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Welche Angebote und Hilfen stehen dem Jugendamt bei ... - Bkjpp

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Forum der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie 3 – 2006 54<br />

Abgrenzung zu psychopathologischen Phänomenen keineswegs so klar,<br />

wie es vorgegebene Klassifikationen erscheinen lassen.<br />

Und schließlich muss das Identitätserleben noch breiter gefasst werden. So<br />

kann es als die emotional-kognitive Komponente des Realitätsbezugs angesehen<br />

werden, das Selbstbildaspekte darstellt. Bei allen vier Kasuistiken<br />

lassen sich in unterschiedlichem Ausmaß Identitätsprobleme beschreiben.<br />

Besonders der dritte Fall weist Kennzeichen einer „Tötung zur Identitätsfindung“<br />

gemäß einer Typologie von DeBoor auf (1982).<br />

Bei differenzierter Betrachtung dieser Konstrukte können aus der forensischen<br />

Sicht bedeutsame Hinweise zur Tatmotivation gewonnen werden.<br />

Diese können sowohl für therapeutische Prozesse als auch für gutachterliche<br />

Stellungnahmen (Schuldfähigkeit <strong>und</strong> Prognose) benutzt werden. Die<br />

Schwierigkeiten in der Diagnostik <strong>und</strong> der Differenzierung von Fantasie,<br />

Realitätsbezug <strong>und</strong> Identitätserleben sind aufgezeigt worden. Dieser Beitrag<br />

soll als ein erster Schritt verstanden werden, sich den Wirklichkeitskonstruktionen<br />

junger Tötungsdelinquenten zunächst anhand von dokumentierten<br />

Einzelfalldarstellungen wissenschaftlich zu nähern (vgl. Bortz,<br />

1999).<br />

In der forensischen Psychotherapie ist es oft aufwendig <strong>und</strong> mühselig, gewalttätige<br />

Fantasieinhalte <strong>und</strong>/oder besondere Realitätsbezüge zu identifizieren<br />

bzw. zu diagnostizieren, da diese von den Patienten nur selten offen<br />

mitgeteilt werden. Im Verlauf sollten sie schrittweise <strong>und</strong> behutsam in der<br />

Realität verankert <strong>und</strong> damit quasi „geerdet“ werden. Bei diesem Vorgehen<br />

ist insbesondere die Gefahr des Dekompensierens zu berücksichtigen.<br />

Deshalb sollte eine Krisenintervention bereitgehalten werden, die zusätzlich<br />

durch pädagogisch-stützende Maßnahmen (Schule, Ausbildung) flankiert<br />

wird (Hinrichs et al., 2004).<br />

Für die zukünftige forensische Forschung sind zunächst Studien dringend<br />

erforderlich, die über eine reine Einzelfalldarstellung hinausgehen <strong>und</strong> empirischen<br />

Standards entsprechen. Da<strong>bei</strong> stellt sich natürlich die Frage, wie<br />

die genannten Konstrukte sinnvoll operationalisiert <strong>und</strong> erfasst werden<br />

können. Hier bieten sich unter anderem kriminalpsychologische Methoden<br />

zur systematischen Erfassung tatspezifischer Merkmale an (vgl. Müller et<br />

al., 2005). Weiterhin erscheinen Selbstbeschreibungen über Fragebögen<br />

oder Interviews notwendig, um die subjektiven Realitätskonstruktionen der<br />

Delinquenten abzubilden. Allerdings existieren bislang hierfür keine Verfahren<br />

(abgesehen von qualitativen Verfahren wie narrativen Interviews)<br />

<strong>und</strong> die gängigen Persönlichkeitstests erfassen die diskutierten Konstrukte<br />

nicht ausreichend. Weiter könnte in der empirischen Forschung das Problem<br />

eines Stichprobeneffektes auftauchen, denn wahrscheinlich formt nur

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