzw.<br />

einwandfrei anhand der sichtbaren Befunde rekonstruierbar<br />

ist. Auch gotische Fenstererker, Bohlenausfachungen,<br />

Bohlenwände und eine orginale Tür konnten gefunden<br />

werden. Ferner erwies sich der Dachstuhl mit<br />

Firstpfette und bis zur Traufhöhe durchlaufenden Firstsäulen<br />

bei näherer Untersuchung als baugeschichtlich<br />

hochinteressant. Beim Ausheben des Kellers wurden<br />

neben anderen Funden zahlreiche Scherben und ein<br />

vermauert in einer Nische stehender großer Tontopf<br />

geborgen. Angesichts der Bedeutung des Gebäudes hat<br />

sich das Landesdenkmalamt entschlossen, eine weitgehend<br />

ideale Rekonstruktion des ursprünglichen Bauzustandes<br />

vorzunehmen.<br />

(Stadtsanierung, 600 000,— DM Zuschuß)<br />

20. Tettnang, Bodenseekieis, Spital St. Johann<br />

Das barocke Gebäude wird innen ausgebaut und außen<br />

instandgesetzt.<br />

(Infrastruktur, 123 000,— DM Zuschuß)<br />

21. Tübingen, sogenannter Salzstadel<br />

Der in der Unterstadt bei der Jakobskirche gelegene<br />

spätmittelalterliche Salzstadel wird innen und außen<br />

instandgesetzt und zu einem Treffpunkt der Tübinger<br />

Vereine ausgebaut. Bemerkenswert die Abnahme des<br />

gesamten Fachwerkgiebels — ohne Zerlegung — während<br />

des Umbaues und das Wiedereinsetzen im neuen<br />

Dachstuhl.<br />

(Stadtsanierung, 584 000,— DM Zuschuß)<br />

22. Tübingen, Komhausstraße 2<br />

Das stattliche, im 16. Jahrhundert entstandene Gebäude<br />

wird für Geschäfts- und Wohnzwecke umgebaut. Eine<br />

Teilfreilegung des Fachwerks ist geplant. Beim Umbau<br />

wurden mehrere grob bearbeitete, steinerne Säulentrommeln<br />

unbekannter Zweckbestimmung gefunden.<br />

(Stadtsanierung, 404 000,— DM Zuschuß)<br />

23. Ulm, Fischeigasse 31<br />

Ehemaliges Fischerhaus an der Blau, städtebaulich und<br />

stadtgeschichtlich bedeutend. Fachwerkgebäude von<br />

großer Baumasse mit Holzwalradach und Rauchluken.<br />

Bauzeit 15. Jahrhundert, da das angeblattete Fachwerk<br />

124


125


durch Satzung der Stadt nach 1500 untersagt war. Straßenseitig<br />

vier Geschoßüberkragungen, flußseitig überkragende,<br />

verbretterte Geschoßvorbauten. Ehemals hohes,<br />

hallenartiges Erdgeschoß (Schiffbau-Werkstatt?) mit<br />

vier in Firstrichtung aufgereihten durchgehenden Ständern.<br />

Gesamtsanierung wegen Einsturzgefahr. Künftige<br />

Verwendung: Haus der Ulmer Fischerzunft mit Gaststätte,<br />

Zunft- und Fundusräumen, Pächterwohnung.<br />

(Stadtsanierung, 686 400,— DM Zuschuß)<br />

24. Überlingen, Bodenseekreis,<br />

Franziskaneikiiche<br />

Die 1348 geweihte ehemalige Klosterkirche wurde kurz<br />

nach der Mitte des 18. Jahrhunderts barockisiert. Der<br />

stark verschmutzte Innenraum mit seinem <strong>zum</strong> Teil<br />

absturzgefährdeten Wand- und Deckenstuck wird instandgesetzt.<br />

Dabei kann die ursprüngliche Farbfassung<br />

des Stucks weitgehend freigelegt werden, so daß die Farbigkeit<br />

des Innenraums nicht wie sonst üblich rekonstruiert<br />

werden muß, sondern den Originalzustand<br />

darstellt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 125 000,— DM Zuschuß)<br />

25. Überlingen, Bodenseekreis,<br />

Stadtmauer am Rosenobelgraben<br />

Der besonders gefährdete und teilweise eingestürzte<br />

Teil der Stadtmauer am Rosenobelgraben wird wieder<br />

hergestellt.<br />

(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 240000— DM Zuschuß)<br />

DIE FRANZISKANERKIRCHE IN<br />

UBERLINGEN.<br />


Konrad Freyer: Sonst immer, aber in diesem einen Fall .<br />

Alltagsszene aus der praktischen <strong>Denkmalpflege</strong><br />

Nein, sehr verehrter Herr Konservator, Sie wissen doch,<br />

wie sehr ich mich immer für die Baudenkmäler in unserer<br />

Gemeinde eingesetzt habe. Was haben wir nicht<br />

alles erreicht, denken Sie an die Renovierungsaktion<br />

anläßlich der Feuerwehrwoche vor zwei Jahren oder an<br />

den Abbruch des häßlichen Anbaus bei dem Anwesen<br />

an der Einmündung der Kreisstraße, seitdem der fehlt,<br />

ist doch nicht nur die Übersichtlichkeit verbessert, die<br />

ganze Ecke hat doch gewonnen. Oder gleich schräg gegenüber,<br />

wo wir das Haus mit der Tordurchfahrt wieder<br />

herrichten lassen konnten, dem Ortsbild ist das<br />

sehr zugute gekommen, es wird mir auch immer wieder<br />

bestätigt. Fachwerk schmückt ja sehr. Oder der<br />

Brunnen in der Oberen Straße, Sie wissen doch, Sie<br />

hatten uns noch einen alten Trog aus der Nachbargemeinde<br />

vermittelt (verständnisinniges Lächeln), die<br />

dort haben wirklich keinen Geschmack, wie konnten<br />

die sich so was aus der Nase gehen lassen. Neulich<br />

sprach ich übrigens mit dem Kollegen nochmal drüber,<br />

na ja, wenn der damals gewußt hätte, was man draus<br />

machen kann, wer weiß, heute würde er wohl nicht<br />

mehr drauf verzichten wollen, aber darüber müssen<br />

wir uns wohl klar sein, und ich bin ja auch nicht stehen<br />

geblieben, die Zeit hat sich eben weiterentwickelt, und<br />

man sieht heute manches anders wie noch vor einigen<br />

Jahren. Ich habe schon Verständnis dafür, und wir haben<br />

ja auch immer gut zusammengearbeitet. (Herzliches<br />

offenes Lachen, kurze Pause)<br />

Seitdem übrigens unser altes Rathaus ungenutzt steht,<br />

hat es uns nur Sorgen bereitet. (Luftholen)<br />

Sie wissen, hier haben Sie immer ein offenes Ohr für<br />

Ihre Vorstellungen gefunden, deswegen kann ich mich<br />

auch offen an Sie wenden — in diesem einen Fall müssen<br />

Sie zustimmen. (Wieder Pause)<br />

Ja, ich weiß, man könnte die Linienführung der Straße<br />

beim Ausbau der Ortsdurchfahrt auch verschieben, aber<br />

die Richtlinien können dann kaum eingehalten werden.<br />

Das Dach müßte sowieso gemacht werden, und<br />

das bei den vielen Verpflichtungen der Gemeinde. Der<br />

Wurm ist auch drin, und die Stufen knarren, ein paar<br />

sind sogar lose. Wir waren hier richtig froh, daß die<br />

Behörde das alte Ding überplant hat, wir hätten doch<br />

nur Ausgaben damit. Nein, die Vereine haben ja schon<br />

ihre Räume, und für die Feuerwehr ist im Neubau ja<br />

Platz genug. Neulich fehlte auch schon eine Scheibe,<br />

diesmal haben wir sie noch ersetzen lassen. Ich sage<br />

Ihnen, mit einem ungenutzten Gebäude hat man nur<br />

Sorgen, denken Sie nur an die Kinder. Deswegen, wir<br />

könnten anstelle des Hauses eine Anlage machen, den<br />

Gehweg verbreitern, ein paar Bänke aufstellen mit<br />

einer Spielecke. Eine richtige Zierde für den Ort könnte<br />

so eine Anlage sein. Die alte Sandsteintafel vom Eingang<br />

müßte natürlich restauriert werden, Sie können<br />

uns sicher jemanden benennen, der so was kann, Sie<br />

haben doch dafür einen Zuschuß? Ja, eigentlich sind<br />

wir wirklich froh, daß der Straßenbau das Haus brauchen<br />

kann. Ja, wie gesagt, Sie kennen meine Einstellung,<br />

was haben wir nicht schon alles für die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

getan, aber in diesem einen Fall müssen Sie<br />

unsere Argumente mal verstehen, wir sind ja eine aufstrebende<br />

Gemeinde und mit so einem alten Rathaus?<br />

Das paßt eben einfach nicht mehr in die Zeit, außerdem,<br />

was wollen wir mit zwei Rathäusern? <strong>Denkmalpflege</strong><br />

ist sicher nötig, aber an ihrem Platz, man kann<br />

ja nicht jeden Gruscht erhalten. Und dann das Ortsbild!<br />

Wenn das Haus dann weg ist, wie schön man das<br />

dann machen kann, ein richtiges kleines Zentrum läßt<br />

sich ausbilden, unter Einbeziehung der Anlage. Haben<br />

Sie sich schon mal vorgestellt, wie dann der Blick auf<br />

das Haus dahinter fällt? Ich habe das untersuchen lassen,<br />

da ist auch Fachwerk drunter, das könnte man<br />

freilegen, wie das dann den Ortsmittelpunkt schmükken<br />

würde, das wird jedem gefallen, und die Verbesserung<br />

des Ortsbildes ist doch in erster Linie auch das<br />

Anliegen der <strong>Denkmalpflege</strong>, nicht wahr? Nun, Sie<br />

kennen ja meine Einstellung, aber hier kann man<br />

nichts mehr machen. Sie werden mir Recht geben, erst<br />

ohne das wirklich nicht mehr zeitgemäße alte Haus —<br />

da ist ja auch gar nichts mehr zu sanieren — werden<br />

die umliegenden Häuser richtig wirken. Der Verkehr<br />

fordert eben sein Recht, und es kommt heute mehr<br />

denn je auf eine übersichtliche Führung der Verkehrswege<br />

an, wir fahren ja nicht mehr mit der Postkutsche,<br />

und Parkplätze brauchen wir schließlich auch, Sie fahren<br />

ja doch auch und können das beurteilen. Also, wie<br />

gesagt, sonst immer, aber in diesem einen Fall müssen<br />

Sie mir zustimmen, bedenken Sie, daß ...<br />

Sind Sie, verehrter Leser, schon weich?<br />

Dipl.-lng. Konrad T-ieyer<br />

LDA • Bau- und Kunstdcnkmalpflege<br />

Karlstraße 47<br />

7500 Karlsruhe 1<br />

127


Hartwig Zürn: Das Verwaltungsgericht entscheidet<br />

Zum Kastell Köngen<br />

Seit geraumer Zeit beschäftigt Grinario, das römische<br />

Kastell Köngen, nicht nur Archäologen, <strong>Denkmalpflege</strong>r,<br />

Heimatfreunde und die Gemeinde Köngen, sondern<br />

auch die Gerichte. Was geht hier vor?<br />

Als vor rund fünfzehn Jahren, am 20. November 1961,<br />

in Köngen auf einer Gemeinderatssitzung die Bebauung<br />

der Fluren „Burg" und „Ob dem Altenberg", auf<br />

denen das Kastell einschließlich des zugehörigen Vicus<br />

liegt, debattiert wurde, vertrat die <strong>Denkmalpflege</strong> den<br />

Standpunkt, wenigstens das eigentliche Kastellgelände<br />

sollte von der Bebauung ausgespart werden. Das Denkmalamt<br />

hatte dafür berechtigte Gründe, war doch das<br />

Kastell Köngen — durch seine markante Lage ein Mu-<br />

sterbeispiel par excellence — das einzige am gesamten<br />

Neckarlimes, das noch nicht überbaut war und von dem<br />

noch der römische Name bekannt ist. Das Kastell Köngen<br />

war ein wichtiger Punkt in der Gesamtplanung des<br />

Denkmalamtes, aus der römischen Geschichte des Landes<br />

einige hervorragende Objekte sicherzustellen. Zu<br />

diesen Punkten gehören unter anderem auch das Kastell<br />

Welzheim am obergermanischen Limes und das Kastell<br />

Buch bei Aalen am rätischen Limes, beide durch einen<br />

archäologischen Wanderweg miteinander verbunden.<br />

Dank der Einsicht der Gemeinde Welzheim und des<br />

Landkreises Ostalbkreis (damals Aalen) ist es gelungen,<br />

beide Kastelle zu erhalten.<br />

1 KASTELL UND LAGERDORF<br />

KÖNGEN.<br />

Das Kastell Köngen wurde um 85 n. Chr.<br />

gegründet und war mit den gleichzeitig<br />

ungelegten Neckarkastellen durch eine<br />

Straße, den sogenannten Neckarlimes,<br />

verbunden. Die Besatzung des Kastells,<br />

ein gemischter Verband aus Infanterie<br />

und Kavallerie, hatte den Anschluß des<br />

Neckarlimes an den Alblimes zu überwachen.<br />

Von der Kastellhöhe aus konnten<br />

Neckar- und Lautertal weithin eingesehen<br />

werden. Diese Funktion des<br />

Kastells ging auf das ehemalige Lagerdorf<br />

über, als die Kastellbesatzung wahrscheinlich<br />

um 150 n.Chr. nach Lorch<br />

vorverlegt wurde. Das Dorf entwickelte<br />

sich aufgrund seiner günstigen Verkehrslage<br />

an der Verbindungsstraße vom<br />

Rhein zur Donau zu einer blühenden<br />

Siedlung, die verwaltungsmäßig <strong>zum</strong><br />

Gau von Rottenburg gehörte.<br />

Bereits 1783/84 wurde in Köngen <strong>zum</strong><br />

erstenmal gegraben, wobei die Straßen<br />

nach Cannstatt und Rottenburg und<br />

eine dritte Straße in nordwestlicher Richtung<br />

festgestellt wurden. An zahlreichen<br />

Stellen wurden Gebäude des Lagerdorfes<br />

und der späteren Siedlung angeschnitten.<br />

1843/44 und 1882 fanden weitere<br />

Ausgrabungen statt. 1885 wurde das<br />

Kastell entdeckt, in dem dann 1896<br />

im Auftrag der Reichslimeskommission<br />

archäologische Untersuchungen vorgenommen<br />

wurden. Die von Esslinger<br />

Altertumsfreunden 1886187 begonnene<br />

Rekonstruktion der südlichen Lagerecke<br />

wurde 1911 vom Schwäbischen Albverein<br />

abgeschlossen.<br />

Heute ist das Kastell Köngen das einzige<br />

nicht überbaute Kastell des Neckarlimes.<br />

128


2 DIE RESTAURIERTE SUDECKE DES RÖMISCHEN KASTELLS KÖNGEN.<br />

In der Angelegenheit Köngen unterstützte das Regierungspräsidium<br />

Stuttgart die Bemühungen des Denkmalamtes<br />

und lehnte einen inzwischen eingereichten<br />

Flächennutzungsplan, soweit er das Kastellgelände für<br />

die Uberbauung vorsah, ab. Ein von der Gemeinde daraufhin<br />

veranlaßter Entscheid des Verwaltungsgerichtes<br />

Stuttgart vom 16. April 1970 gab der Gemeinde Köngen<br />

zunächst recht.<br />

Das Urteil basierte auf dem Bundesbaugesetz (ein Denkmalschutzgesetz<br />

gab es damals noch nicht), und das Verwaltungsgericht<br />

war der Ansicht, daß das Regierungspräsidium<br />

zu Unrecht die denkmalpflegerischen Interessen<br />

als „öffentliche Belange" im Sinne des § 1 Abs. 4 und 5<br />

dieses Gesetzes gewertet habe. Leider war das Denkmalamt<br />

zu der Verhandlung nicht geladen.<br />

Das Regierungspräsidium legte gegen den Entscheid Berufung<br />

ein. Daraufhin fand eine erneute Verhandlung,<br />

am 22. März 1973 vor dem Verwaltungsgerichtshof<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> in Mannheim, statt. Das Gericht<br />

machte sich die Mühe, die Situation des römischen<br />

Kastells im Gelände selbst zu überprüfen. Diesmal war<br />

auch die <strong>Denkmalpflege</strong> zur Verhandlung geladen. Der<br />

Verwaltungsgerichtshof stimmte den Argumenten der<br />

<strong>Denkmalpflege</strong> zu und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts<br />

Stuttgart vom 16. April 1970 auf.<br />

Das Urteil der Mannheimer Richter ist sehr ausführlich<br />

begründet und deswegen von grundsätzlicher Bedeutung.<br />

Besonders die Interpretation des Begriffes „kulturelles<br />

Bedürfnis" macht es für die <strong>Denkmalpflege</strong> gewichtig.<br />

Bemerkenswert ist auch, daß sich das Urteil<br />

ebenfalls nur auf das Bundesbaugesetz stützt.<br />

Aus dem Urteil sei folgender Absatz zitiert: „Das Interesse<br />

der Öffentlichkeit, das Kastellgelände und die im<br />

Boden verborgenen Uberreste des ehemaligen römischen<br />

Lagers für (heimat-)geschichtliche und archäolo-<br />

gische Zwecke zu erhalten, gehört im Sinne des § 1 Abs. 4<br />

S. 1 Bundesbaugesetz zu den kulturellen Bedürfnissen<br />

der Bevölkerung, nach denen sich die Bauleitpläne kraft<br />

gesetzlicher Vorschrift zu richten haben. Der Begriff der<br />

,kulturellen Bedürfnisse' umfaßt nicht nur das Interesse<br />

der Bevölkerung an kulturellen Einrichtungen (Anlagen<br />

für kulturelle Zwecke), wie sie dem menschlichen<br />

Wohnen oder den Städten im ganzen zugeordnet zu<br />

sein pflegen (Schulen, Büchereien, Museen, Theater),<br />

sondern nach Auffassung des Senats auch das Interesse<br />

daran, bestimmte Flächen ihrer (heimat-) geschichtlichen<br />

und archäologischen Bedeutung wegen von Bebauung<br />

freizuhalten."<br />

Und weiter heißt es in dem Urteil: „Gegenüber diesen<br />

besonders gewichtigen kulturellen Bedürfnissen hat der<br />

öffentliche Belang, das Kastellgelände für eine Wohnfläche<br />

zu gewinnen, ein ganz erheblich geringeres Gewicht."<br />

Eine Revision an das Bundesverwaltungsgericht war<br />

nicht zugelassen, lediglich die Nichtzulassung der Revision<br />

konnte angefochten werden. Dies geschah auch<br />

durch die Gemeinde Köngen, wurde aber durch das<br />

Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 3. Juli<br />

1973 zurückgewiesen.<br />

Mit Verfügung vom 6. August 1974 ordnete das Regierungspräsidium<br />

Stuttgart die Eintragung des Kastells in<br />

das Denkmalbuch an aufgrund des Denkmalschutzgesetzes<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> § 12. Gegen die Eintragung<br />

erhob nun die Gemeinde nebst weiteren Grundbesitzern<br />

im Bereich des Kastells Köngen Anfechtungsklage.<br />

Uber diese wurde am 17. Dezember 1975 wiederum<br />

vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart verhandelt.<br />

Auch jetzt überzeugte sich das Gericht im Gelände<br />

des Kastells selbst von der Situation, und das Denkmalamt<br />

war zur Verhandlung geladen.<br />

129


Die Gemeinde Köngen und die anderen Kläger brachten<br />

vor, es handle sich bei dem Kastell nicht um ein Kulturdenkmal.<br />

Die Aussagen der <strong>Denkmalpflege</strong>, daß im Bereich<br />

des ehemaligen Kastells noch dessen Reste im Boden<br />

lägen, wurden angezweifelt und als Spekulation<br />

und Vermutung bezeichnet. Es fehle die Voraussetzung,<br />

daß ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung vorliege,<br />

die eine Eintragung in das Denkmalbuch rechtfertige.<br />

Auch sei anzuzweifeln, daß es sich hier um ein<br />

Denkmal von „öffentlichem Interesse" handle, eine<br />

Frage, die bereits durch den Verwaltungsgerichtshof<br />

Mannheim im Urteil vom 22. März 1973 positiv für das<br />

Kastell entschieden worden war.<br />

Das Verwaltungsgericht entschied: „Die Eintragung des<br />

ehemaligen Römerkastells ,Grinario' in das Denkmalbuch<br />

ist rechtskräftig", ferner: „Das ehemalige Römerkastell<br />

,Grinario' ist ein Kulturdenkmal im Sinne von<br />

§ 2 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz". In den Erläuterungen,<br />

die das Stuttgarter Verwaltungsgericht zu seinem<br />

Urteil abgab, wurde festgestellt: „Es kann keinem Zweifel<br />

unterliegen und ist nach den vorliegenden Veröffentlichungen<br />

offenkundig, daß in dem vom Regierungspräsidium<br />

festgelegten Schutzbereich Uberreste des Kastells<br />

im Boden vorhanden sind." Damit ist für das Gericht<br />

die Voraussetzung gegeben, daß das Kastell als „einheitliches<br />

Kulturdenkmal" anzusehen ist. Im Boden liegende<br />

Denkmäler sind dadurch eindeutig solchen über<br />

dem Boden vor dem Gesetz gleichgestellt, eine gerade<br />

für die Bodendenkmalpflege äußerst wichtige Feststellung,<br />

da in der Öffentlichkeit vielfach nur das als Denkmal<br />

akzeptiert wird, von dem man oberirdisch noch<br />

Reste sieht.<br />

Das von den Klägern bestrittene „öffentliche Interesse"<br />

wird vom Verwaltungsgericht erneut bestätigt: „Im vorliegenden<br />

Falle besteht an der Erhaltung der Uberreste<br />

des Römerkastells ,Grinario' aus wissenschaftlichen und<br />

heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse."<br />

Das Gericht befaßt sich ausführlich zunächst mit<br />

den „wissenschaftlichen Gründen", die für die Erhaltung<br />

des Kastells sprechen. Seitens der Kläger wurde<br />

eingewandt, es sollten jetzt eben Grabungen stattfinden,<br />

dann könne das Gelände für die Bebauung freigegeben<br />

werden. Dazu stellt das Gericht fest: „Daß in absehbarer<br />

Zeit auch tatsächlich neue Grabungen stattfinden sollen<br />

oder können, ist nach Auffassung der Kammer nicht<br />

erforderlich. Der Zeitpunkt der Erforschung muß dem<br />

Ermessen der Denkmalschutzbehörden überlassen bleiben."<br />

Äußerst gewichtig sind die Feststellungen des Gerichts<br />

zu der Frage, ob auch aus heimatgeschichtlichen Gründen<br />

an der Erhaltung des Kastells ein öffentliches Interesse<br />

besteht. Die Erläuterungen, die das Gericht dazu<br />

gibt, erscheinen uns so wesentlich, daß der ganze Absatz<br />

im Urteil wiedergegeben sei: „Jedenfalls kommt den<br />

Uberresten eines Römerkastells diese Bedeutung zu,<br />

denn an sie kann das historische Bewußtsein der Bevölkerung<br />

eines bestimmten Gebietes (,Heimat') für eine<br />

bestimmte geschichtliche Epoche dieses Gebietes anknüpfen.<br />

Unerheblich ist dabei, daß — wie hier — originale<br />

Uberreste des Kastells derzeit nicht sichtbar sind.<br />

Es genügt die Kenntnis, daß bestimmte Uberreste im<br />

Boden vorhanden sind, aus denen Lage und Form des<br />

Kastells abzulesen sind. Es kommt schließlich auch nicht<br />

darauf an, ob und in welchem Maße diese Kenntnis bei<br />

der einheimischen' Bevölkerung verbreitet ist oder gefördert<br />

wird. Entscheidend ist, daß die Kenntnis der in<br />

Köngen an Ort und Stelle vorhandenen Uberreste —<br />

zusammen mit der landschaftlichen Situation, der vom<br />

Schwäbischen Albverein 1911 rekonstruierten Kastellsüdecke<br />

und ,beweglichen' Funden — der Bevölkerung<br />

einen Begriff der Römerzeit in <strong>Württemberg</strong> geben<br />

k ö n r e n".<br />

Aufgrund weiterer ausführlicher Begründungen kommt<br />

das Gericht zu dem Schluß: „Die Uberreste des Kastells<br />

,Grinario' sind ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung<br />

im Sinne von § 12 Denkmalschutzgesetz",<br />

ferner: „Den relativ unversehrten Uberresten des Kastells<br />

Köngen kommt damit die Bedeutung eines seltenen<br />

Forschungsobjektes und Lehrbeispiels zu."<br />

In einem Schlußabsatz kommt das Gericht noch auf die<br />

Pflichten der Denkmalschutzbehörden zu sprechen. Es<br />

heißt hier: „Ob ein Kulturdenkmal von besonderer<br />

Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen wird, steht<br />

nicht im Ermessen der Denkmalschutzbehörden. Nach<br />

Wortlaut und Zweck der Vorschriften über die Eintragung<br />

.. . handelt es sich vielmehr bei der Eintragung<br />

bzw. bei der die Eintragung anordnenden Verfügung<br />

um eine Amtshandlung, zu der das Regierungspräsidium<br />

als höhere Denkmalschutzbehörde ... bei Vorliegen<br />

der Voraussetzungen verpflichtet ist. Für eine Abwägung<br />

widerstreitender öffentlicher und privater Interessen<br />

ist daher bei der Entscheidung über die Eintragung<br />

kein Raum."<br />

Gerade diese Feststellung des Gerichts scheint von ganz<br />

entscheidender Bedeutung, denn sie weist das Denkmalamt<br />

und die Denkmalschutzbehörden klar und deutlich<br />

auf ihre Pflichten hin. Das Denkmalamt hat ganz allein<br />

die Interessen des Denkmals zu vertreten, und wenn<br />

festgestellt ist, daß es sich um ein Denkmal nach § 2<br />

des Denkmalschutzgesetzes handelt, hat es alles zu tun,<br />

um dieses zu schützen, und ist dazu nach Gesetz verpflichtet.<br />

Die Eintragung eines Denkmals ist nicht davon<br />

abhängig, ob private Interessen der Eintragung entgegenstehen.<br />

Wenn aber ein als Denkmal festgestelltes<br />

Objekt aus irgendwelchen gewichtigen Gründen trotzdem<br />

geopfert werden soll, so kann es niemals Aufgabe<br />

des Denkmalamtes sein, sich gegen das Denkmal zu<br />

entscheiden, sondern es liegt in der Verantwortung der<br />

Denkmalschutzbehörden, meist des Regierungspräsidiums<br />

als höherer Denkmalschutzbehörde, nach sorgfältigster<br />

Abwägung aller Gründe eine Entscheidung<br />

für oder gegen das Denkmal zu treffen.<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> ist für diese Entscheidungen und<br />

Äußerungen der Gerichte sehr dankbar, denn durch sie<br />

werden viele Unklarheiten, die immer noch in der<br />

Öffentlichkeit bestehen, beseitigt. Die Köngener Urteile<br />

haben somit weit über das Kastell hinaus, das der Anlaß<br />

war, für die <strong>Denkmalpflege</strong> grundsätzliche Bedeutung.<br />

Dr. Hartwig Zürn<br />

LDA • Bodendenkmalpflege<br />

Schillerplatz 1<br />

7000 Stuttgart 1<br />

130


Personalia<br />

Mitteilungen<br />

Artur Hassler f<br />

Am 1. April 1976 starb Artur Hassler<br />

an den Folgen eines Verkehrsunfalles.<br />

Im 68. Lebensjahr stehend wurde er<br />

aus den Vorbereitungen zu einer Ausstellung<br />

anläßlich der 1000-Jahr-Feier<br />

der Stadt Bruchsal herausgerissen.<br />

Artur Hasslers Lebenswerk ist mit dem<br />

Wiederaufbau des Bruchsaler Schlosses<br />

untrennbar verbunden. Ihm widmete<br />

der ehemals freie Architekt seine<br />

ganze Arbeitskraft. Bereits zu einem<br />

Zeitpunkt, als der Wiederaufbau keineswegs<br />

beschlossene Sache war, setzte<br />

Hassler sich für die Sicherung der Ruinen<br />

ein. Durch seinen Eintritt in das<br />

Staatliche Hochbauamt Karlsruhe,<br />

Außenstelle Bruchsal, erhielt er die<br />

Möglichkeit, über ein Jahrzehnt hinweg<br />

den Wiederaufbau maßgeblich<br />

mitzugestalten. Mit unermüdlichem<br />

Eifer und kaum zu überbietender Akribie<br />

widmete er sich dieser Aufgabe.<br />

Dabei war ihm vor allem daran gelegen,<br />

sowohl im Material als auch in<br />

der Ausführung der Arbeiten die größtmögliche<br />

Originaltreue zu erreichen.<br />

Die Wiedereröffnung des Schlosses am<br />

28. Februar 1975, 30 Jahre nach der<br />

Zerstörung, war ein Höhepunkt in<br />

seinem Leben. Leider war es ihm nicht<br />

mehr vergönnt, auch noch die Fertigstellung<br />

der Dokumentation <strong>zum</strong> Wiederaufbau,<br />

an der er mitarbeitete, zu<br />

erleben.<br />

Neben seiner selbstgestellten Hauptaufgabe<br />

widmete er sich schon früh<br />

der Geschichte seiner Heimatstadt<br />

Bruchsal. Er war es, der kurz nach dem<br />

Kriege, als allenthalben das Augenmerk<br />

fast ausschließlich auf die Beseitigung<br />

der Kriegsschäden gerichtet war,<br />

beim Wiederaufbau der Stiftskirche<br />

Unserer Lieben Frau baugeschichtliche<br />

Beobachtungen sammelte und durch<br />

die Aufzeichnung aller Bodeneingriffe<br />

das Material zusammentrug, das es<br />

uns heute erlaubt, eine Darstellung<br />

von der Entwicklung dieses Baues zu<br />

schreiben.<br />

Bedeutenden Raum in den historischen<br />

Studien Artur Hasslers nahm<br />

die Suche nach dem Standort des<br />

Bruchsaler Königshofes ein. Keine<br />

Baugrube im Stadtkern Bruchsals, die<br />

er nicht beobachtete und gegebenenfalls<br />

zeichnerisch aufnahm — was ihm<br />

bei Behörden und Bauherren nicht nur<br />

Beifall eintrug. Durch die Vielzahl seiner<br />

Beobachtungen wurde die Diskussion<br />

um den Standort des Königshofes<br />

ein gutes Stück weitergebracht, wenn<br />

es ihm auch nicht mehr gelang, sein<br />

Wissen in einer abgerundeten Darstellung<br />

zusammenzufassen.<br />

Mit Artur Hassler verliert die <strong>Denkmalpflege</strong><br />

einen engagiertenMitstreiter,<br />

der neben seinem Enthusiasmus stets<br />

auch heiteren Schwung in jedes Gespräch<br />

einbrachte und dadurch mancher<br />

notwendigen Auseinandersetzung<br />

ihre Schärfe nahm. Die schönste Ehrung<br />

seines Andenkens wäre es, wenn<br />

es gelänge, seine Aufzeichnungen zur<br />

Geschichte von Schloß und Stadt Bruchsal<br />

zu publizieren.<br />

Hans Huth/Dietrich Lutz<br />

Zum Kauf angebotenes<br />

Denkmalobjekt<br />

Für die „Obere Mühle" am nordöstlichen<br />

Stadtrand von Trossingen (Kreis<br />

Tuttlingen|, einen dreistöckigen verputzten<br />

Fachwerkbau des 18. Jahrhunderts<br />

mit einer Fassadengestaltung des<br />

19. Jahrhunderts, wird ein neuer Eigentümer<br />

gesucht, der das im Landschaftsschutzgebiet<br />

liegende Anwesen<br />

vor dem Verfall bewahren möchte.<br />

Zum Mühlengebäude mit ca. 13 m<br />

auf 14 m Grundfläche gehören noch<br />

ein landwirtschaftliches Gebäude und<br />

ein Gelände von 30 bis 50 Ar.<br />

Interessenten möchten sich bitte an<br />

das Landesdenkmalamt, Außenstelle<br />

Freiburg, Colombistraße 4, 7800 Freiburg,<br />

wenden.<br />

Wangen im Allgäu:<br />

Altstadt unter Denkmalschutz<br />

Uber die Wangener Altstadt und die<br />

denkmalpflegerischen Bemühungen<br />

um deren Erhaltung wurde im Nachrichtenblatt<br />

3/1974 Seite 18 ff. bereits<br />

ausführlich berichtet. Die konsequente<br />

Einstellung der Stadt zugunsten der<br />

Wahrung des Altstadtbildes hat nun<br />

auch darin ihren Ausdruck gefunden,<br />

daß der gesamte Altstadtbereich mit<br />

rund zweihundert Gebäuden als Gesamtanlage<br />

nach § 19 Denkmalschutzgesetz<br />

durch eine Rechtsverordnung<br />

des Regierungspräsidiums Tübingen<br />

vom 22. März 1976 unter Denkmalschutz<br />

gestellt werden konnte.<br />

Geschützt wird das im Mittelalter entstandene<br />

und in seinem Charakter erhalten<br />

gebliebene sowie in seiner historischen<br />

Abgrenzung noch heute klar<br />

erkennbare Ortsbild der ehemaligen<br />

oberschwäbischen Reichsstadt. Das Erscheinungsbild<br />

der Gesamtanlage wird<br />

geprägt vom Zusammenwirken der<br />

Grundrißgestalt der Plätze, Straßen<br />

und Gassen mit den Fassaden und der<br />

Dachlandschaft der überwiegend aus<br />

derZeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert<br />

stammenden Gebäude. An<br />

dem Grundriß der Altstadt lassen sich<br />

noch heute die einzelnen Phasen des<br />

Stadtwachstums, insbesondere die Er-<br />

131


Weiterung der Oberstadt durch die<br />

Unterstadt im frühen 15. Jahrhundert,<br />

deutlich erkennen,<br />

Veränderungen an dem geschützten<br />

Bild der Gesamtanlage sind genehmigungspflichtig,<br />

insbesondere:<br />

1. die Errichtung und der Abbruch baulicher<br />

Anlagen sowie anderer Anlagen<br />

oder Errichtungen im Sinne der Landesbauordnung;<br />

das gleiche gilt für<br />

Maßnahmen, die der Errichtung und<br />

dem Abbruch gleichgestellt sind (z. B.<br />

Umbauten und Änderungen der Nutzung!;<br />

2. die Neuanlage oder wesentliche<br />

Oberflächenveränderung von Straßen,<br />

Wegen oder Plätzen und das Verlegen<br />

von oberirdischen Leitungen aller Art<br />

sowie das Aufstellen von Masten und<br />

Unterstützungen, mit Aufnahme von<br />

Unterhaltungsmaßnahmeii;<br />

3. die Errichtung und Veränderung von<br />

Werbeanlagen.<br />

Wanderausstellung<br />

der Bodendenkmalpflege<br />

Bereits mehrfach wurde im Nachrichtenblatt<br />

über die Wanderausstellung<br />

„Pro Archaeologia" berichtet, die die<br />

Öffentlichkeit über die Arbeit der Abteilung<br />

Bodendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes<br />

informieren soll.<br />

Die Ausstellung, die seit dem Denkmalschutzjahr<br />

1975 durch <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

wandert, kann besichtigt<br />

werden<br />

vom 24. September bis <strong>zum</strong> 17. Oktober<br />

1976 in Lahr,<br />

vom 22. Oktober bis <strong>zum</strong> 14. November<br />

1976 in Oberndorf am Neckar,<br />

vom 19. November bis <strong>zum</strong> 12. Dezember<br />

1976 in Nagold,<br />

vom 17. Dezember 1976 bis <strong>zum</strong><br />

9. Januar 1977 in Weil am Rhein.<br />

Ausstellung;<br />

Straße und Platz<br />

Unter dem Titel „Straße und Platz -<br />

Das Gesicht unserer Stadt, Gestaltung<br />

und Funktion" hat der Heidelberger<br />

Kunstverein in Zusammenarbeit mit<br />

dem Bund Deutscher Architekten,<br />

Kreisgruppe Heidelberg, und den Städtischen<br />

Kunstsammlungen Ludwigshafen<br />

eine Ausstellung zusammengestellt,<br />

die<br />

vom 22. August bis 11. September 1976<br />

in Gaggenau,<br />

vom 18. September bis <strong>zum</strong> 15. Oktober<br />

1976 in Ellwangen,<br />

vom 17. Oktober bis <strong>zum</strong> 15. November<br />

1976 in Viernheim<br />

zu sehen sein wird.<br />

Gezeigt werden in zahlreichen Bildtafeln<br />

am Beispiel der Stadt Heidelberg,<br />

welche Wirkung die Faktoren<br />

Straße und Platz für das Bild einer<br />

Stadt haben.<br />

Zu der Ausstellung ist ein reich bebilderter<br />

92seitiger Katalog erschienen,<br />

der am jeweiligen Ausstellungsort und<br />

beim Heidelberger Kunstverein, Hauptstraße<br />

97, 6900 Heidelberg 1, <strong>zum</strong> Preis<br />

von 8,— DM erhältlich ist.<br />

Quellennachweis<br />

für die Abbildungen<br />

(Die Zahlenangaben verweisen<br />

auf die Seiten)<br />

132<br />

Fotoaufnahmen<br />

stellten zur Verfügung:<br />

LDA-Karlsruhe 90—93<br />

(Fotos Dr. H. Hell, Reutlingen);<br />

LDA-Stuttgart Titelbild (Foto<br />

K. Natter, Stuttgart), 113—116, 129;<br />

LDA-Tübingen 87-89, 94, 105<br />

Abbildung 5,106,117,119, 126;<br />

95 Abbildung 3,96-98, 101,110, 122<br />

(sämtliche Fotos G. Bock,<br />

Oberopfingen);<br />

99 Abbildung 11 (FotoK. Buchmüller);<br />

95 Abbildung 4, 104, 105 Abbildung 6,<br />

107-109,118,120,121,124,125<br />

(sämtliche Fotos Dr. H. Hell,<br />

Reutlingen);<br />

99 Abbildung 12 (Foto Fürstl. Verwaltung<br />

Wolf egg);<br />

123 unten (Foto G. Maier, Hirschau);<br />

123 oben (Foto W. Müller, Stuttgart)<br />

Die gezeichneten Vorlagen lieferten:<br />

Prof. J. G. Schmid, Biberach 102/103,<br />

III)<br />

LDA-Karlsruhe 91;<br />

LDA-Stuttgart 112, 128;<br />

LDA-Tübingen 106, 108 (Zeichnungen<br />

Prof. J. G. Schmid, Biberach)


Die Dienststellen des Landesdenkmalamtes<br />

Als einer der im Denkmalscbutzgesetz § 3 Abs. 1 benannten Denlunalscbutzhehöiden fällt dem Landesdenkmalamt<br />

BW die vom Gesetz in §1 definierte Aufgabe zu, Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen, insbesondere<br />

den Zustand der Kulturdenkmale zu überwachen sowie auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung<br />

von Kulturdenkmalen hinzuwirken. Im Rahmen dieser Verpflichtung steht im Vordergrund die Pflege der<br />

Kulturdenkmale, die von den fachlidi geschulten Konservatoren des Landesdenkmalamtes besorgt wird. Im Zusammenhang<br />

damit hat das Denkmalamt im wesentlichen auch die in § 6 DSchG festgestellte Pflicht des Landes<br />

zu erfüllen, Maßnahmen zur Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmalen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden<br />

Haushaltsmittel durch die Hergabe von Zuschüssen zu fördern und zu unterstützen.<br />

Beides, pflegerische Tätigkeit und Zuschußwesen, bedingt einen engen, meist persönlichen Kontakt zwischen dem<br />

Landesdenkmalamt und den Eigentümern der betroffenen Denkmale. Diese unerläßliche Verbindung zu intensivieren,<br />

wurde das Denkmalamt zwar zentral organisiert, nicht aber an einem Ort installiert. Es wurden vier<br />

Dienststellen eingerichtet, deren jede einen bestimmten der einstweilen von den Grenzen der Regierungspräsidien<br />

umrissenen vier Landesteile verantwortlich zu betreuen hat. Alle Fragen in Sachen der <strong>Denkmalpflege</strong> und des<br />

Zuschußwesens sind entsprechend bei der für den jeweiligen Regierungsbezirk zuständigen Dienststelle des LDA<br />

vorzutragen.<br />

Zentralstelle Stuttgart<br />

Amtsleitung und Verwaltung<br />

(zuständig für den<br />

Regierungsbezirk Stuttgart)<br />

Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />

Eugenstraße 3<br />

7000 Stuttgart 1<br />

Telefon (07 11) 2 12/52 73<br />

Archäologie des Mittelalters<br />

Teckstraße 56<br />

7000 Stuttgart 1<br />

Telefon (07 11) 28 01 01 / App. 64<br />

Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />

Schillerplatz I<br />

7000 Stuttgart 1<br />

Telefon (07 11) 21 93/29 80<br />

Volkskunde (Württ. Landesstelle)<br />

Alexanderstraße 9A<br />

7000 Stuttgart 1<br />

Telefon (07 11) 2 12/52 90<br />

Außenstelle Freiburg<br />

(zuständig für den<br />

Regierungsbezirk Freiburg)<br />

Außenstelle Karlsruhe<br />

(zuständig für den<br />

Regierungsbezirk Karlsruhe)<br />

Dienststellenleitung und<br />

Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />

Colombistraße 4<br />

7800 Freiburg i. Br.<br />

Telefon (07 61)3 19 39<br />

Dienststellenleitung<br />

und sämtliche Abteilungen<br />

Karlstraße 47<br />

7500 Karlsruhe<br />

Telefon (07 21) 2 62 79 und 2 98 66<br />

Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />

Adelhauserstraße 33<br />

7800 Freiburg i. Br.<br />

Telefon (07 61)3 27 19<br />

Volkskunde (Badische Landesstelle)<br />

Schwaighofstraße 13<br />

7800 Freiburg i. Br.<br />

Telefon (07 61)7 4011<br />

Außenstelle Tübingen<br />

(zuständig für den<br />

Regierungsbezirk Tübingen)<br />

Dienststellenleitung und<br />

Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />

Hauptstraße 50<br />

7400 Tübingen-Bebenhausen<br />

Telefon (0 70 71) 6 20 11 und 6 20 12<br />

Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />

Schloß/Fünfeck türm<br />

7400 Tübingen<br />

Telefon (0 70 71)2 29 90


E6594 FX<br />

DENKMALPFLEGE<br />

IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />

Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Eugenstraße 3, 7000 Stuttgart 1<br />

3/1976 5. Jahrgang Juli—September 1976<br />

Veröffentlichungen des Landesdenkmalamtes<br />

Die <strong>Denkmalpflege</strong> bat seit jeher auch einen wissenschaftlichen Auftrag zu erfüllen, nidit nur, indem sie wissenschaftlichi<br />

Erkenntnisse vielfältigster Art hei der praktischen Betreuung der Kulturdenkmale anwendet, sondern vor allem dar', wo sie<br />

selbst Grundlagenforsdiung treibt. Das ist in erster Linie bei der Herausgabe wissenschaftlicher Inventare der Kulturdenk<br />

male der Fall, aber auch in zahlreichen Einzeluntersuchungen, die vornehmlich bestimmten Themen, einzelnen Monumen<br />

ten und deren Restaurierung oder den archäologischen Ergebnissen der vom Landesdenkmalamt durchgeführten Ausgrabun<br />

gen gewidmet sind. Die verschiedenen Spanen der <strong>Denkmalpflege</strong> geben diese Publikationen in eigenen fachbezogenen Rei<br />

hen heraus. Sämtliche Veröffentlichungen können durch den Buchhandel bezogen werden.<br />

Forschungen und Berichte<br />

der Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Deutscher Kunstverlag<br />

Band 1 Peter Breitling • Hans Detlev<br />

Kammeier ■ Gerhard Loch<br />

Tübingen<br />

Erhaltende Erneuerung<br />

eines Stadtkerns<br />

München/Berlin 1971<br />

Band 2 Reinhard Lieske<br />

Protestantische Frömmigkeit<br />

im Spiegel<br />

der kirchlichen Kunst<br />

des Herzogtums <strong>Württemberg</strong><br />

München/Berlin 1973<br />

Band 3 Stadtkern Rottweil<br />

Bewahrende Erneuerung von<br />

Struktur, Funktion und Gestalt<br />

München/Berlin 1973<br />

Band 4 Heinz Althöfer • Rolf E. Straub<br />

Ernst Willemsen<br />

Beiträge zur Untersuchung<br />

und Konservierung<br />

mittelalterlicher Kunstwerke<br />

München/Berlin 1974<br />

Forschungen und Berichte<br />

zur Volkskunde<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Verlag Müller & Gräff<br />

Band 1 1971—1973 (Sammelband)<br />

Stuttgart 1973<br />

Band 1 Herbert und Elke Schwedt<br />

Malerei auf Narrenkleidern<br />

Die Häs- und Hanselmaler<br />

in Südwestdeutschland<br />

Stuttgart 1975<br />

Forschungen und Berichte<br />

der Archäologie des Mittelalters<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Verlag Müller & Gräff<br />

Band 1 Günter P. Fehring<br />

Unterregenbach<br />

Kirchen, Herrensitz,<br />

Siedlungsbereiche<br />

Stuttgart 1972<br />

Band 2 Antonin Hejna<br />

Das „Sdilößle"<br />

zu Hummertsried<br />

Ein Burgstall<br />

des 13. bis 17. fahrhunderts<br />

Stuttgart 1974<br />

Forschungen und Berichte<br />

zur Vor- und Frühgeschichte<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Verlag Müller &. Gräff<br />

Band 1 Rolf Dehn<br />

Die Urnenfelderkultur<br />

in Nordwürttemberg<br />

Stuttgart 1972<br />

Band 2 Eduard M. Neuffer<br />

Der Reihengräberfriedhof von<br />

Donzdorf (Kreis Göppingen)<br />

Stuttgart 1972<br />

Band 3 Robert Koch<br />

Das Erdwerk<br />

der Michelsberger Kultur<br />

auf dem Hetzenberg<br />

bei Heilbronn-Neckargartadi<br />

Teil 2: Alix Irene Beyer<br />

Die Tierknodienfunde<br />

Stuttgart 1972<br />

Band 4 Teil 1: Gustav Riek<br />

Das Paläolithikum der<br />

Brillenhöhle bei Blaubeuren<br />

(Schwäbische Alb)<br />

Stuttgart 1973<br />

Teil 2: Joachim Boessneck<br />

Angela von den Driesch<br />

Die jungpleistozänen<br />

Tierknochenfunde<br />

aus der Brillenhöhle<br />

Stuttgart 1973<br />

Band 5 Hans Klumbach<br />

Der römische Skulptmenfund<br />

von Hausen an der Zaber<br />

(Kreis Heilbronn)<br />

Stuttgart 1973<br />

Band 6 Dieter Planck<br />

Arae Flaviae 1<br />

Neue Untersuchungen<br />

zur Geschichte<br />

des römischen Rottweil<br />

Stuttgart 1975<br />

Fundberichte<br />

aus <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

Schweizerbart'sdie<br />

Verlagsbuchhandlung<br />

Band 1 Stuttgart 1974<br />

Band 2 Stuttgart 1975

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