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Billiger Kaffee macht arm - Christliche Initiative Romero

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THEMA<br />

SPIELREGELN FÜR MULTIS<br />

FÜR SOZIALE UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG UND BESSERE<br />

<strong>Billiger</strong> <strong>Kaffee</strong> <strong>macht</strong> <strong>arm</strong><br />

Mehr als 25 Millionen Menschen in den Tropen sind abhängig vom Anbau<br />

von <strong>Kaffee</strong> — das wirtschaftliche Rückgrat vieler Länder und nach dem<br />

Öl, die weltweit meist gehandelte Ware. Mit <strong>Kaffee</strong> gerecht und nachhaltig<br />

umzugehen, ist die aktuelle Herausforderung. Die <strong>Christliche</strong> <strong>Initiative</strong><br />

<strong>Romero</strong> (CIR) war und ist an verschiedenen Lösungsversuchen beteiligt.<br />

TEXT: ALBRECHT SCHWARZKOPF (CIR)<br />

Für 25 Millionen Menschen<br />

in <strong>arm</strong>en ländlichen<br />

Regionen der Entwicklungsländer<br />

ist der <strong>Kaffee</strong><br />

die wichtigste Einkommensquelle.<br />

Die Bedeutung der <strong>Kaffee</strong>exporte<br />

in Bezug auf die<br />

Gesamtexporte ist in den jeweiligen<br />

Ländern sehr unterschiedlich:<br />

in einigen afrikanischen<br />

Ländern machen die<br />

<strong>Kaffee</strong>exporte den Löwenanteil<br />

an den gesamten Ausfuhren<br />

aus. Grob gilt: Je ärmer das<br />

Land, desto wichtiger der <strong>Kaffee</strong>.<br />

Für die mittelamerikanische<br />

Region trägt der <strong>Kaffee</strong> mit<br />

durchschnittlich 15 Prozent zu<br />

den Exporten bei. Der <strong>Kaffee</strong><br />

ist also ein bedeutender wirtschaftlicher<br />

und gesellschaftlicher<br />

Faktor, zu dem es eine<br />

starke Beziehung mit unserer<br />

Lebenswelt gibt, da wichtige<br />

RösterInnen und HändlerInnen<br />

des <strong>Kaffee</strong>s in Deutschland<br />

und Europa sitzen.<br />

Die Globalisierungskritik<br />

hat unterstrichen, wie wichtig<br />

es ist, die Interdependenz<br />

zwischen Konsummustern im<br />

Norden und Produktionsbedingungen<br />

im Süden zu betrachten.<br />

Wir können uns keinen<br />

gemütlichen <strong>Kaffee</strong>konsum<br />

leisten, wenn die ihn erzeugende<br />

Arbeitskraft ausgebeutet<br />

und die Umwelt ausgelaugt<br />

wird. Die ArbeiterInnen auf<br />

den Plantagen müssen mit Respekt<br />

behandelt, angemessen<br />

bezahlt werden sowie Zugang<br />

zu Bildung und medizinischer<br />

Versorgung erhalten. Soziale<br />

und Umweltstandards sollen<br />

für den Anbau und für den<br />

Konsum gleichermaßen gelten<br />

und einen Weg zur Verbesserung<br />

der Lebensbedingungen<br />

der <strong>Kaffee</strong>bäuerInnen und -ar-<br />

10 PRESENTE NOVEMBER 2006


SPIELREGELN FÜR MULTIS<br />

THEMA<br />

PRODUKTIONSBEDINGUNGEN IN DER KAFFEE-INDUSTRIE<br />

<strong>Kaffee</strong> ist für Mittelamerika<br />

ein wichtiges<br />

Exportprodukt. Soziale<br />

und Umweltstandards<br />

werden nicht<br />

eingehalten trotz<br />

weltweiter Proteste<br />

seit knapp 30 Jahren.<br />

beiterInnen aufzeigen.<br />

Den Luxus, den <strong>Kaffee</strong>anbau<br />

generell in Frage zu stellen,<br />

wenn sich die Produktion kaum<br />

lohnt, können sich nur die wenigsten<br />

KleinbäuerInnen leisten.<br />

Die KleinproduzentInnen<br />

haben zu<br />

wenig Geld, um auf<br />

ein anderes Produkt<br />

umzusteigen. In<br />

Zeiten der niedrigen<br />

Erzeugerpreise können<br />

sie nur sparen,<br />

wo es geht, weniger Dünger,<br />

weniger HelferInnen, weniger<br />

Schulgebühren für die Kinder<br />

verwenden.<br />

Erfahrene BäuerInnen und<br />

UmweltschützerInnen wissen<br />

aufgrund ihrer jahrzehntelangen<br />

Erfahrung, dass aktuell<br />

höhere Preise wieder fallen<br />

können. Sie wissen auch, dass<br />

höhere Preise nicht zwingend<br />

verbesserte Umweltschutzstandards<br />

und Arbeitsbedingungen<br />

bedeuten. Als die <strong>Kaffee</strong>-Bran-<br />

che in den 70er und 80er Jahren<br />

boomte, wurden mehrere<br />

Tausend Hektar Regenwald<br />

abgeholzt und viele Flüsse mit<br />

den Abfallprodukten der <strong>Kaffee</strong>produktion<br />

verunreinigt.<br />

„Die KleinbäuerInnen haben zu wenig<br />

Land, um davon überleben zu können.<br />

Gebe Gott, dass wir von einer Preis-Krise<br />

verschont bleiben.“ (Kleinbauern-Vertreter<br />

Picon Soberanis aus Guatemala)<br />

Viele unterbezahlte ArbeiterInnen<br />

lebten in <strong>arm</strong>seligen<br />

Hütten, tranken verschmutztes<br />

Wasser und mussten sich<br />

durch Jagen ihre Nahrung<br />

selbst beschaffen.<br />

Von der CIR unterstützte<br />

<strong>Kaffee</strong>kampagnen haben immer<br />

wieder darauf aufmerksam<br />

ge<strong>macht</strong>, dass es ein Umdenken<br />

geben muss. Die CIR<br />

initiierte 1980 in Münster die<br />

Kampagne „<strong>Kaffee</strong>, an dem<br />

Blut klebt“ und <strong>macht</strong>e auf<br />

die Verwicklung der salvadorianischen<br />

<strong>Kaffee</strong>oligarchie in<br />

die militärische Repression im<br />

Land aufmerksam und auch<br />

darauf, dass dieser <strong>Kaffee</strong> in<br />

Deutschland von Tchibo verkauft<br />

wurde. Seit<br />

1984 verkauft die<br />

CIR Nicaragua-<br />

<strong>Kaffee</strong>, der aus<br />

derselben Quelle<br />

wie die seinerzeitige<br />

Sandino-Dröhnung<br />

kam, und<br />

lieferte damit ein Vorbild für<br />

den späteren TransFair-<strong>Kaffee</strong>.<br />

Bei der Kampagne „Gegen die<br />

Macht der <strong>Kaffee</strong>konzerne“<br />

wurde dieser <strong>Kaffee</strong> 1985 bei<br />

Straßenverkäufen eingesetzt.<br />

1992 beteiligte sich die CIR an<br />

der Gründung des TransFair-<br />

Siegels, das zunächst vor allem<br />

auf den <strong>Kaffee</strong> baute.<br />

Heute ist die CIR neben<br />

Oxfam eine der Nichtregierungsorganisationen,<br />

die<br />

konstruktiv-kritisch bei dem<br />

PRESENTE NOVEMBER 2006 11


THEMA<br />

SPIELREGELN FÜR MULTIS<br />

HILFE FÜR KLEINBAUERN<br />

<strong>Kaffee</strong>-Fonds<br />

Die CIR unterstützt ihre mittelamerikanischen<br />

<strong>Kaffee</strong>-Partnerorganisationen<br />

in der technischen und juristischen<br />

Beratung, in der Öffentlichkeitsarbeit<br />

bei konkreten Arbeitskonflikten sowie<br />

in der Nothilfe bei Naturkatastrophen.<br />

Aufgrund enger und langjähriger Partnerbeziehungen<br />

kann die CIR hier effektiv<br />

agieren.<br />

STICHWORT »KAFFEE-FONDS«<br />

Bitte unterstützen Sie die ProjektpartnerInnen<br />

mit Ihrer Spende.<br />

Versuch mitwirkt, mit <strong>Kaffee</strong>produzentInnen,<br />

-händlerInnen<br />

und -rösterInnen weltweit<br />

einen Kodex für soziale und<br />

ökologische Mindeststandards<br />

im <strong>Kaffee</strong>anbau zu definieren<br />

und in die Praxis umzusetzen.<br />

An diesem „common code for<br />

coffee community“, dem 4C-<br />

<strong>Kaffee</strong>kodex, wirkt interessanterweise<br />

auch Tchibo mit. Die<br />

CIR setzt sich dafür ein, dass<br />

die multinationalen <strong>Kaffee</strong>unternehmen<br />

ihren Beitrag zur<br />

Verbesserung der Lebensverhältnisse<br />

der <strong>Kaffee</strong>bäuerInnen<br />

leisten. Der 4C-Kodex stellt<br />

auf soziale und ökologische<br />

Mindeststandards des mainstream-<strong>Kaffee</strong>s,<br />

also des ganz<br />

„normalen“ <strong>Kaffee</strong>s ab, während<br />

TransFair bzw. Fairtrade<br />

und Starbucks deutlich höhere<br />

Standards haben und sich damit<br />

an ihre sozial bewussten<br />

Marktsegmente richten. Als<br />

KonsumentInnen können wir<br />

mit unseren<br />

Kaufentscheidungen<br />

Druck<br />

entfalten und<br />

höhere Standards<br />

mit unserem<br />

Kauf<br />

honorieren.<br />

Dies sollte<br />

uns aber nicht<br />

davon abhalten,<br />

auch für<br />

die grundsätzliche<br />

Einhaltung<br />

der<br />

Mindeststandards<br />

beim<br />

„ n o rmalen“<br />

einzutreten.<br />

Die zivilgesellschaftlichen<br />

Gruppen sollten in Zukunft ein<br />

kritisches Auge darauf werfen,<br />

dass auch von der <strong>Kaffee</strong>industrie<br />

und dem <strong>Kaffee</strong>handel die<br />

Teilnahmebedingungen am<br />

4C-Prozess eingehalten und<br />

Verbesserungen des Kodex zustande<br />

gebracht werden.<br />

Die CIR unterstützt eine<br />

Reihe von Organisationen in<br />

Mittelamerika, die sich für<br />

die Verbesserung der Lebensverhältnisse<br />

in den <strong>Kaffee</strong>anbaugebieten<br />

einsetzen. In<br />

LESE-TIPP<br />

<strong>Billiger</strong> <strong>Kaffee</strong> <strong>macht</strong> <strong>arm</strong>!<br />

Die Broschüre beschreibt die<br />

<strong>Kaffee</strong>lieferkette von den<br />

ErzeugerInnen bis zu den<br />

RösterInnen sowie Volumen<br />

und Funktionsweisen des<br />

<strong>Kaffee</strong>handels – einschließlich<br />

sozialer und ökologischer<br />

Alternativen. .<br />

Guatemala zählen dazu die<br />

Landpastoral, die im Hochland<br />

die saisonalen Arbeitskräfte auf<br />

den <strong>Kaffee</strong>plantagen und die<br />

Campesinos/-as in ihren landwirtschaftlichen<br />

Betrieben berät<br />

sowie der Genossenschaftsverband<br />

FEDECOCAGUA,<br />

der 20.000 KleinbäuerInnen<br />

vertritt. In El Salvador tritt<br />

die Campesino-Organisation<br />

ANTA sowie das Institut FUN-<br />

DE, welches das „foro de café“<br />

organisiert, für bessere Bedingungen<br />

für die ErzeugerInnen<br />

ein. In Nicaragua arbeitet die<br />

CIR mit dem <strong>Kaffee</strong>erzeugerInnen-Verband<br />

CAFENICA<br />

sowie mit der Menschenrechtsorganisation<br />

CENIDH, welche<br />

ArbeitnehmerInnenrechte<br />

verteidigt, zusammen. Die<br />

Zusammenarbeit mit diesen<br />

ProjektpartnerInnen hat zum<br />

Ziel, dass die Interessen von<br />

KleinbäuerInnen und LandarbeiterInnen<br />

gewahrt werden.<br />

Die CIR <strong>macht</strong> sich dafür<br />

stark, dass ihre mittelamerikanischen<br />

Partnerorganisationen<br />

bei den künftig eingerichteten<br />

nationalen runden Tischen<br />

bzw. 4C-Foren innerhalb des<br />

4C-<strong>Kaffee</strong>kodex partizipieren.<br />

FOTOS: SABINE BROSCHEIT<br />

12 PRESENTE NOVEMBER 2006

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