Intransparent, planlos, unfinanzierbar: Die Straßen ... - Bund
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BUND-Studie<br />
<strong>Intransparent</strong>, <strong>planlos</strong>,<br />
<strong>unfinanzierbar</strong>:<br />
<strong>Die</strong> <strong>Straßen</strong>-Wunschlisten der Länder für<br />
den <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan im Vergleich.
Zusammenfassung<br />
Warum diese Studie?<br />
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit<br />
nehmen die <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen der Länder<br />
derzeit zentrale Weichenstellungen in der Verkehrspolitik<br />
vor. Bis September diesen Jahres melden<br />
sie ihre Fernstraßenvorhaben für den nächsten<br />
<strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan (BVWP) 2015-2030 an,<br />
die dann künftig aus dem <strong>Bund</strong>eshaushalt finanziert<br />
werden sollen. Der BVWP entscheidet<br />
wesentlich über die künftige Rolle der Verkehrsträger<br />
und prägt das Mobilitätsleitbild der deutschen<br />
Verkehrspolitik und Verkehrsplanung. Erstmals sollen<br />
die Bürger an diesen Infrastrukturplanungen<br />
beteiligt werden. Und <strong>Bund</strong>esverkehrsminister<br />
Ramsauer gibt den Ländern klare Ziele und Prioritäten<br />
vor, die er gegenüber diesen auch durchsetzen<br />
will.<br />
Was wurde untersucht?<br />
Der BUND hat in dieser Studie die vorliegenden<br />
Anmeldelisten von 13 Ländern untersucht und<br />
vergleichend nach sechs Kriterien – drei formalen<br />
und drei inhaltlichen Aspekten – bewertet, die für<br />
eine nachhaltige Verkehrsplanung für den BUND<br />
von zentraler Bedeutung sind:<br />
• Gesamtnetzplanung<br />
• Bürgerbeteiligung<br />
• Finanzierbarkeit<br />
• Natur- und Landschaftsschutz<br />
• Verkehrssicherheit<br />
• Entlastung von Ortskernen/ Lärm<br />
<strong>Die</strong>se sind auch die Vorgaben Ramsauers im Rahmen<br />
der Grundkonzeption des BVWP 2015.<br />
Ergebnisse<br />
Das Ergebnis: Fast alle <strong>Bund</strong>esländer sind nicht<br />
gewillt, ihre Verkehrsinfrastruktur transparent,<br />
finanzierbar und umweltschonend zu planen. <strong>Die</strong><br />
13 vom BUND untersuchten Länder wollen den<br />
Neu- und Ausbau von insgesamt 1600 <strong>Bund</strong>esfernstraßen<br />
und Ortsumgehungen beim <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium<br />
anmelden, und damit zehnmal<br />
mehr, als tatsächlich realisierbar sind. Fast alle<br />
<strong>Bund</strong>esländer haben bei der Auswahl ihrer Projekte<br />
Bürger viel zu wenig bis gar nicht beteiligt,<br />
Umweltaspekte, Verkehrsreduzierung und Lärmminderung<br />
wurden ignoriert und verträglichere<br />
Alternativen zu ihren Bauvorhaben außer Acht<br />
gelassen. Dadurch entstehen lange und <strong>unfinanzierbar</strong>e<br />
<strong>Straßen</strong>bau-Wunschlisten, die auf Abfragen<br />
bei den Verwaltungen, Bürgermeistern, Landoder<br />
Regionalräten zurückgehen.<br />
Unfinanzierbare Wunschlisten<br />
Spitzenreiter der „Wunschlisten-Produzierer“ ist Bayern<br />
mit rund 400 <strong>Straßen</strong>bauprojekten und einem<br />
Finanzvolumen von 17 Milliarden Euro. Bei den derzeitigen<br />
Mitteln für Aus- und Neubau würde die<br />
Umsetzung dieses Programms nicht wie geplant 15<br />
sondern 160 Jahre dauern. Selbst in Baden-Württemberg,<br />
das im Vergleich zu den anderen Ländern<br />
etwas besser abschneidet, würde die Umsetzung der<br />
gegenüber dem letzten BVWP 2003 abgespeckten<br />
<strong>Straßen</strong>bauliste 90 Jahre dauern. Kein einziges der<br />
<strong>Bund</strong>esländer hat ein finanzierbares Konzept vorgelegt.<br />
BUND-Vorschläge für einen Neustart der <strong>Straßen</strong>bauplanung<br />
in den Ländern<br />
Der BUND fordert alle <strong>Bund</strong>esländer auf, ihre<br />
Anmeldelisten zurückzuziehen und nach den vom<br />
<strong>Bund</strong>esverkehrsministerium vorgegebenen Kriterien<br />
neue Listen zu erarbeiten. Dafür ist eine Verlängerung<br />
der Anmeldefristen bis mindestens zum<br />
Jahresende zwingend. Auch das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium<br />
ist gefragt: Minister Ramsauer muss<br />
klarere Vorgaben zum finanziellen Rahmen, zur<br />
Bürgerbeteiligung und zur Alternativenprüfung<br />
auf Länderebene machen.<br />
2
1. Einleitung<br />
<strong>Bund</strong>esregierung und <strong>Bund</strong>estag werden bis 2015<br />
festlegen, wie viel Geld in den nächsten 15 Jahren<br />
in welche Verkehrsinfrastrukturprojekte des <strong>Bund</strong>es<br />
investiert wird. In dieser Studie geht es um<br />
<strong>Bund</strong>esfernstraßen (Autobahnen und <strong>Bund</strong>esstraßen,<br />
darunter hunderte von Ortsumgehungen). Der<br />
<strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan (BVWP) bestimmt auch<br />
den Ausbaubedarf der <strong>Bund</strong>esschienenwege und<br />
der <strong>Bund</strong>eswasserstraßen.<br />
Ausgewertet wurden für diese Studie offizielle<br />
Unterlagen (Internet und andere Veröffentlichungen<br />
sowie Parlamentsdrucksachen). Vertieft wurden<br />
sie durch Telefonate mit den Landesministerien<br />
und dem <strong>Bund</strong>esministerium sowie durch<br />
Rückfragen bei den BUND-Landesverbänden.<br />
Obwohl <strong>Bund</strong>esregierung und <strong>Bund</strong>estag im Rahmen<br />
der <strong>Bund</strong>esauftragsverwaltung den Bau und<br />
Unterhalt der <strong>Bund</strong>esfernstraßen zu 100 Prozent<br />
finanzieren, gibt es keine bundesweiten Netzplanungen.<br />
<strong>Die</strong> Länder melden eine Vielzahl von Projekten<br />
an, das <strong>Bund</strong>esministerium für Verkehr, Bau<br />
und Stadtentwicklung (BMVBS) und seine Gutachter<br />
versuchen mit Hilfe von Bewertungsverfahren<br />
wie Nutzen-/Kosten-Analysen, Umweltprüfung<br />
und der Abschätzung städtebaulicher Wirkungen<br />
die Projekte auszuwählen und zu priorisieren.<br />
Bis September 2013 müssen die Auftragsverwaltungen<br />
der Länder ihre <strong>Straßen</strong>projekte beim<br />
BMVBS anmelden. Auf dieser Grundlage soll „ein<br />
realistisches und finanzierbares Gesamtkonzept<br />
für die künftige Infrastruktur“ aufgestellt wer -<br />
den“. 1 13 von 16 Ländern haben bisher – vorläufige<br />
oder endgültige – Anmeldelisten mit Fernstraßenprojekten<br />
erstellt, die insgesamt bereits über 1500<br />
<strong>Straßen</strong>projekte umfassen. <strong>Die</strong>se Listen entstammen<br />
in der Regel Abfragen der <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen<br />
und der Kommunen. Erstmals können auch<br />
Verbände Projekte anmelden.<br />
3
2. Sechs Bewertungskriterien<br />
<strong>Die</strong> Kurzstudie des BUND bewertet im Folgenden<br />
nach sechs Kriterien den Anmeldeprozess in 13<br />
Ländern, die bis zum 1. Mai 2013 eine Projektliste<br />
vorgelegt haben. Es handelt sich dabei um wesentliche<br />
Voraussetzungen für eine guten Gesamtplan<br />
und die Einhaltung der zentralen verkehrspolitischen<br />
Ziele. Da die Kriterien auch Teil der Vorgaben<br />
des BMVBS und gesetzlicher Anforderungen<br />
an den Fernstraßenbau sind, besteht für die Länder<br />
umso mehr die Verpflichtung zu deren Einhaltung.<br />
(1.) Netzkonzept: Es wurde bewertet, ob Netze<br />
entwickelt oder Einzelprojekte in einer Liste<br />
zusammengetragen wurden und ob es eine<br />
verkehrsträgerübergreifende Koordination gab.<br />
Das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium fordert in der<br />
Grundkonzeption die Reduzierung von Klimagasen<br />
und Schadstoffen und empfiehlt als Instrumente<br />
die Verlagerung von Verkehren auf umweltfreundliche<br />
Verkehrsträger (Schiene, Seeschiffe, Binnenschiff)<br />
sowie Maßnahmen des Verkehrsmanagements.<br />
Beides kann die Nachfrage nach<br />
<strong>Straßen</strong>bau vermindern. Insbesondere im Güterverkehr<br />
gibt es große Potenziale. Der Einsatz von<br />
Verkehrsmanagement wird vom BMVBS im Rahmen<br />
der Alternativenprüfung für einzelne <strong>Straßen</strong>bauprojekte<br />
verlangt 2 (vgl. unten die Punkte<br />
4-6). Voraussichtlich 70 Prozent der Investitionsmittel<br />
des BVWP 2015 sollen für die Beseitigung<br />
von Engpässen im Autobahnnetz verwendet werden,<br />
sofern diese Projekte kein hohes Umweltrisiko<br />
haben. Der BUND bewertet demnach die Entwicklung<br />
von Verkehrsnetzen statt einer bloßen Aufsummierung<br />
von Einzelprojekten sowie positive<br />
Beiträge zur Verkehrsverlagerung.<br />
(2.) Bürgerbeteiligung: Es wurde bewertet, ob und<br />
wie BürgerInnen und/oder Verbände bei der<br />
Aufstellung der Anmeldelisten und bei einzelnen<br />
Projekten informiert und beteiligt wurden.<br />
Um die Akzeptanz von Infrastrukturprojekten zu<br />
verbessern und Diskussionen wie Stuttgart 21 zu<br />
vermeiden, fordert das BMVBS eine „gute Bürgerbeteiligung“,<br />
die „frühzeitig und kontinuierlich“<br />
erfolgen soll. 3 Bewertet wurden daher die Informationen<br />
über die <strong>Straßen</strong>anmeldungen im Internet<br />
oder in anderen Medien und ob die Öffentlichkeit<br />
bzw. die Verbände an der Aufstellung der<br />
Listen und an der Planung der einzelnen Projekte<br />
beteiligt wurden.<br />
(3.) Finanzierbarkeit: Es wurde bewertet, ob die<br />
Planung einem realistischen und finanzierbaren<br />
Projektvolumen entspricht.<br />
<strong>Die</strong> Anmeldungen der Länder sollen realistisch und<br />
finanzierbar sein. Sind sie das nicht, lösen sie hohe<br />
Bürokratiekosten aus, weil das BMVBS die Anforderungen<br />
an die Anmeldungen deutlich erhöht<br />
hat. Es müssen Grobtrassierungen entwickelt,<br />
detaillierte Schätzungen der Kosten bis hin zu einzelnen<br />
Ingenieurbauwerken vorgelegt werden,<br />
auch zu Alternativen und Varianten (z.B. Trassenvorschlägen<br />
Dritter) und deren Wirkungen<br />
beschrieben werden. Als unrealistisch und <strong>unfinanzierbar</strong><br />
wurden Anmeldungen bewertet, die<br />
mehr als um Faktor fünf über dem jährlichen<br />
Durchschnitt der Bedarfsplaninvestitionen dieser<br />
Länder von 2013-2016 liegen (laut aktualisiertem<br />
Haushaltsplan bzw. mittelfristigem Finanzplan<br />
vom Januar 2013 4 ) oder wenn der größte Teil der<br />
Projekte des „Weiteren Bedarfs“ 5 des BVWP 2003<br />
unverändert erneut angemeldet wurden. Dass<br />
diese Projekte, die es beim letzten Bedarfsplan<br />
4
unter wesentlich günstigeren finanziellen Rahmenbedingungen<br />
und laxen Prüfungskriterium<br />
(z.B. grobe, aber optimistische Kostenschätzungen)<br />
nicht in den vordringlichen Bedarf schafften, 2015<br />
reüssieren, ist extrem unwahrscheinlich.<br />
(4.) Naturschutz/Landschaftsschutz: Bewertet<br />
wurde, ob das Ziel „Begrenzung der Inanspruchnahme<br />
von Natur und Landschaft“ umgesetzt<br />
wurde.<br />
<strong>Die</strong> Grundkonzeption des BVWP 2015 gibt dies als<br />
Oberziel vor. Als abgeleitete Ziele bzw. Instrumente<br />
werden genannt: „Begrenzung des zusätzlichen<br />
Flächenverbrauchs“ und „kein weiterer Verlust<br />
unzerschnittener Räume“. Das bedeutet auf der<br />
Ebene einzelner Projekte die Umsetzung des Prinzips<br />
Vorrang von Ausbau vor Neubau. Daraufhin<br />
hat der BUND die Anmeldungen der Länder überprüft.<br />
(6.) Lärmminderung/Verbesserung der Lebensqualität<br />
in den Städten: Es wurde bewertet, ob die<br />
Planungen Lärm minimiert und die Ortsdurchfahrt<br />
bzw. den Ortskern entlasten.<br />
Der BUND hat die Länderanmeldungen danach<br />
überprüft, ob die Länder tatsächlich – wie vom<br />
BMVBS verlangt – bei den Anmeldungen eine<br />
Strategie zur Verbesserung der Lebensqualität in<br />
Städten verfolgten. Wurden beispielsweise Hotspots<br />
für Lärm und Konflikte in Ortsdurchfahrten<br />
ausgesucht oder beliebige Vorhaben dem BMVBS<br />
gemeldet? Auch wurde bewertet, ob die Länder<br />
Maßnahmen zur Beruhigung und Verbesserung der<br />
Aufenthaltsqualität an Ortsdurchfahrten – alternativ<br />
oder zusätzlich – prüften: Wurden Maßnahmen<br />
mit hohem Durchgangsverkehrsanteil und<br />
Entlastungspotenzial ausgewählt? Wurden Maßnahmen<br />
zur Reduzierung des Lärms bzw. des Aufkommens<br />
beim Ziel-/Quell-/Binnenverkehr damit<br />
kombiniert?<br />
(5.) Verbesserung der Verkehrssicherheit: Es wurde<br />
bewertet, ob sich die Länder mit diesem Thema<br />
auf der Ebene des Netzes oder der Projekte<br />
tatsächlich auseinandergesetzt haben.<br />
Der BUND hat untersucht, ob landesweite Unfallschwerpunkte<br />
z.B. mit Hilfe einer Schwachstellenanalyse<br />
des <strong>Bund</strong>esstraßennetzes ausgewählt<br />
wurden und ob die konkrete Planung der einzelnen<br />
<strong>Straßen</strong>bauvorhaben zielführende Maßnahmen<br />
zur Verbesserung der Planung ergreifen (z.B. durch<br />
eine Verkehrsberuhigung der Ortsdurchfahrt, Maßnahmen<br />
zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer).<br />
Der BMVBS verlangt generell von den Auftragsverwaltungen<br />
die Prüfung von Alternativen.<br />
Lösungen im Bestand des <strong>Straßen</strong>netzes kämen<br />
hier in Betracht. <strong>Die</strong> Verbesserung der Verkehrssicherheit<br />
ist eines der Oberziele des BVWP 2015.<br />
5
3. Ergebnisse: Es geht um mehr <strong>Straßen</strong>bau …<br />
Ursprünglich wollte der BUND aus dem Vergleich<br />
ein Länderranking kreieren. Da jedoch die meisten<br />
Länder insgesamt schlecht abschnitten, wurde<br />
vom Ranking Abstand genommen. Lediglich<br />
Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen und<br />
zum Teil Hamburg erfüllen einige der BVWP-Kriterien<br />
und setzen sich wenigstens mit den strategischen<br />
Zielen des <strong>Bund</strong>es fachlich auseinander.<br />
Aber auch in diesen vier Ländern gibt es gravierende<br />
Defizite. <strong>Die</strong> konkreten Verkehrsprobleme werden<br />
bei den einzelnen Projektplanungen auch dort<br />
nicht gelöst, Alternativen nicht geprüft. Insgesamt<br />
werden auch von den „besseren“ Ländern die<br />
„Oberziele“ des BVWP 2015 weder angemessen<br />
noch vollständig berücksichtigt. Es macht sich<br />
bemerkbar, dass <strong>Straßen</strong>verwaltungen planen, die<br />
wenig gewillt sind, von ihren seit Jahrzehnten verfolgten<br />
Varianten abzuweichen. Letztlich geht es<br />
primär darum, möglichst viele <strong>Straßen</strong>bauprojekte<br />
anzumelden und aus dem <strong>Bund</strong>eshaushalt finanziert<br />
zu bekommen. Aber: Ohne gut geplante Projekte<br />
kann kein guter BVWP 2015 entstehen.<br />
Das Gros der untersuchten Anmeldungen beachtet<br />
die Ziele der Grundkonzeption des BVWP 2015<br />
überhaupt nicht, sondern sammelt nur Projekte<br />
ein. Hier handeln die <strong>Straßen</strong>verwaltungen und die<br />
Politiker offenbar nach dem Motto „Quantität<br />
statt Qualität“ und hoffen auf eine schwache Rolle<br />
des BMVBS und seiner Gutachter bei der Auswahl<br />
der Vorhaben.<br />
Nach Prüfung des Vorgehens der Länder bei der<br />
Auswahl von <strong>Straßen</strong>bauprojekten für den BVWP<br />
2015-2030 kommen wir (trotz einiger Unterschiede)<br />
zu dem Ergebnis: Bis zum September müssen<br />
die <strong>Bund</strong>esländer ihre Anmeldelisten komplett<br />
überarbeiten. In Baden-Württemberg werden<br />
gerade die schriftlichen Stellungnahmen eingereicht,<br />
auf deren Grundlage die vorläufige Anmeldeliste<br />
überarbeitet wird. Ein vollständiger Neustart<br />
ist in neun Ländern notwendig: in Niedersachsen,<br />
Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt,<br />
Bayern, Sachsen, Schleswig-Holstein, dem Saarland,<br />
Berlin und Rheinland-Pfalz. Sonst bleibt dem<br />
BMVBS nichts anderes übrig, als den Ländern ihre<br />
Anmeldungen zurückzuschicken.<br />
3.1 Sammlung von Einzelprojekten statt sinnvolles<br />
Gesamtkonzept und Verlagerung auf umweltfreundliche<br />
Verkehrsträger<br />
Bei keiner der bisher überprüften <strong>Straßen</strong>bauplanungen<br />
der Länder ist ein Gesamtkonzept oder<br />
eine Ausrichtung auf die Ziele Klimaschutz- und<br />
Schadstoffminderung erkennbar. Verkehrsverlagerung<br />
auf die Schiene bzw. das See- oder Binnenschiff<br />
wird von keinem der Länder verfolgt. Weder<br />
bei der Investitionsstrategie insgesamt noch bei<br />
einzelnen <strong>Straßen</strong>projekten. Handlungsleitend<br />
scheint letztlich nur das Ziel der Länder, möglichst<br />
hohe Anteile von <strong>Straßen</strong>baumitteln des <strong>Bund</strong>es in<br />
das eigene <strong>Bund</strong>esland zu lenken. <strong>Die</strong>s widerspricht<br />
den Zielen des BVWP 2015-2030, Projekte<br />
aufgrund überregionaler Anforderungen und<br />
Bedarfe und nicht aufgrund regionaler Einzelinteressen<br />
zu realisieren.<br />
Auch auf der Ebene der Einzelvorhaben werden<br />
Verlagerungskonzepte selbst dort nicht verfolgt,<br />
wo teure Neubauvorhaben entbehrlich oder geringer<br />
dimensioniert werden könnten. Als Beispiel sei<br />
hier nur der Bau der A 20 von Bad Segeberg nach<br />
Westen bis zur niederländischen Grenze genannt.<br />
<strong>Die</strong> EU-Kommission verlangt Verlagerung „from<br />
road to sea“. Das wäre auch im Sinne der Ziele des<br />
BVWP 2015. <strong>Die</strong> beiden <strong>Bund</strong>esländer Schleswig-<br />
Holstein und Niedersachsen verfolgen aber genau<br />
die gegenteilige Strategie: Verlagerung „from sea<br />
to road“. Und das direkt nach der Eröffnung des<br />
6
… und nicht um die Lösung von Problemen 6<br />
Jade-Weser-Ports in Niedersachsen, der besonders<br />
gut für die Abwicklung von Kurzstrecken-Seeverkehren<br />
geeignet ist.<br />
Unzählige angemeldete Einzelprojekte aus den<br />
Ländern werden jedoch einen sinnvollen Auswahlprozess<br />
auf <strong>Bund</strong>esebene unmöglich machen.<br />
Weder eine Projektbewertung durch eine – ggf.<br />
verbesserte – Nutzen-/Kostenanalyse (NKA) noch<br />
durch eine – ebenfalls verbesserte – Umweltprüfungen<br />
können diese Versäumnisse nachträglich<br />
korrigieren. Im Gegenteil: <strong>Die</strong> neue Strategische<br />
Umweltprüfung (SUP) muss Umweltwirkungen der<br />
gesamten Investitionen auf Netzebene ermitteln<br />
und bewerten. Solche Netzkonzepte sind also<br />
unverzichtbar. Für den BVWP 2015 heißt dies:<br />
Keine einheitliche Logik, sondern ein Flickenteppich<br />
an Wunschlisten und verschiedener Regionalziele.<br />
Das macht deutlich: Will man das Problem des<br />
unstrukturierten, sinnlosen und umweltzerstörerischen<br />
Ausbaus des deutschen <strong>Straßen</strong>netzes an -<br />
gehen, dann braucht es eine zielgerichtete Projekt-<br />
und Netzentwicklung schon von Anfang an:<br />
bei der Auswahl von <strong>Straßen</strong>bauprojekten auf<br />
Landesebene.<br />
3.2 <strong>Intransparent</strong>e, inhaltsleere Projektlisten statt<br />
qualifizierter Beteiligung<br />
<strong>Die</strong> von <strong>Bund</strong>esverkehrsminister Peter Ramsauer<br />
angekündigte Bürgerbeteiligung (vgl. auch<br />
„Handbuch für eine gute Beteiligung“ 8 ) fand abgesehen<br />
von der Veröffentlichung der vorläufigen<br />
Anmeldelisten im Internet in den Ländern kaum<br />
Niederschlag. <strong>Die</strong> meisten Projektlisten entstammen<br />
Abfragen bei den Kommunen und <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen.<br />
Zwar wurden z.T. Stellungnahmen<br />
durch BürgerInnen zugelassen bzw. in Bayern<br />
auch dazu aufgerufen, doch fehlt eine substanzielle<br />
Information und Bewertungsgrundlage für diese<br />
Projekte. <strong>Die</strong> Projektlisten enthalten weder Kostenangaben<br />
noch weitere Planungsinformationen<br />
z.B. zur Trassenführungen oder Alternativen. Eine<br />
solche Beteiligung ist lediglich eine Pseudo-Beteiligung<br />
und wird den Ansprüchen sowohl des Verkehrsministeriums<br />
als auch uns Umweltverbänden<br />
nicht gerecht. Zu den einzelnen Projekten fanden<br />
keine Öffentlichkeitsbeteiligungen statt. Weil das<br />
BMVBS die Prüfung von Alternativen und deren<br />
Dokumentation in den Anmeldeunterlagen verlangt,<br />
ist eine Beteiligung an diesen Planungen vor<br />
Ort notwendig. Dass die <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen<br />
selbst die Alternativen definieren, erscheint hanebüchen.<br />
Unklar ist auch noch, ob und wie die<br />
Umweltverbände eigene Projekte bzw. Alternativen<br />
oder Varianten zu den Projekten der Länder<br />
auf dieser extrem dürftigen Informationsbasis<br />
anmelden können und sollen. Der BUND fordert<br />
Beteiligungsmöglichkeiten durch bessere Information<br />
und Transparenz auszuweiten.<br />
Im Vergleich zwischen den Ländern war die Beteiligung<br />
der Bürger in Bayern am intensivsten. <strong>Die</strong><br />
bayerische Staatsregierung rief die Bürger dazu<br />
auf, zu ihrer fast 400 Projekte umfassenden vorläufigen<br />
Anmeldeliste Stellung zu nehmen. <strong>Die</strong>se<br />
enthielt aber weder Kostenschätzungen noch weitere<br />
Planungsinformationen und präsentierte<br />
weder Alternativen noch Varianten. Auch Baden-<br />
Württemberg schneidet im Vergleich bei der Bürgerbeteiligung<br />
gut ab, da es ein Beteiligungsverfahren<br />
zur Feststellung der Priorisierungskriterien<br />
für <strong>Straßen</strong>bauplanungen durchführte. Allerdings<br />
mündete dieses Verfahren nicht in einer nachvollziehbaren<br />
reduzierten und umweltverträglichen<br />
Anmeldeliste. Grund dürfte in Baden-Württemberg<br />
der Druck der Kommunen und Lobbys nach<br />
mehr <strong>Straßen</strong> gewesen sein, die aus dem <strong>Bund</strong>eshaushalt<br />
finanziert werden und die Erwartung der<br />
7
<strong>Die</strong> BUND-Bewertung der <strong>Straßen</strong>bauvorhaben von 13 <strong>Bund</strong>esländern 7<br />
<strong>Bund</strong>esweite „Oberziele“ BMVBS<br />
Land<br />
Netzkonzepte<br />
Bürgerbeteiligung<br />
Finanzierbarkeit<br />
Natur- & Landschaftsschutz<br />
Verkehrssicherheit<br />
Entlastung Ortskerne, Lärm<br />
Gesamtwertung<br />
Baden-Württemberg ................................................<br />
Bayern ....................................................................................<br />
Berlin ....................................................................................<br />
Brandenburg ..................................................................<br />
Bremen ..................................................................................<br />
Hamburg ..............................................................................<br />
Niedersachsen (alte Regierung) ......................<br />
Nordrhein-Westfalen ..............................................<br />
Rheinland-Pfalz ..........................................................<br />
Saarland ..............................................................................<br />
Sachsen ................................................................................<br />
Sachsen-Anhalt ............................................................<br />
Schleswig-Holstein ....................................................<br />
7 Für Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen liegen noch keine Projektanmeldungen vor. <strong>Die</strong>s haben telefonische Nachfragen bzw.<br />
Gespräche mit/ in den zuständigen Ministerien ergeben. In Mecklenburg-Vorpommern wird laut Ministeriumsaussage eine eigene Vorauswahl<br />
und Vorprüfung durchgeführt werden.<br />
<strong>Die</strong> erst seit diesem Jahr amtierende rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, bei einigen Projekten<br />
von der vorläufigen Anmeldeliste der schwarz-gelben Vorgängerregierung abzuweichen und weitere Priorisierungen vorzunehmen. Eine genauere<br />
Strategie ist bis dato jedoch nicht festgelegt. Einzelbewertung der <strong>Bund</strong>esländer in Kurzdossiers siehe unter www.mobil-statt-verplant.de/studie<br />
8
Erläuterung der Bewertungskriterien und -maßstäbe<br />
Rot:<br />
Gelb:<br />
Grün:<br />
Netzkonzepte<br />
<strong>Straßen</strong>bauprojekte werden einzeln ohne Zusammenhang betrachtet<br />
<strong>Straßen</strong>bauprojekte werden zusammenhängend mit anderen Vorhaben betrachtet (inkl. Verkehrsmanagement),<br />
jedoch ohne verkehrsträgerübergreifende Planung (Schiene etc.)<br />
<strong>Straßen</strong>bauprojekte werden verkehrsträgerübergreifend betrachtet; Verkehrsverlagerungsziele berücksichtigt<br />
Rot:<br />
Gelb:<br />
Grün:<br />
Bürgerbeteiligung<br />
Keine oder unzureichende Information der Öffentlichkeit über geplante Projekte; kein Beteiligungsangebot<br />
unzureichende Information der Öffentlichkeit; Möglichkeit der Stellungnahme lediglich zu einer Gesamtanmeldeliste<br />
Qualifizierte Information und Beteiligungsangebot an BürgerInnen und Zivilgesellschaft zu Zielen und Projekten.<br />
Finanzierbarkeit<br />
Rot: Keine Kostenkontrolle; komplette Anmeldung der Projekte aus dem alten <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan 2003 der<br />
Projekt)<br />
Gelb: Deutlich geringeres Projekt-/Finanzvolumen als im alten <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan 2003<br />
Grün: Realistisches Projektvolumen: Voraussichtliche Einnahmen < als Faktor 5 übertroffen<br />
Rot:<br />
Gelb:<br />
Grün:<br />
Natur- und Landschaftsschutz<br />
Überlegungen zu Biodiversität und dem Schutz unzerschnittener Räume werden bei der Anmeldung<br />
nicht einbezogen<br />
Überlegungen zu Biodiversität und dem Schutz unzerschnittener Räume werden bei der Anmeldung in<br />
Einzelfällen einbezogen<br />
Biodiversität und der Schutz unzerschnittener Räume werden systematisch einbezogen<br />
Rot:<br />
Gelb:<br />
Grün:<br />
Verkehrssicherheit<br />
Verkehrssicherheit wird nicht näher untersucht; keine Analyse von Unfallschwerpunkten<br />
Verkehrssicherheit wird in Einzelfällen näher untersucht und hat Auswirkungen auf die Projektgestaltung<br />
Verkehrssicherheit wird systematisch einbezogen (Gesamtinvestitionen und Einzelprojekte)<br />
Rot:<br />
Gelb:<br />
Grün:<br />
Entlastung von Ortskernen und Lärm<br />
Keine konkrete Betrachtung der Entlastungswirkung von Projekten auf Ortskerne<br />
Untersuchung auf Entlastungswirkung und entsprechende Gestaltung der Maßnahmen bei einzelnen Projekten<br />
systematische Einbeziehung der Entlastungwirkung von Ortskernen bei den Gesamtinvestionen und einzelnen<br />
Projekten.<br />
9
Landesregierung, dass die Mehrzahl dieser Fälle<br />
auf der <strong>Bund</strong>esebene ohnehin „durchfallen“ werden.<br />
Auch in Bayern blieben trotz überwiegend<br />
kritischer Stellungnahmen zu fünf Projekten drei<br />
davon in der Anmeldeliste.<br />
3.3 Unfinanzierbare <strong>Straßen</strong>baulisten<br />
<strong>Die</strong> Kostenabschätzung für die Länderlisten steht<br />
nach wie vor in den meisten <strong>Bund</strong>esländern aus und<br />
muss bis September 2013 nachgeholt werden. Dann<br />
müssen präzise Kostenschätzungen auch für einzelne<br />
Ingenieurbauwerke sowie für Planungsalternativen<br />
und -varianten vorgelegt werden. Allerdings hat<br />
die bayerische Staatsregierung summarisch ge -<br />
schätzt, dass die Umsetzung ihrer Anmeldeliste mit<br />
400 Projekten 17 Milliarden Euro kosten würde. <strong>Die</strong><br />
Landesregierung Baden-Württemberg will 160 Projekte<br />
mit einem Gesamtvolumen von 9,4 Milliarden<br />
Euro einreichen. Das würde bedeuten, dass Bayern<br />
mehr als das Doppelte der gesamten Aus- und Neubaumittel<br />
für das gesamte <strong>Bund</strong>esgebiet für die<br />
Jahre 2015-2030 in Bayern verbauen will, Baden-<br />
Württemberg würde mehr als die gesamten Be -<br />
darfs planmittel des <strong>Bund</strong>esgebiets für die Realisierung<br />
seiner eigenen <strong>Straßen</strong>projekte benötigen.<br />
Insgesamt lässt sich mit der derzeitigen Zahl der<br />
einzureichenden <strong>Straßen</strong>bauvorhaben schätzen,<br />
dass die Ländern etwa zehnmal mehr Projekte planen,<br />
als sie im günstigsten Falle aufgrund des<br />
gegebenen Finanzrahmens des <strong>Bund</strong>es tatsächlich<br />
realisieren werden können.<br />
3.4 Natur und Landschaft kommen unter die Räder<br />
In keiner Anmeldung finden sich Aussagen, dass<br />
prinzipiell der Schutz unzerschnittener Räume,<br />
von Natura 2000-Gebieten, Biotopverbundachsen<br />
des <strong>Bund</strong>esamts für Naturschutz (BfN) oder anderen<br />
Verbundnetzen (Wildkatzennetz oder Wildwegenetze)<br />
beachtet wurde.<br />
Auch eine systematische Prüfung von Ausbau statt<br />
Neubau, insbesondere wenn solche empfindlichen<br />
Räume betroffen waren, fand offenbar nicht statt.<br />
Das zeigt sich z.B. an Großprojekten wie der Neubauplanung<br />
der A 14 Magdeburg – Wittenberge –<br />
Schwerin, die durch unzerschnittene Räume führt<br />
und wo der wegen des geringen Verkehrsaufkommens<br />
mögliche Ausbau der parallel verlaufenden B<br />
189 nicht erwogen wird.<br />
3.5 Ortsumgehungen: Keine Planung, die die Verkehrssicherheit<br />
tatsächlich verbessert<br />
Eine strategische Auswahl von Projekten zur Verbesserung<br />
der Verkehrssicherheit, z.B. durch<br />
Betrachtung von Unfallschwerpunkten, und eine<br />
detaillierte Betrachtung der einzelnen Planungen<br />
findet nur in Baden-Württemberg statt. Alle anderen<br />
Länder, die bisher angemeldet haben, begnügen<br />
sich mit der pauschalen Annahme, dass Ortsumgehungen<br />
prinzipiell die Verkehrssicherheit verbessern.<br />
In Wirklichkeit trifft das allerdings nur sehr<br />
eingeschränkt zu. Eine nachträgliche Überprüfung<br />
der Wirkung von Ortsumgehungen auf die Verkehrssicherheit<br />
zeigte, dass diese in etwa der Hälfte der<br />
Fälle eine negative Auswirkung auf die Verkehrssicherheit<br />
hatten. Eine Einzelfallbetrachtung und eine<br />
entsprechende Ausgestaltung der Planung ist daher<br />
unerlässlich. In Baden-Württemberg erfolgte als<br />
bisher einzigem Land eine eigene Bewertung und<br />
Priorisierung der <strong>Straßen</strong>projekte nach ihren Wirkungen<br />
auf die Verkehrssicherheit.<br />
10
3.6 Keine Strategie zur Lärmminderung und Verbesserung<br />
der Lebensqualität<br />
Auch der Aspekt Lärmminderung wurde weder<br />
strategisch noch auf der Ebene der einzelnen Projekte<br />
in die Planung einbezogen: Nur wenn der<br />
Durchgangsverkehr und die Lkw einen relativ<br />
hohen Anteil des Gesamtverkehrs ausmachen, leistet<br />
eine Ortsumgehung tatsächlich einen messund<br />
spürbaren Beitrag zur Lärmreduzierung. Ohne<br />
diese Angaben lassen sich Projekte nicht beurteilen.<br />
Gleiches gilt für das Ziel der Verbesserung der<br />
Lebensqualität in den Ortskernen. In den meisten<br />
Fällen sind zusätzliche Maßnahmen notwendig,<br />
um die Aufenthaltsqualität in den Ortsdurchfahrten<br />
zu verbessern. Von den bisherigen Anmeldungen<br />
stellt nur Baden-Württemberg hier tiefer<br />
gehende Überlegungen an.<br />
11
4. Fazit: Organisierte Unverantwortlichkeit<br />
<strong>Die</strong> meisten <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen geben auf<br />
Nachfrage zu, dass das Anmeldeverfahren reiner<br />
Wunschlisten unsinnig sei. <strong>Die</strong> notwendigen Streichungen<br />
sollen jedoch das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium<br />
und deren Gutachter verantworten.<br />
Auch das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium meint, mit<br />
Hilfe der Nutzen-/Kosten-Analyse ein objektives<br />
Verfahren zu besitzen, um die Spreu vom Weizen<br />
zu trennen und die Länder überzeugen zu können,<br />
chancenlose Projekte zu streichen. <strong>Die</strong> Vergangenheit<br />
lehrt jedoch, dass Ergebnisse der Nutzen-<br />
/Kosten-Analyse diese objektive Projektauswahl<br />
nicht leisten können. Das Verfahren ist stark<br />
abhängig von der Definition und der politischen<br />
Gewichtung der Nutzenfaktoren und bedeutet bei<br />
tausenden von Projekten einen enormen bürokratischen<br />
und finanziellen Aufwand. Im BVWP 2003<br />
wurden zwei Drittel des Projektnutzens durch<br />
Zeitgewinne (das sind vor allem höhere Geschwindigkeiten)<br />
verursacht. 9 Das soll sich beim BVWP<br />
2015 laut Aussage des BMVBS ändern. Das BMVBS<br />
hat die Auflagen erhöht und damit die Anmeldungen<br />
erschwert. Doch offenbar wirken sich die<br />
erhöhten Planungskosten nicht so aus, dass die<br />
<strong>Bund</strong>esländer weniger und gut begründete Projekte<br />
anmelden. Weiterhin scheint das Ziel zu sein,<br />
einen möglichst hohen Anteil der <strong>Bund</strong>eshaushaltsmittel<br />
in das eigene Land zu lenken, auch<br />
wenn nur ein geringer Teil der Projekte tatsächlich<br />
realisiert werden wird. Weil die Auftragsverwaltungen<br />
im Fernstraßenbau landeseigene Verwaltungen<br />
sind, erhalten die Länder nur im Fall der<br />
Realisierung eines Projekts 3 Prozent der Gesamtkosten<br />
als Planungspauschale erstattet. Das heißt<br />
die Länder finanzieren den Planungsaufwand für<br />
extrem viele Projekte, die dann doch nicht gebaut<br />
werden, durch eigene Steuergelder.<br />
12
5. Forderungen und Lösungsvorschläge des BUND:<br />
Wenn das BMVBS seine eigenen Ziele und Vorgaben<br />
ernst nimmt, muss es den Ländern die Anmeldungen<br />
Ende September 2013 fast vollständig<br />
zurückgeben und eine grundlegende Überarbeitung<br />
verlangen. <strong>Die</strong> Missachtung der Zielvorgaben<br />
des <strong>Bund</strong>es, das Fehlen von Netzüberlegungen, die<br />
mangelnde Ausschöpfung von Verlagerungsmöglichkeiten<br />
auf umweltfreundliche Verkehrsträger<br />
und von Entlastungspotenzialen in den Städten ist<br />
der eine, die unzureichende Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
und Alternativendiskussion der andere gravierende<br />
Mangel, der von den Ländern zu verantworten<br />
ist. Allerdings fehlen auch Vorgaben des<br />
<strong>Bund</strong>es, zum realistischen finanziellen Rahmen<br />
des nächsten <strong>Bund</strong>esverkehrswege- bzw. Fernstraßenbedarfsplans,<br />
zur Alternativenprüfung und ein<br />
klares Commitment zur Beteiligung der Bürger an<br />
der Erstellung der Anmeldelisten und der Planungsunterlagen.<br />
Bis Ende September 2013 sind diese Aufgaben<br />
nicht leistbar. Daher ist eine Verlängerung der<br />
Anmeldefristen bis mindestens zum Jahresende<br />
zwingend. Sonst wird der BMVBS und die künftige<br />
<strong>Bund</strong>esregierung überschüttet von einer Flut<br />
unausgereifter Projekte, aus denen dann die weniger<br />
schlechten ausgewählt und in einen Plan mit<br />
gesetzlichem Verbindlichkeitsanspruch gegossen<br />
werden. Das hilft nur der Bauindustrie, die an Projekten,<br />
die über das ganze Land verteilt wurden,<br />
bauen kann.<br />
Notwendig ist aber auch bundesweit ein neuer<br />
Planungsansatz, der Nachhaltigkeitsziele im Verkehr<br />
anstrebt. Das tut die Grundkonzeption des<br />
BVWP 2015 nicht, da sie der Philosophie anhängt,<br />
mehr Verkehr schaffe mehr Wirtschaftswachstum<br />
und die Infrastruktur müsse versuchen, diesem<br />
Wachstum zu folgen. Faktisch wächst der motorisierte<br />
Individualverkehr in Deutschland aber seit<br />
zehn Jahren nicht mehr. Im <strong>Straßen</strong>güterverkehr<br />
wächst nicht das Aufkommen, sondern es wachsen<br />
die Entfernungen. Der Transitverkehr durch ganz<br />
Deutschland ist das am stärksten wachsende Segment<br />
des <strong>Straßen</strong>güterverkehrs.<br />
Nachhaltiger Güterverkehr und Logistik heißt auf<br />
der europäischen Ebene eine bessere Arbeitsteilung<br />
der Seehäfen herbeizuführen und Güterverkehrsströme<br />
stärker zu regionalisieren. In Deutschland<br />
heißt es, wie vom BUND vorgeschlagen,<br />
Transitverkehre auf Seeschiffe zu verlagern (Short<br />
Sea Shipping, insbes. über den Jade-Weser-Port in<br />
Wilhelmshaven) und ein Netz in den Korridoren<br />
des Seehafen-Hinterlandes zu entwickeln, das Verkehre<br />
verlagern und die Oberziele des BVWP 2015<br />
erfüllen kann.<br />
In den Städten und Agglomerationen werden<br />
ebenfalls verkehrsträgerübergreifende Planungsansätze<br />
sowie eine stärkere Integration von Regional-<br />
bzw. Stadtplanung und Verkehrsplanung<br />
gebraucht. Nachhaltige Mobilitätsentwicklung<br />
bedeutet, ein Gesamtverkehrssystem zu entwickeln<br />
und langfristig auf kürzere Wege zu setzen.<br />
Nur so wird der Verkehr die langfristig nötigen<br />
Beiträge zu Klima- und Ressourcenschutz leisten.<br />
Langfristig wird schließlich eine Reform der <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen<br />
in den Ländern gebraucht.<br />
Heute sind sie offenbar nicht zu übergreifenden<br />
Verkehrsplanungen imstande. Darin dürfte ein<br />
Hauptgrund für die beobachtete Zielverfehlung<br />
und den pawlowschen Rückgriff auf die Routinelösung<br />
„mehr <strong>Straßen</strong>bau“ liegen. Erst die Aufhebung<br />
der „Versäulung“ und Isolation der <strong>Straßen</strong>bauverwaltungen<br />
wird den Schritt zu einer<br />
integrierten Verkehrsplanung, die diesen Namen<br />
verdient, ermöglichen.<br />
13
Kontakt und weitere Informationen:<br />
<strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz<br />
Deutschland e. V. (BUND)<br />
<strong>Bund</strong>esgeschäftsstelle<br />
Kontakt Arbeitskreis Verkehr:<br />
Richard Mergner<br />
BUND-Arbeitskreissprecher Verkehr<br />
Werner Reh, Verkehrsexperte<br />
Mitarbeit: Philipp Sitte<br />
Am Köllnischen Park 1<br />
10179 Berlin<br />
Tel: (09 11) 8 18 78 25<br />
richard.mergner@bund-naturschutz.de<br />
Tel. (0 30) 2 75 86-4 35<br />
werner.reh@bund.net<br />
www.mobil-statt-verplant.de<br />
1 Vgl. http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/bundesverkehrswegeplan-2015.html (10.5.2013).<br />
2 Vgl. http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/bundesverkehrswegeplan-2015-grundkonzeption.html?<br />
nn=35978 und BMVBS: Grundkonzeption für den <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan 2015. Bedarfsgerecht - transparent<br />
– herausfordernd. (Entwurf), Berlin 1. 1. 2013.<br />
3 BMVBS: Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor. Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung. Entwurf,<br />
Berlin 2012, S. 1: Viele Bürger „fühlen sich in Planungsprozesse nur unzureichend eingebunden und häufig<br />
schlecht informiert. Ziel der Politik muss deshalb sein, für eine transparente Planung zu sorgen, die die Bürger<br />
kontinuierlich und vor allem früh genug beteiligt, um noch Einfluss auf die Planung nehmen zu können.“<br />
4 <strong>Die</strong> Mittelerhöhung 2013 durch das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm (IBP II), die fast ausschließlich<br />
für <strong>Straßen</strong>bau und darunter Neubau verwendet wurden, sind hier eingeschlossen.<br />
5 Nur die Maßnahmen des „Vordringlichen Bedarfs“ dürfen im Geltungszeitraum weiter geplant und wenn<br />
Finanzmittel vorhanden sind, umgesetzt werden, nicht die des „Weiteren Bedarfs“.<br />
6 Vgl. dazu die Bericht zu einzelnen Ländern in Kurzdossiers unter www.mobil-statt-verplant.de/studie<br />
7 Noch keine Projektlisten liegen vor: Thüringen, Hessen (gemäß Telefonat sehr wenig ambitioniert) und Mecklenburg-Vorpommern<br />
(nach Telefonat und Gespräch mit/im Ministerium: eigene Vorauswahl und Vorprüfung<br />
wird durchgeführt). Rot-Grüne Regierung Niedersachsen: Festlegung bei einigen Projekten, von der vorläufigen<br />
Anmeldeliste abzuweichen (Alternativenprüfung z. B. A 39) und weitere Priorisierungen vorzunehmen.<br />
Aber noch keine Strategie festgelegt).<br />
8 BMVBS: Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung. Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor (November<br />
2012).<br />
9 Vgl. BUND-Schwarzbuch Fernstraßenbau, Berlin 2004, S. 20.<br />
14
Anlage 1:<br />
Einzelbewertung der <strong>Bund</strong>esländer in Kurzdossiers siehe unter<br />
www.mobil-statt-verplant.de/studie<br />
15
BADEN-WÜRTTEMBERG:<br />
Weniger ist nicht genug<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 161 (vorläufige Anmeldeliste)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 258<br />
Kosten Anmeldungen Baden-Württemberg BVWP 2015: 9,4 Milliarden Euro<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 95 Mio. Euro pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Das grün-rot geführte Baden-Württemberg schneidet bei der Bewertung der Anmeldelisten zwar besser ab als<br />
die anderen Länder. Seine vorläufige Anmeldeliste ist aber von einer „guten“ Lösung im Sinne der Kriterien der<br />
Grundkonzeption des BVWP 2015 noch weit entfernt. Das Land hat 160 <strong>Straßen</strong>projekte zusammengestellt mit<br />
Kosten von 9,4 Milliarden Euro. Beim derzeitigen Finanzplan des <strong>Bund</strong>es würde eine Realisierung dieser Projekt<br />
über 90 Jahre dauern (ohne Preissteigerung). <strong>Die</strong>se Liste liegt also, wie bei allen anderen Ländern auch, fernab<br />
jeglicher Realisierbarkeit. Allerdings sollen die Projekte innerhalb dieser Liste noch priorisiert werden, bevor sie<br />
zum BMVBS geht. Bis zum 15.5. konnten die Verbände Stellungnahmen einreichen. <strong>Die</strong>se sollen noch berücksichtigt<br />
werden. Bewertet werden konnte in diese Studie daher nur die bisher vorliegende Liste.<br />
Viel mehr Mühe als die anderen Länder gibt sich das Stuttgarter Ministerium mit der Beteiligung der Öffentlichkeit<br />
und den Verbänden: Auf den Regionalkonferenzen hatten die Kommunen, die Wirtschaft und die Umweltverbände<br />
Gelegenheit die Anmeldungen in ihren Regierungsbezirken zu kommentieren und diskutieren. Ebenso<br />
ist aus Sicht des BUND zu begrüßen, dass Baden-Württemberg als einziges Land dezidiert auf die Vorgaben<br />
der neuen (vorläufigen) BVWP-Grundkonzeption eingeht. <strong>Die</strong>s wurde vor allem im Rahmen einer Priorisierungsstrategie<br />
gemacht. Dabei wurden anhand der Kriterien des BMVBS („Oberziele der Grundkonzeption“) die dringendsten,<br />
realistischsten und verträglichsten Projekte herausgearbeitet. Mehr kann sowieso nicht finanziert<br />
werden. <strong>Die</strong> Frage bleibt, wieso die verbleibenden Projekte trotzdem angemeldet wurden.<br />
Positiv ist zudem, dass es bei der Auswahl der Projekte eine relative enge Anknüpfung an die Oberziele der<br />
Grundkonzeption des BVWP gibt: Das Kriterium Umwelt ist recht vollständig, sollte allerdings zusätzlich noch<br />
„Taburäume“ festlegen und landesweite Biotopverbünde berücksichtigen. Auch die Lärmminderung in Ortsdurchfahrten<br />
durch Umgehungsstraßen hat Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Ländern gut<br />
berücksichtigt. Zusätzliche Prüfungen finden auf <strong>Bund</strong>esebene statt.<br />
Beim Kriterium „Verkehrssicherheit“ konzentriert sich das Land allerdings ausschließlich auf eine Analyse des<br />
<strong>Straßen</strong>bestandes und nimmt hohe Sicherheitsgewinne durch den Bau von Ortsumfahrungen an. Dabei werden<br />
Alternativen wie verkehrsregelnde Maßnahmen, Verkehrsberuhigung, <strong>Straßen</strong>raum-umgestaltung und Tempolimits<br />
im Bestand vernachlässigt.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Zu kritisieren ist darüber hinaus, dass – die einzelnen Projekte betreffend – eine Alternativenprüfung, die Verkehrsmanagement<br />
und Schienenlösungen statt <strong>Straßen</strong>bau in den Blick nimmt, nicht stattfand. Wenigstens<br />
scheint sich das Ministerium für Infrastruktur gemäß eigener Aussage einem verkehrsträgerübergreifenden<br />
Ansatz nicht völlig zu verstellen. Positiv ist auch, dass jeweils die Netzfunktion der einzelnen Projekte bewertet<br />
wurde und eine Bündelung von Verkehren auf Achsen angestrebt wird. Allerdings wurde die Auswirkung u.a.<br />
auf andere umweltfreundlichere Verkehrsträger sowie eine Zunahme von Verkehrsströmen durch die Vorhaben<br />
außer Acht gelassen. Daher fehlen positive Klimaschutz- oder Emissionsminderungseffekte. Auch das Leitbild<br />
„nachhaltige Logistik“ bzw. „nachhaltige Mobilität“ spielt in Baden-Württemberg keine Rolle.<br />
Insgesamt ist die geplante Anmeldeliste qualitativ wie quantitativ ein Fortschritt im Vergleich zum BVWP 2003,<br />
bleibt im Ergebnis jedoch enttäuschend. Das Bedarfsvolumen ist unrealistisch und Beiträge zu Klimaschutz und<br />
nachhaltiger Mobilität fehlen. Bis zur endgültigen Anmeldung benötigt es noch dringend Änderungen.<br />
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BAYERN:<br />
Neue <strong>Straßen</strong> will das Land<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: Anmeldeliste mit 398 Projekten<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 328<br />
Kosten Anmeldungen Bayerns für den BVWP 2015: Über 17 Milliarden Euro<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: durchschn. 105 Mio. Euro pro Jahr<br />
<strong>Die</strong> vom bayerischen Ministerrat am 12. 3. 2013 beschlossene Anmeldeliste bricht alle Rekorde: 398 einzelne<br />
<strong>Straßen</strong>wünsche sollen nach Berlin gemeldet werden. Ein System hinter der Auswahl lässt sich nicht erkennen,<br />
die Projekte erscheinen bis auf wenige Schwerpunktsetzungen willkürlich über das Land verteilt. Eine Schwachstellenanalyse<br />
des bayerischen Fernstraßennetzes wurde nicht durchgeführt. Netzkonzepte oder Überlegungen<br />
zu Verkehrsverlagerung oder des Verkehrsmanagements wurden nicht verfolgt.<br />
Beim Thema Bürgerbeteiligung wirkt das Land im Vergleich zu anderen Ländern durchaus fortschrittlich: Bürger<br />
konnten schriftlich weitere Projekte fordern oder ihre Meinung zur vorläufigen Anmeldeliste äußern. Grundlage<br />
war eine im Internet veröffentlichte Liste, die die Fernstraßenprojekte aufreihte aber keine weiteren Informationen<br />
enthielt. Als Ergebnis der Beteiligung führt die Liste vom 12. März elf zusätzliche Vorhaben auf. Das für<br />
Fernstraßenbau zuständige Innenministerium nahm zur Kenntnis, dass einige wichtige Projekte, exemplarisch<br />
die Westtangente Würzburg, die B15n nördlich von Rosenheim oder die Nordtangente Passau, abgelehnt werden.<br />
Doch letztendlich blieben all diese Projekte trotzdem in der Anmeldeliste Bayerns. Nur bei der Fichtelgebirgsautobahn<br />
wurde auf die Neubauvariante verzichtet. Daneben wurde noch die seit 1971 geplante A 99 (Südring<br />
München) gestrichen. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung über die Ziele und Schwerpunkte der Liste sowie mögliche<br />
Alternativen fand nicht statt. Ebenso wenig wurde Gelegenheit geboten, über einzelne Planungen öffentlich<br />
zu diskutieren.<br />
<strong>Die</strong> Kosten der Anmeldungen Bayerns sind exorbitant: <strong>Die</strong> knapp 400 <strong>Straßen</strong> haben ein finanziellen Gesamtbedarf<br />
von 17 Milliarden Euro. <strong>Die</strong>s bedeutet angesichts der verfügbaren Aus- und Neubaumittel in Bayern,<br />
dass die Umsetzung dieser Vorhaben rund 160 Jahre dauern würde<br />
Ein klares Bekenntnis zu einer zielorientierten Auswahl von <strong>Straßen</strong>bauvorhaben und Priorisierung von Maßnahmen<br />
gibt es in Bayern nicht. Auch Alternativenprüfungen wurden nicht durchgeführt. Zwar werden in der<br />
Liste bei acht Projekten „Alternativen“ aufgeführt; es handelt sich aber de facto nicht um Alternativen zum<br />
<strong>Straßen</strong>bau im Sinne des BMVBS sondern um Trassenvarianten für Neubauprojekte. In keinem Fall werden Ausbau<br />
statt Neubau oder Lösungen im Bestand geprüft. <strong>Die</strong> Oberste Baubehörde Bayerns antwortet ausweichend<br />
auf Anfragen des BUND: Anstatt selbst Alternativen vorzulegen verweist die Behörde an das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium,<br />
das letztendlich die Bewertung der Anmeldungen vornehmen wird, übersieht aber, dass auf <strong>Bund</strong>esebene<br />
keine Alternativplanungen entwickelt werden können.<br />
<strong>Die</strong> Oberziele aus der Grundkonzeption des <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplans (also Natur- und Landschaftsschutz, Verkehrssicherheit,<br />
Entlastung der Innenstädte und Lärmminderung) sind nach eigener Aussage der Obersten Baubehörde<br />
bei der Auswahl der <strong>Straßen</strong>bauvorhaben „nicht gezielt betrachtet“ worden.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BERLIN:<br />
Metropole in der <strong>Straßen</strong>falle<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 3<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 9<br />
Kosten Anmeldungen Berlins für den BVWP 2015: Keine Angaben: Kosten A 100 ca. 1 Mrd. €<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 62 Mio. Euro pro Jahr<br />
In Berlin geht es vor allem um ein Projekt: den Weiterbau der A 100 vom Dreieck Neukölln bis zur Frankfurter<br />
Allee. Das klingt erst einmal überschaubar. Es handelt sich jedoch um eines der umstrittensten und fragwürdigsten<br />
Projekte im gesamten <strong>Bund</strong>esgebiet. Ebenso ist es mit Abstand der bundesweit teuerste Autobahnabschnitt.<br />
Das Projekt wird ausführlich im Ende Februar vom BUND veröffentlichten „Dusseligen Dutzend“ beschrieben.<br />
Es steht exemplarisch für eine verfehlte Politik auf allen Verwaltungsebenen. Probleme werden nicht gelöst,<br />
Alternativen nicht ernsthaft geprüft, die immensen Kosten spielen keine Rolle. Es gibt massiven Widerstand<br />
der Bevölkerung im Süden Berlins, der übergangen wird. <strong>Die</strong> Anmeldung der A 100 widerspricht jeder zeitgemäßen<br />
innerstädtischen Verkehrspolitik.<br />
Voraussichtlich mehr als eine Milliarde Euro sollen in die A 100 fließen. Auf der anderen Seite fehlt in Berlin<br />
Geld zum Erhalt des vorhandenen <strong>Straßen</strong>netzes für besseren Lärmschutz, zum Ausbau von <strong>Straßen</strong>bahnverbindungen<br />
sowie Radwegen und zur Sanierung von U- und S-Bahn. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen<br />
der Neuanmeldung fand nicht statt und ist bisher auch nicht vorgesehen. Beiträge zu den Oberzielen des<br />
BVWP 2015 sind nicht zu erwarten, da die A 100 Verkehr auf die Straße verlagern und daher die Emissionen<br />
sowie den Lärm erhöhen und die Verkehrssicherheit nicht verbessern wird.<br />
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Wappen des Landes Brandenburg<br />
David Liuzzo 2006<br />
BRANDENBURG:<br />
Viele <strong>Straßen</strong> –<br />
aber mit System<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 91 (Entwurf, 7.12.2012)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 157<br />
Kosten Anmeldungen Brandenburgs für den BVWP 2015: Nicht berechnet<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 23 Mio. pro Jahr (Durchschnitt)<br />
In Brandenburg gibt es im Vergleich zu den anderen Ländern aus Sicht des BUND innovative Ansätze. Von einem<br />
optimalen Anmeldeprozess kann jedoch auch hier nicht die Rede sein. Immerhin spricht Infrastrukturminister<br />
Vogelsänger Klartext: „Mit der Entscheidung für das transparente Beteiligungsverfahren verbinde ich den<br />
Anspruch, dass aus der Brandenburger Bedarfsanmeldung kein beliebiger Weihnachtswunschzettel, sondern<br />
eine Aufstellung realistischer und finanzierbarer Schwerpunktprojekte wird“. Zudem machen sich die Planer in<br />
Brandenburg hinsichtlich eines Netzkonzepts Gedanken und lassen so Priorisierungen erkennen. Ebenso wurde<br />
laut Auskunft des Ministeriums eine „Schwachstellenanalyse“ vorgenommen. Bei der Anmeldung von Schienenprojekten<br />
zeigt Brandenburg, dass Verkehr verlagert und <strong>Straßen</strong> entlastet werden sollen – insbesondere<br />
in der Region um Berlin. Ziel sei es, „keinesfalls mehr Verkehr zu erzeugen“.<br />
Bescheidene Ansätze auch bei der Bürgerbeteiligung: Bürger konnten zu den Projekten Kommentare abgeben<br />
und schriftlich Kritik äußern – allerdings nur via E-Mail. Zu bemängeln ist auch, dass das Land selbst keine<br />
Alternativenbewertung vornimmt, sondern auf das <strong>Bund</strong>esministerium verweist. Das BMVBS aber kann keine<br />
Alternativplanungen entwickeln, sondern nur die vorgelegten Projekte bewerten. Es gäbe in Brandenburg noch<br />
massives Streichpotential, auch wenn es, so die Aussage im Ministerium, zumindest „Überlegungen“ zu Projektalternativen<br />
gibt. Auch wenn das Land die Gesamtzahl der <strong>Straßen</strong>bauvorhaben deutlich reduziert hat,<br />
lesen sich die geplanten Projekte so weiterhin wie ein „Wunschzettel“.<br />
Als einziges der 13 untersuchten <strong>Bund</strong>esländer gibt Brandenburg klare Bekenntnisse zum Naturschutz: „Schutzgebiete<br />
werden von Anfang an berücksichtigt“, was in Anbetracht der zahlreichen unzerschnittenen und verkehrsarmen<br />
Räume in Brandenburg von besonderer Bedeutung ist. Das Thema Verkehrssicherheit wird in Einzelfällen<br />
herangezogen. Zur Lärmentlastung gibt es dagegen keine Landesstrategie.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BREMEN:<br />
Ungenutzte<br />
Beteiligungschancen<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 7<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 10<br />
Kosten Anmeldungen Bremens für den BVWP 2015: nicht berechnet<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 4 Mio. pro Jahr (Durchschnitt)<br />
In Bremen verläuft die Auswahl der Projektanmeldungen zum <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan recht diffus und<br />
undurchsichtig. Gerne wird im Fachbereich Verkehr des Bremer Senats auf das städtische Verkehrsentwicklungskonzept<br />
verwiesen. Das sei intensiv mit den Bürgern besprochen worden, es fänden laufend „Treffen mit<br />
verschiedenen Gruppen“ statt. In der Tat war die Öffentlichkeitsbeteiligung via Internet vorbildlich mit seiner<br />
Kombination von Online- und Offline-Aktivitäten (vgl. www.bremen-bewegen.de). Eine ähnliche Beteiligung<br />
zur Vorauswahl der Projekte für den <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan hat aber nicht stattgefunden.<br />
Auf Umwelteinflüsse der anzumeldenden Projekte wird nicht explizit eingegangen. Im Vergleich zum BVWP<br />
2003 sollen für den BVWP 2015 zumindest keine neuen Projekte angemeldet werden. <strong>Die</strong> geplanten sieben<br />
Projekte erscheinen im Verhältnis zur Größe des Landes jedoch immer noch unrealistisch und beinhalten einige<br />
überflüssige Vorhaben – wie beispielsweise die A 27 (Ausbau Bremen/Vahr – Bremer Kreuz) oder die A 27 (6-<br />
streifiger Ausbau HB/Überseestadt – Bremen/Vahr).<br />
In Bremen ist man sich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bewusst, dass das <strong>Bund</strong>esverkehrsministerium<br />
umfangreiche planerische Vorleistungen verlangt. Allerdings besteht auch im Stadtstaat das Dilemma, dass ein<br />
einmal auf dem Papier stehendes Projekt schwer zu stoppen ist. Denn „bei 7 Projekten sind die Maßnahmen<br />
für eine Alternativen- und Variantenbetrachtung bereits zu weit fortgeschritten“, so die Aussage im Fachbereich<br />
Verkehr des Senats. Das ist aber letztlich die Anwendung des TINA-Prinzips (There Is No Alternative) und schließt<br />
die Bürger dann doch vom relevanten Teil der Entscheidung über die städtische Infrastruktur aus.<br />
Fazit: Auch in Bremen wird übersehen, dass die angemeldeten Projekte auf ihre Übereinstimmung mit den bundesweiten<br />
BVWP-Zielen geprüft werden müssen und Alternativen bzw. Varianten zu den offiziellen Projekten<br />
einbezogen werden müssen.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
<strong>Die</strong> Lösung des HAMBURGer<br />
Knotens: Straße oder Schiene?<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 4 (26.2.2013)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 8<br />
Kosten Anmeldungen Hamburgs für den BVWP 2015: Keine Kosten angegeben<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 5 Mio. pro Jahr (Durchschnitt)<br />
In Hamburg stellt der Senat vergleichsweise umfangreiche Überlegungen zu den Projekten für den <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan<br />
an. Es wurde sich verkehrsträgerübergreifend Gedanken gemacht, das heißt, dass die Bahn<br />
parallel mitbetrachtet wurde. Alle Anmeldungen sind in einem Dokument an die Hamburger Bürgerschaft enthalten.<br />
Allerdings ist keine Beteiligung der Bürgerschaft vorgesehen, sondern nur eine Kenntnisnahme. Auch<br />
eine Bürgerbeteiligung ist nicht vorgesehen.<br />
Auf viele alte Projekte aus dem alten BVWP von 2003 wird ausdrücklich verzichtet. <strong>Die</strong> Zahl der angemeldeten<br />
Vorhaben hat sich im Gegensatz zu 2003 von 8 auf 4 halbiert. Insgesamt setzt Hamburg zwar auf die Maxime<br />
„Ausbau statt Neubau“. Einzelprojekte, z.B. der Neubau der A 26, sollten vor dem Hintergrund knapper Finanzmittel<br />
und der Umwelteingriffe aber nochmal auf den Prüfstand kommen.<br />
Hamburg überrascht mit einer klaren Perspektive zur Verlagerung von Verkehr auf die Scheine. Dazu wurde<br />
eine Verbesserung der Schienen-Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens angemeldet – wie beispielsweise<br />
für den genannten „Ostkorridor“ (Hamburg – Uelzen – Stendal – Magdeburg – Leipzig – Hof – Regensburg),<br />
der mehr Güterverkehr vom LKW auf die Schiene bringen könnte.<br />
Unverständlich ist, dass an Absprachen mit den anderen norddeutschen Ländern zu den Planungen im Hamburger<br />
Umland (A 20 und A 21) festgehalten wird, die teilweise auf Untersuchungen aus den 1980er Jahren stammen.<br />
Gerade auch vor dem Hintergrund der Hamburger Ausbaumaßnahmen erscheinen diese überflüssig. So würde<br />
der 6- bzw. 8-spurige Ausbau der A 7 nach Norden eine Alternative zum Weiterbau der A 20 darstellen. Hier<br />
fehlt die Bereitschaft, länderübergreifend neu zu denken und sich auf die veränderten finanziellen Rahmenbedingungen<br />
einzustellen.<br />
<strong>Die</strong> bundesweiten BVWP-Ziele (wie z.B. Naturschutz, Lärmminderung, Verkehrssicherheit) fanden in der<br />
Anmeldung Hamburgs keinerlei Berücksichtigung.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
HESSEN<br />
Anmeldeliste liegt<br />
noch nicht vor<br />
Auch in Hessen gibt es noch nichts Konkretes. Es scheint aber so vorgegangen wie im Rest der Republik –<br />
<strong>planlos</strong>. <strong>Die</strong> Behauptung des hessischen Verkehrsministeriums, die Länder hätten „keine Möglichkeiten“ im<br />
Anmeldeverfahren, ist falsch. <strong>Die</strong> Länder sind für die Planung verantwortlich. Nur wenn sie diese gut machen,<br />
werden die Projekte die angestrebten Ziele erreichen. Außerdem wird von ihnen zu Recht die Prüfung von Alternativen<br />
verlangt. Hier macht man es sich mit Verweis auf den <strong>Bund</strong> sehr einfach. So verwundert es nicht, dass<br />
kein Netzgedanke die Auswahl bestimmt, sondern Städte und Gemeinden gefragt wurden, „was sie haben wollen“,<br />
wie es im Wiesbadener Ministerium heißt. Hinzu komme der „Pool des (alten; Anm. BUND) Bedarfsplans“.<br />
Symptomatisch ist, dass die Industrie- und Handelskammern explizit angeschrieben wurden und nach ihren<br />
Wünschen gefragt wurden, die Umweltverbände jedoch nicht derart frühzeitig kontaktiert und eingebunden<br />
wurden.<br />
Copyright BUND – <strong>Bund</strong> für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
Anmeldeliste liegt<br />
noch nicht vor<br />
In Mecklenburg-Vorpommern ist noch keine vorläufige Liste einsehbar. Das, was aus dem Ministerium zu hören<br />
ist, weckt Hoffnung. Es gibt ein Bekenntnis zu einer Gesamtnetzbetrachtung, es gehe „nicht um Einzelprojekte“.<br />
Ebenso wird eindeutig gesagt, dass großer Wert auf eine Alternativenbetrachtung gelegt werde. <strong>Die</strong> einzelnen<br />
Projekte sollen einer Nutzen-/Kosten-Betrachtung unterworfen werden. Zudem soll die Öffentlichkeit miteingebunden<br />
werden. Man hat die Erkenntnis, dass „in Mecklenburg-Vorpommern andere Ansätze notwendig sind“.<br />
„Der Verkehr wächst nicht so drastisch wie anderswo“, heißt es im Ministerium. Eine Einsicht, die selbstverständlich<br />
sein müsste, welche aber zum Beispiel Sachsen-Anhalt vermissen lässt.<br />
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Schneller durch:<br />
Transitland NIEDERSACHSEN<br />
(Anmeldung schwarz-gelbe Regierung vom Dezember 2012):<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 241 (vorläufige Anmeldeliste)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 204<br />
Kosten Anmeldungen Niedersachsens für den BVWP 2015: Nicht berechnet<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 59 Mio. Euro pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Bereits im August 2012, rechtzeitig vor der Landtagswahl im Januar 2013, hat das Landesverkehrsministerium<br />
eine vorläufige Anmeldeliste mit über 200 Fernstraßenprojekten im Internet veröffentlicht. <strong>Die</strong>se auch von der<br />
<strong>Straßen</strong>verwaltung als „Wunschliste“ titulierte Zusammenstellung enthielt praktisch alle noch nicht realisierten<br />
Projekte des Vordringlichen und des Weiteren Bedarfs des letzten BVWP 2003 bzw. Fernstraßenbedarfsplans<br />
2004. Auf drei Regionalkonferenzen mit den Trägern öffentlicher Belange und den regionalen Industrie- und<br />
Handelskammern wuchs diese Liste weiter an auf mittlerweile 241 <strong>Straßen</strong>projekte. <strong>Die</strong> Umweltverbände wurden<br />
zu den Regionalkonferenzen nicht eingeladen. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist weder bei den Anmeldelisten<br />
noch bei den einzelnen Projekten vorgesehen. Kurz vor Weihnachten 2012 wurde diese überdimensionierte<br />
Liste der <strong>Straßen</strong>projekte von der damaligen Landesregierung persönlich an <strong>Bund</strong>esverkehrsminister Ramsauer<br />
übergeben.<br />
Verkehrsträgerübergreifende Strategien, Netzplanungen und eine gezielte Auswahl oder Gestaltung der Vorhaben<br />
zur Umsetzung der Oberziele des <strong>Bund</strong>es fand nicht statt. <strong>Die</strong> vorläufige Projektliste war bereits Monate vor<br />
der Veröffentlichung der Grundkonzeption des <strong>Bund</strong>es fertig. Keines der Ziele der Grundkonzeption bzw. der<br />
gesetzlichen Vorgaben wurde miteinbezogen. Auf den Schutz der Biodiversität und der unzerschnittenen Räume<br />
wurde keinerlei Rücksicht genommen (vgl. die Planungen der A 39 Lüneburg – Wolfsburg oder die Weiterführung<br />
der A 20 von der geplanten Elbquerung bei Glückstadt/Drochtersen nach Westen). Eine strategische Auswahl<br />
von Projekten fehlt, ebenso ein nähere Betrachtung des Aspekts Verkehrssicherheit. Auch das Ziel der Lärmminderung<br />
und Verbesserung der Lebensqualität in den Städten wurde nicht näher überprüft. Stattdessen<br />
wurden meist auch die Projekte des Weiteren Bedarfs des BVWP 2003 wieder angemeldet, die bereits vor zehn<br />
Jahren gescheitert waren.<br />
Der neue Landesverkehrsminister hat bekräftigt, dass die niedersächsische Verkehrspolitik auf die „strategischen<br />
Elemente Erhalt vor Neubau, optimierte Nutzung vorhandener Kapazitäten, Engpassbeseitigung und Stärkung<br />
intermodaler Knoten und des Kombinierten Verkehrs“ ausgerichtet sein soll. Und: „Soweit noch möglich, soll die<br />
laufende Neuaufstellung des <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplans auch dazu genutzt werden, einen Schwerpunkt beim Ausbau<br />
der Infrastrukturen der umweltverträglichen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße zu setzen“.<br />
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<strong>Die</strong> neue Landesregierung betrachtet die Listen für die BVWP-Teile Straße und Schiene lediglich als Abgabe<br />
einer Absichtserklärung gegenüber dem <strong>Bund</strong> und nicht als formale Anmeldung niedersächsischer Verkehrsprojekte.<br />
Gemäß niedersächsischer Koalitionsvereinbarung sollen Alternativenprüfungen für die A 20 und A 39<br />
erfolgen und auch angemeldet werden. Ebenso sollen 65 Einzelprojekte, hauptsächlich Ortsumgehungen, daraufhin<br />
überprüft werden, ob sie tatsächlich angemeldet werden sollen – bei diesen war nicht klar, ob sie von den<br />
betroffenen Kommunen überhaupt gewünscht werden.<br />
.
NORDRHEIN-WESTFALEN:<br />
Rot-grünes <strong>Straßen</strong>bau-Chaos<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 330 (vorläufige Anmeldeliste)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 245<br />
Kosten Anmeldungen NRW für den BVWP 2015: nicht berechnet<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 130 Mio. Euro pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Rund 330 Fernstraßenprojekte will das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen zum BVWP 2015 anmelden.<br />
<strong>Die</strong>se exorbitante Zahl ist das Ergebnis des Aufstellungsverfahrens des Landesverkehrsministeriums. <strong>Die</strong>ses<br />
befragte die Regionalräte nach ihren Wünschen. <strong>Die</strong> Regionalräte kamen dieser Aufforderung dankbar nach<br />
und übertrafen sich gegenseitig mit Vorschlägen. Das Ministerium verzichtet auf jegliche Systematik beim Verfahren,<br />
auch auf Erläuterungen der Ziele des Landes und des <strong>Bund</strong>es oder auf finanzpolitische Zwänge. Auf<br />
Nachfrage gibt es den Hinweis, dass man nicht wisse, welche Maßstäbe anzusetzen seien. <strong>Die</strong> Regierung will<br />
„möglichst diskussionsfähig bleiben“ und verfolgt so die Maßnahmen einfach weiter. Das Ministerium macht<br />
es sich einfach, wenn es sagt: „Wir würden gerne aussortieren, wissen aber nicht wie, ohne uns angreifbar zu<br />
machen“. Es drängt sich auf, dass schlicht der „Schwarze Peter“, der das Projekt aufgrund Sinnlosigkeit und<br />
Unrealisierbarkeit absagen muss, dem <strong>Bund</strong>esministerium zugeschoben werden soll. Ungenügend ist auch, dass<br />
Alternativen nicht von vorneherein mitbetrachtet werden sollen, sondern erst in der Detailplanung. Eine systematische<br />
Berücksichtigung von Umweltthemen wie Schutz von Biodiversität und Verhinderung der Zerschneidung<br />
unzerschnittener Räume (v.a. in der Eifel) fehlt ebenso wie das Ziel, mehr Verkehrssicherheit zu schaffen<br />
und die städtische Lebensqualität zu verbessern. Alternativen wurden in keinem Fall geprüft.<br />
<strong>Die</strong> Aussage, dass eine Öffentlichkeitsbeteiligung „keinen Sinn“ mache und man „die Bürger nicht verwirren“<br />
wolle, ist nicht nachvollziehbar. Es verwundert bei der gesamten Vorgehensweise nicht, dass kein durchdachtes<br />
Netz im Hintergrund der Auswahl steht. Es wird zudem im Ministerium zugegeben, dass die Vorgaben der<br />
Grundkonzeption des BMVBS „nicht im Detail geprüft“ wurden. Immerhin wird im Gespräch mit dem Ministerium<br />
deutlich, dass dort das Prinzip „Erhalt vor Ausbau vor Neubau“ durchaus unterstützt und vom Landesverkehrsminister<br />
zum Thema gemacht wird. Doch was nützt dies, wenn am Ende doch das Gegenteil herauskommt: Eine<br />
willkürliche Masse an geplanten Neubaumaßnahmen.<br />
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Selbstblockierte<br />
Verkehrspolitik:<br />
RHEINLAND-PFALZ<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: (80) Ministerratsbeschluss v. 30. 4. 2013)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 143<br />
Kosten Anmeldungen Rheinland-Pfalz für den BVWP 2015: 3 Milliarden Euro<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Aus- und Neubau 2013-16: 47 Mio. pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Mit seiner späten, von mehreren Ministerien beschlossenen Anmeldung konnte sich RLP auf die Grundkonzeption<br />
des BMVBS in der Fassung vom 1.2.2013 beziehen. <strong>Die</strong> Anmeldung habe „sich an den Kriterien des <strong>Bund</strong>es orientiert“.<br />
<strong>Die</strong> Vorhaben konzentrieren sich in der Tat auf Engpassbeseitigung, insbesondere auf den Hauptverkehrsachsen<br />
und Güterverkehrskorridoren. <strong>Die</strong> Landesregierung betont, dass die Anforderungen des Klima-,<br />
Umwelt- und Lärmschutzes sowie der Verkehrssicherheit erfüllt wurden.<br />
Doch die ausdrücklich geäußerte Absicht der Einhaltung der Oberziele wurde nicht durchgängig umgesetzt.<br />
Zwar mindert die Konzentration auf Ausbau statt Neubau den Flächenverbrauch. <strong>Die</strong> A 1-Planung widerspricht<br />
jedoch dem Ziel des <strong>Bund</strong>es „keine weitere Zerschneidung unzerschnittener Räume“. Zur Verkehrssicherheit<br />
sowie der Lärmminderung und Verbesserung der Lebensqualität in den Kommunen wurden keine Schwachstellenanalysen<br />
durchgeführt. Offenbar herrschte die Überzeugung, jede Ortsumgehung erfülle diese Ziele auch<br />
ohne zusätzliche Maßnahmen. Auch wurden keine Alternativen betrachtet. Bei der Beteiligung der Öffentlichkeit<br />
wird nur auf die Beteiligungsmöglichkeiten auf <strong>Bund</strong>esebene verwiesen. Und: Der eingereichte Vorschlag ist<br />
trotz der Beinahe-Halbierung der Zahl der Anmeldungen <strong>unfinanzierbar</strong>: <strong>Die</strong> Umsetzung der Maßnahmen würde<br />
über 60 Jahre dauern.<br />
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SAARLAND:<br />
Klein aber bürgerfern<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 9<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 14<br />
Kosten Anmeldungen Saarland für den BVWP 2015: Nicht berechnet<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 5 Mio. Euro (Durchschnitt)<br />
Das Saarland zeigt, wie man es nicht machen sollte: Alte Projekte wurden ohne genauere Prüfung wieder in<br />
eine vorläufige Liste übernommen, die an das BMVBS weitergereicht werden soll. <strong>Die</strong> Aussage aus dem <strong>Straßen</strong>baureferat<br />
des Verkehrsministeriums: „Im Saarland ist alles recht übersichtlich“. Obwohl die absolute Zahl<br />
der Projekte geringer ist, heißt das nicht, dass automatisch alles besser gemacht wird.<br />
Eine Alternativenprüfung sowie eine Öffentlichkeitsbeteiligung sind jedenfalls nicht zu erkennen. Für die Bürgerbeteiligung<br />
wird von der saarländischen Landesregierung allein der <strong>Bund</strong> zuständig erklärt. Auf die Landtagsanfrage,<br />
in welcher Weise und wann die Öffentlichkeit des Saarlandes im Vorfeld der Anmeldung von Maßnahmen<br />
für den BVWP 2015 einbezogen werden soll, antwortet die Landesregierung: „Der <strong>Bund</strong> sieht eine<br />
Beteiligung der Öffentlichkeit während der gesamten Aufstellungsphase vor. Hierzu gibt es regelmäßige Veröffentlichungen<br />
auf der Internetseite des BMVBS, sowie das Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung im Entwurf<br />
zum Download.“ 1<br />
Auch eine frühzeitige Berücksichtigung von Umweltaspekten findet nicht statt. Letztendlich gilt auch im Saarland:<br />
<strong>Die</strong> Kommunen dürfen nach Belieben ihre Wünsche melden, das Ministerium sammelt diese und reicht<br />
sie weitgehend ungefiltert nach Berlin weiter. Eigene Netzüberlegungen: Fehlanzeige! Ebenso Fehlanzeige:<br />
Bezugnahme auf die Ziele der Grundkonzeption für den BVWP 2015. Verkehrssicherheit, Lärmschutz und Naturschutz<br />
werden konsequent ausgeblendet.<br />
1<br />
LT-Drucks. 15/79 v. 22.8.2012, S. 2<br />
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SACHSEN-ANHALT:<br />
All you can build<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 94 (vorläufige Anmeldeliste)<br />
Zum Vergleich - Neuanmeldungen BVWP 2003: 49<br />
Kosten Anmeldungen Sachsen-Anhalts BVWP 2015: Keine Kostenberechnung<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 40 Millionen Euro pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Sachsen-Anhalt kann offenbar nicht genug bekommen: Während in einigen Ländern eine Tendenz zu weniger<br />
Projektanmeldungen im Vergleich zum BVWP 2003 zu erkennen ist, meldet Sachsen-Anhalt neben den übernommenen,<br />
alten Maßnahmen 30 bisher nicht zur Debatte stehende, neue <strong>Straßen</strong> an. Es handelt sich dabei<br />
fast ausschließlich um <strong>planlos</strong> über das Land verteilte Ortsumgehungen. Laut Aussage aus dem Verkehrsministerium<br />
in Magdeburg gibt es auch „kein dahinterstehendes Netz“. Ebenso haben sich die Planer „keine verkehrskonzeptionellen<br />
Gedanken“ gemacht. Was die Finanzierbarkeit angeht, werden mit Verweis auf die Zuständigkeit<br />
des <strong>Bund</strong>es überhaupt keine eigenen Überlegungen angestellt; angemeldet wird, als ob unbegrenzt Gelder zur<br />
Verfügung stehen würden.<br />
Wie schwer dem Ministerium Alternativbetrachtungen fallen, zeigt das Beispiel der A 14. <strong>Die</strong>se soll gebaut<br />
werden, obwohl sich mit dem Ausbau der parallelen B 189 eine gleichwertige Option aufdrängt, die über eine<br />
Milliarde Euro an Mittel einsparen könnte. Allein der Bau der A 14 würde mit den dem Land zur Verfügung stehenden<br />
Neu-/Ausbaumitteln 40 Jahre dauern und diese Zeit mit zusätzlichen EU-Mitteln maximal auf die Hälfte<br />
verkürzt werden.<br />
<strong>Die</strong> vielen neuen <strong>Straßen</strong>planungen verwundern auch angesichts der Tatsache, dass künftig in vielen Landesteilen<br />
die Einwohnerzahlen teilweise drastisch zurückgehen werden. <strong>Die</strong>s scheint man im Ministerium nicht zur Kenntnis<br />
zu nehmen, denn – anders als in Mecklenburg-Vorpommern – wurde kein dem demografischem Wandel<br />
entsprechendes Konzept entwickelt.<br />
Da jegliche konzeptionelle Überlegungen fehlen, spielen Umweltthemen oder eine Strategie zur Verbesserung<br />
der Verkehrssicherheit, der Lebensqualität und die Lärmentlastung in den Städten keine Rolle. Um nur ein<br />
Beispiel zu nennen: <strong>Die</strong> Ortsumfahrungen von Eckartsberga und Bad Kösen werden im Zuge der B 87 einfach<br />
erneut angemeldet, obwohl sie beim BVWP 2003 bereits vernichtend bewertet wurden: Null von fünf Punkten<br />
bei der städtebaulichen Bewertung („keine nennenswerte Effekte für die Entlastung der Ortsdurchfahrt“).<br />
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SACHSEN:<br />
Blindes Planen<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 89<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 108<br />
Kosten Anmeldungen Sachsens für den BVWP 2015: Angaben zu einzelnen Projekten<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 21 Mio. Euro pro Jahr (Durchschnitt)<br />
Sachsen geht beim Anmeldeverfahren relativ transparent vor. Insgesamt kommen in Sachsen, das bereits ein<br />
äußerst dichtes <strong>Straßen</strong>netz besitzt, über 90 Anmeldungen zusammen. <strong>Die</strong>se Projekte wurden fast vollständig<br />
und unreflektiert aus dem vergangenen <strong>Bund</strong>esverkehrswegeplan von 2003 übernommen. Genau diese „blinde“<br />
Wiederanmeldung macht mit Blick auf die veränderten Verhältnisse keinen Sinn. Neue und klare Vorgaben des<br />
BMVBS sowie knappere Finanzmittel schaffen neue Rahmenbedingungen. So ist es auch kaum glaubwürdig,<br />
dass das Ministerium – wie es auf Nachfrage behauptet – den Vorgaben des BMVBS („Oberziele“ der Grundkonzeption<br />
des BVWP 2015) eine „große Priorität“ eingeräumt hat. <strong>Die</strong>se tauchen weder in den Dokumenten<br />
über die Anmeldung auf noch im Landesverkehrsplan vom August 2012.<br />
In Punkto Naturschutz macht es sich Sachsen zu einfach: So wird von Seiten des Ministeriums versprochen,<br />
dass „die Karte unzerschnittener Räume“ bei den Anmeldungen „beachtet“ wurde. Der Freistaat besitzt nur<br />
jedoch nur ganz wenige und kleine Flächen, die noch nicht zerschnitten sind (v.a. westlich von Chemnitz). Spitz<br />
formuliert: Wo es keine intakte Natur mehr gibt, kann sie auch nicht zerschnitten werden.<br />
Alternativen werden auch in Sachsen völlig unzureichend in die Betrachtungen miteinbezogen. Auf Rückfragen<br />
nach der Finanzierbarkeit der zusammen getragenen Wünsche wird mit Verweis auf Berlin geantwortet - das<br />
entspricht keiner seriösen Planung. Immerhin gibt es mit dem Landesverkehrsplan 2025 eine Art übergeordnetes<br />
„Leitmotiv“.<br />
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Hauptsache groß:<br />
SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />
Angemeldete <strong>Straßen</strong>bauvorhaben BVWP 2015: 21 (Anmeldung v. 7.2.2013)<br />
Zum Vergleich: Neuanmeldungen BVWP 2003: 18<br />
Kosten Anmeldungen SH für BVWP 2015:<br />
Angaben nur zu einzelnen Projekten<br />
Investitionsmittel Fernstr.-Neu- und Ausbau 2013-16: 30 Mio. Euro (Durchschnitt)<br />
In Schleswig-Holstein war die Fernstraßenanmeldung nach außen völlig undurchsichtig. Eine vorläufige Anmeldeliste<br />
ist zwar im Internet eingestellt, allerdings sehr schwer auffindbar. Zudem ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung<br />
noch nicht einmal angedacht. Alte Projekte aus dem BVWP 2003 wurden in ihrer ursprünglichen Form<br />
übernommen und neu angemeldet. <strong>Die</strong> Vorgabe, sie auf Kompatibilität mit der Neuausrichtung der Grundkonzeption<br />
des BVWP 2015 zu prüfen, wurde nicht erfüllt. Ebenso wurde eine Alternativenprüfung unterlassen.<br />
Allerdings wurde die Gesamtzahl der Projekte reduziert; 25 Projekte aus dem „weiteren Bedarf“ von 2003<br />
wurden gestrichen. Zwar wird in Kiel die Finanzierbarkeit der meisten Projekte etwas realistischer eingeschätzt<br />
als in anderen Ländern. Doch die kalkulierten Gesamtinvestitionen von über 1,5 Milliarden Euro enthalten nicht<br />
den notwendigen Neubau der Fehmarnsundbrücke und die gestiegenen Kosten der Elbquerung bei Glückstadt.<br />
Würde dies miteinberechnet, lägen die Gesamtinvestitionen bei zwei Milliarden Euro. Beim momentanen Mitteleinsatz<br />
würde das einen Umsetzungszeitraum von über 65 Jahren bedeuten. Alles in allem legt Schleswig-<br />
Holstein also ein realitätsfernes Investitionskonzept vor. Über das Anmeldungspaket für Berlin lässt Schleswig-<br />
Holstein im Vergleich zu vielen anderen Ländern aber den Landtag abstimmen, was zumindest etwas Transparenz<br />
verspricht.<br />
Das Land konzentriert sich auf große Projekte. <strong>Die</strong>se zerstören oft im großen Maße kostbare Lebensräume –<br />
Beispiel A 20: <strong>Die</strong> Weiterführung nach Westen über die Kreuzung mit der A 7 hinaus führt unweigerlich zur<br />
Zerschneidung eines großen unzerschnittenen und verkehrsarmen Raums. <strong>Die</strong> A 20 unterläuft auch sonstige<br />
Bemühungen, Verkehr von der Straße auf Schiene und Schiff zu verlagern. Dabei zeigt die Landesregierung an<br />
anderer Stelle vielversprechende Initiativen, wie mit den Anmeldungen von vielen Schienenprojekten und der<br />
Streichung vieler Ortsumfahrungen. In Einzelfällen bleibt Kiel aber auch hier inkonsequent: <strong>Die</strong> Landesregierung<br />
hält an der Anmeldung der B 5 (Lauenburg) und B 431 (Glückstadt) fest, obwohl diesen beim BVWP 2003 ein<br />
denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde (schlechtes Nutzen-/Kosten-Verhältnis; geringe Entlastung der<br />
Ortsdurchfahrt).<br />
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THÜRINGEN<br />
Anmeldeliste liegt<br />
noch nicht vor<br />
Thüringen ist noch nicht mit einer vorläufigen Liste an die Öffentlichkeit gegangen. Vieles deutet jedoch darauf<br />
hin, dass nahezu alle noch nicht realisierten Projekte aus dem BVWP 2003 wieder ungeprüft übernommen werden<br />
sollen. Zu der gesamten Intransparenz im Anmeldeprozess passt die Aussage aus dem Ministerium in Erfurt,<br />
dass eine „Öffentlichkeitsbeteiligung keinen Sinn macht“. Weitere Informationen waren nicht zu bekommen.<br />
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