PDF zum Download - Denkmalpflege Baden-Württemberg
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E 6594 FX<br />
DENKMALPFLEGE<br />
IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
NACHRICHTENBLATT DES LANDESDENKMALAMTES 5. IAHRGANG<br />
JULI - SEPT. 1976<br />
1976
DENKMALPFLEGE IN BADEN-WÜRTTEMBERG • Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes<br />
Herausgeber: Landesdenkmalamt <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> • Eugenstraße3 ■ 7000 Stuttgart 1<br />
Schriftleitung: Dr. Adelheid Beck / Dr. Helga Schach-Dörges • Schillerplatz 1 • 7000 Stuttgart 1<br />
Druck: Druckhaus Robert Kohlhammer ■ Kohlhammerstraße 1—15 • 7022 Leinfelden-Echterdingen 1<br />
Postverlagsort: 7000 Stuttgart. Erscheinungsweise: vierteljährlich. Beim Nachdruck sind<br />
Quellenangaben und die Überlassung von zwei Belegstücken an die Schriftleitung erforderlich.<br />
Inhalt<br />
Präsident Dr. Graf Adelmann im Ruhestand 85<br />
Wolfram Noeske<br />
Ein Votum des Denkmalrates 86<br />
Hans Huth<br />
Die Restaurierung der Brunnen am Marktplatz in Freudenstadt 90<br />
Hubert Krins<br />
Freilichtmuseum — Randbemerkungen zu einem akuten,<br />
aber nicht aktuellen Thema 94<br />
HansjörgSchmid<br />
Das oberschwäbische Bauernhaus und seine Darstellung<br />
im Freilichtmuseum Kümbach 100<br />
Dieter Planck<br />
Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen 112<br />
Konj unkturförderungsprogramm hilft der <strong>Denkmalpflege</strong> 117<br />
Konrad Freyer<br />
Sonst immer, aber in diesem einen Fall ... 127<br />
Hartwig Zürn<br />
Das Verwaltungsgericht entscheidet... 128<br />
Personalia 131<br />
Mitteilungen 131<br />
Titelbild: Bruchstück eines aus Bein geschnitzten Klappmessergriffes, gefunden bei den<br />
Ausgrabungen des römischen Gutshofes von Bondorf. Die Abbildung zeigt das<br />
Fundstück in etwa dreifacher Vergrößerung (Originalgröße ca. 5,7 cm).<br />
Zum Beitrag Dieter Planck: Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen
Präsident Dr. Graf Adelmann im Ruhestand<br />
Der erste Präsident des Landesdenkmalamts <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Dr. Georg Sigmund<br />
Graf Adelmann von Adelmannsfelden, scheidet <strong>zum</strong> 31. Juli 1976 aus dem aktiven<br />
Dienst aus. Ich schätze ihn sowohl wegen seiner fachlichen wie wegen seiner menschlichen<br />
Qualitäten. Immer wieder konnte ich und — wie ich weiß — konnten andere in<br />
Gesprächen mit ihm feststellen, wie sehr sein Herz an den großen Aufgaben der <strong>Denkmalpflege</strong><br />
hängt. Vor allem die Wiederherstellung der Klosterkirche Neresheim war<br />
ihm eine Aufgabe, deren er sich mit einem Engagement annahm, das über die bloße<br />
Wahrnehmung von dienstlichen Aufgaben weit hinaus ging. Dem Eindruck seines noblen<br />
Charakters, seines kultivierten und gebildeten Charmes kann sich kein Gesprächspartner<br />
entziehen. Immer wieder — sowohl im dienstlichen wie im persönlichen Bereich<br />
— hat er gezeigt, daß er über den Zaun der eigenen Zuständigkeit hinausblicken<br />
und die Belange anderer Bereiche gebührend würdigen kann.<br />
Seit dem 1. August 1946 gehörte Graf Adelmann dem seinerzeitigen <strong>Württemberg</strong>ischen<br />
Landesamt für <strong>Denkmalpflege</strong> Stuttgart an. Er hat sich um die <strong>Denkmalpflege</strong><br />
im Lande <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> besondere Verdienste erworben. Mit seinem Namen ist<br />
eine Vielzahl von denkmalpflegerischen Maßnahmen verbunden. Ich habe bereits die<br />
Instandsetzung der Klosterkirche Neresheim erwähnt und hebe ferner die Stiftskirche<br />
Ellwangen, die Klosterkirche Schöntal, das Münster in Ulm hervor.<br />
Sowohl das fachliche Können und die Erfahrung als auch die Persönlichkeit Dr. Graf<br />
Adelmanns sprachen dafür, daß ihm im Jahre 1969 die Leitung des Staatlichen Amts<br />
für <strong>Denkmalpflege</strong> Stuttgart, im Jahre 1972 — nach dem Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes<br />
— die Leitung des neu geschaffenen Landesdenkmalamts <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
übertragen wurde. In der anfangs schwierigen Phase des Aufbaus dieser Behörde<br />
hat er in hohem Maße dazu beigetragen, die früheren selbständigen Staatlichen<br />
Ämter für <strong>Denkmalpflege</strong> zu einem neuen wirkungsvollen Ganzen zu integrieren.<br />
Uber seine dienstlichen Aufgaben hinaus übernahm Dr. Graf Adelmann im staatlichen<br />
und kirchlichen Leben weitere Verpflichtungen: Seit 1958 ist er Zweiter Vorsitzender<br />
bzw. Vorstandsmitglied des Schwäbischen Heimatbundes, seit 1969 Mitglied der Kommission<br />
für geschichtliche Landeskunde in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>; ferner ist er Mitglied<br />
des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS (der <strong>Denkmalpflege</strong>-Unterorganisation<br />
der UNESCO |. Auch im kommunalen Bereich setzte er seine Tatkraft ein. Er gehört<br />
seit 1962 dem Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg, seit 1965 dem Kreistag des Landkreises<br />
Ludwigsburg an.<br />
Die Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in den letzten Jahren war Dr. Graf<br />
Adelmann leider dadurch erschwert, daß seine Gesundheit unter der Last der Aufgaben<br />
und der Verantwortung immer mehr litt. Dies führte nunmehr dazu, daß er um vorzeitige<br />
Versetzung in den Ruhestand bitten mußte. Der scheidende Präsident des Landesdenkmalamts<br />
darf sich dessen bewußt sein, daß er seinem Lande 30 Jahre, davon<br />
viele Jahre in leitender Stellung gedient hat, daß er in diesen Jahren an großartigen<br />
Leistungen der <strong>Denkmalpflege</strong> mitwirkte und daß er dazu beitrug, dem <strong>Denkmalpflege</strong>-Gedanken<br />
im öffentlichen Bewußtsein einen immer bedeutsameren Platz zu<br />
verschaffen. Mit dem Dank und der Anerkennung für die geleisteten Dienste verbinde<br />
ich — auch namens des Kultusministeriums und des Landesdenkmalamts — die besten<br />
Wünsche für den Ruhestand.<br />
Kultusminister Pro/. Dr. Wilhelm Hahn
Wolfram Noeske: Ein Votum des Denkmalrates<br />
Der Denkmalxat beim Regierungspräsidium Tübingen<br />
hatte sich auf seiner diesjährigen Sitzung nur mit einem<br />
Objekt zu befassen. Allerdings war der Fall, der hier<br />
behandelt werden mußte, auch schwierig genug, galt es<br />
doch, eine ausgewogene Entscheidung herbeizuführen<br />
über den Fortbestand einer der bedeutendsten Kirchenbauten<br />
des späten 19. Jahrhunderts im Bezirk.<br />
Die Pfarrkirche St. Maria in Staig (südlich von Ulm) ist<br />
1869 von dem württembergischen Oberbaurat Georg<br />
von Morlok errichtet worden. Sie ist an die Stelle einer<br />
spätgotischen Kirche mit gleichem Patrozinium getreten,<br />
deren baufällig gewordenes Schiff den Anlaß <strong>zum</strong><br />
Neubau gab. Von dieser früheren Kirche stammt der<br />
erhalten gebliebene Turm mit seinen beiden 1490 datierten<br />
Glocken. Es darf vermutet werden, daß Morlok<br />
diesen für seinen Kirchenbau zu niedrigen Turm gleichfalls<br />
hat erneuern wollen. Die Originalpläne, die hierüber<br />
Aufschluß geben könnten, haben sich bisher nicht<br />
auffinden lassen.<br />
In seiner äußeren Erscheinung ist das Kirchengebäude<br />
ein unverputzter Backsteinbau mit vorzüglich gebranntem<br />
Ziegelmaterial und rot gefaßtem Fugenbild. Mit<br />
den sehr sparsam, aber äußerst wirkungsvoll angesetzten<br />
Ziegel-Zierbändern und den Ziegel-Verdachungen<br />
über den schmalen Lanzettfenstern mit nur weniger<br />
Naturstein-Akzentuierung gemahnt das Bauwerk an die<br />
eindrucksvollen Zeugnisse der niederdeutschen Backsteingotik.<br />
Es gehört zu den großen Verdiensten Morloks,<br />
dem unverputzten Backsteinbau monumentale<br />
Wirkungen abgewonnen zu haben. Seine Befähigung,<br />
dieses an sich spröde Material zu bildhaften Formen<br />
von höchster Eindrücklichkeit steigern zu können, hat<br />
dem Baugeschehen des ausgehenden 19. Jahrhunderts<br />
im süddeutschen Raum maßgebliche Anregungen vermittelt.<br />
Für seine Leistungen an einer Reihe von Kirchenbauten,<br />
aber auch für seine Verdienste im Brückenund<br />
Eisenbahnbau — hier ist vor allem das (inzwischen<br />
zerstörte) Bahnhofsgebäude in Stuttgart zu nennen, das<br />
„seinerzeit betreffs der Anlage sowie der künstlerischen<br />
Durchführung als Musterleistung für Deutschland dastand"<br />
— wurde ihm neben vielen Ehrungen auch der<br />
persönliche Adel verliehen.<br />
Der Innenraum der Kirche erhält durch eingezogene<br />
Wandpfeiler eine vielfältige, nischenartige Gliederung.<br />
Nischen wie Schiff werden je von einer spitzbogigen<br />
hölzernen Tonne mit kräftiger Stabgliederung überdeckt.<br />
Bemerkenswert ist, daß die gesamte ursprüngliche<br />
Ausstattung noch vorhanden ist. Damit ist die<br />
Kirche von Staig als ein außen wie innen originales<br />
Zeitdokument, ein heute selten gewordenes Phänomen,<br />
erhalten geblieben.<br />
Am 30. März 1926 war die Kirche mit Turm in das Verzeichnis<br />
der Baudenkmale, heute Denkmalbuch genannt,<br />
eingetragen worden. Damit war der Weiterbestand des<br />
Bauwerks rechtlich und faktisch abgesichert — vorausgesetzt<br />
allerdings, daß auch eine spätere Generation<br />
dieser Eintragung eingedenk bleiben würde. Daß diese<br />
Voraussetzung nicht immer zutrifft, beweist der vorliegende<br />
Fall.<br />
Die Gemeinde war ihrer Pfarrkirche überdrüssig geworden.<br />
In einem Protokoll vertrat sie 1963 die Auffassung,<br />
daß die Kirche nicht nur zu klein geworden sei und eine<br />
Erweiterung bei der unglücklichen Konstruktion unmöglich<br />
sei, sondern daß der finanzielle Aufwand für<br />
eine gründliche Renovation in keinem Verhältnis <strong>zum</strong><br />
Erfolg stehen würde, da notwendig seien: die Erneuerung<br />
des Daches,- die Abänderung der in das Dach ragenden<br />
Fenster, damit eine Dachrinne angebracht werden<br />
könne; der Einzug einer Decke statt der Spitzbogentonne;<br />
der Neubau eines Glockenturms; das Anbringen<br />
eines Außenputzes nach vorheriger Entfernung der äußeren<br />
Zierrate und Ornamentierungen; ein neuer Fußboden,<br />
neue Altäre, neue Fenster.<br />
Es wurde darum der Beschluß gefaßt, eine neue Kirche<br />
an anderer Stelle zu errichten und danach die alte<br />
Kirche abzubrechen. Es wurde ferner eine Gutachterkommission<br />
gegründet, zu der auch ein hier nicht zuständiger<br />
<strong>Denkmalpflege</strong>r hinzugezogen wurde; es<br />
wurde ein Wettbewerb veranstaltet; es wurde die neue<br />
Kirche gebaut und 1974 in Benutzung genommen —<br />
jedoch niemand war der Tatsache nachgegangen, daß<br />
die alte Kirche im Denkmalbuch eingetragen war und<br />
daß hieraus Folgerungen zu ziehen waren. Erst im Gefolge<br />
eines umfangreichen Schriftwechsels, in welchem<br />
das Landesdenkmalamt auf die Eintragung hingewiesen<br />
hatte, nachdem es auf die — von der Kommission empfohlene<br />
— bauliche Vernachlässigung der alten Kirche<br />
aufmerksam geworden war, wurde von der Gemeinde<br />
der Antrag auf Löschung der Kirche im Denkmalbuch<br />
gestellt.<br />
Mit Verfügung vom 20. November 1975 hat das Regierungspräsidium<br />
Tübingen den Löschungsantrag abgelehnt<br />
mit der Begründung, daß die Pfarrkirche nach wie<br />
vor ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung sei<br />
und im übrigen die Kirchengemeinde nicht habe darauf<br />
vertrauen können, daß das Votum der von ihr 1963 bestellten<br />
Gutachterkommission von den zuständigen Genehmigungsbehörden<br />
gebilligt werde.<br />
Dagegen erhob die Gemeinde fristgerecht Widerspruch.<br />
Uber diesen Widerspruch hatte sich der Denkmalrat auf<br />
seiner Sitzung am 19. Mai 1976 zu äußern. Bei der zur<br />
Abstimmung gestellten Frage, ob der Widerspruch der<br />
86
1 und 2 ST. MARIA.<br />
Katholische Pfarrkirche in<br />
Staig, Gemeinde Weinstetten,<br />
Alb-Dona u-Kieis.<br />
Ansichten von Nordwesten<br />
und Westen.<br />
87
Kirchengemeinde zurückzuweisen sei, stimmte der<br />
Denkmalrat bei zwei Enthaltungen für die Zurückweisung.<br />
Der hierauf der Kirchengemeinde zugeleitete Widerspruchbescheid<br />
des Regierungspräsidiums Tübingen<br />
sagt u. a. folgendes aus: „Der Widerspruch ist zulässig,<br />
aber nicht begründet. Nach § 12 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz<br />
genießen Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung<br />
zusätzlichen Schutz durch Eintragung in das<br />
Denkmalbuch. Eine Eintragung im Denkmalbuch ist zu<br />
löschen, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.<br />
Die Pfarrkirche in Staig ist jedoch nach wie vor<br />
ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Für die<br />
Beurteilung dieser Frage ist allein das Gutachten der<br />
fachlich gebildeten Konservatoren des Landesdenkmalamtes<br />
maßgebend. Der vom Regierungspräsidium gem.<br />
§ 4 DSchG eingeschaltete Denkmalrat beim Regierungspräsidium<br />
Tübingen hat im Rahmen einer Ortsbesichtigung<br />
die besondere Bedeutung der Pfarrkirche und damit<br />
die Auffassung des Landesdenkmalamts bestätigt.<br />
Als frühes Beispiel der Neugotik ist die Kirche landesgeschichtlich<br />
ein bedeutsames Dokument. Sie besitzt<br />
für die Zeit ihres Entstehens exemplarischen Charakter<br />
und stellt sowohl in ihrem äußeren Erscheinungsbild<br />
als auch in der konsequenten Innenausstattung ein hervorragendes<br />
Zeugnis der künstlerischen Absichten des<br />
bekannten Baumeisters Georg von Morlok dar. Da die<br />
Pfarrkirche somit aus wissenschaftlichen und künstlerischen<br />
Gründen ein Kulturdenkmal von besonderer<br />
Bedeutung ist, besteht die Eintragung im Denkmalbuch<br />
zu Recht.<br />
Da der Löschungsantrag <strong>zum</strong> Zwecke des Abbruchs der<br />
durch den Neubau des kirchlichen Gemeindezentrums<br />
für Gottesdienste entbehrlich gewordenen Pfarrkirche<br />
gestellt wurde, hat das Regierungspräsidium bei seiner<br />
Entscheidung auch Überlegungen zu der Folge angestellt,<br />
ob die Erhaltung des Kulturdenkmals der Eigentümerin<br />
zugemutet werden kann. Dabei ist das Regierungspräsidium<br />
zu dem Ergebnis gekommen, daß die<br />
Erhaltung des Kulturdenkmals <strong>zum</strong>indest in seiner derzeitigen<br />
Substanz für die Kath. Kirchengemeinde <strong>zum</strong>utbar<br />
ist. In einem, in einer vergleichbaren Angelegenheit<br />
gefällten Urteil vom 14. Okt. 1975 (Az.: I 865/<br />
74) hat der Verwaltungsgerichtshof <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
festgestellt, daß der in § 6 DSchG gebrauchte Begriff des<br />
Erhaltens nicht nur die Maßnahmen des Eigentümers<br />
umreißt, die erforderlich sind, um einen baupolizeilich<br />
sicheren und vor allem denkmalwürdigen Zustand des<br />
Schutzobjektes aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen,<br />
sondern auch auf die Erhaltung des Gegenstandes<br />
als Substanz — die Wahrung des status quo — bezogen<br />
werden muß. In diesem Zusammenhang kann<br />
folglich nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Kath.<br />
Kirchengemeinde — entgegen der Verpflichtung nach<br />
§ 6 DSchG — in den vergangenen Jahren (wohl unter<br />
Berufung auf die — rechtlich nicht relevante — Empfehlung<br />
der damaligen Gutachterkommission) keine Erhaltungsmaßnahmen<br />
mehr an der Kirche durchgeführt<br />
hat, weshalb verschiedene Schäden am Gebäude eingetreten<br />
sind.<br />
Wenn ungeachtet der eindeutigen Rechtslage unter Berufung<br />
auf die Empfehlungen der Gutachterkommis-<br />
ST. MARIA IN STAIG.<br />
3 Blick <strong>zum</strong> Chor der Kirche.<br />
4 Außenansicht von ><br />
Südosten.
4<br />
sion von kirchlicher Seite bauliche Maßnahmen durchgeführt<br />
worden sind, die eine weitere Nutzung der<br />
Pfarrkirche entbehrlich erscheinen lassen, ist dies von<br />
den zuständigen Kirchenbehörden selbst zu vertreten.<br />
Eine Un<strong>zum</strong>utbarkeit für die Erhaltungspflicht nach<br />
§ 6 DSchG kann daraus nicht hergeleitet werden.<br />
Da somit die Pfarrkirche in Staig ein Kulturdenkmal<br />
von besonderer Bedeutung ist und auch sonst keine<br />
Gründe vorliegen, die ihren Abbruch rechtfertigen würden,<br />
ist der Löschungsantrag zu Recht abgelehnt worden".<br />
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums als der höheren<br />
Denkmalschutzbehörde ist gefallen. Was ist nun<br />
zu tun? Diese drängende Frage steht vor einer relativ<br />
kleinen Gemeinde, die jetzt zwei Kirchengebäude besitzt.<br />
Diese Frage steht vor dem Landesdenkmalamt,<br />
dessen Auftrag lautet, für Schutz und Pflege der Kulturdenkmale<br />
mit Sorge zu tragen, wobei über die eingeschränkten<br />
Mittel dieses Amtes jedermann sich im kla-<br />
ren ist, so daß die Frage, was nun zu tun sei, gleichfalls<br />
vor der Kultusverwaltung des Landes steht. Denn Staig<br />
ist nicht der einzige Ort im Lande <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>,<br />
in welchem eine alte Kirche, die ein schützenswertes<br />
Kulturdenkmal darstellt, zugunsten einer neu erbauten<br />
Kirche nun leersteht. Damit aber stellt sich diese drängende<br />
Frage auch der kirchlichen Oberbehörde, deren<br />
Sorge in der Besetzung der Ortspfarreien groß ist, woraus<br />
sich zu einem Teil der Zwang zur Zusammenlegung<br />
und damit die Notwendigkeit zu größerräumlichen<br />
Neubauten ergibt.<br />
Ähnliche Fälle werden in naher Zukunft, so ist zu<br />
fürchten, in vermehrtem Maße auf uns zukommen.<br />
Was ist zu tun? Wir alle sind aufgerufen, hierüber nachzudenken.<br />
Dipl.-Ing. Wolfram Noeske<br />
LDA • Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />
Hauptstraße 50<br />
7400 Tübingen-Bebenhausen<br />
89
Hans Huth; Die Restaurierung der Brunnen am Marktplatz<br />
in Freudenstadt<br />
Die Stadt Freudenstadt wurde 1599 unter Herzog Friedrich<br />
von <strong>Württemberg</strong> von Heinrich Schickhardt im<br />
Grundriß eines Mühlespiels angelegt. In der Mitte<br />
der Stadt sollte ein Schloßbau entstehen, man begnügte<br />
sich jedoch damit, in geometrischen Gartenanlagen<br />
Zierbrunnen zu errichten. Drei Brunnen haben die Zerstörung<br />
der Stadt bei der Einnahme durch die Franzosen<br />
im April 1945 überstanden. Sie sind daher neben<br />
der Stadtkirche die bedeutendsten Zeugen der Vergangenheit<br />
in Freudenstadt.<br />
1763 wurde der Neptunbrunnen von Johann Jakob<br />
Reich, der einer alten Maurer- und Steinhauerfamilie<br />
in Dornstetten angehörte, umgebaut. Statt des hölzernen<br />
wurde ein steinerner Brunnentrog ausgeführt, der<br />
nach dem Beschluß des Magistrates vom Mai 1762 statt<br />
40 künftig 500 Eimer Wasser fassen sollte. Die Brunnensäule<br />
trägt auf ihrem Kapitell eine Statue des Meeresgottes<br />
Neptun. Den Säulenschaft schmücken drei<br />
ovale Kartuschen, die eine mit dem Stadtwappen, die<br />
anderen mit Inschriften versehen, die den Brunnen<br />
1 DER NEPTUNBRUNNEN IN FREUDENSTADT vor der Restaurierung. Am Brunnenstock das Freudenstädter Wappen.<br />
90
2 DER MARKTPLATZ IN FREUDENSTADT mit den<br />
Standorten der Brunnen.<br />
Herzog Karl von <strong>Württemberg</strong> widmen. Die Meisterinschrift<br />
befindet sich am Fuß der Säule, zwischen den<br />
Ovalen und dem Akanthusblattkranz. Eine große volutenumrahmte<br />
Steintafel enthält die lateinische Inschrift<br />
zu dieser „Restaurierung" des Jahres 1763.<br />
Bei der Beschießung 1945 wurden der Neptunbrunnen<br />
beschädigt und seine Inschrifttafel zerstört. 1951 trug<br />
man den Brunnen, der damals wegen seines Standortes<br />
beim Wachthaus in der Mitte des Marktplatzes auch<br />
Wachthausbrunnen genannt wurde, als Verkehrshin-<br />
3 und 4 DER MEERESGOTT NEPTUN. Die Statue vor der Restaurierung und eine Kopie der restaurierten Statue.<br />
91
dernis ab und errichtete ihn 1953 an der heutigen<br />
Stelle wieder. Die beschädigten und die zu ersetzenden<br />
Teile arbeitete der Stuttgarter Bildhauer Wilhelm<br />
Schönfeld aus. Auch die Köpfe der Wasserspeier mußten<br />
erneuert werden.<br />
Durch die Restaurierung war der Brunnen, abgesehen<br />
von der Figur, in gutem Zustand. Die über 200 Jahre<br />
alte Neptunstatue hatte jedoch durch Verwitterung so<br />
sehr gelitten, daß mit ihrem endgültigen Zerfall in kurzer<br />
Zeit gerechnet werden mußte. Die -Statue wurde<br />
deshalb 1975 von der Bildhauerwerkstätte Volker Dursy<br />
in Ladenburg abgenommen und restauriert. Von der<br />
Statue und dem Kapitell wurden eine mehrteilige Silikonkautschukform<br />
gemacht und ein Abguß in mineralgesättigtem<br />
Epoxydharz hergestellt. Der Dreizack wurde<br />
originalgetreu in Kupfer erneuert.<br />
5<br />
Drei jahre nach dem Umbau des Neptunbrunnens durch<br />
Johann Jakob Reich war im Jahre 1766 auf dem Unteren<br />
Marktplatz gegenüber der alten Vogtei der von<br />
Christian Weiden (Wälde) gearbeitete Gerechtigkeitsbrunnen<br />
aufgestellt worden. Die mit drei Stadtwappen<br />
und Fruchtgehängen geschmückte Säule des Brunnenstockes<br />
trägt auf ihrem flachen Kapitell eine Statue der<br />
Justitia mit Schwert und einer inzwischen verlorengegangenen<br />
Waage.<br />
Die zwölfseitige Schale des Brunnens war in ihrer Substanz<br />
schwer geschädigt und wurde schon seit Jahrzehnten<br />
durch einen Eisenring zusammengehalten. Besonders<br />
schlecht war auch der Zustand der Statue. Alle<br />
Teile dieses Brunnens wurden von Dursy restauriert<br />
und durch gegossene Kopien ersetzt.<br />
5 MEISTERINSCHRIFT<br />
des Jakob Reich zu Domstetten<br />
an der Brunnensäule<br />
des Neptunbrunnens.<br />
6 DER GERECHTIGKEITS-<br />
BRUNNEN<br />
nach der Restaurierung.<br />
7 HERZOG-KARL-EUGEN-<br />
BRUNNEN.<br />
Die Figur des Herzogs mit<br />
dem württembergischen Wappen<br />
und einem Füllhorn als<br />
Symbol der Fruchtbarkeit, vor<br />
der Restaurierung.<br />
8 DerHerzog-Karl-Eugen-Brunnen<br />
nach der Restaurierung.<br />
92
#<br />
»"'riTii,,<br />
Christian Weiden hat wohl auch die Pläne zu dem<br />
dritten Freudenstädter Brunnen, dem Herzog-Karl-Eugen-Brunnen,<br />
geschaffen, der 1780 aufgestellt wurde.<br />
Die obere Schale und die Springbrunnen wurden bei<br />
der Anlage der Wasserleitung 1879 hinzugefügt. Der<br />
Erhaltungszustand war bei diesem Brunnen ebenso<br />
schlecht wie beim Gerechtigkeitsbrunnen. Die achtseitige<br />
Einfassung wurde von Dursy 1975 kopiert, ebenso<br />
der Brunnenstock mit seinen reichen Ornamenten. Die<br />
sitzende Figur des Herzogs wurde nach ihrer Restaurierung<br />
und Reinigung, wie die Metallschale und die<br />
acht wasserspeienden Löwenköpfe auf der Einfassung,<br />
abgegossen. Auch die Wasserführung und die statische<br />
Konstruktion mußten erneuert werden.<br />
Die bei der Restaurierung der Brunnen angewandten<br />
patentierten Verfahren ermöglichten die Ausführung<br />
der höchst notwendigen und aus Kostengründen von<br />
Jahr zu Jahr verschobenen Arbeiten in kürzester Zeit,<br />
nämlich innerhalb von wenigen Wochen. In herkömmlicher<br />
Technik aus Naturstein gefertigte Kopien hätten<br />
dagegen mindestens drei Jahre in Anspruch genommen.<br />
Die Ausführung wäre außerdem wesentlich teurer<br />
geworden. Hinzu kommen die ständig größer werdenden<br />
Schwierigkeiten bei der Beschaffung geeigneten<br />
Natursteinmaterials. Natursteinkopien lassen auch unvermeidlicherweise<br />
die Hand des Kopisten erkennen.<br />
Das von der Werkstatt Dursy praktizierte Verfahren<br />
ersetzt dagegen die gefährdeten originalen Kunstwerke<br />
durch technisch hochqualifizierte Abgüsse, die dem Original<br />
weitestgehend entsprechen. Nach dem heutigen<br />
Stand der Forschung sind die nach diesen Verfahren<br />
hergestellten Kopien und Bauteile gegen schädliche Umwelteinflüsse<br />
sehr resistent. Dagegen schreitet der Verwitterungsprozeß<br />
bei Natursteinkopien so schnell voran,<br />
daß man den Zeitpunkt für die in einigen Jahrzehnten<br />
fällige nächste Kopie bereits jetzt voraussehen kann.<br />
Es ist anzunehmen, daß die Brunnen ursprünglich farbig<br />
gefaßt waren. Da aber ausreichende Anhaltspunkte<br />
fehlten, wurde auf eine Neufassung verzichtet.<br />
Die wertvollen Originalskulpturen wurden museal in<br />
der Orangerie des Freudenstädter Kurhauses gegen<br />
Wind und Wetter geschützt aufgestellt.<br />
Dr. Hans Huth<br />
LDA ■ Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />
Kailsüaße 47<br />
7500 Karlsruhe 1<br />
93
Hubert Krins: Freilichtmuseum — Randbemerkungen zu einem akuten,<br />
aber nicht aktuellen Thema<br />
Dreizehn Jahre ist es her, seit der Schwäbische Heimatbund<br />
zur Gründung eines dörflichen Freilichtmuseums<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> aufrief. Heute erscheint die<br />
Verwirklichung dieses Plans ungewisser denn je; nicht<br />
einmal ein Konzept, nach dem verfahren werden könnte,<br />
liegt vor. Welche Versäumnisse zu diesem Fehlschlag<br />
führten, ist eine müßige Frage angesichts der Tatsache,<br />
daß inzwischen die Wellen der Baukonjuktur, der Dorfsanierung<br />
und des Antiquitätenhandels auch auf dem<br />
Land gerade die ältesten und besten Zeugnisse bäuerlicher<br />
Kultur hinweggefegt haben. War damals daran<br />
gedacht, aus einer Auswahl von 400 bis 800 Objekten<br />
1 und 2 AUSNANG bei Leutkiidi<br />
im Allgäu, Kreis Ravensburg. Fassade<br />
des Hauses Nr. 50 um 1920<br />
und 1969: Verunstaltung eines im<br />
Denkmalbuch eingetragenen Kulturdenkmals<br />
durch „Modernisierung".<br />
Alle Anfragen des Landesdenkmalamtes<br />
bei der zuständigen<br />
Baurechtsbehörde blieben unbeantwortet.
etwa 100 geeignete Einzelgebäude in einem Freilichtmuseum<br />
aufzustellen, so wird heute von einer Auswahl<br />
kaum noch die Rede sein können. Gerade die Modernisierungswelle<br />
der jüngsten Zeit wirkt sich in den<br />
Dörfern ungleich heftiger aus als in den Altstädten,<br />
wo dank des geschärften öffentlichen Bewußtseins inzwischen<br />
vorsichtiger mit historischer Substanz umgegangen<br />
wird.<br />
Auch das Rechtsmittel des Denkmalschutzes verfängt<br />
auf dem Lande nur unzureichend. Das wurde deutlich,<br />
als im fahr 1969/70 die denkmalgeschützten Bauernhäuser<br />
im Landkreis Wangen überprüft wurden. Dabei<br />
ergab sich das folgende Bild: Von 18 im Denkmalbuch<br />
eingetragenen Häusern waren vier durch Brand oder<br />
Abbruch verloren, acht durch Umbaumaßnahmen verdorben,<br />
sechs — das heißt ein Drittel der geschützten<br />
Bauten — waren als Baudenkmale noch intakt. Die<br />
Gründe für diese Unwirksamkeit des Denkmalschutzes<br />
auf dem Lande sind vielschichtig, liegen aber vor allem<br />
in der mangelnden Aufsicht der Bauämter und des Lan-<br />
desdenkmalamtes und im fehlenden Verständnis der<br />
Eigentümer für die Aufgaben und die Arbeitsweise der<br />
<strong>Denkmalpflege</strong>.<br />
Zu der fahrlässigen und mutwilligen Zerstörung des<br />
bäuerlichen Kulturgutes gesellt sich die Abwanderung.<br />
Ein Beispiel dafür ist die Sölde aus Uttenhofen bei Leutkirch<br />
im Allgäu, die 1971 abgebrochen und im bayerisch-schwäbischen<br />
Freilichtmuseum Illerbeuren bei<br />
Memmingen wieder errichtet wurde.<br />
Aus diesem gar nicht schwarz genug aus<strong>zum</strong>alenden<br />
Gesamtbild heben sich lediglich zwei regionale Freilichtmuseen<br />
heraus, die aus örtlicher Initiative entstanden<br />
sind: das seit 1963 planmäßig aufgebaute Schwarzwälder<br />
Freilichtmuseum „Vogtsbauernhof" bei Gutach<br />
und das 1969 projektierte und <strong>zum</strong> Teil schon verwirklichte<br />
Freilichtmuseum Kürnbach für das altoberschwäbische<br />
Bauernhaus. Uber Kürnbach wird an anderer<br />
Stelle in diesem Heft berichtet, der „Vogtsbauernhof"<br />
wurde im Nachrichtenblatt 4/1974, Seite 26 ff. vorgestellt.<br />
In beiden Museen diente ein am Ort seit jeher<br />
3 SONTHOFEN<br />
bei Leutkiich im<br />
Allgäu. „Der Casthof<br />
<strong>zum</strong> jägezhaus ist ein<br />
Fadiweikbau mit<br />
geometrisch gemusterten<br />
Hölzern und<br />
profilieiten Stieben<br />
<strong>zum</strong> Dach hinauf" —<br />
so heißt es im Kunst-<br />
Inventar von 1924.<br />
1969 war nichts davon<br />
erhalten. Trotz der<br />
Eintragung des Hauses<br />
in das Denkmalbuch<br />
wurde das Denkmalamt<br />
nicht gehört.<br />
4 UTTENHOFEN<br />
bei Wangen im Allgäu.<br />
Die Sölde (Kleinbauemhaus)<br />
wurde in<br />
das bayerische Freilichtmuseum<br />
Illerbeuren<br />
versetzt: Verlust eines<br />
Kulturdenkmales durch<br />
Abwanderung.<br />
95
vorhandener Bau als Keimzelle, um die sich weitere<br />
Bauten der jeweils gleichen Kulturlandschaft gruppierten.<br />
So entstanden „Museumsdörfer", die vor allem deswegen<br />
so überzeugend wirken, weil sie in die zugehörige,<br />
angestammte Landschaft eingebunden sind. Im<br />
„Vogtsbauernhof" ist der Erfolg dieser Konzeption bereits<br />
greifbar, in Kürnbach beginnt er sich abzuzeichnen.<br />
Damit ist aber ein Weg gewiesen, wie auch heute noch<br />
etwas zur Rettung der bäuerlichen Hausformen in unserem<br />
Land getan werden kann, nämlich durch den<br />
planmäßigen Ausbau geeigneter Bauernhöfe in anderen<br />
Landschaftsteilen zu weiteren regionalen oder lokalen<br />
Freilichtmuseen. Uber zwei Ansätze in dieser Richtung<br />
— einen gescheiterten und einen erfolgversprechenden —<br />
soll im folgenden kurz berichtet werden.<br />
In Bermatingen (Bodenseekreis) steht einer der größten<br />
Bauernhöfe des Bodenseegebietes, der Eichenhof. Otto<br />
Gruber, dessen Buch über Bauernhäuser am Bodensee<br />
1961 erschienen ist, hat den Eichenhof in seine Beispielsammlung<br />
aufgenommen und ausführlich beschrieben.<br />
Der offenbar im späten 18. Jahrhundert errichtete<br />
Hof gehört entwicklungsgeschichtlich der Spätstufe des<br />
oberschwäbischen Bauernhofes an, ablesbar an der differenzierten<br />
Gefachfolge Wohnteil, Flur, Stall, Tenne,<br />
zweiter Stall und Schopf. Uber den Ställen liegen Kammern<br />
für die Knechte. In der rückwärtigen Verlängerung<br />
des Schopfes steht ein Schuppen für Wagen.<br />
Dieses Gefüge zeigt allein schon den besonderen Reichtum<br />
der Hausanlage. Wohnteil, Ställe und Schöpfe sind<br />
besonders aufwendig angelegt. Zweifellos hatte der einstige<br />
Lehnhof des Konstanzer Dominikanerinnenklo-<br />
sters Zoffingen umfangreiche Gespanndienste und auch<br />
gewisse Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen. Das<br />
kommt auch in der außergewöhnlich großen, rund<br />
40 qm messenden Stube mit ihrer kräftig profilierten<br />
Holzbalkendecke <strong>zum</strong> Ausdruck. Nicht weniger reich<br />
sind manche Holzdetails ausgebildet wie beispielsweise<br />
die kassettenartig profilierten Bohlenfelder in den Fachwerkbrüstungen<br />
der Fenster.<br />
Eine weitere Bereicherung erfährt der Eichenhof durch<br />
einen wohl heute einzigartigen Nebenbau, der ebenfalls<br />
in Fachwerk errichtet wurde und eine Kombination<br />
von Ofen- und Speicherhaus darstellt. Das Ofenhaus<br />
besaß nicht weniger als drei Feuerstellen, was<br />
noch einmal den aufwendigen Charakter der Hofanlage<br />
unterstreicht.<br />
Das Landesdenkmalamt ist der Uberzeugung, daß sich<br />
der Bermatinger Eichenhof mit seinen Nebengebäuden<br />
für eine museale Darstellung des Bauernhauses<br />
der Bodenseelandschaft hervorragend eignet. Der Bau<br />
findet seine Ergänzung in zahlreichen weiteren bäuerlichen<br />
Fachwerkbauten des Dorfes, die sich teilweise<br />
unmittelbar hinter dem Eichenhof anschließen. Insbesondere<br />
sind sie aber im Ortskern zu finden, der als<br />
Gesamtanlage nach dem Denkmalschutzgesetz geschützt<br />
ist. Auch den landschaftlichen Rahmen mit den<br />
hinter dem Eichenhof ansteigenden Weinbergen kann<br />
man sich für den Bodenseeraum nicht besser wünschen.<br />
Der Eigentümer sieht sich nicht in der Lage, den Eichenhof<br />
weiter zu erhalten, da er zahlreiche andere denkmalgeschützte<br />
Gebäude besitzt, die in den kommenden<br />
Jahren hohe Investitionen erfordern werden. Er möchte<br />
daher den Hof verkaufen. Seit einigen Monaten steht<br />
5<br />
96
DER EICHENHOF<br />
IN BERMATINGEN, Bodenseekreis.<br />
ettet werden kann, dies nur über einen Verkauf an<br />
einen Privatinteressenten mit allen Folgen einer zeitgemäßen<br />
Sanierung und Umnutzung, d. h. mit erheblichen<br />
Einbußen an historischer Substanz, möglich sein.<br />
Das Denkmalamt bedauert, daß hier die wohl einmalige<br />
Chance vertan wurde, mit der Einrichtung eines<br />
weiteren lokalen Freilichtmuseums unter dem Thema<br />
„Bäuerliche Kultur des 18. Jahrhunderts am Bodensee"<br />
den Kreis der vorhandenen Freilichtmuseen in Gutach,<br />
Kürnbach und Illerbeuren zu ergänzen und damit eine<br />
nicht nur fast vollständige, sondern auch qualitativ hervorragende<br />
Präsentation der historischen Bauernhausformen<br />
im südwestlichen Landesteil zu erreichen. Auch<br />
die 1979 anstehende 1200-Jahr-Feier der Gemeinde Bermatingen<br />
hätte damit einen überzeugenderen Inhalt<br />
bekommen, als ihn historische Umzüge und geschichtsträchtige<br />
Reden im Festzelt abzugeben vermögen.<br />
9<br />
das Haus leer und ist — wie in solchen Fällen üblich —<br />
<strong>zum</strong> Ziel anonymer Zerstörungswut geworden.<br />
Das Denkmalamt hat versucht, Gemeinde und Landkreis<br />
für die Idee zu gewinnen, hier ein Freilichtmuseum<br />
zu gründen, <strong>zum</strong>al Bermatingen als attraktiver<br />
Ort im Hinterland des Bodensees in unmittelbarer<br />
Nähe des starken Fremdenverkehrs am Bodenseeufer<br />
liegt. Leider sind diese Bemühungen gescheitert. Die<br />
Gemeinde sah sich außerstande, den Hof zu erwerben,<br />
da sie die Folgekosten fürchtete. Der Landkreis konnte<br />
keine Zuschüsse für eine Instandsetzung bereitstellen,<br />
da er seit der Kreisreform Beiträge zu denkmalpflegerischen<br />
Maßnahmen als Freiwilligkeitsleistung in seinem<br />
Etat gestrichen hat. Das Denkmalamt konnte seinerseits<br />
nur einen Zuschuß zur Instandsetzung des Eichenhofes<br />
anbieten.<br />
Damit wird, wenn der Eichenhof überhaupt noch ge-<br />
Zur gleichen Zeit, als sich in Bermatingen das Schicksal<br />
des Eichenhofes <strong>zum</strong> Nachteil der denkmalpflegerischen<br />
Bemühungen entschied, wurde in Wolfegg (Kreis Ravensburg)<br />
die Idee eines Freilichtmuseums geboren. Die<br />
Initiative ging von einem engagierten Privatmann,<br />
Karlheinz Buchmüller, aus, der im Anschluß an eine<br />
jahrelange Sammlung und Erforschung des bäuerlichen<br />
Geräts begonnen hat, eine systematische Kartei der<br />
Bauernhäuser im Kreis Ravensburg aufzustellen. Unmittelbarer<br />
Anlaß war der drohende Abbruch eines<br />
Fachwerkhauses aus dem 17. Jahrhundert in Lauben<br />
bei Leutkirch im Allgäu, das aufgrund seiner außergewöhnlichen<br />
Anordnung des Wohnteils im Obergeschoß<br />
besondere Aufmerksamkeit hervorrief. Es gelang, den<br />
Eigentümer dazu zu bewegen, das Haus kostenlos abzutreten,<br />
da eine Erhaltung nicht möglich war. Das<br />
Gebäude wurde sorgfältig dokumentiert und, in seine<br />
Einzelteile zerlegt, nach Wolfegg überführt. Hier war<br />
inzwischen ein Gelände gefunden worden, das für ein<br />
künftiges Freilichtmuseum die denkbar besten Voraussetzungen<br />
bot: eine geeignete Topographie von besonderer<br />
landschaftlicher Schönheit verbunden mit einer<br />
günstigen Verkehrslage.<br />
98
Hansjörg Schmid: Das oberschwäbische Bauernhaus und seine<br />
Darstellung im Freilichtmuseum Kürnbach<br />
Herr Dipl.-Ing. Johann Georg Schmid ist Professor an der Fachhochschule für Bauwesen in Biherach. Seit vielen<br />
Jahren widmet er sich der wissenschaftlichen Erforschung des- ahoberschwäbischen Bauernhauses und hat die letzten<br />
Zeugen dieses Bautyps selbst sorgfältig dokumentiert. Als Mitglied des Kuratoriums „Freilichtmuseum Kürnbach"<br />
und Berater des Landratsamtes Biherach hat er 1971 eine Konzeption entwickelt, nach der sich der bisherige<br />
und weitere Aufbau dieses Freilichtmuseums richtet.<br />
Die historischen Bauernhausformen in Deutschland<br />
sind <strong>zum</strong> Aussterben verurteilt. Sie genügen den Anforderungen<br />
nicht, die heute an landwirtschaftliche'<br />
Nutzbauten gestellt werden. Die alten Häuser müssen<br />
deshalb neuen weichen oder derartige Eingriffe in ihre<br />
Bausubstanz hinnehmen, daß die ursprüngliche Form<br />
nicht mehr wiederzuerkennen ist. So verschwinden<br />
sang- und klanglos die letzten Zeugen unserer ländlichen<br />
Baukultur. Für die Situation in Oberschwaben<br />
ist bezeichnend, daß noch kurz vor dem Krieg Hermann<br />
Kolesch 83 stehende, strohgedeckte und von ihm „altoberschwäbisch"<br />
genannte Bauernhäuser beschreiben<br />
konnte, von denen im Jahre 1965 noch die hier gezeigten<br />
fünf standen und heute nur noch ein einziges — als<br />
Freilichtmuseum — zu sehen ist.<br />
In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat sich die Absicht, eine zentrale<br />
Sammelstätte für bäuerliche Hausformen, Einrichtungen<br />
und Gerätschaften nach dem Vorbild anderer<br />
Bundesländer zu schaffen, bisher nicht verwirklichen<br />
lassen. Dies liegt <strong>zum</strong> Teil daran, daß die politischen<br />
Landesgrenzen sehr unterschiedliche Hausformenlandschaften<br />
umfassen. Ein stark gegliederter Hausbestand<br />
ist aber nur sehr schwer an einem einzigen Standort<br />
darzustellen. Es würde eine Art Wachsfigurenkabinett<br />
ergeben, wollte man ein Schwarzwaldhaus auf die<br />
Hochfläche der Schwäbischen Alb verpflanzen. Das<br />
Schwarzwaldhaus ist für ein Waldgebirge mit steilen<br />
Hängen entwickelt, ist davon geprägt und daran gebunden.<br />
Es war deshalb ganz richtig, ihm auf die Initiative<br />
von Hermann Schill! hin in Gutach ein eigenes<br />
Freilichtmuseum einzurichten.<br />
Für das oberschwäbische Bauernhaus ist ein entsprechender<br />
Anfang ebenfalls gemacht. In Bad Schussenried-<br />
Kürnbach haben der Landkreis Biberach und die Stadt<br />
Bad Schussenried mit Hilfe des Landesdenkmalamtes<br />
das letzte altoberschwäbische Bauernhaus erhalten und<br />
als Museum wiederhergestellt. Dazu kamen eine Zehntscheune<br />
und ein Speicher, die jüngere Bauten sind, aber<br />
an ihren Standorten nicht mehr zu retten waren (Abbildung<br />
1).<br />
In einem Dokumentationszentrum für das oberschwäbische<br />
Bauernhaus sollten allerdings möglichst alle traditionellen<br />
Hausformen vertreten sein. Dazu muß man<br />
sie jedoch erst einmal kennen und muß wissen, welchen<br />
entwicklungsgeschichtlichen Rang die einzelnen Denkmäler<br />
einnehmen. Dann ist am Denkmälerbestand zu<br />
entscheiden, welche Häuser für einen Wiederaufbau in<br />
Betracht gezogen werden können und für welche man<br />
andere Formen der Präsentation finden muß.<br />
Die Formen des ahoberschwäbischen Bauernhauses und<br />
ihr Aufbau<br />
Das altoberschwäbische Bauernhaus ist eine strohgedeckte<br />
Holzkonstruktion (Abbildungen 2 und 3). Das Hausgerüst<br />
besteht aus einem Grundschwellenrahmen, senkrecht<br />
darauf stehenden, durchlaufenden Ständern und<br />
dem Dachrahmen. Diesen bilden die beiden längslaufenden<br />
Wandrähme, ein oder zwei innere Längsrähme<br />
und die quer auf den Rahmen liegenden Bundbalken.<br />
Die Aussteifung dieses Gerüstes übernehmen die<br />
Wände bzw. verstrebende Kopfbänder in den Rähmoder<br />
Bundbalkenebenen. Als Wandausfachung treten<br />
massive, waagerecht liegende Holzbohlen, die gelegentlich<br />
mit senkrechten Bohlen und Brettern kombiniert<br />
sind, oder Fachwerk auf. In jedem Fall ist die Ausfachung<br />
an die Ständerebene gebunden und damit die<br />
Lage der Innenwände über die Ständer festgelegt.<br />
Die Querwände des Hauses bilden einzelne „Gefache",<br />
deren Funktion leicht an den Öffnungen in den Außenwänden<br />
abgelesen werden kann. Sie werden als Wohn-,<br />
Flur-, Tennen-, Stall- und Schopfgefach bezeichnet. Ihre<br />
Zahl und ihre Abfolge ist verschieden.<br />
Das steile, meist voll abgewalmte Strohdach verwendet<br />
zwei unterschiedliche Dachtragwerke. Bei der Firstsäulenkonstruktion<br />
stehen starke, bis zu 12 m hohe Ständer<br />
in den inneren Querwänden und nehmen in ihren<br />
oberen Ausschnitt den Firstbaum auf. Bei der anderen<br />
Konstruktionsart liegt der Firstbaum in der Gabelung<br />
zweier sich unter ihm kreuzender Streben, die als<br />
„Schere" auf einen Balken gestellt sind. In beiden Fällen<br />
werden über den Firstbaum paarweise durcheinandergesteckte<br />
Rundhölzer, die „Rafen", gehängt. Sie<br />
laufen nach unten fächerförmig auseinander, um die<br />
unterschiedliche Länge von First und Traufe beim<br />
Walmdach auszugleichen. Einzelrafen, die über ein<br />
100
1 DAS FREILICHTMUSEUM IN BAD SCHUSSENRIED-KÜRNBACH von Südosten. Links die Zehntschcuer aus Fischbach<br />
(1768), lechts dei Speicher aus Spiegler (1725), im Hintergrund das strohgedeckte Bauernhaus (1664/65).<br />
Querscheit der äußeren Rafenpaare gehängt sind, bilden<br />
die Walme. Uber ihnen entsteht das für das abgewalmte<br />
Strohdach charakteristische „Eulenloch".<br />
Prinzipiell ist das durchständerte Hausgerüst gebälkelos.<br />
Uber dem Wohnteil und der Tenne wird jedoch immer<br />
ein Dachgebälk zwischen die Bundbalken eingelegt.<br />
Decken über Erdgeschoßräumen dagegen liegen auf Riegeln,<br />
die ihrerseits zwischen die Ständer eingefügt sind.<br />
Die Hausformen lassen sich daran unterscheiden, ob ein<br />
Flurgefach auftritt und wie dieses gegebenenfalls ausgebildet<br />
ist. Das kleinste Haus besteht nur aus den drei<br />
Gefachen für Wohnung, Tenne und Stall. Bei diesem<br />
„Dreigefachhaus" übernimmt die „Mitteltenne" zu<br />
ihren Wirtschaftsfunktionen auch diejenige des Hausflures<br />
— insbesondere in den Fällen, wo in ihr auch<br />
noch die Geschoßtreppe angeordnet ist. Das Wohngefach<br />
ist entweder zweigeteilt für Stube und Küche<br />
oder besitzt neben der Küche noch eine kleine Kammer.<br />
Die Küche ist immer zugleich der Hauseingang, wobei<br />
die Haustür in der Giebelwand sitzt.<br />
Bei den beiden anderen Hausformen mit eigenem Flurgefach<br />
dient die Tenne ausschließlich landwirtschaftlichen<br />
Funktionen. Sie kann deshalb auch vom Wohnteil<br />
durch ein Stallgefach getrennt sein. Beim „Küchenflurhaus"<br />
übernimmt das Flurgefach Eingangs- und<br />
Küchenfunktionen. Im Wohngefach liegen daher nur<br />
Stube und Kammern. Beim „Treppenflurhaus" dagegen<br />
ist das Flurgefach ausschließlich Verkehrsfläche und<br />
dient als Hauseingang und Treppenhaus. Das Wohngefach<br />
ist im Erdgeschoß in Stube, Küche und Kammer<br />
aufgeteilt.<br />
Die Küchen sind mit einem um ein halbes Geschoß<br />
noch oben vorspringenden Deckenteil ausgestattet, dem<br />
Rauchschirm (Abbildung 4). Der Rauch aus Herd und<br />
Stubenofen füllt diesen Rauchschirm, kühlt dabei ab<br />
und konserviert die hier aufgehängten Fleischvorräte.<br />
Im Dachraum trocknet der Rauch das über dem Wohnteil<br />
gelagerte Korn nach und schützt es gegen Schädlingsbefall<br />
ebenso wie die Holzbauteile, die er mit seinem<br />
Glanzruß überzieht. Durch Dachhaut und Eulenloch<br />
zieht er schließlich ins Freie.<br />
Gegenüber der Firstsäulenkonstruktion erlaubt derScherenstuhl<br />
die freiere Entwicklung des Grundrisses, d. h.<br />
die Dreiraumteilung im Wohngefach und das Einfügen<br />
eines schmalen Treppenhausflures. Da die Firstsäulenkonstruktion<br />
aber im Dachraum fast ganz ohne behauene<br />
Hölzer auskommt, wird sie in Oberschwaben bei<br />
Häusern mit etwa gleich weiten Gefachen und nur<br />
zweigeteilten Wohngefachen bis ins 17. Jahrhundert<br />
hinein neben dem Scherenstuhl beibehalten.<br />
Entwurf einer Entwicklungsgeschichte des oberschwäbischen<br />
Bauernhauses<br />
Soweit wir heute sehen, waren um 1500 die altoberschwäbischen<br />
Hausformen bereits voll entwickelt und<br />
bestimmten bis ins 18. Jahrhundert hinein das Bild<br />
unserer Dörfer. Der Anfang dieser Entwicklung ist unbekannt.<br />
Bis <strong>zum</strong> Beginn des Mittelalters bestand auch<br />
bei uns das bäuerliche Gehöft aus speziellen Bauten für<br />
Wohnung, Stall, Scheune und Speicher.<br />
Wenn anstelle dieser ältesten Gehöftform an manchen<br />
Orten ein „Einheitsbau" entstand, der alle Gehöftelemente<br />
unter einem einzigen Dach vereinigt, dann<br />
brachte dies unzweifelhaft den Vorteil einer erheblichen<br />
Einsparung an Bauvolumen: Die Verkehrsflächen konnten<br />
mehreren Funktionen gleichzeitig dienen, und die<br />
unspezifischen Lagerflächen für die Futtervorräte und<br />
das gedroschene Getreide konnten deckenlastig angeordnet<br />
werden. Ein Nachteil aber entstand, wenn der<br />
Einheitsbau, wie in Süddeutschland üblich, quergeteilt<br />
war; Die Haustiefe begrenzte dann die Länge der Tierreihe<br />
im Stallgefach auf maximal ein Dutzend Standplätze<br />
für größere Tiere. Diese Eigenschaften des quergeteilten<br />
Einheitsbaues lassen vermuten, daß er — <strong>zum</strong>indest<br />
in seinen Anfängen — ein ausgesprochenes<br />
Kleinbauernhaus war.<br />
Hieraus ergibt sich ein Hinweis auf den Haustyp, der<br />
unter den traditionellen Bauernhausformen noch am<br />
ehesten den Ursprung der Einheitsbauten widerspiegelt:<br />
das (altoberschwäbische) Dreigefachhaus mit Mitteltenne.<br />
Konstruktiv am einfachsten ist es mit Firstsäulen<br />
auszuführen. Gegenüber einem solchen Haus stellen<br />
die beiden anderen Formen mit Flurgefachen funktional<br />
differenzierte, größere und/oder im Dachtragwerk kompliziertere<br />
Gehäuse dar. Sie lassen sich daher genetisch<br />
eher aus dem Dreigefachhaus ableiten als umgekehrt.<br />
101
KUCHEN FLUR-HAUS<br />
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Nun hat sich die Forschung lange Zeit dagegen verschlossen,<br />
dem technisch etwas komplizierteren Scherenstuhl<br />
mittelalterliche Entstehungszeit zuzugestehen.<br />
Daraus ergab sich die Konsequenz, auch nur für diejenigen<br />
Hausformen eine mittelalterliche Entwicklung anzunehmen,<br />
die mit Firstsäulen ausgestattet sind. Dies<br />
waren überwiegend die altoberschwäbischen Flurküchenhäuser.<br />
Inzwischen hat Adalbert Zippelius gezeigt,<br />
daß neben der Firstsäule schon in frühgeschichtlicher<br />
Zeit auch die Pfostenschere auftritt — sozusagen<br />
eine in den Erdboden eingegrabene, gespaltene Firstsäule<br />
—, die im Laufe der Entwicklung bis <strong>zum</strong> Mittelalter<br />
ihre Fußpunkte in die Seitenwände verlagert und<br />
von da nach oben in die Zone des Wandrähm gelangt.<br />
Da im Flochmittelalter bereits das ungleich kompliziertere<br />
Gefüge des Kehlbalkendaches mit stehendem und<br />
liegendem Stuhl gemeistert wird, können wir ganz<br />
sicher sein, daß in dieser Zeit der vergleichsweise ein-<br />
fache Scherenstuhl voll entwickelt war. Also dürfen wir<br />
auch die Hausformen dieser Konstruktionsart auf das<br />
Mittelalter zurückführen.<br />
Damit läßt sich die Entwicklungsgeschichte des oberschwäbischen<br />
Bauernhauses entwerfen. Am Anfang<br />
steht ein anspruchsloser, kleiner Einheitsbau mit drei<br />
Gefachen für Wohnung, Tenne und Stall in Firstsäulenbauweise.<br />
Das Hausgerüst kann eingeschossig sein,<br />
wenn die Traufe für das Tennentor zurückgeschnitten<br />
wird und man im Inneren den freien Dachraum nutzt,<br />
um die nötige Höhe für den Dresch- und Abladeplatz<br />
in der Tenne und für einen Rauchschirm in der Küche<br />
zu erhalten. Ein solches Gehäuse wäre schon mittels<br />
der frühgeschichtlichen Hauskonstruktionen zu erstellen,<br />
bei denen die Firstsäulen in den Erdboden eingegraben<br />
waren. Belegt aber ist es erst aus der Zeit um<br />
1500: eingeschossig aus Dürers Bild vom fränkischen<br />
Dorf Kalchreuth — zweigeschossig durch die ältesten<br />
102
TR.EP PEN FLUR. HAUS<br />
2 ALTOBERSCHWÄBISCHE BAUERNHÄUSER. Die wichtigsten<br />
Haasfoimen in schematiscben Grundrissen und<br />
Schnitten.<br />
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SPATESTE STALLTO<br />
Bauernhausdenkmäler vom unteren Bodensee, die<br />
Otto Gruber gefunden hat. In Oberschwaben vertritt<br />
die zweigeschossige Form des Dreigefachhauses mit Mitteltenne<br />
das Voggenhaus aus Awengen im Landkreis<br />
Biberach (Abbildung 6). Es besitzt allerdings im Gegensatz<br />
zu den Bodenseehäusern dieser Form ein dreigeteiltes<br />
Wohngefach, das durch den Scherendachstuhl ermöglicht<br />
wird.<br />
Bei diesen Dreigefachhäusern nimmt die noch sehr<br />
schmale Tenne die Geschoßtreppe auf. Die Tenne ist<br />
also allgemeine Verkehrsfläche, Treppenhaus, Futtergang,<br />
Drusch- und Abladetenne und Wagenabstellplatz.<br />
Aus dieser Funktionsüberlastung ergibt sich der Anlaß,<br />
aus der Tenne eine wohnspezifische Verkehrsfläche abzuspalten<br />
— den Fiausflur. Damit aber entstehen die<br />
beiden anderen Formen des quergeteilten Einheitsbaus.<br />
Aus der engen funktionalen Verknüpfung von Küche<br />
und Hauseingang wird es verständlich, daß im Fall des<br />
Küchenflurhauses die eine Funktion die andere für das<br />
Flurgefach nach sich zieht. Die damit erfolgte Ausgliederung<br />
der Küche aus dem Wohngefach vergrößert das<br />
Wohn- und Schlafraumangebot, ohne daß sich an der<br />
Firstsäulenkonstruktion etwas ändern müßte. Allerdings<br />
kann die Geschoßtreppe nicht in der Tenne bleiben<br />
und auch nicht von der Küche aufgenommen werden<br />
— beides verhindert der hochgezogene Rauchschirm.<br />
Die Treppe wird deshalb ins Wohngefach übernommen<br />
und verbindet hier gewöhnlich den „Stubenstock", d. h.<br />
Stube und darüberliegende Elternschlafkammer.<br />
Die andere Lösung übernimmt für das Flurgefach die<br />
Funktion des Treppenhauses aus der Tenne und die des<br />
Hauseinganges aus der Küche, ohne an deren Lage etwas<br />
zu ändern. Damit aber hätte sich das Raumangebot im<br />
Wohngefach nicht vergrößert, wenn dieses nicht dreigeteilt<br />
würde. Das aber ist nur mit Hilfe eines wandunabhängigen<br />
Dachtragwerkes ohne Schwierigkeiten<br />
möglich: Scheren- oder Kehlbalkendachstuhl. Der mit<br />
einer Geschoßteilung versehene Flur kann nun alle<br />
Obergeschoßkammern unmittelbar erschließen. Zugleich<br />
läßt sich das Flurgefach sehr schmal ausbilden,<br />
wenn die erste Schere anstatt über die Gefachtrennwand<br />
über einen Feldbalken über den Schlafräumen im Obergeschoß<br />
gestellt wird.<br />
Damit sind die Hausformen entwickelt, die in Oberschwaben<br />
nebeneinander bis ins 18. Jahrhundert hinein<br />
gebaut wurden. Man hat allerdings den Eindruck, daß<br />
die eine Gegend mehr die Lösung mit Küchen-, die andere<br />
die mit Treppenfluren bevorzugte und sich in bestimmten<br />
Zonen die Dreigefachhäuser besonders häufig<br />
(erhalten?) zeigen. Aber die Zukunft gehörte in ganz<br />
Oberschwaben dem Treppenflurhaus mit einer erweiterten<br />
Gefachfolge im Wirtschaftsteil. Den alten Rauchhäusern<br />
mit ihren offenen Feuerstellen und Strohdächern<br />
bereiteten neue feuerpolizeiliche Vorschriften<br />
ohnehin ein schnelles Ende. Allenthalben wurden die<br />
hochgezogenen Rauchschirme durch gemauerte Räucherkammern<br />
und Schornsteine auf der Küchendecke<br />
ersetzt. So erhielten die Küchenflurhäuser eine Möglichkeit,<br />
den Flur <strong>zum</strong> Treppenhaus umzubauen.<br />
Die Neubauten des 18. Jahrhunderts (Abbildung 13 und<br />
14) aber bevorzugten das ziegelgedeckte Satteldach mit<br />
einer Kehlbalkenkonstruktion. Zugleich löste das stockwerksweise<br />
abgezimmerte Fachwerk die Ständerbauweise<br />
ab. Dies erlaubte eine flexiblere Anordnung der<br />
Zwischenwände, weil zu deren Anschluß an die Außenwand<br />
nur ein senkrechter Zwischenpfosten benötigt<br />
wurde. Bei den größeren Höfen ist immer ein Stall an<br />
den Wohnteil herangezogen, der als Pferdestall genutzt<br />
wird, während der Kuhstall — oft dann zweireihig mit<br />
einem eigenen, mittleren Futtergang — auf der anderen<br />
Seite der Tenne liegt. In einem solchen Haus können<br />
dreimal soviel Tiere gehalten werden wie in den älteren<br />
Bauten mit nur einem Stallgefach. Dazu können über<br />
dem Pferdestall Kammern für Knechte und Mägde eingebaut<br />
werden, die vom Flurobergeschoß wie die übrigen<br />
Schlafräume erschlossen sind.<br />
Im 19. Jahrhundert kommt es dann in der Folge neuer<br />
Anbau- und Düngungsmethoden zu einer nochmaligen<br />
Erweiterung, die vor allem die Bergeräume betrifft. Eine<br />
103
ITnt« asgSfe<br />
zweite Tenne und bodenebene „Viertel" werden angefügt,<br />
und gegen Ende des Jahrhunderts wird sogar die<br />
Hocheinfahrt vom Schwarzwaldhaus übernommen. Oft<br />
aber wird auch das Gefüge des Hauses aufgesprengt<br />
durch traufseitige Anbauten unter abgeschlepptem<br />
Dach oder Winkelbauten. Hier kündigt sich bereits das<br />
Ablösen des quergeteilten Einheitsbaues an, das seit der<br />
Mitte unseres Jahrhunderts vollzogen wird. Es kommt<br />
wieder zu einer getrennten Bauweise, jedoch mit der<br />
erweiterungsfähigen Längsaufstallung.<br />
Aufsahen und Möglichkeiten des Freilichtmuseums<br />
Küinbach<br />
Der gegenwärtige Stand der südwestdeutschen Bauernhausforschung<br />
zeigt eindeutig, daß die Entwicklung des<br />
quergeteilten Einheitshauses ohne die Hausformen Oberschwabens<br />
nicht dargestellt werden kann. Nur sie besitzen<br />
noch die Elemente, welche es erlauben, auf eine Entwicklung<br />
aus den Anfängen des Einheitsbaues zu schließen,<br />
und auf die man die berühmten Hausformen des<br />
104<br />
FREILICHTMUSEUM KURNBACH,<br />
Haus des Balthus Lipp von 1664165.<br />
3 Blick von Norden auf den strohgedeckten<br />
Ständerhau mit Bohlenwänden<br />
im Erdgeschoß, Fachwerk im<br />
Obergeschoß, Scherendachstuhl und<br />
der Gefachfolge: Wohngefach — Küchenflur<br />
— Tenne — Stall — Schopf.<br />
Wiederhergestellt und als Museum<br />
eingerichtet seit 1960.<br />
4 Der Küchenflur. Links die Stubentür,<br />
dahinter die Feuerung des Stubenofens;<br />
rechts der offene Herd, dahinter<br />
eine eingebaute Häckselkammer.<br />
Über den Feuerstellen der hochgezogene<br />
Rauchschirm aus massiven Bohlen<br />
mit der „Hängel" für die Fleischvoträte.
5 HAUS DES ANTON LATERNSER<br />
IN MESSHAUSEN, Kreis Ravensburg.<br />
Ursprünglich Ständerbau, eingeschossig<br />
durch beidseitige Dachabschleppungen,<br />
Firstsäulenkonstruktion mit der<br />
Gefachfolge: Wohngefach — Küchenflur<br />
- Stallgefach — Tenne — Stallgefach-<br />
Schopf. Abgebrochen 1966.<br />
6 VOGGENHAUS IN AWENGEN,<br />
Kreis Biberach, von Südosten. Strohgedeckter<br />
Ständerbau mit Bohlenwänden<br />
im Eidgeschoß, Fachwerk im<br />
Obergeschoß und Scherendachstuhl.<br />
Im Urzustand Dreigefachhaus mit<br />
Wohngefach, Tenne und Stallgefach.<br />
Das ursprüngliche Tennentor im Mittelfeld<br />
der südlichen Traufseite ist<br />
beim Umbau zugesetzt und mit einer<br />
Türe und einem Treppenpodest darüber<br />
versehen worden, dessen Balkenköpfe<br />
sichtbar sind. Der Hauseingang<br />
liegt in der rechten Giebelseite und<br />
führt unmittelbar in die Küche. Abgebrochen<br />
1968.<br />
Schwarzwaldes und des Allgäus ebenfalls zurückführen<br />
muß. Diese haben sich unter dem Zwang der besonderen<br />
landschaftlichen, wirtschaftlichen und erbrechtlichen<br />
Bedingungen weit stärker von den Einfachformen<br />
entfernt als das oberschwäbische Haus. Betrachtet man<br />
aber das bodenebene Haus im Zartner Becken, so ist<br />
trotz aller unbestreitbarer Unterschiede die Verwandtschaft<br />
mit dem altoberschwäbischen Haus unschwer zu<br />
erkennen. Und beim Bauernhaus im Allgäu verrät der<br />
sonst nicht auftretende Giebeleingang neben der traufseitigen<br />
Erschließung der Tenne deutlich seine Abstammung<br />
aus einem Dreigefachhaus mit giebelseitig erschlossener<br />
Küche. Aber der Gang der Entwicklung aus<br />
dem einfachen Dreigefachhaus bis zu den differenzierteren<br />
Hausformen mit Flurgefachen ist heute nur noch<br />
an den Denkmälern Oberschwabens zu demonstrieren.<br />
Sie bilden also das entwicklungsgeschichtliche Gelenk<br />
in der Darstellung des südwestdeutschen Bauernhauses.<br />
Damit ist die besondere Aufgabe des Freilichtmuseums<br />
Kürnbach umrissen. Hier müssen die letzten Zeugen<br />
einer Hausbautradition, die noch auf die Anfänge zurückweist,<br />
wieder <strong>zum</strong> Leben erweckt werden. Zugleich<br />
aber müssen wir klar sehen, wie begrenzt auch unsere<br />
Möglichkeiten sind.<br />
Unsere Kenntnis der älteren Hausformen beruht <strong>zum</strong><br />
großen Teil auf dem Material, das Hermann Kolesch zu<br />
Beginn des Krieges zusammenstellte. Als Volkskundler<br />
verfolgte er dabei naturgemäß andere Ziele als der Bauforscher,<br />
welcher dieser Dokumentation nur allgemeine<br />
Aufschlüsse über den Zusammenhang von Grundriß<br />
und Konstruktion entnehmen kann. Informationen, die<br />
erlauben, ein Bauernhaus in seinem Urzustand zu rekonstruieren<br />
und in dieser Form im Museum wieder<br />
aufzubauen, können nur noch die fünf Denkmäler liefern,<br />
die bis 1965 standen.<br />
Als einziges Bauernhaus ist ohne größere Umbauten<br />
nur das in Kürnbach als Museum eingerichtete „Strohdachhaus"<br />
geblieben (Abbildungen 3 und 4). Es wurde<br />
nach Alfons Kasper 1664/65 vom Klostertagelöhner Balthus<br />
Lipp gebaut und diente bis in die zwanziger Jahre<br />
einem kleineren Betrieb — ohne daß je ein Schornstein<br />
eingebaut worden wäre! Später riß man allerdings die<br />
Innenwände größtenteils heraus. Da aber eine Bauaufnahme<br />
aus dem Jahre 1906 vorliegt, konnten diese ohne<br />
besondere Schwierigkeiten wieder eingebaut werden. Es<br />
handelt sich um ein Küchenflurhaus mit einem Scherenstuhl<br />
als Dachtragwerk. Der Ständerbau mit Bohlenausfachung<br />
im Erdgeschoß und mit Fachwerk im Ober-<br />
105
HAUS SPIELER IN AMPFELBRONN,<br />
Kreis Biberach.<br />
1 Zum Treppenflurham umgebautes<br />
ehemaliges Dreigefachhaus mit Mitteltenne<br />
in Firstsäulenkonstruktion.<br />
Gefachfolge nach dem Umbau: Wohngefach<br />
— Treppenflur — Tenne — Stall<br />
— Schopf. Ab dem Wohngefach Scherendachstuhl.<br />
Abgebrochen 1971.<br />
8 Rekonstruktion des Urzustandes.<br />
Längsschnitt. Dreigefachhaus mit Mitteltenne.<br />
Waagerechte Bohlenausfachung<br />
im Erdgeschoß und bis Brüstungshöhe<br />
im Obergeschoß, darüber<br />
senkrechte Bohlen- und Bretterausfachung.<br />
Firstsäulenkonstruktion und<br />
voll abgewalmtes Strohdach. (Die<br />
Nummern bezeichnen die geborgenen<br />
Bauteile.)<br />
V<br />
geschoß dürfte beispielhaft für das jüngere altoberschwäbische<br />
Bauernhaus sein.<br />
Ebenfalls ein Küchenflurhaus, jedoch in Firstsäulenkonstruktion<br />
und mit einem an den Wohnteil herangezogenen<br />
Stallgefach, war das Haus des Anton Laternser aus<br />
Meßhausen, Gemeinde Blitzenreute, im Landkreis Ravensburg<br />
(Abbildung 5). Es wurde 1966 abgebrochen,<br />
und die Einzelteile wurden in Blitzenreute gelagert. Ungewöhnlich<br />
ist bei einem Haus dieser Größe das im<br />
Prinzip eingeschossige Hausgerüst, welches dazu zwingt,<br />
die Traufe über dem Tennentor etwas zurückzuschneiden<br />
und die Ständer kniestockartig hochzuführen. Dies<br />
und die angeblatteten Streben lassen auf ein beträchtliches<br />
Alter schließen.<br />
Ein Dreigefachhaus mit Mitteltenne der älteren Form<br />
war ursprünglich das Voggenhaus aus Awengen, Gemeinde<br />
Eberhardzell, im Landkreis Biberach (Abbildung<br />
6). Nachdem seine Dachkonstruktion zusammengebrochen<br />
war, mußte es 1968 abgerissen werden. Die<br />
alten Bauteile wurden nach Kürnbach überführt. In der<br />
8<br />
AMPFELARONN KRS. BlßERACW BAUERN MAUS NR.. Z<br />
LAMCSCHNlT iUSJANO I #<br />
■i" 7 i .'".'i 1 ■.<br />
106
Wandkonstruktion kommt es dem dortigen Haus gleich<br />
und besitzt auch wie dieses einen Scherenstuhl. Aber als<br />
Dreigefachhaus mit der Geschoßtreppe in der Mitteltenne<br />
war es, vor mehrfachem Umbau, ein Vertreter der<br />
einfachsten Form des altoberschwäbischen Bauernhauses.<br />
Als Bauzeit ist frühestens die zweite Hälfte des<br />
16. Jahrhunderts anzunehmen.<br />
Als 1971 in Ampfelbronn, Gemeinde Eberhardzellj das<br />
Haus Spieler (Abbildung 7) abgebrochen wurde, zeigte<br />
sich, daß es im Inneren Teile eines älteren Bauzustandes<br />
enthielt. Dieser konnte als eines der seltenen Dreigefachhäuser<br />
mit Firstsäulen rekonstruiert werden (Abbildung<br />
8). In diesem Zustand hatte das Haus keinerlei<br />
Fachwerk, sondern in Erd- und Obergeschoß Bohlenwände.<br />
Die Wandaussteifung war dadurch erreicht, daß<br />
im Obergeschoß die Bohlen nur bis zur Brüstung waagerecht<br />
lagen, darüber senkrechte Bohlen mit Brettern<br />
wechselten und Kopfbänder an die Ständer angeblattet<br />
waren. Diese Konstruktionsart ist aus dem frühen<br />
17. Jahrhundert bekannt und scheint im östlichen Oberschwaben<br />
gelegentlich aufzutreten. Die Bauteile wurden<br />
ebenfalls nach Kürnbach überführt. Ein Wiederaufbau<br />
kommt jedoch wegen des fast kompletten Verlustes der<br />
Außenwände kaum in Betracht.<br />
Ebenfalls 1971 mußte das letzte der großen strohgedeckten<br />
Küchenflurhäuser mit Firstsäulen abgebrochen werden,<br />
das in Zollenreute (Landkreis Ravensburg) „in der<br />
Hueb" noch stand (Abbildungen 9 bis 11). Die genaue<br />
Untersuchung ergab, daß dieses Haus Fachwerk mit verblatteten<br />
Streben besaß, das felderweise mit Bohlenwänden<br />
in beiden Geschossen wechselte (Abbildung 12).<br />
Ein Umbau, der wahrscheinlich ins 18. Jahrhundert zu<br />
datieren ist, und spätere Ausmauerungen im Wohnteil<br />
haben die äußere Erscheinung des Baues stark verändert,<br />
bestätigen aber das hohe Alter des ursprünglichen<br />
Gerüstes, das auf die Zeit um 1500 anzusetzen ist. Die<br />
einseitige Dachabschleppung ergibt sich aus der Firstsäulenkonstruktion<br />
dann, wenn hinter der Stube noch<br />
zwei weitere Räume angeordnet werden sollen, dafür<br />
aber die Tiefe des zweigeschossigen Teils zu knapp ausfällt.<br />
Von der „Hueb" wurden die älteren Bauteile ebenfalls<br />
9<br />
10<br />
HAUS BIRKENMAIER „IN DER<br />
HUEB" IN ZOLLENREUTE, Kreis<br />
Ravensburg.<br />
9 Blick von Südwesten auf die abgeschleppte<br />
hintere Dachfläche.<br />
10 Die Ostseite aufgenommen 1967.<br />
Ursprünglich Ständerbau mit felderweise<br />
wechselnder Ausfachung aus<br />
Bohlen- und Fachwerkwänden in beiden<br />
Geschossen. Firstsäulenkonstruktion<br />
mit rückseitiger Dachabschleppung<br />
ins Erdgeschoß. Gefachfolge:<br />
Wohngefach — Flurküche — Tenne —<br />
Stall — Schopf. Vermutliche Bauzeit<br />
16. Jahrhundert. Wahrscheinlich im<br />
18. Jahrhundert Bohlenwände durch<br />
Fachwerk, im Eidgeschoß durch Feldsteinmauerwerk<br />
ersetzt. Abgebrochen<br />
1971.
BAUERNHAUS „IN DER HUEB" IN ZOLLENREUTE.<br />
11 Blick in den Wirtschaftsteil von Südwesten: das Stallgefach<br />
mit den beiden Firstsäulen. In der Gefachtrennwand<br />
der ehemals durch ein Andreaskreuz ausgesteifte Bundpfosten<br />
neben der mit dem Bundbalken verblatteten Firstsäule<br />
unmittelbar am Mittellängsiähm. Oben der „Haspel" <strong>zum</strong><br />
Hochziehen der Garben. Im Gegensatz <strong>zum</strong> Tennengefach<br />
bleiben Stall- und Schopfgefach ohne Dachgebälk.<br />
12 Rekonstruktion des Urzustandes, Querschnitt durch das<br />
Küchenflurgefach. Links der Hauseingang mit einer kleinen<br />
Kammer darüber. Außenwand in Erd- und Obergeschoß mit<br />
Bohlenausfachung, alle übrigen Wände in verblattetem Fachwerk<br />
mit ins Gefüge eingearbeiteter Firstsäule. Hochgezogener<br />
Rauchschirm aus massiven, querliegenden Bohlen. Auf<br />
der Eingangsseite überkragendes Dachgebälk, auf der Rückseite<br />
abgeschlepptes Dach. (Die Nummern bezeichnen die<br />
geborgenen Bauteile.)<br />
13 HAUS RIEF IN WINTERSTETTENSTADT, Kreis<br />
Biberach, erbaut 1702. Blick von Osten auf den stockwerksweise<br />
abgezimmerten Fachwerkbau mit Kehlbalkendachstuhl<br />
und Ziegeldeckung. Gefach folge: Wohngefach — Treppenflur<br />
- Pferdestall - Tenne — zweireihiger Kuhstall (erneuert).<br />
Zusätzliche giebelseitige Türe in die Küche. Heute <strong>zum</strong><br />
Gemeindezentrum umgebaut.<br />
iOUE^R-EUTE KRS. CAVENSBURC BAUEÄNMAUS DIEHUEß<br />
BUND « UNO SCMNir DURXH DAS KiCMEKICECACU ZUSTAND I -<br />
^ " - - " ' ^
geborgen, eignen sich aber kaum mehr zu einem Wiederaufbau.<br />
Da wir indessen nicht hoffen können, von<br />
einem der „klassischen" Küchenflurhäuser Oberschwabens<br />
noch mehr an alter Bausubstanz zu erhalten, müssen<br />
wir dennoch einen Wiederaufbau in Betracht ziehen;<br />
Dasselbe gilt für das Voggenhaus aus Awengen<br />
(Abbildung 6). Wo die alten Teile nicht mehr wiedereingebaut<br />
werden können, wollen wir sie bei komplizierteren<br />
Gefügeteilen — zerlegt — neben die neuen stellen<br />
und so einen Einblick in die Knotenausbildung geben.<br />
Dazu müssen dann auch die Dokumentationszeichnungen<br />
ausgestellt werden, die durch Modelle für<br />
die einzelnen Bauperioden des Denkmals zu ergänzen<br />
wären. In dieser Form können dann auch die Häuser<br />
dargestellt werden, von denen nur noch spezielle Bauteile<br />
zur Ausstellung gelangen.<br />
Für die Wiederaufbaumaßnahmen kommt es zustatten,<br />
daß es gelang, die alte Maßeinheit zu berechnen: Es ist<br />
ein „Schuh" von 28,8 cm. Damit können wir zugleich<br />
die Vorgänge auf dem Reißboden des Zimmermanns<br />
einigermaßen nachvollziehen.<br />
Vorläufig fehlt ein Denkmal des altoberschwäbischen<br />
Treppenflurhauses. Falls man sich nicht mit entsprechenden<br />
Dokumentationsformen begnügen will, muß<br />
auf die Denkmäler der jüngeren Entwicklung hingewiesen<br />
werden, die entweder an ihren Standorten erhalten<br />
bleiben sollen oder aber - in einer späteren Ausbaustufe -<br />
ebenfalls ins Museum aufgenommen werden können.<br />
Am alten Standort können sie selbständige kleine Freilichtmuseen<br />
oder ausgelagerte Abteilungen von Kürnbach<br />
sein. Noch besser ist es allerdings, sie in ihren ursprünglichen<br />
Funktionen zu belassen oder neuen Funktionen<br />
zuzuführen.<br />
So hat in Winterstettenstadt die Gemeinde eines der<br />
schönsten Fachwerkhäuser des Oberlandes vor dem Abbruch<br />
bewahrt, indem sie es erwarb und <strong>zum</strong> Gemeindezentrum<br />
ausbaute. Das Haus wurde von Bürgermeister<br />
Anton Rief 1702 erbaut und zeigte die Endstufe der Entwicklung<br />
des Treppenflurhauses mit erweiterter Gefachfolge<br />
(Abbildung 13). Stockwerksweise abgezimmertes<br />
Fachwerk, Schweifbüge in den Brüstungen und reiche<br />
Profile in den Schwellen sind barocke Formulierungen —<br />
die zusätzliche giebelseitige Erschließung der Küche und<br />
die zusätzliche Treppe im Stubenstock sind Zeichen für<br />
das Beharrungsvermögen der altoberschwäbischen Tradition.<br />
Heute enthält der Wirtschaftsteil eine Mehrzweckhalle<br />
und der Wohnteil Gruppenräume. In der<br />
Umgebung des Hauses aber hat das Beispiel Schule gemacht:<br />
Es sind jetzt eine ganze Reihe von Fach werken<br />
wieder freigelegt, so daß Winterstettenstadt einen lebendigen<br />
Formenkatalog für die Spätzeit des Fachwerks am<br />
oberschwäbischen Bauernhaus darstellt.<br />
Auch in Bad Buchau-Dürnau stehen eine Reihe stattlicher<br />
Fachwerkbauten. Sie stammen aus der Zeit nach dem<br />
großen Dorfbrand 1746. Besonders bemerkenswert ist<br />
der Hof von Karl Neher (Abbildung 14). Wieder haben<br />
wir ein voll entwickeltes Treppenflurhaus vor uns, bei<br />
dem lediglich der zweireihige Kuhstall aus dem Jahre<br />
1914 und das Vordach aus jüngster Zeit stammen. Sonst<br />
reicht nach Aussage des Besitzers das Raumvolumen des<br />
mit Liebe gepflegten Hauses noch vollkommen für die<br />
heutigen Ansprüche aus. Im Detail des Fachwerks macht<br />
sich ein bezeichnender Stilwandel bemerkbar; Die Formen<br />
sind zurückhaltender und eleganter geworden. In<br />
Oberschwaben selten sind die Schutzdächer über den<br />
Giebelvorkragungen. Aber auch bei diesem Haus steht<br />
13<br />
109
neben Fortschrittlichem das Althergebrachte, wenn im<br />
Wohngefach nur Stube und Küche als weitläufige<br />
Räume untergebracht sind.<br />
Die Aufnahme solcher Denkmäler in den Kürnbacher<br />
Museumführer und die Empfehlung, sie an Ort und<br />
Stelle zu besichtigen, wird die private Initiative zur<br />
Pflege der ländlichen Bausubstanz anregen und auch das<br />
Freilichtmuseum Kürnbach weniger als museale Insel<br />
erscheinen lassen.<br />
Die derzeitige Konzeption für das Freilichtmuseum<br />
Kürnbach (Abbildung 15)<br />
Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß es gelingt, sowohl<br />
vom Voggenhaus (Abbildung 6) als auch von der<br />
Hueb (Abbildungen 9 bis 12) die ursprüngliche Form zu<br />
rekonstruieren und damit in Kürnbach die beiden Hausformen<br />
zu zeigen, die seit zweihundertfünfzig Jahren<br />
immer seltener geworden sind. Für das Voggenhaus ist<br />
sogar schon ein Teil der Ausstattung vorhanden, nämlich<br />
fast das ganze Inventar aus dem letzten im Landkreis<br />
Biberach bis 1970 noch bewohnten Dreigefachhaus.<br />
Daran zu zeigen, wie man bis in unsere Tage in<br />
einem solchen einfachen Haus lebte und wirtschaftete,<br />
gleicht das Fehlen einer zeitgenössischen Einrichtung in<br />
diesem Falle wieder aus.<br />
Da der Lageplan des Freilichtmuseums durch die bereits<br />
stehenden Bauten festgelegt ist, müssen wir noch die<br />
Stellung dieser beiden nach Anlage und Größe so unterschiedlichen<br />
Häuser bestimmen (Abbildung 15). Dazu<br />
müssen wir die Gesichtspunkte zu erfassen suchen, nach<br />
denen Standort und Ausrichtung beim altoberschwäbischen<br />
Bauernhaus einst festgelegt wurden.<br />
Das außerhalb eines Dorfes gelegene altoberschwäbische<br />
Haus schmiegt sich gern an eine Geländewelle, um sich<br />
auf diese Weise etwas gegen den rauhen Wind zu schüt-<br />
zen. Bei einer Hanglage muß aber entschieden werden,<br />
ob das Haus mit dem First parallel oder senkrecht <strong>zum</strong><br />
Hang gestellt wird. Dies hängt einerseits von der Zufahrt<br />
zur Tenne, andererseits von der Hauslänge ab. Die<br />
Zufahrt darf weder steil ansteigen noch stark abfallen,<br />
weil dies Wagen und Zugtiere gefährden würde. In<br />
geneigtem Gelände führt man deshalb die Zufahrt möglichst<br />
parallel am Hang entlang. Bei einem kurzen<br />
Hauskörper läßt sie sich dann ohne Schwierigkeit bis<br />
zur Tenne durchführen, weil dieser Bau senkrecht <strong>zum</strong><br />
Hang gestellt wird. Ein langgestreckter Baukörper dagegen<br />
muß selbst parallel zu den Höhenlinien angelegt<br />
werden. Die Tennenzufahrt muß dann entsprechend<br />
umbiegen. Dies geschieht meist auf der etwas terrassierten<br />
Hoffläche selbst. Diese Terrassierung wiederum ergibt<br />
sich aus der Notwendigkeit, für den Hausgrund den<br />
Hang einzuebnen, um den Grundschwellenkranz überall<br />
vom Erdboden frei zu bekommen. So wird einfach<br />
der Hangaushub nach vorne geschlagen, wo er dann die<br />
Hofterrasse bildet.<br />
Bei Standorten in Dorflagen aber gelten offensichtlich<br />
noch andere Erwägungen. So steht beispielsweise das<br />
Kürnbacher „Strohdachhaus" nur ungefähr parallel zu<br />
den Höhenlinien des nach Südosten sanft ansteigenden<br />
Grundstücks. Es ist mit dem Wohnteil etwas aus dem<br />
Hang herausgedreht. Dadurch wird zwar die Zufahrt<br />
von der Bachbrücke her etwas schwieriger, dafür aber<br />
die von Süden her einfacher. Auch die ausgesprochen<br />
schlechte Besonnung des nach Norden gelegten Wohnteils<br />
verbessert sich etwas. Wenn aber der Wohnteil<br />
nicht gleich nach Süden gelegt wurde, was in der Nachbarschaft<br />
durchaus vorkommt, dann gibt es dafür nur<br />
die eine Erklärung: Man wollte von der Stube aus<br />
Straße, Bach und Brücke übersehen und von dort aus<br />
gesehen werden — darauf sind die Schmuckformen des<br />
Fachwerks berechnet, die nur an der Zugangsseite auftreten<br />
(Abbildung 3).<br />
110
15 LAGEPLANSKIZZE FUR DAS<br />
FREILICHTMUSEUM KURNBACH.<br />
< 14 HAUS NEHER IN BAD BUCHAU-<br />
DÜRNAU, Kreis Bibeiach, erbaut nach<br />
1746. Stockwerksweise abgezimmerter<br />
Fadiwerkbau mit Kehlbalkendachstuhl<br />
und Ziegeldeckung. Gefach folge:<br />
Wohngefach — Treppenflur — Pferdestall<br />
— Tenne — zweireihiger Kuhstall<br />
aus dem fahre 1914 — Schopf. Bewußt<br />
gepflegt und als landwirtschaftlicher<br />
Nutzbau voll funktionsfähig.<br />
1 KURN tAO-l tR. STROW<br />
HA.U5, 16e>-;/fo5 . \<br />
iLZEHMTSCt-iEUME nSCÖ?>A/CM><br />
dSPcic^ß. AUS SPlEC,LEj^?i<br />
4 VOC.CENJ; '.AUS Avvjur:c.d \<br />
VCRMUTUCU 16..IAHE 14 •<br />
5* W UE 6'ZO LL£.W REUTE<br />
v va e.HUTUCH16 JAW 2,-.<br />
Das Voggenhaus und die Hueb standen allein an relativ<br />
steilen Osthängen, Das Voggenhaus mit seinem fast<br />
quadratischen Grundriß war mit dem Pirst senkrecht<br />
<strong>zum</strong> Hang gestellt (Abbildung 6). Die Lage der Stube in<br />
dem talabwärts ausgerichteten Wohngefach war offensichtlich<br />
nach der besseren Aussonnung bestimmt — jedenfalls<br />
sah man von der Stube aus nur einen Teil der<br />
benachbarten Höfe, dafür überblickte man die am Hang<br />
entlang von Süden herangeführte Zufahrt.<br />
Bei der Hueb dagegen mußte die Zufahrt um den nach<br />
Süden ausgerichteten Wohnteil herum auf die Hofplatte<br />
geführt werden (Abbildung 10). Für den parallel <strong>zum</strong><br />
Hang gestellten mächtigen Hauskörper wurde der Hang<br />
so kräftig eingeschnitten, daß hinter dem Haus eine<br />
regelrechte Böschung bis zur Straße entstand. Deren Bewuchs<br />
ließ die bis ins Erdgeschoß herabgezogene hintere<br />
Dachfläche wie mit dem Erdboden verwachsen erscheinen<br />
(Abbildung 9).<br />
Die charakteristischen Standortbedingungen können<br />
auf dem Museumsgrundstück nicht voll wiedergegeben<br />
werden. Das Gelände nördlich und östlich des Strohdachhauses<br />
ist fast eben. Nur im Südosten zieht sich<br />
eine leichte Geländewelle hin. Nach ihr wurde der neue<br />
Standort der Hueb bestimmt. Um aber das Dach auf<br />
diese Welle abschleppen zu können und um die Zufahrt<br />
in den entstehenden kleinen Platzraum zu bekommen,<br />
muß der Wohnteil nach Nordosten gelegt werden. Daraus<br />
ergibt sich die Notwendigkeit, diese Hofstelle — <strong>zum</strong>indest<br />
optisch — auch von Nordosten her zu erschließen.<br />
Dies aber kann nun auch für das Voggenhaus genutzt<br />
werden. Es muß seiner Eigenart als kurzes Mitteltennhaus<br />
entsprechend senkrecht zu den langgestreckten<br />
beiden anderen Baukörpern gestellt werden. Der<br />
Standort nordöstlich vom Strohdachhaus an der Straße<br />
erlaubt es dann, den Hauseingang auf der Giebelseite<br />
auf die Straße zu richten. Das Tor der Mitteltenne<br />
kommt allerdings nach Nordosten zu liegen und bedarf<br />
deshalb wie die Hueb einer Erschließung des Grundstücks<br />
von Nordosten her.<br />
Um die Einzelbauten als selbständige Hofeinheiten erscheinen<br />
zu lassen, müssen sie ihre eigenen Hofzufahrten<br />
und eigene Haus- und Beerengärten erhalten. An<br />
diese schließt sich immer auch ein Baumgarten an. Vom<br />
Strohdachhaus ist er noch vorhanden und kann auch<br />
für das Voggenhaus gelten. Nur muß zwischen beiden<br />
Häusern der Zugang <strong>zum</strong> Voggenhaus von der Straße<br />
her liegen. Für die Hueb wären die Gärten neu anzulegen.<br />
Sie könnten dann das Grundstück im Nordosten<br />
räumlich fassen und gegen die moderne Randbebauung<br />
des Dorfes abschließen.<br />
Die Zehntscheune und der Speicher im Süden sind als<br />
ziegelgedeckte Bauten bereits Vertreter der jüngeren Entwicklungsstufe<br />
(Abbildung 1). Sie sind deshalb geeignet,<br />
das Gelenk zu bilden zwischen der Gruppe der altoberschwäbischen<br />
Häuser und einer in Zukunft möglicherweise<br />
zu errichtenden Gruppe jüngerer Bauernhäuser<br />
jenseits der Geländewelle im Südosten. Eine Randbepflanzung<br />
des Feldweges mit typischen Straßenbäumen,<br />
die Mostobst tragen, könnte diesen Bereich noch besser<br />
anbinden. Das unmittelbare Nebeneinander von strohgedeckten<br />
älteren und ziegelgedeckten jüngeren Bauernhäusern<br />
würde durchaus jenes Bild ergeben, das<br />
noch im letzten Jahrhundert ganz üblich und bis vor<br />
einer Generation gar nicht selten war in Oberschwaben.<br />
Prof. Dipl.-Ing. Johann Georg Schmid<br />
Fachhochschule Biberach<br />
Karlstraße 9/11<br />
7950 Biberach 1<br />
111
Dieter Planck: Die Villa rustica von Bondorf, Kreis Böblingen<br />
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sind in der Flur „auf<br />
Mauren", zwei Kilometer südlich von Bondorf, Grundmauern,<br />
Bauschutt und Reste einer Wasserleitung bekannt.<br />
Die zahlreichen Architekturteile und vor allem<br />
die Keramikbruchstücke ließen keinen Zweifel daran,<br />
daß es sich hier um eine abgegangene römische Siedlung<br />
handelte. Obwohl nie planmäßige archäologische<br />
Ausgrabungen durchgeführt wurden, konnte man doch<br />
aufgrund der Schuttstreuung das Siedlungsareal recht<br />
gut umgrenzen.<br />
Als im Jahre 1966 die Planung der Bundesautobahn<br />
Stuttgart—Westlicher Bodensee in diesem Bereich in<br />
Angriff genommen wurde, wies das Denkmalamt auf<br />
die römischen Siedlungsreste hin, die vor Beginn der<br />
Bauarbeiten ausgegraben werden müßten. Doch der Bau<br />
verzögerte sich an diesem Abschnitt um Jahre. Erst als<br />
im Herbst 1974 endgültig feststand, daß mit den Arbeiten<br />
im Sommer 1975 zu rechnen war, konnte man<br />
an das archäologische Unternehmen herangehen. Da<br />
die gesamte Siedlung in den Bereich einer kleeblattförmigen<br />
Kreuzung von Autobahn und neuer Bundesstraße<br />
28 fällt, mußte eine möglichst große Fläche untersucht<br />
werden. Die Arbeiten der Stuttgarter Abteilung<br />
Bodendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes dauerten<br />
vom 18. März bis <strong>zum</strong> 11. September 1975. Zeitweise<br />
waren etwa fünfzig Personen beschäftigt. Daß<br />
diese Grabung, die weit über 15 000 qm Fläche um-<br />
faßte, so rasch und ohne Schwierigkeiten durchgeführt<br />
werden konnte, dafür möchten wir an dieser Stelle der<br />
Neubauleitung des Autobahnamtes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
in Rottweil und dem Bürgermeisteramt in Bondorf<br />
danken.<br />
Sinn der großflächigen und damit auch finanziell aufwendigen<br />
Ausgrabung war es, einmal einen römischen<br />
Gutshof — eine Villa rustica — möglichst vollständig<br />
zu untersuchen. Wenn wir auch bis heute weit über<br />
tausend römische Gutsanlagen im Lande nachweisen<br />
können, so sind bisher kaum ausgedehnte Grabungen<br />
durchgeführt worden. Meist beschränkte man sich auf<br />
die Freilegung des Hauptgebäudes oder des Badegebäudes,<br />
nur selten widmete man sich auch den Nebenbauten<br />
oder gar den Flächen zwischen den Häusern. Hier<br />
in Bondorf bot sich die Möglichkeit, wenigstens einigen<br />
für die Siedlungsgeschichte unseres Landes wichtigen<br />
Fragen nachzugehen.<br />
Die topographische Lage der Ansiedlung auf einer<br />
spornartigen Höhe, die nach drei Seiten in Böschungen<br />
abfällt, ließ schon vor Beginn der Grabung erkennen,<br />
daß mit einer starken Erosion der Oberfläche seit römischer<br />
Zeit zu rechnen war. Diese Vermutung bestätigte<br />
sich alsbald. Aufgehendes, d. h. in römischer Zeit<br />
sichtbar gewesenes Mauerwerk wurde kaum gefunden.<br />
Meist waren nur noch Fundamente bzw. Fundamentrollierungen<br />
nachzuweisen.<br />
112
Bondorf liegt inmitten einer überaus fruchtbaren Landschaft,<br />
im Oberen Gäu. Die mit Löß bedeckten Flächen<br />
waren schon in vorrömischer Zeit dicht besiedelt. Es ist<br />
daher nicht verwunderlich, daß auch in dem von uns<br />
untersuchten Areal vorgeschichtliche Siedlungsspuren<br />
beobachtet werden konnten. Die ältesten, die wir fanden,<br />
— einige Tonscherben sowie ein bronzener Armring<br />
— stammen aus der Bronzezeit. Vor allem im westlichen<br />
Teil unserer Grabungsfläche wurden außerdem<br />
zahlreiche Pfosten- und Vorratsgruben untersucht. Die<br />
Funde, insbesondere die Keramik, datieren diese Siedlungsreste<br />
in die frühe Latenezeit um 400 v. Chr.<br />
In römischer Zeit wurde die Anhöhe dann erneut von<br />
Menschen aufgesucht. Uberraschend und überaus wichtig<br />
war die Entdeckung einer sehr frühen römischen<br />
Besiedlungsperiode. Zahlreiche Pfostenhäuser, Abfallgruben<br />
und ein stellenweise dreifach geführter Hofzaun,<br />
der das gesamte Gehöft auf eine Länge von 155 m<br />
und eine Breite von 93 m umgab, wurden anhand sich<br />
deutlich abzeichnender Erdverfärbungen ermittelt. Dieser<br />
Hof hatte eine Innenfläche von etwa 1,4 ha und war<br />
damit nur um weniges kleiner als der jüngere, der dann<br />
in Stein ausgebaut wurde. Wie zahlreiche Funde zeigen,<br />
muß der erste römische Bau zwischen 90 und 100 n.<br />
Chr. erfolgt sein.<br />
Für die römische Besiedlungsgeschichte unseres Landes,<br />
vor allem für die Frage der zivilen Siedlungsentwicklung,<br />
ist dieser Befund von großem Interesse. Hier<br />
ergibt sich <strong>zum</strong> ersten Mal im Gebiet östlich des Hochschwarzwaldes<br />
der archäologische Nachweis einer vollständig<br />
in Holz erbauten Hofanlage, die in die früheste<br />
Zeit römischer Besiedlung zurückreicht. In den Jahren 85<br />
bis 90 n. Chr. war das Neckarland zwischen Rottenburg<br />
und der Linie Köngen—Wimpfen erstmals vom römischen<br />
Militär durch eine Straße und Kastelle abgesichert<br />
worden. Unser Bondorfer Gutshof wurde unmittelbar<br />
nach diesen Kastellen erbaut, die ganz entsprechend<br />
zunächst als Holz-Erde-Anlagen errichtet worden waren.<br />
Die Frage, wer diesen Hof gebaut hat, muß vorerst unbeantwortet<br />
bleiben. Viele Zeugnisse sprechen dafür,<br />
daß die Gutsanlagen von einheimischen Bewohnern<br />
keltischer Abstammung bewirtschaftet wurden. Es sei<br />
hier an den Stifter der berühmten Jupitergigantensäule<br />
von Hausen an der Zaber erinnert, dessen inschriftlich<br />
überlieferter Name CAIVS VETTIVS CONNOVGVS<br />
einwandfrei keltischer Herkunft ist.<br />
Spätestens um die Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts,<br />
in gewissen Teilen möglicherweise auch<br />
schon einige Jahrzehnte früher, wurde die Bondorfer<br />
Gutsanlage nach und nach in Stein ausgebaut. Als einziger<br />
Steinbau könnte ein unter dem Hauptgebäude<br />
aufgedeckter kleiner Keller schon zur älteren Bauphase<br />
gehören. Die gesamte Anlage war mit einer schiefwinkligen<br />
Hofmauer umgeben, deren Nordseite —<br />
wohl geländebedingt — mehrfach geknickt war. An allen<br />
vier Mauerecken wurden Eckbauten aufgedeckt, die<br />
wahrscheinlich auch Befestigungscharakter hatten. Die<br />
in sich geschlossene Hofanlage besaß eine 113 m lange<br />
und 90 m breite Erweiterung nach Westen, deren Sinn<br />
und Zweck nicht sicher geklärt werden konnte, <strong>zum</strong>al<br />
im Innenbereich keine weiteren Bebauungsspuren zu<br />
beobachten waren. Möglicherweise handelt es sich um<br />
einen Garten.<br />
Etwa 25 m südlich der Südwestecke des Hofes wurde<br />
ein vorzüglich erhaltener großer Kalkbrennofen aufgedeckt,<br />
wie bisher nur wenige in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
nachgewiesen sind. Er war in Stein errichtet und hatte<br />
eine 2 m tiefe, birnenförmige Feuer- bzw. Beschickungskammer.<br />
Sicher war diese Kalkbrennerei nicht nur <strong>zum</strong><br />
Bau des Gutshofes angelegt worden, sonders versorgte<br />
als Handwerksbetrieb einen größeren Bereich.<br />
Das zentrale Wohnhaus des Gutshofes war mit seiner<br />
Hauptfront genau nach Süden orientiert. Mit immerhin<br />
54 m Länge war es sehr stattlich. Der Grundriß ist typisch<br />
für den gallischen und germanischen Raum: Zwei<br />
turmartige Eckbauten, die sogenannten Eckrisalite, die<br />
durch eine lange, etwa 5 m breite Raumflucht verbunden<br />
waren, bildeten die Hauptfassade. Der westliche<br />
Teil des Mitteltraktes war unterkellert. Gerade an diesem<br />
Keller konnte die Qualität der Architektur besonders<br />
gut festgestellt werden. Die Kalksteinquader waren<br />
3 BLICK IN EINE ECKE<br />
DES KELLERS unter dem<br />
Haupttmkt des Wohngebäudes<br />
mit dem Zugang vom<br />
Innenhof hei. Das Schalenmauerwerk<br />
aus Muschelkalkquadern<br />
zeigt, in welch guter<br />
Qualität aufgehendes Mauerwerk<br />
in der Bondorf er Villa<br />
rustica errichtet wurde. Auf<br />
dem Boden des Kellers sind<br />
deutlich die Spuren der Brandkatastrophe<br />
zu erkennen, in<br />
der der römische Gutshof<br />
untergegangen ist.<br />
4 DIE KANALISATION<br />
DES GROSSEN KELLERS<br />
unter dem Wohngebäude<br />
besteht aus schmalen Kanälen,<br />
die mit großen Platten abgedeckt<br />
sind. Durch die Spalten<br />
sickerte das eindringende<br />
Wasser ab und wurde im<br />
Kanal abgeleitet — eine Art<br />
der Drainage, die bis heute<br />
angewendet wird.<br />
5 DAS BADEGEBÄUDE ><br />
an der nördlichen Hofmauer<br />
von Norden gesehen. Das<br />
Warmbad (Caldarium)<br />
schließt mit einer Apsis ah.<br />
114
sorgfältig zugehauen; die Entwässerung des Kellers war<br />
hervorragend, aus dem Innenhof eindrückendes Regenwasser<br />
wurde in einem Kanal aufgefangen und über<br />
60 m weit nach Süden abgeleitet. An den Haupttrakt<br />
des Gebäudes schloß sich nach Norden ein großer Innenhof<br />
an, der im Westen von vier Wohnräumen begrenzt<br />
wurde.<br />
Unmittelbar nordwestlich des Wohnhauses wurde der<br />
Grundriß eines mehrfach umgebauten und erweiterten<br />
Badehauses freigelegt, das ein Warmbad (caldarium),<br />
ein Laubad (tepidarium), ein Kaltbad (frigidarium) und<br />
einen Auskleideraum (apodyterium) enthielt. Das Kaltbad<br />
bestand aus einem Baderaum mit tieferliegendem<br />
Badebecken (piscina). Die kreisförmige Anordnung der<br />
Hauptbaderäume erinnert an einen Bädertypus, der vor<br />
allem im 1. nachchristlichen Jahrhundert sehr beliebt<br />
war. Die Grundanlage des Bondorfer Bades könnte also<br />
schon zu dieser Zeit erfolgt sein.<br />
Im Osten der Hofanlage befand sich ein 15 m auf 21 m<br />
großes Haus, das sich durch ein System von kleinen Abwasserkanälen<br />
auszeichnete. Leider waren von diesem<br />
Bauwerk nur noch die untersten Lagen der Fundamente<br />
erhalten, so daß eine sichere Deutung schwierig ist. Vermutlich<br />
handelt es sich um einen Handwerksbetrieb.<br />
Westlich des Wohnhauses lag ein 25 m auf 14 m großes<br />
Wirtschaftsgebäude. Im Südteil des Hofes fanden sich<br />
drei weitere Bauten, die wohl als Stallungen und<br />
Scheuem gedient hatten. Ihre wenig sorgfältige Fundamentierung<br />
läßt auf Fachwerkbauten schließen.<br />
Vor dem Hauptgebäude wurde ein sehr gut gemauertes,<br />
mit Estrichboden ausgestattetes Haus ausgegraben, in<br />
dessen Umgebung zahlreiche Fragmente sehr qualitätvoller<br />
Architekturteile, wie Pilaster und mehrfach profilierte<br />
Gebälksteine, und auch der Torso eines nackten<br />
männlichen Gottes gefunden wurden. Das Götterbild,<br />
das vermutlich Apollo darstellt, und die für einen Gutshof<br />
ungewöhnlichen Architekturteile deuten auf einen<br />
Kultbau hin.<br />
Die Bondorfer Kleinfunde umfassen nahezu alle Fundgruppen.<br />
Münzen, Fibeln, Haarnadeln, Fingerringe,<br />
Löffel, Nähnadeln, Spinnwirtel und vor allem eine<br />
große Anzahl von Schüsseln, Töpfen und Krügen sind<br />
zu erwähnen. Bei der sogenannten Terra sigillata gibt<br />
es neben Produkten süd- und mittelgallischer Töpfereien<br />
auch Keramik aus Heiligenberg und Rheinzabern,<br />
die vor allem aus der jüngeren Bauphase des Hofes<br />
stammt. Zur römischen Kleinkunst zu rechnen ist der<br />
beinerne Griff eines Klappmessers, dessen geschnitztes<br />
Ende einen Hirten mit einem Lamm auf den Schultern<br />
darstellt [siehe Titelbild). Geistesgeschichtlich ist dieses<br />
Motiv sehr interessant, das <strong>zum</strong> Formenkreis der<br />
bukolischen Hirten- und Landschwärmerei des 2. Jahrhunderts<br />
ebenso gehört wie die Symbolik hellenistischorientalischer<br />
Mysterienkulte, das aber auch von den<br />
heidnischen Kulten übernommen und mit neuem Inhalt<br />
gefüllt ein Zeugnis frühen Christentums sein könnte.<br />
Der Reichtum des Gutsherrn spiegelt sich auch in einigen<br />
Glasgefäßen wider, von denen wenigstens einige<br />
Scherben erhalten sind. Besonders schön ist eine Glasschale<br />
mit einer eingeschliffenen menschlichen Figur, In<br />
einem Gutshof werden selbstverständlich auch Hand-<br />
5
6 DER HANDWERKSBAU<br />
an der Ostseite des Hofes.<br />
Das Bild zeigt neben Fundamentwllierungen<br />
der Mauern<br />
ein regelmäßiges System von<br />
Abwasserleitungen.<br />
7 QUADRATISCHE<br />
KALKGRUBE mit hölzerner<br />
Verschalung, die unmittelbar<br />
westlich des Bades aufgedeckt<br />
wurde. In solchen Gruben<br />
wurde der gerade bei Bädern<br />
immer wieder zu Ausbesserungsarbeiten<br />
benötigte Kalk<br />
gelöscht.<br />
V<br />
werks- und vor allem landwirtschaftliche Geräte gefunden,<br />
in Bondorf <strong>zum</strong> Beispiel Hämmer, Bohrer, Sägen,<br />
Schaufeln, Hacken, Spaten, Äxte und auch der vordere<br />
Teil eines Dreschschlittens. Eine große Anzahl geborgener<br />
Tierknochen läßt Rückschlüsse auf die landwirtschaftliche<br />
Produktion des Hofes zu.<br />
Der Gutshof ist in einer Brandkatastrophe untergegangen,<br />
die mit den Alamanneneinfällen des 3. nachchristlichen<br />
Jahrhunderts zusammenhängen dürfte. Ein genaueres<br />
Datum kann erst die Auswertung aller Funde<br />
erbringen.<br />
Später, im 4. Jahrhundert n. Chr., wurde eine Frau im<br />
westlichen Eckrisalit bestattet. Alamannen der Landnahmezeit<br />
suchten die Ruine auf und bewohnten vielleicht<br />
auch Teile. Der Zugang des Kellers wurde von<br />
innen mit einer Trockenmauer zugesetzt. Der Raum<br />
muß demnach in nachrömischer Zeit noch einmal —<br />
und zwar von oben, vermutlich über eine Leiter oder<br />
eine Holztreppe — benutzt worden sein.<br />
Durch die Ausgrabung in Bondorf wurde erstmals in<br />
<strong>Württemberg</strong> ein römischer Gutshof mit allen Gebäuden<br />
archäologisch untersucht. Mit zwölf Einzelbauten<br />
gehört die Villa rustica zu den umfangreichsten Anlagen<br />
ihrer Art im rechtsrheinischen Gebiet der römischen<br />
Provinz Obergermanien.<br />
Besonders erfreulich war das Echo, das dieser Ausgrabung<br />
im ganzen Land zuteil wurde. Durch regelmäßige<br />
Führungen kam man dem großen Interesse entgegen.<br />
116<br />
So war es möglich, für die Aufgaben der Bodendenkmalpflege<br />
zu werben, die in besonderem Maße auf die<br />
Mitarbeit einer breiten Öffentlichkeit angewiesen ist.<br />
Dr. Dieter Planck<br />
LDA ■ Bodendenkmalpflege<br />
Schüleiplatz 1<br />
7000 Stuttgart 1<br />
7
Konjunkturförderungsprogrämm hilft der <strong>Denkmalpflege</strong><br />
Im Herbst 1975 verabschiedete die Bundesregierung ein<br />
„Programm zur Stärkung von Bau- und anderen Investitionen",<br />
das kurzfristig in die Tat umgesetzt wurde<br />
und auch zahlreichen denkmalpflegerischen Maßnahmen<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> zugute gekommen ist. Insbesondere<br />
sind in den Programmteilen „Kommunale<br />
Infrastruktur" und „Stadtsanierung" erhebliche Mittel<br />
bereitgestellt worden, die im Einzelfall Zuschüsse in<br />
Höhe von 50 bis 80 0 /o der Bausummen ermöglicht haben.<br />
Dabei setzen sich diese Zuschüsse je zur Hälfte aus<br />
Mitteln des Bundes und des Landes zusammen.<br />
Von den Bedingungen dieses Programms sollen hier<br />
nur zwei erwähnt werden. Da es sich um ein Kommunalprogramm<br />
handelte, wurden ausschließlich Maßnahmen<br />
an gemeindeeigenen Objekten gefördert. Dies<br />
mag aus allgemeinen politischen Gründen gerechtfertigt<br />
erscheinen. Daß Privateigentümer und Körperschaften<br />
wie z. B. die Kirchen nicht in den Genuß des<br />
Konjunkturförderungsprogramms gelangen konnten,<br />
muß jedoch aus denkmalpflegerischer Sicht bedauert<br />
werden, da sie nicht weniger zur Erhaltung der ihnen<br />
gehörenden Kulturdenkmale verpflichtet sind als die<br />
Gemeinden.<br />
Die andere erwähnenswerte Bedingung ist die, daß die<br />
Maßnahmen möglichst bis Ende 1976 abgeschlossen<br />
sein müssen. Der damit verbundene Zeitdruck hat zweifellos<br />
sein Gutes — werden doch auf einen Schlag viele<br />
Vorhaben zügig durchgeführt, die sonst gar nicht oder<br />
nur schleppend in Gang gekommen wären. Die Eile<br />
bringt jedoch auch den Zwang zu raschen Entscheidungen<br />
mit sich, die manchmal nur auf Kosten konservatorischer<br />
Sorgfalt getroffen werden können.<br />
Inzwischen sind nahezu alle geförderten Vorhaben weit<br />
gediehen und in einigen Fällen sogar schon abgeschlossen,<br />
so daß dem Programm bereits jetzt ein voller Erfolg<br />
bescheinigt werden kann. Die folgende Übersicht<br />
unterrichtet über die denkmalpflegerischen Vorhaben<br />
im Regierungsbezirk Tübingen. Dieses Programm umfaßt<br />
insgesamt ein Zuschußvolumen von fast 9,5 Millionen<br />
DM.<br />
1. Bad Waldsee, Kreis Ravensburg,<br />
Rathaus<br />
Innerer Ausbau bei Erhaltung der<br />
historischen Räume und Struktur<br />
sowie Instandsetzung des Äußeren.<br />
Im Erdgeschoß wird die weiträumige<br />
zweischiffige Halle des 1426<br />
erbauten Gebäudes wieder hergestellt<br />
und der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht. Im zweiten Obergeschoß<br />
haben sich in Fortsetzung<br />
des berühmten gotischen Dachstuhls<br />
unerwartet Reste der sechs Holzstützen<br />
gefunden, die wieder ergänzt<br />
bzw. erneuert werden.<br />
(Stadtsanierung, 720 000,— DM<br />
Zuschuß)
DAS SCHLOSS IN HIRRLINGEN. ><br />
EHEMALIGES WASSERSCHLOSS IN<br />
GEISLINGEN.<br />
WALLFAHRTSKIRCHE MARIA ZELL<br />
IN HECHINGEN-BOLL,<br />
Außenansicht von Südwesten und<br />
Blick ins Innere gegen Osten.<br />
118
2. Ehingen, Alb-Donau-Kreis,<br />
ehemaliges Spital <strong>zum</strong> Heiligen Geist<br />
Von dem erstmals im 14. Jahrhundert genannten und<br />
bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestehenden, umfangreichen<br />
Wirtschaftsgefüge sind erhalten geblieben drei<br />
an ihren Schmalseiten einander verbundene Gebäude;<br />
a) Das Spitalgebäude, ein hochgiebeliger Fachwerkbau<br />
mit drei Voll- und drei Dachgeschossen, nach Ausweis<br />
der Fachwerkausbildung und der gewölbten Krüppelwalme<br />
vom Ende des 15. Jahrhunderts,<br />
b) ein zweigeschossiger Zwischenbau und<br />
c) die Spitalkirche mit nicht abgesetztem, dreiseitig<br />
schließendem Chor mit Bauinschrift von 1493.<br />
Maßnahmen: Fundamentsicherung mittels Gußbetonpfählen,<br />
Erneuerung der drei Dächer, Instandsetzung<br />
des Fachwerks, Innenausbau für Heimatmuseum, Altentreff,<br />
Jugendarbeit, Hausmeisterwohnung.<br />
(Stadtsanierung, 800 000,— DM Zuschuß)<br />
3. Geislingen, Zollem-Alb-Kreis,<br />
ehemaliges Wasserschloß<br />
Der 1783 unter Verwendung älterer Bauteile errichtete<br />
Dreiflügelbau wird außen renoviert (neueDachdeckung,<br />
Putz, Farbgebung nach Befund).<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 150 000,— DM Zuschuß)<br />
4. Hechingen, Zollein-Alb-Kieis,<br />
Wallfahitskiiche Maria Zell<br />
Das 1757 auf den Fundamenten einer gotischen Vorgängerkirche<br />
errichtete barocke Bauwerk mußte 1970<br />
aufgrund schwerer Erdbebenschäden geschlossen werden.<br />
Die Sanierungsmaßnahmen umfassen die Sicherung<br />
des Steilhanges, auf dem die Kirche steht, durch<br />
Injektionsdaueranker, die statische Sanierung des Bauwerks<br />
selber sowie eine umfassende Innen- und Außeninstandsetzung.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 350 000,— DM Zuschuß)<br />
5, Hirrlingen, Kreis Tübingen,<br />
Schloß<br />
Das 1557/58 errichtete Renaissanceschloß wird außen<br />
renoviert.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 150 000,— DM Zuschuß)<br />
6. Laupheim, Kreis Biberach,<br />
Schloß<br />
Schloß Großlaupheim besteht aus zwei Baukomplexen:<br />
a) Sogenannte Burg, Schloßbau mit vier Ecktürmen aus<br />
dem 16. Jahrhundert und Mansarddach des 18. Jahrhunderts.<br />
Maßnahmen: Sanierung des Dachstuhls, Vernadelung<br />
des Mauerwerks, Einziehen von Decken in<br />
der ehemaligen Brauerei, Außeninstandsetzung einschließlich<br />
Neudeckung des Daches.<br />
b) Erweiterungsflügel des 17. und 18. Jahrhunderts:<br />
Außeninstandsetzung (Putz, Rekonstruktion der barocken<br />
Fassadenmalerei, Freilegung der im 18. Jahrhundert<br />
vermauerten und jetzt wiederentdeckten Hofarkade).<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 600 000,— DM Zuschuß)<br />
119
7. Meersburg, Bodenseekreis,<br />
Obertor<br />
Das spätmittelalterliche Stadttor wird außen instandgesetzt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 176 000,— DM Zuschuß)<br />
8. Meersburg, Bodenseekreis,<br />
ehemaliges Dominikaneiinnenklostei<br />
Das nach seiner späteren Nutzung auch Mädchenschulhaus<br />
genannte barocke Gebäude wird außen instandgesetzt.<br />
Untersuchungen des Restaurators ergaben eine<br />
ursprünglich reiche Bemalung an Fenstern und Gebäudeecken,<br />
die wieder hergestellt wird. Auch die im 19.<br />
Jahrhundert zu einzelnen Fenstern umgebauten Kirchenfenster<br />
werden wieder freigelegt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 200 000,— DM Zuschuß)<br />
9. Melchingen, Gde. Burladingen, Zollern-Alb-Kreis,<br />
Bmgruine<br />
Von der um 1300 entstandenen umfangreichen Burganlage<br />
wird der noch bis <strong>zum</strong> vierten Stockwerk aufragende<br />
Palas instandgesetzt. Eine Renovierung der<br />
Gesamtanlage wird angestrebt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 48 000,— DM Zuschuß)<br />
10. Metzingen, Kreis Reutlingen,<br />
Äußere Stadtkelter<br />
Metzingen besitzt ein einzigartiges Ensemble: sieben<br />
nebeneinanderstehende Keltern. Die älteste dieser Kel-<br />
120<br />
tern, die äußere Stadtkelter (16. Jahrhundert), wird als<br />
„Festkelter" ausgebaut. Der auf einem mangelhaften<br />
Fundament freiliegende Schwellenkranz muß erneuert<br />
werden. Zusätzliche Dachlasten erfordern eine Verstärkung<br />
der Pfetten. Um die ursprünglich offene Hallenkonstruktion<br />
von außen zu zeigen, wird die erforderliche<br />
neue Außenwand zurückgesetzt. Sie wird als Holzbohlenwand<br />
ausgeführt.<br />
(Stadtsanierung, 400 000,— DM Zuschuß)<br />
11. Pfullendorf, Kreis Sigmaringen,<br />
„Löwen", ehemaliges Kloster<br />
Der im 16. Jahrhundert als Schellenberger Hof gebaute<br />
„Löwen" befand sich baulich in einem äußerst desolaten<br />
Zustand, so daß bereits der Abbruch erwogen<br />
wurde. Im Inneren wird das Gebäude jetzt für Zwecke<br />
des Gymnasiums umgebaut. Freilegungsproben an den<br />
Stuckdecken ergaben, daß der Stuck wider Erwarten<br />
außerordentliche Qualität besitzt und möglicherweise<br />
Johann Jakob Schwarzmann zuzuschreiben ist. Das<br />
Äußere mit der vom Restaurator freigelegten Bemalung<br />
wird originalgetreu wieder hergestellt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 240 000— DM Zuschuß)<br />
12. Ravensburg,<br />
Burghaldentorkel<br />
Das Torkelgebäude, das den einzigen erhaltenen, bis<br />
ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Kelterbaum Ravensburgs<br />
beherbergt, wird instandgesetzt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 96 000,— DM Zuschuß)
DIE BURGRUINE MELCHINGEN.<br />
DIE ÄUSSERE STADTKELTER IN<br />
METZINGEN. Außen- und Innenansicht.<br />
DAS GASTHAUS ZUM LÖWEN IN<br />
PFULLENDORF.<br />
121
13. Ravensburg,<br />
Brunnenhaus<br />
Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Brunnenstube<br />
an der Schlierer Straße oberhalb der Altstadt mit ihrem<br />
charakteristischen Mönch-Nonnen-Dach wird instandgesetzt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 40 000,— DM Zuschuß)<br />
14. Ravensburg,<br />
Marktstraße 59<br />
Das Haus war seit dem 15. Jahrhundert die Zentrale<br />
der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, die mit<br />
ihren internationalen Handelsbeziehungen zu den<br />
größten derartigen Unternehmen Deutschlands im<br />
Spätmittelalter gehörte. Vorder- und Hinterhaus schließen<br />
einen Innenhof ein, auf den von der Marktstraße<br />
aus wahrscheinlich zwei nebeneinanderliegende Toreinfahrten<br />
führten. Hier, wie auch im Hinterhaus, ist noch<br />
spätgotische Bausubstanz erhalten geblieben, während<br />
die Obergeschosse des Hauptgebäudes im Barock völlig<br />
erneuert wurden. Die Durchfahrt wird zu einer Ladenpassage<br />
umgebaut, die auf das an den Hinterhof anschließende<br />
Gelände eines zukünftigen Kaufhauses<br />
führt. Die Obergeschosse werden gemäß heutigen<br />
Wohnansprüchen modernisiert. Der Erdgeschoßteil<br />
westlich der Toreinfahrt im Vorderhaus hat sich als<br />
Rest eines romanischen Steinhauses herausgestellt. Die<br />
Ausbauplanung konnte daraufhin auf die weitgehende<br />
Erhaltung dieses Bauteils umgestellt werden.<br />
(Stadtsanierung, 1 120 000 — DM Zuschuß)<br />
15. Riedlingen, Kreis Biberach,<br />
Mühltörle<br />
Umbau im Inneren des aus dem 15./16. Jahrhundert<br />
stammenden Gebäudes und Neubau (Kopie) des Erweiterungsbaues<br />
aus dem 19. Jahrhundert: spätere<br />
Nutzung als Wohngebäude (Appartements). Instandsetzung<br />
bzw. Freilegung und Ergänzung des Fachwerks.<br />
(Stadtsanierung, 380 000,— DM Zuschuß)<br />
16. Riedlingen, Kreis Biberach,<br />
ehemaliges Grassellisches Haus<br />
Von 1420 bis 1782 „Klause" der Seelschwestern; 16.<br />
Jahrhundert. Innenumbau für die Stadtverwaltung einschließlich<br />
Verbindungssteg in Fachwerkbauweise hinüber<br />
ins Rathaus; Außeninstandsetzung und Neudekkung<br />
des Daches.<br />
(Stadtsanierung, 280 000,— DM Zuschuß)<br />
17. Rosenfeld, Zollern-Alb-Kreis,<br />
Stadthaus<br />
Gegenüber dem Rathaus am ehemaligen Oberen Tor<br />
gelegen, repräsentiert das aus dem 16. Jahrhundert<br />
stammende Gebäude den Typus eines landesherrlichen<br />
Verwaltungshauses. Es wird gegenwärtig innen für<br />
Zwecke der Stadtverwaltung umgebaut. Außen wird<br />
das Fachwerk freigelegt.<br />
(Stadtsanierung, 243 680,— DM Zuschuß)
MARKTSTRASSE 59 IN RAVENS-<br />
BURG.<br />
DAS MÜHLTÖRLE IN RIEDLINGEN. t><br />
ROTTENBURG AM NECKAR. DIE<br />
„ALTE WELT".<br />
V<br />
18. Rottenbuig, Kreis Tübingen,<br />
Bmggasse 12, „Alte Welt"<br />
Aufgrund seines sehr schlechten baulichen Zustandes<br />
wurde 1973 das Gebäude „Alte Welt", ein in seinem<br />
Kern in das 16. Jahrhundert zurückgehender städtischer<br />
Adelssitz, im Denkmalverzeichnis gelöscht. Ein Abbruch<br />
schien unumgänglich (siehe Nachrichtenblatt 1/<br />
1974, Seite 13 ff.). Nachdem die Stadt Rottenburg das<br />
ehedem in Privathand befindliche Gebäude erworben<br />
hat, wird es gegenwärtig für Zwecke der Stadtverwaltung<br />
(Notariat etc.) im Innern umgebaut. Äußerlich<br />
müssen nur geringfügige Änderungen vorgenommen<br />
werden.<br />
(Stadtsanierung, 576 000,— DM Zuschuß)<br />
19. Saulgau, Kreis Sigmaringen,<br />
Schützenstiaße 7<br />
Seit Jahren bemüht sich das Landesdenkmalamt um die<br />
Instandsetzung des Hauses. Baugeschichte und Funktion<br />
dieses stattlichen, baulich aber sehr vernachläßigten<br />
Gebäudes sind unklar. Mit Sicherheit kann man die<br />
in der Literatur geäußerte Annahme ausschließen, daß<br />
es das ehemalige Spital sei, <strong>zum</strong>al es ganz eindeutig<br />
123
den Typus eines mittelalterlichen Bürger- oder Bauernhauses<br />
repräsentiert. Aufgrund seiner Größe und<br />
städtebaulich exponierten Lage am Marktplatz ist als<br />
Erbauer ein wohlhabendes Geschlecht zu vermuten.<br />
Vielleicht war es auch der Pfleghof eines Klosters. Für<br />
ein Spital jedenfalls gibt es baulich keine Anhaltspunkte.<br />
Auch die Datierung schwankt in der Literatur. Das <strong>zum</strong><br />
Teil schon vor der Instandsetzung sichtbare alemannische<br />
Fachwerk, die stark vorkragenden Obergeschosse<br />
und die Form des Krüppelwalmdaches mit den ursprünglich<br />
dem Rauchabzug dienenden Dreiecksöffnungen<br />
unter dem First verweisen das Haus stilgeschichtlich<br />
noch in das 14. Jahrhundert (vgl. Schoberhaus in<br />
Pfullendorf), obwohl sich derartige Haustypen noch<br />
bis <strong>zum</strong> 15. Jahrhundert gehalten haben. Genaueren<br />
Aufschluß über das Alter wird jedoch erst die dendrochronologische<br />
Untersuchung liefern.<br />
Im Verlauf der Bauarbeiten zeigte sich zur Überraschung<br />
aller, daß das weitgehend verputzte alemannische<br />
Fachwerk <strong>zum</strong> großen Teil trotz späterer Fenstereinbrüche<br />
und anderer Veränderungen erhalten bzw.<br />
einwandfrei anhand der sichtbaren Befunde rekonstruierbar<br />
ist. Auch gotische Fenstererker, Bohlenausfachungen,<br />
Bohlenwände und eine orginale Tür konnten gefunden<br />
werden. Ferner erwies sich der Dachstuhl mit<br />
Firstpfette und bis zur Traufhöhe durchlaufenden Firstsäulen<br />
bei näherer Untersuchung als baugeschichtlich<br />
hochinteressant. Beim Ausheben des Kellers wurden<br />
neben anderen Funden zahlreiche Scherben und ein<br />
vermauert in einer Nische stehender großer Tontopf<br />
geborgen. Angesichts der Bedeutung des Gebäudes hat<br />
sich das Landesdenkmalamt entschlossen, eine weitgehend<br />
ideale Rekonstruktion des ursprünglichen Bauzustandes<br />
vorzunehmen.<br />
(Stadtsanierung, 600 000,— DM Zuschuß)<br />
20. Tettnang, Bodenseekieis, Spital St. Johann<br />
Das barocke Gebäude wird innen ausgebaut und außen<br />
instandgesetzt.<br />
(Infrastruktur, 123 000,— DM Zuschuß)<br />
21. Tübingen, sogenannter Salzstadel<br />
Der in der Unterstadt bei der Jakobskirche gelegene<br />
spätmittelalterliche Salzstadel wird innen und außen<br />
instandgesetzt und zu einem Treffpunkt der Tübinger<br />
Vereine ausgebaut. Bemerkenswert die Abnahme des<br />
gesamten Fachwerkgiebels — ohne Zerlegung — während<br />
des Umbaues und das Wiedereinsetzen im neuen<br />
Dachstuhl.<br />
(Stadtsanierung, 584 000,— DM Zuschuß)<br />
22. Tübingen, Komhausstraße 2<br />
Das stattliche, im 16. Jahrhundert entstandene Gebäude<br />
wird für Geschäfts- und Wohnzwecke umgebaut. Eine<br />
Teilfreilegung des Fachwerks ist geplant. Beim Umbau<br />
wurden mehrere grob bearbeitete, steinerne Säulentrommeln<br />
unbekannter Zweckbestimmung gefunden.<br />
(Stadtsanierung, 404 000,— DM Zuschuß)<br />
23. Ulm, Fischeigasse 31<br />
Ehemaliges Fischerhaus an der Blau, städtebaulich und<br />
stadtgeschichtlich bedeutend. Fachwerkgebäude von<br />
großer Baumasse mit Holzwalradach und Rauchluken.<br />
Bauzeit 15. Jahrhundert, da das angeblattete Fachwerk<br />
124
125
durch Satzung der Stadt nach 1500 untersagt war. Straßenseitig<br />
vier Geschoßüberkragungen, flußseitig überkragende,<br />
verbretterte Geschoßvorbauten. Ehemals hohes,<br />
hallenartiges Erdgeschoß (Schiffbau-Werkstatt?) mit<br />
vier in Firstrichtung aufgereihten durchgehenden Ständern.<br />
Gesamtsanierung wegen Einsturzgefahr. Künftige<br />
Verwendung: Haus der Ulmer Fischerzunft mit Gaststätte,<br />
Zunft- und Fundusräumen, Pächterwohnung.<br />
(Stadtsanierung, 686 400,— DM Zuschuß)<br />
24. Überlingen, Bodenseekreis,<br />
Franziskaneikiiche<br />
Die 1348 geweihte ehemalige Klosterkirche wurde kurz<br />
nach der Mitte des 18. Jahrhunderts barockisiert. Der<br />
stark verschmutzte Innenraum mit seinem <strong>zum</strong> Teil<br />
absturzgefährdeten Wand- und Deckenstuck wird instandgesetzt.<br />
Dabei kann die ursprüngliche Farbfassung<br />
des Stucks weitgehend freigelegt werden, so daß die Farbigkeit<br />
des Innenraums nicht wie sonst üblich rekonstruiert<br />
werden muß, sondern den Originalzustand<br />
darstellt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 125 000,— DM Zuschuß)<br />
25. Überlingen, Bodenseekreis,<br />
Stadtmauer am Rosenobelgraben<br />
Der besonders gefährdete und teilweise eingestürzte<br />
Teil der Stadtmauer am Rosenobelgraben wird wieder<br />
hergestellt.<br />
(Infrastruktur — <strong>Denkmalpflege</strong>, 240000— DM Zuschuß)<br />
DIE FRANZISKANERKIRCHE IN<br />
UBERLINGEN.<br />
Konrad Freyer: Sonst immer, aber in diesem einen Fall .<br />
Alltagsszene aus der praktischen <strong>Denkmalpflege</strong><br />
Nein, sehr verehrter Herr Konservator, Sie wissen doch,<br />
wie sehr ich mich immer für die Baudenkmäler in unserer<br />
Gemeinde eingesetzt habe. Was haben wir nicht<br />
alles erreicht, denken Sie an die Renovierungsaktion<br />
anläßlich der Feuerwehrwoche vor zwei Jahren oder an<br />
den Abbruch des häßlichen Anbaus bei dem Anwesen<br />
an der Einmündung der Kreisstraße, seitdem der fehlt,<br />
ist doch nicht nur die Übersichtlichkeit verbessert, die<br />
ganze Ecke hat doch gewonnen. Oder gleich schräg gegenüber,<br />
wo wir das Haus mit der Tordurchfahrt wieder<br />
herrichten lassen konnten, dem Ortsbild ist das<br />
sehr zugute gekommen, es wird mir auch immer wieder<br />
bestätigt. Fachwerk schmückt ja sehr. Oder der<br />
Brunnen in der Oberen Straße, Sie wissen doch, Sie<br />
hatten uns noch einen alten Trog aus der Nachbargemeinde<br />
vermittelt (verständnisinniges Lächeln), die<br />
dort haben wirklich keinen Geschmack, wie konnten<br />
die sich so was aus der Nase gehen lassen. Neulich<br />
sprach ich übrigens mit dem Kollegen nochmal drüber,<br />
na ja, wenn der damals gewußt hätte, was man draus<br />
machen kann, wer weiß, heute würde er wohl nicht<br />
mehr drauf verzichten wollen, aber darüber müssen<br />
wir uns wohl klar sein, und ich bin ja auch nicht stehen<br />
geblieben, die Zeit hat sich eben weiterentwickelt, und<br />
man sieht heute manches anders wie noch vor einigen<br />
Jahren. Ich habe schon Verständnis dafür, und wir haben<br />
ja auch immer gut zusammengearbeitet. (Herzliches<br />
offenes Lachen, kurze Pause)<br />
Seitdem übrigens unser altes Rathaus ungenutzt steht,<br />
hat es uns nur Sorgen bereitet. (Luftholen)<br />
Sie wissen, hier haben Sie immer ein offenes Ohr für<br />
Ihre Vorstellungen gefunden, deswegen kann ich mich<br />
auch offen an Sie wenden — in diesem einen Fall müssen<br />
Sie zustimmen. (Wieder Pause)<br />
Ja, ich weiß, man könnte die Linienführung der Straße<br />
beim Ausbau der Ortsdurchfahrt auch verschieben, aber<br />
die Richtlinien können dann kaum eingehalten werden.<br />
Das Dach müßte sowieso gemacht werden, und<br />
das bei den vielen Verpflichtungen der Gemeinde. Der<br />
Wurm ist auch drin, und die Stufen knarren, ein paar<br />
sind sogar lose. Wir waren hier richtig froh, daß die<br />
Behörde das alte Ding überplant hat, wir hätten doch<br />
nur Ausgaben damit. Nein, die Vereine haben ja schon<br />
ihre Räume, und für die Feuerwehr ist im Neubau ja<br />
Platz genug. Neulich fehlte auch schon eine Scheibe,<br />
diesmal haben wir sie noch ersetzen lassen. Ich sage<br />
Ihnen, mit einem ungenutzten Gebäude hat man nur<br />
Sorgen, denken Sie nur an die Kinder. Deswegen, wir<br />
könnten anstelle des Hauses eine Anlage machen, den<br />
Gehweg verbreitern, ein paar Bänke aufstellen mit<br />
einer Spielecke. Eine richtige Zierde für den Ort könnte<br />
so eine Anlage sein. Die alte Sandsteintafel vom Eingang<br />
müßte natürlich restauriert werden, Sie können<br />
uns sicher jemanden benennen, der so was kann, Sie<br />
haben doch dafür einen Zuschuß? Ja, eigentlich sind<br />
wir wirklich froh, daß der Straßenbau das Haus brauchen<br />
kann. Ja, wie gesagt, Sie kennen meine Einstellung,<br />
was haben wir nicht schon alles für die <strong>Denkmalpflege</strong><br />
getan, aber in diesem einen Fall müssen Sie<br />
unsere Argumente mal verstehen, wir sind ja eine aufstrebende<br />
Gemeinde und mit so einem alten Rathaus?<br />
Das paßt eben einfach nicht mehr in die Zeit, außerdem,<br />
was wollen wir mit zwei Rathäusern? <strong>Denkmalpflege</strong><br />
ist sicher nötig, aber an ihrem Platz, man kann<br />
ja nicht jeden Gruscht erhalten. Und dann das Ortsbild!<br />
Wenn das Haus dann weg ist, wie schön man das<br />
dann machen kann, ein richtiges kleines Zentrum läßt<br />
sich ausbilden, unter Einbeziehung der Anlage. Haben<br />
Sie sich schon mal vorgestellt, wie dann der Blick auf<br />
das Haus dahinter fällt? Ich habe das untersuchen lassen,<br />
da ist auch Fachwerk drunter, das könnte man<br />
freilegen, wie das dann den Ortsmittelpunkt schmükken<br />
würde, das wird jedem gefallen, und die Verbesserung<br />
des Ortsbildes ist doch in erster Linie auch das<br />
Anliegen der <strong>Denkmalpflege</strong>, nicht wahr? Nun, Sie<br />
kennen ja meine Einstellung, aber hier kann man<br />
nichts mehr machen. Sie werden mir Recht geben, erst<br />
ohne das wirklich nicht mehr zeitgemäße alte Haus —<br />
da ist ja auch gar nichts mehr zu sanieren — werden<br />
die umliegenden Häuser richtig wirken. Der Verkehr<br />
fordert eben sein Recht, und es kommt heute mehr<br />
denn je auf eine übersichtliche Führung der Verkehrswege<br />
an, wir fahren ja nicht mehr mit der Postkutsche,<br />
und Parkplätze brauchen wir schließlich auch, Sie fahren<br />
ja doch auch und können das beurteilen. Also, wie<br />
gesagt, sonst immer, aber in diesem einen Fall müssen<br />
Sie mir zustimmen, bedenken Sie, daß ...<br />
Sind Sie, verehrter Leser, schon weich?<br />
Dipl.-lng. Konrad T-ieyer<br />
LDA • Bau- und Kunstdcnkmalpflege<br />
Karlstraße 47<br />
7500 Karlsruhe 1<br />
127
Hartwig Zürn: Das Verwaltungsgericht entscheidet<br />
Zum Kastell Köngen<br />
Seit geraumer Zeit beschäftigt Grinario, das römische<br />
Kastell Köngen, nicht nur Archäologen, <strong>Denkmalpflege</strong>r,<br />
Heimatfreunde und die Gemeinde Köngen, sondern<br />
auch die Gerichte. Was geht hier vor?<br />
Als vor rund fünfzehn Jahren, am 20. November 1961,<br />
in Köngen auf einer Gemeinderatssitzung die Bebauung<br />
der Fluren „Burg" und „Ob dem Altenberg", auf<br />
denen das Kastell einschließlich des zugehörigen Vicus<br />
liegt, debattiert wurde, vertrat die <strong>Denkmalpflege</strong> den<br />
Standpunkt, wenigstens das eigentliche Kastellgelände<br />
sollte von der Bebauung ausgespart werden. Das Denkmalamt<br />
hatte dafür berechtigte Gründe, war doch das<br />
Kastell Köngen — durch seine markante Lage ein Mu-<br />
sterbeispiel par excellence — das einzige am gesamten<br />
Neckarlimes, das noch nicht überbaut war und von dem<br />
noch der römische Name bekannt ist. Das Kastell Köngen<br />
war ein wichtiger Punkt in der Gesamtplanung des<br />
Denkmalamtes, aus der römischen Geschichte des Landes<br />
einige hervorragende Objekte sicherzustellen. Zu<br />
diesen Punkten gehören unter anderem auch das Kastell<br />
Welzheim am obergermanischen Limes und das Kastell<br />
Buch bei Aalen am rätischen Limes, beide durch einen<br />
archäologischen Wanderweg miteinander verbunden.<br />
Dank der Einsicht der Gemeinde Welzheim und des<br />
Landkreises Ostalbkreis (damals Aalen) ist es gelungen,<br />
beide Kastelle zu erhalten.<br />
1 KASTELL UND LAGERDORF<br />
KÖNGEN.<br />
Das Kastell Köngen wurde um 85 n. Chr.<br />
gegründet und war mit den gleichzeitig<br />
ungelegten Neckarkastellen durch eine<br />
Straße, den sogenannten Neckarlimes,<br />
verbunden. Die Besatzung des Kastells,<br />
ein gemischter Verband aus Infanterie<br />
und Kavallerie, hatte den Anschluß des<br />
Neckarlimes an den Alblimes zu überwachen.<br />
Von der Kastellhöhe aus konnten<br />
Neckar- und Lautertal weithin eingesehen<br />
werden. Diese Funktion des<br />
Kastells ging auf das ehemalige Lagerdorf<br />
über, als die Kastellbesatzung wahrscheinlich<br />
um 150 n.Chr. nach Lorch<br />
vorverlegt wurde. Das Dorf entwickelte<br />
sich aufgrund seiner günstigen Verkehrslage<br />
an der Verbindungsstraße vom<br />
Rhein zur Donau zu einer blühenden<br />
Siedlung, die verwaltungsmäßig <strong>zum</strong><br />
Gau von Rottenburg gehörte.<br />
Bereits 1783/84 wurde in Köngen <strong>zum</strong><br />
erstenmal gegraben, wobei die Straßen<br />
nach Cannstatt und Rottenburg und<br />
eine dritte Straße in nordwestlicher Richtung<br />
festgestellt wurden. An zahlreichen<br />
Stellen wurden Gebäude des Lagerdorfes<br />
und der späteren Siedlung angeschnitten.<br />
1843/44 und 1882 fanden weitere<br />
Ausgrabungen statt. 1885 wurde das<br />
Kastell entdeckt, in dem dann 1896<br />
im Auftrag der Reichslimeskommission<br />
archäologische Untersuchungen vorgenommen<br />
wurden. Die von Esslinger<br />
Altertumsfreunden 1886187 begonnene<br />
Rekonstruktion der südlichen Lagerecke<br />
wurde 1911 vom Schwäbischen Albverein<br />
abgeschlossen.<br />
Heute ist das Kastell Köngen das einzige<br />
nicht überbaute Kastell des Neckarlimes.<br />
128
2 DIE RESTAURIERTE SUDECKE DES RÖMISCHEN KASTELLS KÖNGEN.<br />
In der Angelegenheit Köngen unterstützte das Regierungspräsidium<br />
Stuttgart die Bemühungen des Denkmalamtes<br />
und lehnte einen inzwischen eingereichten<br />
Flächennutzungsplan, soweit er das Kastellgelände für<br />
die Uberbauung vorsah, ab. Ein von der Gemeinde daraufhin<br />
veranlaßter Entscheid des Verwaltungsgerichtes<br />
Stuttgart vom 16. April 1970 gab der Gemeinde Köngen<br />
zunächst recht.<br />
Das Urteil basierte auf dem Bundesbaugesetz (ein Denkmalschutzgesetz<br />
gab es damals noch nicht), und das Verwaltungsgericht<br />
war der Ansicht, daß das Regierungspräsidium<br />
zu Unrecht die denkmalpflegerischen Interessen<br />
als „öffentliche Belange" im Sinne des § 1 Abs. 4 und 5<br />
dieses Gesetzes gewertet habe. Leider war das Denkmalamt<br />
zu der Verhandlung nicht geladen.<br />
Das Regierungspräsidium legte gegen den Entscheid Berufung<br />
ein. Daraufhin fand eine erneute Verhandlung,<br />
am 22. März 1973 vor dem Verwaltungsgerichtshof<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> in Mannheim, statt. Das Gericht<br />
machte sich die Mühe, die Situation des römischen<br />
Kastells im Gelände selbst zu überprüfen. Diesmal war<br />
auch die <strong>Denkmalpflege</strong> zur Verhandlung geladen. Der<br />
Verwaltungsgerichtshof stimmte den Argumenten der<br />
<strong>Denkmalpflege</strong> zu und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts<br />
Stuttgart vom 16. April 1970 auf.<br />
Das Urteil der Mannheimer Richter ist sehr ausführlich<br />
begründet und deswegen von grundsätzlicher Bedeutung.<br />
Besonders die Interpretation des Begriffes „kulturelles<br />
Bedürfnis" macht es für die <strong>Denkmalpflege</strong> gewichtig.<br />
Bemerkenswert ist auch, daß sich das Urteil<br />
ebenfalls nur auf das Bundesbaugesetz stützt.<br />
Aus dem Urteil sei folgender Absatz zitiert: „Das Interesse<br />
der Öffentlichkeit, das Kastellgelände und die im<br />
Boden verborgenen Uberreste des ehemaligen römischen<br />
Lagers für (heimat-)geschichtliche und archäolo-<br />
gische Zwecke zu erhalten, gehört im Sinne des § 1 Abs. 4<br />
S. 1 Bundesbaugesetz zu den kulturellen Bedürfnissen<br />
der Bevölkerung, nach denen sich die Bauleitpläne kraft<br />
gesetzlicher Vorschrift zu richten haben. Der Begriff der<br />
,kulturellen Bedürfnisse' umfaßt nicht nur das Interesse<br />
der Bevölkerung an kulturellen Einrichtungen (Anlagen<br />
für kulturelle Zwecke), wie sie dem menschlichen<br />
Wohnen oder den Städten im ganzen zugeordnet zu<br />
sein pflegen (Schulen, Büchereien, Museen, Theater),<br />
sondern nach Auffassung des Senats auch das Interesse<br />
daran, bestimmte Flächen ihrer (heimat-) geschichtlichen<br />
und archäologischen Bedeutung wegen von Bebauung<br />
freizuhalten."<br />
Und weiter heißt es in dem Urteil: „Gegenüber diesen<br />
besonders gewichtigen kulturellen Bedürfnissen hat der<br />
öffentliche Belang, das Kastellgelände für eine Wohnfläche<br />
zu gewinnen, ein ganz erheblich geringeres Gewicht."<br />
Eine Revision an das Bundesverwaltungsgericht war<br />
nicht zugelassen, lediglich die Nichtzulassung der Revision<br />
konnte angefochten werden. Dies geschah auch<br />
durch die Gemeinde Köngen, wurde aber durch das<br />
Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 3. Juli<br />
1973 zurückgewiesen.<br />
Mit Verfügung vom 6. August 1974 ordnete das Regierungspräsidium<br />
Stuttgart die Eintragung des Kastells in<br />
das Denkmalbuch an aufgrund des Denkmalschutzgesetzes<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> § 12. Gegen die Eintragung<br />
erhob nun die Gemeinde nebst weiteren Grundbesitzern<br />
im Bereich des Kastells Köngen Anfechtungsklage.<br />
Uber diese wurde am 17. Dezember 1975 wiederum<br />
vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart verhandelt.<br />
Auch jetzt überzeugte sich das Gericht im Gelände<br />
des Kastells selbst von der Situation, und das Denkmalamt<br />
war zur Verhandlung geladen.<br />
129
Die Gemeinde Köngen und die anderen Kläger brachten<br />
vor, es handle sich bei dem Kastell nicht um ein Kulturdenkmal.<br />
Die Aussagen der <strong>Denkmalpflege</strong>, daß im Bereich<br />
des ehemaligen Kastells noch dessen Reste im Boden<br />
lägen, wurden angezweifelt und als Spekulation<br />
und Vermutung bezeichnet. Es fehle die Voraussetzung,<br />
daß ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung vorliege,<br />
die eine Eintragung in das Denkmalbuch rechtfertige.<br />
Auch sei anzuzweifeln, daß es sich hier um ein<br />
Denkmal von „öffentlichem Interesse" handle, eine<br />
Frage, die bereits durch den Verwaltungsgerichtshof<br />
Mannheim im Urteil vom 22. März 1973 positiv für das<br />
Kastell entschieden worden war.<br />
Das Verwaltungsgericht entschied: „Die Eintragung des<br />
ehemaligen Römerkastells ,Grinario' in das Denkmalbuch<br />
ist rechtskräftig", ferner: „Das ehemalige Römerkastell<br />
,Grinario' ist ein Kulturdenkmal im Sinne von<br />
§ 2 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz". In den Erläuterungen,<br />
die das Stuttgarter Verwaltungsgericht zu seinem<br />
Urteil abgab, wurde festgestellt: „Es kann keinem Zweifel<br />
unterliegen und ist nach den vorliegenden Veröffentlichungen<br />
offenkundig, daß in dem vom Regierungspräsidium<br />
festgelegten Schutzbereich Uberreste des Kastells<br />
im Boden vorhanden sind." Damit ist für das Gericht<br />
die Voraussetzung gegeben, daß das Kastell als „einheitliches<br />
Kulturdenkmal" anzusehen ist. Im Boden liegende<br />
Denkmäler sind dadurch eindeutig solchen über<br />
dem Boden vor dem Gesetz gleichgestellt, eine gerade<br />
für die Bodendenkmalpflege äußerst wichtige Feststellung,<br />
da in der Öffentlichkeit vielfach nur das als Denkmal<br />
akzeptiert wird, von dem man oberirdisch noch<br />
Reste sieht.<br />
Das von den Klägern bestrittene „öffentliche Interesse"<br />
wird vom Verwaltungsgericht erneut bestätigt: „Im vorliegenden<br />
Falle besteht an der Erhaltung der Uberreste<br />
des Römerkastells ,Grinario' aus wissenschaftlichen und<br />
heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse."<br />
Das Gericht befaßt sich ausführlich zunächst mit<br />
den „wissenschaftlichen Gründen", die für die Erhaltung<br />
des Kastells sprechen. Seitens der Kläger wurde<br />
eingewandt, es sollten jetzt eben Grabungen stattfinden,<br />
dann könne das Gelände für die Bebauung freigegeben<br />
werden. Dazu stellt das Gericht fest: „Daß in absehbarer<br />
Zeit auch tatsächlich neue Grabungen stattfinden sollen<br />
oder können, ist nach Auffassung der Kammer nicht<br />
erforderlich. Der Zeitpunkt der Erforschung muß dem<br />
Ermessen der Denkmalschutzbehörden überlassen bleiben."<br />
Äußerst gewichtig sind die Feststellungen des Gerichts<br />
zu der Frage, ob auch aus heimatgeschichtlichen Gründen<br />
an der Erhaltung des Kastells ein öffentliches Interesse<br />
besteht. Die Erläuterungen, die das Gericht dazu<br />
gibt, erscheinen uns so wesentlich, daß der ganze Absatz<br />
im Urteil wiedergegeben sei: „Jedenfalls kommt den<br />
Uberresten eines Römerkastells diese Bedeutung zu,<br />
denn an sie kann das historische Bewußtsein der Bevölkerung<br />
eines bestimmten Gebietes (,Heimat') für eine<br />
bestimmte geschichtliche Epoche dieses Gebietes anknüpfen.<br />
Unerheblich ist dabei, daß — wie hier — originale<br />
Uberreste des Kastells derzeit nicht sichtbar sind.<br />
Es genügt die Kenntnis, daß bestimmte Uberreste im<br />
Boden vorhanden sind, aus denen Lage und Form des<br />
Kastells abzulesen sind. Es kommt schließlich auch nicht<br />
darauf an, ob und in welchem Maße diese Kenntnis bei<br />
der einheimischen' Bevölkerung verbreitet ist oder gefördert<br />
wird. Entscheidend ist, daß die Kenntnis der in<br />
Köngen an Ort und Stelle vorhandenen Uberreste —<br />
zusammen mit der landschaftlichen Situation, der vom<br />
Schwäbischen Albverein 1911 rekonstruierten Kastellsüdecke<br />
und ,beweglichen' Funden — der Bevölkerung<br />
einen Begriff der Römerzeit in <strong>Württemberg</strong> geben<br />
k ö n r e n".<br />
Aufgrund weiterer ausführlicher Begründungen kommt<br />
das Gericht zu dem Schluß: „Die Uberreste des Kastells<br />
,Grinario' sind ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung<br />
im Sinne von § 12 Denkmalschutzgesetz",<br />
ferner: „Den relativ unversehrten Uberresten des Kastells<br />
Köngen kommt damit die Bedeutung eines seltenen<br />
Forschungsobjektes und Lehrbeispiels zu."<br />
In einem Schlußabsatz kommt das Gericht noch auf die<br />
Pflichten der Denkmalschutzbehörden zu sprechen. Es<br />
heißt hier: „Ob ein Kulturdenkmal von besonderer<br />
Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen wird, steht<br />
nicht im Ermessen der Denkmalschutzbehörden. Nach<br />
Wortlaut und Zweck der Vorschriften über die Eintragung<br />
.. . handelt es sich vielmehr bei der Eintragung<br />
bzw. bei der die Eintragung anordnenden Verfügung<br />
um eine Amtshandlung, zu der das Regierungspräsidium<br />
als höhere Denkmalschutzbehörde ... bei Vorliegen<br />
der Voraussetzungen verpflichtet ist. Für eine Abwägung<br />
widerstreitender öffentlicher und privater Interessen<br />
ist daher bei der Entscheidung über die Eintragung<br />
kein Raum."<br />
Gerade diese Feststellung des Gerichts scheint von ganz<br />
entscheidender Bedeutung, denn sie weist das Denkmalamt<br />
und die Denkmalschutzbehörden klar und deutlich<br />
auf ihre Pflichten hin. Das Denkmalamt hat ganz allein<br />
die Interessen des Denkmals zu vertreten, und wenn<br />
festgestellt ist, daß es sich um ein Denkmal nach § 2<br />
des Denkmalschutzgesetzes handelt, hat es alles zu tun,<br />
um dieses zu schützen, und ist dazu nach Gesetz verpflichtet.<br />
Die Eintragung eines Denkmals ist nicht davon<br />
abhängig, ob private Interessen der Eintragung entgegenstehen.<br />
Wenn aber ein als Denkmal festgestelltes<br />
Objekt aus irgendwelchen gewichtigen Gründen trotzdem<br />
geopfert werden soll, so kann es niemals Aufgabe<br />
des Denkmalamtes sein, sich gegen das Denkmal zu<br />
entscheiden, sondern es liegt in der Verantwortung der<br />
Denkmalschutzbehörden, meist des Regierungspräsidiums<br />
als höherer Denkmalschutzbehörde, nach sorgfältigster<br />
Abwägung aller Gründe eine Entscheidung<br />
für oder gegen das Denkmal zu treffen.<br />
Die <strong>Denkmalpflege</strong> ist für diese Entscheidungen und<br />
Äußerungen der Gerichte sehr dankbar, denn durch sie<br />
werden viele Unklarheiten, die immer noch in der<br />
Öffentlichkeit bestehen, beseitigt. Die Köngener Urteile<br />
haben somit weit über das Kastell hinaus, das der Anlaß<br />
war, für die <strong>Denkmalpflege</strong> grundsätzliche Bedeutung.<br />
Dr. Hartwig Zürn<br />
LDA • Bodendenkmalpflege<br />
Schillerplatz 1<br />
7000 Stuttgart 1<br />
130
Personalia<br />
Mitteilungen<br />
Artur Hassler f<br />
Am 1. April 1976 starb Artur Hassler<br />
an den Folgen eines Verkehrsunfalles.<br />
Im 68. Lebensjahr stehend wurde er<br />
aus den Vorbereitungen zu einer Ausstellung<br />
anläßlich der 1000-Jahr-Feier<br />
der Stadt Bruchsal herausgerissen.<br />
Artur Hasslers Lebenswerk ist mit dem<br />
Wiederaufbau des Bruchsaler Schlosses<br />
untrennbar verbunden. Ihm widmete<br />
der ehemals freie Architekt seine<br />
ganze Arbeitskraft. Bereits zu einem<br />
Zeitpunkt, als der Wiederaufbau keineswegs<br />
beschlossene Sache war, setzte<br />
Hassler sich für die Sicherung der Ruinen<br />
ein. Durch seinen Eintritt in das<br />
Staatliche Hochbauamt Karlsruhe,<br />
Außenstelle Bruchsal, erhielt er die<br />
Möglichkeit, über ein Jahrzehnt hinweg<br />
den Wiederaufbau maßgeblich<br />
mitzugestalten. Mit unermüdlichem<br />
Eifer und kaum zu überbietender Akribie<br />
widmete er sich dieser Aufgabe.<br />
Dabei war ihm vor allem daran gelegen,<br />
sowohl im Material als auch in<br />
der Ausführung der Arbeiten die größtmögliche<br />
Originaltreue zu erreichen.<br />
Die Wiedereröffnung des Schlosses am<br />
28. Februar 1975, 30 Jahre nach der<br />
Zerstörung, war ein Höhepunkt in<br />
seinem Leben. Leider war es ihm nicht<br />
mehr vergönnt, auch noch die Fertigstellung<br />
der Dokumentation <strong>zum</strong> Wiederaufbau,<br />
an der er mitarbeitete, zu<br />
erleben.<br />
Neben seiner selbstgestellten Hauptaufgabe<br />
widmete er sich schon früh<br />
der Geschichte seiner Heimatstadt<br />
Bruchsal. Er war es, der kurz nach dem<br />
Kriege, als allenthalben das Augenmerk<br />
fast ausschließlich auf die Beseitigung<br />
der Kriegsschäden gerichtet war,<br />
beim Wiederaufbau der Stiftskirche<br />
Unserer Lieben Frau baugeschichtliche<br />
Beobachtungen sammelte und durch<br />
die Aufzeichnung aller Bodeneingriffe<br />
das Material zusammentrug, das es<br />
uns heute erlaubt, eine Darstellung<br />
von der Entwicklung dieses Baues zu<br />
schreiben.<br />
Bedeutenden Raum in den historischen<br />
Studien Artur Hasslers nahm<br />
die Suche nach dem Standort des<br />
Bruchsaler Königshofes ein. Keine<br />
Baugrube im Stadtkern Bruchsals, die<br />
er nicht beobachtete und gegebenenfalls<br />
zeichnerisch aufnahm — was ihm<br />
bei Behörden und Bauherren nicht nur<br />
Beifall eintrug. Durch die Vielzahl seiner<br />
Beobachtungen wurde die Diskussion<br />
um den Standort des Königshofes<br />
ein gutes Stück weitergebracht, wenn<br />
es ihm auch nicht mehr gelang, sein<br />
Wissen in einer abgerundeten Darstellung<br />
zusammenzufassen.<br />
Mit Artur Hassler verliert die <strong>Denkmalpflege</strong><br />
einen engagiertenMitstreiter,<br />
der neben seinem Enthusiasmus stets<br />
auch heiteren Schwung in jedes Gespräch<br />
einbrachte und dadurch mancher<br />
notwendigen Auseinandersetzung<br />
ihre Schärfe nahm. Die schönste Ehrung<br />
seines Andenkens wäre es, wenn<br />
es gelänge, seine Aufzeichnungen zur<br />
Geschichte von Schloß und Stadt Bruchsal<br />
zu publizieren.<br />
Hans Huth/Dietrich Lutz<br />
Zum Kauf angebotenes<br />
Denkmalobjekt<br />
Für die „Obere Mühle" am nordöstlichen<br />
Stadtrand von Trossingen (Kreis<br />
Tuttlingen|, einen dreistöckigen verputzten<br />
Fachwerkbau des 18. Jahrhunderts<br />
mit einer Fassadengestaltung des<br />
19. Jahrhunderts, wird ein neuer Eigentümer<br />
gesucht, der das im Landschaftsschutzgebiet<br />
liegende Anwesen<br />
vor dem Verfall bewahren möchte.<br />
Zum Mühlengebäude mit ca. 13 m<br />
auf 14 m Grundfläche gehören noch<br />
ein landwirtschaftliches Gebäude und<br />
ein Gelände von 30 bis 50 Ar.<br />
Interessenten möchten sich bitte an<br />
das Landesdenkmalamt, Außenstelle<br />
Freiburg, Colombistraße 4, 7800 Freiburg,<br />
wenden.<br />
Wangen im Allgäu:<br />
Altstadt unter Denkmalschutz<br />
Uber die Wangener Altstadt und die<br />
denkmalpflegerischen Bemühungen<br />
um deren Erhaltung wurde im Nachrichtenblatt<br />
3/1974 Seite 18 ff. bereits<br />
ausführlich berichtet. Die konsequente<br />
Einstellung der Stadt zugunsten der<br />
Wahrung des Altstadtbildes hat nun<br />
auch darin ihren Ausdruck gefunden,<br />
daß der gesamte Altstadtbereich mit<br />
rund zweihundert Gebäuden als Gesamtanlage<br />
nach § 19 Denkmalschutzgesetz<br />
durch eine Rechtsverordnung<br />
des Regierungspräsidiums Tübingen<br />
vom 22. März 1976 unter Denkmalschutz<br />
gestellt werden konnte.<br />
Geschützt wird das im Mittelalter entstandene<br />
und in seinem Charakter erhalten<br />
gebliebene sowie in seiner historischen<br />
Abgrenzung noch heute klar<br />
erkennbare Ortsbild der ehemaligen<br />
oberschwäbischen Reichsstadt. Das Erscheinungsbild<br />
der Gesamtanlage wird<br />
geprägt vom Zusammenwirken der<br />
Grundrißgestalt der Plätze, Straßen<br />
und Gassen mit den Fassaden und der<br />
Dachlandschaft der überwiegend aus<br />
derZeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert<br />
stammenden Gebäude. An<br />
dem Grundriß der Altstadt lassen sich<br />
noch heute die einzelnen Phasen des<br />
Stadtwachstums, insbesondere die Er-<br />
131
Weiterung der Oberstadt durch die<br />
Unterstadt im frühen 15. Jahrhundert,<br />
deutlich erkennen,<br />
Veränderungen an dem geschützten<br />
Bild der Gesamtanlage sind genehmigungspflichtig,<br />
insbesondere:<br />
1. die Errichtung und der Abbruch baulicher<br />
Anlagen sowie anderer Anlagen<br />
oder Errichtungen im Sinne der Landesbauordnung;<br />
das gleiche gilt für<br />
Maßnahmen, die der Errichtung und<br />
dem Abbruch gleichgestellt sind (z. B.<br />
Umbauten und Änderungen der Nutzung!;<br />
2. die Neuanlage oder wesentliche<br />
Oberflächenveränderung von Straßen,<br />
Wegen oder Plätzen und das Verlegen<br />
von oberirdischen Leitungen aller Art<br />
sowie das Aufstellen von Masten und<br />
Unterstützungen, mit Aufnahme von<br />
Unterhaltungsmaßnahmeii;<br />
3. die Errichtung und Veränderung von<br />
Werbeanlagen.<br />
Wanderausstellung<br />
der Bodendenkmalpflege<br />
Bereits mehrfach wurde im Nachrichtenblatt<br />
über die Wanderausstellung<br />
„Pro Archaeologia" berichtet, die die<br />
Öffentlichkeit über die Arbeit der Abteilung<br />
Bodendenkmalpflege des Landesdenkmalamtes<br />
informieren soll.<br />
Die Ausstellung, die seit dem Denkmalschutzjahr<br />
1975 durch <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
wandert, kann besichtigt<br />
werden<br />
vom 24. September bis <strong>zum</strong> 17. Oktober<br />
1976 in Lahr,<br />
vom 22. Oktober bis <strong>zum</strong> 14. November<br />
1976 in Oberndorf am Neckar,<br />
vom 19. November bis <strong>zum</strong> 12. Dezember<br />
1976 in Nagold,<br />
vom 17. Dezember 1976 bis <strong>zum</strong><br />
9. Januar 1977 in Weil am Rhein.<br />
Ausstellung;<br />
Straße und Platz<br />
Unter dem Titel „Straße und Platz -<br />
Das Gesicht unserer Stadt, Gestaltung<br />
und Funktion" hat der Heidelberger<br />
Kunstverein in Zusammenarbeit mit<br />
dem Bund Deutscher Architekten,<br />
Kreisgruppe Heidelberg, und den Städtischen<br />
Kunstsammlungen Ludwigshafen<br />
eine Ausstellung zusammengestellt,<br />
die<br />
vom 22. August bis 11. September 1976<br />
in Gaggenau,<br />
vom 18. September bis <strong>zum</strong> 15. Oktober<br />
1976 in Ellwangen,<br />
vom 17. Oktober bis <strong>zum</strong> 15. November<br />
1976 in Viernheim<br />
zu sehen sein wird.<br />
Gezeigt werden in zahlreichen Bildtafeln<br />
am Beispiel der Stadt Heidelberg,<br />
welche Wirkung die Faktoren<br />
Straße und Platz für das Bild einer<br />
Stadt haben.<br />
Zu der Ausstellung ist ein reich bebilderter<br />
92seitiger Katalog erschienen,<br />
der am jeweiligen Ausstellungsort und<br />
beim Heidelberger Kunstverein, Hauptstraße<br />
97, 6900 Heidelberg 1, <strong>zum</strong> Preis<br />
von 8,— DM erhältlich ist.<br />
Quellennachweis<br />
für die Abbildungen<br />
(Die Zahlenangaben verweisen<br />
auf die Seiten)<br />
132<br />
Fotoaufnahmen<br />
stellten zur Verfügung:<br />
LDA-Karlsruhe 90—93<br />
(Fotos Dr. H. Hell, Reutlingen);<br />
LDA-Stuttgart Titelbild (Foto<br />
K. Natter, Stuttgart), 113—116, 129;<br />
LDA-Tübingen 87-89, 94, 105<br />
Abbildung 5,106,117,119, 126;<br />
95 Abbildung 3,96-98, 101,110, 122<br />
(sämtliche Fotos G. Bock,<br />
Oberopfingen);<br />
99 Abbildung 11 (FotoK. Buchmüller);<br />
95 Abbildung 4, 104, 105 Abbildung 6,<br />
107-109,118,120,121,124,125<br />
(sämtliche Fotos Dr. H. Hell,<br />
Reutlingen);<br />
99 Abbildung 12 (Foto Fürstl. Verwaltung<br />
Wolf egg);<br />
123 unten (Foto G. Maier, Hirschau);<br />
123 oben (Foto W. Müller, Stuttgart)<br />
Die gezeichneten Vorlagen lieferten:<br />
Prof. J. G. Schmid, Biberach 102/103,<br />
III)<br />
LDA-Karlsruhe 91;<br />
LDA-Stuttgart 112, 128;<br />
LDA-Tübingen 106, 108 (Zeichnungen<br />
Prof. J. G. Schmid, Biberach)
Die Dienststellen des Landesdenkmalamtes<br />
Als einer der im Denkmalscbutzgesetz § 3 Abs. 1 benannten Denlunalscbutzhehöiden fällt dem Landesdenkmalamt<br />
BW die vom Gesetz in §1 definierte Aufgabe zu, Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen, insbesondere<br />
den Zustand der Kulturdenkmale zu überwachen sowie auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung<br />
von Kulturdenkmalen hinzuwirken. Im Rahmen dieser Verpflichtung steht im Vordergrund die Pflege der<br />
Kulturdenkmale, die von den fachlidi geschulten Konservatoren des Landesdenkmalamtes besorgt wird. Im Zusammenhang<br />
damit hat das Denkmalamt im wesentlichen auch die in § 6 DSchG festgestellte Pflicht des Landes<br />
zu erfüllen, Maßnahmen zur Erhaltung und Pflege von Kulturdenkmalen nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden<br />
Haushaltsmittel durch die Hergabe von Zuschüssen zu fördern und zu unterstützen.<br />
Beides, pflegerische Tätigkeit und Zuschußwesen, bedingt einen engen, meist persönlichen Kontakt zwischen dem<br />
Landesdenkmalamt und den Eigentümern der betroffenen Denkmale. Diese unerläßliche Verbindung zu intensivieren,<br />
wurde das Denkmalamt zwar zentral organisiert, nicht aber an einem Ort installiert. Es wurden vier<br />
Dienststellen eingerichtet, deren jede einen bestimmten der einstweilen von den Grenzen der Regierungspräsidien<br />
umrissenen vier Landesteile verantwortlich zu betreuen hat. Alle Fragen in Sachen der <strong>Denkmalpflege</strong> und des<br />
Zuschußwesens sind entsprechend bei der für den jeweiligen Regierungsbezirk zuständigen Dienststelle des LDA<br />
vorzutragen.<br />
Zentralstelle Stuttgart<br />
Amtsleitung und Verwaltung<br />
(zuständig für den<br />
Regierungsbezirk Stuttgart)<br />
Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />
Eugenstraße 3<br />
7000 Stuttgart 1<br />
Telefon (07 11) 2 12/52 73<br />
Archäologie des Mittelalters<br />
Teckstraße 56<br />
7000 Stuttgart 1<br />
Telefon (07 11) 28 01 01 / App. 64<br />
Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />
Schillerplatz I<br />
7000 Stuttgart 1<br />
Telefon (07 11) 21 93/29 80<br />
Volkskunde (Württ. Landesstelle)<br />
Alexanderstraße 9A<br />
7000 Stuttgart 1<br />
Telefon (07 11) 2 12/52 90<br />
Außenstelle Freiburg<br />
(zuständig für den<br />
Regierungsbezirk Freiburg)<br />
Außenstelle Karlsruhe<br />
(zuständig für den<br />
Regierungsbezirk Karlsruhe)<br />
Dienststellenleitung und<br />
Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />
Colombistraße 4<br />
7800 Freiburg i. Br.<br />
Telefon (07 61)3 19 39<br />
Dienststellenleitung<br />
und sämtliche Abteilungen<br />
Karlstraße 47<br />
7500 Karlsruhe<br />
Telefon (07 21) 2 62 79 und 2 98 66<br />
Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />
Adelhauserstraße 33<br />
7800 Freiburg i. Br.<br />
Telefon (07 61)3 27 19<br />
Volkskunde (Badische Landesstelle)<br />
Schwaighofstraße 13<br />
7800 Freiburg i. Br.<br />
Telefon (07 61)7 4011<br />
Außenstelle Tübingen<br />
(zuständig für den<br />
Regierungsbezirk Tübingen)<br />
Dienststellenleitung und<br />
Abt. I (Bau- u. Kunstdenkmalpflege)<br />
Hauptstraße 50<br />
7400 Tübingen-Bebenhausen<br />
Telefon (0 70 71) 6 20 11 und 6 20 12<br />
Abt. II (Bodendenkmalpflege)<br />
Schloß/Fünfeck türm<br />
7400 Tübingen<br />
Telefon (0 70 71)2 29 90
E6594 FX<br />
DENKMALPFLEGE<br />
IN BADEN-WÜRTTEMBERG<br />
Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes<br />
<strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Eugenstraße 3, 7000 Stuttgart 1<br />
3/1976 5. Jahrgang Juli—September 1976<br />
Veröffentlichungen des Landesdenkmalamtes<br />
Die <strong>Denkmalpflege</strong> bat seit jeher auch einen wissenschaftlichen Auftrag zu erfüllen, nidit nur, indem sie wissenschaftlichi<br />
Erkenntnisse vielfältigster Art hei der praktischen Betreuung der Kulturdenkmale anwendet, sondern vor allem dar', wo sie<br />
selbst Grundlagenforsdiung treibt. Das ist in erster Linie bei der Herausgabe wissenschaftlicher Inventare der Kulturdenk<br />
male der Fall, aber auch in zahlreichen Einzeluntersuchungen, die vornehmlich bestimmten Themen, einzelnen Monumen<br />
ten und deren Restaurierung oder den archäologischen Ergebnissen der vom Landesdenkmalamt durchgeführten Ausgrabun<br />
gen gewidmet sind. Die verschiedenen Spanen der <strong>Denkmalpflege</strong> geben diese Publikationen in eigenen fachbezogenen Rei<br />
hen heraus. Sämtliche Veröffentlichungen können durch den Buchhandel bezogen werden.<br />
Forschungen und Berichte<br />
der Bau- und Kunstdenkmalpflege<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Deutscher Kunstverlag<br />
Band 1 Peter Breitling • Hans Detlev<br />
Kammeier ■ Gerhard Loch<br />
Tübingen<br />
Erhaltende Erneuerung<br />
eines Stadtkerns<br />
München/Berlin 1971<br />
Band 2 Reinhard Lieske<br />
Protestantische Frömmigkeit<br />
im Spiegel<br />
der kirchlichen Kunst<br />
des Herzogtums <strong>Württemberg</strong><br />
München/Berlin 1973<br />
Band 3 Stadtkern Rottweil<br />
Bewahrende Erneuerung von<br />
Struktur, Funktion und Gestalt<br />
München/Berlin 1973<br />
Band 4 Heinz Althöfer • Rolf E. Straub<br />
Ernst Willemsen<br />
Beiträge zur Untersuchung<br />
und Konservierung<br />
mittelalterlicher Kunstwerke<br />
München/Berlin 1974<br />
Forschungen und Berichte<br />
zur Volkskunde<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Verlag Müller & Gräff<br />
Band 1 1971—1973 (Sammelband)<br />
Stuttgart 1973<br />
Band 1 Herbert und Elke Schwedt<br />
Malerei auf Narrenkleidern<br />
Die Häs- und Hanselmaler<br />
in Südwestdeutschland<br />
Stuttgart 1975<br />
Forschungen und Berichte<br />
der Archäologie des Mittelalters<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Verlag Müller & Gräff<br />
Band 1 Günter P. Fehring<br />
Unterregenbach<br />
Kirchen, Herrensitz,<br />
Siedlungsbereiche<br />
Stuttgart 1972<br />
Band 2 Antonin Hejna<br />
Das „Sdilößle"<br />
zu Hummertsried<br />
Ein Burgstall<br />
des 13. bis 17. fahrhunderts<br />
Stuttgart 1974<br />
Forschungen und Berichte<br />
zur Vor- und Frühgeschichte<br />
in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Verlag Müller &. Gräff<br />
Band 1 Rolf Dehn<br />
Die Urnenfelderkultur<br />
in Nordwürttemberg<br />
Stuttgart 1972<br />
Band 2 Eduard M. Neuffer<br />
Der Reihengräberfriedhof von<br />
Donzdorf (Kreis Göppingen)<br />
Stuttgart 1972<br />
Band 3 Robert Koch<br />
Das Erdwerk<br />
der Michelsberger Kultur<br />
auf dem Hetzenberg<br />
bei Heilbronn-Neckargartadi<br />
Teil 2: Alix Irene Beyer<br />
Die Tierknodienfunde<br />
Stuttgart 1972<br />
Band 4 Teil 1: Gustav Riek<br />
Das Paläolithikum der<br />
Brillenhöhle bei Blaubeuren<br />
(Schwäbische Alb)<br />
Stuttgart 1973<br />
Teil 2: Joachim Boessneck<br />
Angela von den Driesch<br />
Die jungpleistozänen<br />
Tierknochenfunde<br />
aus der Brillenhöhle<br />
Stuttgart 1973<br />
Band 5 Hans Klumbach<br />
Der römische Skulptmenfund<br />
von Hausen an der Zaber<br />
(Kreis Heilbronn)<br />
Stuttgart 1973<br />
Band 6 Dieter Planck<br />
Arae Flaviae 1<br />
Neue Untersuchungen<br />
zur Geschichte<br />
des römischen Rottweil<br />
Stuttgart 1975<br />
Fundberichte<br />
aus <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />
Schweizerbart'sdie<br />
Verlagsbuchhandlung<br />
Band 1 Stuttgart 1974<br />
Band 2 Stuttgart 1975