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Sozialraumorientierte Steuerung am Beispiel der Stadt Celle Drei ...

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Fachtag <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft kath. Einrichtungen und Dienste <strong>der</strong><br />

Erziehungshilfen in <strong>der</strong> Diözese Aachen - AGKE <strong>am</strong> 17.11.2004<br />

Kin<strong>der</strong> zwischen Werten, Rechten und Finanzen<br />

Hand-Out zum Workshop 2:<br />

<strong>Sozialraumorientierte</strong> <strong>Steuerung</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Celle</strong>“<br />

Verantwortung für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche im sozialen Raum durch<br />

Kooperations- und Vernetzungsformen <strong>der</strong> freien und öffentlichen Träger und<br />

angrenzen<strong>der</strong> Bereiche<br />

Thomas Röttger, Stiftung Linerhaus, <strong>Celle</strong><br />

Einleitung<br />

Vorweg ein paar Worte zu mir. Ich bin Pädagogischer Leiter <strong>der</strong> Stiftung Linerhaus<br />

<strong>Celle</strong>, einer Mitgliedseinrichtung des Diakonischen Werkes Hannover. Unsere<br />

Einrichtung beschäftigt ca. 100 Fachkräfte in ganz verschiedenen Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

sozialen Arbeit:<br />

- Wir bilden benachteiligte junge Menschen zu HauswirtschafterInnen aus.<br />

- Wir haben einen Schwerbehin<strong>der</strong>tenbereich, indem wir MS-Kranke stationär<br />

betreuen.<br />

- Wir haben einen Kleinkindbereich mit Kin<strong>der</strong>tagesstätte, Son<strong>der</strong>pädagogischer<br />

Hausfrühför<strong>der</strong>ung, Schulbegleitungen, therapeutischen Angeboten<br />

- und wir haben den Bereich Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe. Hier sind wir für die <strong>Stadt</strong><br />

und den Landkreis <strong>Celle</strong> tätig mit sämtlichen <strong>am</strong>bulanten Betreuungsformen,<br />

Tagesgruppen, <strong>Stadt</strong>teilprojekten, Sozialpädagogische Schülerhilfe und<br />

Jugendwerkstatt.<br />

Unsere Einrichtung ist über 160 Jahre alt und hat sich eigentlich ab 1990 noch<br />

einmal ganz neu auf den Weg gemacht und d<strong>am</strong>it einen Teil <strong>der</strong> Entwicklung in <strong>Celle</strong><br />

mit beeinflusst.<br />

Ist-Stand<br />

Seit 2001 nimmt die <strong>Stadt</strong> <strong>Celle</strong> mit den 4 vor Ort tätigen freien Träger <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe die Finanzierung <strong>der</strong> niedrigschwellingen, stadtteilorientierten,


<strong>am</strong>bulanten und teilstationären Erziehungshilfe aus einem Budget heraus vor.<br />

Sozialräumliches Arbeiten und eine Flexibilisierung <strong>der</strong> Erziehungshilfen sind im<br />

Rahmen des trägerorientierten Erziehungshilfebudgets Zielsetzung <strong>der</strong> Arbeit. Die<br />

Entwicklung wurde von 1998 – 2001 durch das Bundesmodellprojekt INTEGRA<br />

begleitet. Von 2002 – 2005 wird das Budgetmodell mit finanzieller Unterstützung des<br />

Landes Nie<strong>der</strong>sachsen geför<strong>der</strong>t. Das Budgetvolumen umfasst heute € 2.000.000,<br />

die Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe erhalten 4 x jährlich Abschlagszahlungen für die<br />

Durchführung <strong>der</strong> o. g. Erziehungshilfen. Der Bereich <strong>der</strong> stationären Unterbringung<br />

wird weiterhin vom öffentlichen Träger unter Beteiligung <strong>der</strong> freien Träger gesteuert.<br />

Wie k<strong>am</strong> es dazu?<br />

Achter Jugendbericht <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

Beginnen möchte ich mit dem 8. Jugendbericht <strong>der</strong> Bundesregierung 1990, <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Fachwelt und auch in <strong>Celle</strong> die Diskussion um einen Paradigmenwechsel in <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe entfachte. Neue Begriffe waren Flexibilisierung <strong>der</strong> Hilfen;<br />

Dezentralisierung und Regionalisierung; präventiv vor <strong>am</strong>bulant, <strong>am</strong>bulant vor<br />

stationär; Gemeinwesenorientierung und Ressourcenorientierung.<br />

Dieser Bericht fiel in <strong>Celle</strong> auf fruchtbaren Boden, waren es doch vornehmlich die<br />

Akteure des öffentlichen Trägers, die Sozialdezernentin Frau Maier-Knapp-Herbst,<br />

die Spitze des Jugend<strong>am</strong>tes und auch einige freie Träger, die sich gerne und gut mit<br />

diesem Thema auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />

<strong>Stadt</strong>teilkonferenzen<br />

So begannen wir seit 1991 in <strong>Celle</strong> so genannte <strong>Stadt</strong>teilkonferenzen durchzuführen.<br />

Teilnehmer waren hier neben Bürger und Bürgerinnen <strong>der</strong> verschiedenen <strong>Stadt</strong>teile,<br />

Fachkräfte <strong>der</strong> Jugendhilfe von öffentlichen und freien Trägern, Schulen, soziale<br />

Einrichtungen, Vereine, Verbände. All die also, die sich mit Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen im <strong>Stadt</strong>teil befassen, wurden zus<strong>am</strong>mengeführt, um den Ist-Stand zu<br />

erfassen und Problembereiche zu benennen.<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sozialen Dienste<br />

Parallel zu dieser Entwicklung wurden die sozialen Dienste in <strong>Celle</strong> neu organisiert<br />

und schließlich nach einer 2-jährigen Modellphase 1994 zus<strong>am</strong>mengeführt und zwar<br />

das Jugend<strong>am</strong>t und das Sozial<strong>am</strong>t. Die im Konzept gewünschte verstärkte<br />

Vernetzung von Sozialhilfe und Jugendhilfe, die unter an<strong>der</strong>em durch die identische<br />

bezirkliche Glie<strong>der</strong>ung in <strong>der</strong> Sozialhilfe und in <strong>der</strong> Jugendhilfe entwickelt werden<br />

sollte, hat sich zwar nie eingestellt, jedoch hat sich <strong>der</strong> ASD stark in den<br />

Jugendhilfebereich verlagert. Auch die Trennung innerhalb des ASD von den<br />

Son<strong>der</strong>diensten wurde aufgehoben und den Bezirken organisatorisch zugeordnet.<br />

Die <strong>Stadt</strong> wurde sozusagen in 3 Verwaltungsbezirke aufgeteilt und hier noch einmal<br />

je zur Hälfte unterteilt, sodass schließlich 6 <strong>Stadt</strong>teilbezirke benannt wurden. Für die


weitere Diskussion ist wichtig, dass dies nachher auch unsere Sozialräume waren,<br />

wohl wissend, dass Sozialraum nicht gleich Sozialraum ist, und diese Diskussion<br />

darüber unendlich lange geführt werden kann, wir uns später allerdings <strong>der</strong><br />

Einfachheit halber an diesen Sozialbezirken orientiert haben.<br />

Auch wichtig ist an dieser Stelle, dass in den späteren Jahren ab 1996 mit <strong>der</strong><br />

zunehmenden Finanzverantwortung <strong>der</strong> Bezirke auch eine zunehmende<br />

Finanzverantwortung <strong>der</strong> MitarbeiterInnen des ASD einherging. Die<br />

SozialarbeiterInnen schreiben ihre Bescheide selbst und tragen die Fall- und<br />

Finanzverantwortung. Die wirtschaftliche Jugendhilfe beschränkt sich auf<br />

haushaltstechnische und verwaltungsrechtliche Belange.<br />

Umbau von Tagesgruppen in <strong>Stadt</strong>teilprojekte<br />

1994 wurde bereits mit <strong>der</strong> sozialräumlichen Öffnung begonnen, indem das erste<br />

<strong>Stadt</strong>teilprojekt eingerichtet wurde. Heute gibt es mittlerweile 6 <strong>Stadt</strong>teilprojekte in<br />

<strong>Celle</strong>. Sie wurden im Wesentlichen kostenneutral durch die Reduzierung von<br />

Tagesgruppenplätzen finanziert. 2 <strong>der</strong> 3 Anbieter von Tagesgruppen, die Stiftung<br />

Linerhaus war <strong>der</strong> erste und <strong>der</strong> Verbund Sozialtherapeutischer Einrichtungen, <strong>der</strong><br />

VSE <strong>der</strong> zweite, widmeten in den Jahren 1994 – 1997 insges<strong>am</strong>t 20<br />

Tagesgruppenplätze schrittweise zu 4 niedrigschwelligen <strong>Stadt</strong>teilprojekten in so<br />

genannten Sozialen Brennpunkten um. Es entstanden in Reihenfolge: <strong>der</strong> Holzhof,<br />

Meudon 22, die Alte Schmiede und die Alte Molkerei mit dem Kuhkaff. Diese<br />

<strong>Stadt</strong>teilprojekte werde ich jetzt genauer vorstellen.<br />

Was ist schließlich das Neue an diesen Projekten? Sie sind als Jugendhilfeeinheiten<br />

organisiert. Ein Te<strong>am</strong> wird gebildet von MitarbeiterInnen des Allgemeinen Sozialen<br />

Dienstes und <strong>der</strong> freien Träger, die diese <strong>Stadt</strong>teilprojekte durchführen. Das heißt,<br />

eine Kooperation zwischen öffentlichem und freiem Träger wird hier das erste Mal<br />

praktisch in einem Projekt geübt. Im gemeins<strong>am</strong> erarbeiteten Konzept festgehalten,<br />

waren dies die ersten Inseln <strong>der</strong> Kooperation.<br />

Sie müssen nun nicht denken, dass hier Tagesgruppenkin<strong>der</strong> einfach in eine<br />

niedrigschwelligere Struktur versetzt worden sind, son<strong>der</strong>n dieses ist schrittweise<br />

durch die Umwandlung von Tagesgruppenplätzen geschehen. Dann, wenn Kin<strong>der</strong><br />

aus den Tagesgruppen herausgewachsen sind, haben wir die Mittel umgewidmet in<br />

<strong>Stadt</strong>teilarbeit. Das bedeutet Planungssicherheit durch eine prospektive<br />

Projektfinanzierung für den freien Träger, wir konnten mit dem Geld den Umbau<br />

finanzieren und mussten keinen finanziellen Verlust befürchten.<br />

Sehr salopp formuliert ist ein <strong>Stadt</strong>teilprojekt ein Angebot zwischen Hort und<br />

Tagesgruppe. Auch hier werden die Kin<strong>der</strong> in einer Kernzeit von Montag bis<br />

Donnerstag von nach <strong>der</strong> Schule bis in den späten Nachmittag hinein betreut von 1<br />

½ Planstellen mit zusätzlich geringfügig Beschäftigten, ABM- und BSHG-Kräften in<br />

einer tagesstrukturierenden Form, ähnlich <strong>der</strong> Tagesgruppe und des Hortes, mit<br />

Mittagessen, Schularbeitenbetreuung, Nachmittagsangeboten, Elternberatung und<br />

<strong>der</strong>gleichen. Ich habe in den Folien noch genauer aufgelistet, was die zusätzlichen<br />

Angebote sind. Hier merken Sie dann das erste Mal den konkreten Hinweis darauf,<br />

dass die sozialräumliche, niedrigschwellige Arbeit und die Vernetzungsarbeit im<br />

<strong>Stadt</strong>teil einen hohen Stellenwert bekommt.


AG nach §78 KJHG<br />

Mit Beginn <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>teilarbeit haben die anerkannten Träger <strong>der</strong> freien Jugendhilfe<br />

sowie die Träger geför<strong>der</strong>ter Maßnahmen gemeins<strong>am</strong> mit dem öffentlichen Trägern<br />

die Arbeitsgemeinschaft nach § 78 KJHG gebildet mit dem Ziel, die Ges<strong>am</strong>tplanung<br />

zu koordinieren, die Zus<strong>am</strong>menarbeit auf institutioneller Ebene zu gewährleisten und<br />

geplante Maßnahmen aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen.<br />

Die AG 78 hat in <strong>Celle</strong> eine wichtige Funktion mit empfehlen<strong>der</strong> Kompetenz<br />

gegenüber dem Jugendhilfeausschuss. Hier wurden z.B. auch die Reformansätze<br />

behandelt, was zu einer gewissen konzeptionellen Breitenwirkung führte.<br />

Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit (AK GWA)<br />

Dies ist ein Arbeitskreis, <strong>der</strong> sich zum Erfahrungsaustausch aus Fachkräften und<br />

Personen in übergeordneten Funktionen zus<strong>am</strong>mensetzte. Zuerst trafen sich hier die<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter <strong>der</strong> sich langs<strong>am</strong> bildenden <strong>Stadt</strong>teilprojekte.<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> freien Träger und des öffentlichen Trägers, die haupt<strong>am</strong>tlich und in<br />

Funktion sozialräumliche Arbeit praktizierten. Durch ein zunehmendes Interesse <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Träger an <strong>der</strong> stadtteilorientierten Arbeit hat sich dieser Arbeitskreis<br />

erweitert, sodass heute noch hier inhaltliche Klärung mit empfehlen<strong>der</strong> Bedeutung<br />

stattfindet.<br />

Der fachliche Austausch wird miteinan<strong>der</strong> geführt zwischen öffentlichen und freien<br />

Trägern, zwischen Fachkräften und Leitungskräften.<br />

Jugendwerkstatt <strong>Celle</strong> gGmbH<br />

Ein Jahr später gab es eine weitere wichtige Kooperationsform, nämlich die <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Kl<strong>am</strong>mer. Die Bildung <strong>der</strong> Jugendwerkstatt <strong>Celle</strong> gGmbH:<br />

<strong>Drei</strong> freie Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe in <strong>Celle</strong>: die Stiftung Linerhaus, <strong>der</strong> VSE und das<br />

<strong>Celle</strong>r Evang. Kin<strong>der</strong>heim, abgekürzt CEK, gründeten eine gemeinnützige GmbH als<br />

Angebot zur beruflichen Orientierung und zur Schulpflichterfüllung junger<br />

Erwachsener in <strong>Celle</strong>. Praktisch bedeutet das, dass sich die drei Geschäftsführer<br />

dieser drei Träger aus zwei Wohlfahrtsverbänden mit den dazugehörigen<br />

pädagogisch Verantwortlichen einigen mussten auf ein gemeins<strong>am</strong>es Konzept, auf<br />

eine gemeins<strong>am</strong>e wirtschaftliche Form und das Personal gemeins<strong>am</strong> suchen<br />

mussten, sich einen Geschäftsführer gesucht haben, <strong>der</strong> die Jugendwerkstatt leitet,<br />

usw. Das heißt also hier ganz praktikabel, dass das erste Mal auch Zahlen<br />

miteinan<strong>der</strong> abgeglichen worden sind, Tarifstrukturen, im Prinzip hat je<strong>der</strong> ein<br />

bisschen sein institutionelles „Nähkästchen“ geöffnet.<br />

Caritas POINT<br />

1997 ist dann <strong>der</strong> letzte Jugendhilfeträger dazugestoßen, <strong>der</strong> Caritas-Verband <strong>Celle</strong>,<br />

<strong>der</strong> in einem Zentrum, genannt „Point“, soziale Gruppenarbeit und SPFH angeboten


hat um betreuten F<strong>am</strong>ilien und an<strong>der</strong>en benachteiligten Personen aus dem <strong>Stadt</strong>teil<br />

eine Anlaufstelle zu bieten. Neben sozialer Gruppenarbeit und<br />

Hausaufgabenbetreuung dient es vor allem Müttern und Frauen als Treffpunkt mit<br />

einem niedrigschwelligen Beratungsangebot.<br />

Krähennest<br />

Daran anknüpfend entstand 1998 das „Krähennest“ aus einer Kin<strong>der</strong>tagesstätte in<br />

einem weiteren sozialen Brennpunkt. Hier werden Hausaufgabenbetreuung,<br />

geschlechtsbewusste soziale Gruppenarbeit und Sprachkurse geleistet. Das Projekt<br />

ist auch ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für die überwiegend yezidisch /<br />

kurdische Bevölkerung. Die Leistungen werden von verschiedenen Nutzern unter<br />

Beteiligung <strong>der</strong> BewohnerInnen erbracht. Die Rahmenbedingungen sichert eine<br />

Trägerkooperation ab.<br />

Integra<br />

Einen Kern <strong>der</strong> sozialräumlichen Arbeit in <strong>Celle</strong> haben wir bereits kennen gelernt,<br />

das ist die Bildung <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>teilprojekte, mit einem Budget für die Arbeit mit<br />

Hilfeplankin<strong>der</strong>n und die Arbeit im sozialen Raum. Ein weiterer Kernpunkt ist<br />

sicherlich die das Modellprojekt INTEGRA gewesen. INTEGRA ist aus einer<br />

bundesweiten Initiative engagierter Personen entstanden, die sich für eine flexible<br />

sozialräumliche Jugendhilfe einsetzten. Der Fachverband IGHF – die Internationale<br />

Gesellschaft für Erzieherische Hilfen – griff dies auf und beantragte bei Bund und<br />

Län<strong>der</strong>n Möglichkeiten <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung. Es entstanden 5 Modellregionen: <strong>Celle</strong>, <strong>der</strong><br />

Landkreis Tübingen, aus den alten Bundeslän<strong>der</strong>n, Frankfurt/O<strong>der</strong>, Dresden und<br />

Erfurt aus den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n, die von <strong>der</strong> IGFH fe<strong>der</strong>führend<br />

wissenschaftlich begleitet wurden. Auswahlkriterium für die Regionen war, dass die<br />

Kommunen sich bereits mit eigenem Reformansatz ausgezeichnet hatten. Dies war<br />

ja in <strong>Celle</strong> bereits in weitestgehendem Maße <strong>der</strong> Fall.<br />

<strong>Celle</strong> stellte sich dieser Aufgabe mit den 3 Mo<strong>der</strong>atoren: Herrn Hekele vom VSE,<br />

Herrn Schäfer als ASD-Leiter und Herrn Röttger aus <strong>der</strong> Stiftung Linerhaus. Unter<br />

diesen über INTEGRA gebotenen Möglichkeiten konnten nun die vorhandenen<br />

Reformansätze zu einem umfassenden Konzept verbunden werden. An<strong>der</strong>e Träger<br />

wurden mit ins Boot geholt. Es entstanden neue Formen <strong>der</strong> Kooperation.<br />

Leitsätze <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe in <strong>Celle</strong><br />

Die grundlegenden Inhalte wurde über INTEGRA 1999 in Leitsätze<br />

zus<strong>am</strong>mengefasst und auf allen Ebenen im Kreis <strong>der</strong> KollegInnen in <strong>der</strong> AG 78, in<br />

<strong>der</strong> Dezernats- und Amtsleitung diskutiert und schließlich im Jugendhilfeausschuss<br />

als Leitsätze <strong>der</strong> Jugendhilfe <strong>Celle</strong> verabschiedet und sind nun verbindlich für alle<br />

Jugendhilfeträger in <strong>Celle</strong>. In den Leitsätze sind Grundaussagen zur Kooperation, zur<br />

Vernetzung, zur wechselseitigen Beteiligung zwischen öffentlichen und freien<br />

Trägern, zu Organisationsformen, zu Entscheidungsstrukturen und <strong>der</strong><br />

Institutionalisierung einer zielorientierten Zus<strong>am</strong>menarbeit festgeschrieben. Sie sind


die gemeins<strong>am</strong>e inhaltliche Plattform <strong>der</strong> Sozialraumbudgetierung, sie sind<br />

Richtschnur <strong>der</strong> inhaltlichen <strong>Steuerung</strong> und <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung.<br />

Erst ab diesem Zeitpunkt haben wir uns in <strong>Celle</strong> nach mittlerweile 9 Jahren<br />

sozialraumorientierter Ansätze in Theorie und Praxis mit weiteren Formen <strong>der</strong><br />

Finanzierbarkeit solcher Modelle auseinan<strong>der</strong>gesetzt. In den <strong>Stadt</strong>teilprojekten gab<br />

es schon eine Projektfinanzierung, wir arbeiteten schon mit <strong>der</strong> Fachleistungsstunde,<br />

hatten kleinere Stundenkontingente für <strong>am</strong>bulante Hilfen. Dazu noch alte<br />

Abrechnungsmodelle bei den Tagesgruppen und <strong>der</strong>gleichen. Hier begann jedenfalls<br />

die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit an<strong>der</strong>en Modellen <strong>der</strong> Finanzierung, wie z.B. dem<br />

Stuttgarter Modell.<br />

Alte Schmiede<br />

Vorerst gab es aber noch ein weiteres Projekt <strong>der</strong> Kooperation, die „Alte Schmiede“.<br />

Im <strong>Stadt</strong>teil Heese konnten hier <strong>der</strong> VSE und die Stiftung Linerhaus 2 nebeneinan<strong>der</strong><br />

liegende Häuser s<strong>am</strong>t <strong>der</strong> dazu gehörenden Grundstücke erwerben. Mittlerweile ist<br />

das ein Kommunikationszentrum für Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und BürgerInnen aus<br />

diesem <strong>Stadt</strong>teil. Hier entstanden einige Angebote wie z.B. Tagesgruppe,<br />

Schülergruppe, <strong>Stadt</strong>teilcafé <strong>der</strong> Jugendwerkstatt, usw.<br />

Trägerkooperation <strong>Celle</strong><br />

Die Kurzschil<strong>der</strong>ungen zeigen Ihnen, dass die Diskussion um Trägerverbünde in<br />

<strong>Celle</strong> auf breiter Basis angegangen wurde und gleichzeitig dies mehr als 10 Jahre<br />

praktisch schon in <strong>der</strong> Erprobung ist. Dies gilt in erster Linie für vereinzelte Projekte<br />

und in zweiter Linie auch für trägerübergreifende Strukturen auf Mitarbeiterebene,<br />

auf Projektebene und auf Leitungsebene. Die 4 oben genannten freien Träger <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe ließen Ende 2000 ihre gemeins<strong>am</strong> gewonnenen Erfahrungen zur<br />

Kooperation in einen Trägerverbund münden, genannt Trägerkooperation <strong>Celle</strong>, um<br />

gemeins<strong>am</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Celle</strong> eine neue <strong>Steuerung</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe umsetzen.<br />

Zur Durchführung dieses kooperativen Budgetmodells bedurfte es einer<br />

Vereinbarung <strong>der</strong> 4 freien Träger <strong>der</strong> Jugendhilfe untereinan<strong>der</strong>, um die<br />

Rechtsbeziehung und die Aufgabenwahrnehmung intern zu regeln. Die freien Träger<br />

<strong>der</strong> Jugendhilfe haben sich zu dieser Trägerkooperation zus<strong>am</strong>mengeschlossen, die<br />

die Trägerautonomie sichert und Vereinbarungen auf <strong>der</strong> Basis des Vertrages<br />

absichert. Von einer gemeins<strong>am</strong>en und rechtsverbindlicheren Form einer GbR und<br />

gGmbH als Trägerverbund haben wir freien Träger abgesehen. Wir bleiben also in<br />

unserer Form selbständig und haben schließlich nur zur Umsetzung des Vertrags zur<br />

Sozialraumbudgetierung diesen Vertrag vereinbart.<br />

Arbeitskreis für Jungen- und Männerpädagogik (JuMp)<br />

Um Ihnen auch noch einmal zu zeigen, dass nicht nur die Leitungskräfte miteinan<strong>der</strong><br />

kooperiert haben, sei das <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgruppe „Jungen- und Männer-<br />

Pädagogik“, JuMP, genannt. Hier haben sich Mitarbeiter <strong>der</strong> verschiedenen Träger


zu einer vertraglich gesicherten Kooperation zus<strong>am</strong>mengefunden. Gemeins<strong>am</strong> wird<br />

durch die Zurverfügungstellung von finanziellen Mitteln, Räumen, Know-how und <strong>der</strong><br />

Freistellung von Fachkräften die jungenbewusste Arbeit qualifizierter angegangen.<br />

Mitarbeiter wurden zeitweise hier mit trägerübergreifenden<br />

Entscheidungskompetenzen versehen und bilden heute noch den Arbeitskreis<br />

„Jungen-Männer-Pädagogik“. Diese Gruppe befindet sich auch wie viele an<strong>der</strong>e in<br />

einem ständig währenden Verän<strong>der</strong>ungsprozess und hat jetzt mittlerweile ein etwas<br />

lockere Anbindung gefunden.<br />

Vertrag Sozialraumbudget und Qualitätsentwicklungsvereinbarung<br />

Nach fast 2-jähriger Verhandlung- und Vorbereitungsphase startete die<br />

Trägerkooperation und die <strong>Stadt</strong> <strong>Celle</strong> <strong>am</strong> 01.01.2001 mit dem Modelljahr<br />

Sozialraumbudget <strong>Celle</strong>. Und schließlich, um die gute Qualität <strong>der</strong> Jugendhilfe zu<br />

gewährleisten wurde ein gemeins<strong>am</strong>es Qualitätskonzept erstellt, das sowohl für die<br />

freien als auch für die öffentlichen Träger verbindlich ist. Diese Verbindlichkeit wird in<br />

einer gemeins<strong>am</strong>en Qualitätsentwicklungsvereinbarung abgesichert.<br />

Budgetentwicklung<br />

Hier noch mal einige Worte zur Budgetentwicklung. Das Budget sollte zunächst in<br />

einem Modellbezirk erprobt werden. Die Schaffung von Parallelstrukturen aber,<br />

insbeson<strong>der</strong>e im Abrechnungsverfahren und in <strong>der</strong> Alltagsarbeit, ließen den<br />

Jugendhilfeausschuss und uns alle von einer Erprobung in einem Modellbezirk<br />

abrücken. Das Sozialraumbudget wurde auf das Ges<strong>am</strong>tgebiet <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong><br />

ausgedehnt. Die Vorteile dieser Entscheidung waren:<br />

- gleiche Ausgangsbedingungen für alle Bezirke (in Modellprojekten entstehen<br />

häufig Konkurrenzen zwischen alten und neuen Modellen.).<br />

- Die Erprobung einer einheitlichen Finanzierungsform und<br />

- die Überprüfung im Echtbetrieb.<br />

„Beim Geld hört <strong>der</strong> Spaß auf“. Diese Erkenntnis mussten auch wir Vertreter <strong>der</strong><br />

freien Träger und die des öffentlichen Trägers machen, als es um die Festlegung des<br />

Finanzierungsmodells ging. Orientiert an dem Stuttgarter Modell wurde ein<br />

Finanzierungsmodell entworfen, das mehr als 1 Jahr von den Beteiligten diskutiert<br />

und entwickelt wurde. Der ursprüngliche Modellbeginn wurde um ein halbes Jahr auf<br />

den 01.01.2001 verschoben, weil die beteiligten Träger die Rahmenbedingungen<br />

noch nicht ausreichend geklärt hatten. Die Vertragsparteien einigten sich bei <strong>der</strong><br />

Zugrundelegung <strong>der</strong> finanziellen Modalitäten auf das Rechnungsjahr 1999, weil zu<br />

Beginn des Modellversuchsjahres 2001 das Rechnungsergebnis des Jahres 2000<br />

noch nicht vorlag. Zur Bemessung <strong>der</strong> Finanzierung und <strong>der</strong> Marktanteile <strong>der</strong> freien<br />

Träger wurde das Rechnungsergebnis auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> tatsächlich in 1999 an<br />

die freien Träger gezahlten Finanzmittel ermittelt. Mit diesem Verfahren waren die im<br />

Rahmen eines Rechnungsjahres üblichen Überschneidungen zum Jahresende<br />

bereinigt. Hier hatten wir den ersten Fehler eingebaut. Die Erkenntnis war, dass die<br />

Grundlage <strong>der</strong> Budgetbemessung möglichst zeitnah an das Jahr angepasst werden


sollte, in dem das Sozialraumbudget auf den Weg gebracht werden soll. Die Praxis<br />

zeigte, dass die Marktanteile 1999 erheblich von den Marktanteilen 2000 abwichen,<br />

sodass die freien Träger im Modelljahr ihre Marktanteile untereinan<strong>der</strong> anpassen<br />

mussten und <strong>der</strong> öffentliche Träger auf Grund höherer Rechnungsergebnisse im Jahr<br />

2000 ca. € 30.000 als Aufstockung des Budgets in Aussicht gestellt hatte. Es spricht<br />

für die Trägerkooperation, dass die einmal festgelegten Marktanteile unter<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> Rechnungsergebnisse 2000 verän<strong>der</strong>t werden konnten, ohne<br />

dass die Kooperation gesprengt wurde.<br />

Die Berechnung <strong>der</strong> Budgetanteile des Jahres 2001 auf <strong>der</strong> Grundlage des Jahres<br />

1999 sollte die freien Träger vor <strong>der</strong> Situation bewahren, einerseits Gespräche über<br />

Kooperation zu führen und an<strong>der</strong>erseits um die Marktanteile zu konkurrieren. Es hat<br />

sich an<strong>der</strong>erseits aber gezeigt, dass eine zeitnahe Ermittlung <strong>der</strong> Marktanteile auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage des Jahres 2000 verlässlicher gewesen wäre und die<br />

Nachverhandlungen erübrigt hätten.<br />

Grundlage <strong>der</strong> Budgetierung und des Finanzcontrollings sind neben des Nachweises<br />

von Tagesgruppenplätzen und <strong>Stadt</strong>teilprojektbelegungen die geleisteten<br />

Fachleistungsstunden auf <strong>der</strong> Grundlage des vereinbarten<br />

Nettofachleistungsstundensatzes. Dieser Stundensatz wurde statt <strong>der</strong> 95%igen<br />

Auslastung nun mit einem 100%igen Auslastungssatz verhandelt, weil angenommen<br />

werden kann, dass in einem Budget je<strong>der</strong> Mitarbeiter zu 100 % eingesetzt werden<br />

kann. Fallen weniger Fachleistungsstunden an, so können sich die Fachkräfte im<br />

<strong>Stadt</strong>teilprojekt nützlich machen, sozialräumlich arbeiten o<strong>der</strong> sich in Gremien für<br />

infrastrukturelle Verän<strong>der</strong>ungen einsetzen. So führt die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kosten <strong>der</strong><br />

Fachleistungsstunde nicht zu einer 5 %-igen Reduzierung des Budgets. Mit diesem<br />

Entgegenkommen deckte <strong>der</strong> öffentliche Träger einen Teil des<br />

Entwicklungsaufwandes <strong>der</strong> freien Träger ab. Zudem wurde ein erheblicher Teil <strong>der</strong><br />

Entwicklungsarbeit durch das Modellprojektes INTEGRA geleistet.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassung <strong>der</strong> regionalen Ausgangslage in <strong>Celle</strong><br />

Zus<strong>am</strong>menfassend möchte ich sagen, dass die regionale Ausgangslage in <strong>Celle</strong><br />

erstens geprägt war durch ein bereits vorhandenes Geflecht fallunspezifischer,<br />

niedrigschwelliger Hilfeangebote in <strong>Stadt</strong>teilprojekten, die bereits als Teilbudget<br />

finanziert wurden. Unter diesen Voraussetzungen war <strong>der</strong> nächste Schritt einer<br />

flächendeckenden Budgetierung im Ges<strong>am</strong>tstadtgebiet nicht mehr so groß.<br />

Gleichzeitig war die regionale Ausgangslage zweitens geprägt durch einen<br />

intensiven Austausch zwischen öffentlichen und freien Trägern und teilweise<br />

gemeins<strong>am</strong>en Entwicklungen in gemeins<strong>am</strong>en Arbeitskreisen.<br />

Ein dritter wichtiger Faktor ist sicherlich das Engagement <strong>der</strong> Akteure. Hier<br />

Sozialdezernentin, Jugend<strong>am</strong>tsleitung und INTEGRA-Regionalmo<strong>der</strong>atoren, die<br />

Impulse einbringen und das Projekt för<strong>der</strong>ten.<br />

Die Ges<strong>am</strong>tverantwortung bleibt beim öffentlichen Träger. Die freien Träger <strong>der</strong><br />

Jugendhilfe sind aber an <strong>der</strong> Ges<strong>am</strong>tverantwortung beteiligt. Die politische<br />

Verantwortung verbleibt in den politischen Gremien. Die Minimierung von<br />

Trägerkonkurrenz führt dazu, dass die positiven Wirkungen von Konkurrenz wie


Marktorientierung, Dienstleistungsorientierung als Wettbewerb in an<strong>der</strong>er Form<br />

hergestellt werden müssen. Dies ist nur über ein wirks<strong>am</strong>es Controlling möglich und<br />

führt dazu, dass <strong>der</strong> Wettbewerb als kritischer Dialog über Inhalte geführt wird.<br />

Zur Budgetsteuerung werden folgende Controllinginstrumente verwendet:<br />

AdressatInnenbefragung; gegenseitige Mitarbeitereinschätzung, ASD und freie<br />

Träger; operatives Controlling <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>teil-Projekte und Finanzcontrolling.<br />

Rückblick<br />

Nach nunmehr fast 4 Jahren Erfahrung mit dem Budgetmodell haben sich die<br />

erhofften Wirkungen zum großen Teil eingestellt. Dies sind insbeson<strong>der</strong>e:<br />

- die Flexibilisierung des Erziehungshilfeangebotes,<br />

- die Implementierung sozialräumlicher Arbeitsweisen,<br />

- die Schaffung niedrigschwelliger Angebote im Vorfeld erzieherischer Hilfen, als<br />

<strong>Beispiel</strong> im Jahr 2003: 28 % <strong>der</strong> Budgetmittel,<br />

- die Einführung einer adressatenorientierten Hilfeplanung,<br />

- die Einführung eines effektiven Controllings mit den 4 Modulen<br />

Adressatenbefragung, gegenseitige Mitarbeitereinschätzung, Finanzcontrolling<br />

und Controlling <strong>Stadt</strong>teilprojekte.<br />

- Die Einrichtung von 6 <strong>Stadt</strong>teilprojekten, aus denen heraus lebensweltnah<br />

erzieherische Hilfen geleistet werden können.<br />

- Eine zielgerichtete <strong>Steuerung</strong> erzieherischer und infrastruktureller Hilfen,<br />

- <strong>der</strong> Ausbau gruppenpädagogischer Maßnahmen und gemeinwesenorientierter<br />

Ansätze.

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