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Dossier: Funktionales Übersetzen - Carsten Sinner

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Universität Leipzig<br />

Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie<br />

Sommersemester 2013<br />

„Modelle und Methoden der Übersetzungswissenschaft“ bei Prof. Dr. <strong>Carsten</strong> <strong>Sinner</strong><br />

Johannes Markert<br />

<strong>Dossier</strong>: <strong>Funktionales</strong> <strong>Übersetzen</strong><br />

Inhalt:<br />

Grundlagen und Anwendungsbeispiel 1<br />

Treue vs. Äquivalenz vs. Loyalität 2<br />

Analyse der für die Übersetzung relevanten Faktoren 3<br />

Der Übersetzungsprozess als Zirkelschema 3<br />

Mögliche Kritikpunkte 5<br />

Bibliografie 5<br />

Grundlagen und Anwendungsbeispiel:<br />

Das Funktionale <strong>Übersetzen</strong> beschreibt nach Christiane Nord den Translationsprozess als Teil<br />

funktionalistischer Übersetzungsansätze und baut weitgehend auf Vermeers Skopostheorie auf.<br />

Oberstes Ziel des Translates ist dabei – der Skopostheorie folgend – stets die Erfüllung eines<br />

Zweckes (Vermeer 1990:72), wobei sich dieser ausdrücklich vom Zweck des Ausgangstextes<br />

unterscheiden kann und somit im krassen Gegensatz zum Verständnis steht, der Zieltext müsse stets<br />

die gleich Funktion übernehmen wie der Ausgangstext, ihm also „treu“ entsprechen oder ihn als<br />

Äquivalent vertreten können (vgl. Schneiders 2007:128). Aus diesem Grund spielen textexterne<br />

Faktoren wie der Übersetzungsauftrag und die Analyse derselben für das Funktionale <strong>Übersetzen</strong><br />

eine herausragende Rolle, da sich durch unterschiedliche Aufträge unterschiedliche<br />

Übersetzungsstrategien und somit unterschiedliche Zieltexte ergeben. So orientiert sich Nord zwar<br />

an der Skopostheorie, grenzt sich aber gleichzeitig von dieser ab, indem sie deren<br />

Zieltextorientierung abschwächt (Salevsky 2002:231).<br />

1


Beispiel (Nord 2009:36):<br />

Ein Augenzeugenbericht vom Fall der Berliner Mauer im November 1989 wurde auf Band<br />

aufgenommen und dann transkribiert. Eine amerikanische Journalistin möchte das Transkript als<br />

Quelle für die politischen Veränderungen in Osteuropa verwenden und lässt es sich ins Englische<br />

übersetzen. Für die Übersetzung sind daher alle explizit oder implizit gegebenen Informationen<br />

relevant und die Merkmale des spontanen Sprechens (Gliederungssignale, Interjektionen) sowie<br />

rhetorische Formeln, mit denen der Augenzeuge sich vor dem Reporter wichtig machen will, von<br />

untergeordneter Bedeutung. Wenn dasselbe Transkript jedoch für die Publikation als<br />

„Augenzeugenbericht“ in einer amerikanischen Zeitung übersetzt werden soll, sind gerade die<br />

Merkmale spontaner und emotionaler Ausdrucksweise als Identifikatoren der Textsorte<br />

„Augenzeugenbericht“.<br />

Treue vs. Äquvalenz vs. Loyalität:<br />

Wie das oben aufgeführte Beispiel zeigt, ist „Treue“ also nicht gleichzusetzen mit „Äquivalenz“<br />

(Nord 2009:24). Der deswegen von Nord eingeführte Begriff der „Loyalität“ beschreibt nach ihrem<br />

Verständnis demnach auch nicht die Beziehung zwischen Ausgangs- und Zieltext, sondern die<br />

Verantwortung des Übersetzers gegenüber Autor des AT und dem Leser des ZT, keinen der<br />

Beteiligten bewusst zu täuschen (Nord 2004:236). Die „Loyalität“ erweitert somit das rein<br />

theoretische Skoposmodell um eine ethische Komponente, die – da sie Teil der praktischen Arbeit<br />

von Übersetzern ist – nach Nords Ansicht nicht fehlen darf (ebd.).<br />

2


Analyse der für die Übersetzung relevanten Faktoren:<br />

Das Zusammenspiel aller textinterner und textexterner Informationen als Nord'sche<br />

Anaylsefaktoren fasst Salevsky (2002:233) als erweiterte Lasswell-Formel zusammen:<br />

WER übermittelt<br />

WOZU<br />

WEM<br />

über WELCHES MEDIUM<br />

WO<br />

WANN<br />

WARUM<br />

einen Text<br />

mit WELCHER FUNKTION?<br />

WORÜBER<br />

sagt er<br />

WAS<br />

(WAS NICHT)<br />

in WELCHER REIHENFOLGE<br />

unter Einsatz WELCHER NONVERBALEN ELEMENTE<br />

in WELCHEN WORTEN<br />

in WAS FÜR SÄTZEN<br />

in WELCHEM TON<br />

mit WELCHER WIRKUNG?<br />

Erst durch die Beantwortung dieser Fragen ist es dem Übersetzer möglich, seine<br />

Übersetzungsstrategie zu wählen und möglichen Übersetzungsproblemen zu begegnen.<br />

Der Übersetzungsprozess als Zirkelschema:<br />

Der Übersetzungsprozess (inklusive der oben beschriebenen Analysefaktoren) gemäß Funktionalem<br />

<strong>Übersetzen</strong> nach Christiane Nord lässt sich anhand des sog. Zirkelschemas darstellen. Zu beachten<br />

ist, dass Nord die Darstellung des Zirkelschemas für neuere Auflagen verändert hat.<br />

3


Abb.: Zirkelschema, ältere Darstellung (in Stolze 2005:193):<br />

Abb.: Zirkelschema, neuere Darstellung (nach Nord 2009:38):<br />

Diese zweite Darstellungsform verdeutlicht stärker die zwischen den einzelnen Schritten<br />

stattfindenden Prozesse, welche dazu führen, dass „jeder Schritt „vorwärts“ gleichzeitig mit einem<br />

„Blick zurück“ verbunden wird“, und so ggf. die Revision zuvor gewonnener Erkenntnisse<br />

4


notwendig macht (Nord 2009:37) und trägt somit den letzten sechs Elemente oben aufgeführten<br />

Formel Rechnung (vgl. Salevsky 2002:233).<br />

Mögliche Kritikpunkte:<br />

Als Translationsdidaktikerin versucht Nord, konkret umsetzbare Handlungsweisen für die<br />

Übersetzungspraxis liefern, wobei Harhoff darauf hinweist, dass derlei Theoretisierung generell die<br />

Frage nach dem Stellenwert von übersetzungstheoretischen Überlegungen für die Praxis aufwerfen<br />

(vgl. 1991:4).<br />

Wegen ihres engen Bezugs auf die Skopostheorie, treffen viele ihrer Kritikpunkte auch auf das<br />

Funktionale <strong>Übersetzen</strong> nach Nord zu (vgl. Harhoff 1991:168).<br />

Ein möglicher Kritikpunkt an Nords Konzept selbst wäre – die von ihr selbst als ungewöhnlich<br />

gekennzeichnete (2004:236) – Vermischung ethischer und theoretischer Ansätze.<br />

Bibliografie:<br />

Nord, Christiane (2004): „Loyalität als ethisches Verhalten im Translationsprozess“. In: Müller, Ina<br />

(Hrsg.): Und sie bewegt sich doch; Translationswissenschaft in Ost und West; Festschrift für<br />

Heidemarie Salevsky zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang, S. 235-245.<br />

Nord, Christiane (2009): Textanalyse und <strong>Übersetzen</strong>; Theoretische Grundlage, Methode und<br />

didaktische Anwendung einer übersetzungsrelevanten Textanalyse; 4., überarbeitete Auflage.<br />

Tübingen: Julius Groos Verlag.<br />

Harhoff, Gabriele (1991): Grenzen der Skopostheorie; von Translation und ihrer praktischen<br />

Anwendbarkeit. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang.<br />

Salevsky, Heidemarie (2002): Translationswissenschaft; Ein Kompendium. Frankfurt am<br />

Main [u. a.]: Lang.<br />

5


Schneiders, Hans-Wolfgang (2007): Allgemeine Übersetzungstheorie; Verstehen und Wiedergeben.<br />

Bonn: Romanistischer Verlag.<br />

Stolze, Radegundis (2005): Übersetzungstheorien; eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag.<br />

Vermeer, Hans Josef (1990): Skopos und Translationsauftrag – Aufsätze. Heidelberg: Institut für<br />

<strong>Übersetzen</strong> und Dolmetschen.<br />

6

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