Welche Angebote und Hilfen stehen dem Jugendamt bei ... - Bkjpp
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Forum der Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie 3 – 2006 50<br />
steht ganz im Gegensatz zum Täter A.. In wie weit dies aber vor <strong>dem</strong> Hintergr<strong>und</strong><br />
der weiteren Persönlichkeitsentwicklung von B. noch geschieht,<br />
muss zum jetzigen Zeitpunkt offen bleiben.<br />
In der dritten Falldarstellung finden sich wieder Anzeichen für eine Nebenrealität<br />
ohne Angaben zu begleitenden Gewaltfantasien. C. erfindet in seiner<br />
Nebenrealität Fre<strong>und</strong>schaften zu einem Onkel <strong>und</strong> einem Cousin, die<br />
nach Zeugenangaben nie so bestanden haben. Weiter berichtet er Bekannten<br />
von einem tödlichen Unfall seines („besten Fre<strong>und</strong>es“) Cousin. Dieser<br />
lebt jedoch <strong>und</strong> hat nie eine enge Beziehung zu C. aufgewiesen. C. berichtet<br />
seinem Vater <strong>und</strong> seinen Bekannten von Ar<strong>bei</strong>tsverhältnissen bzw.<br />
Geldquellen, die ebenfalls nie bestanden haben. Wohl im Rahmen einer episodischen<br />
Nebenrealität will er einen Arzt kontaktiert haben, der ihm eine<br />
tödliche Krankheit diagnostiziert haben soll. Allerdings lassen sich diese<br />
Falschaussagen auch psychodynamisch interpretieren: zum einen als<br />
Versuch einer grandiosen Selbstinszenierung, zum anderen als Darstellung<br />
von eigenem Leiden <strong>und</strong> <strong>dem</strong>onstrativen Anteilen. Auch finden sich keine<br />
Hinweise darauf, dass die erwähnten Selbstdarstellungen über den situativen<br />
Kontext hinaus Bestand hatten <strong>und</strong> somit Ich-synton wurden. Hinsichtlich<br />
des angegebenen Arztbesuchs erscheint eine dissoziative Episode (im<br />
Sinne einer sog. Fugue) recht unwahrscheinlich, <strong>bei</strong> stattgef<strong>und</strong>enem Ereignis<br />
hätte man dies unschwer recherchieren können, außer<strong>dem</strong> wird das<br />
zentrale Ereignis ja erinnert. Eher ist eine Form von Nebenrealität bzw.<br />
verengter Realitätswahrnehmung (oder dissoziierter Realität) anzunehmen,<br />
in der <strong>dem</strong> Thema „Tod“ wiederholt Bedeutung zukommt. Hingegen lassen<br />
sich <strong>bei</strong> C. keine Hinweise für (wiederholte) Tötungsfantasien in Bezug<br />
auf seine Mutter oder andere Personen finden. Bei der beschriebenen<br />
symbiotischen Beziehung zur Mutter dürften sich Ängste vor Identitätsverlust<br />
<strong>und</strong> eine zunehmende Identitätsunsicherheit verdichtet haben. Die<br />
unmittelbar vor der Tat entstandene Situation ist durch eine Umkehr von<br />
der Angst vor eigener Vernichtung in die archaische Fremdaggression erklärbar.<br />
Die Personifizierungskennzeichen des Kordelumlegens <strong>und</strong> der möglicherweise<br />
sexuell motivierten postmortalen Verletzungen im Brustbereich<br />
(vgl. Osterheider, 2003; Müller et al., 2005) sind aber wahrscheinlich nicht<br />
Gr<strong>und</strong>lage von Fantasien, sondern <strong>stehen</strong> eher in Zusammenhang mit der<br />
verzögerten Persönlichkeits- <strong>und</strong> Sexualentwicklung von C..