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Ganz allgemein ist die Ablösung der Hängetracht (Kettenhemd, Waffenrock) durch körperbetonende, eng anliegende Lentnerkleidung zu beobachten. Beinlinge (Hosen), Schnabelschuhe, gezaddelte Kleiderränder waren schon früher aufgekommen, ebenso als neue Kopfbedeckung die Gugel (Kapuze). Die Männer machten sich nicht nur neue Kleider, sondern trugen lange Barte und ließen sich mit Brenneisen das Haar kräuseln. Konrad von Megenberg stellt einen direkten Konnex zwischen dem Auftreten der Pest und den Kleider-Innovationen her, wenn er meint, der deformitas (Unform, Hässlichkeit) der Kleidung entspräche diejenige des Geistes. Die Baugeschichte der Pfarrkirche Heiligkreuz, also des Langhauses und des spätgotischen Chors mit seinen Portalen, ist gut nachvollziehbar und mit Eckdaten halbwegs gesichert. Der Vorgängerbau, der wegen der Turmfrage eine Rolle spielt, war eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit zwei Seitenapsiden und Hauptchor mit unbe- 8 Heiligkreuzmünster Chorsüdportal. Tympanon mit dem Jüngsten Gericht, in den Archivolten Engel mit den Leidenswerkzeugen und Propheten, um 1350/60. 92
kanntem Ostabschluss, wohl spätes 12. Jahrhundert. Die Seitenapsiden verschwanden, als zu ungleichen Zeiten und in ungleichem Aussehen Chorseitentürme entstanden, der nördliche um 1220. Durch Grabungen im 19./20. Jahrhundert kennen wir die Turmgrundrisse. Leider wurden die noch bis 1964 in situ erhaltenen Reste beim Heizungseinbau zerstört. Um diesen romanischen Bau herum begann man ca. 1310/20 eine dreischiffige Halle, wechselte den Plan nach dem 1. Joch, brachte 1341 alles unter Dach, aber noch ohne Wölbung. Zehn Jahre später erfolgte die Grundsteinlegung zum Chor. Dieser ist genau 30 Jahre später ebenfalls zwar unter Dach, aber wie das Langhaus ohne Wölbung. Der Blick empor muss ein typisch mittelalterlicher gewesen sein: Man sah Unvollendetes. Erst 1405 entschloss man sich zu einem sorgfältig-provisorischen Abschluss in Gestalt einer Flachdecke, womit ein Weihedatum 1410 zusammenhängen könnte. Das blieb so bis in die 90er Jahre des 15. Jahrhunderts, als man begann, den Chor neu zu wölben, diesmal in den Formen der Endgotik mit reicheren Netz- und Sternnetzgewölben im Umgang, die älteren Rippenansätze elegant anbindend, abknickend, überspielend. Die Meisterschilde im Chorhaupt von Aberlin Jörg und Hans von Urach sprechen für 1491 als Beginn. Man kam nicht weit. Beim Versuch, das Mittelschiff zum Chor durch Herausnehmen des älteren Chorbogens durchlässiger zu machen, stürzten die Türme am Karfreitag 1497 nachts mit schrecklichem Getöse ein. Doch niemand, auch nicht die Choralisten am Heiligen Grab, kam wunderbarerweise zu Schaden. Die Eingeschlossenen musste man durch Einschlagen der Fenster retten, d. h. die Chorportale waren durch die Schuttmassen unbegehbar. Ein Provisorium, das schon vor dem Turmeinsturz angelegt wurde und bis heute Bestand hat, diente dann seitdem als Glockenträger. Man funktionierte einen romanischen Wohnturm, durch eine mächtige Innenaussteifung vorbereitet, mit dem Aufsetzen des steilen Dachwerks, hölzernen Schallarkaden und Glockenstuhl zum Kampanile um. Er trägt noch immer Glocken, die von den alten Türmen stammen und das Unglück überlebten, wenn auch teilweise mit Blessuren, die mit Eisenspangen repariert wurden. Der Münsterchor in Gmünd muss bis zum Einsturz 1497 viel stärker als heute als eigener Bauteil empfunden worden sein. Die Türme und der noch bestehende romanische Chorbogen haben die Durchlässigkeit zwischen Langhaus und Chor stark eingeschränkt. Vielleicht erklärt das zusätzlich die Anlage der großen Chorportale. Es sind kurze Vorhallen zwischen Strebepfeilern angelegt, dann folgen die Gewändeportale im sog. Kathedralportalschema mit 3 /4-großen Gewändefiguren, kleineren Archivoltenfiguren unter eigenen Baldachinen, dreizeilige figurenreiche Tympana (Abb. 8). Die Thematik ist ganz christologisch ausgerichtet mit Passionsszenen nördlich (erinnert wird an das Hauptpatrozinium zum Heiligen Kreuz), dem Weltgericht südlich, während die Langhausportale Marienthemen bevorzugten. 9 Heiligkreuzmünster, Prophet Jeremia vom Chorsüdportal, heute im Inneren, um 1350/60. 93
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