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V/Ü Pragmatik und Textkonstitution

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V/<strong>Ü</strong> <strong>Pragmatik</strong> <strong>und</strong> <strong>Textkonstitution</strong><br />

Lernziel: Sprache in erster Linie als Handeln begreifen <strong>und</strong> daraus Kriterien für die Modellierung von Texten <strong>und</strong><br />

Dialogen mit dem Computer ableiten.<br />

Inhalt:<br />

1. <strong>Pragmatik</strong> - Handeln<br />

2. Sprechakttheorie<br />

2.1. Komponenten von Sprechakten<br />

2.2. Pragmatische Bedingungen<br />

2.3. Sprechaktsequenzen, Gesprächsanalyse<br />

3 <strong>Textkonstitution</strong>: Vom Satz zum Text<br />

3.1. pragmatische <strong>Textkonstitution</strong>, Kohärenz<br />

3.2. grammatische <strong>Textkonstitution</strong>, Kohäsion<br />

4 Textverarbeitung: Von Text zu Text<br />

4.1. Objekttexte: Zusammenfassung, Schlagzeile, Stichwort<br />

4.2. Metatexte: Abstract, Titel, Schlagwort<br />

Klausur<br />

Verlauf : Jede Woche ist eine Hausaufgabe zu lösen. Es müssen mindestens 8 von 10 Aufgaben rechtzeitig (d.i.<br />

Mittwoch, 12 Uhr, vor der nächsten St<strong>und</strong>e) abgegeben werden, um den Kurs zu bestehen. In der letzten St<strong>und</strong>e gibt<br />

es eine Klausur.


1. <strong>Pragmatik</strong> = Handeln<br />

Sprache hat eine soziale Funktion. Sie ist ein Mittel sozialer Organisation.<br />

Auch das Denken ist - über die Sprache - sozial geprägt.<br />

Definitionen:<br />

<strong>Pragmatik</strong><br />

- Kunst, richtig zu handeln<br />

- wissenschaftliche Untersuchung des Handeln<br />

Handlung<br />

ziel- <strong>und</strong> zweckgerichtete Tätigkeit,<br />

Verhalten, das als absichtsvoll interpretiert werden kann<br />

Interaktion<br />

zwischenmenschliches Handeln,<br />

Handlungen, die Beziehungen zwischen mindestens zwei Personen herstellen,<br />

bewahren, ändern, abbrechen


Handlungen: Auto fahren, Kochen, Schwimmen, Straße überqueren<br />

ebenso Sprech- <strong>und</strong> Schreibhandlungen<br />

Sprachhandlungen können nicht weniger wichtig sein als andere Handlungen.<br />

Ein falsches Wort kann u.U. ähnlich schwere Folgen haben wie falsches <strong>Ü</strong>berqueren der Straße<br />

Man kann ins Gefängnis kommen, andere ins Gefängnis bringen, gar andere ums Leben bringen,<br />

aus Versehen oder absichtlich.<br />

Handeln ist ein Verhalten, das als absichtsvoll interpretiert werden kann,<br />

d.h. eine Handlung hat ein Intention.<br />

Interaktion = ein Sonderfall von Handlungen, nämlich zwischenmenschliches Handeln<br />

Handlungen, die Beziehungen zwischen mindestens 2 Personen herstellen, bewahren, ändern,<br />

abbrechen<br />

Sprechen/Schreiben ist eine spezielle Form der Interaktion.


Was gibt es für sprachliche Interaktion? - willkürlich einige Verben aus dem Wörterbuch entnommen:<br />

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Wie würde man jeweils sagen, um einen dieser Sprachhandlungen auszuführen?


Schema, Konvention, Regel<br />

• Für die Ausführung von Handlungen gibt es Schemata, Muster<br />

eine Schleife binden, Kravatte binden, Gabel benutzen, Stäbchen benutzen …<br />

Erst muss man das Muster lernen, dann wird es internalisiert.<br />

• Schemata von Interaktionen sind oft Konvention<br />

zur Begrüßung die Hand schütteln, Grüß Gott sagen , Nase aneinander reiben<br />

Man könnte es auch anders machen, aber es ist nun mal so Sitte:<br />

Eine Konvention gilt in einer sozialen Gruppe. Auch manche nicht sprachliche Handlungen sind<br />

Konvention<br />

im Straßenverkehr rechts fahren<br />

• Konventionelle Muster heißen Regel<br />

Regelbefolgung, Regelabweichung – mit je sozialer Wirkung<br />

Sprachregeln, morphologische, syntaktische, lexikalische .....


Sprechakttheorie – die Lehre von mündlichen <strong>und</strong> schriftlichen Sprachhandlungen<br />

Verschiedene Sprechakte:<br />

Fragesatz:<br />

Imperativ:<br />

Aussage:<br />

"Gehst Du in die Stadt?“<br />

„Geh in die Stadt!“<br />

„Du gehst in die Stadt“<br />

„Entweder du gehst in die Stadt oder du gehst nicht in die Stadt“<br />

Aber auch sehr unterschiedliche Sprechakte mit demselben Satz möglich<br />

„Du hast in München zuletzt getankt.“<br />

-> Behauptung, Warnung, Erklärung, Vorwurf …<br />

Und derselbe Sprechakt mit sehr unterschiedlichen Sätzen...


„Monika, mach das Fenster zu! “<br />

„Monika, würdest du bitte mal das Fenster zumachen? “<br />

„Monika, du könntest mal das Fenster zumachen. “<br />

„Monika, warum machst du nicht das Fenster zu? “<br />

„Monika, das Fenster steht auf! “<br />

„Monika, es zieht! “<br />

„Monika, merkst du denn gar nicht, dass es zieht? “<br />

(Aus Funkkolelleg Sprache)<br />

Wörtliche Bedeutung wäre falsch (wenn auch absichtliches Missverständnis ein beliebter Trick ist)<br />

„Monika, warum machst du nicht das Fenster zu? “<br />

„Monika, das Fenster steht auf! “<br />

„Monika, es zieht! “<br />

„Monika, merkst du denn gar nicht, dass es zieht? “<br />

weil es mir nicht kalt ist<br />

fein<br />

oh je, das ist aber unges<strong>und</strong><br />

doch, ist mir auch schon aufgefallen


Also die Bedeutung eines Satzes ergibt sich nicht allein aus der Form, sondern erst aus dem<br />

Handlungszusammenhang. Deshalb kann man über Sätze in Isolation nichts Endgültiges sagen.<br />

Systematische Untersuchung dieser Phänomene in der sog. Sprechakttheorie<br />

(Austin, Searle, sprachanalytische Philosophie)<br />

Zerlegung, Analyse, Komponenten, Teilaktivitäten<br />

Ein Sprechakt resultiert aus dem gleichzeitigen Befolgen mehrerer zusammenwirkender Regeln<br />

• Lokution<br />

das geordnete Hervorbringen von Ausdrücken; die äußere Form; die Äußerung<br />

• Propositon Bezugnahme auf Dinge <strong>und</strong> Sachverhalte; die wörtliche Bedeutung, ohne den Satzwert<br />

• Illokution<br />

wie der Sprechakt als Interaktion gemeint ist; was für eine Interaktion vorliegt<br />

• Perlokution der Zweck, der mit dem Sprechakt erreicht werden soll;<br />

das Ziel des Sprechers, die Intention des Sprechers


"Du hast in München zuletzt getankt“<br />

Lokution<br />

Du hast in Müchen zuletzt getankt<br />

* Du getankt in hast München zuletzt<br />

Propositon<br />

daß der Angesprochene in München getankt hat (Referenz, Prädikation)<br />

Illokution Warnung / Aufforderung zum Tanken / Erklärung für Liegenbleiben (je nach Situation) /<br />

Vorwurf<br />

Perlokution<br />

z.B. bei Warnung der Beifahrer möchte nicht auf der Straße liegen bleiben


In Wirklichkeit Ablauf in umgekehrter Reihenfolge von der Perlokution zur Lokution<br />

o Perlokution:<br />

S ist auf H nicht gut zu sprechen <strong>und</strong> will ihn verletzen aus aktueller Wut oder aus<br />

weiter zurückliegenden Gründen<br />

o Illokution:<br />

o Propositon:<br />

S sucht einen passenden Sprechakt aus, z.B. eine Beleidigung.<br />

S sucht den passenden Inhalt aus, z.B. eine ehrenrührige Behauptung, dass H<br />

typischerweise das Tanken vergisst.<br />

o Lokution:<br />

S verbalisiert diesen Inhalt<br />

Das sieht Dir mal wieder ähnlich! Du merkst wohl gar nicht, das wir mal wieder<br />

tanken müssen!<br />

Glücken<br />

Gelingen<br />

Hörer fasst einen Sprechakt als diejenige Illokution auf, die der Sprechakt wirklich hat<br />

Sprecher erreicht seine Perlokution


Reden über Sprechakte<br />

(als heuristischer Test zu benutzen)<br />

1. Lokution, Äußerung - was sagte er/sie?<br />

Er sagte: „Du hast in München zuletzt getankt.“<br />

2. Proposition - worüber sprach er/sie?<br />

Er sprach über das Tanken <strong>und</strong> wo es zuletzt stattgef<strong>und</strong>en hatte<br />

3. Illokution - was TAT er/sie ?<br />

Er warnte seinen Partner dass das Tanken relativ weit zurücklag<br />

4. Perlokution, Intention - was wollte er/sie erreichen?<br />

Er versuchte (vergeblich) zu erreichen, dass der Angesprochene jetzt zum<br />

Tanken fährt.<br />

5. Glücken - hat der Hörer verstanden?<br />

6, Gelingen - hat der Sprecher erreicht, was er wollte?


Sprecher erreichte/versuchte zu erreichen, dass Perlokution, dadurch dass er Hörer primäre<br />

Illokution, indem er Hörer sek<strong>und</strong>äre Illokution, dass Proposition, mit den Worten „Lokution“<br />

Er versuchte zu erreichen, dass sie zum Tanken die Autobahn verließ, dadurch dass er sie warnte, dass<br />

das letzte Tanken schon weit zurücklag, indem er sie darauf aufmerksam machte, dass sie zuletzt in<br />

München getankt hatte, mit den Worten „Du hast in München zuletzt getankt.“


Sprecher erreichte/versuchte zu erreichen, dass Perlokution, dadurch dass er Hörer primäre<br />

Illokution, indem er Hörer sek<strong>und</strong>äre Illokution, dass Proposition, mit den Worten „Lokution“<br />

Weiteres Beispiel<br />

(Hausmeister H <strong>und</strong> Schüler S auf dem Schulhof)<br />

H: Würdest Du bitte die Papiertüte dort aufheben?<br />

S: Ich habe sie nicht hingeworfen.<br />

H: Das ist egal. Heb sofort die Tüte auf!<br />

S: Sie haben mir nichts zu befehlen.<br />

H: Wenn Du nicht sofort die Tüte aufhebst, bringe ich Dich zum Direktor<br />

S: Tun Sie's doch!<br />

H: (Haut dem Schüler eine runter.)<br />

S: Das laß ich mir nicht gefallen.<br />

(H. <strong>und</strong> S. gehen zum Direktor.)


Illokution ist meist implizit in der Situation<br />

Explizitmachen von Illokution mittels "performatorischer Ausdrücke"<br />

ich verspreche dir, ich warne dich, ich bitte dich, bitte, hiermit fordere ich Sie auf, ...<br />

auch Fragesatzstellung, Imperativ, Konjunktiv, Intonation, Abtönungspartikel ...<br />

Hausaufgabe: Feldforschung - Dialoge besorgen

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